Hyliar von abgemeldet (Und morgen geht die Sonne wieder auf) ================================================================================ Kapitel 51: wieder Gefangen --------------------------- Erschrocken fuhr Kai aus den Schlaf und setzte sich auf. Sein nackter Brustkorb hob und senkte sich stark, so sehr rang er nach Luft. Der ganze Körper war bedeckt mit Schweiß. Die Hitze in seinen Inneren wurde immer stärke und verbrannte ihn innerlich. Aber da war auch noch etwas anderes. Es war der kalte Angstschweiß, der an seinen Rücken haftete. Hatte ihn nicht irgendwer im Schlaf berührt und hatte er nicht auch Stimmen gehört? Wachsam glitten die Rubinroten Augen des Jungen durch das Zimmer. Alles war wie immer und ruhig. Die Möbel standen an ihren Platz und die Vorhänge wiegten sich im leichten Abendwind, der den meisten Hitzegeplagten Linderung verschaffte. Kai hob fahrig seine Hand und fuhr sich durch die Haare. ’Was für ein Traum. Wieso-‚ Er erstarrte mitten in seinen Gedankengängen und der Bewegung. Die schlanken Finger spürten etwas Eiskaltes an seiner Stirn. Kai riss die Tiara von seinen Kopf und störte sich nicht darum, dass in dieser Hektik auch einige Haare mit rausgerissen wurden. Der Kopfschmuck landete lautlos auf den dicken Teppichboden. Wie ein Diamant schimmerten die blauen Steine der Tiara im Licht des Mondes. Der Junge verstand nicht wie dieses Ding an seine Stirn kam. Es besaß so was nicht, irgendwer musste es ihn aufgesetzt haben. Und zwar in dieser Nacht, vielleicht sogar erst vor kurzem. ’Es war jemand hier!’ Dieser Gedanke, dass jemand unbemerkt in sein Zimmer kam, ohne das Kai die Kontrolle über das Handeln des Fremden hatte, war so unerträglich, dass er aufstand. Beinahe wäre der Junge noch über die zusammengeknüllte Bettdecke auf den Boden gestolpert. Seine sonst so überdachtes Handeln und die routinierten Abläufe waren gestört, Kai dachte nicht mehr darüber nach was er tat. Überhaupt kam es ihm so vor, als hätte man ihm von der einen Sekunde auf die andere das Ruder aus der Hand gerissen. Alles was geschah, passierte nicht mehr mit seinen Wissen und durch sein Handeln. Jemand anderes griff wie ein Puppenspieler ein und steuerte die Figuren so wie er es wollte. Mit den einzigen Gedanken im Kopf, dass er raus musste, griff der Junge nach seinen Klamotten. Alles andere als Sorgfältig zog er sich den Stoff über, wählte dabei auch nicht die Uniform seines Teams, sondern seine eigenen zerschlissenen Klamotten. Wenigstens die gaben ihm ein Teil des Gefühls der eigenen Sicherheit wieder. Athana öffnete ihre Augen und beobachtete ihren Menschen. Der Vogeldame war klar, was mit den Jungen los war. Sie hatte nichts vergessen, doch musste sie schweigen. So viele Jahre durfte kein Wort über die Lippen des Vogels kommen. Bis jetzt! Nun war es egal. Kai würde sie wahrscheinlich eh zur Rede stellen, ihr Vorwürfe machen und sie des Verrates beschuldigen. Aber das war ihr egal, sie hatte damals keine andere Wahl gehabt. Es geschah zu Kais Besten, die Erinnerungen über diese Jahre mussten für ihn vergessen sein. Zu schwer wäre das Laster gewesen und zu groß die Versuchung sein Versprechen einzulösen. Ihr Mensch war einfach noch nicht bereit gewesen, sein Versuch hätte Alexander nicht befreit und ihm ebenfalls die erkämpfte Freiheit geraubt. Athana breitete ihre Flügel aus und hüpfte auf den Teppichboden. Die Tiara von Alexis durfte nicht einfach auf den Boden liegen, es war ein heiliges Relikt, ein Fragment der Macht und das Letzte, von dem Caligo nicht wusste, dass es fortan auf Erden existierte. Das Metall war kalt, sie spürte es durch den Schnabel hindurch. Behutsam umschloss sie das Geflecht und flog zum Fenster. Kai sprang beinahe in die gläserne Drehtür des Hotels und rannte einige wenige Meter auf den Bürgersteig als er die rettende Freiheit erreichte. Die Nacht war angenehm kühl, keine einzige Wolke zog am klaren Sternenhimmel vorbei. Die Geräusche der Stadt waren deutlich zu hören, denn auch um diese Zeit fuhren genügend Autos über die Straßen um Lärm zu verursachen. Diese Stadt und ihre Bewohner schliefen nie. Der Junge keuchte und legte seinen Kopf in den Nacken. Die schwarzen Strähnen hingen herab auf seinen Schultern. Das Gurren einer Taube ließ den sonst so taffen Jungen zusammenzucken. Ohne zu wissen woher, war ihm klar, dass es sich bei dem Tier um eine der Tauben handelte, die ihm damals die Flucht vor der Polizei ermöglichten. Eine Flucht, die er mit unmenschlicher Geschwindigkeit hingelegt hatte. Allein wie er sich um die Hindernisse gewunden hatte, über Mauern gesprungen und Zäune erklommen hatte. Das alles war doch nicht normal! Das grau-blaue Tier hob seine kurzen Schwingen und flog vorbei. Kais Augen fixierten die Flügel. In seinen Gedanken vermischte sich die Realität mit den Bildern seines Traumes. Flügel, rote Flügel, er selbst hatte Flügel gehabt und war ein Vogel. Was hatte sein Traumvater zu ihm gesagt? Lege diese falsche Gestallt ab und nehme deine Wahre wieder an dich? Der Schwarzhaarige hatte Angst darüber nachzudenken. Es waren zu viele Dinge passiert, die er einfach nicht verstand. Da war dieser Junge im Restaurant, seine immer höher steigende Körpertemperatur, dieser Traum, das Ding an seine Stirn und - was er schon seit einer Ewigkeit mit sich herum trug - das deutliche Zeichen auf seinen Rücken. Es war das gleiche wie im Traum! Unweigerlich sah er über seine Schultern und versuchte einen Blick auf seinen Rücken zu werfen. Doch er sah nichts außer dem schwarzen Stoff seines Achselshirts. ’Ok, ok, beruhig dich jetzt, es gibt für alles eine vernünftige Erklärung und wenn diese ist, dass du verrückt geworden bist’, redete der Schwarzhaarige sich in Gedanken Mut zu. Sein Oberkörper wiegte leicht hin und her, wie bei manchen Personen, wenn sie von einer Angstattacke ergriffen wurden. Es gelang Kai nicht ganz sein altes Selbstbewusstsein wieder zu erlangen, aber die nötige Ruhe um alles von einem logischen Blickwinkel zu betrachten, war da. „Hier steckst du also“, sprach ihn eine bekannte Frauenstimme an. Noch Bevor sich sein Mensch umsehen konnte, landete die Phönixdame auf seiner Schulter und hielt den Kopf leicht gesenkt. Die Tiara war nicht sonderlich groß und wirkte so zerbrechlich wie Eis, aber ihr Gewicht war auf Dauer zuviel für die leichten Knochen des Vogels. „Nimm. Es ist ein Geschenk und eine Ehre zugleich“. Der Schwarzhaarige streckte seine Hand nach dem Kopfschmuck aus und nahm es seiner Wegbegleiterin ab. Dafür sprach sein Blick jedoch Bände, er wusste nicht was Athana meinte, denn Alexis war noch nicht Bestandteil seiner Erinnerung. „Ah, ich verstehe“, begann sie und lächelte versöhnlich, „Mach dir keine Sorgen, die Wächter werden bald schon wieder Teil deiner Erinnerung sein. Aber für’s erste reicht es zu wissen, was in deinen Leben alles passiert ist. Kai? Du hast Lanson um diesen einen Gefallen gebeten, du hast es von dem Wächter der Erde verlangt. Und er hat es getan, er erfüllte dir deinen Wunsch“. Die dunklen Augen des Phönix fixierten Kais flackernden Blick. „Die Erde vergisst nie, sie ist schon sehr alt. Und mit dem Alter kommt eine gewisse Geduld und Ruhe. Ihr Menschen, denen ein sterbliches Leben aufgebührt wurde, könnt diese Geduld nicht aufbringen oder verstehen. Erinnere dich Kai! Du kannst es wieder! Du weißt was vor deiner Zeit in New York passiert war, wieso dir dieser Rothaarige Junge so zugesetzt hat im Restaurant und weshalb Caligos Blick dir stechend erscheint. Du kennst sie, sie sind alle Bestandteil deiner Vergangenheit“. Die Augen des Schwarzhaarigen betrachteten die Tiara, die er in seinen Händen drehte, gründlich. Seine Fingerkuppen fuhren über die glatte Oberfläche des Metalls, berührten die Kristalle die so kalt waren wie Eis. Irgendwoher kam ihm dieser Anblick bekannt vor, es lag ihm auf der Zunge. „Eis… es ist ein Fragment der Macht“, flüsterte seine Stimme wie von Geisterhand. „Caligo, er… sammelt sie. Zwölf Stück, eines war ins einem Besitz bevor…“. „Bevor du gingest“. Kai fuhr herum als er die Stimme eines Fremden und dennoch Bekannten hinter sich vernahm. Er blickte direkt in das bleiche Antlitz des rothaarigen Russen. „Mittlerweile sind es zwei. Er besitzt noch immer das Fragment der Macht des Geistes. Was du jedoch nicht weißt, auch das Buch, das Fragment der Erde, ist nun in seinen Händen. Es könnten Drei werden, wenn mich mein Blick nicht täuscht und du die Tiara des einen Wächters in den Händen hältst“. Dass diese Anspielung alles andere als freundlich gedacht war, bemerkte der Schwarzhaarige sofort. Auch Athana verstand und nahm die angereichte Tiara in ihren Schnabel. Niemals würden er oder sie zulassen, dass es Caligo in die Hände fiel. Aber wieso es so wichtig war, war dem Jungen noch schleierhaft. Sein Gefühl veranlasste ihn zu diesem Handeln. „Du scheinst mich schlecht zu kennen Kai. Wenn ich etwas will, dann hole ich es mir durchaus auch. Du warst Jahre weg, inzwischen stellst du für mich keine Gefahr mehr da“. „Ich weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat“, begann der Angesprochene mit fester Stimme. „Aber niemand fordert mich einfach so heraus, das kannst du gerne zu spüren bekommen“. Alexander nickte. „Wie du willst“. Mit beachtlicher Schnelligkeit machte der Rothaarige einen Satz nach vorne und schlug mit geballter Faust zu. Kai konnte gerade noch mit einen Ausfallschritt zur Seite den Angriff entgehen, die Faust streifte sein Gesicht nur ganz leicht. Die Hand war eiskalt, genauso wie die Tiara. Sein Angreifer holte ein weiteres mal aus und kam frontal auf ihn zu. Der Schwarzhaarige fing den Schlag ab und spannte seine Muskeln ab. Es überraschte ihn, dass dieser hagere Russe solch eine Kraft hatte. Dabei wirkte sein Körper mager, krank und ausgemergelt. Wie es schien, hatte er es dieses Mal mit jemanden zu tun, der ihm tatsächlich ein Problem werden könnte. Alexander brachte seinen Fuß hinter den von Kai und zog ihn sofort zurück. Der Schwarzhaarige geriet ins Straucheln und verlor für einen Moment seine Achtsamkeit. Diesen Fehler würde er kein weiteres Mal machen, denn der Russe nutzte diese Gelegenheit sofort für sich aus und befreite seine Faust, die sich gleich darauf in die Magengrube seines Gegners bohrte. Alexander konnte hören, wie dem Schwarzhaarigen gewaltsam die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Dabei war es seine eigene Schuld. Hätte er ihm die Tiara sofort überlassen, gäbe es diesen Zweikampf überhaupt nicht, dann müsste er den Jungen nicht so hart ran nehmen. Aber Caligo würde ihn sicherlich dafür entlohnen, das stand für Alexander fest. Ganz bestimmt würde der Sektenanführer nicht mehr damit drohen seine Medikamente abzusetzen, oder ihn mit wollüstigen Gedanken nachts in sein Zimmer zu rufen. Zwar nicht für immer, aber allein zwei Wochen wären schon ein Geschenk des Himmels. Alexander hatte nicht aufgepasst! In Gedanken versunken und noch von Beruhigungsmitteln berauscht, war er zu sehr mit sich und einer augenscheinlich rosigen Zukunft beschäftigt. Ein Tritt gegen sein Schienbein ließ ihn zusammensacken. Durch den dünnen Stoff seiner Hose spürte er den unebenen Boden des Bürgersteiges. Ein Handkantenschlag schnellte auf den Rothaarigen zu, der jedoch seine Arme hob um den Schlag abzufangen. Es fühlte sich komisch an. Sein Körper, der vor Kälte fast blau anlief und dann die unnatürliche Hitze seines Gegners. Dabei schmerzte sein Arm noch nicht mal, dafür aber sein Inneres. Er kannte diesen Jungen und eigentlich wollte er nicht mit ihm kämpfen. Aber was für eine Bedeutung hatte Kai noch mal für ihn? ’Verdammte Medikamente’, fluchte der Rothaarige, während er sich erhob. Der Russe war wütend und stieß den Schwarzhaarigen von sich, wechselte blitzschnell von der Defensive wieder in die Offensive. Den Schlagabtausch den Kai sich mit Alexander lieferte, wirkte weniger wie eine Prügelei, als wie eine eingeübte Choreographie. Jeder Angriff wurde von den anderen geblockt oder gekontert, als würden sie ihre Techniken und Bewegungen auswendig kennen. Beide waren sich absolut ebenbürtig, sie wirkten wie ein lang eingespieltes Team. Einzig und allein die Ausdauer konnte hier die Entscheidung bringen. Aber daran dachte der Schwarzhaarige gar nicht. Die kurzen Berührungen des eiskalten Körpers seines Gegners mit seiner aufgeheizten Haut hatte etwas seltsames, etwas Vertrautes. Und es fühlte sich noch nicht mal schlecht an, im Gegenteil. Es war wie als ob er aus einem Schlaf erwachte, als würde er sein Bewusstsein wiedererlangen. Jeder einzelne Schritt brachte Kais Blut mehr in Wallung und ließ ihn wendiger und geschmeidiger werden. Er war ein Kämpfer und das kein Gewöhnlicher. Die bekannten Erinnerungen aus dem Getto in seiner Bande waren nur ein kurzer Abschnitt seines Lebens, seine Fähigkeiten kamen von einem Leben davor, einen Leben mit diesen Jungen. Ein Kampfschrei ertönte angriffslustig und laut neben den Ohren des Russen. Seine Wange wurde gestreift, als hätte man etwas Brennendes an ihm vorbei geworfen. Kalte eisblaue Augen blickten in das leidenschaftliche Rubinrot seines Gegners. „Kai“, hauchte Alexander sehnsuchtsvoll seinem selbsternannten Feind entgegen. Eine Faust traf ihn direkt im Gesicht und riss seinen Körper gewaltsam herum. Der Schwarzhaarige erhaschte bei diesem Angriff einen kurzen Blick auf seine Hände. Wie Nebel wurde ein rötlicher Schleier hinterher gezogen. ’Schon wieder’, ging es Kai durch den Kopf, dem die Bilder vom Schrottplatz wieder in Erinnerung kamen. Seine Hand hatte schon einmal in Flammen gestanden, ohne körperliche Schäden oder Schmerzen zu hinterlassen. Und nun passierte es schon wieder. Er war nicht normal, das war Kai schon lange klar, schon seit seiner Ankunft in der Bronx. Was davor geschah wusste der junge Mann nicht, seine Erinnerungen wollten und wollten einfach nicht wieder kommen. Egal wie sehr er es versucht hatte, immer behinderten ihn höllische Kopfschmerzen zurück zu denken. Und nun? Nun schien es so als hätte sich der dichte Nebel, der seine Vergangenheit verschleiert hatte, gelichtet. Vereinzelt und noch schemenhaft erkannte er manch bekannte Dinge. Namen, die er während all der Jahre in der Bronx nie genannt hatte, schlichen sich aus seinen Mund und hinterließen einen bitteren Beigeschmack. Fragmente der Macht, Alexander, Caligo,… Als dies waren Dinge, die in seiner Vergangenheit eine Rolle gespielt hatten. Sieh nicht zurück, die Erinnerung ist wie ein scharfes Schwert – Es kann dich verletzen Ruckartig wich Kai zurück als die Stimme von Lanson in seinem Bewusstsein widerhallte. Der Schwarzhaarige riss seine Rubinroten Augen auf und starrte mit Entsetzen auf den geschunden Leib seines Kontrahenten. Er hatte nicht bemerkt, wie ihn die Wut und Verzweiflung der letzten Jahre überkam und einen Weg nach draußen fanden. Dunkles Blut sickerte aus der Nase und einer Platzwunde am Kopf, von Alexander. Die Essenz des Lebens beschmutze seine weiße Kleidung, die noch kurz zuvor im Licht des Mondes geleuchtet hatte. „Was zur Hölle ist eigentlich los mit mir?“, wimmerte Kai leise, als würde er mit sich selbst sprechen. „Wieso habe ich keine Kontrolle mehr?“. Es jagte dem Jungen Angst ein, nicht mehr Herr über seinen eigenen Körper zu sein, nicht mehr bestimmen zu dürfen, was er dachte und was er machte. Seine Ohren täuschten ihn schon seit langen Geräusche vor, die nicht existierten, seine Augen sahen Schatten, wo es keine gab und seine Stimme sprach von Dingen, die er noch nie zuvor gehört hatte. Ihm war, als hätte irgendeine fremde Kraft von ihm besitz ergriffen. Dieser Fremde steuerte Kais Körper, so wie er es wollte. Was der Schwarzhaarige dabei empfand interessierte dieses namelose Unheil nicht. Es traf ihn wie ein Schlag. Die Antwort auf all die Fragen war gar nicht soweit weg wie er dachte, eigentlich lag sie sogar direkt vor seiner Nase. Lanson Es musste an dem Wächter liegen, dies war die einzige logische Erklärung. Auf den Schrottplatz hatte es angefangen. Direkt nach seinem Auftauchen war es das erste Mal passiert, dass Kai wie aus dem Nichts Feuer erschaffen hatte. Und so ging es auch weiter. Mit jeden Treffen wurde sein Leidensweg größer und die Schmerzen schlimmer. Kais Atem ging nur Stoßweise, als würde eine starke Hand seine Lunge erdrücken. Dieser ganze Mist mit den Aufgaben war nur aus dem Hirn des Wächters gewachsen, weil er etwas wollte und zwar für sich selbst. Er hatte Kai benutzt als sei er irgendein Lakai. „Dieser verfluchte Wächter, ich werde ihn umbringen“, flüsterte der Schwarzhaarige und ballte seine Hand zu einer Faust. Die kurzen Fingernägel gruben sich schmerzhaft in seine Hand und hinterließen einen geröteten Abdruck. Alexander stand auf und wischte sich mit dem Ärmel seines Shirts das Blut aus seinem Gesicht. Eisblaue Augen blitzten kurz auf. „Welchen Wächter?“, fragte der Rothaarige, der seine Aufmerksamkeit wieder auf Kai lenkte. „Lanson-“ Noch ehe der Schwarzhaarige zu einen weiteren Wort kam, durchzog ein stechender Schmerz seinen Körper. Kurz nur hielt es an, ließ nicht Mal genügend Zeit um einen Aufschrei heraus zu bringen. Sein Bewusstsein wurde von dem Schlag auf den Hinterkopf so übermannt, dass er es verlor. Leblos sackte sein leichter Körper auf den Fußgängerweg zusammen. „Das hast du sehr gut gemacht“. Alexander kannte die Stimme nur zu gut und auch wenn ein Lob von dieser Person selten war und viel galt, konnte er sich an dem nicht erfreuen. Seine eisblauen Augen ruhten noch immer auf seinen Gegner. Wie friedlich er doch da lag. Die Augen geschlossen, das schwarze Haar wehte im lauen Wind und seine Gesichtszüge waren entspannt. Ein schöner Anblick, würde nicht etwas Dunkles, Nasses an seinen Hinterkopf glitzern und seine Haare verkleben. Der Rothaarige konnte den Blutgeruch nur zu deutlich vernehmen. „Es war meine Aufgabe Sir“, entgegnete Alexander höflich, aber keineswegs stolz. „Ich – “. „Schon gut, ich weiß, dass du deine Aufgabe immer zu meiner Zufriedenheit erledigt“, fiel Caligo ihn ins Wort, begleitet von einen anzüglichen Grinsen. „So soll es ja auch sein, bist schließlich ein gut erzogenes Wölfchen. Nicht wahr?“. Der Rothaarige erwiderte nichts darauf, noch immer hingen seine Gedanken in der kürzlichen Vergangenheit fest, die erst einige Minuten alt war. Er hatte ihn nicht wieder erkannt, obwohl es im Restaurant fast danach aussah. Wie konnte er nur? Sie waren zusammen aufgewachsen, haben den gleichen Mist durchgemacht und standen sich so nahe. Das alles soll er einfach vergessen haben? Unmöglich. So etwas vergaß man nicht, es seiden man wollte es nicht anders. Kai wollte sich anscheinend nicht mehr an ihre gemeinsame Zeit erinnern, er wollte vergessen wer Alexander war und verdrängen, was er ihm versprochen hatte. Ein Versprechen, wie er damals sagte, dass er auf jeden Fall einhalten wird. „Hey, ich bin ein Tares… wir halten unser Wort, das kannst du in allen Geschichtsbüchern nachlesen, wo etwas über uns steht“. Dies waren die letzten Worte, die Alexander vor sieben Jahre von ihm gehört hatte. Sie waren begleitet gewesen von einen Lächeln, dass selbst seine Augen erreicht hatten. Aber dieses Versprechen war nichts weiter als eine Lüge! Er hatte sein Versprechen gebrochen und ihn dort alleine gelassen. Vielleicht, so ging es dem Rothaarigen in letzter Zeit schon öfters durch den Kopf, wäre es noch nicht zu spät gewesen. Zwei – drei Jahre früher und es gäbe noch Hoffnung. Aber so? Nein, ausgeschlossen. Alexander war siebzehn Jahre alt, die Phase seiner endgültigen Entwicklung ist beinahe abgeschlossen, eine Resozialisierung wäre undenkbar. Der Pfad seines zukünftigen Lebens war gelegt, Gewohnheiten waren fest verankert und Denkweisen aufs unerschütterliche gesichert. Außerdem verfiel sein Körper bereits. ’Es ist zu spät Kai. Für mich und jetzt auch für dich’. Der Russe beobachtete wie Caligo den schlaffen Körper des Jungen aufhob. Es war eine stille Nacht. Der große Mond wurde von einer schwarzen Wolke verdeckt, selbst die Sterne schienen schwächer zu leuchten. Der Lärm der Großstadt war verstummt, kein Passant kreuzte ihre Wege. Es schien, als wollte selbst die Nacht verschleiern, was in dieser Stunde geschah, dass der Grundstein für das Ende gelegt war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)