Red Tears von Alaiya (Ein Vampirroman) ================================================================================ Kapitel 12: Ein Besuch in Rom ----------------------------- Kapitel 12 John blieb wie erstarrt stehen. Ihm muss sofort klar gewesen sein, was am vergangenen Morgen hier geschehen war. Es war ja auch zu offensichtlich: Ich lag nackt im Bett, meine Kleider waren auf dem Boden verstreut. „Was...“, stotterte John. „Habt ihr etwa...“ Wir schwiegen bedächtig. „Aber ihr... Ihr kanntet euch doch kaum und...“ Mein Bruder wandte sich an Raphael. „Wie konntest du nur? Das hätte ich echt nicht von dir gedacht.“ „Er hat mich nicht gezwungen, Bruder.“, mischte ich mich ein. John schwieg kurz, dann: „Ich hab sie wirklich nicht gezwungen, John, glaub mir.“, meinte Raphael. „Auch wenn ich selbst nicht weiß, was ich mir dabei gedacht habe. Ich weiß einfach nicht was mit mir los war.“, flüsterte er und setzte sich neben mich. „Es tut mir so leid.“ Immer noch leicht zitternd hob ich meine Hand und legte sie auf seinen Rücken. „Das muss es nicht. Ich habe dir es schon einmal gesagt. Ich habe es genossen.“ Es seufzte - wie so oft - strich mir durchs Haar, küsste mich auf die Stirn und stand dann auf. „Ich werde dir Sachen aus deinem Zimmer holen, Liebstes.“, meinte er dann und zog sein Hemd an, bevor er den Raum verließ. Dann war ich mit meinem Bruder allein. Während ich immer noch auf dem Bett lag, blieb er unschlüssig stehen, setzte sich dann aber auf die Bettkante. „Ich kann es einfach nicht fassen...“, stöhnte er. „Du kennst ihn erst seit fünf Nächten.“ „Ich weiß.“, murmelte ich. „Aber er... Ich kann es nicht erklären... Es kommt mir so vor als ob ich ihn schon seit Jahren kennen würde.“ Er schwieg eine Weile. „Ungeschehen machen kann ich es wohl kaum. Es ist dein Körper... Aber einsehen zu müssen, wie sehr du ihn liebst schmerzt mich.“ Er machte eine Pause. „Weißt du: Ich liebe ihn auch, jedoch auf jene natürliche Weise, wie ein Zögling seinen Meister liebt. Immer hatte ich Respekt vor ihm, hab zu ihm aufgesehen, doch jetzt bin ich zum ersten mal wütend.“ Ich richtete mich etwas auf um ihm die Hand auf die Schulter zu legen. „Dann musst du auch auf mich wütend sein. Hätte ich etwas gesagt, mich auf irgendeine Weise gewehrt. Er hätte sofort aufgehört.“, meinte ich. „Er hat mich sogar gefragt, ob er aufhören soll, doch ich habe verneint.“ Meine Stimme war leise, als ich an den vergangenen Morgen dachte. „Ich muss es wohl akzeptieren, wie es ist.“, murmelte John mit leicht bitterer Stimme. „Ich habe dich ja gebeten, dich um ihn zu kümmern. Es ist wohl auch mit meine Schuld, dass es dazu gekommen ist.“ Er beugte sich vor und küsste mich auf die Stirn. Dann zog er mich an sich und hielt mich fest. „Ich wollte dich doch beschützen, Schwester...“ So saßen wir noch da, als Raphael den Raum wieder betrat. Er hatte mir, wie versprochen Kleidung mitgebracht. Ein Kleid, wie er es bevorzugte. John stand auf und drehte sich zur Wand, als ich zum Bad ging um mich umzuziehen, im Gegenteil zu Raphael, der mich sogar musterte. Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, wusch ich mich und zog mir sorgfältig die Sachen an. Fast die ganze Zeit wurde im Nebenzimmer kaum gesprochen. Auch als ich wieder in den Raum kam, starrten die beiden Vampire immer noch schweigend zu Boden. Dann murmelte Raphael etwas: „Ich habe Durst...“ „Iubar hat dich heute Nacht für die Jagdgruppe eingeteilt.“, meinte John. Raphael schwieg nur, sah mich an. „Jagd ihr in der Stadt?“ fragte ich dann. Als Antwort bekam ich von beiden ein Nicken. Ich seufzte. „Kann ich mitkommen?“ fragte ich. „Ich meine in die Stadt. Ich muss ja nicht unbedingt bei der Jagd dabei sein, aber ich würde so gerne einmal Rom sehen.“ „Iubar hat verboten, dass du das Gelände es Palazzo verlässt.“, antwortete John. „Soll das heißen ich soll allein zurückbleiben?“ Enttäuschung schwang in meiner Stimme mit. Mein Bruder schüttelte den Kopf. „Nein, ich werde auch hier bleiben. Ich habe letzte Nacht gejagt.“ „Aber...“ Ich sah ihn verzweifelt an. „Lass sie mitkommen.“, meinte Raphael. „Ich werde auf sie aufpassen.“ „Danke...“, murmelte ich. „Das ist schon in Ordnung.“ Er sah mich an. „Mir ist es sowieso lieber, wenn ich dich selbst beschützen kann.“ „Dann werde ich doch mitkommen.“ John trat zu mir. „Euch kann man ja nicht alleine lassen.“ Er lachte. Also verließen wir kurze Zeit später zu dritt den Palazzo. Draußen standen auf einem Parkplatz mehrere Autos, von denen wir in eines stiegen um dann zum Kern der Stadt zu fahren. Seit meinem siebten Geburtstag hatte ich kaum etwas anderen gesehen, als das Internat und ab und zu in den Ferien vielleicht auch das Haus meiner Tante. Und nun in Rom, einer Stadt die niemals schlief, zu sein, einer Stadt, die noch größtenteils vom alten, romantischen, altrömischen Baustil beherrscht wurde, die in der Lebensfreude ihrer Einwohner blühte, dass schien für mich wie ein regelrechter Traum. Noch dazu in Begleitung von John und Raphael, den beiden Wesen, die ich am allermeisten auf der Welt liebte. Tatsächlich wirkten beide fast fröhlich, während sie mir die, ihrer Meinung nach schönsten Stellen der Stadt zeigten, denn augenscheinlich war es auch für John nicht der erste Aufenthalt hier. Auch von Raphael viel ein Teil seiner sonst allzeit gegenwärtigen Melancholie ab. Wir gingen zusammen in ein Restaurant (natürlich war ich die einzigste die was aß). Besuchten sowohl berühmte Plätze wie die Fontana di Trevi, die spanische Treppe oder das Piazza Navona, als auch kleine, vergessene Orte, fernab von den üblichen Touristenrouten. Raphael kannte viele solcher Orte, an denen man vergaß, aus welcher Zeit man eigentlich kam. Orte, die sich seit seiner Zeit als Sterblicher nicht verändert hatten. Und zu vielen dieser Orte kannte er ganz eigene Geschichten, die von den Menschen schon vor langer Zeit vergessen worden waren. Da die Nacht sternenklar und warm war, waren auch noch einige der Einheimischen auf den Straßen, sogar einige Musikanten. Innerhalb von nur ein paar Stunden hatte ich die Stadt, ihre Bewohner und alles darum herum, so lieb gewonnen, dass ich am liebsten nie wieder weg gegangen wäre. Als es jedoch kurz vor eins war, wurde Raphael zusehends angespannter. Er hatte Durst, das merkte ich, jedoch versuchte er es zu verbergen. Ich wartete noch einige Zeit, doch dann sprach ich ihn darauf an. „Du hast Durst. Habe ich recht, Raphael?“ Es sah mich etwas beklommen an, nickte aber. „Wenn du willst, dass ich nicht dabei bin, kann ich derweil mit John woanders hingehen.“, bot ich an. „Auf keinen Fall!“, erwiderte er fest und sah mich mit festem Blick an. Natürlich war mir klar, dass er in einem Zwiespalt stand: Auf der einen Seite wollte er mich beschützen, auf der anderen Seite jedoch, wollte er mich nicht auf der Jagd dabei haben, wollte nicht, dass ich „das Monster“ in ihm sah. „Das ist schon in Ordnung.“, sagte ich und küsste ihn. Einen Moment schwieg er. „Bist du sicher?“ Ich nickte. Er zögerte immer noch. „Am besten, du folgst mir mit John in etwas Abstand.“, meinte er dann schließlich. Das taten wir auch. Nun führte uns Raphael in eine Gegend der Stadt, die wohl kaum einer der Touristen bisher zu Gesicht bekommen hat. Hier waren die Häuser total verwahrlost und die Straße in so schlechtem Zustand, dass es mehr als fraglich war, ob ein Auto ohne Totalschaden sie hätte passieren können. Die wenigen Straßenlaternen, die es gab, flackerten, wenn sie überhaupt noch Licht verbreiteten. Kurzum: Es war ein Ort, an dem man jeden Moment, erwartete, dass ein Messerstecher oder ähnliches um die Ecke kam. Eine Art Ghetto. „Es wird nicht lange dauern.“, versprach Raphael. John sah sich um. „Irgendetwas stimmt hier nicht.“, murmelte er nervös. „Wir sollten umkehren.“ „Wir sind bald wieder weg.“, gab der andere Vampir zur Antwort. „Es wird uns schon nichts passieren.“ Oh, wie sehr er sich doch irrte. Leise schlich er die Straße hinunter, während mein Bruder und ich an einer Ecke warteten. Wir waren beide angespannt. Auch ich hatte das Gefühl, dass irgendwas hier ganz und gar nicht stimmte. Hatte Raphael sich geirrt? War auf Grund seines Durstes nicht wachsam genug? Kaum war Raphael außer Sichtweite hörte ich schon Schritte hinter mir. John und ich drehten uns fast gleichzeitig um. Ein Riese von einem Mann - offensichtlich Italiener - stand vor uns und sprach uns auf Italienisch an. Stockend erwiderte mein Bruder etwas, doch der Mann beachtete ihn gar nicht und griff stattdessen nach meinem Handgelenk. Er grinste. „Was soll das?“ rief ich, auch wenn der Mann wahrscheinlich nicht verstand. „Lassen sie mich los!“ „Non, Seniorita Aube.”, antwortete der Mann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)