Ageha no kage von VampirSchäfchen (~Schatten des Schmetterlings~) ================================================================================ Kapitel 21: Nyctophobia ----------------------- ....Mau.... Es hat sehr lange gedauert, bis ich dieses Kapitel fertig abgetippt habe, und ich entschuldige mich für die lange Wartezeit. Voraussichtlich werde ich für die folgenden Kapitel nicht so lange brauchen. Ich hoffe irgendwer mag das hier überhaupt noch lesen.... Falls es jemand tun sollte, möchte ich mich dafür bedanken... Ageha no kage – Anhang I. Nyctophobia - Kyo Mit klopfendem Herzen lag Kyo unter der dicken, weichen Decke seines Bettes und lauschte auf die Schritte draußen auf dem Gang. Längst hatte sich Dunkelheit auf das große Anwesen nieder gesenkt, und mit ihr war die Stille gekommen, die ihm erlaubte, die leisen Schritte zu hören. Zitternd wie ein kleines Kind kroch der blonde Junge tiefer unter die schützende Decke und schloss die Augen um sein nur noch vom Mondlicht erleuchtetes Gemach nicht länger sehen zu müssen. Noch mehr als vor der alles erstickenden Dunkelheit fürchtete er sich vor dem Augenblick, da die Tür geöffnet werden würde, und ein schmaler Lichtstrahl in das finstere Zimmer fiel. Immer lauter wurde das tappende Geräusch der Schritte und der Junge unter der Decke hielt den Atem an. Für einen Augenblick der vollkommenen Angst meinte er zu hören, wie die Klinke langsam hinunter gedrückt wurde, doch der andere jenseits der Tür verhielt sich ganz ruhig. Endlich, nach einer quälenden Ewigkeit, entfernten sich die Schritte. Kaum dass die Stille wieder vollständig war, schlug Kyo die Decke zurück und entschlüpfte der scheinheiligen Wärme, die ihn eingehüllt hatte, um sich anzukleiden. Der Mond stand als nahezu perfekter Kreis am schwarzen Nachthimmel und beobachtete, wie er die Knöpfe des weißen Hemdes schloss und sich zögerlich dem Fenster näherte. Er musste hinaus und weg von diesem schrecklichen Ort. Darauf bedacht, nicht den geringsten Laut zu verursachen, öffnete er die gläserne Tür und trat auf den kleinen Balkon hinaus. Die Jahreszeit des Winters war verstrichen, doch hatte sie noch Frost und Kälte zurückgelassen, so dass die Bäume noch immer nackt dastanden und ihre dürren Knochenarme dem Himmel entgegenreckten. Der junge Mann beugte sich tief über das Geländer und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass in den unteren Stockwerken jegliches Licht verloschen war. Vorsichtig und dennoch behände schwang er sich über die Balustrade und fand mit den Füßen Halt im dichten Efeugestrüpp, das sich grün und freundlich die stützende Säule hinauf wand. Wie oft er diesen Abstieg schon bewältigt hatte, wusste Kyo nicht mehr zu sagen, zu zahlreich waren seine nächtlichen Ausflüge geworden. Keiner wusste davon, dass er sich davonstahl, nicht einmal sein Bruder, und es war wichtig, dass dies auch so blieb. Der kleine Blonde sprang zu Boden und begann augenblicklich zu rennen, auf die hohen Bäume zu, die das Anwesen überspannten. Von dem heiseren Krächzen der Raben begleitet, suchte er sich einen Weg zwischen dem Bäumen und Sträuchern hindurch, wobei er sich die Hand heftig an den langen Klauen eines Brombeerbusches aufriss. Nur kurz hielt er inne um die Verletzung zu betrachten und stellte beunruhigt fest, dass der Kratzer recht tief war, und zudem Blut über seine helle Haut rann. Für den Augenblick wusste er nicht, wie er seinem Bruder und seinen Eltern diese Verletzung erklären sollte, und weil er wusste, dass dies nicht der Zeitpunkt war, um darüber nachzudenken, schob er den Gedanken beiseite und setzte seinen Weg hastig fort. Später würde ihm gewiss eine Geschichte einfallen, doch zuvor musste er fort aus diesem Wald kommen. Endlich erreichte die kleine Gestalt eine etwa brusthohe Mauer aus weißem Gestein, die er nur mit sichtlicher Mühe und Anstrengung erklimmen konnte. Das Mondlicht blendete ich beinahe, als er das Astwerk durchbrach und zu ihm empor blickte. Vor ihm lag die düstere Stadt mit ihren rauchenden Schornsteinen und den flackernden Straßenlaternen. Gerüche lagen in der Luft, erstickend und unangenehm und dennoch hieß Kyo sie willkommen wie alte Freunde. Verhasste Freunde, ja, doch waren diese Straßen und Gerüche es vor langer Zeit für ihn gewesen. Es lag bereits so lange zurück, dass seine Erinnerungen daran schon nahezu vollständig verblasst waren, und nur das Wissen blieb, dass sie es einmal gut mit ihm gemeint hatten. Kyo ließ sich von der Mauer gleiten und begann seine Wanderschaft durch die engen Gassen voller Schmutz und Verfall. Am Tage, so wusste er, spielten hier kleine und große Kinder in Kleidern aus Lumpen, zusammen mit solchen, denen es etwas besser ging, und für sie machte es keinen Unterschied, wer der andere war, und woher er kam, denn Kinder scheren sich nicht um Ansehen, oder Ruf. Er selbst hatte niemals an diesen Spielen teilhaben dürfen. Oftmals beneidete er die Kinder, die hier in der schmutzigen Enge spielten, denn sie hatten zumindest Freunde, und die hatte er selbst nicht. Sein Schuh traf eines der kleinen Steinchen auf dem Boden, das daraufhin leise klickend über das Pflaster sprang. Wie schon so oft fragte Kyo sich, was dies nur für ein Ort war, den er seine Heimat nannte, und warum er hier war, und nicht schon lange tot und in der kalten, schmeichelnden Erde. Unter den Menschen hier in den Gassen der Stadt gab es dutzende, die starben, obschon sie weiterleben wollten, und er selbst, der er sich nichts sehnlicher wünschte, als dass der Tot ihn ereilen möge, lebte nach wie vor. Es war ihm ein Rätsel weshalb das Leben auf diese Weise mit seinen Untertanen spielte, wo diese ihm doch nie ein Leid zugefügt hatten. So viele Fragen, die ihm das Gehen schwer machten, und nirgends ein Geschöpf, das ihm auch nur eine einzige Antwort gegeben hätte. Einsam, und nur vom Mond bedacht irrte er durch das Labyrinth der Gassen, die Zeit vergessend, ohne Ziel oder Hoffnung. In dieser Nacht brachte ihn sein Weg tiefer in die Eingeweide der Stadt als je zuvor. Hier und dort war ein leises Rascheln zu vernehmen, gerade laut genug, um ihn zu verschrecken, doch er begegnete keiner Menschenseele, bis er schließlich doch das Stampfen schwerer Stiefel vernahm. Ängstlich drückte er sich in das Dunkel der Mauern und wagte es nicht, sich auch nur das kleinste Bisschen zu rühren, selbst nicht, als die fremden Schritte immer näher kamen. Er konnte nicht sehen, wer dort kam, noch wusste er, was der Fremde zu so später Stunde hier zutun hatte. Erst war das Geräusch von Holz, das auf Stein prallte, zuhören, anschließend ein unheilvolles Knarren, ein hohes Quietschen eines Scharniers, und schließlich ein leises Zischen. Es wurde dunkler in der Gasse. Bereits einen Herzschlag später wurde Kyo klar, was dort vor sich ging, noch ehe der große Mann mit seiner hölzernen Trittleiter an seinem Versteck vorüber ging. Es war der Nachtwächter, der zu dieser Stunde durch die Stadt ging, um nahezu alle Gaslaternen zu löschen. Ein weiteres Mal vernahm er die Abfolge der Geräusche, und plötzlich erfüllte nur noch schwaches Glimmen die Straße. Ein Glimmen, das immer schwächer wurde, und schließlich erstarb. Es war die Laterne des Nachtwächters gewesen, der sich nun auf den Weg zu den anderen Laternen begab, die er in dieser Nacht noch schlafen legen musste. Kyo konnte das Pochen seines eigenen Herzens hören. Nur noch blasses Zwielicht, das seine Umgebung erhellte. Seine Verzweiflung war mit einem Mal so groß, dass er nicht einmal ein Flüstern von sich geben konnte. Angst erfüllt ließ er sich zu Boden gleiten und zog die Beine eng an den Körper. Er musste zurück, noch bevor es dämmerte, doch er traute sich nicht, in das Dunkel zu schreiten. Auf die Stelle, an der er saß fiel ein schmaler Streifen Mondlichts und enthüllte seine zart glänzenden Tränen. …. Ein schwacher Blutgeruch stieg Közi in die Nase und er hob überrascht den kopf. Er war zu einer Feierlichkeit geladen worden, zu der er sich gerade gesellen wollte, in der Hoffnung etwas Geschmackvolles an diesem Ort finden zu können, doch der zarte Geruch war lockender als die Vorstellung sich an einem genusssüchtigen Adeligen zu vergehen, und zog ihn auf eine so intensive Weise an, dass er sich nicht entziehen konnte, schon allein weil die Neugier an ihm nagte, was es wohl für ein Mensch sein mochte, der so überaus appetitlich roch. Deshalb wandte er sich von seinem eigentlichen Weg ab, und folgte dem Duft, der zunehmend an Intensität gewann. In einer kleinen, dreckigen Gasse entdeckte er endlich den Ursprung des verführerischen Geruches: Ein schlanker, junger Mann mit blondem Haar und dunklen Augen, die in der Finsternis fast ebenso schwarz aussahen, wie seine eigenen, welche überdies einen leichten Rotton aufwiesen. Der Junge kauerte zitternd im Licht des Mondes, das weiche Reflexe in seinen Haaren warf und das hübsche Gesicht beinahe in Schatten versinken ließ. Zweifelsohne war er aus hohem Hause, das verriet sowohl sein Körpergeruch, als auch sein Äußeres, wenn auch seine Kleider recht schlicht gehalten waren. Ein kühler Wind kam auf und fuhr sanft durch das Haar der Hochgewachsenen Gestalt, die ihren Blick nicht von Kyo nehmen konnte, aber auch nicht in der Lange war, sich dem hübschen Geschöpf zu nähern. Mit sichtlicher Verwunderung starrte Kyo den Fremden an, der einige Meter von ihm entfernt stand, und ihn ganz offensichtlich beobachtete. Zuerst war der kleine Blonde so sehr durch das Auftauchen des anderen verschreckt gewesen, dass er nicht hatte weglaufen können, weil seine Beine sich weigerten, ihm diesen Dienst zu leisten, doch nun war es etwas anderes, das ihn hielt. Vielleicht war es Neugier, doch es hätte auch die Bedrohlichkeit sein können, die dem unbekannten Rothaarigen anhaftete, der sich ihm nun langsam näherte, wobei jede seiner Bewegungen an ein Raubtier erinnerte, lauernd und präzise doch von einer erschreckenden und verlockenden Schönheit. Für den Jungen bestand nun nicht mehr der Geringste Zweifel, dass der Größere ihm gefährlich werden konnte, doch trotz oder vielmehr aufgrund dieser Erkenntnis verharrte er in seiner zusammengekauerten Position am Boden, und sah den Fremden dabei geradezu erwartungsvoll an. Er hatte etwas sehr Anziehendes an sich mit seinen feinen Gliedern und dunklen Augen, und nicht zuletzt seinen langen, roten Haaren, die seinen hübschen Körper, angetrieben vom Wind, umspielten. Kyo war nicht sicher, ob es nur durch das neblige Licht des Mondes so schien, doch die Haut des Unbekannten war weiß wie Schnee. Weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie das Ebenholz. Dieser Satz ging Kyo unvermittelt durch den Kopf und er schollt sich innerlich für diese Kinderei, und doch war es ihm, als könne dieses Geschöpf vor seinen Augen nichts anders sein, als eine der Gestallten aus den Geschichten in seinen Büchern, die er mehr liebte als alles andere. Gerade als habe er seine Gedanken erraten, lächelte ihn der Größere nun beinahe spöttisch an, und streckte ihm eine blasse Hand entgegen. „Was veranlasst dich dazu, zu einer späten Stunde wie dieser, noch draußen in den Gassen der Stadt zu sein, noch dazu auf dem Boden sitzend?“, selbst die Stimme des Fremdens hatte etwas Lockendes, und gleichzeitig Gefährliches an sich. Der am Boden Kauernde schenkte der ihm dargebotenen Hand jedoch keine Beachtung, sondern sah dem Größeren nur fest in die rotschwarzen Augen. „Wer seid ihr?“ Közi verspürte einen leichten Ärger über diese Unverschämtheit in sich aufkommen. „Mein Name ist für dich nicht von Bedeutung….“, seine Worte waren voller Arroganz und offener Überlegenheit, so dass es nun Kyos Augen waren, in denen es zornig aufblitzte. „Wie ihr es wünscht…“, er richtete sich eigenständig auf, den Schmerz an seiner Hand ignorierend, als die Wunde auf seinem Handrücken wieder aufriss, und er spürte wie Blut über seine Haut rann, und funkelte sein Gegenüber an, „Es war nett mit euch Konversation zu halten, doch es ist nötig, dass ich meinen Weg nun fortsetze. Gehabt euch wohl, mein Herr….“ Der Kleinere wollte sich abwenden, doch er wurde auf eine höchst unsanfte Art zurückgehalten, und fand sich Sekundenbruchteile später gegen das kalte Mauerwerk gedrückt. „Du bist reichlich frech, mein Lieber… Das könnte dir schlecht bekommen…“ Ungeachtet der Drohung in diesen Worten sah Kyo ihn trotzig an. „Da ihr mich aufgehalten habt, wollt ihr mir nun gewiss euren Namen nennen, mein Herr, oder welchen Grund hat es sonst, dass ihr mich so lieblos gegen eine Hauswand drängt?“ Dem Kleineren, und auch offensichtlich Jüngeren, gelang es nicht, den sarkastischen Unterton aus seiner Stimme zu verbannen, und im Grunde kümmerte es ihn auch nicht, ob er den Fremden mit seinen Worten erzürnte. Der Körper des Rothaarigen schmiegte sich aufreizend gegen den seinen. Közi missfiel es zutiefst, dass der Junge es darauf anlegte, ihn zu ärgern, doch er konnte nicht leugnen, dass ihn die Nähe und der Geruch des Jüngeren, besonders der Geruch seines Blutes, verwirrten und seine Blutgier weckten. Er grinste und ließ den Jungen vor sich dabei absichtlich einen Blick auf seine langen Fänge erhaschen. „Warum bist du so erpicht darauf, meinen Namen zu erfahren, Kleiner?“ Der junge Mann betonte das letzte Wort so auffällig, dass Kyo am liebsten nach ihm getreten hätte, doch er rächte sich stattdessen auf eine ganz andere Art, indem er sich seinerseits dem überraschend kalten Körper des Rothaarigen entgegendrückte. „Es zeugt einfach von guten Manieren, und einer Erziehung, die euch nicht zu Gute gekommen zu sein scheint…“ Wutentbrannt fauchte Közi ihn an, und drückte ihn an den Handgelenken fest gegen das Bauwerk, wohl wissend, wie sehr er dem Kleineren damit wehtat. „Du wagst es?“, knurrte er, sein Gebiss entblößend, nicht mehr länger daran interessier zu verbergen, dass er alles andere als ein Mensch war, woraufhin ihn der blonde Junge fasziniert ansah. „Ihr seid ein Vampir…“, stellte er leise, aber sachlich fest, und der Rothaarige ließ verwundert von ihm ab. Es war bereits unendlich lange her, dass jemand erkannt hatte, was er war, noch bevor er seine Zähne in seinem Fleisch gespürt hatte, und dass ausgerechnet dieser Junge es bemerkt hatte, erfüllte ihn gleichzeitig mit einem unbestimmten Gefühl des Ärgers. „Du hast wirklich eine prächtige Phantasie, mein Lieber…“, spottete er, verzichtete jedoch darauf, ihn erneut ` mein Kleiner´ zu nennen, sondern musterte ihn erneut voll Aufmerksamkeit. Kyo ließ sich von seinen Blicken nicht beeindrucken und streckte nach kurzem Zögern sogar die Hand aus, um flüchtig die Haut am Hals des Vampirs zu berühren, wenig überrascht über ihre Kälte. Der Vampir erschauderte merklich unter der zarten Berührung, erzürnt über sich selbst, weil er dieses Zeichen seiner Schwäche zugelassen hatte. „Ich habe Recht. Ihr seid ein Vampir….“, äußerte der Junge seine Erkenntnis, und entlockte dem Älteren damit ein raues Lachen. „Und was ist es, das dich deiner Sache so sicher macht?“, seine Stimme klang nicht halb so unfreundlich, wie er es beabsichtigt hatte, was nicht zuletzt an der warmen Hand lag, die nun auf seinem Hals ruhte, und die er dort geduldet hatte, ohne sich zu rühren. „Ich weiß es einfach…“, antwortete der zierliche Sterbliche nach kurzer Verzögerung, und Közi konnte nicht anders, als erneut aufzulachen. Dass Menschen es nach so langer Zeit noch fertig brachten, ihn zu überraschen, belustigte ihn und machte ihn zu gleich noch etwas neugieriger, als er es ohnehin schon war, ohne dass er es sich hatte eingestehen wollen. „Wie lautet dein Name?“, wollte er in einem gebieterischen Tonfall wissen. Der Angesprochene sah ihn für einen Moment trotzig an. „Mein Name ist Kyo….“, er sah den Größeren fest an, „werdet ihr mir nun den euren nennen?“ „Közi….“, der Vampir näherte sich ihm wieder, „und? Bist du nun zufrieden, weil du weißt, wie ich heiße?“ Zu seinem beinahigen Entsetzen nickte der kleine Blonde und lächelte ihn dazu auf eine Weise an, die ihm auf zweierlei Arten den Verstand zu rauben drohte, denn zum einen sah er liebenswert aus, wie ein kleines Kätzchen, das soeben eine ausgiebige Streicheleinheit eingefordert hatte, und zum anderen machte es ihn stutzig, dass dieser sich nicht die geringsten Gedanken darüber zu machen schien, dass er einem Vampir gegenüberstand, der noch dazu zum wiederholten male seine verletzte Hand fixierte. „Verspürst du tatsächlich keine Furcht vor mir? Ich könnte dich verletzen, oder sogar töten…“, ein schwaches Kopfschütteln war die einzige Antwort, die er bekam. Der lockende Duft des Jungen würde ihm plötzlich in aller Stärke bewusst, und ein unbändiges Hungergefühl kroch in ihm empor. Sehr behutsam griff er nach der zerkratzten Hand des Jüngeren und besah sich die empfindliche Wunde, aus der noch immer Blut austrat, da der Schorf bei jeder Bewegung der Hand wieder nachgab, so dass sich ein dünnes Rinnsaal über die blasse Hand zog. „Da hast du dich aber ganz schön heftig gekratzt…“, stellte er versonnen fest während er die pulsierende Gier in sich zu unterdrücken suchte. Langsam führte er die fremde Hand an seine Lippen und nahm behutsam das bereits erkaltete Blut auf. Kyo wehrte sich nicht, sondern gab nur einen Schmerzeslaut von sich, als die Zunge des Vampirs über die offene Wunde fuhr. Ein warmes Schaudern überkam den Vampir, der nun sanft an der Wunde zu saugen begann, Kyo ganz bewusst ein schmerzerfülltes Aufkeuchen entlockend, betört vom Geschmack seines Blutes, seinem Geruch und seiner Stimme, oder viel mehr dem Aufkeuchen, das er nicht zurückhalten konnte. Grinsend ließ Közi von seiner Hand ab, und legte stattdessen die Arme um die Hüften des Kleineren. „Hast du noch immer keine Angst? Ich könnte dich gleich hier nehmen, keiner der Menschen in dieser Gegend würde dir helfen, egal wie laut du auch schreist…“, er zog ihn näher an sich und vernahm nun den Herzschlag seines Opfers in voller Deutlichkeit. Erst noch rasend und unruhig schlug das Herz des Jungen in seiner Brust, jedoch erholte sich sein Gegenüber nur allzu schnell von dem Schrecken, falls es überhaupt Schrecken gewesen war. Ein anzügliches Grinsen zierte die Lippen des Rothaarigen, als ihn die Erkenntnis traf, dass Kyo alles andere als Angst empfunden hatte, und dass sein Herz nicht vor Furcht so schnell geschlagen hatte. Weiterhin grinsend und über diese Wendung überaus erfreut drängte er sich näher an den warmen Körper des Blonden, um diesem auf diese Weise sein Anliegen nahe zu bringen, doch dieser wand den Kopf zur Seite, und schlag die Augen nieder, um sich schließlich aus der Umarmung des Untoten zu befreien. „Was soll das?“, knurrte der Größere aufgebracht darüber, dass dieser spezielle Mensch sich nie so verhielt, wie er es wollte. „Was soll schon sein, mein Herr? Für mich wird es Zeit, meinen Rückweg zu suchen, denn wie sonst soll ich noch vor den ersten Sonnenstrahlen in mein Bett zurückkehren?“ Eine Augenbraue gehoben beobachtete Közi, wie sich das hübsche Geschöpf leicht vor ihm verneigte, um sich darauf mit einem traurigen Blick von ihm abzuwenden. Gleichgültig zuckte er mit den Schultern, denn es gab für ihn keinen Grund, dem Jungen nachzulaufen. Abgesehen davon, dass er verdammt gut roch, und sogar noch besser schmeckte, war nichts Besonderes an ihm. Außer vielleicht dass er ihn als einen Vampir entlarvt hatte, und ihn zu dem auch noch abgewiesen hatte, und ihm frech gekommen war und dazu noch… Közi knurrte vor sich hin, verärgert darüber, dass man ihn abgewiesen hatte, obwohl er sich so darauf gefreut hatte, den hübschen Blonden zu spüren, und dass er immer noch Interesse an ihm hatte, machte ihn zusätzlich wütend. Wenn Kyo ihm die kalte Schulter zeigte, würde er dasselbe tun. Ruckartig drehte er sich in die Richtung, aus der er gekommen war, in der festen Absicht, sich nun einen appetitlichen Adligen zu angeln, blieb jedoch schon nach wenigen Schritten stehen, und schwang sich, nachdem er sich innerlich dreimal verflucht hatte, auf eines der Dächer hinauf. Dem Objekt seiner Begierde zu folgen, war alles andere als schwer, da er von seinem Blut gekostet hatte, und seinen Geruch nun noch stärker wahrnahm, als zuvor. Sehr bald, nach einer kurzen Zeit der Verfolgung, wurde dem Rothaarigen jedoch klar, dass Kyo sich nicht einmal sicher war, in welche Richtung er gehen musste, um nachhause zu gelangen, geschweige denn wusste, welche Straßen ihn zu seinem Ziel bringen würden, so dass er zusehends wieder der Angst und Verzweiflung verfiel, in der er ihn vor wenigen Minuten vorgefunden hatte. So etwas wie ein Gefühl der Zuneigung überkam die auf einem Dach hockende Gestalt mit den wehenden roten Haaren. Dieses kleine Geschöpf, das sich nun hilfesuchend in der kalten und dunklen Gasse umsah, wirkte viel zu unschuldig und naiv für diese Welt, in der sich jeder am Leid des anderen zu erfreuen pflegte. Nach reichlichen Überlegungen und weiteren unbeholfenen Versuchen Kyos, sich in der Düsternis zu orientieren, gestand sich der schlanke Vampir schließlich seine Niederlage ein, und stieß sich von den unregelmäßigen Schemeln des Daches ab, um leichtfüßig hinter Kyo zu landen, der so sehr erschrak, dass er davongelaufen wäre, hätte ihn sein Verfolger nicht von hinten umarmt und auf diese Weise bewegungsunfähig gemacht. „Ihr? Aber warum….?“, der Jüngere war nicht in der Lage zu verbergen, wie durcheinander er war. „Alleine wirst du den Weg nicht finden, und ich kenne beinahe jeden noch so kleinen Winkel dieser vermaledeiten Stadt“, Közi ließ es zu, dass sich der Kleinere in seinen Armen herumdrehte. Doch die einzige Reaktion auf sein verborgenes Angebot war ein verwirrtes Blinzeln. „Verdammt… Sag mir einfach wo euer Anwesen liegt, und ich werde dich dort hin geleiten, denn so planlos, wie du durch die Gegend schleichst, wirst du niemals bis zum Sonnenaufgang irgendwo ankommen“, schäumte der blasse junge Mann auf und nahm seinen Leckerbissen bei der unverletzten Hand. „Ich danke euch…“, kam es leise von Seiten seines Opfers. „Wenn ich an deiner Stell wäre, würde ich mir im Augenblick noch für gar nichts danken, Abendessen…“ „Aber mit dem Essen spielt man nicht….“ Közi sah den Blonden verständnislos an, und nun war es Kyo, der leise lachte. „Du hast mit mir gespielt, und da man das mit dem Essen nicht macht, wird aus deinem Abendbrot wohl nichts…“ Der Vampir behielt jegliche Belehrungen über sein Essverhalten für sich, und schüttelte nur stumm den Kopf, ehe er sich nach der Adresse seines Begleiters erkundigte, und ohne zu zögern den Weg erwählte, der am schnellsten zu dem großen Anwesen führte. Ihr Weg verlief schweigend, doch der Rothaarige ertappte sich wiederholt bei dem Versuch, dem Kleineren Fragen über sein Leben zu stellen, obschon er bereits vor einiger Zeit beschlossen hatte, seiner Nahrung nicht mehr persönlich nahe zu kommen, da er zu oft hatte erfahren müssen, dass dies nur Unglück mit sich brachte. Menschen taugten nur für das kurze Vergnügen, eine Belustigung, mit der man sich höchstens einen Monat lang die Zeit vertrieb, ehe man ihrer überdrüssig wurde, oder von Gefühlen anderer Art geleitet, ihrem Leben ein jähes Ende bereitete…. Unter dem hellen Mond war die Nacht befremdend hell und ungewohnt, doch Kyos Angst vor der Dunkelheit wurde nicht durch das Licht des Mondes vertrieben, sondern vielmehr von dem Wesen an seiner Seite, das ihm im Grunde zusätzlich hätte Angst einjagen müssen. Ihm schien ist nicht so, als ob es zu den Gewohnheiten jenes Geschöpfes gehörte, anderen auf diese Weise zu helfen, erst recht nicht ohne Hintergedanken, und doch verspürte er keinen Argwohn. Endlich, und doch nach viel zu kurzer Zeit, gelangten sie in eine Gegend, in der dem Jüngeren die Häuser zunehmend bekannter wurden, doch er verschwieg diese Tatsache aus Gründen, die er selbst nur zur Hälfte verstand. Alles was er wusste war, dass er die Anwesenheit des anderen genoss, und sich paradoxer Weise in seinem Beisein sicher fühlte. Seine Grübelei wurde dadurch unterbrochen, dass sie das verschlossene Tor der Villa erreichten, und ihn der Vampir nach kurzem Zögern freigab, ihm fragende Blicke zuwerfend. „Ich werde über das Tor klettern. Bei Nacht hört es keiner, denn sie schlafen alle…“, erklärte er dem Größeren und spürte gleichzeitig, dass ihn Trauer befiel, weil ihm klar wurde, dass sich ihre Wege nun trennen würden. „Nun denn… Aber ich denke, dass mir eine Frage gestattet sein wird. Warum schleichst du dich des Nachts heimlich aus dem Haus, und irrst in den Straßen umher, um dich letzten Endes sogar zu verlaufen?“, nun hatte Közi doch jene Frage gestellt, die ihn fast den gesamten Weg lang beschäftigt hatte, und nicht zum ersten Mal an diesem Abend verwünschte er sich selbst. „Es ist mir verboten, das Haus zu verlassen. Mein Bruder hat es so gefordert, und meine Eltern willigten ein, und darum kann ich nur in der Dunkelheit, wenn alle anderen schlafen, für ein paar Stunden entkommen…“ Mitgefühl regte sich in der Brust des Vampirs, und zu gerne wäre er wütend auf Kyo gewesen, weil er Gefühle in ihm wachrief, die er grundsätzlich unter Verschluss hielt, doch er konnte es nicht, da der schmale Junge in diesem Augenblick unendlich verletzlich und unglücklich wirkte. Ohne um Erlaubnis zu fragen, hob der Ältere das hübsche Geschöpf hoch, und erntete dafür sofort heftiges Murren und einen bösen Blick, der sich in eine Miene der Erschrockenheit wandelte, als er sich vom Boden abstieß, und im nächsten Augenblick zielsicher auf den schmalen Streben des schmiedeeisernen Tores aufsetzte, nur um daraufhin wieder zu Boden zu springen. „Wie macht ihr das?“, Kyo war sichtlich beeindruckt, doch sein Träger zuckte nur mit den Schultern, da er nicht gewillt war, ihm zu erklären, dass diese Fähigkeiten sich nach und nach entwickelten. „Hat dein Gemach einen Balkon?“, wollte er stattdessen wissen. Der Junge nickte und wies dem Vampir die Richtung an, während dieser sich auffallend hektisch bewegte, so dass Kyo unweigerlich der Gedanke kam, dass er ihn so schnell wie nur irgend möglich absetzen wollte. Tatsächlich fiel es dem rothaarigen Vampir schwer, nicht über den anderen herzufallen, selbst noch als er ihn bereits in seinem Zimmer abgesetzt hatte, und er ihm im Halbdunkel gegenüber stand. „Ich danke euch wirklich sehr. Wäret ihr nicht gewesen, wäre ich in große Schwierigkeiten geraten…“, der Junge verbeugt sich, und als er sich wieder aufrichtete, hatte ihm Közi bereits den Rücken zugedreht. „Lebe wohl, Kyo… Wir werden uns nicht wieder sehen….“, plötzlich drehte er sich wieder herum, ein breites Grinsen auf den Lippen, „zumindest nicht in dieser Nacht…“ Er küsste den vollkommen unvorbereiteten jungen Mann auf die weichen Lippen, für einen Moment ein warmes Drängen in sich spürend, und er erreichte den Balkon noch bevor Kyo sich zu einer Reaktion durchringen konnte. Sich elegant über das Geländer schwingend entschwand er den Blicken seines gänzlich verwirrten Opfers, das nun unbeweglich auf den Balkon starrte, ehe sich ein zorniger Ausdruck auf seine Züge legte, der wenige Sekundenbruchteile später von einem schwachen Lächeln abgelöst wurde. Er mochte den blassen Rothaarigen, ganz unabhängig davon, dass er kein Mensch war. Zaghaft näherte er sich der Glastür, die nach draußen führte, und schloss diese, nicht ohne sich noch einmal nach Közi umzusehen, obschon er wusste, dass dieser bereits weit weg war. Nachdenklich zog er die schweren Vorhänge ein wenig zu, und entkleidete sich, seine Sachen anschließend ordentlich verstauend. Mit deutlichem Unbehagen wandte er seine Aufmerksamkeit seiner Hand zu, die Dank der Bemühungen des Vampirs kaum noch blutverschmiert war, und die Verkrustung der Wunde war ebenfalls gering, doch zu übersehen war der tiefe Kratzer keines Falls. Gewiss würde er ihn für eine gewisse Zeit unter langen Rüschenärmeln verbergen können, doch dass sein Bruder seiner gewahr wurde, war unausweichlich. Allein der Gedanke daran, wie es sein würde, wenn er dem Älteren Rede und Antwort über die Herkunft dieser Verletzung stehen musste, ließ Übelkeit in ihm aufsteigen, so dass er ihn verbannte. Bevor er in sein Bett schlüpfte, wusch er die letzten Spuren des Blutes mit kaltem Wasser von seiner Haut. Unter den Decken zusammengerollt schlief er bald ein, ermüdet durch die ungewohnte Aufregung. …. Auf der Suche nach einem neuen Opfer streifte Közi durch die nächtlichen Gassen. Noch immer meinte er die Wärme Kyos zu spüren, das Schlagen seines Herzens zu hören, seinen angenehmen Geruch in der Nase zu haben, und es machte ihn so rasend, dass er am liebsten umgekehrt wäre, um sich zu nehmen, was er wollte. Zu warten war er nicht gewohnt, und überdies hasste er es über alle Maßen. Und dennoch redete er sich in einen Fort ein, dass ihm der Weg zurück zu dem großen Anwesen zu weit sei, und er wand sich einer Straße zu, in der ausschließlich Häuser der Mittelschicht standen. Unter dem nächst besten Fenstern hielt er inne, und machte es sich wenige Sekunden später auf der Fensterbank bequem. Da er sich nicht darum bemüht hatte, dabei leise zu sein, erwachte in dem großen Bett auf der anderen Seite des Zimmer die junge Frau, die dieses Gemach ihr Eigen nannte, aus ihrem Schlaf und setzte sich verwirrt auf. Als sie den fremden Eindringling entdeckte, legte sich ein hochnäsiger Ausdruck auf ihre noch fast jugendlichen Züge. „Was willst du hier?“, über so viel Respektlosigkeit und Selbstüberschätzung lachend, ließ sich der Vampir von der Fensterbank gleiten, und näherte sich mit lang gezognen, eleganten Schritten der eben erst Erwachten, die sich nun auf dem Bett arrangierte, wie auf einem Präsentierteller, um einen anziehenden Eindruck zu machen. „Ich kann mich nicht entsinnen, dich zu mir eingeladen zu haben, mein Hübscher, doch ich denke ich könnte dir diese Frechheit unter gewissen Umständen verzeihen….“, ganz augenscheinlich hielt sie sich für äußerst bezaubernd und war geschmeichelt über diese unerwartete und ebenso schmackhafte Gesellschaft, die ihr zu Gute kam. Ihre Begierde und Unverfrorenheit ging sogar so weit, dass sie den Fremden ungeduldig zu sich herunter zog, in der offenen Absicht ihn zu küssen, doch der Vampir entzog sich geschickt ihrem Griff und schüttelte den Kopf über ihr Benehmen. „Ihr haltet euch anscheinend für unwiderstehlich, meine Dame….“, spottete er und strich sich das lange Haar zurück, „Doch würdet ihr auch dann noch so reden, wenn ihr wüsstet, dass ihr sterben müsst?“ Er lächelte auf seine für diesen Abend auserkorene Mahlzeit hinab, die nun erbost aufstand. „Verlasse auf der Stelle dieses Haus, denn sonst werde ich jeden wecken, den ich finden kann, auf dass sie dich jagen und strafen mögen, denn du hast mich beleidigt…“, energisch wand sie ihm den Rücken zu, bereit zur Zimmertüre zu hasten, falls es nötig wurde, konnte sie doch nicht ahnen, dass dies ein großer Fehler war. „Schreit nur, meine Liebe, schreit, denn es wird euch nichts nutzen…“, eine Hand legte sich auf ihren Mund und nahm ihr den Atmen, ehe sie einen grausamen Schmerz fühlte, als der Vampir ihr in den Hals biss, das jungendliche Fleisch geradezu zerriss und sich an ihr näherte, das Aufgebärden ihres Körpers in Todesaussicht genießend, ehe er die Hand zurück zog, und das Mädchen zu sich umdrehte. Ihr einstiges Schreien war zu einem kraftloses Wimmern geworden, und sie war so schwach, dass sie kaum die Hand heben konnte, und doch klammerte sie sich in den Kleidern des Rothaarigen fest, und fiel vor ihm auf die Knie, leise um ihr Leben flehend während sie spürte wie ihr eigenes Blut ihr Nachtgewand tränkte. „Bitte…. Ich flehe dich an… Ich will nicht sterben… noch so jung… noch so viel… so viel…“, sie weinte und spürte gleichzeitig wie ihr Leben mehr und mehr schwand, im gleichen maße wie sich der dünne Stoff mit Blut voll sog. Ein elendes Ende, das sie nicht erdulden wollte. „Soll ich dich befreien, von deinen Schmerzen?“, säuselte Közi süß und kniete sich zu ihr nieder. Die junge Frau nickte flehend. „Rettet mich…“, sie wollte Leben, und der Vampir spürte es mit jedem seiner Sinne. Er nahm das Gesicht der Sterbenden in seine Hände und lächelte sie an. „So seiest du nun erlöst….“ Es knackte hässlich, als er ihr das Genick brach. Seltsam verdreht lag sie da als der Rothaarige sie durch das Fenster verließ, ein zufriedenes Lächeln auf den blutigen Lippen. Zu dumm, dass dieses Frauenzimmer nie erkannte hatte, wie unansehnlich sie gewesen war. Augenblicke später war er eins geworden mit der Nacht. Der Tag lag bereits in der Luft auch wenn er noch nicht gefährlich nahe war, und Közi machte sich gemächlich an den Heimweg. ~+~ Eben hatte sich der Tag verabschiedet und die Nacht die endgültige Herrschaft übernommen, als Közi langsam aus der verzehrenden Dunkelheit erwachte, sich langsam regte und schließlich den Deckel des Sarges aufstieß, um sich aufzusetzen. Die Finsternis der alten Familiengruft war undurchdringlich und vollkommen und es war kein Laut zu vernehmen. Közi entzündete eine kleine Gaslampe und blau flackernd verdrängte sie das Dunkel um ihn her, so dass er seiner Schlafstätte entsteigen konnte. Sogleich wandte er sich dem Ausgang zu, darauf bedacht so schnell wie nur irgend möglich der nach altem und neuem Tot riechenden Luft zu entrinnen. Der Vorbesitzer des Anwesens war erst vor kurzem hier zu Ruhe gebettet worden. Sein Verscheiden war rätselhaft und ungewöhnlich gewesen, und man hatte den Mörder oder die Todesursache nie herausfinden können. Der Vampir lachte leise bei der Erinnerung an eben jenen jungen Mann, der nun wenige Meter von ihm entfernt langsam verrottete. Wäre er wenigen einfältig gewesen, würde er jetzt noch unter den Lebenden wandeln, doch er hatte sich dem Rothaarigen so offen angeboten, dass dieser gar nicht anders konnte als ihn zu verführen, ihm den Kopf zu verdrehen, so dass er schließlich von ihm zum Erben des gesamten Anwesens erklärt wurde. Mit dieser Dummheit besiegelte der junge Herr sein eigenes Schicksal. Wenn man wusste, wie man sie zu nutzen hatte, war menschliche Einfalt ein wahrer Segen, dass hatte Közi recht früh gelernt und sich seither dieser Schwäche bedient. Die Lippen noch immer zu einem Grinsen gekräuselt stieß er die robuste und reich verzierte Tür, die zu den Gängen der Gruft führte, auf und trat in die Nacht hinaus. Die Bäume warfen lange, dürre Schatten und griffen nach dem kleinen Lichtkreis, den seine Laterne schuf, unter dem Einfluss der Winde murmelnd und ächzend. Hell und klar beschien der Mond diese neue Nacht, von der Közi noch nicht wusste, wie er sie nutzen wollte, denn im Grunde machte es für ihn keinen Unterschied. Unendlich viele Nächte lagen hinter ihm, und mindestens ebenso viele mochten noch vor ihm liegen, und so war ihre Bedeutung verloren gegangen, zerstört durch die Ewigkeit, die jeden Sinn zu zerstören vermag. Als Asagi noch an seiner Seite geweilt hatte, war dieses Gefühl der Endlosigkeit nicht so beklemmend gewesen, wie in diesem Augenblick, da er der Dunkelheit ganz alleine gegenüber stand, all diese Nächte alleine verleben musste ohne einen Gefährten der ihm den Weg erleuchtete. Asagi hatte es gekonnt. Bei der Erinnerung an das hübsche, schwarzhaarige Wesen biss er sich heftig auf die Lippen und ein Gefühl der Übelkeit breitete sich in ihm aus. Es war besser alleine zu bleiben als erneut eine solche Wunde beigefügt zu bekommen, wie Asagi es getan hatte, als er ihn verließ. Die schönen Erinnerungen, die sie teilten, waren nunmehr ein Fluch, der ihn in Nächten wie diesen zu quälen pflegte, und den Gedanken an die Ewigkeit zu einem schmerzlichen Pulsieren in seinem Inneren machte. Die einzige Zuflucht war die Wut, der sich der Rothaarige in diesem Augenblick ergab um den Schmerz zu verdrängen. Kurz verweilte sein Blick auf den spottenden Bäumen ehe er sich dem großen Gebäude zu wand, das er sein Zuhause zu nennen pflegte, um sich frisch anzukleiden. Diese Nacht bot weitaus angenehmere Dinge als nur der Vergangenheit nachzuhängen. Zu diesen Dingen zählte er vor allem die Jagt, denn obschon sie ihm anfänglich so unendlich widerstrebt hatte, fand er nun gefallen daran, Menschen in ihrer Todesangst blind für alles durch die engen Gassen zu verfolgen bis sie erkannten, das es keines Ausweg mehr gab. Es bereitete ihm unendliches Vergnügen ihnen den Weg abzuschneiden und ihre ungläubigen und von Panik gezeichneten Gesichert zu sehen, zu erkennen wie armselig sie waren, hässlich und arrogant bis zum Schluss, wie auch er selbst. Jedoch stand ihm zu dieser Stunde nicht der Sinn danach, verängstigte Menschen durch dreckige Gassen zu hetzen, denn kaum dass er von dem Vergangenen abließ, drängten sich seine Gedanken um Kyo, der in der vorangegangenen Nacht sein Interesse ebenso wie seinen Ehrgeiz erweckt hatte. Es verlangte ihm auf zweierlei Weise nach dem zierlichen Jungen, der sich so vehement gegen ihn sperrte in all seiner verlockenden Unschuld. Während der Vampir sein langes, rotes Haar kämmte, sann er darüber nach, wie er sich Kyos bemächtigen konnte, ohne ihn mit Gewallt dazu zu zwingen müssen, denn diese Art ein Ziel zu erreichen war ihm bereits vor Jahren zu wider geworden, da sie nichts Neues zu bieten vermochte, und überdies auch nur ein Spiel von sehr kurzer Dauer darstellte. In den Spiegel blickend wurde Közi klar, dass er im Grunde, und ohne dass er es sich recht eingestehen wollte, vor Wut kochte. Da bemühte er sich so voller Hingabe um den kleinen Blonden, zeigte ihm den Weg nachhause und brachte ihn sogar bis in sein Zimmer, und trotzdem hatte dieser nichts Bessres zu tun, als ihn weiterhin strickt abzulehnen. Seine Gedanken glitten zu dem weichen Harr des Jüngeren ab, den hübschen Lippen, seinem weichen Hals, den blassen Handgelenken, seiner Schwäche und seinem warmen, duftenden Körper. Ohne Vorwarnung zerriss ein Klirren die Stille, die bis zu diesem Augenblick alles umfangen hatte, da Közi seine Haarbürste nach seinem eigenen Spiegelbild geworfen hatte, das nun tausendfach zu ihm aufblickte als er einige der Scherben mit dem Fuß anstieß. Kerzenlicht brach sich in den Splittern und warf flackernde Reflexe an die Wände des Gemaches. Seine Pläne für diese Nacht standen nun fest. Ungeachtet der Verwüstung, die er in dem Raum mit dem Bett, auf dem er gelegentlich lag, um zu lesen, angerichtet hatte, machte er sich auf den Weg um demjenigen jungen Mann, der ihm so eindrucksvoll die Gedanken verwirrte, einen Besuch abzustatten. Eine gewisse Vorfreude trieb ihm ein weiches Grinsen auf die Lippen. Dieses Mal würde er ihm nicht so einfach davonkommen, das stand für ihn fest. Von den Schatten der Nacht schützend umhüllt huschte er durch die Straßen und Gassen der schlafenden Stadt mit ihren toten Augen, die unter dem blassen Mond lag und sich in seinem Lichte badete, als könne sie damit den Schmutz und die Niedertracht der Menschen von sich waschen. Instinktiv wählte der Vampir sich die kürzesten Wege zu seinem Ziel aus, begierig wieder in die Nähe des Objektes seiner Begierde zu gelangen, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass er seit der Zeit, da er mit Asagi zusammen gewesen war, nicht mehr so viel Ungeduld und Erwartung verspürt hatte. Er spürte, was es bedeutete am Leben zu sein, obschon sein Leben das eines Verdammten war… Still und verlassen lag das große Anwesen vor ihm, wie schon in der vergangenen Nacht, doch besah er es sich, als sei es das erste Mal, da er es erblickte. Gerade als er sich daran machte, das hohe Tor zu erklimmen, hielt er inne und ein irritierter Ausdruck legte sich auf seinen totenblassen Züge. In der Luft lag ein schwacher Geruch von Blut, eben wie jener, der ihn in der vergangenen Nacht zu Kyo geführt hatte, doch schien er nun intensiver. Gerade noch so langsam dass man seine Bewegungen noch nicht hastig nennen konnte, überwand er das vor ihm liegende Hindernis und lenkte seine Schritte über die beschattete Fläche, zielstrebig auf den Balkon zusteuernd, der zu dem Gemach des Kleineren gehörte. Ohne Mühe und nun beinahe schon panisch erklomm er eben diesen Balkon und hielt auf ihm stehend kurz inne. Der Blutgeruch war nun überwältigend und es bestand nicht mehr länger der geringste Zweifel daran, dass der kleine Blonde verletzt sein musste, wenn auch sein Herzschlag in diesem Augenblick so ruhig ging, als ob er schlafen würde. Darum stieß der Rothaarige die gläserne Tür sehr behutsam auf, und trat durch die Vorhänge hindurch in das Gemach. Der sich ihm bietende Anblick brachte Közi nahezu um den Verstand und er konnte für ein paar Sekunden nicht weiter tun, als regungslos zu verharren um jede Kleinigkeit der Szenerie in sich aufnehmen zu können. Wie er bereits vermutet hatte, lag Kyo zusammengerollt in seinem Bett und schlief, doch lag sein zierlicher Körper bloß da, nur halb von dünnen Leinentüchern bedeckt, die seine weiche Haut preisgaben. Das spärliche Mondlicht enthüllte lange Kratzer und dunkle Flecken auf seinem zarten Körper, und die Spuren von Tränen auf seinen Wangen. Durch das leise Rascheln der Vorhänge, als sich der Eindringling aus seiner Starre löste und auf ihn zu trat, gestört drehte sich der Schlafende auf den Rücken und bescherte dem anderen auf diese Weise ein wohliges Verzücken. In seinen Augen war Kyo bildhübsch, und es viel ihm unsagbar schwer, die Beherrschung nicht zu verlieren, nun da er sich auf dem Rand des Bettes niederließ und sich über ihn beugte. Die zahlreichen auf dem Boden verteilten Kleidungstücke und der Zustand des Kleineren machten es ihm einfach, zu erraten was sich noch vor kurzem in diesem Zimmer zugetragen haben musste, und eine plötzliche und unbändige Eifersucht keimte in Közi auf. Er allein sollte Kyo auf diese Weise zurichten dürfen, und sonst niemand. Rastlos glitten seine Blicke über seinen warmen, weichen Körper ehe er ihm über die nackte Brust zu seinem Bauch hinunter strich, und schließlich sogar die Innenseite seiner schlanken Oberschenkel streifte. Im Grunde war es ganz einfach zu erlangen, wonach ihm gierte. Unter seinen tastenden Händen schreckte Kyo aus seinem unruhigen Schlaf auf. Voll Erschrecken weiteten sich seine geröteten Augen als er den Eindringling erkannte, und er wich bis zur Wand hinter dem Bett zurück, und versuchte beschämt und verzweifelt seinen nackten Körper unter der Decke zu verbergen, die der Rothaarige jedoch grinsend festhielt. Tränen rannen über die blassen Wangen seines Gegenübers. „Seht mich nicht an…. Hört auf mich so anzusehen…. Geht… Bitte….“, er zog die Beine an den Körper um zumindest einen kleinen Schutz vor den Blicken des anderen zu haben, der nun zu ihm auf das Bett kroch und ihm sanft die Hand auf die Wange legte. „Was hast du denn? Willst du mich nicht auch an dem Vergnügen teilhaben lassen, dich zu spüren?“ Schlagartig wurde Kyo ganz ruhig und sah ihn traurig an, ehe er den Kopf zur Seite abwandte. „Seid ihr nur deshalb hierher gekommen?“, er sucht seine Bitterkeit zu verbergen, das Gefühl der Leere, das ihn langsam befiel. „Warum sollte ich sonst hier sein?“ Der Kleinere spürte die Hand nun über seine Schulter streichen. Er war so dumm gewesen, etwas anderes zu glauben. „Wenn… das wirklich so ist, so nehmt euch, was ihr wollt… Ich werde euch nichts verwehren…“, er gab jeglichen Widerstand auf spreizte die Beine einwenig, aufreizend, einladend. Ihm war es gleich, was Közi mit ihm machen würde. Für einen Moment hatte er zu hoffen gewagt, doch nun wollte er diese Hoffnung nicht mehr. Über ihm biss sich der Vampir sich auf die eigene Unterlippe um nicht über den betörenden jungen Mann herzufallen, der sich ihm bereitwillig anbot. Jedoch übersah er nicht die Trauer, unter der sein Opfer litt. „Du willst, dass ich dich töte, habe ich Recht?“, er brauchte keine Antwort um zu wissen, dass er richtig lag. Die dunklen Augen des Blonden suchten die seinen. Közi widerstand dem Drang nicht länger und strich fordernd über die weißen Oberschenkel des Kleineren, verzückt grinsend als dieser die Augen schloss und die Lippen aufeinander drückte. Sich gegen ihn drängend, schob er sich über ihn und spürte wie Kyo es ihm zögerlich gleichtat, die Kleider des Oberen ebenso auf seinem nackten Leid fühlend, wie seine Zunge, die ihm über Schulter und Hals leckte. Sein leises Aufkeuchen ließ den Vampir innerlich erzittern, und beinahe zärtlich schlang er die Arme um den weichen Körper des Jüngeren, seinem unregelmäßigen Herzschlag lauschend. Er legte seine Lippen auf die des anderen, dieses Mal nicht flüchtig, wie in der vergangenen Nacht, sondern verlangend und fordernd, ohne dass Kyo sich dagegen wehrte. Den ganzen Tag hatte er immer wieder an den Rothaarigen denken müssen, und auch jetzt empfand er keine Abneigung gegen ihn. Wenn er ihm auf diese weise zu Diensten sein konnte, so würde er sich nicht gegen ihn auflehnen. Der Vampir küsste sich über die Wange des Jungen und leckte ihm die letzen Tränen von der Wange, bevor er seinen Kopf auf dessen Brust niederlegte, seinem Herzschlag lauschend, und berauscht von seinem bloßen Geruch. „Wer ist das gewesen?“, er fuhr einen tiefroten Kratzer entlang, „Es ist nicht das erste Mal gewesen, und ich will seinen Namen wissen….“ Kyo schloss die Augen und sog zittrig die Luft ein. „Es ist mein Bruder….“, brachte er leise hervor, „Meine Eltern…. ich bin ihnen vollkommen egal…. Weil ich nicht wie er bin. Ich kann sie nicht so stolz machen, wie er…. Für sie bin ich eine Schande…. Darum darf er mit mir tun, wonach ihm beliebt…. Sie werden ihm nie Einhalt gebieten…“ Der blasse junge Mann über ihm erwiderte nichts, sondern löste sich von ihm, um seine Lippen tiefer wandern zu lassen, zärtlich an der weißen Haut zu knabbern und sich an dem Erzittern des Jungen zu erfreuen. Anzüglich grinsend beugte sich der Rothaarige wieder über ihn. „Ich könnte dich mit mir nehmen….“, raunte er leise und lächelte über den sowohl trotzigen, als auch verlegenen Blick, mit dem der Angesprochene zu ihm aufsah. „Es wird mir bei euch wohl kaum besser ergehen, als hier…“, stellte Kyo leise fest. „Also wirst du mit mir kommen….“, es war nicht länger eine Frage, sondern bereits ein Beschluss und der Kleinere schmiegte sich vorsichtig an ihn. „So nehmt mich mit euch…. Ich sagte bereits, dass ich euch nichts verwehren werde, wenn ihr danach begehrt…“ Zufrieden leckte sich der Ältere über die Lippen. „Braver Junge….“, er zog sich von ihm zurück, jedoch nicht ohne ihm einen gierigen Blick zuzuwerfen. „Kleide dich an, mein Lieber, wir werden so dann aufbrechen…“, er hüllte ihn in das große Betttuch und zog ihn zu sich, um ihn weich zu küssen, „Doch zuvor habe ich noch eine Kleinigkeit zu erledigen…“, er richtete sich auf, und wandte sich zur Tür um, „Wage es nicht, mir zu folgen…“ …. Es war nicht besonders schwer für Közi, den Bruder seines Opfers aufzuspüren, da Kyo dessen Geruch angehaftet hatte, wie ein Fluch. Ein eiskaltes Lächeln verzog seine Lippen. Es war Zeit diese offene Rechnung zu begleichen. Nicht weit von ihm entfernt stand Kyo vorsichtig auf, das Betttuch eng um seinen zitternden Körper geschlungen, um sich trotz des Verbotes der Tür zu nähern, und durch diese auf den Gang zu schlüpfen, dem Vampir folgend. Dieser hatte sein Ziel nun erreicht und betrat das Zimmer, ohne sich die Mühe zu machen zuvor anzuklopfen. „Was willst du Kyo? Hast du noch nicht genug?“, die Stimme des jungen Mannes war spöttisch und er Blickte nicht von dem Buch auf, in dem er an seinem Schreibtisch sitzend las. „Ich muss euch enttäuschen, mein hochverehrter Herr… Ich bin nicht euer Bruder, aber genug habe ich nie… Von daher…“ Kyos Bruder zuckte heftig zusammen und sprang auf, wobei er den Stuhl umwarf. „Was willst du hier?“ „Keine Sorge…. Ich werde euch nicht lange behelligen… Ich wollte nur über eine Sache mit euch reden, euren Bruder betreffend…“, grinsend trat der blasse Rothaarige näher. Mittlerweile hatte Kyo das Zimmer ebenfalls erreicht und linste um die Ecke. „Es wird dir doch hoffentlich nicht um Kyo selbst gehen, Fremder, denn er gehört nur mir“, verkündete der Mann herablassend lächelnd. „Genau das werde ich ändern…“, der schlanke Vampir hatte sich auf ihn gestürzt ehe er hätte reagieren können. Ein kraftvoller Biss in seine Kehle reichte aus, um ihn für immer zum Verstummen zu bringen. Nunmehr zufrieden leckte sich der Rothaarige das Blut von den Lippen, bevor er erstarrte und sich langsam zu der Tür herum drehte. Kyo sah ihn ruhig an, ohne dass eine Gefühlregung auf seinen Zügen zu erkennen gewesen wäre. „Ich sagte dir doch, du sollst mir nicht folgen….“, knurrte Közi aufgebracht, doch der andere trat nur ungerührt neben ihn hin. Sein hinreizender Anblick allein hielt den Älteren davon ab, ihn weiter anzufahren. Stattdessen legte er seinen Arm um seine Schultern, dieselben dabei wie zufällig entblößend. „Bist du nicht zumindest ein bisschen traurig? Er war schließlich dein Bruder“ Der Junge sah ihn aus dunklen Augen an. „Ich habe ihn gehasst…. Ebenso wie die anderen hier…. Dass er nun tot ist, betrübt mich nicht... es ist mir geradezu recht…“ Unwillkürlich lachte Közi auf und zog den Jungen in seine Arme. „Wir sollten meinen Bruder von hier wegschaffen. Sie werden denken er sei mit mir von hier weggegangen…“ Belustigt nickend nahm der Vampir den Leichnam auf und wies sein neues Eigentum erneut dazu an, sich anzukleiden. Gemeinsam fanden sie kurz darauf in dem Waldstück vor dem Anwesen eine geeignete Stelle, an dem sie den Toten unter Erde und Laub verscharrten. Während der ganzen Zeit konnte Közi nicht die Augen von seinem neuen Spielzeug nehmen. Plötzlich schien es ihm ziemlich abwegig, dass er von ihm gedacht hatte, er sei unschuldig. Hinreißend und verlockend, ja, aber in keiner Weise unschuldig. Sein blick blieb an seinen dunklen Augen hängen. Er irrte sich. Der Kleinere war unschuldig, wenn auch auf eine Weise, die kaum einer zu verstehen vermochte. „Es ist Zeit, komm jetzt…“, den Gedanken beiseite schiebend zog er Kyo ungeduldig zu sich und verließ mit ihm das kleine Wäldchen in Richtung der Stadt, wobei er mit Zufriedenheit die Reaktionen des Jüngeren beobachtete, wenn es irgendwo im Wald knackte oder ein Vogel rief. Es wunderte ihn fast, dass er bis zu diesem Augenblick noch nicht über ihn hergefallen war. Für ihn stand fest, dass er dieses Spielzeug noch eine Weile behalten wollte, so lange, wie es eben irgend möglich war. Gerade als hätte er diesen Gedanken gefühlt, sah Kyo in diesem Moment neugierig zu ihm auf, senkte den Kopf jedoch auf eine seltsam schüchterne Art, die so gar nicht zu ihm passen wollte, und seinen Begleiter dazu veranlasste, leise aufzulachen. Als sie an der Mauer ankamen, half ihm der Rothaarige wortlos über die Mauer und sie ließen das Gestrüpp hinter sich. Um den hoch am Himmel stehenden Mond hatten sich Wolken versammelt, die gemächlich über sein Antlitz hinweg glitten, und die Welt immer wieder in tiefstes Dunkel tauchten, so dass Kyo sich vor Unbehagen hinter seinem Begleiter verbarg, obschon es nach dem Tot seines Bruders keinen Grund mehr für ihn gab, die Dunkelheit zu fürchten. „Nun komm schon… Oder ich lasse dich hier stehen…“, er spürte wie Közi nach seiner Hand griff und ihn ungeduldig mit sich zog. Über die Schulter hinweg warf er noch einen Blick auf die düsteren Bäume und ein Gefühl der Erleichterung bemächtigte sich seiner, weil er nie wieder an diesen Ort zurückkehren musste. Vielleicht würde der andere ihn schon bald töten, weil er seiner überdrüssig war, doch er hatte keine Angst davor. Seit so vielen Jahren, die ihm wie eine Ewigkeit schienen, hasste er das Leben und die Welt, in die er hineingeboren worden war. Er hatte gelernt, das auf ein Leid nur ein weiteres folgte, unterbrochen durch kleine Lichtblicke, die einem nur vor Augen führten, wie sehr man sich nach dem Glück sehnte, das man nicht erlangen konnte. Und dennoch schlich sich ein leises Lächeln auf seine Lippen als er zu seinem Begleiter aufsah…. Sie hatten erst die Hälfte ihres Weges hinter sich gebracht, als es unvermittelt und heftig zu regnen begann, so dass sie bereits nach wenigen Minuten vollkommen durchnässt waren. Die Laune des erst noch durch den Regenguss verstimmten Vampirs besserte sich augenblicklich, als er sich zu seinem kleinen Gefährten umwandte, dessen weißes Hemd, durch die Tropfen durchsichtig geworden, an seinem zierlichen Körper klebte, ohne dass dieser sich dessen wirklich bewusst zu sein schien. Vergnügt leckte sich der Rothaarige über die Lippen. Ein wirklich schönes Haustier, das er da hatte. Kyo indes genoss den kalten Regen, als sei er sein erster. Es war ein Gefühl der Freiheit, das er kaum beschreiben konnte. Die prasselnden Regentropfen auf den Dächern der Häuser, auf dem nassen Pflaster und in den schimmernden Pfützen, die kalte, und doch beschützende Hand des rothaarigen Vampirs, der ihn sicher durch die verlassenen Gassen führte. All dies machte es ihm unmöglich, etwas anderes als Glück zu empfinden. Erst als sie das Tor des großen Anwesens erreichten, befiel ihn eine gewisse Unruhe, die er auch vor seinem Begleiter nicht verbergen konnte. Dieser, nicht gewillt sich mit dem rostigen Schloss des Tores abzuplagen, horchte kurz in die Nacht hinein, um auszuschießen, dass sie beobachtet wurden, bevor er den Kleineren hochhob und mit ihm das Hindernis überwand. Schweigend und nahezu feierlich trug er seine Beute in das Haus und in das Zimmer, in dem noch immer die Scherben des zerbrochenen Spiegels den Boden bedeckten, um ihn dort auf dem Bett nieder zu legen, und sich seines durchnässten Anblickes zu erfreuen. Es war nicht nötig in Worten auszudrücken, wonach ihm verlangte. Unter seinen Augen begann sich sein Opfer langsam und unverkennbar unsicher auszuziehen. Der Vampir verfolgte jede seiner Bewegungen, seine hübsche Gestalt ein weiteres Mal bestaunend, und kurz davor seine Selbstkontrolle dem Verlangen unterliegen zu lassen. Selten hatte ein Mensch so intensives Verlangen in ihm ausgelöst, wie dieser hier. Kyo war bis zur Kante des Bettes gekrochen und berührte nun die kalte Hand des andere um diesen zaghaft zu sich zu ziehen. Közi lächelte und schüttelte den Kopf ehe er vor dem Bett in die Knie ging, um den darauf Sitzenden sanft zu küssen. „Für dich ist es das Beste, erst einmal zu schlafen, mein Lieber… Wonach mir verlangt kann ich auch in der nächsten Nacht bekommen…. Außerdem will ich mich nicht beeilen müssen, denn es ist viel Zeit verstrichen, und der Sonnenaufgang ist nicht mehr fern“, er drückte ihn in die Kissen zurück und zog die Decke über seinen noch feuchten, zitternden Körper. „Du wirst bei Tageslicht nicht nach dem Ort suchen, an dem ich für gewöhnlich den Tag verbringe…“, es war nur zu deutlich, dass die Worte des Rothaarigen ein Verbot beschrieben. „Dass du dich einmal über meine Anordnung hinweggesetzt hast, mag zu verzeihen sein, doch ein weiteres Mal werde ich nicht dulden….“ Eben im Begriff den Raum zu verlassen, drehte er sich noch einmal zu ihm herum, „Gute Nacht, Kyo. Ich wünsche dir angenehme Träume…“ Verwirrt blieb der Junge alleine im Raum zurück. Allmählich schlich sich ein weiches Lächeln auf seine Lippen. „Euch auch eine angenehme Tagruhe“ Unter der weichen Bettdecke eingerollt, war er schon bald eingeschlafen… Erst als er sich ganz sicher war, dass sein kleiner Gast schlief, öffnete Közi leise die Tür um frische Kleider auf einen Stuhl zu legen und, mit einem skeptischen Blick auf den Schlafenden, die Scherben des Spiegels aufzusammeln. Innerlich fürchtete er, den hübschen jungen Mann bei seinem nächsten Erwachen nicht mehr hier vorzufinden, entweder, weil er geflohen war, oder weil er sich das Leben genommen hatte. Auf der Bettkante sitzend beobachtete er das anziehende Geschöpf beim Schlafen. „Ich erlaube dir nicht, einfach ohne meine Erlaubnis zu gehen… Du wirst bei mir bleiben, bis ich dich wegschicke…“ er strich ihm das nasse Haar aus dem Gesicht und hauchte einen Kuss auf die Wange seines Eigentums, bevor er es wieder verließ. Auf seinem Weg zur Familiengruft lachte der Mond ihn für seine Dummheit aus. Kyo würde ihn früher oder später verlassen, ob nun auf die eine, oder die andere Weise, und er konnte ihn nicht daran hindern. Und weil er es wagte, dennoch zu hoffen, würde er erneut verletzt werden. Die vollständige Dunkelheit seines Ruheortes empfing ihn gnädig und schütze ihn vor dem spottenden Mondlicht. Die Gaslampe war verloschen, so dass er sich in der Finsternis ohne jegliches Licht zurechtfinden musste. Jedoch erreichte er seinen Sarg ohne gegen ein Hindernis zu prallen und legte sich sogleich in ihm nieder, den Deckel sorgfältig schließend. In der Dunkelheit erwartete er seinen Todesschlaf. ~+~ Nur langsam gab die Schwärze den Vampir wieder frei. Die Sinneseindrücke, die während seines Erwachens auf ihn eindrangen, ließen ihn ungläubig innerlich erstarren. Dieses Mal musste er sich irren. Seine Sinne mussten ihm einen Streich spielen. Sobald sein Körper ihm gehorchte, stieß er den Deckel des Sarges hinunter, der mit einem scheppernden Geräusch zu Boden ging. Ein schwacher Lichtschein erhellte die Gruft, doch Közi wusste bereits bevor er die Quelle des Lichtes ausmachte, wer es gewagt hatte, sich zu ihm zu gesellen. „Kyo…“, fauchte er wütend und trat auf eben jenen zu, verharrte jedoch als ihm der Blick aus den dunklen Augen begegnete. Vor ihm auf dem Boden, ganz Staubig und stumm kauerte der blonde Junge, den er zu sich genommen hatte. Trotz seines Schweigens schien er ihn um etwas zu bitten, als er sich ganz langsam aufrichtete. „Du bist hier, weil du willst, dass sich dich töte, oder?“, der Ältere zwang Kyo unsanft dazu, ihn anzusehen. „Ja…“, war die einfache und leise antwort, die über die weichen Lippen des Kleineren kam. „Und warum denkst du sollte ich dir diesen Gefallen tun?“, dem Rothaarigen fiel es schwer das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken, „Du hättest dir das Leben auch selbst nehmen können…“ „Ihr hab es mir verboten…. In der letzten Nacht…. Ich habe eure Worte gehört….“, Kyo wandte den Kopf leicht zur Seite und gab somit den Blick auf seinen Hals frei. Der Vampir spürte wie sehr ihm nach dem Blut des Kleineren gierte, und doch wollte er ihn um keinen Preis schon so früh verlieren. Viel eher wollte er ihn für immer an seiner Seite haben. Nur für sich ganz allein. Er fixierte den Jungen. „Ich… werde dir deinen Wunsch erfüllen…. Doch gehen lassen werde ich dich nicht…“, sanft strich er über dem ihm dargebotenen Hals. Obwohl er wusste, dass er diese Entscheidung bereuen würde, wollte er seinen Gedanken doch in die Tat umsetzen. Auf diese Weise konnte er der Kälte und der Einsamkeit entkommen, die so schmerzvoll an ihm nagte. „Ich weiß, du wirst mich schon sehr bald dafür hassen…. Aber du sagtest, du würdest mir nichts verweigern, wenn ich danach verlangte. Und deshalb fordere ich dich zu meinem Gefährten…“ Kyo verstand und zur Antwort schloss er die Augen gab seinen Hals vollständig Preis. Sanft strich der Vampir das störende Haar beiseite und zog seinen zierlichen Körper ganz nah zu sich, den Augenblick vollständig auskostend. Nur vorsichtig legte er seine Lippen auf die weiche Haut, leckte langsam darüber, ehe er sich ohne eine weitere Vorwarnung gierig in dem verlockenden Fleisch verbiss um von dem warmen, süßen Blut zu trinken. Als er spürte, wie Kyo vor Schwäche in die Knie ging, ließ er von der Wunde ab und stützte seinen zitternden Körper. Közi lächelte als er sich das eigene Handgelenk mit den Fängen aufriss und an die blassen Lippen seines Opfers führte. Der Kleinere schmeckte das dunkle Blut, das in seinen Mund tropfte und schluckte es vorsichtig hinunter. Es schmeckte schwer und bitter. Dennoch fühlte er irgendwo tief in sich ein Gefühl des Rausches erwachen, das ihn gierig an der offenen Wunde lecken ließ, während er den Geschmack des Blutes mehr und mehr genoss. Közi grinste als er bemerkte wie der Kleinere mehr und mehr zu einem er seinen wurde. „Sieh mich an…“, befahl er und entzog sein Handgelenk dem schlanken Jungen. Kyo gehorchte. Zufrieden beobachtete der Ältere, wie sich die Iris des Jungen allmählich verfärbte, bis sie schließlich von einem tiefen Rotton war, von gold schimmernden Verästlungen durchzogen. Ein weiteres Kind der Nacht war in die Schatten geboren. Kraftlos schmiegte sich Kyo an ihn, um Schutz und Nähe flehend, und Közi drückte ihn an sich, ihm sanft durch das blonde Haar streichend. Ihm war auch in diesem Augenblick klar, dass er seinen neuen Gefährten irgendwann verlieren würde, doch blieben ihm dieser Augenblick und all die Nächte, die sie noch bis zu ihrem Abschied zusammen durchwandern würden…. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)