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Interview mit Anime on Demand

Interview mit Michael Wache, Geschäftsführer der Anime on Demand GmbH (AoD),
zum Start der Kooperation AoD-Animexx

Animexx: Was ist denn, aus eurer Sicht, der wichtigste Entwicklungstrend der Anime-Branche?

AoD: Für die Anime-Branche sind die gleichen Entwicklungstrends erkennbar, wie für die gesamte Multimedia-Branche: Der Vertrieb und Konsum von Animes werden in zunehmendem Maße online abgewickelt werden und die Abspielgeräte (TV, PC, Handy) werden immer stärker zusammenwachsen. Die Frage ist nur, ob es noch 5 oder 10 Jahre dauern wird, bis Speichermedien wie DVD und Blue Ray Disc nur noch Liebhaberwert haben und umständliche Übertragungen der Daten vom PC auf das TV-Gerät überflüssig sind.

Wenn man sich die Geschwindigkeit ansieht, mit der sich Innovationen digitaler Technologien in den vergangenen 10 Jahren in der Multimedia-Branche durchgesetzt haben, glaube ich, dass diese Entwicklungen eher in 5 als in 10 Jahren Realität sein werden.

Animexx: Warum wurde AoD gerade jetzt, bzw. vor einem Jahr, gestartet? Den Gedanken, Videos übers Internet zu vermarkten, gibt es ja schon länger.

AoD: Wir haben AoD Anfang September 2007 gestartet. Die Idee für dieses Projekt hatten wir schon drei Jahre vorher, denn es war schon damals klar absehbar, dass sich der Anime-Markt ebenso wie die gesamte Multimedia-Branche in Richtung Internet bewegen wird. Aber 2004 haben wir das Projekt erstmal auf’s Eis gelegt, weil die Zeit einfach noch nicht reif war. Es ist ja bekannt – nicht nur wer zu spät kommt, sondern auch wer zu früh kommt, wird vom Leben bestraft. Anfang 2007 war die Zeit dann reif für das AoD Projekt: Die Telekommunikationsstruktur (Bandbreiten, DSL, etc.) war inzwischen gut ausgebaut, es war zunehmend üblich über das Internet zu kaufen und zu bezahlen, die Nutzung von Online-Musik-Shops und Youtube waren in der Generation der Anime-Konsumenten weit verbreitet und die japanischen Urheber von Animes waren zunehmend bereit, VoD-Lizenzen zu verkaufen. Also jetzt oder nie! Wenn wir es nicht gemacht hätten, hätte es ein Anderer getan.

Animexx: Kann das überhaupt funktionieren? Gerade im Internet ist man es ja gewohnt, die Sachen auch kostenlos zu bekommen – sei es auf YouTube & Co, oder per Download von Fansubs oder DVD-Rips... Woher die Hoffnung, dass Anime-Fans bereit sein werden, für die Videos auch zu zahlen?

AoD: Zugegeben, angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der heute Raubkopien zumeist ohne jegliches Unrechtsbewusstsein im Internet verbreitet werden, fällt es nicht leicht diese Zuversicht aufrecht zu halten.

Aber das Geschäftsmodell von AoD basiert auf zwei Annahmen, von denen wir überzeugt sind, dass sie zukunftsfähig sind: Die erste Annahme ist die schon erwähnte Gewissheit, dass sich Vertrieb und Konsum von Animes weiter unaufhaltsam ins Internet verlagern werden. Die zweite Annahme ist die Zuversicht, dass die Anime-Kultur nicht sobald sterben wird.

Wenn man beide Annahmen zu Ende denkt, wird es für die Anime-Branche in absehbarer Zeit nur zwei Optionen geben: Bezahltes Online-Sein oder bald gar nicht mehr Sein. Entweder Animefans werden es für normal erachten für Animes, die sie sich online beschaffen, zu bezahlen oder es wird keine neuen Animes mehr geben. Punkt, aus. So einfach ist das. Unternehmen und Menschen, die Animes produzieren und vermarkten, müssen davon leben können. Wenn das nicht mehr möglich ist, werden sie sich einen andern Job suchen und die Anime-Kultur wird nur noch als Laienspiel fortbestehen. Da aber nicht nur die kleine Anime-Nische sondern die gesamte Multimedia-Branche vor dieser Überlebensfrage steht, bin ich optimistisch, dass in unserer Gesellschaft das Bewusstsein wachsen wird, dass auch in digitalen Produkten ehrliche Arbeit steckt, die ihr Geld wert ist.

Animexx: Die Bereitschaft zu zahlen, ist natürlich das eine. Wer aber Serien anschauen will, die jetzt gerade in Japan aktuell sind, hätte ja auch gar keine Alternative zu Fansubs, selbst wenn diese Bereitschaft vorhanden wäre. Von den paar Gonzo-Serien des letzten Jahres einmal abgesehen...

AoD: Da wir auf AoD nur deutsch synchronisierte Animes anbieten, sind es nicht die Fansubber, die uns geschäftlich großen Schaden zufügen, sondern die Raubkopien, die von DVDs gerippt wurden und dann auf diversen Webseiten kostenlos im Internet angeboten werden.

Aber der Internetwind bläst inzwischen auch den Fansubbern ins Gesicht. Wenn man Animes online zu den Animefans bringt, bietet das die Chance den zeitlichen Abstand zwischen dem TV-Release einer Serie in Japan und deren rechtlich korrekter Veröffentlichung hier in Deutschland deutlich zu verkürzen. Damit wird die Mission der Fansubber überflüssig. Das Internet, der Gott des digitalen Zeitalters, hat es ermöglicht, dass sich die Fansub-Kultur so stark entfaltet und das Internet wird dazu führen, dass Fansubs nicht mehr gebraucht werden. In den USA ist dieser Prozess bereits voll im Gange und es wird nicht mehr lange dauern bis diese Entwicklung auch bei uns ankommt.

Animexx: Nach welchen Kriterien wird entschieden, welche Serien auf AoD kommen?

AoD: Ganz einfach: Alle Serien, die wir für attraktiv halten und für die wir die VoD-Lizenz zu akzeptablen Konditionen bekommen, bringen wir auf AoD. Egal von welchem Verlag. Das Problem ist, dass es bislang für viele Serien noch gar keine VoD-Lizenzen für den deutschsprachigen Markt gibt, und für ältere Anime-Serien sehr wahrscheinlich auch nicht mehr geben wird.

Animexx: AoD hängt ja offensichtlich recht stark mit Anime Virtual zusammen, einem klassischen DVD-Produzenten. Hat man da nicht die Sorge, dass das Video-on-Demand-Geschäft den DVDs die Kunden und Umsätze wegnimmt?

AoD: Für diese Problematik hat sich der schöne Begriff der „Selbstkannibalisierung“ eingebürgert.

Auch wir hatten diese Bedenken. Wir haben erwartet, dass der DVD-Absatz bei den Serien runtergehen wird, die auch auf AoD angeboten werden. Zumal wir ja neue Serien von Anime Virtual zeitgleich als DVD in den Handel bringen und als Download auf AoD starten. Zu unserer durchaus positiven Überraschung ist diese Selbstkannibalisierung des DVD-Absatzes durch AoD bislang noch nicht festzustellen. Offenkundig möchte die Mehrzahl der heutigen Animefans ihre Animes noch immer in einem schönen DVD-Cover in die Hand nehmen. Sammler haben eben ein sinnliches Verhältnis zu ihren Sammelobjekten. Viele AoD-Kunden laden sich auch nur die erste Episode einer Serie als Preview runter und kaufen sich dann die Serie auf DVD. Fazit: DVD und AoD werden sicher noch eine Weile friedlich nebeneinander laufen.

Animexx: Und wie schaut es mit anderen Anime-Produzenten neben Anime Virtual aus – sind da Kooperationen geplant, und wie stehen die dazu?

AoD: Als wir AoD geplant und entwickelt haben, haben wir uns von zwei Annahmen leiten lassen. Annahme 1: Im kleinen Markt für deutschsynchronisierte Animes kann und wird es nur Bedarf für einen VoD-Shop geben. Annahme 2: Dieser VoD-Shop wird für Animefans nur attraktiv sein, wenn sie dort ein breites Sortiment möglichst aller Publisher finden. Wir haben deshalb alle Verlage, die VoD-Lizenzen für deutsch synchronisierte Animes besitzen (so viele sind das ja nicht) eingeladen, ihren Content zu sehr fairen wirtschaftlichen Bedingungen auf AoD anzubieten. Bislang praktizieren wir solche Kooperationen mit Ufa Anime und Anime House. Verhandlungen mit weiteren Verlagen laufen. Aber natürlich ist es nicht einfach Akteure für eine geschäftliche Kooperation zu gewinnen, die im DVD-Geschäft Mitbewerber von Anime Virtual sind.

Animexx: Wie steht man denn in Japan zum Video-on-Demand-Geschäft, was gibt es da für Vorgaben?

AoD: Die japanischen Lizenzgeber verkaufen uns die VoD-Rechte bislang nur mit drei strengen Auflagen:

erstens, wir müssen die Videos mit einem wirksamen DRM-Schutz versehen, zweitens, wir dürfen nur die deutsche Synchronfassung, ohne die japanische Originaltonspur anbieten und drittens, müssen wir technisch sicherstellen, dass die Videos auf AoD nur in Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg runtergeladen werden können.

Wir sind über diese Beschränkungen nicht glücklich aber es gibt nachvollziehbare Gründe, warum die Japaner so handeln. Die japanischen Anime-Schmieden machen 90 % ihres Umsatzes auf ihrem heimischen Markt in Japan. Darum sind sie natürlich sehr darauf bedacht, den japanischen Markt vor Raubkopierern abzuschirmen. Im Zeitalter des grenzenlosen Kopierens und Versendens digitaler Formate ist das zunehmend unmöglich. Aber durch die genannten Auflagen bei der Vergabe von VoD-Lizenzen an Publisher außerhalb Japans wollen die japanischen Lizenzgeber den Reimport von Raubkopien auf den japanischen Markt zumindest erschweren.

Animexx: Gleichzeitig wird doch auf diese Weise der Markt hierzulande künstlich verkleinert, da diese Einschränkungen einige potenzielle Käufer abhalten...

AoD: Wie schon gesagt, wir finden diese Beschränkung der Nutzungsrechte und die DRM-Lösung von Microsoft auch nicht toll. Deshalb habe ich Verständnis für diesbezügliche Klagen und Kritiken unserer aktuellen und potenziellen Kunden. Aber leider ist derzeit nur dieses Szenario für uns praktikabel. Die japanischen Lizenzinhaber geben die VoD-Nutzungsrechte bislang nur mit strengen DRM-Auflagen ab und das DRM von Microsoft ist die mit Abstand am weitesten verbreitete technische Lösung für das DRM. Schmerzhaft für uns ist vor allem, dass wir durch die Bindung an das DRM von Windows Mac-User von der Nutzung unseres Angebots ausschließen.

Animexx: Thema „Bild- und Tonqualität“: Welchen Stellenwert hat das für euch und in euren Augen für Fans?

AoD: Unser eigener Anspruch an die Qualität der Videos auf AoD lässt sich klar benennen: Trotz Einschränkung auf das wmv-Format muss die Darstellungsqualität der Videos mindestens so gut wie die der Präsentationen auf DVD sein. Jeder, der was vom Handwerk des Video-Encoding versteht, weiß, dass das nicht trivial ist. In der ersten Zeit von AoD haben wir beim Encoden der Dateien auch viel experimentiert und mussten zu recht Klagen über Qualitätsmängel einstecken. Aber wir haben schnell gelernt und ich glaube, dass es bei uns schon seit längerem in punkto Qualität wirklich nichts zu Meckern gibt.

Die Qualitätsansprüche der Animefans liegen nach unserer Erfahrung breit verteilt zwischen den Polen: Feinschmecker und Fastfoodkonsument. Zu unserem Bedauern ist in diesem Spektrum die Richtung zum Fastfood-Pol deutlich stärker besetzt. Vielen Leuten, die sich Animes im Internet anschauen ist die Bildqualität des Videos völlig Banane, Hauptsache es kostet nix. Aber wir lassen uns die Zuversicht nicht nehmen, dass die Zahl der Animefans, die gute Qualität zu schätzen wissen und bereit sind, für gute Qualität zu bezahlen, stetig wachsen wird.

Animexx: Man hört ja gelegentlich auch die Kritik, dass die Preise für eine Download-Episode recht hoch sei, manchmal nur wenig billiger als die entsprechende DVD.

AoD: Unsere Einzel-Preise sind sehr knapp kalkuliert. Wir können es uns nicht leisten und würden auch dem Wert der Animes Unrecht tun, wenn wir die Animes verramschen würden. Freilich haben wir Verständnis dafür, dass Einzelkäufe für Viel-Gucker recht teuer werden können, darum bieten wir seit kurzem ein Abo-Modell an, dessen Preise wirklich fast unsittlich niedrig sind.

Mit einem 3-Monate–Abo für 25,50 € kann man sich bis zu 140 verschiedene Anime-Episoden anschauen. Preiswerter geht’s legal wirklich nicht! Diese extrem niedrigen Preise werden wir auch nur während der Einführungsphase halten können, für Abos, die bis zum 31.12.2008 gekauft werden.

Dass uns dennoch hier und da immer wieder Mal vorgeworfen wird, dass unsere Preise unverschämt hoch sind, ist leicht einzuordnen. Für Menschen, die es gewöhnt sind und für absolut normal erachten, dass Multimedia-Content im Internet grundsätzlich kostenlos ist, ist es natürlich eine dreiste Abzocke, dass wir überhaupt Geld verlangen.

Ich kann da immer wieder nur sagen: Liebe Leute, ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass ihr selbst kein Geld dafür verlangt bzw. verlangen werdet, wenn ihr den ganzen Tag gute Arbeit leistet.

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