Hyliar von abgemeldet (Und morgen geht die Sonne wieder auf) ================================================================================ Kapitel 39: gefallener Engel ---------------------------- Es herrschte eine bedrückende Stimmung in der Kirche. Die kleine Kapelle in einen der ärmlichsten Viertel der Stadt wurde schon seit Jahren nicht mehr besucht und galt, aufgrund des heruntergekommenen Zustandes, als eine ernste Gefahr für die Öffentlichkeit. Warum man das Haus Gottes nicht einfach abriss, wusste niemand. Obwohl kein Mensch es betreten durfte, ließ man die Kirche stehen, obwohl der Platz benötigt wird. Manch einer glaubte, dass man die Kapelle stehen ließ, um den Menschen einen Funken Hoffnung zu geben, um ihnen zu zeigen, dass Gott auch bei den ärmeren Menschen war. Was würden die Bewohner nur denken, wenn man die Kirche abriss? Dass sie es nicht wert waren Gottes Segen zu bekommen? Dass der Herr niemals in so einen Viertel kommen würde um über die Menschen zu wachen? Mit Sicherheit würde es sehr viele stören, wenn man die Kapelle abriss, aber das traurige daran war, dass niemand das Haus Gottes beachtete, es war einfach da, es war selbstverständlich. Zu wissen, dass sie es besuchen können, wenn sie wollten, auch wenn es auf eigene Gefahr wäre, gab ihnen schon eine Art Sicherheit. Sie konnten eintreten, würden es aber nicht. Es war diesen Menschen lieber, man benutzt keine Tür die offen ist, als wenn man die Tür schließen würde. Denn dann würden plötzlich alle die geschlossene Tür benutzten wollen, erst dann würden sie in die Kirche gehen wollen. „Ein seltsames Volk sind die Menschen“, murmelte der Messdiener leise vor sich hin. „Sie wollen immer das, was sie nicht haben… Warum? Warum sind die Menschen so? Was fasziniert euch so an dem Bösen, dass ihr fast alle auf die falschen Versprechungen Satans hinein fällt? Ist es das Abenteuer? Der Nervenkitzel? Wieso zieht ihr ein Leben in der Hölle dem im Himmel vor? Wenn es das Unbekannte ist, warum glaubt ihr nur, dass das Böse geheimnisvoll und unbekannt ist? Kennt ihr Gott? Wisst ihr etwas über ihn? Ist er für euch etwa bekannt und hat der himmlische Glauben keine Geheimnisse mehr?“. Die smaragdfarbenen Augen des Mannes wanderten langsam durch die Kirche. Sein Blick erschien weit weg, ein leichter Schleier hatte sich auf die traurigen Augen gelegt. Marco beachtete seinen Partner nicht, er durfte sich nicht mit ihm aufhalten. Die Sekte war schon viel zu weit fortgeschritten, sie brachten einen nach den anderen um, spielten Katz und Maus mit der ESGO und white Cross, hielten sie zum Narren und behinderten ihre Arbeit wo es nur ging. So durfte es nicht weiter gehen! Der Messdiener war trotz seiner freundlichen Art ein knallharter Agent, wenn es darauf ankam, dann wusste Rene, was er tun musste. Marco hatte es schließlich gesehen. Auf den Bahnhof hatte er richtig gehandelt, als hätte man das Bewusstsein des Messdieners mit dem eines erfahrenen Agenten ausgetauscht. „Ihr mordet… stehlt… schändet… lästert… ihr verstößt gegen alle Gebote, die der Herr euch geschenkt hat. Zehn einfache Regeln, die für jeden verständlich und selbstverständlich sein müssten…“. Die Stimme von Rene war so voller Melancholie und Trauer, es schien so, als wäre mit dem Tod des Engels am Bahnhof auch ein Teil von Rene gestorben. Er schien völlig weggetreten, sein Verstand war nicht mehr in dieser Welt. Marco konnte sich einfach keinen Reim daraus machen. Auch wenn ihm sein Freund schon Mal erzählt hatte, dass die Engel auf der Erde an den Sünden der Menschen zerbrechen und sterben, so konnte doch wohl kaum der Tod eines Mannes, auch wenn er ein Engel war, einen anderen Engel zerstören. Oder? Nein! Entschieden schüttelte der Agent sein Haupt. Das konnte nicht sein. Es starben täglich so viele Menschen, das war einfach nicht möglich. Es musste noch irgendwas anderes sein, der Verstorbene musste etwas Besonderes gewesen sein, ansonsten hätte sein Tod Rene nicht so runter gezogen. „Wisst ihr eigentlich, dass ihr die einzigen Lebewesen seid, die sich und ihre Umwelt selbst vernichten? Keine andere Lebensform auf dieser Welt tut dies. Warum ihr?“. Der Engel hob seinen Kopf und blickte den Agenten direkt an. Die grünen Augen schienen nicht mehr ganz so zu leuchten wie vorher, sie schienen trüb. So trüb wie die Stimmung des Messdieners. Trotz allem war der Blick stechend, er bohrte sich auf eine unangenehme Art in den Verstand des Agenten. Hastig wandte Marco seinen Blick ab und konzentrierte sich auf seinen Laptop. „Sünder…“. Erschrocken hielt Marco inne. Seine dunklen Augen waren hinter der Brille vor Schrecken geweitet, die Finger zitterten leicht auf der Tastatur und sein Verstand weigerte sich dieses Wort im Gedächtnis zu behalten. „Rene!“, fuhr Christian seinen Partner an und stand dabei ruckartig auf. Der Stuhl fiel bei dieser plötzlichen Bewegung um und landete laut auf den gefliesten Kirchenboden. „Hör jetzt sofort auf damit“. Mit nur wenigen, weit ausgeholten Schritten, ging er zu dem Messdiener rüber und packte ihn an seinen Kragen. „Hör… auf…!“, schärfte er ihn ein und sah mit einem ernsten Blick den Engel an. Rene schien es überhaupt nicht zu stören, diese drohende Geste machte ihm nichts aus. Immer noch zusammengesunken und mit, auf den Tisch, gefalteten Armen, blieb er sitzen. Ausdruckslos war sein Blick als sein Partner von white Cross ihm drohte. „Hör am besten nicht hin Marco. Du weißt schließlich was Rene ist und Engel sind keine normalen Wesen. So genau weiß ich das jetzt nicht, aber von white Cross habe ich so einiges erfahren. Sie beeinflussen uns Menschen, genauso wie Dämonen uns beeinflussen. Irgendwas machen sie mit unserem Verstand oder unserer Seele, ich weiß es nicht. Aber es hat was mit ihren Augen und ihrer Stimme zu tun. Versuch es zu ignorieren!“. Der Rat des großen Mannes, der zwar zu ihrem Team gehörte, aber meist nur schweigend seine Arbeit verrichtete und dabei hin und wieder ein Brummen als Lebenszeichen von sich gab, kam zu spät. Marco war ein strenger Katholik, die ersten Jahre seines Lebens war er im Kloster aufgewachsen und hatte die Lehren Gottes gelernt. Der Gang zur Kirche wurde von Lebensjahr zu Lebensjahr immer weniger und er betete auch nicht mehr. Nur tief innen drinnen blieb er gläubig und sündigte nie. Bis auf dieses eine Mal! Er hatte nie jemanden davon erzählt, es waren alle Spuren beseitigt, nichts, außer seiner Erinnerung, konnte diese Sünde nachweisen. „Wir müssen die Lockvogelnummer durchziehen“, versuchte der Agent der spanischen ESGO das Thema zu wechseln. Er wollte nichts mehr von Engeln, von Gott und von Sünden hören. „Sie haben bis jetzt keinen weiteren Dämon-„ „Todsünde…“. „Meinetwegen auch das. Sie haben keine weitere Todsünde mehr heraufbeschworen. Entweder ist Caligo zur Zeit geschwächt, oder etwas hindert ihn daran. Zumindest sollten wir die Chance nutzten. Gegen Leviathan kommen wir noch an, können wir ankommen. Aber wenn noch weitere Todsünder die Sekte bewachen, dann können wir Caligos Plan nicht mehr aufhalten. Die Beweise für alles liegen bei ihm“, fuhr Marco fort, vermied jedoch einen Blick zu seinem Partner. Er hatte es zwar wenn der Messdiener ihn dazwischen redete und alles besser wusste, aber dieses eine Wort hatte ihn verunsichert, er traute sich nicht mehr den Engel in die Augen zu sehen. „Du willst es also wirklich durchziehen?“, fragte Christian brummig nach. Der Mann klang für nichts begeistert, sondern hatte an allem etwas auszusetzen. „Ja“, antwortete Marco entschieden und stand von dem hölzernen Tisch auf. „Die spanische Hauptzentrale der ESGO hatte es von vornherein so geplant. Nur deswegen habe ich sie überhaupt mitgenommen. Sie passt in das Profil der restlichen Opfer. Man hat mir zwar nicht gesagt wieso, aber sowohl die spanische Zentrale, wie auch die eigentliche Hauptzentrale Europas hat es genehmigt. Es gibt natürliche gewisse Risiken, wir können Amy nicht einfach so der Gefahr aussetzen, Caligo ist intelligent, gerissen und weiß Fallen zu umgehen. Damit wir Amy gefahrlos aus Lockvogel nutzten können, müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass wir, wenn alles schief läuft, nicht nur eine Anwärterin verloren haben, sondern unser ganzer Plan hinüber ist. Wir werden auffliegen und der Auftrag wäre gelaufen“. „Es verstößt gegen jegliche Regeln“, murmelte der Engel leise vor sich hin, hatte seinen Kopf zur Seite gedreht und betrachtete, gedankenversunken, den Bildschirmschoner eines anderen Laptops. Erst jetzt bemerkte sein Partner aus white Cross, dass er den Messdiener noch immer am Kragen hielt. Vorsichtig lockerte Christian seinen Griff und zog schließlich seine Hand zurück. „Ja und? Du als Mitglied von white Cross solltest doch wissen, dass für uns andere Regeln gelten. Was interessieren uns denn solche Gesetze? Unsere Vorgesetzten machen die Regeln und diese haben wir zu befolgen. Alles ist erlaubt um ans Ziel des Auftrages zu kommen“. „Gilt das Leben der Menschheit etwas mehr als dem eines Einzelnen?“. „Warum fragst du das ausgerechnet mich Rene? Ich bin Agent, für mich ist nur wichtig, dass die Menschheit geschützt ist. Opfer gibt es immer. Aber wieso hast du die Frage nicht schon Liaen gestellt? Er soll doch angeblich ein Engel sein. Wie konnte er also das Leben eines Unschuldigen Opfern und diesen als falschen Kardinal Caligo zum Fressen vorwerfen?!. Zum ersten Mal seid ihrer Zusammenarbeit, hatte es der Agent der spanischen ESGO geschafft den Engel zum schweigen zu bringen. Obwohl es immer Rene war, der ein Wortgefecht steht’s mit Leichtigkeit gewann, war dieses Mal Marco der Gewinner. Oft hatte sich der Spanier ausgemalt wie schön es sein wird ein Mal gegen ihn zu gewinnen, den Messdiener in seiner ewigen Weisheit zum schweigen zu bringen. Aber so toll wie er es sich gedacht hatte war es bei weitem nicht. Die Genugtuung war zwar vorhanden, aber Marco fühlte sich schlecht damit. Es war keines der erstrebenswerten Gefühle, es war eine Sünde. Er ergötzte sich doch tatsächlich an dem Leid eines anderen. „Verzeih… gerade ich sollte wissen, dass wir die negativen Gefühle eigentlich vermeiden sollten um unsere Feinde nicht noch zu nähren, ich-“ „Ihr Menschen wisst es alle, zu jeder Zeit und trotzdem macht ihr es. Immer und immer wieder. Ihr könnt dieser Versuchung einfach nicht widerstehen“, unterbrach der Messdiener ihn jäh, behielt dabei aber den melancholischen Unterton in seiner Stimme. Rene drehte sich herum und blickte zu dem großen Kruzifix hinauf, das von der Decke hing. Die bunten Fensterscheiben waren mit Spinnenweben und einer dicken Schicht Staub überzogen. Nur blass fiel das Licht hindurch, es spiegelte genau das wieder, was viele Engel, obwohl es nur noch sehr wenige sind, kommen sahen. „Ich kann es nicht mehr sehen Marco…“. Der Angesprochene richtete seinen Blick auf den Messdiener und betrachtete seinen Freund. Er trug schon längst nicht mehr die heruntergekommene Kleidung, die er am Bahnhof getragen hatte. Ein schwarz-weißes Gewand bedeckte seinen ausgemergelten Körper. Rene war kein Mann, der außer der Fastenzeit hungerte, aber seit dem Ereignis auf dem Bahngleißen hatte er kaum mehr was gegessen. Sein Körper war schwach und sein Verstand mit Sicherheit schon vernebelt. Eine andere Erklärung, warum er so wirres Zeug redete, konnte Marco nicht finden. Er war vorher nie einem Engel begegnet und wusste nicht wie stark oder zerbrechlich diese Wesen sind, er kannte sie nur Sagen und Märchen. „Ich kann das Gute einfach nicht mehr in der Seele der Menschen sehen“. Die Stimme des Messdieners erstickte in einem Schluchzer. Aus irgendeinem Grund zerriss es dem Agent fast das Herz den Engel so zu sehen. Diese reinen Geschöpfe sollten doch dafür sorgen, dass es dem Menschen gut ging, dass er Gottes Nähe, Geborgenheit und Liebe spürte. Wie konnten diese Lichtwesen also selber Trauer empfinden? Den Engel so zu sehen, dass er nahe daran war zu weinen, erschreckte ihn so sehr wie die Bilder in der ESGO. Der Öffentlichkeit blieben weiß Gott nicht alle Bilder des Krieges vorenthalten, aber selten nur sahen die Menschen das wahre Leid. Man zeigte ihnen nicht die Frauen, die ihre toten Kinder im Arm hielten und schrieen, man verweigerte die Bilder ausgehungerter Menschen, kleine Kinder, die weinend auf den zerstörten Straßen saßen und nach ihren ermordeten Eltern riefen. Tief atmete der Mann durch uns versuchte die Erinnerungen an diese Bilder tief in seinem Unterbewusstsein zu vergraben. Er durfte jetzt nicht abgelenkt werden. Wenn der Engel schon keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, so musste wenigstens er noch stark bleiben. „Lillith? Abel?“, rief der Agent nach seiner Wegbegleiterin und dem Wegbegleiter des Messdieners. Mit einem leisen Fiepen ließ die Fledermaus von dem schweren Dachbalken im Glockenturm ab und flatterte mit wilden Flügelschlägen zu seinem Menschen. Aus kleinen, dunklen Augen sah Lillith den Mann an und krabbelte an seinem Ärmel auf seine Schulter. Die Weste behinderte sie ein wenig, denn der dunkelgrüne Stoff war rutschig. „Wir werden sofort alles dafür vorbereiten, dass Amy den Lockvogel für Caligo spielen kann. Sie selbst wird davon nicht viel wissen, wir werden ihr gerade Mal nur das Nötigste sagen. Je weniger sie weiß, desto besser. Trotzdem wird sie den Ernst der Lage begreifen müssen. Eure Hilfe brauche ich, wenn es darum geht Caligo und Leviathan zu schnappen. Wenn wir Glück haben tauchen beide auf, ansonsten müssen wir fangen wer gerade da ist. Es wird auf jedenfall mindestens einer von ihnen kommen, sie werden nicht anders können. Es sind Todsünder, was wir ihnen bieten, wird ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen“, sprach der Mann und fixierte mit seinen Blick das kleine Geschöpf aus seiner Schulter. Die großen Ohren waren aufmerksam auf ihn gerichtet. „Es wird zwar am Tage stattfinden, aber ich vertraue dir Lillith, ich weiß, dass es für dich kein Problem sein wird“. Die Fledermausdame gab ein klickendes Geräusch von sich und nickte minimal mit ihrem Kopf. Um seine Wegbegleiterin brauchte er sich keine Sorgen machen, er stellte sich nur die Frage, wie Abel zu ihm stehen wird. Schließlich war er der Wegbegleiter des Engels und somit auch gefühlsmäßig mit ihm verbunden. Besaß das Tier solch eine Willenskraft um weiterhin professionell handeln zu können? Marco betrachtete den Wegbegleiter, der so majestätisch vor dem Altar stand und aus dunkelbraunen Augen zu ihm blickte. Der Kopf war trotz der großen und dicken Hörner, die nach hinten geschwungen waren, erhoben, als wären diese natürlichen Waffen federleicht. Der Paarhufer war alt. Vereinzelte graue Haare waren in den Dunkelbraunen Kinnbart zu entdecken. „Abel? Wenn Rene bald nicht wieder ganz bei Verstand ist, wird es bei der Verfolgung vor allem auf dich ankommen“, sprach Marco den nubischen Steinbock an. „Wir haben bereits gesehen wie flink Leviathan ist. Glaubst du, dass du es schaffen wirst?“. Der Steinbock senkte seinen Kopf, als müsste er nachdenken. „Sofern diese Schlange nicht plötzlich Flügel bekommt oder klettern kann wie eine Spinne sehe ich keine Probleme“. „Sehr schön“, erklang es von dem Agenten zufrieden. „Dann lasst uns anfangen. Ohne Vorbereitungen dürfen wir so was nämlich nicht treffen. Ich brauche eine Karte, in deinen die Umgebung eingezeichnet ist. Lillith? Du überfliegst das Gebiet. Wenn es irgendwelche Veränderungen gibt dann teile es mir sofort mit. Ich muss auch wissen wie der Verkehr zu den einzelnen Stunden am Tag ist“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)