Hyliar von abgemeldet (Und morgen geht die Sonne wieder auf) ================================================================================ Kapitel 46: Im Rausch der Tiefe ------------------------------- „Wirklich toll gemacht Roberto. Wenn wir diesen Kampf verlieren, wovon ist ja felsenfest überzeugt bin, dann sind wir raus. Hast du gehört? Wir sind dann raus, dann ist es zu Ende“. Es war nichts unübliches, das sich der Franzose wieder ein Mal beschwerte und den Deutschen dafür die Schuld gab. Von der ruhigen Art und freundlichen Mentalität war bei Sebastien einfach nichts zu merken. Es war mürrisch wie einer aus dem Norden, so könnte man meinen, wenn man sich dieses Schubladendenken mal genauer ansah. „Dann sorg eben dafür, dass wir nicht verlieren. Wenn du deinen Kampf gewinnst, dann sprechen wir weiter“. Er hatte es satt sich mit den Launen seines Teamkollegen abzugeben, er hatte wichtigere Probleme. Schon den ganzen Tag über hatte er Cheyenne nicht gesehen und auch als er seinen Wegbegleiter Uri um Hilfe gebeten hatte, das Mädchen blieb verschwunden. Sie befand sich nicht in der Arena und auch nicht im Hotel. ’Ich mache mir etwas vor, eindeutig. Himmel Herrgott noch mal, dass hier ist New York, sie kann auch mal einkaufen gegangen sein, oder sonst was, es hat nichts zu bedeuten, wenn sie nicht bei ihren Team ist’, versuchte sich der Deutsche in seinen eigenen Gedanken zu beruhigen. Schon des öfteren an diesen Tag, fuhr er sich mit der Hand durch die dunkelbraunen Haare und verstrubbelte diese. Er hatte sich nicht die Zeit genommen seine Haare frisch zu waschen, weswegen sie ein wenig strähnig vom Kopf herab hingen. Unruhig kaute der Trainer der europäischen Mannschaft auf seinen Fingernägeln herum. Allein der erste Kampf hatte es schon so in sich, dass Roberto am liebsten selbst kämpfen würde. Aber dies war mit seinen Wegbegleiter nicht möglich, nur Chantal war in der Lage, diesen Kampf zu bestreiten. Roberto schwenkte seinen Kopf und betrachtete die Italienerin. Sie war schön und hatte Stil, sprach immer vornehmlich und gab sich kultiviert. Aber dies waren nur ihre guten Seiten, die Frau konnte auch anders, sie konnte hinterlistig sein, falsch und verlogen. Ihre negativen Seiten waren an ihr einfach zu groß, dass Roberto sie schätzen konnte. Und trotzdem, sie hatte Angst, das konnte er ihr ansehen, doch sie verbarg es sehr gut. Roberto besaß eine hervorragende Menschenkenntnis, sonst würde er die Unsicherheit seiner Teamkollegin nicht bemerken. Ruckartig erhob die Frau sich als ihr Name fiel. Sie war bereit, bereit der Gefahr ins Auge zu blicken und ihren Feinden den Plan zu durchkreuzen. Anmutig ging sie auf die Arena zu und blieb schließlich stehen. WV Russland war so vieles mehr als nur ein Gegner in diesem Turnier und in dieser Runde. Nikolai hörte den Erzählungen des Schiedsrichters nicht zu. Er war schon so gespannt auf den Kampf und auf die Arena. In Caligos Mappe hatte er ein mal eine Skizze dafür gesehen, er allein hatte die Entwürfe für diesen Untergrund der Arena gemacht. Es war wie geschaffen für den Meermensch. Unter den staunenden Blicken der Zuschauer, schob sich der Boden des Kampfplatzes zurück und offenbarte die glitzernde Oberfläche von Wasser. Vorsorglich hatte man für diesen Kampf vor der ersten Reihe Glaswände aufgestellt, die das meiste von dem Wasser abfangen würde. Leise surrten die Maschinen, während die neue Kampfplattform langsam hochgefahren wurde. Ein riesiges Aquarium präsentierte sich den staunenden Blicken der Zuschauer und Mitstreiter. Das rechteckige Aquarium umfasste den gesamten Kampfplatz der Arena. Zu allen Seiten war es aus durchsichtigem Panzerglas. In dem Glaskasten selbst, hatten Biologen lange an einen einzigartigen und möglichst echten Biotop gearbeitet. Der Boden war mit Sand aufgefüllt, welches sich in seichten Hügeln erhob. Ein Korallenriff und eine Höhle bildeten das Zentrum des Aquariums. Sehnsuchtsvoll beobachtete Nikolai ein Schwarm bunter Fische, wie sie ihre Kreise um die Höhle zogen. Chantal schluckte. Ihr war mulmig zumute, während sie die Edelstahltreppe hinauf ging. Jeder ihrer Schritte halte wie ein Warnsignal in der Arena wieder. Warum zur Hölle mussten die Zuschauer auch so leise sein? Hörte man vielleicht ihr Zittern auf dieser Treppe? Sie erreichte ihre eigene Plattform und sah sich um. Die Höhe und auch der Blick in das Aquarium waren einfach beeindruckend. Man hatte sich viel Mühe gegeben, um einen Kampf auch in solch einer Gegend zu ermöglichen. Trotzdem, ihr Gegner war kein geringerer als Nikolai Kuznevst. Der Russe war gefährlich, sie hatte schon einiges von ihm gehört und auch die Videoaufnahmen vergangener Kämpfe bestätigten die Gerüchte. Sie hob ihren Blick und sah zu Gabano. Der majestätische Weißkopfseeadler zog seine Kreise und inspizierte mit seinem wachsamen Auge das Territorium. Kleine Inseln, die am Rand des Glaskastens befestigt waren, dienten ihm noch zusätzlich als Zufluchtsort und Angriffsfläche. Sie würde nur außerhalb des Wassers kämpfen, aber Nikolai war es möglich, sowohl außerhalb, wie auch innerhalb zu kämpfen, obwohl sein Wegbegleiter nur im Wasser bleiben konnte. ’Er darf mich nicht mit hineinziehen, dann bin ich geliefert’, ging es der Italienerin durch den Kopf, während sie sich die langen Handschuhe zurecht zog. Zum Leid der Frau ließ sich auch Nikolai nicht viel Zeit und erschien auf der Kampffläche. Sie betrachtete den jungen Mann, der mit seinen dreiundzwanzig Jahren schon sehr erwachsen wirkte. Er war nicht sehr klein und seine Haut war gebräunt. Eigentlich zu dunkel für einen Russen, aber das war ihr egal. Sein Wasserstoffblondes Haar war länger. Ungefähr so hatte sie sich immer die surfenden Jungs auf Hawaii vorgestellt. Auch seine Figur war die eines Surfers. Seine Kleidung war eng wie ein Taucheranzug und bot einen fantastischen Blick auf die einzelnen Muskeln. Er sprang. Beinahe lautlos und ohne viel Bewegung des Wassers, sprang er in das Becken ein und tauchte sofort unter. Ein Schatten löste sich von der Höhle und umkreiste den Mann, ehe er sich wieder löste und an die Oberfläche sprang. Nikolais Wegbegleiter stieß aus dem Wasser und drehte kunstvoll eine Rolle in der Luft, bevor der Delfin wieder ins Wasser eintauchte. „Er wird einen hervorragenden Kampf zeigen, dessen bin ich mir sicher. Sieh es dir gut an Alexander, Nikolai wird dir gleich zeigen, was es heißt, mit seinem Element eins zu werden. Er wird geistig mit seinen Wegbegleiter verschmelzen und trotz seiner menschlichen Gestallt wie ein Fisch durchs Wasser schwimmen“, sprach Caligo und behielt seinen Blick auf das Aquarium geheftet. Der Stolz und die Vorfreude waren ihn deutlich raus zu hören, er machte keine große Mühe darum, seine Gefühle zu verstecken. Dieses Mal nicht. Der Blick auf die Gegner blieb ihm durch den großen Glaskasten verwehrt, das störte den Russen gewaltig. Wie sollte er seinen Gegner einschätzen, wenn er sie schon in der ersten Runde nicht beobachten konnte? Sie würden die Brutalität dieser Mannschaft zum ersten Mal live miterleben und er konnte ihre Reaktionen nicht sehen. Es ärgerte Alexander. Der Rothaarige ballte seine Hände zu Fäusten. Warum zur Hölle hatte er heute Morgen eigentlich keine Tabletten bekommen? Und wieso dachte er kurz vor seinen eigenen Kampf jetzt nur an seine Medikamente? Das Signal ertönte und noch ehe die Fahne geschwungen wurde, stürzte sich der König der Lüfte mit ausgestreckten Krallen auf die Wasseroberfläche. Deutlich konnte er die schimmernde Haut des Delfins erkennen. Chantal würde einen schnellen Sieg einholen, so konnte sie dem Russen keine Chance geben großartig seine Pläne auszuführen. Mühelos wich der Delfin dem Angriff des Adlers aus und tauchte wieder unter. Seine Schwanzflosse schnellte aus dem Wasser und gab einen Schwall des nassen Elementes an dem König der Lüfte weiter. Gabano schrie protestierend auf und schlug mit den nassen Flügeln. Die nassen Federn ließen seinen Leib schwerer werden, er hatte Mühe wieder an Höhe zu gewinnen und musste auch mehr Kraft aufwenden. Das blieb Chantal nicht verborgen, es zerrte gewaltig an ihrer Stärke. Die einzige Genugtuung die sie dabei verspürte war, dass Nikolai im Wasser mit einen starken Widerstand zu kämpfen hatte. Durch den Anzug war es ihm zwar möglich, sich so schnell wie an Land zu bewegen, aber dafür verbrauchte er auch mehr Energie. Wieder versuchte es die Italienerin mit der gleichen Taktik, indem sie blitzschnell von oben her angriff. Ihr Gegner hatte keine andere Wahl als immer wieder aufzutauchen und diese Momente nutzte sie für sich aus. Caligo beobachtete den Kopf fasziniert und mit entspannter Haltung. Dieses Szenario erinnerte ihn so sehr daran, wie er den Meermensch hatte einfangen lassen. Es hatte ihn einiges an Mühe gekostet ihn zu zähmen und noch immer war er sich sicher, den Willen des Wesens nicht gebrochen zu haben. Nikolai mochte vielleicht das tun, was er ihn aufgetragen hatte, aber in seinen Inneren blieb er rebellisch. Einzig und allein für seine Familie nahm er das Leid auf sich. Er konnte ja nicht wissen, was der Dämon schon lange mit seiner Familie und seiner Stadt angestellt hatte. Aber mit Leviathan als Bruder ließe sich so was nicht vermeiden. Dunkles Blut hob sich langsam wie eine Wolke an die Wasseroberfläche und löste sich langsam auf. Die Verletzung an den Arm des Meermenschen blutete nicht lange und doch steigerte es nicht seine Aggressivität. Und das störte Chantal sehr, sie hatte gehofft ihren Gegner in eine Raserei zu bringen, bis er seine Sinne verlor und sie leichtes Spiel hatte. Aber da war sie bei Nikolai an der falschen Adresse. Der Boden der Inseln war rutschig, bedacht und wie eine Tänzerin, bewegte sich die Italienerin auf den Plattformen, mitten im Aquarium. Immer wieder sah sie sich um und lauschte, wich vor den hinterlistigen Angriffen des Delfins aus und schlug blitzschnell zu. Eine Hand packte ihren Fuß und riss ihr den sicheren Halt des Bodens weg. Sie schlug hart auf, war aber zu stolz um zu schreien. Tapfer biss Chantal die Zähne zusammen und krallte sich mit ihren langen Fingernägeln in den Boden der Insel. Sie wollte nicht ins Wasser gezogen werden, Nikolai durfte sie auf keinen Fall mit hinein ziehen. Heißer Schmerz ging von ihren Fingern aus, dunkelrotes Blut sickerte durch den feinen Stoff der Handschuhe. Sie spürte, wie ihre Fingernägel nachgaben und abbrachen, oder gar umknickten. Der Schmerz war trotz der kleinen Wunden heiß und stark. Immer weiter zog ihr Gegner sie mit in sein Element. Gabano versuchte ihr zu helfen, doch hatte er schon mit den Delfin zu kämpfen, der sich dem Vogel in den Weg stellte. Wasser spritzte ihr ins Gesicht. Das Salz brannte in ihren Augen und ließ die Frau reflexartig ihre Augenlieder schließen. Ein starker Ruck entzog ihr den Halt. Tief holte sie Luft, ehe das nasse Element ihren Körper umfing. Was Wasser war angenehm kühl. Nicht kalt, aber auch nicht zu warm. Herrlich schön, wie an einen Sommertag an der italienischen Küste. Etwas riss sie aus ihren Träumen. Es war das schlagen großer Schwingen. Sie öffnete die Augen und sah, wie Gabano auf der Wasseroberfläche wild mit den Flügeln schlug. Sein Schnabel hackte nach dem Delfin, der ihn immer mehr mit dem nassen Element bespritzte. Er durfte nicht untergehen, sie müsste sonst aufgeben und das kam einfach nicht in Frage. Sie war eine Adelige, eine Frau mit unnachgiebigem Stolz und sie war ein hoch angesehenes Mitglied von white Cross. Endlich hatte er es geschafft! Chantal war in sein Territorium und somit war sie seine Beute! Blitzschnell ließ er sie los und schwamm um sie herum. Sein Körper passte sich stromlinienförmig an der künstlich erzeugten Strömung an. Immer wieder stieß er nach vorne und wich zurück, als würde er wie ein Hai ein Stück Fleisch aus seiner Beute heraus beißen und zum fressen wieder abstand gewinnen. Doch Nikolai biss nicht zu, es floss auch kein Blut. Immer wieder schickte er mit einen Hackenschlag nach vorne eine starke Windböe auf den Körper der Frau und traktierte ihn mit gefährlichen Angriffen. Lange hatte er dafür nicht Zeit, er müsste sie, so waren die Regeln, bald wieder an die Wasseroberfläche lassen, damit sie Luft holen konnte. Andernfalls wäre das gesamte Team von der Meisterschaft gesperrt. Für die Zuschauer sah es so aus, als habe die Frau ein unsichtbares Kraftfeld um sich erschaffen, welches ihren Gegner nicht erlaubte anzugreifen. Auch Alexander glaubte dies, bis er begriff, was sein Teamkamerad dort anstellte. Noch nie hatte er erlebt, wie der Meermensch seine Magie einsetzte. Dass er in der Lage war, dieses Element so zu formen wie er wollte, war erstaunlich. Ein hohes Piepen, gefolgt von noch einem, erklang von der Anzeigetafel her und zeugten an, dass es an der Zeit war, dass Nikolai von seinen Opfer abließ. Die Anzeigetafel war in zehn Felder unterteilt, die langsam nacheinander ausgeschaltet wurden, als würde der Schiedsrichter bei einem Boxkampf den Gegner langsam auszählen. Kurz vor dem letzten Feld stieß die Italienerin nach oben und rang nach Luft. Sie schrie. Sie schrie so laut und schmerzerfüllt, dass es den meisten Zuschauern Angst einjagte und sie verstummen ließ. Caligo brachte es zum schmunzeln, aber Roberto warf das Handtuch. Ohne noch auf ein weiteres Zeichen zu warten, rannten die Sanitäter zu dem Aquarium und sprinteten die Treppe hinauf. Ihre Schritte halten laut auf der Metalltreppe wieder und brachte diese gefährlich zum schwanken. Mit letzter Kraft hatte sich Chantal an den Beckenrand gezogen und wurde von den zwei Männern hinaus gehoben. Sie stöhnte auf, wimmerte um Gnade, während Tränen ihre Wangen hinunter rannten und sich mit dem salzigen Wasser mischten. Die Sanitäter waren ratlos. Aus reiner Verzweiflung schoben sie den Stoff der Kleidung am Arm hoch um den Blutdruck zu messen. Fast hätte der junge Mann den Arm los gelassen. Entsetzt starrte er auf ihren entblößten Arm. Die Haut war über und über mit dunkelblauen und violetten Blutergüssen übersäht. Der erfahrene Sanitäter der beiden hatte schon eine Ahnung und schob vorsichtig den Stoff am Bauch ein wenig höher. Es reichte ein kurzer Blick um festzustellen, dass auch der Bauch übersäht war mit Blutergrüssen. Kaum eine Stelle auf der Haut war unversehrt. Geräuschvoll blubberte das kalte und stille Wasser in den weißen Plastikbecher. Er ließ den Hebel wieder los und augenblicklich wurde der Strom von fließendem Nass unterbrochen. Angenehm kühl rann das Getränk seine Kehle hinab und stille seinen Durst. Warum sein Hals so trocken war, wusste der junge Mann selbst nicht. Er wusste nur eins: Er wollte seine Tabletten und er wollte sie JETZT! Wut loderte in ihn auf und nahm, ohne, dass er es merkte, die Kontrolle über seinen Körper. Seine Hand ballte sich zur Faust und zerdrückte den Plastikbecher. Die Überreste des Wassers in dem Behälter, befeuchtete seine Hand und tropfte lautlos auf den dunkel gefliesten Boden des Warteraumes. Wie hasserfüllt sie ihn alle ansahen. Er konnte ihre Blicke sehen, er spürte sie. Blitzschnell holte er aus und schlug den Plastikbecher in die Ecke des Aufenthaltsraumes. „Verdammt, die sollen endlich schneller machen, wie lange dauert der ganze Scheiß hier denn noch“, grollte der Rothaarige mit tiefer Stimme und fuhr sich durch die Haare. Immer wieder packte er zu und zog an den Strähnen, ohne dabei den Schmerz zu registrieren. Es war genau wie damals In dieser Neumondnacht, in der sowieso immer sein Geist von schreckenserregenden Alpträumen gequält wurde, hatte Caligo ihn auch nicht seine Medikamente gegeben. Dabei hieß es doch, er brauchte sie zum überleben! Wie sollte er denn leben, wenn man sie ihn verwehrte, wenn man zuließe, dass die Krankheit sein Körper langsam von innen heraus zerfraß? An den frühen Morgen hatte er Tabletten bekommen, aber dies war nichts ungewöhnliches, er musste sie schließlich öfters nehmen und konnte die verschiedenen Substanzen auch nicht gleichzeitig zu sich nehmen. So viel hatte er schon gelernt. Aber der Nachmittag zog langsam dahin, wie eine zähe Masse. Am liebsten hätte er in diesen Stunden schon seine Aufgabe erfüllt, um an seine Medikamente zu kommen. Er durfte es ja nicht! Wütend schlug Alexander gegen die Wand und krallte seine Fingernägel in die Tapete. Er durfte ja nicht schon früher los, sondern musste warten, bis es dunkel war. Zur Hölle noch Mal, es war Sommer, es dauerte lange bis es dunkel wurde und noch wesentlich länger, bis dieser Vollidiot von Antiquitätensammler schlafen ging. So viele Unnütze und verschwendete Stunden hatte er auf die Lauer gelegen, während sein Körper zitterte. In diesen Stunden hätte er oft fast die Kontrolle über sich verloren. Dann kam endlich die erlösende Minute. Das Licht war erloschen. Der Junge hätte zu diesem Zeitpunkt jubeln können. Nur noch wenige Schritte hatten ihn von da an von dem Buch und seinen Medikamenten getrennt. Es war ein leichtes den alten Mann zu überwältigen, ihm das Messer in den faltigen Hals zu rammen. Die Klinge hatte im Licht der Sterne gefunkelt. Daran konnte sich Alexander noch sehr genau erinnern. Endlich hatte er das Buch an sich reißen können. Es war eine seltsame Lektüre. Alt und mit einen verschlossenen Siegel versehen. Der Einband bestand ganz aus Holz, feine Schnitzereien waren darin eingearbeitet worden. Natürlich hatte der Rothaarige eine gewisse Ahnung von dem Wert des Buches gehabt. Für die Menschen war der Wert in Geld bemessen, für Caligo allerdings, war der Wert weitaus höher. Man hätte ihn nicht mit materiellen Gütern bezahlen können, auch wenn man es versucht hätte. Das Apartment des Mannes kannte er und auch den Weg hätte er im Schlaf finden können. Zum Glück, denn sein Geist war ausgehungert und sein Körper kämpfte beinahe erfolglos gegen die Krankheit an, für die er die Medikamente brauchte. Der Chauffeur an der Tür hatte ihm davon berichtet, dass Caligo Besuch hatte, doch störte Alexander das? Nein! Schon oft hatte er die Exzesse des Mannes miterlebt. Sowohl als Beobachter, wie auch als Betroffener. Es war keine große Sache und nichts Neues, obwohl diese Frau etwas Besonderes sein musste. Sie war eine von Caligos Auserkorenen, er hatte sie sich nach den Beischlaf zum Sklaven einverleibt. Ohne, dass sie etwas davon bemerkt hatte, trug sie seinen Samen, der in ihr keimte. Alexander war berauscht. Er war berauscht wie in einen Drogenzustand, als er das Buch abgeliefert und seine Medikamente bekommen hatte. Sein Geist fiel gierig über die sinnestäuschende Wirkstoffe her, während sein Blut alle anderen wirkungsvollen Eigenschaften des Mittels aufsogen. Es hatte zu lange gedauert, viel zu lange. So eine lange Wartezeit wollte er nie wieder durchmachen. Und trotzdem war es jetzt genauso wie in dieser besagten Nacht. Mit wachsender Unruhe beobachtete der deutsche, wie Alexander die Geduld zu verlieren schien. Dabei waren sie erst seit wenigen Minuten hier drinnen. Die Arena musste umgebaut werden, das Aquarium musste für die nächsten beiden Kämpfe abgebaut und ein neuer Untergrund angebaut werden. ’Umgebaut zu den Vorteil von WV Russland’, ging es Roberto durch den Kopf, als er an die letzten Kämpfe zurück dachte. Eigentlich eine Sache, die in weniger als zwanzig Minuten erledigt werden konnte. Es war die Zeit, in der sowohl die Teilnehmer, wie auch die Zuschauer noch ein Mal eine kleine Pause genießen konnten. Der Aufenthaltsraum für die Teilnehmer war nicht sonderlich groß, aber er war überaus geschmackvoll eingerichtet. Das Zentrum des Raumes bildete eine Sitzecke, zusammengestellt, aus Sofas mit weißen Leder. Ein Flokatiteppich erstreckte sich quer über die dunklen Fließen. In fast jeder Ecke stand eine große Phönixpalme, die ihre gefächerten Blätter weit in den Raum hinein streckte. Eine Klimaanlage, die wahrscheinlich auf Hochtouren lief, sorgte für eine angenehme Temperatur. Aber auch die Stillvolle Einrichtung konnte die Wut und den Hass in den Deutschen nicht milde stimmen. Was dieser Mann mit Chantal angestellt hatte, war nicht zu verzeihen. Das war kein Kampf, es war Folter! Er hatte in der kurzen Zeit ihren ganzen Körper mit Schlägen traktiert. Roberto hatte sie gesehen, als sie die Frau in den Ärzteraum geschoben haben und ihre Kleidung entfernten. Viele der Wunden waren aufgeplatzt, Blut sickerte aus den geschwollenen Körper, während die Italienerin nur noch in der Lage war, ein leises Wimmern von sich zu geben. ’…Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern…’. Selbst das Beten in Gedanken milderte nicht seinen Zorn. Roberto war beinahe zerfressen von den Hass. Er durfte sich dem nicht hingeben, deutlich spürte er Caligos Blick im Nacken. Es war so geplant gewesen, der Dämon erwartete von ihm, dass er anfangen würde zu fluchen, zu toben und auf Nikolai losging. Alexander war kaum zu halten, wahrscheinlich würde der Junge dann gleich mit durchdrehen und jemanden erwürgen. Wer das Opfer des Rothaarigen werden würde, war ihm sofort klar. “Eine gefährlich gespannte Stimmung hier. Keiner rührt sich, aus Angst, es könnte eine falsche Bewegung sein“, sprach Uri, sein Wegbegleiter, ihn in den Gedanken an. “Ich kann es spüren. Die meisten Atmen sogar mit Vorsicht. Dies wird kein normaler Kampf werden Robert, es wird eine Hinrichtung. Eine Hinrichtung für uns. Wenn du gleich kämpfst, dann kämpfe nicht um den Sieg, sondern um dein Überleben. Vergiss die Regeln und vergiss die Zuschauer. Sebastien und Tirami wissen bereits bescheid. Trotz des Stolzes des Franzosen, werden die beiden aufgeben, wenn Caligo für sie einen zu starken Gegner bereithält. Du weißt also was wir bei Alexander zu tun haben?“. Der Angesprochene drehte bedacht langsam seinen Kopf. Eine Strähne zitterte leicht. Noch immer hatte sich der Junge nicht beruhigt. Nur sein Wegbegleiter, der weiße Wolf, war völlig ruhig und lag beinahe schlafend auf dem weißen Sofa. “Ja, ich weiß was ich zu tun habe“, gab Roberto in Gedanken an seinen Wegbegleiter zurück. Erwartungsvoll sah er aus seinen großen Augen zu seinen Menschen auf. “Ich werde kämpfen, egal wie durchgedreht der Junge aus ist!“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)