Snowdrops and Chocolate von Petey (Die Fortsetzung des gleichnamigen Doujinshi) ================================================================================ Kapitel 6: Zwei und Zwei ------------------------ Zwei und Zwei „Mon dieu! Was ´ast du denn angestellt?“ Pierres Blick wanderte von Keis Kopf bis zu den Schuhen und zurück. Yuki und Ryu hatten Kei sofort eingepackt und waren mit ihm zu Pierres Praxis gefahren. Keine Zeit, auch nur die geringsten Blutspuren zu beseitigen oder sich wenigstens umzuziehen. Kei sah sicher gruselig aus. Das T-Shirt zerrissen, die Haare zerrauft, Kratzer an Armen und im Gesicht, Blutspuren auf der Kleidung und die linke Hand in ein dickes Tuch gewickelt. „War das alles Robin? C´est incroyable!“ „Ähm… Nein, das mit den Haaren war Yuki.“ Erwiderte Kei kleinlaut. Damit hatte er seinen Gegenübern ein flüchtiges Lächeln abgerungen. Und vielleicht die Situation insofern für einen kurzen Moment entspannt. Wer noch blöde Witze machen konnte, dem konnte es ja gar nicht so schlecht gehen. Trotzdem führte Pierre ihn gleich durch das Wartezimmer in den Behandlungsraum. Yuki und Ryu blieben im Wartezimmer. Kei setzte sich auf Pierres Wink an den Tisch in der rechten Ecke. Währenddessen kramte Pierre einige Flaschen, Tuben und Verbandszeug zusammen. „Wie kommst du dazu, mit deinem Carn zu kämpfen? Nischt nur, dass einem normalen Menschen nie einfallen würde, mit einem wilden Fuchs zu raufen. Er ist auch dein Partner. Ein Zalei sollte immer-„ „Schon gut. Die Predigt hat mir Yuki auf dem Weg hierher schon gehalten.“ Pierre setzte sich Kei gegenüber und unterbrach seinen Vortrag, als er in dessen gequältes Lächeln sah. Er nickte knapp. „Bon. Isch verste´e. Yuki ist in dieser ´insischt sischer ein strenger Lehrer. Für seinen Meister ist die Beziehung zwischen Mensch und Tier der zentralste Aspekt der ganzen Zalei-Lehre. Verständlich, dass er das an Yuki weitergegeben ´at und der das nun an disch weitergeben möschte.“ Pierre wickelte langsam das Tuch von Keis linker Hand. Für den Weg bis zur Praxis hatte es ausgereicht, um die Blutung zurückzuhalten, wobei man anmerken muss, dass Ryu sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen ignoriert hatte. Aber jetzt wurde sichtbar, dass nicht viel gefehlt hatte. Die Schichten, die näher an der Wunde gelegen hatten, waren knallrot. Und es trat noch immer Blut aus der Wunde. Die ganze Hand war so rot, dass man nicht einmal mehr die Abdrücke von Robins Zähnen erkennen konnte. Pierre atmete laut aus und strich sich einige blonde Strähnen hinter die Schultern. „Da ´at Robin ganze Arbeit geleistet. Gut, dass ihr gekommen seid. Das muss auf jeden Fall genäht werden.“ Mit einem feuchten Tuch tupfte Pierre Keis Hand einigermaßen sauber. Dann desinfizierte er die Bisswunde und griff zur Nadel. Bevor Pierre anfing zu nähen, erklärte er Kei, dass das jetzt wehtun könnte und er es sagen müsse, wenn er aufhören solle. Tatsächlich fühlte sich Keis Hand aber verhältnismäßig taub an und er nahm nur ganz sanfte Stiche wahr. Die Sache war also gleich erledigt. Noch eine Salbe und ein Verband drauf und fertig. Kei konnte seine Hand jetzt allerdings überhaupt nicht mehr bewegen. Der Verband hätte wohl auch für einen Knochenbruch ausgereicht. „Soll isch die restlischen Kratzer auch anschauen?“ Kei winkte ab. Der Rest waren nur kleinere Spuren von Robins Krallen, nichts schlimmes. Salbe und Pflaster hatte er schon in weiser Voraussicht gekauft und zu Hause gebunkert. Und so dick wie seine linke Hand wollte er keine weiteren Stellen eingepackt wissen. Pierre lächelte freundlich und begleitete ihn hinaus. Yuki stand auf und kam Kei gleich entgegen, als dieser das Wartezimmer betrat. Ein Blick auf den dicken Verband beruhigte ihn allerdings nicht unbedingt. „Das ist schon in Ordnung so.“ lächelte Pierre. „Isch ´abe den Verband extra dick gemacht. So wie isch Kei einschätze, wird er sischer die Hand nischt freiwillig ruhig ´alten, wenn isch ihm das sage.“ „Das vermute ich auch.“ Lächelte Yuki ein wenig erleichtert. Kei fühlte sich etwas verloren angesichts dieses Zweiseitenangriffs. Allerdings war ihm selbst am besten bewusst, dass die beiden recht hatten. Er hatte sogar schon angefangen, über einen Racheplan gegen Robin nachzudenken. Also schwieg er lieber. Eine große Enttäuschung für Yuki, der Kei doch eigentlich etwas provozieren wollte. Ryu war inzwischen aufgestanden und zu Pierre getreten. „Hast du mal ´ne Minute? Ich muss mit dir reden.“ Seine ruhige, tiefe Stimme betonte, wie ernst Ryu es meinte. Pierre war sichtlich verblüfft. „Ah… Oui, natürlisch. Isch ´abe doch immer ein offenes Ohr für disch….“ „Ich hab gestern mit Lan ge-„ „… Außer in diesem Fall.“ Pierre wandte sich um und wollte schon wieder ins Behandlungszimmer verschwinden. Doch Ryu hatte sein Handgelenk ergriffen und hielt ihn zurück. „Pierre! Hör endlich auf mit diesem Kindergartentheater. Das ist kein Spaß.“ Ryu war wirklich nicht zum Spaßen zumute. Er hatte die Brauen ins Gesicht gezogen und seine Augen leicht zusammengekniffen. Pierre warf ihm über die Schulter einen flüchtigen Blick zu. Als er die Lage erkannte, seufzte er leise. „Isch ´abe dir schon oft gesagt, dass isch mit Lan nischts mehr zu tun ´aben möschte. Er… ´at mir sehr wehgetan, tu sais. Das ist nischt so einfasch zu vergessen… Und dann kommt er plötzlisch angekroschen, wenn er meine ´ilfe brauscht? Non, Monsieur. Nischt mit mir.“ „Kein Mensch verlangt, dass du alles vergisst, was Lan jemals gemacht hat. Ich versteh ja, dass du gekränkt bist. Meine Güte. Aber das hier ist wirklich ernst. Hör dir wenigstens an, was ich zu sagen habe.“ „… Isch will nischt. Sobald Lan mit dabei ist… Non, das ist nischt gut.“ „Pierre! Hier geht es um etwas viel größeres. Da ist es egal, ob du Lan magst oder nicht. Genauso wie es egal ist, ob ich meinen Vater mag oder nicht.“ Pierre drehte sich langsam um. Er sah Ryu aus seinen großen wasserblauen Augen an. „Du hast mit Taro gesproschen…? Soll isch dir das abkaufen?“ Ryus Miene verfinsterte sich. Einen Moment legte sich absolute Stille über die Szene. Kei und Yuki waren nicht mehr mehr als zwei Statisten, die sich stumm im Hintergrund hielten und die Hauptdarsteller beobachteten. Kei verstand nicht viel von dem, was gesprochen wurde. Pierre war aus irgendeinem Grund sehr wütend auf Lan. Kiku hatte gesagt, dass Lan Pierre früher zurückgewiesen hatte. Deshalb hatte Pierre ihnen auch die Karten gegeben, die Lan ihm geschenkt hatte, um ihn treffen zu können. Also… Lan wollte wohl eine Aussprache und Pierre nicht. Was es allerdings mit Ryu und seinem Vater auf sich hatte, war ein nicht weniger großes Mysterium. Bei Gelegenheit würde er Yuki danach fragen. Dass Ryu wütend auf seinen Vater war, hatte Kei ja schon beim Frühstück mitbekommen. Ryu senkte den Blick und lockerte gleichzeitig seinen Griff um Pierres Arm, sodass der sich mit einem Ruck befreien konnte. Pierre machte aber nur einen Schritt nach vorne. Er blieb. „Ich habe nicht mit ihm gesprochen. Aber ich werde mich überwinden und es tun. Pierre. Im Moment ist Lan außen vor. Jetzt bin ich hier, um mit dir zu reden, nicht Lan. Bitte hör mir zu. Ob du danach mit Lan sprechen willst, oder ob du dich weiter stur stellst, ist dir überlassen. Ok?“ „Ryu… Alors… Du weißt, isch ´abe disch sehr gern. Und… du kannst misch um alles bitten. Aber nischt das.“ Kei hatte nach seinem letzten Besuch in Pierres Praxis nicht gedacht, dass das möglich wäre. Aber Pierre war jetzt ebenfalls völlig ernst geworden. Erschreckend ernst. Keine Liebesbekundungen, keine albernen Gesten oder Aussprüche, kein Lächeln. „Isch weiß, was Lan für Intrigen spinnt. Es ist in der Vergangen´eit schon schief gegangen, vergiss das nischt… Du rätst mir, misch mit Lan zu versöhnen und ihn anzu´ören? Bon. Lass misch dir ausch einen Rat geben. Lan ist gefährlisch. Er spielt sehr, sehr gefährlische Spiele. Spielt bitte ohne misch. Es tut mir leid, dass isch disch… und ausch ihn nicht ab´alten kann. Isch werde niemandem verraten, dass ihr etwas plant. Aber erwartet nischt noch mehr von mir.“ Das waren so ziemlich die letzten Worte, die in der Praxis gesprochen wurden. Ihnen folgte nur noch ein knappes „Auf Wiedersehen“. Auch auf dem Rückweg wurde im Auto nicht viel gesagt. Kei und Yuki wechselten einige Worte. Aber Ryu starrte stumm auf die Straße. Er hatte mit dieser Antwort von Pierre gerechnet. Eigentlich hätte er es sogar für sehr verdächtig gehalten, wenn Pierre anders reagiert hätte. Aber es ärgerte ihn trotzdem. In Pierre hätten sie einen einflussreichen Verbündeten gehabt. Zwar war Pierre nur ein Zalei des 5. Ranges, sogar ein Rang unter Ryu, aber er war derzeit der einzige Zalei-Tierarzt in der näheren Umgebung. Zu Hause wurden die drei schon von Kiku und Taki erwartet. Die Mädchen, sogar Kiku, waren sichtlich erleichtert, dass Keis Verletzungen nicht schlimm waren. Nachdem Kei ihnen demonstriert hatte, dass er noch lebte, ging er gleich nach oben, um sich umzuziehen. Als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete und eintrat, fiel sein Blick sofort auf das rötliche Fellteil mit den funkelnden Augen, das sich unter den Schreibtisch zurückgezogen hatte. Von hier aus beobachtete Robin jede kleinste Bewegung von Kei, als er sich umzog und deine Kratzer versorgte. Gelegentlich knurrte oder fauchte Robin ein wenig, wenn Kei ihm zu nahe kam. Doch mehr als einen bösen Blick bekam er diesmal nicht zurück. Kei ermahnte sich immer wieder und rief sich Yukis Worte in Erinnerung. Robin war sein Partner, sein Partner, nicht sein Feind… und daran änderte auch nichts, dass er ihn verletzt hatte…. Und auch nicht, dass Kei vermutlich den restlichen Tag mit Aufräumen verbringen würde. Das Aufräumen war gar nicht so leicht. Pierre hatte gut Sorge getragen, dass Kei seine linke Hand nicht mehr benützen konnte. Nicht nur, dass es damit viel länger dauerte, den ganzen Kleinkram wieder einzusammeln, der über den gesamten Boden verteilt lag. Es war auch noch extrem schwierig, umgeworfene Möbelstücke mit nur einer Hand wieder aufzustellen. Da kam zum Glück Hilfe. Yuki trat mit dem sanften Lächeln ein, das er so oft aufsetzte. „Ich dachte, ich geh dir ein wenig zur Hand, wo du doch nur eine hast.“ Zu zweit ging es schon wesentlich schneller. Allerdings entging auch Yuki das übellaunige Tier unter dem Schreibtisch nicht. Er versuchte mehrmals, Robin aus seinem Versteck zu locken oder ihn wenigstens zu beschwichtigen. Aber Robin dachte nicht im Traum daran. Der knurrte munter weiter. Schließlich musste Yuki aufgeben. „Du, Yuki? Kann ich dich was fragen?“ „Klar, nur zu.“ „Es geht um Ryu… Was ist denn mit ihm und eurem Vater?“ „Ryu und Papa?“ Yuki sah überrascht aus. „Na ja. Ryu scheint ja nicht gerade begeistert, wenn jemand euren Vater erwähnt.“ „Ist nicht zu übersehen, was?“ lachte Yuki „Das ist eigentlich etwas albern… Du weißt ja, dass Ryu und ich nur den gleichen Vater haben. Er war… beziehungsweise ist mit meiner Mutter verheiratet. Aber daneben hatte er eine langjährige Affaire mit Ryus Mutter. Als Ryu noch keine zwei Jahre alt war, hat seine Mutter die Beziehung ein- für allemal beendet, vermutlich weil sie erfahren hat, dass Papas Ehefrau auch ein Kind erwartete. Papa hat sich immer noch um Ryu gekümmert, aber er war eben nie ein richtiger Familienvater.“ „Deswegen mag er ihn nicht?“ „Nein, nicht nur deswegen. Aber ich glaube, Ryu würde es nicht mögen, wenn sein kleiner Bruder den Rest auch erzählt.“ Yuki lachte kurz auf und steckte weiter die Stifte, die er aufgesammelt hatte, in die Stiftehalter zurück. Kei sah ihn nach wie vor fragend an. „Es gab kein dramatisches Schlüsselereignis, wenn du das wissen möchtest. Die beiden können einfach nicht so gut mit einander. Sagen wir´s so.“ „Hmh. Ok, dann wird mir die Erklärung wohl vorerst genügen müssen. Sag mal, weißt du auch, was es mit Lan und Pierre auf sich hat?“ „Nicht wirklich. Das muss alles passiert sein, bevor ich vor zwei Jahren hierher gezogen bin. Ich weiß nur, dass Lan mal irgendwas angestellt hat und Pierre ihn decken wollte, vielleicht tatsächlich weil er ihn geliebt hat. Das ganze ist aber wohl aufgeflogen und Pierre hat Ärger mit dem Rat bekommen.“ „Mit dem Rat? - Moment. Lan sitzt doch selbst im Rat.“ „Das ist richtig. Wie gesagt, ich weiß nicht, was damals wirklich passiert ist. Lan ist auch nicht der Typ, der was anstellt und jemand anderen eine Strafe kassieren lässt.“ Inzwischen hatten Kei und Yuki das Zimmer fast wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Die Möbel standen wieder an ihren angestammten Plätzen, der Boden war großteils frei, Bücher und Dekorationsgegenstände standen wieder in den Regalen, die Vorhänge hingen wieder gerade. „Darf ich dich auch etwas fragen, Kei?“ „Sicher. Wenn du meinst, dass ich dir was Interessantes erzählen könnte.“ Grinste er frech. „Du hast gesagt, das in Paris war nur eine Wette. Aber warum hast du dich darauf eingelassen?“ „Ähm….“ Kei spürte, wie sich wieder eine leichte Röte auf seine Wangen legte. Schnell wandte er sich um und sammelte auf dem Boden verstreute Blätter und Hefte ein, die auf seinem Schreibtisch gelegen hatten. Mit einer solchen Frage hatte er nicht gerechnet. „Das ist… Tja, ich war erstens betrunken. Und zweitens haben wir Karten gespielt. Ich bin ein guter Kartenspieler. Ich hatte einfach nicht damit gerechnet zu verlieren.“ „Dann hättest du aber doch trotzdem auch einen anderen Einsatz wählen können.“ „Das war ein Vorschlag von Kaen. Mal ehrlich. Wenn du dir vorstellst, Kaen müsste einen filmreifen Kuss mit Akami hinlegen…“ Kei musste bei dem Gedanken unwillkürlich lachen. Und sogar Yuki schmunzelte. „Kizuta und du, ihr wart doch beste Freunde. Das frag ich mich schon die ganze Zeit… Wieso hast du von einem Tag auf den anderen jeden Kontakt abgebrochen?... Oder hast du das vielleicht auch gar nicht?“ „Was? Wie kommst du denn auf so was? Wir hatten einen kleinen Streit. Dass es völlig auseinander gegangen ist, war eigentlich keine Absicht. Nur ein paar blöde Zufälle.“ Wieder schlich sich ein Lächeln auf Keis Lippen, als er an sie Szene im Fairy Tales Park denken musste. „Ich hab euch gestern gesehen, im Park…“ Yukis Stimme war etwas leiser als vorher. Kei drehte sich zu ihm um. Mit großen Augen starrte er ihn an. Irgendwie verstand er nicht, was Yuki damit sagen wollte oder warum er sich überhaupt plötzlich für Atari interessierte. „Ich hab euch in der Hexenküche gesehen. Ihr schient euch gut zu amüsieren.“ Kei dachte immer noch angestrengt über eine mögliche Antwort nach. Yukis Absicht mit solchen Aussagen war ihm völlig schleierhaft, ebenso wie die Reaktion, die er sich damit erhoffte. Um etwas Zeit zu gewinnen, stand er auf und legte ganz langsam und sorgfältig ein Heft nach dem anderen in die Ablage auf seinem Schreibtisch. „Wir haben uns ganz zufällig im Park getroffen. Atari war schon seit Jahren mein bester Freund. Ist doch logisch, dass ich mich mit ihm aussprechen will, wenn ich das kann. Es wäre doch schade, wenn so eine lange Freundschaft wegen irgendwelchen Kleinigkeiten in die Brüche geht. Und jetzt weiß ich ja auch, dass alles nur ein Missverständnis war.“ Wieder legte sich bei diesem Gedanken ein Lächeln auf sein Gesicht. Diesmal jedoch aus Erleichterung. Er hatte seinen besten Freund nicht verloren. „Ach so.“ Yukis Stimme war diesmal noch leiser geworden. „Wieso interessiert dich das plötzlich? Bist du etwa eifersüchtig auf Atari?“ Kei lachte und drehte sich gleichzeitig zu Yuki um. Fast im selben Moment bereute er seine Provokation schon. Kei hatte nicht bedacht, dass Yuki immer noch Stifte aufräumte, am Schreibtisch, direkt neben ihm. Solche Scherze hätte er besser gemacht, wenn Yuki etwas weiter von ihm entfernt war. Keine 30 cm trennten ihre Gesichter. Kei starrte direkt in Yukis Augen. Diese Rubine, gesäumt von langen Wimpern, umspielt von schneeweißen Strähnen. Kei konnte sich weder bewegen, noch ein Wort herauswürgen. Alles, was er noch konnte, war diese Rubine zu bewundern. Er schluckte trocken. „Ja, ich bin eifersüchtig. Und du hast mir auch meine Frage von vorhin nicht beantwortet.“ Gab Yuki zu. Sein Blick war sanft, aber fest auf Keis Gesicht gerichtet. Ob er wohl ebenso von Keis Augen gefesselt war wie der von seinen? ‚Frage?’ schoss es Kei durch den Kopf. Er konnte seine Gedanken nicht einmal genug ordnen, um sich an irgendeine Frage zu erinnern. Aber offenbar sagte sein Gesichtsausdruck genau das. Yuki half ihm auf die Sprünge. „Kann Kizuta gut küssen? Hat… dir der Kuss gefallen…?“ Die bisher nur leichte Röte auf Keis Wangen wurde schlagartig intensiver. Seine Augen hatten sich geweitet, die Lippen leicht geöffnet. Noch immer brachte er kein Wort heraus, lediglich das Zittern seiner Lippen deutete an, dass er gerne etwas gesagt hätte. Einen Moment standen sich die beiden so gegenüber, in angespannter Stille. Eine Weile, in der sich Yuki wohl schon selbst die Antwort auf seine Frage suchen konnte. Erst dann schaffte Kei es, der hypnotischen Wirkung von Yukis Augen zu entkommen. Er wandte sich ab und senkte den Blick auf den Boden. Ganz langsam ordneten sich auch seine Gedanken, bis er wieder einigermaßen geradeaus denken konnte. Und seine Gedanken sagten ihm, das war gar keine gute Situation. „Du fragst Sachen… Atari ist kein hübsches Mädchen, von dem ich gerne geküsst werden würde.“ Die Röte verblasste wieder etwas, als Kei in Gedanken ‚und du auch nicht’ hinzufügte. Es auszusprechen war nicht nötig. Yuki hatte ihn offensichtlich sehr gut verstanden. Er legte den letzten Kugelschreiber in die Stiftebox zurück und drehte sich in der gleichen Bewegung nach links, Richtung Tür. Kei war durchaus bewusst, wie sich Yuki jetzt fühlen musste. Im Prinzip hatte er ihm gerade einen Korb gegeben. Aber er schwieg trotzdem. Was hätte er sagen sollen? Seine Aussage relativieren? Das Ergebnis wäre nur gewesen, dass Yuki sich weiterhin falsche Hoffnungen gemacht hätte. Früher oder später hätte er sowieso die Karten offenlegen müssen. Da war es doch besser, gleich klare Verhältnisse zu schaffen. Ein bisschen tat ihm Yuki aber trotzdem leid. „Kei?“ „Ja?“ er sah von seiner Arbeit auf. Yuki drehte sich nun doch wieder zu ihm um. Zu Keis Überraschung sah er überhaupt nicht so aus, als hätte er gerade einen Korb bekommen. Ganz im Gegenteil. Er lächelte so freundlich wie immer. „Jetzt wo wir das Chaos einigermaßen beseitigt haben, möchte ich dir noch einen Rat geben, als dein Lehrer.“ „Nämlich?“ Yuki hatte schon die Hand auf die Klinke gelegt. „Vertrag dich möglichst bald mit Robin.“ Yuki drückte die Klinge herunter. Doch aus seinem geplanten coolen Abgang wurde leider nichts. Genau in diesem Moment hatte Kiku schon die Faust gehoben, um anzuklopfen. Zum Glück konnte sie noch abbremsen, bevor ihre Hand Yuki traf. Der schreckte allerdings ohnehin ein Stück zurück. Nachdem der erste Schreck überwunden war, fingen Kiku und Yuki ebenso an zu lachen wie Taki hinter ihnen. Kei, der die Szene nur aus dem Augenwinkel beobachtet hatte, stimmte zumindest mit ein, um nicht völlig als Außenseiter dazustehen. „Schön, dass du auch da bist, Yuki. Da spar ich mir einen Umweg.“ Lachte Kiku. „Worum geht´s denn?“ „Taki und ich würden gern ein bisschen spazieren gehen. Zum See oder so. Kommt ihr mit?“ Yuki warf Kei einen fragenden Blick zu. Er wollte wohl Kei die Entscheidung überlassen. Genervt, dass ihm mal wieder der schwarze Peter zugeschoben wurde, atmete Kei laut aus. „Ich mag nicht. Für heute will ich eigentlich nur noch meine Ruhe… sofern mir Robin welche lässt.“ „Dann nimm Robin mit, damit er müde wird.“ Schlug Kiku vor. „Das hat bei Jack auch oft geholfen.“ Keis Blick wanderte zu Robin. Der hatte seine Position die ganze Zeit über kaum verändert. Er lungerte noch immer mit gesträubtem Fell unter dem Schreibtisch herum und knurrte vor sich hin. Kikus Vorschlag war sicher nicht dumm. Gerade gegen Abend war Robin meistens unausstehlich. Kei konnte sich kaum erinnern, wann er das letzte Mal die ganze Nacht durchgeschlafen hatte. Aber wie sollte er ihn denn mitnehmen? In der Transportbox hätte er wieder keine Bewegung. An der Leine? Als ob Robin an der Leine gehen würde… Aber er tat es. Immerhin schon seit fast 30 Minuten. Inzwischen hatte er die Versuche aufgegeben, die Leine durchzubeißen. Robin genoss einfach das bisschen Freilauf, das ihm unter diesen Umständen vergönnt war. Kei hatte sich die Leine fest ums Handgelenk gewickelt, für den Fall der Fälle. So weit es die Leine erlaubte, lief Robin immer wieder voraus, zog und zerrte ein wenig. Dann wartete er aber doch meistens mehr oder weniger brav, bis seine menschlichen Begleiter ihn wieder eingeholt hatten. Hin und wieder versuchte er auch, den kiesigen Waldweg zur Seite hin zu verlassen. Dabei verschwand er von Zeit zu Zeit im Unterholz. Aber weit kam er nie. Kei musste nur der Leine folgen und konnte ihn so einfach wieder einsammeln. Erstaunlicherweise ließ Robin sich das sogar gefallen, ohne zu kratzen oder zu beißen. Vermutlich erinnerte er sich auch noch sehr gut daran, dass Kei heute schon einmal gewonnen hatte. Kei hoffte stark, dass der Tag nicht mehr allzu fern war, an dem er mit dem Fuchs ebenso normal durch die Gegend spazieren konnte wie Yuki mit Minuit oder Kiku mit Jack. Jack turnte zwar ausgelassen zwischen den Bäumen herum, entfernte sich gelegentlich auch außer Sichtweite, aber kam auf Kikus Kommando immer sofort wieder zurück. Und Minuit war sowieso ein Musterbeispiel eines braven Haustiers. Die meiste Zeit flatterte sie fast direkt über ihren Köpfen herum. Zum See gelangte man durch ein lichtes Waldstück. Zu Fuß war man, vorausgesetzt man hatte es nicht eilig, eine dreiviertel Stunde unterwegs. Den See selbst konnte man in einer bis eineinhalb Stunden umrunden. Das ganze war also ein netter Ausflug für einen Sonntagnachmittag. Und leider, leider auch für Wandertage. Die vier kannten fast jede Wegbiegung schon in- und auswendig. Trotzdem kamen sie immer wieder gerne hierher. Gerade weil die meisten Einwohner der Gemeinde den Weg so satt hatten, waren sie oft alleine unterwegs. Nur hin und wieder kam ihnen ein Mountainbiker oder eine kleine Wandergruppe entgegen, die sich über das Vierergespann mit den ungewöhnlichen Haustieren wunderten. Und das sogar an einem Wochenende im Juni bei schönstem Wetter. Kein Wunder, dass der Weg bei Zalei, die ihren Carn etwas Auslauf gewähren wollten, sehr beliebt war. Hinzu kam in ihrem Fall noch, dass das Ratsgebäude auch hinter dem Wald lag, wenn auch in der entgegen gesetzten Richtung wie der See. Die Tour um den See sparten sich die vier allerdings. Am See angekommen, setzten sie sich an das kiesige Ufer. Kei wollte nicht riskieren, Robin loszumachen. Aber er ließ die Leine so lang, dass Robin einige Schritte ins Wasser konnte. Jack war sofort in den See gesprungen. Dort tobte er im Wasser herum, machte sich einen Spaß daraus, alle nass zu spritzen, die er erwischte, und Steine vom seichten Ufer möglichst weit in den See zu werfen. Noch größeren Spaß schien es ihm dabei zu bereiten, Robin zu ärgern, indem er immer wieder eine Ladung Wasser zu ihm spritzte, und dann schnell wieder aus der Reichweite zu verschwinden, die diesem die Leine ließ. Eine ganze Weile lang amüsierte sich Kei bestens über Jacks Streiche. Allein schon, weil er sich über Robins Ärgernis freute. Dann hatte er aber doch ein bisschen - nur ein kleines bisschen - Mitleid mit ihm und ließ ihm genau in dem Moment, als Robin mit der Pfote nach Jack schlug, etwas mehr Leine. Um ein Haar hätte sich Jack den Hieb eingefangen. Dafür schimpfte er jetzt gewaltig und wirbelte noch mehr Wasser auf. Allerdings hielt er dabei einen etwas größeren Sicherheitsabstand zu Robin ein als vorher. „Wenn man die beiden so beobachtet, fühlt man sich doch irgendwie auch an ihre Herren erinnert.“ Stellte Taki lachend fest. „Allerdings.“ Bestätigte auch Yuki lachend. „Stimmt gar nicht. Ich bin immer nett.“ Widersprach Kiku sofort. „Sogar zu Kei.“ „Ach ja? Das muss mir irgendwie entgangen sein.“ Grummelte Kei. „Ein bisschen aufziehen darf ich dich doch. Ich bin immerhin deine Sempai.“ „Was bist du?! Ich bin älter als du.“ „Aber ich bin schon länger Zalei.“ „Genau genommen seid ihr eigentlich beide noch keine Zalei…“ versuchte Yuki vergeblich, sich einzumischen. Doch die beiden Kontrahenten ignorierten ihn einfach. „Und außerdem bin ich größer als du.“ „Auf den einen Zentimeter kommt´s überhaupt nicht an.“ „Doch. Und es sind sogar drei, du Zwerg!“ „Wah-!“ Der Streit wurde plötzlich unterbrochen. Kei hatte nicht aufgepasst und Robin für einen Moment zu viel Leine gelassen. Sprichwörtlich im allerletzten Moment konnte Jack noch zur Seite hechten und einem Hieb von Robin entkommen. Ob er dabei aber nicht doch einen Kratzer abbekommen hatte, konnte Kei nicht so genau sagen. Zumindest hatte Robin nicht seinen Kopf getroffen, auf den er gezielt hatte. Und Jack war immer noch fit genug, vor Wut mit den Fäusten auf die Wasseroberfläche zu trommeln. „Meine Schwester sagt auch immer, Carn und Zalei übernehmen mit der Zeit einige Charaktereigenschaften von einander.“ Nickte Taki. „Deine Schwester ist wohl auch Zalei?“ Jetzt wickelte sich Kei die Leine doch wieder einmal mehr ums Handgelenk, um Robin künftig besser zurückhalten zu können, wenn dieser plötzlich zu zerren anfangen würde. „Ja, Ryami ist sogar Ratsmitglied. Du hast sie sicher schon gesehen. Die mit den langen, schwarzen Haaren und der Katze.“ „Ach ja! Dann weiß ich wen du meinst.“… was natürlich gelogen war. Aber Kei wollte die Unterhaltung nicht verebben lassen und beim nächsten Mal würde er ja dann sowieso wissen, wer sie war. Und Taki freute sich. Allein schon, um dieses süße Lächeln noch einmal zu sehen, lohnte sich so eine kleine Flunkerei. „Das mit dem Fairy Tales Park war auch Ryamis Idee.“ Lächelte Taki. „Hmh? Was hat das denn mit Zalei zu tun?“ „Viele Zalei können ihre Carn nicht einfach in einer Wohnung halten und manche können auch nicht ganz normal einem Beruf nachgehen. Täglich zehn Stunden im Büro zu sitzen ist nicht ganz ungefährlich, wenn man einen Löwen zu Hause im Wohnzimmer hat, als ganz extremes Beispiel. Man kann das Tier nicht die ganze Zeit unbeaufsichtigt lassen, aber auch nicht beliebig seine Arbeitszeit bestimmen. Deshalb hat der Rat den Park eingerichtet.“ Erklärte Yuki. „Der Park ist so eine Art Zuflucht für Zalei und Carn. Das heißt allerdings nicht, dass ausschließlich Zalei dort arbeiten.“ Schloss Taki die Ausführungen. „Ach so. Stimmt, daran hab ich noch gar nicht gedacht. Dann versteh ich jetzt auch, warum von Anfang an feststand, wo wir jobben werden.“ Lachte Kei. Etwa bis 20 Uhr blieben die vier noch am See. Dann sammelten sie ihre Carn ein und machten sich auf den Heimweg. Jack, der sich offenbar beim Toben völlig verausgabt hatte, ließ sich bequem auf Kikus Schulter nach Hause tragen. Sogar Robin war müde und ging wie ein nettes Schoßhündchen brav bei Fuß. Kikus Plan war tatsächlich aufgegangen. Kei staunte nicht schlecht. In Zukunft sollte er vielleicht jeden Abend irgendwas mit Robin unternehmen, um ihn so richtig müde zu machen. Nur Minuit wurde zu fortschreitender Stunde erst so richtig wach. Kei hatte sich ohnehin schon lange gewundert, warum Minuit grundsätzlich tagaktiv war. Sie wachte zwar morgens sehr spät auf und blieb abends lange wach. Aber dennoch schlief sie hauptsächlich nachts. Yuki erklärte das ganz einfach so, dass sie sich in diesem Punkt seinem Rhythmus angepasst hatte. Immerhin lebten sie schon seit mehr als sechs Jahren zusammen. Umgekehrt war das aber leider genauso. Yuki war ein ganz schrecklicher Langschläfer und deshalb früher regelmäßig zu spät zur Schule gekommen. In ihre Unterhaltung vertieft merkten Kei und Yuki zuerst gar nicht, dass Kiku und Taki etwas zurückgefallen waren. Die beiden Mädchen hatten einige Meter Abstand zwischen sich gebracht, um umgestört tuscheln zu können. „Jetzt wo ich Kei auch etwas kennen gelernt hab, versteh ich dich.“ Funkelte Taki ihre Freundin aus den Augenwinkeln an. „Mich verstehen? Häh? Ach so. Du meinst, weil ich ihn so gern ärgere?“ „Wenn du das so siehst. Ich bin allerdings der Meinung, dass du ihm anders besser zeigen könntest, dass du ihn magst.“ „Ich soll WAS?!“ Kikus Gesicht zeugte von blankem Entsetzen. Aber Taki lächelte nur, mit einem Blick, der scheinbar alles durchschauen konnte. „Mein Herz gehört ganz allein Ryu. Dem kann dieser Zwerg doch nie das Wasser reichen. Ich, den mögen… Pah!“ „Na, ich weiß nicht recht. Ich kenn dich doch. Kei ist doch eigentlich viel eher dein Typ. Er ist freundlich, lustig, temperamentvoll… und er sieht nicht schlecht aus. Mal ehrlich, Ryu ist dir doch eigentlich zu unterkühlt und zu ernst.“ „Ich bin schockiert.“ „Wirklich? Also, ich an deiner Stelle würde es mir überlegen.“ Taki stieß Kiku sanft in die Seite. „Da gibt´s nichts zu überlegen. Ryu ist das einzig Wahre. Und damit du´s weißt, Kei hat bestimmt auch kein Interesse an mir.“ „Woher willst du das denn wissen? – Aha! Hast du es also doch versucht?“ „NEIN!“ entfuhr es Kiku fast schon panisch, bevor sie geheimnisvoll weiterflüsterte. „Weißt du, das sag ich jetzt nicht nur wegen der Fotos… Aber Kei hat generell kein Interesse an Mädchen.“ ~~~ Sorry, dass es diesmal so lang gedauert hat. Ich hatte einiges um die Ohren. ^^° Ich werde mich aber bemühen, dass es künftig wieder schneller geht. Abschließend folgt wie immer Werbung für Black Cerise. Na, kommt euch der Titel bekannt vor? :3 Da ist der Name von Lans Band, um die sich die Geschichte dreht. Ich würde mich über Leser und Kommentatoren freuen. ^^ http://animexx.onlinewelten.com/fanfic/?doc_modus=startseite&ff=112795 Pete Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)