Hyliar von abgemeldet (Und morgen geht die Sonne wieder auf) ================================================================================ Kapitel 34: Die Saat des Bösen ------------------------------ Das weiße Gebäude erhob sich wie ein großes Mahnmal an die Bürger in der Stadt. Mit seinem hohen Turm schien es so, als zeige der Finger Gottes auf dieses Bauwerk und wollte alle Ungläubigen warnen, dass das jüngste Gericht nicht mehr weit entfernt war. Zumindest so, oder so ähnlich, sahen seit dem Erdbeben im März viele Menschen in der Stadt New York den Hauptsitz der Sekte “die Wiedergeborenen“. Seit diesem Ereignis gingen noch mehr Gläubige ein und aus, nur um ihren Seelenheil zu retten und sich einen Platz in Gottes Reich zu sichern. Die Menschen hatten gesehen, wie schnell alles vorbei sein kann und dass Caligo ein aufrichtiger Mann war. Egal was die Presse oder auch die Kirchen über Sekten sagten und egal wie oft sie auch warnten, eine Sekte war nicht mehr als eine Minderheit in den vielen Glaubenslehren auf der ganzen Welt. Es gab immer schwarze Schafe, in jeder Branche und leider auch in dem Bereich des Glaubens. Doch Caligo spendete den Menschen Mut, er hörte ihnen zu, weinte nicht um sie, sondern brachte viele dazu weiter zu kämpfen. Diese Hoffnung und Stärke, die er ihnen gab, war viel mehr, als die großen Weltreligionen den Menschen gaben. Es folgten keine leeren Versprechungen, keine Drohungen, der Anführer der Sekte war ein Mann, der sich noch eigenhändig und persönlich um seine Schäfchen kümmerte. Seine Spende an das Hilfswerk FHWSV, freiwillige Helder des Wegbegleiter Schutzverein, hatte nicht nur die normalen Bürger überrascht, sondern auch ranghohe Personen in der ganzen Welt, selbst der Vatikan hatte seinen Lob dazu ausgesprochen und einen Besuch des obersten Kardinals angekündigt. Dieser Besuch sollte das Verhältnis der Kirche zwischen Sekten für immer verändern, eine der größten Weltreligionen erkannte die Wiedergeborenen als eine wahre Glaubenslehre an! Trotzdem hoben diese Nachrichten und der Umsturz der Religionen und Sekten die Laune des Chinesen nicht an. Kentau war erzürnt über das, was er gestern gesehen hatte, was sein kleiner Bruder Lee dort in der Arena geleistet hatte. ’Um Himmelswillen, wie kann so ein Versager nur Magie in sich tragen’, ging es dem Schwarzhaarigen immer und immer wieder durch den Kopf, während er durch die rote, gläserne Tür, auf dessen Doppelhälften sich das Wappen befand, schritt. Die Eingangshalle war prächtig hergerichtet worden, eine offene Cafeteria lud die Gäste zu einem Snack ein, während eine Sitzecke mit bequemen Sofas und Sesseln den Wartenden die Zeit angenehmer gestaltete. Viele junge Sekretärinnen kümmerten sich um die neuen Anmeldungen, bearbeiteten Aufträge und sorgten für das Wohl der Gäste. Die Eingangshalle war nicht groß und eher altertümlich gestaltet, was vor allem die schweren Möbel, die dunklen Farben und vor allem der große Kronleuchter in der Mitte des Empfangsbereichs sehr zum Ausdruck brachten. Nach nur wenigen Metern endete die Halle auch schon und eine Tür, aus Milchglas, trennte den öffentlichen Bereich von dem Teil ab, der für die Mitglieder der Sekte gedacht waren. Sehr viele Menschen hatten dort ihre Büros und erledigten alle wichtigen und organisatorischen Aufgaben. Kentau allerdings blieb vor dem Fahrstuhl stehen und sah die große, rot gestrichene Wand hinauf. Aus schwerem, dunklem Holz hatte Caligo ein riesiges Kreuz, als Auftrag aufgegeben, welches eines der berühmtesten Künstler, aus Italien, anfertigen sollte. Das Kunstwerk Maß in der Länge über die 15 Meter, so vermutete der Schwarzhaarige. Er wusste es nicht, er konnte die Größe dieses beeindruckenden Kreuzes nur erraten. Eigentlich war Kentau in so was immer gut gewesen, wenn es ums Schätzen ging, aber seit gestern, seit er gesehen hatte wie Lee Magie wirkte, war er sich überhaupt nicht mehr sicher. Er, der kleine Junge aus einem ärmlichen Viertel der Stadt, der noch nie etwas Sinnvolles getan oder erreicht hatte, besaß eine Gabe, die nur auserwählte Menschen besitzen sollten? Wie war das noch gleich, was sein Meister ihm gesagt hatte? Nur auserwählte Menschen sind in der Lage eine höhere Lebensform zu werden um Gott näher zu sein, nur die aufrichtig Gläubigen würden diese Stufe erreichen? Wir zur Hölle war es dem Stümper und ungläubigen Lee möglich diese Stufe des Seelenheils erreicht zu haben? ’Irgendwas stimmt doch nicht, ich habe seit meinem Eintritt so gelebt wie es mir die Wiedergeborenen vorschreiben, ich habe meine alte Hülle abgestreift und meine Sünden Buße getan. Wieso hat dieser Versager das erreicht, was mir verwehrt bleibt?’. „Zweifel nicht an dir mein Sohn“, hörte er die vertraute Stimme seines Meisters direkt hinter sich. Kentau wirbelte sofort herum und erblickte sein eigenes Spiegelbild in der schwarzen Sonnenbrille von Caligo Salvatore. „Woher?“, begann der Chinese, brach dann aber seinen Satz ab und neigte seinen Kopf. Kentau trug noch immer die schwarze Robe, seine Sünden waren noch nicht komplett vergeben und er hatte den anfänglich niedrigsten Rang, der jeder Neue in der Sekte bekam. Es war ihm nicht gestattet den Anführer direkt anzusehen. „Woher ich wusste was ich antworten musste?“, brachte Caligo die eigentliche Frage von seinem Anhänger zu Ende und entblößte bei einem amüsierten Grinsen seine Zähne. „Du weißt doch, ich kriege alles mit, mir bleibt nichts verborgen. Ihr seid meine Schäfchen und als euer Hirte muss ich für euch sorgen. Sage mir mein Sohn, wie soll ich auf euch aufpassen können, wenn ich nicht weiß, was für Sorgen euch beschäftigen?“. Der Mann hatte nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet, dazu war sein Gegenüber einfach viel zu erfurchtsvoll. Und dies war gut, nicht auszudenken was wäre, wenn jeder seiner Anhänger ein großes Mundwerk aber keinen Respekt besitzen würde. „Begleite mich doch in mein Büro, ich möchte mit dir gerne über deinen Bruder reden“, begann Caligo und lief lautlos, trotz der schwarzen Lackschuhe, die nicht so aussahen als hätten sie eine leise Sohle, an ihm vorbei. Gehorsam wie eh und je, folgte Kentau seinen Meister und schwieg, um seinen Worten lauschen zu können. „Du hast gesehen was dein Bruder Lee vermag, was in ihn steckt. Ich habe dies gewusst und kommen sehen, dass er in dieser Runde darauf aufmerksam wird. Er hat also seine Magie entdeckt und ich sagte immer, dass die Magie etwas Göttliches seih, was nur die wahren Gläubigen beherrschen könnten. Es stimmt auch, aber wiederum stimmt es auch nicht. Lass es mich so erklären: Du weißt wer der Schöpfer alles und jedem ist und du weißt, dass er über göttliche Macht verfügt. Aber nun gibt es doch auch den Gegenpart zu Gott, nämlich den Teufel. Auch dieser verfügt über eine göttliche Macht, auch wenn sie mit der von Gott nicht zu vergleichen ist. Der Teufel ist ganz bestimmt nicht gläubig so wie du, aber trotzdem verfügt er über eine unglaubliche Stärke. Genauso ist es doch auch mit Engel und Dämonen. Beide sind verschiedenen aber haben fast die gleiche Kraft. Es gibt zwei Arten von Glauben, nämlich den richtigen und aufrechten Glaube und den falschen Glaube, der sich dem Bösen verschrieben hat. Das alles ist jetzt natürlich sehr vereinfacht dargestellt, aber es zeigt doch deutlich, was ich damit meine“, erzählte der Mann mit einer ruhigen und angenehmen Stimme. Die Worte wirkten auf Kentau einlullend, faszinierend und vor allem richtig. Verführerisch sprach aber auch schon einst die Schlange im Paradies zu Eva. Caligo blieb erst in seinem Büro stehen, welches für seinen bekannten Größenwahn noch recht klein und schlicht gehalten wurde. Im höchsten Stockwerk des Gebäudes, im obersten Zimmer des Turms, hatte er die perfekte Aussicht auf die Stadt. Jeweils zwei Seiten des fünfeckigen Raumes bestanden nur aus Glas und boten ihm die perfekte Sicht. Der Mann hatte eine Vorliebe für diesen modernen Baustoff und genoss diese Zeit sichtlich, in der die Menschen immer mehr Gebäude aus Glas bauten. Es war so zerbrechlich und hielt doch mehr aus als man es für möglich hielt. Genauso war es mit den Engeln, die Caligo hasste und gleichzeitig auch so faszinierend fand. Interessante Wesen, die sich strauchelnd durch die Gesellschaft bewegten wie Tauben, deren Flügel gebrochen waren und auf den Boden herumkrochen, mit den ewigen Versuch doch wieder fliegen zu können um ein letztes Mal den Himmel zu erreichen. Man musste den Engeln nur ihren Glauben nehmen, diese reinen Wesen auf das Schlimmste demütigen und quälen, dass aus ihren lobsingenden Zungen, dämonenartige Flüche gegen Gott richteten. „Sie wollen also sagen, dass Lee auf dem falschen Weg ist und den Teufel angehört? Somit wäre er ja unser Feind“, unterbrach Kentau die wunderbaren Gedankengänge des Mannes, der für einen Moment verwirrt schien und hinter der Sonnenbrille blinzelte. „Ja, genauso ist es“. „Und was machen wir mit unseren Feinden?“. Caligo drehte sich zu seinen Anhänger um und ließ ein Grinsen seinerseits als Antwort sprechen. Allerdings war der Chinese nicht die Art von Mensch, die die nötige Intelligenz besaßen um Gestik deuten zu können. „Normalerweise bekehren wir die armen Seelen, die auf den falschen Weg blindlings ins Unheim stolpern, aber bei deinem Bruder ist es leider etwas anderes“, begann Caligo und deutete mit einer ausschweifenden Geste zu Kentau, sich zu setzen. Mit einem mehr als angebrachten Dank setzte er sich und sah seinen Meister aus treudummen Augen an. Caligo hatte alle Zeit der Welt und dies unterstrich er immer wieder gerne, indem er gerade in wichtigen Angelegenheiten bedacht ruhige Bewegungen machte. So auch dieses Mal „Weißt du mein Sohn, es gibt in der Geschichte immer wieder Menschen, die einem Umbruch, der natürlich Gutes verheißt, nur schaden wollen. Sie sind manch Mal neidisch, oder haben auch Angst wenn die Dinge sich verändern“, sprach der Mann, während er einige Fotos und Berichte aus einer beigen Mappe hervor holte. „Und dein Bruder, so leid es mir auch tut, Gott möge seine Seele gnädig richten, gehört leider zu den Menschen, die uns schaden wollen, die der gesamten Menschheit schaden wollen und verhindern, dass die anderen Bürger von ihren Sünden erlöst werden“. Was Caligo zu Tage beförderte, überraschte Kentau ein weiteres Mal. Nicht nur, dass sein kleiner Bruder Magie wirken lassen konnte, er gehörte auch noch zu den offiziellen Feinden der Sekte. Die Fotos, die sich in der Mappe befanden, zeigten, wie der junge Chinese sich mit einem der gefährlichsten Engel der Feinde traf, wie er gemeinsame Sache mit white Cross zu machen schien. „Was hat mein Bruder mit diesen Liaen zu tun?“, verlangte Kentau sofort zu wissen. Er fragte jedoch nicht nach, weil er sich Sorgen machte, sondern weil er einfach nicht glauben konnte, wie Lee der gesamten Familie in den Rücken fiel. „Nun, wie du ja weißt, hat Liaen damals dafür gesorgt, dass dieses Flugzeug abgestürzt ist, außerdem wollte er sich den Menschen zeigen und so alle anderen magischen Wesen in Gefahr bringen. Dein Bruder schließt gemeinsame Sachen mit ihn und white Cross. Er, als dein Bruder, würde an gute Informationen heran kommen und genau dies müssen wir verhindern“. Kentaus Blick war entschlossen und kalt, der Mann hatte genau das erreicht, was er sich als Ziel gesteckt hatte. Es war leicht die Saat des Hasses in den Herzen der Menschen zu sähen, diese aber zum wachsen zu bringen und genügend Nahrung zu geben, war eine Kunst. Die meisten menschlichen Seelen waren zu schwach um in voller Reife des Bösen erblühen zu können, sie brachten sich meistens immer selbst um, oder starben durch tragische Unfälle, sowie Morde. „Ich gebe dir diesen Auftrag mit. Lies ihn dir durch, merke es dir und vernichte den Brief“, forderte der Sektenanführer sein Schäfchen auf und reichte ihm einen versiegelten Umschlag. „Und nun geh, Gott ist mit dir“. „Nie im Leben hätte ich gedacht, dass sie ihn dazu bringen, diesen Auftrag auszuführen“, durchbrach eine helle Stimme aus einer Nische des Raumes die Stille. Die wenigen Minuten, seitdem Kentau den Raum verlassen hatte, verbrachte der Mann in schweigen. „Da siehst du Mal was ich alles bewirken kann“, antwortete Caligo sichtlich amüsiert, wurde aber sogleich wieder ernst. „Wird er eine Bedrohung für dich? Könnte Kentau es mit dir aufnehmen, wenn er es wirklich bis zum Ende schafft?“. „Nein“, war die knappe Antwort des Jungen, der seinen Platz verließ und auf den schwarzen Schreibtisch zuging. Die Arbeitsfläche war wie ein Altar aufgebaut, in schwarzen Marmor glänzte die Platte im Schein der Sonne. „Es wird nie wieder jemanden geben der es mit mir aufnehmen kann“. Der Mann nahm seine Sonnenbrille ab und funkelte Alexander mit seinen intensiven Blick an. „Niemand? Was ist mit dem Prototyp?“, fragte Caligo und erinnerte den Rothaarigen immer wieder aus Neue mit Wonne an diese Erinnerungen, die für Alexander schmerzlich waren. Er zeigte es nie, aber der Sektenanführer spürte es dafür umso deutlicher. Die Drogen taten aber ihr Gutes und manipulierten den Jungen wunderbar. „Niemand“, wiederholte Alexander ohne jeglichen Zweifel in der Stimme. „Weder GTM #0, noch GTM #3. es ist egal wie viele von ihnen noch folgen werden, meine Antwort bleibt gleich“. Zufrieden nickte Caligo und zog aus einer Schublade ein dickes, altes Buch. Die Lektüre war in einen Einband aus edlem Holz hergestellt. Es war die Haut eines Baumes, der nur in einen einzigen Wald wuchs, nämlich auf der Plattform der Erde im Reich der Wächter. Wundervolle Schnitzereien, die von winzigkleinen wesen eingeritzt wurden, zeigten eine alte Geschichte, selbst das Siegel erzählte eine eigene Legende rund um die Magie der Erde. Wie kostbar der Inhalt war, ließ sich dann nur erahnen. Ein mächtiger Schatz, der in den Händen eines erfahrenen Magiekundigen in der Lage war, die Welt neu zu formen. Berge waren nichts weiter als Modelliermasse, die man neu formen konnte, Wüsten ließen sich mit einem einzigen Handstreich verlegen und der Boden des Ozeans war nicht länger mehr unberührt. Es war genau das Buch, was Alexander in jener Nacht besorgen musste, als Caligo die Stunden in unkeuscher Freude der fleischlichen Liebe genossen hatte und das Leben eines Menschen wieder ein Mal nach seinen Willen veränderte. Das Siegel, welches verschlungene Wurzeln aus Granit darstellte, war bereits gebrochen und noch immer klebte an den zerbrochenen Stellen eine dunkle Flüssigkeit, welche getrocknet war. Erst beim näheren Hinsehen erkannte der Rotschopf, dass diese dunkelrote Farbe Blut war. Die Erde hatte Blut vergießen müssen als das Siegel geschlossen wurde und genauso musste es den Saft des Lebens einbüßen um es zu öffnen. Alexander wusste, dass Caligo kein Opfer gebracht hatte, das Buch würde sich also selbst sein Opfer auswählen. Das wann und wen, war nur noch eine Frage der Zeit Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)