Hyliar von abgemeldet (Und morgen geht die Sonne wieder auf) ================================================================================ Kapitel 5: Turbulenzen ---------------------- Kapitel 5 Turbulenzen Weswegen ihr Vorgesetzter solch eine Panik wegen der Zeit machte, wusste Amy nicht, schließlich hatte sie in einer Zeitschrift gelesen dass die Spiele erst in einigen Tagen beginnen würden, warum also diese Eile? Mit einen Packen Zeitschriften unter den Arm geklemmt, verließ die angehende Agentin den Kiosk. Während sie Gedankenverloren in einer der Sportzeitschriften einen Bericht über die WWM las, begleitete sie ein junger Agent, der seine Ausbildung schon zu Ende gebracht hatte. Zuvorkommend schob er den Wagen mit dem Gepäck. Leise räusperte er sich hin und wieder, doch diese kleine Andeutung verstand Amy nicht, nahm sie noch nicht einmal war. „Miss Del an Angel, ich störe sie ja nur ungern bei ihrer Weiterbildung, aber könnten sie sich vorstellen für einen Moment auch mal ohne Input zurecht zu kommen und auf den Weg zu achten?“ Die Stimme des jungen Mannes klang freundlich, doch waren seine Worte von falscher Höflichkeit, denn er gehörte zu den Menschen in der ESGO, die immer noch der Meinung waren, dass die junge Tochter der Dienstleiter nicht als Agentin geeignet war. „Natürlich kann ich das, aber ich wäre ihnen sehr verbunden wenn sie aufhören würden so zu tun als wäre ich völlig inkompetent.“, antwortete sie und schlug die Zeitschrift wieder zu. Während sie auf einer Rolltreppe hinauffuhren, sah Amy sich um. Die Halle war riesig und gerade zu überfüllt mit Menschen die in den Urlaub oder auf eine Geschäftsreise gehen wollten. “New York“, dachte Amy und grinste leicht, aber vergnügt. Sie war zwar schon oft in Deutschland, Frankreich, Italien und England gewesen, wegen einiger ihrer- ebenfalls adeligen- Freunde, doch war sie bisher noch nie nach Amerika gekommen. Sie wusste, dass es auch in Amerika Agenten gab und dass sie wahrscheinlich mit einigen von ihnen Zusammenarbeiten musste, falls die Spuren wirklich in Amerika bleiben sollten. Von der Decke hingen riesige Plakate mit Aufschriften darauf. Meist handelte es sich dabei um Werbung für bestimmte Reisebüros oder Fluglinien. Von Amys linker Seite erklang ein Rascheln. Neugierig drehte sie ihren Kopf und sah zu der Anzeigetafel, die gerade wieder automatisch umgestellt wurde und die aktuellen Zeiten für die Flüge zeigte. „Zum Glück, dein Flug hat also keine Verspätung“, warf der junge Mann ein und schob mit dem Mittelfinger seine Brille auf der Nase zurück. Leise schnaufte Amy nur und sah sich weiterhin um. Sie hatte nicht vor, sich die Laune wegen ihm verderben zu lassen. “Amerika ich komme!“ Noch immer hatte sich der Junge, Aven, nicht von seinem Schrecken erholt. Nachdem Kai auf so eine Art und Weise verschwunden war, hatten die Bandenmitglieder beiderseits zwar verwirrt drein gesehen und wussten auch nicht was sie machen sollten, doch hatten die Dark Phoenix doch noch gewonnen, obwohl es für einen kurzen Augenblick tatsächlich so aussah, als würden sie ohne Kai verlieren. Aven, der die Wut in Karas Gesicht sehen konnte, hatte sich gleich danach auch in einem halb geschroteten Auto versteckt und gewartet bis jeder einzelne von ihnen den Schrottplatz verlassen hatte. Seine Aufgabe hatte er nicht zu Ende bringen können, Kara würde ihm bestimmt dafür eine tracht Prügel geben. Ängstlich kauerte sich der Junge im Auto zusammen und zog seine Beine an. Vorsichtig kletterte sein Wegbegleiter Slay auf seine Schulter. „Mach dir keine Gedanken Kleiner, an mir kommt kein Mensch vorbei. Sie werden dir nichts tun.“, sprach das kleine Wesen mit sanfter Stimme. Leise seufzte der Blondschopf und sah den weißen Marder, auf seiner Schulter, an „Aber was ist mit Kai und diesem komischem Mann?“ Obwohl der Blondschopf noch, vor gar nicht all zu langer Zeit, auf den Anführer der Dark Phoenix schießen wollte, plagte ihn nun das schlechte Gewissen. Aven war kein schlechter Mensch, er war nur leicht beeinflussbar von seinen so genannten Freunden. Aber jetzt, wo sein Wegbegleiter an seiner Seite war, würde Slay schon darauf achten, dass Aven die möglichst richtigen Entscheidungen traf. Nachdenklich bewegte sich leicht die buschige Rute des Tieres. Mit einem Mal setzte er sich auf seine Hinterbeine auf. „Ich hab’s“, quietschte er und sah seinen Menschen triumphierend an. Noch ehe Aven fragen konnte, was Slay herausgefunden hatte, sprach er weiter:„Wir gehen jetzt erstmal zu dir nach Hause und essen.“ Ziemlich verwirrt sah Aven seinen Wegbegleiter an. Hatte dieser denn alles vergessen was passiert war? Oder warum benahm er sich so, als wäre nichts Außergewöhnliches geschehen? Der Blondschopf wusste es nicht, doch bei dem Wort >Essen< hellte sich auch sein trübes und trauriges Gesicht ein wenig auf. „Oh ja, gute Idee. Dabei kann ich dich auch meiner Familie vorstellen, du wirst sie bestimmt mögen“. Slays gute Laune war einfach ansteckend und Aven war auch nicht der Typ, der sich lange um etwas Gedanken machte. Die Probleme von vorhin waren längst wieder vergessen und die Begegnung mit dem seltsamen Mann schon längst Passé. Eines jedoch blieb in den Gedanken des Blondschopfs fest verankert. Er wollte Kai noch einmal aufsuchen. Erst an den Kontrollen legte die Auszubildende Agentin Amy ein nervöses Verhalten an den Tag. Wie um Gottes Willen hatte ihr Vorgesetzter sich das eigentlich vorgestellt? Sie hatte insgesamt 3 Taschen bei sich, wobei eine große Tasche nur mit Waffen und High Tech Ausrüstungen gefüllt war. ’Es müsste schon ein Wunder geschehen damit die Detektoren nicht sofort Alarm schlagen. Das klappt nie und nimmer, selbst bei meinem Gürtel ist so ein Ding schon mal losgegangen. Oh mein Gott, ich sehe es schon, ich lande im Gefängnis.’ Während sich die junge Rekrutin vor lauter Sorgen ihren Kopf zerbrach, lief ihr Reisebegleiter unbeirrt weiter und zeigte auch nicht die geringste Gefühlsregung. Die Ruhe und vor allem Arroganz, die dieser Mann ausstrahlte, konnte Amy schon fast wahnsinnig machen. Immer wieder schob er mit dem Mittelfinger seine Brille auf der Nase zurrecht, hielt seinen Blick jedoch stur nach vorne gerichtet. ’Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken dass dieser junge Mann ein Roboter ist. Wer bleibt angesichts dieser Lage schon ruhig?’ Nur noch wenige Passagiere trennten Amy und den Metalldetektor voneinander. Jedes Mal wenn der Detektor laut piepste, zuckte sie zusammen. „Reiß dich jetzt mal endlich zusammen! Was soll das Theater hier? Typisch verwöhnte Gören. Sobald mal ein Problem auftauchen könnte, benehmt ihr euch, als wäre das der Weltuntergang.“, fuhr ihr Reisebegleiter sie an und warf der jungen Spanierin einen mahnenden Blick zu. Gekränkt in ihrem Stolz erwiderte Amy diesen Blick ungerührt und sah schließlich wieder nach vorne. Dass sie nun vor lauter Zorn über diese Unverschämtheit ihre Sorgen vergessen hatte, bemerkte sie nicht. Dafür bemerkte es aber ihr Reisebegleiter, der mehr als Zufrieden mit sich war. Für einen kurzen Augenblick schien es sogar, als wäre ein leichtes Lächeln über seine Lippen gehuscht. Ruhig, jedoch ungewöhnlich steif, stand Amy nun vor den Männern der Security, direkt vor dem Detektor. „So, nun legen sie doch bitte einmal ihr Gepäck auf dieses Fließband. Metallgegenstände, die sich am Körper befinden oder in den Taschen sind, legen sie bitte hier hinein. Wir bitten Sie dann, einmal hindurch zu gehen.“, sprach einer der Sicherheitsmänner, der ein Schrank von einem Mann war. Schwer schluckend, sah die junge Agentin zu ihrem Reisebegleiter. Dieser nickte und murmelte nur ein „Selbstverständlich“, während er seine Taschen leerte. Zum Vorschein kamen unter anderem ein Feuerzeug, Schlüsselbund, eine Packung Kondome, ein Aufkleber “Alle Macht den Drogen!“ und ein typisches Männerheft mit einer äußerst leicht bekleideten Frau auf dem Cover. Nicht nur Amy, sondern auch die Männer stutzten. Doch Amys Reisebegleiter grinste nur amüsiert. Er erlaubte sich immer einen Scherz mit den Sicherheitsbeamten am Flughafen. Dies war schon allgemein in der ESGO bekannt, weswegen die wenigsten gerne mit ihm reisten. Er hatte leider die Angewohnheit, meist ziemlich peinliche Gegenstände aus seiner Tasche zu zaubern und diese den Sicherheitsbeamten zu präsentieren. Da seine Reisebegleiterin allerdings noch recht Jung war, verzichtete er darauf, etwas “Schlimmes“ zu nehmen. „Na was gucken sie denn so meine Herren? Vorsicht ist doch besser als Nachsicht. Wenn sie wollen, können sie auch gerne eines nehmen, sind doch noch genügend vorhanden.“, sagte Amys Reisebegleiter und sah sichtlich amüsiert drein. Der Schrankmann räusperte sich nur leise und legte die Sachen ab, ehe er weitere sprach. „Ähm ja, danke für das Angebot aber ich lehne ab… Kommen wir also nun zu ihrem Gepäck.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und sah abwartend auf ein Display. Dieses zeigte die Gegenstände an, die sich in dem Koffer befanden und durchleuchtet wurden. In aller Ruhe packte Amys Reisebegleiter die Taschen auf das Fließband und trat schließlich neben den Sicherheitsbeamten. Dieser sah nur kurz auf, ehe er seinen Blick wieder auf das Display richtete. Die erste Tasche wurde durchleuchtet und in dieser befand sich nichts besonderes, Kleidung eben. Die zweite Tasche lief durch den gleichen gelangweilten Blick des Sicherheitsbeamten, auf die andere Seite, doch die Dritte und somit letzte Tasche erweckte die Aufmerksamkeit des Mannes. Verwundert sah er auf und blickte den Mann mit der Brille an. “Entweder will er mich an der Nase herum führen oder er ist dreister als ich bis jetzt jemanden erlebt habe. Was soll das? Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht die Waffen zu verstecken“, dachte der Sicherheitsbeamte. Dieser holte gerade sein Handy aus der Tasche und wollte Verstärkung rufen, als der Mann mit der Brille sich leise räusperte und etwas aus seiner Jackentasche holte. In dem Glauben, der Mann wolle ihn angreifen, glitt die Hand des Sicherheitsbeamten zu seiner Waffe. „An ihrer Stelle würde ich das unterlassen!“, raunte ihm Amys Reisebegleiter zu und holte aus der Tasche einen versiegelten Brief heraus. Diesen überreichte er dem Sicherheitsbeamten. „Hier finden sie alle Antworten auf ihre Fragen.“, fügte er noch hinzu, ehe der Mann Amy durch den Metalldetektor führte. Während der Sicherheitsbeamte den Brief las, nahm Amy ihre Taschen und verlud diese wieder auf den Gepäckwagen. Dass es so einfach ging, hätte Amy auch nicht gedacht. Ihr Reisebegleiter war eben erfahren in diesem Bereich, er wusste dass er sich keine Sorgen darum machen musste. Der Vorgesetzte von den Sicherheitsbeamten kannte es schon, dass die ESGO mit ihren Ausrüstungen an diesem Flughafen ein und aus ging. Der Brief war nichts weiter als eine schriftliche Erklärung von der ESGO, dass sie mit Erlaubnis dieses Landes, mit ihrer Ausrüstung in einem Flugzeug reisen durften. Kai Tares schleppte sich weiter durch die Straßen New Yorks und ließ die Bronx hinter sich. Der Schmerz in seinem Arm hätte ihn normalerweise wahnsinnig werden lassen müssen. Doch nichts dergleichen war passiert. Kai schob diese Tatsache einfach darauf zurück, dass es am Adrenalin lag. Dass er zwar Schmerzen verspürte, diese aber nicht sonderlich schlimm waren. ’Oder ein Nerv wurde getroffen.’, fügte er in Gedanken zu seiner Sammlung möglicher Erklärungen hinzu. Eines jedoch wusste der schwarzhaarige, die Wunde musste schnellstmöglich behandelt werden wenn er nicht auf der Straße verbluten wollte. Beiläufig nur ließ Kai eine Jacke mitgehen, die an einem Kleiderständer draußen vor einem Geschäft hing. Schön sah die Jacke nicht aus, doch sie erfüllte ihren Zweck und verdeckte die blutende Wunde an Kais Arm. Ein normaler Allgemeinmediziner wäre für diese Behandlung wohl ungeeignet, fand Kai, daher suchte er das Erstbeste Krankenhaus in New York auf. Während Kais Wegbegleiterin Athena von der Luft aus nach einem Krankenhaus suchte, sah sich Kai anderweitig um. Bei einer Telefonzelle blieb er stehen und blätterte, recht ungeschickt mit einer Hand, im Telefonbuch herum. Doch die Suche nach einem Krankenhaus im Telefonbuch blieb ohne Erfolg. Ausgerechnet die Seiten mit den Ärzten und Krankenhäusern hatte irgendjemand aus dem Buch entwendet. Genervt über sein Pech, von dem er langsam glaubte verfolgt zu werden, suchte Kai weiter. Es war Athena, die zu ihm kam und Kai berichtete, dass sie ein Krankenhaus ausfindig gemacht hatte. Unter den Wegbeschreibungen seiner Wegbegleiterin erreichte Kai schließlich das New York Hospital. Ein wenig enttäuscht über die Schlichtheit dieses Gebäudes sah Kai drein. Er hatte ein wenig mehr erwartet, aber es kam nun mal nicht auf das Aussehen des Gebäudes an, sondern darauf dass man seine Wunden verarzten würde. Er mischte sich unter die Menge der anderen Menschen und betrat das Krankenhaus. Hier sah schon alles anders aus, nichts war mehr schlicht, sondern modern und praktisch eingerichtet. Bei diesem Anblick wusste der Schwarzhaarige, dass dieses Krankenhaus wohl auch mit der neusten Technik ausgestattet war. Während die anderen Menschen Platz nahmen um zu warten, sich anmeldeten oder aufgelöst dastanden, blieb Kai stehen und überlegte. Er hatte weder eine Krankenversicherung, noch genügend Geld um so eine teure Behandlung zahlen zu können, er musste sich etwas einfallen lassen. Zumindest dachte er, keine Krankenversicherung zu haben. Als ihm jedoch die rettende Idee kam, stahl sich ein leichtes, aber doch freches Grinsen auf die Lippen des Jugendlichen. Diese Menschen, die hier arbeiteten, mochten zwar alle Gebildet sein, doch würde Kai sie einfach überlisten können. Er wusste auch schon wie, er wollte das Helfersyndrom bei den Ärzten voll und ganz ausnutzten. Unauffällig ließ er die Jacke verschwinden und ließ somit seinen blutenden Arm ans Tageslicht. Eine ältere Dame rief erschrocken nach einem Arzt und genau diesen Moment nutzte Kai aus und fiel bewusstlos zu Boden, schloss dabei seine Augen. Natürlich war er nicht bewusstlos gewesen, Kai tat nur so, denn keiner der Ärzte hätte ihn einfach so verbluten lassen. Obwohl er nichts sah, hörte er alles mit an und es dauerte tatsächlich nicht lange bis einige Helfer kamen und Kai auf eine Trage hoben. „In den OP, aber sofort und verständigen sie Dr. Jeffensen! Er möge sofort in den Operationssaal 4 kommen. Untersucht das Blut des Jungen, wir brauchen sofort Bluttransfusionen!“, sprach eine der jungen Helferinnen mit befehlerischem Ton und gab noch weitere Anweisungen an ihre Kollegen. Kai war verwirrt. Hatte die junge Helferin gerade eben wirklich von OP und Bluttransfusion geredet? ’Anscheinend muss es doch schlimmer sein als ich gedacht habe.’ Der Gedanke, gleich in Narkose zu sein und diesen fremden Menschen wehrlos ausgeliefert zu sein behagte ihm überhaupt nicht, doch hatte er die Wahl? Er musste sofort behandelt werden. Angespannt biss Kai die Zähne zusammen. Der weiße Marder mit den blauen Streifen im Fell konnte seine Augen einfach nicht mehr von seiner Umgebung abwenden. Er hatte seinen Menschen in der Bronx, den ärmsten Teil der ganzen Stadt, gefunden und wo befand er sich jetzt? In einem wohlhabenden Stadtteil. Hier reihten sich die Häuser nicht dicht aneinander gedrängt mit vollgemüllten Straßen. Hier hatte jedes prächtige Haus einen großen und gut gepflegten Garten. Alle Vorgärten waren mit wunderschönen Blumen bepflanzt und der Rasen peinlichst genau gekürzt. „Na da brat mir doch einer einen Storch! Wohnst du etwa wirklich hier?“, fragte Slay, nachdem er seinen Mund endlich wieder bewegen konnte und nicht mehr nur mit offenem Mund staunend durch die Straßen sah. Der junge Blondschopf lächelte und hob stolz seine Nase in die Höhe. „Ja, genau in dieser Straße wohne ich.“, verkündete er mit Stolz, der ihn wirklich anzusehen war. „Na das erklärt jetzt auch deine etwas pummelige Statur“, stellte Slay fest und meinte dies noch nicht einmal böse, dass Aven so wohlgenährt aussah. Doch er fasste dies nicht gerade freundlich auf. Sein vorher noch stolzer Blick hatte sich verwandelt in eine beleidigte Miene. Anstatt etwas darauf zu erwidern schnaufte er nur und richtete seinen Blick wieder nach vorne, direkt auf das Haus seiner Eltern. Es glich den anderen Häusern sehr. Durch den Frühling blühten die Blumen im Vorgarten auf und der Apfelbaum trug ein Kleid aus strahlenden weißen Blüten. Rötliche Steine führten durch den Vorgarten zum Haus. Neugierig sprang der Marder von Avens Schulter und landete auf dem kurzen Rasen. Seine Nase konnte der Wegbegleiter nicht mehr unter Kontrolle halten. Alle diese neuen Gerüche und Einflüsse ließen ihn hibbelig werden. Es dauerte auch nicht lange, bis das kleine weiße Geschöpf verschwunden war und Aven allein vor der Tür seines Elternhauses stand. Der junge Blondschopf fühlte sich unwohl und würde am liebsten ins Haus schleichen um nicht gesehen zu werden. Für gewöhnlich fragten seine Eltern nicht nach wo er den ganzen Tag war, doch da Avens Kleidung verschmutzt und abgenutzt aussah, würden sie ihn mit Sicherheit ausfragen. Doch taten sie dies immer nur aus Sorge. Die Eltern von Aven besaßen viel Geld und dies machte Aven immer zu einem leider oftmals beliebten Ziel um Geld zu erpressen. Tief durchatmend hob er schließlich seinen Arm und drückte die Klingel direkt neben dem Hausschild. Es dauerte auch nicht lange, bis eine ältere Hausdame mit weißer Schürze und grauen Haaren die Tür öffnete. „Na, da ist er ja der junge Smith. Treten sie ein, sie werden sich bestimmt freuen.“, begrüßte sie Aven freundlich und ließ ihn ins Haus hinein. Erleichtert trat der Blondschopf ein. „Sie sollten sich umziehen, ihre Mutter hat Besuch.“, fügte die alte Dame noch hinzu, während sie dem Jungen die Jacke abnahm. ’Dann hat sie es also doch gemerkt. Hoffentlich sagt sie meiner Mama nichts, ich will nicht schon wieder mit ihr Streit...’, dachte Aven, der zu den Worten der Haushälterin nur leicht nickte und rasch die Treppe hinauf lief. Obwohl das Haus groß genug für eine Großfamilie war, lebten hier nur Aven und seine Mutter. Sein Vater war zurzeit an einer Ausgrabung in Athen und beschäftigte sich mit einem rätselhaften Fund. Nur Avens Mutter, Judith, wusste womit sich ihr Mann beschäftigte. Der Blondschopf wusste nur, dass sein Vater sich mit der Geschichte der Wegbegleiter beschäftigte und ein sehr angesehener Forscher unter den anderen Archäologen war. ’Ach man Slay, wo bleibst du denn?’, fragte sich der Junge, während er sich einen feinen Anzug heraus suchte. Zwar hatte die Haushälterin nicht gesagt um was für einen Besucher es sich handelte, doch vermutete Aven dass es mit Sicherheit wieder ein Kunde seiner Mutter war. Die Familie Smith hielt zwar nicht viel von der Oberschicht und mochte diese falsche Höflichkeit gar nicht, doch legten sie sehr viel Wert auf Höflichkeit und Etikette. Nachdem der Blondschopf seine Haare gekämmt hatte, lief er auch schon wieder die Treppe hinunter und betrat das Wohnzimmer. Er wollte gerade zu einer höflichen Begrüßung ansetzten, als Aven den Besucher erkannte. Die Augen des Jungen weiteten sich und auf seinem Gesicht zauberte sich ein großes und fröhliches Lächeln. „Brian!“, rief er und rannte auf den jungen Mann zu. Dieser konnte sich gerade noch auf den Beinen halten, um nicht von Avens stürmischer Begrüßung zu Boden gerissen zu werden. Brian war Avens großer Bruder, der zurzeit in Südamerika studiert hatte. Brian sah allerdings ganz anders aus als sein kleiner Bruder. Im Gegensatz zu ihm war er hoch gewachsen und besaß einen schlanken Körperbau. Dies kam vielleicht auch davon, dass Brian Vegetarier war und sehr auf seine Ernährung achtete. Anders als Aven, der es liebte in Fastfoodläden zu essen. Jedoch besaß auch Brian die gleichen strohblonden Haare und freundlichen Augen wie sein kleiner Bruder. Judith beobachtete ihre beiden Söhne mit einem zufriedenen Lächeln und war erfreut darüber, dass sich ihre beiden Söhne so gut verstanden. Jedoch erweckte eine Schramme in Avens Gesicht ihre Aufmerksamkeit. Langsam erhob sie sich und ging auf ihren Jüngsten zu. „Aven mein Schatz, ist dir etwas auf dem Nachhauseweg passiert?“, fragte sie ihn mit einer ruhigen aber besorgten Stimme. Innerlich zuckte der Blondschopf zusammen und sah seine Mutter an. Krampfhaft suchte er nach einer Lüge, doch ihm wollte einfach keine einfallen. Außerdem hasste er es, seine Mutter anlügen zu müssen. Als ob Slay die Gedanken seines Menschen gelesen hätte und gespürt hatte dass er, wieder einmal, seine Hilfe brauchte, sprang das kleine Wesen durch das offene Fenster ins Wohnzimmer. Brian wandte sich um und musterte das Tier neugierig. Auch Judith hatte sich umgedreht. Slay saß auf seinen Hinterbeinen und sah die drei Menschen neugierig an, ehe sein Blick fasziniert durch das Zimmer schweifte „Man ist das ein riesiger Schuppen hier. Hier könnte ich es echt aushalten. Hoffentlich ist das Essen auch so gut.“, plapperte er munter drauf los, ohne die beiden Erwachsenen Personen zu beachten. Brian schmunzelte, während Aven vortrat und seine Familie ansah „Mum? Brian? Darf ich euch vorstellen? Das ist Slay.“ „Dein Wegbegleiter wie ich annehme oder? Sein Essverhalten passt anscheinend sehr gut zu deinem.“, neckte Brian seinen kleinen Bruder freundlich und grinste diesen an. Sichtlich stolz sah Judith ihren jüngeren Sohn an „Ich bin froh, dass auch du endlich deinen Wegbegleiter gefunden hast. Am besten erzählst du uns die Geschichte beim Abendessen. Anita hat schon alles im Esszimmer vorbereitet.“ Sie erhielt ein zustimmendes Nicken von Brian und ein synchrones, heftiges Nicken von Slay und Aven. Auch wenn die beiden sich nur seit wenigen Stunden kannten, merkte man ihnen doch an, dass sie füreinander bestimmt waren. Die Haushälterin, Anita, stellte noch die letzten beiden Schüsseln auf den Tisch, ehe sie das Esszimmer verließ. Genau in diesem Moment betraten Judith und ihre beiden Söhne das Esszimmer und nahmen Platz. Wie es so üblich war, nahmen die Wegbegleiter direkt neben ihren Menschen auf einem Stuhl Platz. Slay jedoch, der überhaupt nicht daran dachte, seine Manieren einzuhalten, sprang vom Stuhl auf den Tisch. Belustigt sahen alle Anwesenden im Zimmer zu wie Aven versuchte seinem Wegbegleiter begreiflich zu machen, dass Slay auf dem Stuhl zu sitzen habe. Die Familie Smith begann ihr Essen wie immer mit einem Tischgebet. An sich wirkte dieses Ritual vor dem Essen eigentlich normal, viele Familien sagten ein Tischgebet auf, doch die Haushälterin schüttelte darüber nur den Kopf und Besucher wunderten sich darüber nur. Denn es war kein normales Tischgebet, was sie aufsagten, genau genommen verstand es niemand anderes als die Familie Smith und ihre Verwandten. Alle außer Aven, der noch zu jung dafür war, kannten die Übersetzung und wussten, was es bedeutete. Schon oft hatte der Jüngste aus der Familie gefragt wie eigentlich die Übersetzung lautete und welche Sprache das sei, doch erzählte seine Mutter ihm immer nur, dass es ihre alte Sprache, vor langer Zeit war und dass sie sich für etwas in dem Gebet bedankten. Es stimmte auch und Judith log ihren Sohn nie an, doch steckte sehr viel mehr dahinter als sie ihm verriet. Während alle gemeinsam aßen, dichtete Aven eine Geschichte zusammen, wie er seinen Wegbegleiter auf dem Weg von der Schule in einer Schlägerei, in die Aven unfreiwillig verwickelt worden war, getroffen hatte. Je mehr er erzählte und Slay als strahlenden Held darstellte, desto mehr schwoll die Brust des Marders vor Stolz an. Das kleine Wesen hatte sich nur zu Anfang gewundert warum sein Mensch denn eine falsche Geschichte erzählte, doch ließ er Aven einfach mal erzählen. Während dieser Erzählung sah Brian immer wieder auf den Marder. „Dein Wegbegleiter hat eine ungewöhnliche Fellzeichnung.“, bemerkte er erst, als sein kleiner Bruder zu Ende gesprochen hatte. „Dieses Wellenmuster auf seinem Fell, ich meinte es irgendwo schon einmal gesehen zu haben. Ich glaube in der Uni haben wir mal über so ein ähnliches Muster gesprochen.“ „Allerdings gehörte es damals der Seeschlange Leviathan. Sie kommt in der jüdisch-christlichen Mythologie vor.“, meldete sich nun Brians Wegbegleiter zu Wort und rückte dabei, betont langsam, seine Brille auf der Nase zurecht. Brians Wegbegleiter war ein wissbegieriges Murmeltier, dass in der Uni irgendwann einem Lehrer die Brille geklaut hatte und diese seit diesem Tag trug. Oft schon, hatte Brian seinen Wegbegleiter darauf angesprochen, warum er denn die Brille trug, doch eine wirkliche Antwort erhielt er nie, sondern bekam immer nur eine bissige Bemerkung zurück. Slay, der seine Neugierde schon den ganzen Tag ungehemmt auslebte, sprang von seinem Stuhl auf den Tisch und kam munter auf das Murmeltier zugelaufen. „Wahnsinn, Verrückte gibt’s.“, sagte der freche Marder und sprach wieder einmal das aus, was er dachte. Empört starrte das Murmeltier den Marder an, unfähig über diese Frechheit irgendwas zu sagen. Brian und auch Judith konnten sich vor Lachen nicht mehr halten. Das Bild, welches sich ihnen bot, war auch zu lustig. Doch einer lachte nicht. Aven, der sonst für jeden Spaß zu haben war und wirklich über alles Lachen konnte, saß auf seinem Stuhl und blickte nachdenklich auf seinen Teller. Schon Minuten lang hatte er seinen Blick nicht einmal gehoben und müsste auf Abruf sofort sagen können, wie viele Erbsen auf seinem Teller noch waren, doch war Avens Blick leer. Er nahm den Teller und sein Essen darauf, überhaupt nicht war. Einzig allein in seine Gedanken vertieft, musste er wieder an den Vorfall auf dem Schrottplatz denken und vor allem an Lanson. Dieser seltsame Mann ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf. Es beunruhigte den Blondschopf noch immer, dass er Kai folgen sollte. Es war ganz offensichtlich, dass der Anführer der Dark Phoenix gefährlich und kein Mensch war. Und ausgerechnet so einem sollte Aven folgen? ’Was für ein Wahnsinn, da kann ich ja gleich von ’ner Brücke springen.’ In seine Gedanken versunken, schüttelte der Blondschopf leicht seinen Kopf. Judith sprach ihren Jüngsten an und bemerkte gar nicht, dass dieser in Gedanken versunken war. Erst als sie ihm eine Broschüre der WWM unter die Nase hielt, schreckte Aven aus seinen Gedanken und zuckte zusammen. Überrascht über die Reaktion ihres Sohnes sah Judith Aven an, doch dieser nahm nur schweigend die Broschüre entgegen. Seine Sorgen waren verflogen und Neugier drängelte sich wieder in den Vordergrund. Der Junge Smith war kein Mensch, der sich lange Sorgen machte, dafür hatte er ein zu unbeschwertes Leben, als dass er sich schon ernsthaft Gedanken machen würde. „Das ist eine Broschüre über die Diesjährige WWM. Irgendwie habe ich es schon geahnt, dass du deinen Wegbegleiter noch rechtzeitig findest, deswegen habe ich gleich eine der Broschüren für dich mitgenommen. Vielleicht hättest du Interesse mit Slay daran teilzunehmen. Sobald der Marder seinen Namen hörte, hob dieser seinen Kopf und sah sich um. Seinen kleinen Streit mit dem Murmeltier vergessend, sprang das kleine Wesen direkt auf Avens Schulter und sah neugierig in die Broschüre. „Allerdings müsstest du dich beim Arzt durchchecken lassen. Die Termine für die Untersuchungen stehen auf der Vorletzten Seite. Du hast Glück, denn morgen finden die Untersuchungen dafür in einem Krankenhaus, ganz in der Nähe, statt. Wenn du möchtest fahre ich dich dorthin.“, bot Judith ihren Sohn an und sah wie das freudige Glänzen in seinen Augen immer intensiver wurde. Während die junge Spanierin, Amy Luz Del an Angel, sich in der ersten Klasse der Boing 747, umgangssprachlich auch Jumbo Jet benannt, auf dem Weg in die USA umsah, saß ihr Reisebegleiter neben ihr auf dem Platz und befestigte die Sicherheitsgurte. Mit einem lauten Räuspern erweckte er ihre Aufmerksamkeit und deutete diskret auf ihre Sicherheitsgurte. „Du solltest trotz deiner Neugier immer an die Sicherheit denken, junge Rekrutin.“, tadelte er sie mit strenger Stimme und richtete seinen Blick wieder nach vorne. Aus Gewohnheit schob der junge Mann das Gestell seiner Brille mit dem Mittelfinger auf seiner Nasse wieder zurecht und nahm einen Roman hervor. Wie lange der Flug von Madrid nach New York dauern würde, wusste Amy nicht. Der Dicke des Romans zu urteilen, war es jedoch eine sehr lange Reise. Von Ungeduld getrieben, konnte Amy einfach keine Ruhe finden und auf ihrem Platz ruhig sitzen bleiben. Erst seit einer Stunde war die Boing 747 in der Luft und trotzdem kam es der Spanierin so vor, als wären schon wesentlich mehr Stunden vergangen. Sehr zum Leidwesen ihres Reisebegleiters wippte sie immer wieder unruhig mit dem Fuß oder sah hektisch hin und her. Jeder der Amy nicht kannte, hätte bestimmt darauf gewettet, dass sie unter Flugangst litt, doch genau genommen war es bei ihr das Gegenteil. Für sie gab es fast nichts Schöneres als Fliegen. Jedoch war Amy es gewohnt schon am frühen Morgen ihr übliches Training zu absolvieren und genau das konnte sie an diesem Morgen nicht machen. Die angestaute und überschüssige Energie übernahm die Kontrolle und ließ sie hibbelig wirken. Die Augenbrauen des Mannes neben ihr zuckten beängstigend genervt und wie ein stummes Warnschild trat eine Ader auf die Stirn ihres Reisebegleiters hervor. Dennoch übte der junge Mann sich weiterhin in Geduld, nicht umsonst hatte man ihn der jungen Spanierin mitgegeben. Amy wollte ihren Reisebegleiter gerade etwas fragen, als dieser sein Buch zuschlug und ihr ein Rätselheft direkt unter die Nase hielt „Tob dich daran geistig aus, aber hör auf so hibbelig wie ein Sack Flöhe zu sein! Ich lese wohl schon zum siebten Mal diesen einen Absatz, noch einmal und ich kann ihn auswendig.“, sagte er in einer ruhigen Tonlage, die jedoch keinerlei Widerspruch duldete. Amy schloss wieder ihren Mund und verkniff sich ihren Kommentar, während sie das Heft und einen Stift entgegen nahm. Schweigend saßen sowohl Amy, als auch ihr Begleiter auf ihren Plätzen und beschäftigten sich irgendwie. Doch schnell wurde die junge Spanierin wieder unruhig, setzte sich immer wieder gerade auf und lehnte sich gleich darauf wieder in den Sitz zurück. Genervt schlug der junge Mann sein Buch erneut zu und sah Amy an. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte er und unterdrückte einen Seufzer. Beleidigt darüber, dass er immer gleich so genervt reagierte sah Amy ihn an, ehe sie ihm doch noch antwortete. „Ich habe Rückenschmerzen. Dabei sind die Sitze eigentlich wohl bequem, aber ich weiß auch nicht. Seit einiger Zeit habe ich solche blauen Flecke auf dem Rücken und zwischenzeitlich tun diese auch weh, genauso wie jetzt. Das letzte Mal hatte ich es bei dem Auftrag gespürt.“ Der Ärger über Amys Unruhe wich sofort aus dem jungen Mann, als er diese Antwort hörte. Fast schon nervös sah er sich um und schob mit dem Mittelfinger wieder seine Brille zurecht. „Wenn du mich Mal entschuldigst, ich bin gleich wieder da.“, verkündete der Mann, ehe er sicheren Schrittes auf das Cockpit zuhielt. Eine Stewardess wollte ihn daran hindern, doch irgendwas zeigte der junge Mann der Frau, die sich daraufhin entschuldigte und ihn passieren ließ. So ganz verstand Amy nicht das Verhalten ihres Reisebegleiters, doch war er bekannt dafür, dass er sehr seltsam war. Nichts Böses ahnend, lehnte Amy sich wieder in den Sitz zurück und sah aus dem Fenster. Schon seit langem, sah sie unter sich den strahlend blauen Ozean, dessen Oberfläche durch die Sonnenstrahlen wie Diamanten funkelte. Ein plötzlicher Ruck, der durch die Maschine zog, blieb selbst den Passagieren in der ersten Klasse nicht unbemerkt. Während einige überrascht aufschrieen und sich beunruhigt umsahen, blieb Amy ruhig sitzen. Es gab immer wieder mal leichte Probleme während eines Fluges oder Windböen die ein Flugzeug ein wenig durchschüttelten, darum machte sie sich keine Sorgen. Jedoch zog ein weiterer und diesmal stärkerer Ruck durch die Maschine, der die Passagiere unsanft nach vorne warf. Nur die Sicherheitsgurte hielten die Menschen noch auf ihren Sitzen. Langsam breitete sich Panik unter den Passagieren aus und aus einigen Gesprächfetzen vernahm Amy die Wörter Turbulenzen, Notruf und Absturz. Letzteres empfand sie selbst jedoch nur als reine Panikmache. Ein weiterer, aber diesmal leichterer Ruck ging erneut durch das Flugzeug, dicht gefolgt von einem weiteren der wieder stärker war. „Welcher Idiot fliegt dieses Riesen Ding? Hat der Pilot seinen Schein etwa auf dem Jahrmarkt gewonnen?“, schimpfte ein älterer, aber wohlhabend aussehender Mann, in einem schwarzen Anzug. „Man hätte uns doch längst Bescheid gegeben, wenn Turbulenzen wären oder was meinen sie? Ist es vorbei?“, fragte eine junge Frau mit zitternder Stimme und Schweißperlen auf der Stirn. Sie umklammerte fest ihr Kreuz um ihren Hals, sodass die Enden Abdrücke in ihrer Hand hinterließen. „Naja, ich denke mal schon. Es sei denn …“ Doch weiter kam der angehender Geschäftsmann nicht, der versuchte, die Junge Frau zu beruhigen. Denn plötzlich wurde das Flugzeug von einer Windböe zur Seite gerissen und rüttelte die Passagiere so stark durch, dass das Licht im Flugzeug flackerte und die Beatmungsmasken aus den Fächern, über den Sitzen, nach unten fielen und vor den Passagieren herabhingen. Ein lautes Schreien erfüllte bei dem Ruck das Flugzeug. In blinder Angst und von der Panik gepackt, löste ein junger Mann seinen Gurt und sprang auf. „Wir müssen hier raus! Sonst werden wir alle drauf gehen.“, schrie er und versuchte in irgendeiner Weise einen sicheren Ort zu finden, wohl vergessend, dass alle in diesem Flugzeug gefangen waren und es keinen sicheren Ort gab. Einige Stewardessen kamen derweil in die erste Klasse und versuchten den Mann zu beruhigen und ihn wieder auf seinen Platz zu kriegen, während eine von ihnen den Passagieren versuchte zu erklären, wie sie sich zu verhalten hatten. Doch kaum ein Passagier ging auf die Worte der Frau ein, jeder klammerte sich verzweifelt an den Sitz und wurde mitsamt der Maschine durchgeschüttelt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war auch den Letzten klar, dass die Boing 747 in eine Schlechtwetterfront geraten war. Als plötzlich jedoch völlige Windstille herrschte und das Flugzeug wieder, ohne jegliches Ruckeln, weiter flog, atmeten viele Passagiere erleichtert aus und Lächelten sogar. Manche beliebten sogar zu Scherzen. „Na toll und ausgerechnet jetzt werden meine Rückenschmerzen auch noch schlimmer.“, dachte Amy und konnte sich, im Gegensatz zu den anderen, nicht entspannen. Der junge Mann, der vorhin in blinder Panik aufgesprungen war, lachte ausgelassen über einen äußerst makaberen Witz, als wie aus dem Nichts eine starke Windböe das Flugzeug zur Seite riss. Der junge Mann verlor den Halt und krachte mit voller Wucht gegen einen Klapptisch, den einer der Passagiere nicht hochgeklappt hatte. Hysterisches Schreien brach sofort wieder aus, doch war nicht klar ob dies durch die Turbulenzen kam oder durch den jungen Mann der mit einer blutenden Wunde an der Schläfe leblos auf den Boden sackte. Verzweifelt klammerte sich die junge Spanierin an ihrem Sitz fest und wünschte, dass ihr sonst so grimmiger und leicht genervter Reisebegleiter da wäre und sie nicht alleine gelassen hätte. “Moment, wieso sind diese Turbulenzen erst seit er im Cockpit ist?“, fragte sie sich plötzlich und versuchte sich einen Reim daraus zu machen. Sie konnte jedoch nicht glauben, dass ihr Reisebegleiter wirklich daran schuld war. Doch ein Blick aus dem Fenster ließ Amy stark Zweifeln. Nirgends waren irgendwo dunkle Wolken zu sehen oder irgendetwas, was auf eine Schlechtwetterfront deuten würde. Doch durch das Schaukeln und diese Ruckartigen Bewegungen, die durch das Flugzeug zogen, war eigentlich jedem klar, dass das Flugzeug von einem Sturm gepackt wurde. Die junge Spanierin jedoch wollte dies nicht so ganz glauben, sie hatte in der Schule, im Erdkundeunterricht, genügend darüber erfahren und auch im Training bei der ESGO wurde den jungen Rekruten schon einiges über Flugzeuge und Flugzeugentführungen beigebracht. Entgegen aller Vernunft und die Warnung einer Stewardess, löste Amy ihren Gurt und versuchte aufzustehen. Inzwischen schaukelte das Flugzeug immer mehr und die junge Spanierin konnte sich nur, an den Sitzen festhaltend, langsam fortbewegen. „Junge Frau, bitte bleiben sie auf ihren Sitz! Sie dürfen jetzt nicht herum laufen!“, rief ihr eine der Stewardess nach. Doch überhörte Amy diese Warnung. Ein starker Ruck riss sie von den Füßen und schleuderte sie nach vorne. Nur wenige Zentimeter vor der Wand, landete sie auf dem Boden und rappelte sich schnell wieder auf. “Nur noch wenige Schritte bis zum Cockpit.“, dachte sie und kämpfte sich verbissen weiter nach vorne. Sie wollte jetzt wissen, wieso ihr Reisebegleiter noch immer nicht da war und warum der Pilot so offensichtlich die Kontrolle über das Flugzeug verloren hatte. „Wir nähern uns dem Flughafen von New York, die Passagiere müssen jetzt springen. Mit den Rettungswesten haben sie vor der Küste noch eine Chance, aber ich kriege das Flugzeug nicht mehr in meine Gewalt.“, rief der Pilot aufgebracht seinen Kollegen zu, die beide versuchten ihr bestmöglichstes zu tun um das Flugzeug sicher zum Flughafen zu kriegen. „Geben sie die Warnung weiter, wir können nicht noch länger warten.“ Der Copilot erhob sich von seinem Platz und trat zu den Gästen, da die Lautsprecher ausgefallen waren hatte er keine andere Wahl. Wieder kam eine besonders starke Böe und packte das Flugzeug. Der Copilot wurde nach vorne geschleudert und stieß dabei mit Amy zusammen. Er bemerkte nicht, dass er die Junge Spanierin umgestoßen hatte, sondern lief unbeirrt weiter. Bei dem Zusammenstoß mit dem Copiloten stieß Amy mit ihrem Kopf gegen die Wand. Leicht benommen, versuchte sie sich aufzurichten, schaffte es jedoch nicht. Kleine weiße Punkte tanzten vor ihren Augen und nahmen ihr den Blick für die Realität. Während die junge Spanierin versuchte, an der Wand irgendwo Halt zu finden, um sich hochzuziehen, gab der Copilot die Warnung an alle Passagiere weiter, die in blinder Panik sich fast gegenseitig die Rettungswesten weg rissen um selbst eine zu haben. Sie führten sich dabei auf, als wäre die Weste ein Schein für ihr sicheres Überleben. Es hatten noch längst nicht alle Gäste ihre Rettungsweste an, als ein ohrenbetäubender Knall durch das Flugzeug hallte und ein Stück der Außenwand vom Flugzeug weggerissen wurde. Irgendwas war explodiert, denn nun zog ein starker Sog sämtliche Passagiere, die nicht mehr saßen und angeschnallt waren, nach draußen. Amy versuchte sich verzweifelt an einem Griff festzuhalten, doch der Sog war viel stärker und riss auch sie aus dem Flugzeug hinaus. Mit einem verzweifelten und um Vergebung flehendem Blick, beobachtete ein junger Mann, Anfang 20, das Geschehen in der Luft. Sein Blick hatte das Flugzeug, welches nur noch wenige Meter vom New Yorker Flughafen entfernt war, fixiert. Obwohl es unmöglich war, glaubte der Mann die Schreie der Menschen zu hören und ihre Todesangst. In der Hoffnung seine Tat und die Zahl der Opfer, die auf sein Konto gehen würden, hinter sich zu lassen, tauchte er in dem Ozean unter Wasser. Doch weit kam er nicht, denn ein kleines Boot war in seiner Nähe geblieben und warf nun ein großes Netz nach dem jungen Mann aus, der Fliehen wollte. Das Boot war so unscheinbar wie alle Fischerboote. Direkt unter dem Schiffsnamen befand sich ein kleines Muster, eine Art Logo, wieder. Es zeigte eine blutrote Sonne die hinter einem schwarzen Grabstein unterging. „Holt das Netz ein!“, rief eine tiefe Männerstimme einigen Fischern auf dem Boot zu, die sich sofort daran machten, das Netz einzuholen. Der junge Mann im Netz versuchte sich zu wehren, doch er wusste, dass es aussichtslos war. Langsam aber stetig wurde das Netz immer weiter an die Oberfläche geholt. Mit den Händen zerrten die Fischer an den Seilen und zogen das Netz ruckartig an Bord. Mit einem lauten Platschen, landete der junge Mann am Bord des Schiffes und versuchte noch immer, sich aus dem Netz zu befreien. Respektvoll wichen die Fischer aus und sahen staunend auf dem Jungen Mann. Ihr Auftraggeber hatte ihnen nicht gesagt was sie jagten. Er hatte ihnen nur eine Menge Geld für ihr Schweigen und für ihre Arbeit geboten. Eine vermummte Gestallt trat auf das Netz zu. „Entfernt es!“, herrschte er die Fischer, mit rauer und dunkler Stimme, an. Nur zögernd traten einige der Fischer vor und lösten das Netz von dem jungen Mann. „Ich habe dir doch gesagt, dass du mir nicht entkommst Nikolai.“, sprach die Gestalt und setzte ein hämisches Grinsen auf. Der junge Mann, der Nikolai hieß, hatte aufgehört sich zu wehren. Aus verzweifelten und tief violetten Augen sah er die Gestallt vor sich an. „Lass mich gehen! Du hast bekommen was du wolltest.“, flehte er mit weicher Stimme, doch die vermummte Gestallt ging nicht auf seine Worte ein. Schweigend sah er Nikolai an und drehte sich dann um. „Sorgt dafür, dass er nicht flieht!“, gab er die Anweisungen an die Fischer weiter, ehe der Mann verschwand. Die Fischer hatten seine Worte zwar gehört und würden auch darauf achten, doch waren sie einfach viel zu gebannt von diesem Anblick, noch nie hatten sie so ein Wesen gesehen. Jeder Fischer kannte dieses Wesen aus Liedern, Geschichten und Mythen, doch keiner von ihnen hatte jemals geglaubt, dass es diese Sagengestalten wirklich gab. Niedergeschlagen legte sich Nikolai auf das Schiff nieder, er hatte nicht mehr die Kraft sich solange aufrecht zu halten, um sich mit den Armen abzustützen. Eine einzelne Träne rann über die blasse Haut seiner Wangen und vermischte sich mit dem Salzwasser. Die Schulterlangen, weißen Haare lagen wirr durcheinander und klebten an der blassen Haut seines athletischen Körpers. Bis zur Hüfte wies der junge Mann einen normalen menschlichen Körper auf, doch statt Beine besaß Nikolai eine Azurblaue Flosse. Seine vielen Schuppen schimmerten in der Sonne in Grün- und Blautönen. Rückenflossen, wie lange, durchsichtige Schleier klebten an seiner Haut. Alles Menschliche an Nikolai wirkte durch die vielen kleinen, aber langen Flossen wieder unmenschlich. Wie lange der Meermann schon von seiner Heimat getrennt war wusste er nicht. Er besaß nur wage Erinnerungen an seine Heimat und selbst diese waren verschwommen und Bruchstückhaft. Sie waren so undeutlich, dass Nikolai sich oft fragte ob diese Erinnerungen nicht nur die tiefen Sehnsüchte nach der Freiheit im Meer waren. Er vernahm den Ruf des Meeres so deutlich. Alles war ihm so nah und doch nicht erreichbar. Langsam streckte er seinen Arm aus, als wollte er etwas in der Ferne greifen, doch kam ihm einer der Fischer in die Quere und schlug mit einer Holzstange seinen Arm brutal zur Seite. Nikolai verkniff sich einen Schmerzenslaut, hatte einfach nicht mehr die Kraft dazu. Während der Motor des Bootes angeschmissen wurde, sah der Meermensch noch wie die Boing 747 nach New York, den Flughafen erreichte und auf dem Flugplatz aufschlug. Dies alles rührte den jungen Mann nicht mehr, obwohl er selbst dafür gesorgt hatte, dass das Flugzeug verunglückte. Er war ein Bewohner des Meeres, doch hatte er den Wind unter Kontrolle, wie kein Zweiter. Unbemerkt fuhr das Schiff vom Unfallort weg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)