Snowdrops and Chocolate von Petey (Die Fortsetzung des gleichnamigen Doujinshi) ================================================================================ Kapitel 14: Abschied oder Neuanfang ----------------------------------- Kapitel 17 – Abschied oder Neuanfang Kei erinnerte sich noch gut an diesen Tag vor sieben Monaten, an dem ihn Yuki schon einmal zum Ratsgebäude gebracht hatte, um ihn dem Rat vorzustellen. Damals sollte der Rat beurteilen, ob Kei geeignet war, als Zalei ausgebildet zu werden. Heute, gute sieben Monate später, begleitete Yuki seinen Schüler erneut zum Ratsgebäude. Heute würde der Rat in einer Prüfung entscheiden, ob Kei fortan in die Reihen der vollwertigen Zalei aufgenommen würde. Sollte Kei die Prüfung bestehen, würde noch an diesem Abend das schamanische Ritual durchgeführt, das ihn für immer mit seinem Carn verband. Nach diesem Ritual würde es kein Zurück mehr für ihn geben. Allein beim Gedanken daran, schlug Keis Herz noch einen Takt schneller. Wie bei seinem ersten Besuch im Rat war er auch heute sehr aufgeregt. Fast ohne es selbst zu bemerken, kaute Kei auf seiner Unterlippe herum, während seine Finger nervös mit dem Saum seiner Jacke spielten. Yuki neben ihm lächelte amüsiert. Er konnte sich nicht helfen, aber Kei so aufgeregt zu sehen, war irgendwie niedlich. Schon bei ihrem ersten Besuch beim Rat war ihm das aufgefallen. Damals hatte er Kei zum ersten Mal so nervös erlebt, wo er doch bei den Abschlussprüfungen in der Schule so souverän gewirkt hatte wie kaum ein anderer. „Keine Panik. Denk einfach an das, was du in der letzten Woche gelernt hast, dann wird’s schon schief gehen.“ klopfte Yuki seinem Schüler beruhigend auf die Schulter. „Ich hoffe, dir ist bewusst, dass das ganz schön zweideutig war.“ erwiderte Kei kein bisschen beruhigt. Nur eine gute Woche war Kei nach der Anmeldung durch den Rat geblieben, um sich auf seine Prüfung vorzubereiten. Tatsächlich war seine Vorbereitungszeit noch ungewöhnlicher verlaufen als die sieben Monate seiner Ausbildung davor. So wie Kei nämlich sieben Monate lang mit einem Ehrgeiz, der seines gleichen suchte, versucht hatte, möglichst schnell möglichst viel zu lernen, so hatte er die letzte Woche über versucht, möglichst viel zu verlernen. Er hatte sich Tricks überlegt, wie er am besten seine Konzentration stören oder wie er Robin verärgern konnte. Vor allem letzteres tat ihm in der Seele weh, wo er doch gerade erst begonnen hatte, sich mit seinem Carn anzufreunden. Aber nach mehreren ungewöhnlich offenen Gesprächen mit Yuki hatte Kei sich überzeugen lassen, dass er noch nicht so weit war und dass es derzeit besser für ihn war, die Prüfung nicht zu bestehen. „Wenn ich noch jetzt absichtlich durchfallen soll, warum hast du denn dann überhaupt gefragt, ob ich dein Schüler werden will?“ hatte Kei sich einmal gewundert. „Versteh mich nicht falsch. Zalei zu sein ist nichts Schlechtes. Es ist sogar eine ganz wunderbare, uralte schamanische Tradition. Aber dieser Schamanismus kann gefährlich sein, wenn du nicht gut genug vorbereitet bist. Und außerdem ist der Zeitpunkt nicht besonders günstig, solange die Probleme mit dem Rat nicht geklärt sind.“ Auf Yukis Bitten hatten sie ihren Plan vor allen, sogar vor Ryu und Kiku, vorsichtshalber noch geheim gehalten. Warum wusste Kei eigentlich selbst nicht so genau. Aber es war schon amüsant gewesen, ihre Reaktionen auf Keis offensichtliche Rückschritte zu beobachten. „Ich warte in der Halle auf dich. Viel Glück!“ verabschiedete sich Yuki, als sie das Eingangstor erreicht hatten. „Danke! Drück mir die Daumen.“ Kei atmete noch einmal tief durch, bevor er das Ratsgebäude betrat. Sein Carn Robin folgte ihm an der Leine. Zu Keis – in diesem Fall tatsächlich – Freude, war der seit einer kleinen Rangelei heute Morgen so wütend, dass er sich nur höchst widerwillig an der Leine hinter seinem Herren herziehen ließ. Das musste einfach den perfekten ersten Eindruck auf die Prüfer machen, dachte Kei bei sich. Dennoch war er unheimlich aufgeregt. Die fünf Prüfer, die aus den Reihen des Zaleirates gewählt worden waren, erwarteten Kei im großen Sitzungssaal. Die Bestuhlung war extra für die Prüfung entfernt worden, so dass der große Raum fast komplett leer gewesen wäre, wäre nicht der lange Tisch vor den hohen Fenstern gewesen, an dem die Prüfer saßen. Kei kam sich sehr verloren vor, als Meister Adoy ihm mit einer Geste bedeutete, in die Mitte des riesigen Raumes zu treten. Zu Beginn der Prüfung stellte Meister Adoy, heute als Vorsitzender der Prüfungskommission, kurz die anderen Prüfer vor. Kei hörte ihre Namen, konnte seine Gedanken jedoch nicht genug zusammenhalten, um sich auch nur einen von ihnen zu merken. Er erkannte nur, dass er keinen der Prüfer kannte. Nun, kein Wunder. Ryu wurde nicht als Prüfer zugelassen, da sein Bruder der Ausbilder und er selbst somit befangen war. Und Lan war zurzeit nicht verfügbar, mehr hatte man Kei nicht gesagt. Nicht einmal, als Ryu vor einigen Tagen Onyx mit in Sleipnirs Stall gebracht hatte, um sich vorübergehend um ihn zu kümmern. Nach der Vorstellung der Prüfer erklärte Meister Adoy den Ablauf der Prüfung. Auch hier hörte Kei nur mit einem halben Ohr zu, tatsächlich unabsichtlich, aber letztendlich auch nicht zu seinem Nachteil, wenn er durchfallen wollte. Als er seine Ausführungen geschlossen hatte, forderte Meister Adoy Kei auf, seinen Carn von der Leine zu lassen. Kei zuckte kurz mit den Schultern und gehorchte. Hier wurde der Rat gleich Zeuge von einem selten schlechten Verhältnis zwischen Zalei und Carn. Zunächst einmal hatte Robin auch die letzten Minuten nicht aufgehört, an der Leine zu zerren und hielt sich so weit wie eben diese es erlaubte von Kei fern. Als Kei nun auf ihn zukam, sträubte er sofort sein Fell, knurrte ihn an und schnappte sogar nach seiner Hand, sobald diese nach dem Halsband griff. Einige Prüfer seufzten kaum hörbar und machten sich Notizen. Auch Meister Adoy selbst sah unzufrieden aus, allerdings im selben Maß verwundert. Er selbst hatte Keis Fortschritte in den letzten Monaten kontrolliert und war sicher gewesen, dass der junge Mann bereit für die Prüfung war. Umso verärgerter war er nun, als Robin wie ein wütendes rotes Fellknäuel durch den Saal tobte, kaum dass Kei ihn von der Leine gelassen hatte. Der Fuchs ließ sich von seinem Zalei nicht stören. Gut, Kei wiederholte auch absichtlich möglichst hilflos „Robin, komm doch mal her“, statt ihn mit klaren Anweisungen zu rufen. So war es kein Wunder, dass jeder Vogel hinter den Fenstern seine Aufmerksamkeit stärker erregte als sein Zalei. Wieder notierten die Prüfer ihre Beobachtungen mit verständnislosem Kopfschütteln. „Wie wär’s, wenn du uns den Körpertausch zeigst?“ schlug einer der Prüfer schließlich vor, als Robin auch nach fast zehn Minuten keine Anstalten machte, auf seinen Zalei zuzugehen. Kei nickte, er atmete laut aus. Dann setzte er sich auf den Boden, schloss die Augen und tat so, als würde er sich konzentrieren. In Wirklichkeit zählte er in Gedanken bis hundert und zurück oder überlegte zu welchen Aktionen von Robin die kratzenden, klirrenden und klappernden Geräusche wohl gehören mochten, die er hörte. Selbstverständlich erreichte Kei auf diese Weise auch nach mehreren Minuten keinen Trancezustand. Doch so einfach wollte es ihm Meister Adoy nicht machen. Nach einigen Minuten spürte Kei förmlich den kritischen Blick, mit dem der Meister ihn musterte. Er blinzelte mit einem Auge zu den Prüfern hinüber. „Du uns willst nicht ernsthaft erzählen, dass keine Trance du erreichst, oder?“ Kei glaubte fast, einen leicht drohenden Unterton in Meister Adoys Worten wahrnehmen zu können. „Äh, sorry. Ich bin total nervös und so. Bestimmt klappt’s gleich.“ lachte Kei verlegen. Yuki hatte ihm gleich gesagt, dass es nicht so einfach funktionieren würde. Wenn er sich ZU dumm anstellte, würden die Prüfer sofort bemerken, dass er absichtlich durch die Prüfung fallen wollte. Die Kunst war also, schlecht zu sein, ohne offensichtlich schlecht sein zu wollen. Also eine Strategieänderung. Erneut atmete Kei tief durch. Um dem Rat ganz deutlich zu demonstrieren, dass er jetzt ernst machen würde, demonstrierte er mit beiden Armen in großen Gesten wie er ein- und ausatmete, ruderte ein bisschen herum wie bei sportlichen Lockerungsübungen und dehnte sich schließlich auch noch zu beiden Seiten. Diesmal musste er es ernsthaft versuchen. Was dem Rat bei Keis Übungen verborgen blieb, waren die Reißnägel, die er in den fließenden Bewegungen unauffällig in seinen Hosentaschen und seinen Schuhen verschwinden ließ. So freuten sich die Prüfer zunächst, dass Kei wenige Augenblicke später tatsächlich den Körpertausch geschafft hatte. Jedoch schlugen sie nur kurz drauf erneut die Hände über den Köpfen zusammen, als Robin – nun in Keis Körper – wie von der Tarantel gestochen in heller Panik durch den Saal tobte und brüllte. Kei selbst – in Robins Köper – saß ganz ruhig neben dem Fenster und grinste innerlich über seinen gelungenen Plan. Ein paar Minuten wütete Robin ohne Anstalten sich überhaupt jemals wieder zu beruhigen. Schließlich forderte einer der Prüfer Kei resignierend auf, den Körpertausch wieder rückgängig zu machen. Eigentlich war schon zu diesem Zeitpunkt allen Prüfern klar, dass sie Kei auch mit dem größten Wohlwollen und mit zehn zugedrückten Augen nicht bestehen lassen konnten. Dennoch zogen sie die Prüfung bis zum bitteren Ende durch. Kei sollte ihnen noch Robins Gehorsam demonstrieren, einige Fragen zu Füchsen und zur Tradition der Zalei beantworten. Bei den Theoriefragen antwortete Kei sogar ernsthaft, jedoch hatte er gerade über Zalei so wenig gelesen, dass er kaum eine Frage korrekt beantworten konnte. Das Buch war einfach zu langweilig gewesen. Durch sein Wissen über Füchse rettete er sich unterm Strich noch auf eine Fünf. Aber durchgefallen war er in jedem Fall. Die Prüfer mussten sich nicht einmal beraten, bevor sie Kei dieses Ergebnis mitteilten. „Oh nein! Was soll ich denn jetzt machen? Kann ich die Prüfung noch wiederholen?“ erkundigte Kei sich mit leidendem Ausdruck und hätte sich selbst fast den Oscar dafür verliehen. „Üb weiter. In einigen Monaten kannst du die Prüfung sicher noch einmal ablegen. Oder in einigen Jahren.“ erklärte eine Prüferin mit gnädigem Lächeln. Noch einmal fast zehn Minuten vergingen, in denen Kei alle Mühe hatte, Robin wieder einzufangen und ihm die Leine anzulegen. Wieder entging er dabei nur knapp den Zähnen seines Fuchses. Die Prüfer, die ihn immer noch beobachteten, schüttelten erneut ungläubig den Kopf. Was hatte sich der Meister nur dabei gedacht, diesen Jungen zur Prüfung zuzulassen? Kei verbeugte sich schließlich noch einmal entschuldigend, bevor er den Saal verließ. „Klick“ fiel die Tür hinter ihm ins Schloss und „Rumps“ gleichzeitig ein riesiger Stein von seinem Herzen. Das war besser schlecht gelaufen als er erwartet hatte. Was für ein Glück! Kei atmete erleichtert auf und machte sich auf den Weg in die Eingangshalle. Kaum dass Yuki ihn erblickte, kam er schon auf ihn zu. Mit besorgtem Ausdruck fragte er sofort „Und?“. „Ich bin so was von durchgefallen, durchgefallener geht’s gar nicht.“ zwinkerte Kei. „Bin ich erleichtert!“ lächelte Yuki. Für einen kurzen Moment fürchtete Kei schon, dass er ihm gleich um den Hals fallen würde. Doch Yuki lächelte einfach nur erleichtert. Mit einem Mal wich der sorgenvolle Ausdruck aus seinem Gesicht, der sich dort festgesetzt hatte, seit Meister Adoy die Lüge mit den Berichten bemerkt hatte. Zum ersten Mal seit Wochen sah Kei wieder das entspannte Lächeln auf Yukis Gesicht, das ihn schon früher so angesteckt hatte. Und auch jetzt konnte er nicht anders, als es zu erwidern. Gleichzeitig kam Kei die Situation aber auch zu skurril vor. Lehrer und Schüler freuten sich beide über eine verpatzte Prüfung. „Wie…“ begann Kei nun doch etwas kleinlaut „Wie geht es denn jetzt weiter? Ist meine Ausbildung jetzt gescheitert? Kann ich überhaupt noch Zalei werden? Oder… bildest du mich noch aus?“ Tatsächlich hatte Kei bisher noch nicht wirklich darüber nachgedacht. In den letzten Tagen war für ihn das Top-Thema nur die Prüfung gewesen, die seine gesamte Aufmerksamkeit beansprucht hatte. Er hatte nur sehr vage einzelne Gedanken an das Danach vergeudet. Erst jetzt, wo der Moment gekommen war, fiel Kei auf, dass er vor einem großen Fragezeichen stand. Und erst jetzt wurden ihm seine Optionen überhaupt bewusst. Nachdem er von Yukis Lüge in den Berichten erfahren hatte, war Kei unheimlich wütend auf ihn gewesen. Er hatte das Band zwischen Schüler und Lehrer als eine Fessel empfunden, die ihn gegen seinen Willen an Yuki band. Damals hatte er sich einen Vorwand gewünscht, sich von Yuki trennen zu können, ein- für allemal. Nach ihrer Aussprache und dem gemeinsamen Antitraining hatten sie sich aber wieder angenähert. Kei hatte Yuki wieder als den lieben Kerl erlebt, für den er ihn von Anfang an gehalten hatte. Und deshalb hatte ihm auch ihre Fessel nichts mehr ausgemacht. Vor allem glaubte Kei ihm inzwischen, dass Yuki den Betrug für ihn begangen hatte. Überhaupt war Kei immer wieder überrascht gewesen, was Yuki alles für ihn tat, seien es kleine Gesten wie ein Tausch im Haushaltsplan oder riskante Lügen gegenüber dem Rat. In diesem Moment hatte Kei die Möglichkeit, die Ausbildung abzubrechen. Er konnte nun wählen, ob er wieder ein normales Leben führen, aus der gemeinsamen WG ausziehen, Robin seine Freiheit zurückgeben und Yuki nie wieder sehen würde. Aber eigentlich… Yuki lächelte mild. Nicht mehr das grenzenlos erleichterte, fröhliche Lächeln von eben, sondern eher ein Lächeln, das über andere Gefühlsregungen hinwegtäuschen sollte. Kei kannte seinen Lehrer inzwischen gut genug, um das zu erkennen. „Die Prüfung hast du nicht bestanden und das Ritual noch nicht durchgeführt. Es ist wie ich dir gesagt habe, solange du das Ritual noch nicht hinter dir hast, kannst du die Ausbildung jederzeit abbrechen. Die Wahl liegt bei dir.“ „Dann könnte ich mich also auch entscheiden, weiter ein Zalei zu bleiben?“ „Das könntest du auch.” „Und…“ Kei zögerte einem Moment und sprach dann ganz leise weiter. „Würdest du dann mein Lehrer bleiben?“ Eine sanfte Röte hatte sich auf Keis Wangen gelegt, als er seine Frage zu Ende formuliert hatte und Yuki nun mit schüchternem, erwartungsvollem Blick von unten herauf ansah. Zu Keis Überraschung hatte Yuki wohl keineswegs mit dieser Frage gerechnet. Sein Lächeln wich mit einem Mal einem Ausdruck purer Überraschung. Kaum dass Yuki den Hintergrund von Keis Frage begriffen hatte, kehrte sein Lächeln aber umso fröhlicher und erleichterter zurück als zuvor. „Und wenn du zehntausendmal durch die Prüfung fällst!“ Dann passierte es schließlich doch. Jetzt konnte Yuki sich nicht mehr zurückhalten und legte die Arme um Kei. Kei spürte Yukis Hand auf seinem Schulterblatt, die ihn sanft zu Yuki zog und ihn an seine Brust drückte. Die Finger seiner anderen Hand gruben sich zwischen Keis rote Strähnen, als sie über seinen Hinterkopf strichen. Kei wehrte sich nicht. Sein Kopf ruhte an Yukis Schulter, während ein paar von Yukis Haarsträhnen seine Wange kitzelten, und er Yukis Duft genoss. Dieser Duft, den er so lange gemieden hatte, von dem ihm erst jetzt auffiel, dass er ihn vermisst hatte. Yuki hielt ihn ganz fest, aber vorsichtig zugleich, fast als würde Kei zerbrechen, wenn er ihn zu fest drückte. Zum ersten Mal hatte Kei bei dieser Umarmung das Gefühl, dass Yuki ihn festhalten konnte, aber auch bereit war, ihn wieder loszulassen, wenn dieser das verlangte. Vielleicht hatte er deshalb auch zum ersten Mal nicht das Bedürfnis zu fliehen. Zur Überraschung beider erwiderte Kei schließlich wie selbstverständlich Yukis Umarmung. Zunächst noch etwas zögerlich legten sich seine Arme um Yukis Taille, hielten ihn dann aber ganz fest. Kei hatte die Augen geschlossen und sich erlaubt, für einen Moment Yukis Nähe zu genießen. Einige Minuten vergingen, die beiden nur wie wenige Augenblicke vorkamen. „Es tut mir leid, Kei. Ich hab dich schon wieder angelogen.“ flüsterte Yuki schließlich heiser. „Was?“ Kei riss die Augen auf und überlegte schon, ob er sich jetzt doch aus der Umarmung freikämpfen sollte. „Du bist schon viel zu sehr mit Robin verbunden, als dass du die Ausbildung jetzt noch abbrechen könntest. Auch wenn du die Prüfung und das Ritual noch nicht förmlich hinter dir hast, bist du schon lange ein echter Zalei. Du kannst nicht mehr zurück.“ Kei drückte sich so weit von Yuki ab, dass er ihm in die Augen sehen konnte. Yukis Blick bestätigte, dass er die Wahrheit gesagt hatte. „Aber… Warum hast du dann gelogen?“ „Weil ich wollte, dass du dich selbst dafür entscheidest. Ich wollte, dass du deine Entscheidung bewusst und frei treffen kannst, ohne dich irgendwas oder irgendwem verpflichtet zu fühlen.“ Kei überlegte einen Moment. „Hast du etwa immer noch nicht kapiert, dass du dir nur Ärger einhandelst mit deinen Schutzlügen?“ „Ab jetzt lüg ich dich nicht mehr an.“ „Versprochen?“ „Versprochen.“ Wer war nur auf die außerordentlich dumme Idee gekommen, ausgerechnet ihn zum Babysitter zu erwählen? Diese Frage stellte Pierre sich einmal mehr, als er nach einem neuerlichen Rumpeln aus dem Nebenzimmer einmal mehr „Sacrebleu! Könnt ihr nischt mal fünf Minuten Ruhe geben?!“ ausrief. Sowohl seine Praxis als auch seine Wohnung hatten die beiden Jungs in den letzten Tagen in einen Abenteuerspielplatz verwandelt. Sie tobten, lärmten, dachten sich Streiche für Pierre und alle Besucher aus und spielten mit so ziemlich allem, mit dem sie nicht spielen sollten. Pierre hatte es aufgegeben, nach den Jungs zu sehen oder mit ihnen zu schimpfen. Auf ihn hörte sowieso niemand mehr. Ceersh hatte innerhalb weniger Stunden ausgetestet wie weit er bei Pierre gehen konnte und Pierres eigener Schüler Toneriko ließ sich von seinem neuen Freund nur zu gerne anstiften. Wer war nur auf die außerordentlich dumme Idee gekommen, ausrechnet ihn zum Babysitter zu erwählen? Ach ja, Ryu war es. Nachdem Lan verhaftet worden war, hatte dieser zunächst Ryu gebeten, auf seinen Schüler Ceersh aufzupassen. Da Ryu wie der Rest der WG aber wegen ihrer Arbeit und Keis Prüfungsvorbereitung nicht ausreichend Zeit für den Jungen hatte, bat der wiederum Pierre, ihn für ein paar Tage bei sich aufzunehmen. Der Junge lebte zwar natürlich bei seinen Eltern, aber ein ausgebildeter Zalei musste trotzdem immer ein Auge auf ihn haben. Ceersh war kaum älter als Toneriko und die beiden würden sich schon anfreunden und sich beschäftigen, hatte Ryu gesagt. Ja ja, großartig hatten sie sich angefreundet, und großartig beschäftigten sie sich! Würde Pierre Lan nicht ohnehin schon hassen, würde er spätestens jetzt damit anfangen für das, was er ihm hier antat. Etwa zehn Minuten waren seit dem letzten Rumpeln vergangen. In diesen zehn Minuten hatte absolute Stille geherrscht. Kein neues Rumpeln, keine Stimmen, nicht einmal das Schreien von Ceershs Kakadu, der nun wirklich kaum je seinen Schnabel hielt. Pierre seufzte. So sehr hatte er sich in den letzten Tagen Ruhe gewünscht, aber nun war sie ihm doch unheimlich. Vielleicht war doch etwas passiert, vielleicht hatten sich die Jungen verletzt. Einmal gedacht, setzte sich dieser Gedanke in Pierres Kopf fest und zwang ihn schließlich, seine Arbeit zu unterbrechen. „Zut alors… ces gamins….“ murmelte er kaum verständlich vor sich hin, als er sein Büro verließ und ins Wartezimmer seiner Praxis hinüberging, wo er die beiden Jungs vermutete. Er fand den Raum leer vor. „Toneriko, Ceersh? Wo seid ihr?“ „Hier.“ hörte Pierre kleinlaut Tonerikos Stimme von nebenan. Er seufzte erneut und öffnete die Tür zum Behandlungszimmer 1. „Isch ‘abe eusch dosch gesagt, die Be’handlungszimmer sind tabu! Überall liegen ‘ier Medikamente und Spritzen rum.“ „Ja ja, sorry. Wir wollten uns nur das Skelett zum Spielen holen.“ Ceersh hob unschuldig die Schultern. Pierre drehte sich um. Die Jungen hatten versucht, an ein paar Modelle zu kommen, die auf einem Schrank standen. Dafür hatten sie sich eine Räuberleiter aus Stühlen und Kisten gebaut, die eingestürzt war, daher das Rumpeln. Einer der Stühle hatte ein gebrochenes Bein, daher wohl das schuldbewusste Schweigen. Sofort wies er die Jungs an, das Chaos zu beseitigen. Damit nicht noch mehr zu Bruch ging, half er ihnen dabei. Unermüdlich stieß Pierre dabei ein paar Flüche aus. Toneriko zuckte zusammen. Er konnte sich nicht erinnern, seinen Lehrer je mit so schlechter Laune erlebt zu haben wie in den letzten Tagen. Ceersh dagegen war sichtlich unbeeindruckt. „Auf Französisch klingen sogar Schimpfwörter noch elegant.“ lachte er. „Wenn Lan mal rumschreit, hört sich das ganz anders an.“ „Pfft! Das glaube isch dir. Lan ist ungehobelt, ‘at keine Manieren, kennt seine Grenzen nischt… Er ist ein Anarchist! Und du bist auf dem besten Wege, ein Mistkerl zu werden wie er.“ „Was ist ein Anadingsbums?“ wunderte sich Ceersh, dem es sichtlich nichts ausmachte, mit Lan verglichen zu werden. „Das ist einer, der keine Gesetze kennt. Einer, der alle Regeln abschaffen will.“ „Aber Lan sagt, die Regeln vom Rat sind schlecht.“ „Sagt er das?!“ Nun ließ Pierre die Kiste einfach fallen, die er eben getragen hatte. Ihr Inhalt bestand zum Glück nur aus Verbandszeug, so dass es nicht noch mehr Scherben gab. Seine Wut hatte ihren Höhepunkt erreicht. Pierre wusste von Lans Ansichten und dass er gegen den Rat arbeitete, so dass ihn Ceershs bloße Aussage kaum überraschen konnte. Regelrecht schockiert war Pierre aber von der Tatsache, dass Lan seinen Schüler in die Sache hineingezogen hatte. Sogar von Lan hatte er genug Verstand erwartet, einen 12-jährigen Jungen von solch ketzerischen Äußerungen zu verschonen. „Lass misch dir mal eine Geschichte erzählen. Wenn du möchtest, kannst du sie auch Lan später einmal erzählen, wenn er dir noch einmal sagt, dass die Regeln vom Rat schlescht sind, oui?“ Pierre setzte sich auf einen der noch heilen Stühle und schlug die Beine übereinander, während er seinen blonden Zopf hinter die Schultern warf. Die beiden Jungen setzten sich auf den Boden und lauschten gespannt. „Es war einmal ein Junge namens Alain. Alain war damals jünger als ihr, er ging zur Schule, hatte Freunde, er hatte Eltern, die ihn liebten und einen kleinen Bruder. Eines Tages kam ein Mann in die Stadt, den Alain noch nie gese’en hatte, ein Landstreischer. Der Mann trug einen langen Mantel mit Flicken, er ‘atte eine Zahnlücke, durch die er pfiff, und eine lange Narbe auf der Wange. Auf seiner Schulter saß ein präschtiger Uhu. Alain war so fasziniert von dem Vogel, dass er den Mann immer wieder besuchte, obwohl seine Eltern ihn gewarnt hatten. Der Mann war ein Zalei, aber Alain, der noch nie von Zalei ge’ört ‘atte, erzählte er, er sei ein Zauberer. Alain war fasziniert von den Geschischten des Mannes. Er erzählte Alain davon, dass er seinen Geist in den Vogel versetzen und über das ganze Land fliegen könne. Er sei so frei, dass er sein Leben lang dursch die Welt wanderte. Nach einigen Wochen ‘atte er Alain so weit in seinen Bann gezogen, dass auch er diesen „Zauber“ lernen wollte. Und der Mann ‘alf Alain dabei, nachdem er ihm das Verspreschen abgenommen hatte, sein Schüler zu werden. Er gab dem Jungen etwas zu trinken, das ihn etwa zwei Tage lang betäubte. Die Dosis war zu ‘och für ein Kind gewesen. Als Alain wieder zu sisch kam, war er in einer Stadt, die er nicht kannte. Während er geschlafen ‘atte, war der Landstreischer mit ihm weitergezogen. Alains Familie war inzwischen krank vor Sorge. Neben Alain lag ein kleines Tier, ebenfalls betäubt. Es war ein Mauswiesel, Alains Carn. Alain lernte nischt viel von seinem Lehrer. Er braschte ihm den Körpertausch bei, erst später lernte Alain wie er diesen Körpertausch alleine rückgängig machen konnte. Vor allem zeigte der Landstreischer Alain, wie er in Gestalt seines Wiesels durch Ritzen, gekippte Fenster oder Spalten in Gemäuer schlüpfen konnte, wo die Menschen ihre Schätze versteckten und wie man diese unbemerkt stahl. Ja, der Mann war ein Einbrescher, ein Dieb und ein Betrüger. Alain lernte nischts über die Tradition der Zalei oder was Schamanismus über’aupt war. Niemand erzählte ihm, dass er sich auf Leben und Tod mit seinem Carn verband. Weder er, noch sein Carn wurden jemals ordentlisch untersuscht oder geprüft. Es gab damals keinen Rat, der über Alains Ausbildung wachte oder ihn vor dem Landstreischer beschützte. Der Mann nutzte den Jungen nach allen Regeln der Kunst aus und be’andelte ihn sehr schlescht.“ Pierre unterbrach seine Geschichte für einen Moment. Er räusperte sich und strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, die sich aus seinem Zopf gelöst hatten. Die Augen der Jungen hafteten an seinen Lippen, gespannt auf die Fortsetzung. Bevor Pierre jedoch weitersprach, atmete er einmal tief durch, räusperte sich erneut und dennoch lag eine ungewohnte Heiserkeit in seiner Stimme. „Nur wenige Monate später starb das Wiesel, und Alain mit ihm. Ein Mauswiesel wird nicht sehr alt. Schon als Alain es fand, war es ungewöhnlisch alt. ‘ätte es damals einen Rat gegeben, dann ‘ätte er nie zugelassen, dass Alain sisch mit diesem Tier verband. Und der Landstreischer ‘ätte sisch nischt einfach wieder auf die Reise und die Susche nach einem neuen Schüler machen können.“ Wieder hatte sich eine unheimliche Stille in der Praxis ausgebreitet. Diesmal saß sogar Ceersh kleinlaut, aber mit großen Augen ruhig auf dem Fußboden. Toneriko verdrückte sogar eine Träne. Pierre selbst hatte den Blick auf den Boden gesenkt, sein langer Pony verdeckte sein Gesicht und er schwieg. Ein paar Augenblicke verstrichen. Dann stand Pierre auf, wandte sich zur Tür und sprach über die Schulter zu den Jungen, bevor er in sein Büro zurückkehrte. „Wir brauchen Regeln. Wenn Lan das nicht versteht, erzähl ihm diese Geschichte… Und räumt jetzt den Be’andlungsraum auf, s’il vous plaît.“ An diesem Abend feierte die Zalei-WG Keis Durchfallen. Kei und Yuki hatten auf dem Heimweg einige Leckerbissen eingekauft, sowohl für die menschlichen als auch für ihre tierischen Mitbewohner. So ging das Abendessen nahtlos in eine ausgelassene Feier über. Die Stimmung in der WG war an diesem Abend so gut wie seit einer guten Woche nicht mehr. Mit ein paar Stücken feinsten Filetsteaks versuchte Kei, sich Robins Gunst wieder zu erkämpfen. Nach der letzten Woche, in der er seinen Carn mit allen Mitteln gegen sich bringen musste, entschuldigte er sich nun wort- und bestechungsreich bei seinem Fuchs. Robin verzieh ihm, nachdem er sich gierig auf das Fleisch gestürzt hatte, immerhin so weit, dass er sich wieder anfassen ließ. Als Keis Aufmerksamkeit ganz unwillkürlich von seinem Carn und zu seinem Lehrer abschweifte, erkannte er, dass dieser wie von einer schweren Last befreit schien. Seit ihrem Besuch im Rat hatte fast durchgehend ein erleichtertes Lächeln auf Yukis Lippen gelegen. Kei wusste nicht so recht, ob der Grund dafür sein Misserfolg bei der Prüfung war oder die Tatsache, dass er trotzdem bei Yuki bleiben würde. Letztendlich war es wohl beides. Kiku schien an diesem Abend einen kleinen Wettstreit mit ihrem Carn, dem Äffchen Jack, zu bestreiten, wer die albernsten Streiche und Grimassen auf Lager hatte. Einen humorvolleren Menschen als Kiku hatte Kei selten getroffen. Er freute sich, dass sie diesen Sinn für Humor wiedergefunden hatte, seit sie sich mit ihrer besten Freundin Taki wieder annäherte. Seit einigen Wochen ging es Taki wieder gut genug, um regelmäßig zur Schule zu kommen, und seitdem hatte sich auch Kikus Gemütszustand zusehends verbessert. Allein Ryu schien an diesem Abend kaum weniger bedrückt als an den Abenden davor. Gut, Kei hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, einen erleichterten Jubelschrei von Ryu zu hören. Das hätte seinem Charakter wohl derart widersprochen, dass es eher Anlass zur Sorge geboten hätte. Dennoch war Kei nicht davon ausgegangen, dass Ryu gar keine Spur von Erleichterung zeigen würde. Er hatte die Brauen tief ins Gesicht gezogen und hing schweren Gedanken nach, wie immer in der letzten Zeit. Jede Nachfrage, ob alles in Ordnung sei, winkte er aber mit „Ja ja, alles ok.“ ab. Das bestätigte allerdings nur noch mehr Keis Eindruck, dass Ryu irgendwelche Geheimnisse vor dem Rest der WG hatte. Yuki schien mehr zu wissen, da er als einziger demonstrativ keine Notiz von Ryus Laune nahm. Kei würde Yuki später darauf ansprechen, nahm er sich vor. Immerhin hatte Yuki ihm vorhin versprochen, ihn nicht mehr zu belügen. Keis Gedanken wurden unterbrochen, als es an der Tür klingelte. „Noch ein Partygast?“ wunderte sich Kiku und hopste zur Tür. Keiner von ihnen erwartete Besuch und so warteten und lauschten alle gespannt auf die Stimmen im Hausgang, die das Geheimnis um ihren abendlichen Gast enthüllen würden. „Hallooo!“ hörten sie schließlich Kikus Stimme in überraschter Freude rufen. „Lange nicht gesehen! Komm doch rein!“ Es folgte ein Gemurmel von Kiku und ihrem Gast, das zu leise war, um eine Stimme oder den Inhalt des Gesprächs zu erahnen. Nur dass die zweite Stimme einem Mann gehörte, konnte Kei erkennen. Nur wenige Augenblicke später trat ihr Gast ohnehin ein und gab das Geheimnis seiner Identität preis. Es war Lan. Ryu sprang förmlich von seinem Stuhl auf und kam auf ihn zu. Er griff mit beiden Händen nach Lans Schultern als müsse er ihn festhalten. Und dieser Gedanke schien gar nicht so abwegig, dachte Kei bei sich. Lan sah gar nicht gut aus. Er war blass. Ein paar Wochen nach der tragischen Geschichte mit Takis Schwester Ryami hatte Kei schon einmal einen mitgenommenen Lan gesehen. Auch wenn Lan sich diesmal ebenso wie damals jede Mühe gab, ganz normal zu wirken, gelang es ihm doch nicht, irgendjemanden zu täuschen. Sein Gesicht war fast schneeweiß und stand im stärksten Kontrast zu den tiefdunklen Ringen unter seinen Augen. Er schien noch schmaler geworden zu sein, stand unsicher auf den Beinen. „Lan! Was um Himmels Willen ist denn passiert!?“ rief Kei schockiert. „Nichts, nichts. Keine Sorge, mir geht’s gut.“ zwang er sich zu einem Lächeln. „Setz dich erstmal und iss was.“ schlug Ryu vor. Lan wehrte sich nicht, als Ryu ihn zu einem der freien Stühle lenkte und ihn auf diesen drückte. Auch eine Tasse heißen Kaffee nahm er gern an. Essen wollte er aber nichts, er habe keinen Appetit. „Du bist durch die Prüfung gefallen, nehm ich an?“ erkundigte sich Lan und gratulierte mit einem augenzwinkernden Lächeln, als Kei zustimmend nickte. Eine ganze Weile herrschte danach Schweigen. Kei konnte die Gedanken der anderen fast spüren. Ryu, Lan und Yuki schienen genau zu wissen, was passiert war. Und sie schienen darüber sprechen zu wollen, konnten es aber nicht in Gegenwart von Kiku und ihm. Die beiden Schüler waren wie immer die ahnungslosen, die von den vollwertigen Zalei außen vor gelassen wurden. Doch dieses Spielchen wollte Kei nicht mehr mitspielen. „Wollt ihr jetzt noch lange Theater spielen oder erzählt ihr uns langsam mal was los ist? Kiku und ich sind keine kleinen Kinder. Wir denken uns sowieso unseren Teil.“ fragte Kei provozierend. „Das ist nicht so leicht. Sei froh, dass wir euch davon verschonen.“ wollte Yuki ihn beschwichtigen. „Nichts da! Du hast mir gerade vorhin noch versprochen, mich nicht mehr anzulügen, oder?“ Kei warf seinem Lehrer einen langen, intensiven Blick zu. Yuki verstand, dass er es ernst meinte, und signalisierte seine Aufgabe durch ein angedeutetes Nicken, das niemand außer Kei wahrnahm. Spätestens wenn sie allein waren, würde er Kei einweihen. „Was Yuki sagt, stimmt. Ihr solltet euer Leben genießen, solange ihr von diesem ganzen Sumpf keine Ahnung habt. Der Ernst des Lebens holt euch früh genug ein.“ sprachen Trauer und Verbitterung gleichermaßen aus Ryus Mund. Doch Kei gab sich damit nicht zufrieden. Er beschränkte sich jedoch auf einen missbilligenden Blick in Ryus Richtung. Auf Widerworte verzichtete er, da er von Yuki später sowieso die Wahrheit erfahren würde, dachte er. Außerdem konnte er gegen Ryus Dickschädel ohnehin nicht ankommen. Der einzige, der Ryu hin und wieder Paroli bieten konnte, war Lan. Und zu aller Überraschung tat er das auch. „Ein Ratsmitglied wurde vor neun Tagen ermordet, weil er von illegalen Geschäften des Rats erfahren hat. Den Mord wollte man mir in die Schuhe schieben. Aber weil es – natürlich – keine Beweise gibt, mussten sich mich laufen lassen. Ich komme geradewegs aus dem Gefängnis.“ „Lan!?“ Ryu fuhr wütend herum. „Ja?“ antwortete Lan unnatürlich ruhig und nahm einen Schluck Kaffee. „Bist du irre? Wir wollten die Schüler da raushalten.“ Lan setzte seine Tasse ab. „Wozu sollte das wohl gut sein? Ihr hattet Glück, dass Yuki Kei noch überreden konnte, die Prüfung zu versauen. Aber eigentlich hättet ihr es gar nicht so weit kommen lassen müssen, wenn ihr ihm gleich die Wahrheit gesagt hättet.“ „Was für eine Wahrheit?“ mischte sich nun auch Kei ein. „Dass der Zalei-Rat seit geraumer Zeit seine Macht missbraucht. Um die Pflege einer schamanischen Tradition geht es Adoy schon lange nicht mehr, nur noch um seine Macht, um Geld und Kontrolle.“ „Das… Ist das wahr? Und ihr wusstet das…?“ „Papa, Ryu und Lan versuchen seit einer ganzen Weile, dagegen etwas zu tun.“ nickte Yuki. Kei konnte seine Gedanken nicht recht ordnen. Gut, Yuki hatte ihm gegenüber schon einmal angedeutet, dass nicht alles eitel Sonnenschein war in ihrer Zalei-Gesellschaft. Aber die wahren Ausmaße des ganzen hatte Kei sich nicht vorstellen können. Gegen Ryus Willen erzählten Lan und Yuki ihm und Kiku nun endlich die Wahrheit. Er erfuhr, dass Meister Adoy längst nicht mehr nur ein Hüter einer alten Tradition war. Den Zalei ein Zuhause, Arbeitsplätze und einen Platz in der Gesellschaft zu bieten, war nur ein Teil seiner Ziele. Daneben strebte er durch die Kraft der Zalei aber auch nach Geld und Macht. Kei erfuhr nun auch, was es mit den mysteriösen Aufträgen auf sich hatte, die die Zalei gelegentlich für den Rat ausführten. Für Geld ließ Meister Adoy seine Zalei alle möglichen Dienste und Botengänge erfüllen, legale wie illegale, harmlose wie gefährliche. Sogar die Wahrheit über Ryami Hisuis Tod erfuhr Kei nun endlich. Im Raum stand sogar der Verdacht, dass Meister Adoy Kontakte zur Organisation K.R.O.S.S. unterhielt, die für ihre Forschung auf dem Gebiet des Übersinnlichen und illegalen Machenschaften berüchtigt war. Im Lauf des Gesprächs wurde Kei immer kleinlauter. Er hatte keineswegs mit diesen Ausmaßen der ganzen Affäre gerechnet. Jetzt verstand er endlich, wovor Yuki die ganze Zeit versucht hatte, ihn zu schützen. „Und wie geht es jetzt weiter? Kann ich irgendwie helfen oder so?“ fragte Kei schließlich zögernd, nachdem Lan und Yuki ihre Ausführungen beendet hatten. „Nein, du brauchst nichts tun.“ wehrte Lan ab. „Du weißt jetzt Bescheid, das ist schon genug. In die Gefahrenzone solltet ihr euch lieber nicht begeben.“ Kei war zwar dankbar für Lans Worte und atmete innerlich auf. Aber irgendwo ahnte er schon, dass es dabei nicht bleiben würde. Es entsprach nicht seinem Wesen, ewig wegzuschauen oder Missstände einfach zu ignorieren. „Das Problem ist, dass ich von Taro seit Wochen nichts gehört habe.“ Lan sah Yuki und Ryu abwechselnd an. „Hat er sich bei euch gemeldet?“ „Nein. Ich wusste nicht, dass ihr keinen Kontakt mehr habt. Seit wann…?“ Yuki war die Sorge ins Gesicht geschrieben. „Der Kerl hat sich noch nie gemeldet. Ein paar Wochen ohne Nachricht sind bei dem kein Grund zur Sorge.“ gab Ryu verächtlich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Aus dem schlechten Verhältnis zu seinem Vater machte Ryu keinen Hehl. „Aber in so einer Zeit IST es ein Grund zur Sorge!“ erwiderte Yuki sofort, berührt von Ryus Kälte. Es folgte eine der zahlreichen Streitereien der Brüder in Bezug auf ihren gemeinsamen Vater. Lan war von Ryus forscher Antwort sichtlich getroffen. Er senkte den Blick auf den Boden und schien einen Moment zu überlegen. Unruhig spielten seine Finger mit dem Ring an seiner linken Hand, während er unter dem Tisch mit dem Fuß wippte. Die Brüder, die durch ihren eigenen Streit abgelenkt waren, bemerkten Lans besorgte Reaktion nicht, aber Kei sehr wohl. Bevor er jedoch nachhaken konnte, schob Lan seinen Stuhl zurück und stand auf. „Eigentlich wollte ich nur Onyx abholen. Ich hab euch den Abend genug versaut, sorry. Ich hoffe, ihr könnt trotzdem noch ein bisschen feiern.“ verabschiedete sich Lan überstürzt. Wieder lag dieses falsche Lächeln auf den Lippen, das seine Gegenüber über seinen wahren Gemütszustand hinweg täuschen sollte. Nach den jüngsten Enthüllungen war an Feiern natürlich nicht mehr zu denken. **** Hallo! Wow... Seit drei Wochen gibt es hier jetzt schon herrlich regelmäßig neue Kapitel. Ist das nicht schön? ^^° Mit dem nächsten Kapitel nehmen wir dann schon deutlich Schwung auf für den Anstieg der Spannungskurve zum großen Finale hin. Ich muss zwar noch bisschen "nachbearbeiten", aber im Endeffekt werden es wohl insgesamt 30 Kapitel werden. Vielen Dank an dieser Stelle an alle, die SaC noch verfolgen! ^_^ *freu* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)