Snowdrops and Chocolate von Petey (Die Fortsetzung des gleichnamigen Doujinshi) ================================================================================ Kapitel 2: Café Cardinal ------------------------ Café Cardinal „Willkommen im Café Cardinal. Ich begleite Sie zu Ihrem Tisch.“ Die Bedienung, ein Mädchen wohl etwa in Keis Alter, lächelte sie freundlich an. Pechschwarze Strähnen umrahmten das Gesicht, aus dem wunderschöne blau-grüne Augen strahlten. Mit der Rechten bedeutete sie den Vieren, ihr in den Saal zu folgen. „Taki-chan!“ hörte Kei hinter sich plötzlich Kiku freudig ausrufen. Und sofort antwortete die Bedienung mit einem ebenso freudigen „Kiku-chan!“. Im Folgenden warfen sich die beiden Mädchen einander in die Arme und Kiku drückte Taki einen kleinen Kuss auf die Wange. Kei hatte noch nie verstanden, warum Mädchen so etwas taten. Aber angesichts der Szene, die sich gerade am Eingang ereignet hatte, hielt er es für angebracht, sich jede Art von Kommentar zu verkneifen. „Ich wusste gar nicht, dass du im Cardinal jobbst.“ „Na ja, das Leben ist teuer... vor allem mit so einer Schwester wie meiner.“ „Das ist Taki Hisui, eine Freundin aus der Schule.“ wandte sich Kiku schließlich wieder ihren Begleitern zu. Es folgte eine kurze Vorstellung und Begrüßung aller Anwesenden. Hier bot sich Taki erneut die Möglichkeit, ihren Gegenübern ihr niedliches Lächeln zu schenken. „Ich setze Euch an einen Vierertisch, in Ordnung?“ Sie führte die Gruppe an einen runden Tisch in der vorderen Hälfte des Saals. Von hier aus hatte man einen perfekten Blick auf die Bühne. Jetzt wurde Kei auch richtig bewusst, dass „Pärchenabend“ war. An jedem einzelnen Tisch saß ein Paar, das kaum die Finger von einander lassen konnte. Die einen konnten nicht mehr essen, weil sie ständig Händchen halten mussten, die anderen weil sie sich dauernd küssen mussten. Am besten hatten es wohl die, die unterm Tisch füßelten. Sie hatten wenigstens noch die Hände frei. Kei, Yuki, Kiku und Ryu setzten sich. „Im Eintritt ist ein Welcome-Cocktail inbegriffen. Was darf ich Euch bringen?“ Kiku musste nicht lange überlegen, was ihr Lieblingscocktail war. Yuki dagegen schon einige Minuten, die wiederum nutze Ryu, um seine Bestellung aufzugeben. Und Kei bemühte sich nach Leibeskräften, die Frage so lange wie möglich zu ignorieren. Schließlich wandte sich Taki aber doch direkt an ihn, so dass es kein Entrinnen mehr gab. „Egal. Ich vertrag sowieso gar nichts.“ Seufzte er resignierend. Taki lachte kurz und verabschiedete sich dann. „Echt? Gar nichts?“ wollte Yuki natürlich sofort wissen. „Überhaupt Null Komma Null gar nichts.“ Bestätigte Kei noch einmal verlegen. Wenn es nicht so wäre, wäre ihm sicher ein peinlicher Moment vor zwei Jahren auf der Klassenfahrt erspart geblieben. Aber es war nun einmal so. Nach einer Weile kam Taki auch schon wieder zurück. Sie balancierte geschickt ein Tablett mit vier Gläsern. Kei hatte nicht die geringste Ahnung, was für einen Cocktail sie ihm ausgesucht hatte. Aber er schmeckte sehr lecker, gefährlich lecker. Ein bisschen nach Zitrone und Erdbeeren, aber doch nicht zu süß. „Gleich beginnt das Konzert. Ich wünsche Euch viel Spaß dabei.“ Taki verbeugte sich knapp und wandte sich wieder zum Eingang, um die nächsten Gäste zu begrüßen. „Wer tritt denn auf?“ erkundigte sich Kei, zugegeben sehr früh. „Black Cerise.“ Antwortete Ryu, den Blick schon auf die Bühne gerichtet. „Die Mega-Stars von morgen.“ Fügte Kiku breit grinsend hinzu. Das Licht im Saal wurde schwächer. Nur noch die kleinen Lampen an den Wänden des Cafés erhellten den Raum etwas. Man konnte sagen, das Licht war gerade ausreichend, um noch zu erkennen was man gerade aß. Im selben Moment, in dem der Saal vom Klang einer E-Gitarre erfüllt wurde, schalteten sich auch ein paar Scheinwerfer vorne an der Bühne an. Erst jetzt konnte man sehen, dass die Band schon eine ganze Weile auf der Bühne gestanden hatte. Das Stück begann mit einem Gitarren-Solo. Dann setzte eine tiefe, wohlklingende Frauenstimme ein. „A nightly wind plays in trees whose leaves reflect the pale moon´s light. The night´s a shadow hunted by stars. Where is a shadow as dark as my heart´s?“ Während sie sang, trat sie langsam aus dem Dunkel und an den vorderen Teil der Bühne. Sie trug ein knappes, schwarzes Kleid, hohe Stiefel und lange Ohrringe, die im Scheinwerferlicht aufblitzten, wenn sie den Kopf drehte. Ihr langes, blondes Haar folgte geschmeidig ihren Bewegungen. Pünktlich zum Refrain begann auch der Schlagzeuger seine Arbeit. Ganz schön harte Beats, wenn man bedachte, dass hier gerade ein „Pärchenabend“ stattfand. Da hätte Kei eher mit romatischer Schnulzmusik gerechnet. Er war angenehm überrascht. Pierre hatte nicht gelogen. Das Konzert war wirklich sehr gut. Erst beim zweiten Song schaffte Kei es endlich, seinen Blick von der Sängerin loszureißen. Man konnte es drehen wie man wollte, aber er war eben doch nur ein Kerl. Einmal hatte er sogar das Gefühl gehabt, dass die Sängerin in seine Richtung zwinkerte. Jetzt aber bemerkte er erst den Gitarristen. Er kannte ihn, wenn auch nicht im Muscleshirt und zerrissenen Jeans. „Das ist doch... der aus dem Rat, oder?“ „Ja, Lan Sekiei.“ Nickte Yuki. Dann herrschte wieder Stille. Ihre Blicke waren auf die Bühne gerichtet. Das änderte sich erst, als Kei Kikus Stimme hörte, die sich offensichtlich an ihn richtete. „Ihr hockt neben einander wie die Hühner auf der Leiter. So hält euch aber keiner für ein Paar!“ „Muss ja auch keiner.“ Zuckte Kei mit den Schultern. „Wir sind ja schon drin.“ „Sei doch nicht so schüchtern! Steh ruhig dazu!“ lachte sie. „Nochmal zum Mitschreiben: Ich- bin- nicht- schwul.“ „Schon klar. Alle Beweise sprechen gegen dich. Oder wie war das vor zwei Jahren in Paris? Die Stadt der Liebe...“ „Also doch! Die Fotos waren nur...“ „Hi!“ Kei konnte seinen Satz nicht beenden. Lan hatte die Bühne verlassen und stand nun direkt vor ihrem Tisch. „Oho! Der große Star traut sich ins Publikum. Hast du keine Angst, dass dich die Heerscharen deiner Fans entführen?“ witzelte Ryu. „Klar. Aber ich muss mir doch noch ein paar Groupies aussuchen, die ich nachher in die Umkleide entführe. Wie wär´s mit uns, Süßer?“ „Nein, danke. Dein Angebot ehrt mich. Aber ich hab Angst vor Miyuki.“ Kei beobachtete die Szene amüsiert. Er lebte jetzt schon fast einen ganzen Monat in der WG. Aber so un-ernst hatte er Ryu bis jetzt noch nie erlebt. Sonst war der immer der Ruhepol in der Runde, sowas wie der Erwachsene, der sich um die Kinder kümmerte und alles managte. Kei war irgendwie beruhigt zu sehen, dass auch Ryu ein ganz „normaler“ Jugendlicher sein konnte. „Ryu und Lan sind seit der Ausbildung befreundet. Sie waren beide Schüler von Meister Adoy.“ flüsterte Yuki Kei zu, als er dessen Blick bemerkte. „Was macht deine Ausbildung? Alles ok?“ wandte sich Lan nun an Kei. „Ich denke schon. Aber das müsste wohl mein Lehrer beurteilen.“ „Er ist großartig. Kei kann sogar schon den Körpertausch alleine.“ berichtete Yuki stolz. „Echt? Nach einem Monat schon? Das ist toll!“ Lan wirkte echt beeindruckt. Das machte Kei wiederum etwas verlegen. Immerhin hatte Yuki ihm ja damals im Rat erzählt, dass Lan der bisherige Rekordhalter bezüglich Ausbildungsdauer war. Länger als eine Woche hatte er sicher nicht gebraucht, um den Körpertausch zu lernen. „Ich hab dir was mitgebracht.“ Lan gab Kei ein Buch, sofern man es nicht besser als „Broschüre“ bezeichnete. Besonders dick war es nicht. „Es ist ein Buch, das wir ursprünglich für Außenseiter geschrieben haben. Aber für Schüler finde ich es auch sinnvoll.“ Kei blätterte ein wenig darin. „Ein Buch über Zalei. Danke!“ „Theorie muss leider auch sein.“ Lächelte Lan und zündete sich eine Zigarette an. Jetzt überflog Kei das Inhaltsverzeichnis. In dem Buch wurde alles erklärt von der Geschichte der Zalei über das Leben in der Öffentlichkeit bis hin zum Aufbau des Rates. Mit anderen Worten: Alles, was er sich bisher nicht getraut hatte zu fragen. „Glaubst du, Onyx findet es toll, wenn du deine Gesundheit ruinierst?“ Das war schon eher der übliche kluge Ton, den Kei von Ryu gewohnt war. „Das geht ihn nichts an.“ gab Lan gleichgültig zurück und zog erneut an seiner Zigarette. „Doch. Wenn du an Lungenkrebs stirbst, trifft´s ihn auch.“ „Er hat mich auch nicht gefragt, ob er in eine Brücke einbrechen darf.“ „Das kann man wohl kaum vergleichen...“ „Als Zalei lebt man eh zu kurz, um sich über so was Gedanken zu machen. Dann sterb ich eben ungesund. Na und?“ „Da stimme ich dir nicht zu.“ Dieses Gespräch gefiel Kei schon weitaus weniger. Nicht nur der Ton, in dem die beiden Freunde mit einander redeten, sondern auch der Inhalt. Lan meinte also, ein Zalei hatte keine hohe Lebenserwartung. Das hatte Kei zum erstenmal gehört. Natürlich wusste er, dass Zalei und Carn in Leben und Tod verbunden waren. Aber Meister Adoy war ja auch unglaublich alt... zumindest sah er so aus. Kiku riss ihn wieder aus seinen Gedanken. Sie hielt Kei ihren Cocktail unter die Nase und wollte ihn unbedingt mal probieren lassen. Immerhin war das der beste Cocktail der Welt (oder so ähnlich). „Themawechsel.“ Lan atmete laut aus. Ein Rededuell mit Ryu hatte er noch nie gewonnen. „Monsieur bequemt sich heute nicht her?“ „Nein. Er hat uns seine Karten vermacht.“ „Hab ich mir fast gedacht. Diese Zicke! Dabei wollte ich mit ihm reden.“ „Ach so! Dann bist du also der, den er ‚nischt se´en‘ wollte.“ Kam die Erkenntnis über Kei. „Hat er das gesagt? Wir haben... etwas differierende Vorstellungen über die Tätigkeit unseres Rates. Deshalb.“ „Und Lan hat ihn abblitzen lassen.“ ergänzte Kiku lachend. Schweigen senkte sich über den Tisch. Die einzigen Geräusche waren Kikus leises Summen mit der Musik, die zwischen den Auftritten von Black Cerise gespielt wurde, Keis Cocktail-Schlürfen und Lans Aushauchen von Zigarettenrauch. Doch nach ein paar Minuten wurde die Stille von einem Räuspern unterbrochen. Kei blickte auf. Noch ein Mega-Star von morgen hatte sich an ihren Tisch gewagt. Die hübsche Sängerin war neben Lan getreten. Sie hatte die linke Hand in die Hüfte gestützt, die rechte auf Lans Schulter gelegt. „Black Cerise suchen dringend einen Gitarristen. Hättest du kurz Zeit?“ „Für dich immer, Darling.“ Lächelte er, während er seine Zigarette ausdrückte. „Danke, Schätzchen.“ erwiderte sie sein Lächeln. Lan verabschiedete sich bis später, bevor er in Richtung Bühne verschwand. Davor kündigte er den Vieren aber an, dass sie in wenigen Minuten den neuen Nummer 1-Hit von morgen hören würden, den neuen und alles bisher dagewesene in den Schatten stellenden Song von Black Cerise. Die Sängerin, Miyuki Yamada wie Kei nun endlich erfuhr, begrüßte die vier Gäste, vor allem Ryu, und wünschte ihnen einen schönen Abend, bevor sie Lan folgte. Wenig später erfüllte Miyukis sanfte Stimme wieder den Raum, im Intro noch ohne instrumentale Begleitung. Der neue Song klang ruhiger als die vorherigen und irgendwie traurig. Miyukis Stimme zitterte etwas und ließ sie völlig verloren wirken, da oben auf der Bühne, im Zentrum der einzigen Lichtquelle im Saal. Aber nach ein paar Versen gewann sie ihre Stärke wieder, mit einer Demonstration ihres ganzen Klangspektrums über mindestens zwanzig Oktaven ging Miyuki vom Intro in die erste Strophe über. Nun erhielt sie auch massive Unterstützung von Lan und dem Schlagzeuger. Von „traurig“ oder „Ballade“ war nichts mehr zu hören. Der eigentliche Song war total rockig. „You´re my bird in a golden cage. You´re to sing me sweet love songs. Sing, darling. Sing for me! – You can still fly away tomorrow.“ Der Auftritt gewann an zusätzlichem Reiz durch Miyukis Tanzeinlage. Dieser Hüftschwung zog vermutlich die Aufmerksamkeit von so mancher männlichen Paarhälfte auf sich. Den Refrain sagen Miyuki und Lan gemeinsam. Ihre Stimmen harmonierten perfekt. Wunderschön. Über Keis Unterarme breitete sich eine Gänsehaut aus. „And so I whisper in your ear: Please don´t leave me alone tonight. I´m a desperate girl. And that´s my desperate wish. You can still be free tomorrow.“ „Der neue Song ist schön.“ Hauchte Kiku genußvoll. Sie schmiegte sich an Ryu, der ganz selbstverständlich den Arm um ihre Schultern legte. Kiku hatte den Kopf gegen Ryus Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Ob sie nun den neuen Song oder die gesamte Situation genoss...? „Sag mal...“ flüsterte Kei zu Yuki. “Sind die beiden jetzt eigentlich zusammen oder nicht?“ „Tja. Ich bin mir nicht ganz sicher. Vermutlich wissen sie das selbst nicht so genau.“ er hob ahnungslos die Schultern. Über fünf Minuten dauerte „Desperate Girl“. In dieser Zeit herrschte ansonsten überall im Saal andächtiges Schweigen. Sogar die Bedienungen bekamen ein verärgertes „Psssst!“ zu hören, wenn sie die Gäste nach Bestellwünschen fragten. Alle Blicke waren wie gebannt auf die Bühne gerichtet. Vermutlich irgendwann während der letzten Strophe, hob Kiku etwas den Kopf und warf Kei einen kontrollierenden Blick zu. Sie grinste und bedeutete ihm unauffällig, er solle doch endlich etwas näher zu Yuki rücken. „You´re the drug that I abuse. You´re to make me high and higher. Kill me, darling. Kill me now!“ Entsetzt schüttelte Kei heftig den Kopf. Das würde ihm im Traum nicht einfallen! Kikus Grinsen wurde breiter. Mit neuen Gesten wollte sie Kei inspirieren, den ersten Schritt zu machen. Kei verstand nicht was sie genau sagen wollte und er wollte es auch nicht wissen. Verärgert leerte er seinen Cocktail in einem Zug und setzte das Glas laut wieder auf den Tisch. Kiku hatte dieses Zeichen wohl verstanden. Doch ihr Grinsen wurde nur noch breiter. Jetzt wurde sogar Ryu auf die wortlose Kommunikation der beiden aufmerksam. Verlegen wandte sich Kei sofort wieder der Bühne zu, als sein Blick den von Ryu kreuzte. Kiku dagegen streckte den Hals etwas und flüsterte Ryu irgendetwas ins Ohr, was Kei nicht verstehen konnte. Danach lachten beide leise und sahen sich weiter das Konzert an. Nur gelegentlich drehte sich Kiku zu Kei und Yuki um. Doch zu ihrer Enttäuschung musste sie jedesmal erneut feststellen, dass die beiden noch immer dasaßen wie Fremde auf einer Parkbank. Es folgten vier weitere, phänomenale Songs von Black Cerise. Das Konzert war einfach großartig, nach jedem Titel gab es rasenden Beifall vom Publikum. Die Band hängte sich aber auch „voll rein“. Miyuki, Lan und der Schlagzeuger gaben ihr Bestes und kamen entsprechend ins Schwitzen. Und ihre Bewegungen wurden unkoordinierter. Man konnte fast sagen, sie flimmerten... oder nein, das war nur das Bild vor Keis Augen, das langsam verschwamm. Er rieb sich die Augen. Besser, aber leider nicht für lange Zeit. Bald begann alles wieder, sich zu drehen. „Alles klar?“ flüsterte Yuki ihm besorgt zu. „Hmh... Ich sag ja, ich vertrag nichts.“ „Kann ich was für dich tun?“ „Nein... Ich glaub, ich geh mal kurz an die frische Luft.“ Beim zweiten Versuch konnte Kei aufstehen, mit einer Hand auf dem Tisch abgestützt. Dann drehte er sich schwungvoll um und wankte gen Terrassentür. Yuki sah ihm mit unwohlem Gefühl nach. Er stand wirklich kurz davor, Kei zu folgen. Doch diesen Job übernahm bereits Kiku. Die Terrasse war bereits gut besucht von Pärchen, die sich von der Masse im großen Saal absetzen wollten. Inzwischen war es ganz dunkel geworden. Im Schein der Laternen erkannte man nur grob ihre Umrisse. Kei setzte sich etwas unsanft auf die oberste Stufe der kleinen Steintreppe, die von der Terrasse auf einen kleinen Platz führte, auf dem bei Tage Tische standen. Kiku ließ sich wenig später neben ihm nieder. „Was machst du denn hier?“ „Auf dich aufpassen. Ich bin im Schulsanitätsdienst.“ „Seh ich vielleicht so aus, als bräuchte ich einen Schulsanitätsdienst?“ Kei war Kikus Gegenwart hörbar unangenehm. Immerhin war sie die einzige in der WG, die bei jeder Gelegenheit auf ihm rumhackte. Es ärgerte ihn, dass sie ihn in diesem Zustand sah. „Wenn du mich so fragst, ja.“ Sie grinste. Schweigen. Stumm saßen Kei und Kiku neben einander auf den Stufen und starrten in die Ferne. Umgeben von liebesflüsternden Paaren in einer sternklaren Sommernacht. Vom großen Saal drangen noch leise die Songs von Black Cerise. „I am free – I´m leaving paradise“ oder so ähnlich. „... ganz schön viele Sterne...“ begann Kei irgendwann vor sich hinzumurmeln. „... und aaaaaaaaaalle drehen sich...“ Um diese Tatsache so deutlich hervor zu heben wie möglich, verdrehte Kei passend dazu den Kopf. Als ob es dazu führen würde, dass die Himmelskörper wieder ihre angestammten Plätze einnehmen würden. Was sie natürlich nicht taten. Kiku hörte lächelnd, aber aufmerksam zu. Schließlich saß Kei wieder ruhig da, legte aber den Kopf zur Seite, als er bemerkte: „... sogar der Mond...“. Kiku lächelte freundlich, kommentierte Keis Gebrabbel aber in keiner Weise. „Kennst du den Unterschied zwischen einem Stern? – Je näher, desto leucht.“ Erst als Kiku sogar diesen – tollen – Witz weder mit einer Bemerkung, noch mit Lachen würdigte, sah sich Kei nach ihr um. Zu seinem Erstaunen, insoweit er trotz Cocktail erstaunt sein konnte, lächelte sie ihn sehr freundlich an. Ein Gesichtsausdruck, den Kei sonst eher im Profil bei ihr sah, wenn sie Ryu gegenüberstand. Erstaunlich, doch Kiku sah richtig hübsch aus, wenn sie lächelte. Aber warum lächelte sie ihn jetzt an? „Was?“ „In vino veritas. Ein weiser Mann hat mal gesagt, wenn du einen Menschen wirklich kennenlernen willst, musst du ihn betrunken sehen. Menschen zeigen dann ihren wahren Charakter.“ „Und jetzt siehst du erst wie toll ich eigentlich bin?“ „Du überraschst mich. Ich hätte nicht gedacht, dass du so albern werden würdest.“ Kei war sich nicht ganz sicher, ob das ein Kompliment gewesen sein sollte. Aber seine Gedanken waren ohnehin nicht mehr so geordnet, dass er ernsthaft darüber nachdenken konnte. Also richtete er seinen Blick wieder auf die Sterne, die wie irre Glühwürmchen immer wieder ihre Plätze tauschten. Kiku dagegen wandte ihren Blick nicht ab. Eine Weile beobachtete sie Kei noch wortlos. Eine Weile, in der ihr Ausdruck langsam von amüsiert lächelnd in nachdenklich ernst überging. „Kei...?“ „Hmh?“ „Yuki mag dich wirklich... Was denkst du über ihn?“ „Ich mag ihn.“ Nickte Kei leicht, ohne den Blick zu senken. „Und... Atari-kun?“ Gespannt wartete Kiku auf die Antwort auf diese Frage. Und Kei reagierte auch sofort. Sein Blick trennte sich vom Himmel, wanderte kurz über Kikus Gesicht und schließlich auf den Fußboden vor ihnen, wo er verharrte. „Atari war mein bester Freund... wie´s aussieht.“ Kikus Züge hellten auf. Sie erhob sich. „Also, dann! Wenn das so ist, werde ich...“ Sie sprach nicht weiter und ihr Lächeln verschwand auch wieder. Kei ging es offensichtlich schlechter. Er war zusammengesunken und hielt sich den Kopf. „Kei?! Was ist los?“ Besorgt hatte Kiku sich gleich vor ihn hingekniet und versuchte herauszufinden, was ihm fehlte. Ihre eine Hand lag auf Keis Schulterblatt. Mit der anderen versuchte sie, seine Hand von der Schläfe zu nehmen, um sein Gesicht sehen zu können. Kei hatte die Augen zusammengekniffen. Sein Atem ging schwer und ungleichmäßig. Er zitterte am ganzen Körper. Kam das nur vom Alkohol? „Mir ist... schwindelig... Weiß nicht...“ Ryus zog laut ausatmend sein Handy aus der Jackentasche. Ein Glück, dass er das Klingeln überhaupt gehört hatte, bei der lauten Musik. Auf dem Display sah er, dass keine andere Wahl hatte als abzunehmen. „Ja? Meister?... Nein, Lan kann nicht... Nein, heute werde ich ihn nicht von der Bühne zerren... Nein, heute nicht... Gut. Ja, ich gehe. Mit wem?.... Ryami Hisui, in Ordnung... Bis gleich.“ Kaum dass er aufgelegt hatte, atmete er erneut laut aus. „Meister Adoy?“ fragte Yuki und Ryu bestätigte nickend. „Ja. Ein neuer Auftrag.“ „Meine Schwester auch...?“ flüsterte Taki heiser, die zufällig an ihrem Tisch vorbeigekommen und stehengeblieben war, als sie etwas von „Meister“ gehört hatte. Doch Takis Frage blieb unbeantwortet. Kiku rannte in heller Panik und atemlos durch die Terrassentür in den großen Saal und bis zu ihrem Tisch. Unterwegs warf sie eine Bedienung und drei Gäste um. Doch in ihrer Aufregung nahm sie das kaum war. „Yuki! Du musst sofort mitkommen!“ schrie sie mit weit aufgerissenen Augen. „Ist was passiert?“ „Ja! Kei braucht deine Hilfe! Schnell!“ Auch wenn er keine Ahnung hatte, was passiert war, sprang Yuki sofort auf und rannte hinaus. Wenn es um Kei ging, brauchte er keine zweite Aufforderung. Kiku und Ryu folgten. Auf der Terrasse angekommen wurde Yuki gleich klar, was passiert war. Blumentöpfe waren umgeworfen und zerbrochen. Die Pärchen, die eben noch ausgiebig Liebeleien ausgetauscht hatten, waren bis an den äußersten Rand der Terrasse zurückgewichen. Die Nacht wurde von Schreien und Fauchen erfüllt, die an den Hauswänden widerhallten. Kei hatte sich offensichtlich im betrunkenen Zustand nicht mehr konzentrieren können und versehentlich das Bewusstsein mit Robin, seinem Carn getauscht. Eine Gefahr, die leider bei Zalei-Neulingen bestand. Yuki konnte Kei nicht sofort sehen. Die Laternen warfen zu schwaches Licht in den Hof. Doch nachdem das Geräusch der umstürzenden Tische ihn verraten hatte, erkannte Yuki auch Keis Silhouette unklar auf dem Platz. In einem Satz ließ er trotz der hohen Absätze die kleine Treppe hinter sich und stürzte auf seinen Schüler zu. Kiku stand immer noch atemlos neben Ryu in der Terrassentür. Ihre Finger hatten sich in seinen Ärmel gegraben. Sie zitterte. Ein Schrei. Wahrscheinlich Keis Stimme. Das Geräusch von Metall, dass auf Stein schlug. Wahrscheinlich Gartenstühle, die umfielen. Wimmern der anderen Gäste. Metall, das auf Stein schlug. Ein Schrei. Knurren. Rascheln. Knacken von Ästen. Keramik, die zersprang. Klirren von Scherben. Es war zu dunkel, um irgendetwas erkennen zu können. Nur hin und wieder sah Kiku Yukis weißes Haar im Dunkel aufleuchten. Sie zitterte, hatte Angst. Aber sie konnte sich nicht bewegen. „Warte hier.“ Hatte Ryu zu ihr gesagt, bevor er Yuki zu Hilfe gekommen ist. Also wartete sie. Das Abenteuer heute Nachmittag im Garten hatte ihr gereicht. So lange Kei Robin nicht besser unter Kontrolle hatte, war er gefährlich. Schließlich wurde es still. Ganz still. Kiku erwachte aus ihrer Starre. Während die Gäste um sie herum in ängstliches Getuschel ausbrachen, lief sie in den Hof, von wo die Geräusche gekommen waren. Ihr Herz schien bis zum Hals zu klopfen. Dann sah sie sie. Alle drei. Und sie waren anscheinend ok. Kiku verlangsamte ihren Schritt. Kei war bei Bewusstsein. Etwas benommen, er lag mehr auf dem Platz als er saß, aber er atmete wieder normal. Yuki kniete neben ihm und hielt ihn im Arm. Ryu ließ Keis Arm los und stand auf. Offensichtlich war diesmal Ryu die Aufgabe zugefallen, Kei festzuhalten. Alle drei hatten hier und da ein paar Schürfwunden und Kratzer. Aber im Großen und Ganzen schien niemand ernsthaft verletzt zu sein. Kiku atmete erleichtert auf. „Kei? Wie geht´s dir?“ fragte Yuki besorgt, obwohl er die Antwort bereits kannte. Mehr als „Hmh...“ konnte Kei ohnehin nicht mehr antworten, bevor er noch tiefer in Yukis Arme sank. Er fühlte sich, als wäre jede Kraft aus seinem Körper gewichen. Er hätte keinen Finger mehr rühren können. Eine Müdigkeit, wie er sie nie gekannt hatte, breitete sich in ihm aus. „Jetzt weißt du jedenfalls warum Zalei nie allein leben dürfen. Es ist sehr gefährlich...“ flüsterte Yuki nachdenklich, den Blick auf Keis blasses Gesicht gerichtet. „Kei.“ Kiku beugte sich etwas zu ihm herunter und lächelte. „Was ich vorhin sagen wollte. Ich hab mich entschlossen, dir zu helfen. Ich werde eure Liebe unterstützen.“ Was sie damit sagen wollte, verstand wohl keiner der Anwesenden. Yuki und Ryu konnten nicht wissen, worüber ihre beiden Schüler vorhin gesprochen hatten und was Kiku meinte. Und Kei... tja, selbst wenn er es gewusst hätte, erfuhr er es nicht mehr. Inzwischen hatte ihn seine Müdigkeit übermannt. Er lag friedlich schlafend in Yukis Armen. ~~~ Na? Kann ich noch schreiben oder haben die drei Jahre Behördendeutsch meinen Schreibstil vollends versaut? XD Ich hoffe, das Kapitel findet Eure Zustimmung. Gegenüber der geplanten Manga-Version hab ich nur ein paar Dialoge gestrichen. Ansonsten ist es original das, was ich sonst gezeichnet hätte. (Ich frag mich allerdings ernsthaft wie viele Jahre ich dafür gebraucht hätte. *seufz*) Im Moment bin ich fest davon überzeugt, dass meine Entscheidung, SaC als Fanfic fortzusetzen, richtig war. ^^° Kleiner Kommi-Anreiz übrigens: Wer mir einen Kommentar hinterlässt, kriegt eine ENS, sobald das nächste Kapitel online geht. ^^ In diesem Sinne, bis bald! ^^/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)