Des Feuervogels Glut I von Lilienkind ================================================================================ Kapitel 31: Alles für diesen Moment ----------------------------------- Seaside Dome, Tokio (Japan), Mitte Dezember Schon seit geschlagenen zweieinhalb Stunden redete Mr. Dickenson auf ihn und die anderen ein. Allmählich qualmten Kai die Ohren, und das, obwohl er bereits seit den ersten fünf Minuten nicht mehr zugehört hatte. Frustriert räkelte er sich und gähnte herzhaft, hoffe dabei insgeheim, er tat dies nicht zu auffällig. Glücklicherweise unterbrach Dickenson sein sinnloses Geschwafel nicht, sodass er sich sicher sein konnte, nicht schon wieder vor aller Öffentlichkeit auf sein schlechtes Benehmen abgesprochen zu werden. Seit er nicht mehr bei Voltaire lebte, ließen seine ehemals guten Manieren sehr zu wünschen übrig, und das war auch gut so. Er hasste alle Züge, die auf das lächerliche Überbleibsel seiner Verwandtschaft schließen ließen und tat sein nötigstes, sie sich abzugewöhnen. zwar war er immer noch ordentlich und gepflegt, jedoch auf eine andere Art als die, die man ihm aufzuzwingen versucht hatte. Stolz machte ihn das Ergebnis seiner Selbstfindungen trotzdem nicht. Doch anscheinend musste er sich mit dem abfinden, was sich hinter dem Gesicht mit der auffälligen Narbe verbarg. Einen Lichtblick gab es dennoch: Sie. Wie immer er sie nennen sollte…es war ihm inzwischen ohnehin egal geworden. Was zählte, war allein das, was sie mit sich gebracht hatte. Was nur sie ihm geben konnte. Anfangs war er ihr mit ziemlicher Skepsis begegnet, hatte alles versucht, um sie zu verschrecken und nicht an sich heran zu lassen - doch trotz seines eisernen Willens und seiner Härte war es ihm nicht gelungen. Und plötzlich - von einer Sekunde auf die nächste - war sie fast wie ein Teil von ihm selbst. Es kam ihm beinahe vor, als würde er sie schon ewig kennen…als würde sie ihn schon ewig kennen. Es schien regelrecht, als würde sie ihn besser kennen, als er es selbst tat. War es das, was ihn so stark beeinflusste? Seit sie in sein Leben getreten war, ging es in kleinen Schritten aufwärts. Zwar plagten ihn immer noch sein nervöser Magen und ein bis auf wenige Ausnahmen schlechter Schlaf, doch die Backflashs waren seitdem nicht wiedergekehrt. Er hatte aufgehört, jede nach die Stimme des Sterbenden zu hören, die Hitze der Flammen und die Metallschrapnelle, die sich in seine Haut bohrten, zu spüren. Irgendetwas war da immer noch, das ihn verfolgte. Aber es kam nicht mehr an ihn heran. War allein ihr Einfluss dafür verantwortlich? War das denn überhaupt möglich? Sie war, wie sie mehrmals beteuert hatte, ein ganz normaler Mensch, so wie er auch…falls man das als Menschen bezeichnen konnte, was die Zeit aus ihnen beiden gemacht hatte. Sie hatte nichts wirklich Übernatürliches an sich. Mit Ausnahme ihrer atemberaubenden Schönheit...und ihrer Liebe für ihn. Es war, als gäbe sie ihm all das, was ihm sein ganzes Leben lang gefehlt hatte. Doch wie sollte er das einordnen? Wie sollte er damit umgehen? Wusste er überhaupt, was Liebe war? Und war er überhaupt fähig, etwas derartiges zu empfinden? Fragen über Fragen, auf die er zumindest im Moment keine Antwort finden würde. Der Kampf, auf den er so lange brannte, stand unmittelbar bevor und er machte sich solche unnützen Gedanken??? Ob sie wohl kommen und ihm zusehen würde? Trotzig schüttelte er den Kopf. Wie kam er dazu, sich derart von solch lächerlichen Fragen ablenken zu lassen? Beiläufig änderte er seine Sitzposition und öffnete die Augen. Sein Blick streifte den von Mina, die provokant eine Augenbraue hochzog. Wie er sie hasste... Einfach alles an ihr… Ihre Arroganz, ihr viel zu knappes und wenig ladyhaftes Outfit...sie wirkte selbst in ihren langen aber knallengen Hosen noch aufreizend. Wieso musste ausgerechnet dieses Ballungszentrum seiner persönlichen Abneigungen seinen Black Dranzer erhalten haben? Die Welt konnte so herrlich ungerecht sein… Er bemerkte nebenbei, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Erst hatte Kai es gar nicht wahrgenommen, doch jetzt erschreckte es ihn fast, wie drastisch sie sich binnen der letzten Stunden verändert hatte. Ihre blauen Flecke waren fast vollständig verschwunden und sogar ihre ramponierte Schulter machte einen halbwegs gesunden Eindruck. Dass sich ihr Körper zügig regenerierte, hatte sie schon unter Beweis gestellt. Aber dieser rasend schnelle Heilungsprozess war...widernatürlich!!! Abgesehen davon, dass es ein völlig abstraktes Phänomen war, hätte er es allerdings gut gebrauchen können, wenn seine Blessuren ähnlich schnell verheilen würden. Aber nun gut. Im Gegensatz zu dem blauhaarigen Freak war er wenigstens in dieser Hinsicht normal... In diesem Moment beendete Mr. Dickenson auch endlich seine Ansprache und wies noch einmal auf den Gala-Empfang hin, der, sollte nicht schon wieder irgendetwas dazwischen kommen, zwei Tage nach dem Finale zu Ehren aller Teilnehmer veranstaltet wurde. Kai konnte solche Menschenansammlungen noch nie ausstehen. Doch er war inzwischen zu prominent, um unbemerkt fern zu bleiben. Wieder einmal brachte ihm der Ruhm nichts als Ärger... Mürrisch blickte er in Richtung der Uhr, die gut sichtbar an der Wand hing. Es war inzwischen schon fast zwei Uhr nachmittags...Der letzte, alles entscheidende Kampf würde sehr bald beginnen. Wie Tyson wohl mit der bevorstehenden Herausforderung umging? Seit mehr als drei Jahren kämpften sie immer wieder um den Titel des Champions, doch er hatte ihn immer wieder besiegt...ausgerechnet dieses überschwängliche, immer gut gelaunte Kind... Er hatte einfach nur Glück gehabt. Tysons ganzes Leben war eine einzige Glückssträhne. Und was hatte er selbst bekommen? Es war fast besser, nicht darüber nachzudenken, wie er sich diese Frage beantworten sollte. "Diesmal nicht, Tyson", schwor er sich, "dieses Mal wirst du mir nicht noch mal meinen Titel wegnehmen..." Es stand fest: Das Ende dieser World Championships würde auch das Ende seiner Karriere bedeuten. Bis jetzt wusste noch niemand von seinen Plänen, aber das wäre im Endeffekt nur hinderlich...Und ohne den Titel in den frühen Ruhestand zu treten, kam für ihn nicht in Frage. Alles, was jetzt noch für ihn zählte, war der Sieg. Koste es, was es wolle. Er bemerkte, dass sich die Teilnehmer nach und nach aufstanden und in den Gängen zu ihren Logenplätzen verschwanden. Alex, Brian und Mina gesellten sich zu ihm und blickten ihn erwartungsvoll an. "Ja was denn jetzt? Willst du Weltmeister werden oder lieber deinen Rausch ausschlafen?", fragte Brian ihn vorlaut. Kai ignorierte ihn und erhob sich aus seinem Sessel. "Hier meldet sich DJ Jazzman live aus dem Seaside Dome in Tokio zurück. Es ist mir eine Ehre, hiermit den dritten, alles entscheidenden Kampf des Finales der Beyblade World Championships 2003 [Ja, 2003...muss ja mit Kais offiziellem Geburtsdatum übereinstimmen] zu eröffnen. Und uns erwartet ein Kampf zweier wahrer Giganten: Der Titelverteidiger Tyson und sein Bitbeast Dragoon erschienen vor drei Jahren als komplette Neulinge in der Welt des Beybladens und stießen den bis dahin amtierenden Champion Kai mit deinem Bitbeast Dranzer vom Thron. Es treffen die vermutlich größten Rivalen und stärksten Gegner auf einander. Wir dürfen uns also auf einen Kampf der Superlative freuen!" Jazzmans Eröffnungskommentar rüttelte Kai wach. Erst jetzt schien er voll und ganz zu realisieren, wie bedeutsam das bevorstehende Match war, nicht nur für ihn. Während er, begleitet von tosendem Beifall, langsam in das ihm wohl vertraute Panorama des Seaside Domes hinausschriet, studierte er das Gesicht seines Kontrahenten, der aus dem gegenüberliegenden Eingang trat. Hinter ihm folgten Ray, Max, Kenny, Hilary und Daichi, die nacheinander auf der für das restliche Team bereitgestellten Bank Platz nahmen. In seinem Rücken verstummten nun auch die Schritte der Phoenix, die ihre Plätze einnahmen. Der Lärm im Stadion machte es unmöglich, zu sagen, wer auf wessen Seite stand. Selbst die Bladebreakers schienen sicht in diesem Moment nicht ganz schlüssig, wen sie anfeuern sollten, was sie nicht davon abhielt, in voller Lautstärke herumzuschreien. Es war kaum zu glauben, wie viel Zeit seit Beginn des Turniers verstrichen war...immer wieder hatte es die merkwürdigsten Zwischenfälle gegeben. Ende Oktober hatte das alles begonnen, und nun war es Dezember. In ein paar Wochen begannen die Neujahrsferien und nach ihnen die Routine des Schulalltags. Während des Turniers war es ihm und den anderen Bladern natürlich unmöglich gewesen, den Unterricht zu besuchen. Er hatte die schulfreie Zeit genossen, obgleich er den versäumten Stoff regelmäßig per Post zugeschickt bekam und, sofern er nicht schon wieder in irgendeinem Krankenhaus lag oder sonst beeinträchtigt war, hatte er auch für die Schule gearbeitet. Es war ihm fast ein Rätsel, wie er mit dem ganzen Stress und den an ihn gestellten Anforderungen fertig geworden war und auch noch Zeit gefunden hatte, privat so viel zu erleben... Drei Monate waren verstrichen, in denen sich so viel ereignet hatte...mal abgesehen davon, dass er sich mit der Phoenix seinen Weg ins Finale der Weltmeisterschaft erkämpft hatte. Alles war ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen, und nun erschien es wie ein kurzer Augenblick. Es war so weit: Erneut stand er einem alten Bekannten und zugleich größten Rivalen gegenüber, der ihm Jahr für Jahr seinen Titel vorenthalten hatte...jetzt war der Moment gekommen, in dem er sich das zurückholen würde, was ihm zu stand. Wonach es ihm am meisten verlangte. Ein ganzes Jahr hatte er für diesen Augenblick trainiert... Tyson und Kai erreichten die Mitte des Saals, wo eine große Arena in den Boden eingelassen war. Die Zuschauertribünen waren hoffnungslos überfüllt, die Luft war kühl, da man die große Halle nicht schnell genug hatte heizen können. Die trockene, kalte Dezemberluft kratzte im Hals. Der Lärm der Fans schmerzte in den Ohren. Routiniert nahmen beide gleichzeitig ihre Ausrüstung hervor und machten sich startbereit. Ohne ein einziges Wort zu verlieren, obwohl ihnen das Herz bis zum Hals schlug. Von einer Sekunde auf die andere verstummten die Schreie des Publikums. Mit der Stille wuchs die Anspannung der Wettstreiter. Kais Hände begannen zu zittern und Tyson bekam weiche Knie. Sogar Jazzman schien kurz den Faden verloren zu haben. Er zögerte noch einen Moment, doch dann durchbrach seine Stimme die bedrückende Ruhe. "Bereit? 3...2...1...Let It Rip!", mehr brachte selbst er in der geladenen Atmosphäre nicht zu Stande. Ein Schauer von Gänsehaut durchzuckte Kais Körper, als er Dranzer in seinen alles entscheidenden Kampf schickte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)