Eikyû - gesegnetes Land von Alaiya (Die Legende der schlafenden Götter) ================================================================================ Prolog: Die Prophezeihung ------------------------- Die Prophezeihung Eikyû, ewiges, gesegnetes Land, dem einst die Götter Schutz gewährten und ihm vier Wächter schickten: Hoch im Norden, wacht Genbu, alt und weise, Herrscher der Reptilien; Am See im Süden, ist Suzaku als Wächter gewählt, der ewige, unsterblich flammende Vogel; Seiryuu, klügster und schönster der Drachen, du wurdest zum Wächter des Osten ernannt; Zuletzt Byakko, der über den Westen wacht, starker, weißer Tiger, Verteidiger des Reiches. Euch schickten einst die Götter Um über Eikyû zu wachen. Doch nun sind eure Mühen vergeblich geworden, denn Eikyû, was ihr schützen sollte, es existiert nicht mehr, seit die Wellen es spalteten. Und die Zeit vergeht, die vier Reiche vergasen ihre gemeinsame Vergangenheit, schon lange herrscht Krieg, und der Berg des Schicksals, auf welchem einst die Götter wohnten, er wurde schon seit Hunderten von Jahren nicht mehr gesehen. Nun ziehen dunkle Wolken auf Über dem ewigen Land. Ein Krieg, größer als jeder andere Wird entfacht werden. Doch die Gegner, sie werden keine Menschen sein. Eikyû, deine Hoffnung ist klein, doch es werden Krieger kommen, fünf Krieger, mit der Macht die Schatten zu erleuchten. Erster, Kind des Mondes, Freundin der Geister. Zweiter, Kind der Wörter, Wächter der Magie. Dritter, Kind des Schnees, Kriegerin für Gerechtigkeit. Vierter, Kind der Wolken, König der Tiere. Fünfter und letzter, Kind der Wunder, das im Herzen ein Geheimnis trägt. Fünf Krieger, fünf Mächte, eine Hoffnung für unser Land. Kapitel 1: Fremde aus dem Osten ------------------------------- Vorwort: So, also ich freue mich über die Leute, die hierher gefunden haben. In dieser Geschichte wollte ich einfach mal was ausprobieren und daher freue ich mich über jeglichen Kommentar und am aller, aller meisten über konstruktive Kritik! Allerdings kann ich sonst nur sagen: Viel Spaß beim Lesen ^.~ Ich freue mich, wenn es euch gefällt! Übrigens gibt es jetzt neue Charakterbilder ^^ ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Kapitel 01: Fremde aus dem Osten Ein alter Tempel, mitten im Wald des südlichen Reiches Honou. Es war nur ein sehr kleiner Tempel, viel mehr ein Schrein, zu dem eine mit Moos und Ranken überwachsene Treppe führte. Auch das Dach war schon zerfallen und von Pflanzen überwuchert, ebenso die beiden Fuchsstatuen, zu beiden Seiten des Schreines. Auch das Rot des Torii vor dem Schrein, verschwand zum größten Teil unter dem dunklen Grün der Kletterpflanzen. Trotzdem waren im Schrein zwei Räucherstäbchen angesteckt und eine junge Frau kniete dort. Sie war nicht viel älter als zwanzig und hatte rotbraunes Haar – ungewöhnlich für diese Provinz – welches ihr bis zu den Schultern ging. Die Hände hatte sie gefaltet, die Augen geschlossen. Ihr kurzer, dunkelgrüner Kimono, bedeckte kaum ihre ganzen Oberschenkel, während sie dort kniete und zu ihrer Göttin betete. An den Hand- und Fußgelenken, sowie auch um ihren Hals lagen bestickte, schwarze Lederbänder, an denen kleine Glöckchen befestigt waren. Drei am Halsband, zwei am Fußband und nur eine an jedem Armband. Der verfallene Schrein, in dem sie kniete, war der Göttin Inari geweiht; der Göttin der Fruchtbarkeit, des Reises und nicht zuletzt die Göttin der Füchse. Es herrschte Stille im Wald, so als wollten dieser und seine Geschöpfe die Frau nicht beim Beten stören. Denn auch wenn man nichts hören konnte, so sprachen diese, aber auf eine andere Weise, als Menschen sie kannten. Doch da wehte auf einmal ein Wind durch den Wald und ließ die Blätter rauschen, auch wenn die Tiere weiterhin schwiegen. Nun erschien ein kleiner, halbdurchsichtiger Wicht hinter der Frau, die aus ihrem Gebet aufgeschreckt war. Sie verbeugte sich noch einmal vor dem Schrein, bevor sie sich zu dem Wicht – einem Waldgeist – umdrehte. „Was ist, mein kleiner Freund?“, fragte sie mit heller Stimme. „Weshalb unterbrichst du mich bei meinem Gespräch mit meiner Göttin?“ Die Antwort des Geistes war ein Klicken und Klacken und Klacken und Klicken, das nur Geschöpfe des Waldes verstehen konnten. „Fremde, sagst du?“, fragte die Frau nun und stand auf. Natürlich war auch diese Antwort nur ein Klicken, doch die Frau verstand. „Hier im Wald? Sie wollen zum Dorf?“ Der Waldgeist nickte, oder tat besser gesagt das, was für ihn ein Nicken war. „Danke, mein kleiner Freund“, sagte sie Frau nun und berührte ihn am Kopf, woraufhin er ein Stück zurückging und einfach verschwand. Kurz verharrte die Frau noch am Schrein, doch dann ging sie leicht in die Knie und sprang, landete oben auf dem Torii. Dort sah sie zum Blätterdach hinauf, durch welches schwach das rote Licht der untergehenden Sonne fiel, während die Tiere im Wald wieder zu schreien begannen. Genau so plötzlich wie das letzte Mal, bewegte sich die Frau nun wieder und sprang – barfuß wie sie war – in das Geäst des nächsten Baumes, welches, obwohl sehr dünn, ihr Gewicht hielt. Spätestens nun fiel auch auf, dass die Glocken an ihrem Körper kein Geräusch von sich gaben, selbst, wenn sie sich bewegten, und es ließ ahnen, dass sie keine normale Frau war. Von Ast zu Ast, später über dem Boden rennend, immer bergab vom Hügel, auf dem der Schrein war, gelangte sie schließlich zu einem kleinen Dorf. Der Name des Dorfes war Hayashimura und es war tatsächlich schon fast armselig klein. Es bestand aus vielleicht zehn oder fünfzehn aus Holz errichteten Häusern, von denen eines – das größte – ein weiterer Schrein zur Ehrung der Götter war. Dieser Schrein barg auch das Geheimnis des Dorfes und war am nordöstlichen Ende des Dorfes, etwas distanziert von den anderen Häusern, errichtet worden. Denn auch wenn das Dorf noch so klein war, so war es wichtig für das südliche Reich, und genau deshalb wusste in Honou selbst kaum jemand von seiner Existenz. Die Frau aber lief zu einem anderen Gebäude, im Westen des Dorfes. Dort angekommen schlüpfte sie in ihre Sandalen, welche auf dem Rundgang, der das Haus umrahmte, standen. „Kannushi-sama!“, rief sie, als sie in das Gebäude kam. „Tsuki-san...“ murmelte der alte Mann, der an der mit Steinen befestigten Feuerstelle in der Mitte des großen Raumes saß. Bei ihm saß eine ebenfalls alte Frau, welche nun auch zu der jüngeren aufsah. Der Mann war mit dem traditionellen Gewand der Shinshoku gekleidet, während die Frau einen Chihaya – das traditionelle Miko-Gewand – trug. „Junge Tsuki“, sprach diese Frau nun das Mädchen an. „Du bist ja ganz aufgeregt, Kleines. Ist etwas passiert?“ Tsuki, die junge Frau, musste erst einmal zu Atem kommen, da sie den ganzen Weg rennend zurückgelegt hatte, was selbst für ein Wesen wie sie anstrengend war. „Fremde...“, keuchte sie dann. „Die Geister des Waldes haben mir von Fremden erzählt, die im Wald umherstreifen. Sie sagten auch, dass diese auf der Suche nach unserem Dorf, nach unserem Heiligtum seien. Zumindest haben sie davon geredet.“ „Nun beruhige dich erst einmal, Mädchen“, sagte der alte Mann, der Priester des Dorfes, woraufhin sie sich auf den Boden fallen ließ. „Bist du dir sicher, dass sich unsere kleinen Freunde nicht geirrt haben?“, fragte er nun weiter, während die alte Frau Tsuki eine Tasse Tee reichte, die diese in einem Zug leerte. „Es sind seit über einem Jahr keine Fremden mehr im Dorf gewesen. Und jene waren Händler, aus dem Westen unseres Reiches gewesen.“ „Die Geister irren sich nicht, dass wisst Ihr, Kannushi-sama!“, meinte sie mit einem beleidigten Ton in der Stimme und blitzte ihn mit ihren goldenen Augen an. „Und der Wald hat mir das selbe erzählt. Ich glaube nicht einmal, dass diese Fremden aus unserem Reich sind.“ Der Alte rieb sich am Kinn und dachte nach. „Und ich dachte, Namida sei schon lange vergessen...“, murmelte er. „Ich weiß es nicht“, sagte Tsuki. „Aber es scheint, dass dem nicht so ist.“ Daraufhin herrschte eine Weile Schweigen, während das Feuer in der Mitte des Raumes tanzende Schatten an die Wände warf. Draußen hatte sich bereits das dunkle Tuch der Nacht über das Dorf gelegt. Das Schweigen wurde unterbrochen, als auf einmal ein Ball, der aus grünblauem Feuer zu bestehen schien, ins Zimmer geschwebt kam und sich mit einem Poff in einen kleinen Jungen mit schwarzem Haar und einem blauen, mit grünen Blumen verzierten Kimono verwandelte. „Mika-sama, Kannushi-sama! Kitsune-han!“ rief er ganz außer sich mit einer hohen Piepsstimme. „Tohon-chan“, erwiderte die junge Frau überrascht, worauf der Kannushi hinter ihr die Miene verzog, weil die Frau jeden der Zashiki-Warashi beim Namen nannte. „Fremde!“, schrie der kleine Geisterjunge außer sich. „Sie töten! Am Schrein! Sie haben die Wächter getötet!“ Damit fiel er der Jungen Frau zitternd in die Arme. Diese sah nun zum Priester auf. „Ich habe es euch gesagt.“ Damit erhob sie sich, den Hausgeist auf dem Arm. „Beeilt euch, haltet die anderen Bewohner vom Schrein fern“, befahl sie den Alten. „Ich kümmere mich darum.“ Und schon rannte sie aus dem Haus, warf die Sandalen von ihren Füßen und sprang wieder barfuss auf das Dach des nächsten Gebäudes, wo sie kurz stehen blieb und auf Tohon heruntersah. „Klettere auf meinen Rücken. Du und deine Freunde, ihr werdet mir helfen, die Fremden gefangen zu nehmen. Wie viele sind es?“ „Zwei, Kitsune-han“, piepste der Junge niedergeschlagen und kletterte auf ihre rechte Schulter. Tsuki nickte und sprang auf das nächste Gebäude, und dann wieder auf das nächste, immer weiter Richtung Schrein. Schließlich musste sie das letzte Stück, die Strecke, die den Schrein von den anderen Häusern trennte, am Boden zurücklegen. Die junge Frau konnte nun auch die Geräusche hören, die die Fremden machten. Sie stießen Sachen im Schrein um, schienen ihn verwüsten zu wollen. Kurz bevor Tsuki ihr Ziel erreicht hatte, sprang sie wieder und landete auf dem Torii vor dem Schrein. „Eindringlinge!“, rief sie mit einer Stimme, viel lauter als man je erwartet hätte, woraufhin der Krach im Innern des Schreines verstummte. „Kommt heraus!“, forderte sie dann von den Fremden. Da erschien an der Tür des Schreines ein junger Mann, Mitte zwanzig und sah zu ihr hinauf. Um den Arm hatte er eine Kette gewickelt. „Namida...“, murmelte Tsuki und sah ihn an. Er war ein Ninja, ohne Frage, er handelte im Auftrag von irgendwem und nicht aus eigenem Antrieb. Trotzdem durfte er nicht das Heiligtum berühren und den Tempel verwüsten. „Dein Partner soll sich auch zeigen!“ rief sie. Nun geschah eine Weile nichts, bevor sich ein Mädchen mit sehr hellem Haar zeigte. Ebenfalls ungewöhnlich. Sie trugen beide die übliche, kurze Kleidung der Ninja und hochgebundene Lederschuhe, mit weichen Solen. Der junge Mann hatte – soweit man erkennen konnte – dunkles, mittellanges Haar, zu einem kurzen, abstehenden Zopf gebunden. Seine Kleidung war dunkelgrün und an seinem Gürtel hing ein einziges kurzes Katana, während am Gürtel des ungewöhnlichen, schneeweißen Kampfanzuges des Mädchens gleich ein langes Katana, ein Dolch und mehrere Wurfwaffen hingen und das, obwohl sie wesentlich jünger als der Mann zu sein schien. Nicht älter als fünfzehn oder sechzehn, was Tsuki verwunderte. „Was wollt ihr von uns?“, fragte die junge Frau nun, obwohl Namida, die um den Arm des Mannes gewickelt war, diese Frage beantwortete: Sie waren geschickt worden um das Heiligtum zu stehlen! Genauso beantwortete der Mann die Frage auch, indem er den Arm mit der Kette empor hob. „Nichts, was wir nicht schon haben!“ rief er. „Legt Namida zurück in den Schrein!“, befahl die junge Frau. „Dann lass ich euch, trotz eures Verbrechens, dass Dorf verlassen.“ Dabei sah sie wütend auf die beiden hinunter. „Und wenn nicht?“ erwiderte das Ninjamädchen. „Ihr seid doch nichts als dumme Bauern!“ (Bei diesen Worten verengten sich Tsukis Augen zu Schlitzen.) „Außerdem hieße die heilige Namida zurück zu lassen, auch unseren Auftrag zu vermasseln.“ Damit warf das Mädchen eine der Fackeln, die am Eingang des Tempels brannten um, woraufhin das trockene Holz sofort Feuer fing. „Wie ihr wollt...“, flüsterte Tsuki, schloss die Augen und drückte ihre Handinnenflächen gegeneinander. Sie spürte, dass die beiden Alten bereits einen magischen Kreis um den Schrein erschaffen hatten, der verhinderte, dass irgendein Mensch rein oder raus kam. Nun begannen die Glöckchen an ihren Bändern sich zu bewegen und ein leises Leuten von sich zu geben. Dann sprang sie hoch, drehte sich ein paar Mal in der Luft, wobei das Leuten der Glöckchen anschwoll, und blieb schließlich mit ausgebreiteten Armen in der Luft schweben. „Tohon, Yumi, Sei, Miya!“ rief sie noch während des Sprungs und öffnete die nun leuchtenden Augen, als sie schwebte. „Zashiki-Warashi, ich rufe euch!“ Und während Tohon von ihrer Schulter sprang, erschienen um die junge Frau herum drei weitere Flammenbälle, die sich wie vorher schon Tohon mit einem Poff in drei Kinder verwandelten; zwei Mädchen und noch ein Junge, der den selben Kimono trug, wie Tohon. Die Kimonos der Mädchen waren ebenfalls fast identisch mit denen der Jungen, nur dass die Farben Blau und Grün vertauscht waren. „Hausgeister...“, murmelte der Mann. „Sie kann Geister beschwören...“ „Lass uns verschwinden, Fukuro“, forderte ihn seine Partnerin auf und sprang schon selbst von der erhöhten Fläche des Schreines. Doch sie hatte sich keine zehn Schritte von diesem entfernt, als sie von einer unsichtbaren Wand zurück geschleudert wurde und hart auf dem Boden aufkam. „Was ist das?!“ rief sie erschrocken. „Ein magischer Kreis“, antwortete der Mann, aber viel zu leise, als dass sie es hätte verstehen können. „Hier kommt niemand rein oder raus bis er aufgelöst wird.“ Währenddessen brannte schon der größte Teil des Gebäudes, doch der Ninja blieb ungerührt auf dem hölzernen Boden stehen und legte die Hände zu einem Handzeichen zusammen und schloss ebenfalls die Augen. „Kiéyo!“, rief er dann und war auf einmal nicht mehr zu sehen. Nun landeten Tsuki und die Geisterkinder auf dem brennenden Boden des Schreines. „Tohon und Miya“, sprach die Frau zwei der Geister an. „Kümmert ihr euch um das Mädchen. Sei und Yumi, ihr werdet mir mit dem Mann helfen. Er beherrscht Magie.“ „Aber der Schrein...“, begann das eine Geistermädchen, Yumi. „Sollen wir ihn einfach brennen lassen?“ Tsuki schwieg kurz. „Es ist schon zu spät um den Schrein zu retten.“ Auch die vier Geister schwiegen, bis sie einen Entschluss fassten. „Na gut!“ riefen sie dann, wie aus einem Mund. „Sie werden bereuen, dass sie unseren schönen Schrein vernichtet haben!“ Mit diesen Worten verwandelten sich Tohon und Miya wieder in die blaugrünen Flammenbälle und folgten dem Ninjamädchen. Dieses hatte derweil einige Male versucht an derselben Stelle durch den magischen Kreis zu kommen, jedoch vergeblich. Nun lief sie mit gezogenem Schwert um das brennende Gebäude herum, ein verzweifelter Versuch zu entkommen. Plötzlich ließ eine schrille Stimme sie zusammen zucken: „Da ist sie!“, klang Tohons Piepsstimme aus einem der Flammenbälle, die gradewegs auf sie zugeschwebt kamen. Das Mädchen schrie auf. Oh, wie sie doch Geister hasste! Sofort hatte sie das Schwert vor sich erhoben, als ob dieses eine wirkungsvolle Waffe gegen Geister gewesen wäre. „Du hast unseren schönen Schrein zum brennen gebracht!“, ertönte eine Mädchenstimme aus dem anderen Feuerball, bevor die beiden Hausgeister ihre Kindergestalt annahmen. „Ihr... Ihr seid nur Zashiki-Warashi...“, hauchte das Mädchen mit unsicherer Stimme. „Ihr... Ihr könnt nicht kämpfen. Ihr könnt mir nichts tun!“ Doch bei ihren Worten verriet ihr Zittern, dass sie nicht so wirklich an das, was sie sagte, glaubte. Da war Tohon auf einmal auf ihrer Schulter mit dem Kopf neben ihrem Ohr und kicherte. „Hast du Angst vor uns?“, fragte er, scheinbar ohne bemerkt zu haben, dass sie ihren Dolch gezogen hatte. „Nein!“ kreischte sie und stach zu, doch der Junge verschwand nur mit einem weiteren Poff. Nun zitterte das Mädchen nur noch mehr, wich zurück und ließ das Schwert fallen. Sie wäre noch weiter zurück gewichen, stand aber nun mit dem Rücken gegen die Wand des magischen Kreises. In dem Moment stürzte der vordere Teil des Schreindaches unter einem Funkenregen ein. „Dafür wirst zu bezahlen!“ rief Miya und erschien auf einmal sechsfach vor ihr. „Lasst mich in Ruhe!“, schrie die Ninja und schloss die Augen, während sie nach ihren Wurfmessen tastete. Als sie diese in der Hand hatte, öffnete sie die Augen und warf die Messer gegen der Abbilder des Geistermädchens, doch auch diese lösten sich poffend auf und die Ninja sah sich verwirrt und zitternd um. „Suchst du etwa mich?“, fragte eine Stimme über ihr und als sie nach oben sah, schwebte dort die Zashiki-Warashi. Da ging die Ninja weiter zitternd in die Knie und hielt schützend die Arme über sich. „Bitte, bitte, verschone mich!“ flehte sie, doch in dem Moment erschien Tohon hinter ihr. „Hi no Kusari!“, rief er und im nächsten Moment fesselten Schnüre aus blauem Feuer das Ninjamädchen und machten es kampfunfähig. Zur selben Zeit stand Tsuki seelenruhig in der Mitte der Flammen, welche den Schrein nun fast gänzlich bedeckten, ohne auch nur das kleinste Anzeichen von Bewegung zu zeigen. Nur die Glöckchen gaben ein leises, aber beständiges Bimmeln von sich. „Glaubst du, du kannst dich einfach verstecken?“, fragte sie, während die Geisterkinder neben ihr schwebten. Da erschien er plötzlich hinter ihr und warf Wurfsterne, die er in einer ledernen Tasche an seinem Gürtel aufbewahrt hatte, durch den Schleier der Flammen in die Richtung der Frau und der Geister. Doch keine der Waffen traf sein Ziel, denn während die Geister einfach verschwanden, sprang Tsuki empor, drehte sich in der Luft und landete vor ihm. „Willst du es wirklich mit mir aufnehmen?“, fragte sie und ging noch einen Schritt auf ihn zu. Er grinste nur. „Unterschätz mich nicht, was auch immer du bist“, sagte er und machte drei Handzeichen schnell hintereinander. „Bai-ni su!“, rief er dabei und auf einmal stand er in vier Abbildern, von denen nur eines echt war, um sie herum. Tsuki jedoch gab sich nicht besonders beeindruckt. „Den Trick beherrschen Geister auch.“ „Ach ja?“ Vier Ninja zogen gleichzeitig ihr Schwert, hoben es ebenfalls zeitgleich und schlugen zu. Aber die Frau wich nur einem der Schläge aus, während die anderen drei durch sie hindurchgingen ohne Schaden zu verursachen. „Verdammt!“, fluchte der Mann und machte ein paar Schritte zurück. Seine Abbilder verblassten. Nun fuhr Tsuki herum und versetzte ihm einen Tritt, so dass er rückwärts gegen eine brennende Säule des Schreines flog, welche daraufhin zusammenbrach. Er machte grade noch rechtzeitig ein Handzeichen zum Schutz, bevor ein Teil des brennenden Daches auf ihn fiel. Während er sich aus dem Schutt freikämpfte, erschienen die beiden Geisterkinder hinter ihm. Sei links und Yumi rechts hinter ihm. Gerade als er wieder stand, streckten sie die jeweils mittlere Hand vor und berührten ihn zwischen den Schultern. „Körperstarre!“, riefen sie und da wurde der Mann nach vorne geschleudert und kam erst jenseits des Schreines auf dem Boden auf. Verzweifelt versuchte er sich zu bewegen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht, und so blieb er bäuchlings vor dem weiter brennenden Holzbau liegen, bis Tsukis nackte Füße in seinem Blickfeld erschienen. Er blitzte sie wütend an, doch sie kniete sich nur neben ihm und nahm ihm die Kette Namida ab. „Du kannst froh sein, dass wie euch nicht getötet haben, wie ihr es mit den Wächtern getan habt“, sagte sie verächtlich. Dann machte sie eine Bewegung mit den Armen und mit einem Leuten der Glöckchen verschwand der von den Alten geschaffene magische Kreis. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Begriffserklärung Zashiki-Warashi - Hausgeister, sie beschützen die Häuser und ihre Besitzer, spielen diesen aber auch Streiche. Sie werden meistens als kleine Kinder dargestellt. Kapitel 2: Die Fuchsfrau ------------------------ Kapitel 02: Die Fuchsfrau „Wisst ihr überhaupt, was ihr gemacht habt?“, rügte der alte Kannushi die beiden Fremden, die nun mit magisch verstärkten Schnüren gefesselt in seinem Haus saßen. Tsuki hatte mittlerweile die Körperstarre des Mannes aufgehoben. Dafür war dieser aber nun an seine Partnerin gefesselt und blickte finster drein, während das Mädchen mit allen Mitteln versuchte sich zu befreien und vor sich hin fluchte und schimpfte. Nun erkannte Tsuki auch, was sie vorhin am Tempel nur erahnen konnte: Das Haar des Mädchens war nicht nur sehr hell, sondern gänzlich weiß. Auch ihre Haut war furchtbar blass, so dass man sie für einen Albino gehalten hätte, hätte sie nicht strahlendblaue Augen gehabt. In denselben Farben – weiß und hellblau – war auch ihr Kimono gehalten. Der Mann hingegen hatte schwarzes Haar, so wie es im ganzen ehemaligen Eikyû üblich war, und leicht bräunliche Haut. Sein Gewand war dunkelgrau und nicht oliv oder dunkelgrün, wie Tsuki zuerst gedacht hatte. Seine linke Wange blutete, da er sie sich beim Sturz aufgeschürft hatte. Sie selbst saß am Feuer und trank Tee, während die vier Geisterkinder wieder in irgendwelche Ecken des Dorfes verschwunden waren. Nun griff der Kannushi nach Namida, was eigentlich nur die Bezeichnung für das Amulett und nicht für die ganze Kette war, und hielt sie direkt vor das Gesicht des Mannes. „Wisst ihr überhaupt, was das hier ist?“, fragte er ihn wütend. „Gerüchte gehört...“, gab der Mann, welcher eine recht tiefe Stimme hatte, zurück. „Das ist Namida, die Träne des Phönix“, fuhr der Alte ihn an, ohne auf die Antwort zu achten. „Ihr habt doch keine Ahnung von ihrer Macht oder ihrem Wert für unser Reich!“ Seine Stimme quoll bei den Worten regelrecht vor Empörung über. „Das interessiert uns aber gar nicht, Großväterchen“, schnauzte das Mädchen. „Wir sollten sie nur stehlen!“ „Für wen?“, fragte nun die Miko und sah sie mit bohrendem Blick an. Das Mädchen zog eine Grimasse und sah demonstrativ in eine andere Richtung. „Geheim!“ Nun stand Tsuki auf und ging zu ihnen hinüber. Dann kniete sie sich vor sie und musterte sie. Als das Mädchen das bemerkte wandte sie sich, als könnte sie so dem Blick der Frau entkommen, ab. „Wer und woher seid ihr?“ fragte Tsuki sie dann langsam und mit leicht bedrohlicher Stimme. „Das geht dich auch nichts an, Geisterweib“, kreischte das Mädchen, dabei versuchte sie jedoch Tsuki nicht anzusehen. „Anstatt uns auszufragen, könntet ihr uns lieber losbinden! Sonst...“ Tsuki zog die Augenbrauen hoch. „Ja, sonst was?“ Die Angst nun ganz vergessen, funkelte das Mädchen sie wütend an, bis der Mann sie (so gut er gefesselt dazu fähig war) mit dem Ellenbogen stieß. Schon drehte sie den Kopf, um ihn ebenfalls anzuschnauzen, doch er kam ihr zuvor: „Yuki, beruhige dich!“, sagte er beschwichtigend. „Wir haben verloren, wenn du so weiter machst, bringst du uns noch um unseren Kopf.“ Wieder wollte sie etwas erwidern, hielt aber inne, als er sich Tsuki zuwandte. „Mein Name ist Mekura Fukuro und Yuki ist meine Schwester“, sagte er dann ruhig. „Schwester?“, fragte Tsuki nun nach, da die beiden nicht die geringste Ähnlichkeit miteinander hatten. „Halbschwester“, meinte der Mann, Fukuro, daraufhin. „Wir kommen beide aus dem Dorf Kakureba von der Insel Namishui. Sie gehört zum östlichen Reich Shimakuni“, erzählte er weiter. „Auf der ganzen Insel leben nur Nin...“ Er brach ab. „Angehörige unseres Clans“, verbesserte er sich. „Das heißt... lebten.“ Nun senkte er den Blick. Tsuki sah auf. „Lebten?“, fragte sie und sah ihn an, doch er wich ihrem Blick aus. „Wer hat euch den Auftrag gegeben Namida zu stehlen?“, wiederholte Tsuki nun die Frage der Miko, erhielt aber keine Antwort. Da legte die Alte die Hand auf ihre Schulter. „Lass sie“, meinte die Miko mit sanfter Stimme. „Es ist sehr spät. Wir sollten uns zur Ruhe legen. Die beiden bleiben hier, sie werden nichts anrichten können, solange sie gefesselt sind.“ „Wollen Sie uns etwa...“ begann das Mädchen – Yuki – wieder, wurde aber erneut von ihrem Bruder zum Schweigen gebracht. Tsuki nickte, stand auf und verließ das Haus, um sich draußen die Schuhe auszuziehen und auf das Dach des Priesterhauses zu springen. Seufzend sah die alte Miko ihr hinterher. Die junge Frau würde draußen schlafen, wie sie es so oft tat. Es war ein komisches Mädchen, welches drei Jahre zuvor in ihr Dorf gekommen war. Aber was wusste eine einfache Miko schon über Wesen, wie Tsuki es war? Diese lag mittlerweile rücklings auf dem Dach des Hauses – die Arme hinter dem Kopf verschränkt – und sah zum sternenklaren Himmel hinauf. Es war eine helle Nacht, denn der Mond war fast voll. Nächste Nacht würde Vollmond sein. Ihre Göttin schien Recht gehabt zu haben. Es schien etwas auf sie zuzukommen... Eine Bedrohung. Schon seit einigen Tagen, vielleicht sogar Wochen spürte sie eine immer stärker werdende Macht im Norden. Doch die Macht war nicht jeden Tag gleich stark. Zwar schien sie eigentlich stärker zu werden, doch gab es auch Tage, an denen sie abnahm. Was wohl passieren würde? Ihre Göttin hatte ihr prophezeit, dass sie, Tsuki, Hayashimura schon bald verlassen würde. Da riss einer der Geisterflammenbälle sie aus ihren Gedanken, als dieser über ihrem Gesicht schwebte. „Kitsune-han!“, tönte Tohons Stimme daraus hervor. „Tohon...“, seufzte Tsuki. „Was ist denn?“ Wieder poffte es, als der Geisterjunge seine Kindergestalt annahm und sich neben sie auf das Dach legte. „Kitsune-han“, begann er noch einmal. „Was wird jetzt aus unserem Heiligtum? Was passiert mit Namida?“ „Was sollte denn damit passieren?“, fragte die junge Frau und drehte den Kopf zur Seite, um ihn anzusehen. Er war ein Geist, ein Zashiki-Warashi – Geister, die die Häuser schützten, doch in dieser Gestalt sah er nicht anders aus, als ein normaler kleiner Junge von fünf oder sechs Jahren. „Der Tempel zu ihrem Schutz ist verbrannt“, meinte Tohon. „Die Siegel sollten es gegen Oni, böse Yokai und Yurei schützen. Aber gegen Menschen waren sie machtlos. Und sie sollten ihre Aura, die Aura Namidas abschirmen.“ „Ich weiß, was du meinst“, erwiderte sie und sah wieder zum Himmel. „Es ist so, als würde man alles, was magiefühlig ist, hierher rufen.“ Tohon nickte und gab ein zustimmendes Geräusch von sich. „Außerdem sind mir die beiden nicht geheuer...“, meinte er dann leise. „Aber sie sind nur Menschen“, meinte Tsuki kichernd. „Sie werden nichts mehr tun, vertrau mir.“ „Sie wollten Namida stehlen!“, empörte sich Tohon und setzte sich auf, um sie anzusehen. „Außerdem beherrscht der Mann Magie, dass hast du selbst gesagt, Kitsune-han.“ „Ja, das tut er“, murmelte sie. „Sei leise, Kannushi und Miko-sama schlafen.“ Sie schloss für einen Moment die Augen, nur um im nächsten wieder zum Himmel zu sehen. „Aber sie wollten Namida nicht für sich stehlen. Sie hatten nur einen Auftrag, nicht mehr und nicht weniger. Auch wenn etwas komisch ist...“ Tohon sah sie mit einer Mischung aus Furcht und Neugier an. „Was denn, Kitsune-han?“ Eine Weile schwieg Tsuki noch, ehe sie antwortete: „Nun... Ninja, wie sie es sind... Normal haben sie, wenn sie einen Auftrag ausführen...“ Sie atmete tief ein. „Eine Giftkapsel zwischen den Zähnen, die sie schlucken, sollten sie gefangen werden. Damit niemand irgendwelche Geheimnisse von ihnen erfahren kann.“ „Sie bringen sich selber um?“ fragte Tohon und sah sie entsetzt an. „Ja, um ihren Clan zu schützen“, antwortete Tsuki und kraulte ihn am Kopf. „Menschen sind dumm...“, murmelte der Hausgeist und legte sich wieder neben die Frau, um sich an sie zu kuscheln. „So einfach ihr Leben zu verspielen, wenn sie sterben können...“ Daraufhin legte sie den Arm um ihn. „Ja, das sind sie manchmal...“, murmelte sie. Danach schwiegen sie. Als sich Tsuki am nächsten Tag wieder im Hause des Priesters sehen ließ, war es bereits Mittag. Nicht, dass sie so lange geschlafen hätte – gewiss nicht – aber sie war bereits am Schrein im Wald gewesen, um ihrer Göttin von den Geschehnissen der letzten Nacht zu berichten und um eine Zeit lang nicht von Menschen umgeben zu sein und nachdenken zu können. Nun schien die Sonne prall auf Hayashimura hinunter, während der Duft von gekochtem Reis zwischen den Häusern schwebte, wie ein unsichtbarer Nebel. Als sie nun die Veranda des im Pagodenstil gebauten Hauses betrat und ihre Sandalen anzog, war Yuki die erste, die aufsah, allerdings nicht besonders erfreut. Sie und ihr Halbbruder saßen in derselben Ecke wie am Vorabend und waren noch immer gefesselt. „Miko-sama“, sprach Tsuki nun die Alte an, weil der alte Priester wohl nicht im Haus zu sein schien. „Ich bin wieder da.“ „Ah, Tsuki-chan“, begrüßte sie die alte Frau und drehte sich zu ihr um. „Du hast dich seit gestern Abend nicht blicken lassen“, stellte sie dann fest. „Ja“, bestätigte Tsuki nur ohne einen weiteren Kommentar. Die Miko seufzte. „Du warst sicher im Wald.“ Dabei brauchte sie keine Antwort von der jungen Frau, um das zu wissen. „Nun, der Reis ist noch warm, nimm dir, wenn du willst.“ Sie gab ihr Schüssel und Stäbchen. Zum Dank nickte die junge Frau, ehe sie begann sich Reis aus dem großen Topf in ihr Schälchen zu füllen. „Itadakimasu!“, rief sie mit zusammengepressten Händen und begann dann zu essen. Doch es dauerte nicht lange, bis sie zu den beiden Ninja hinüberblickte, denn Yuki sah mit sehnsüchtigem Blick auf den großen Topf, in dem der Reis war, während Fukuro versuchte seinen Blick genau von diesem abzuwenden, was ihm fast gelang. „Miko-sama, sagt mal“, begann Tsuki und sah zur Alten hinüber. „Habt ihr den beiden heute etwas zu essen gegeben?“ Zur Antwort schüttelte die Alte den Kopf. „Nein. Wir wollten sie nicht losbinden und füttern lassen wollten sie sich nicht“, sagte sie dann. Tsuki seufzte. „Binde sie los“, forderte sie dann die Alte auf. „Oder willst du sie verhungern lassen?“ Daraufhin lagen drei Augenpaare auf Tsuki. Alle drei waren verwundert. „Glaubst du wirklich, dass das so eine gute Idee ist?“, fragte die Miko schließlich. „Was, wenn sie erneut versuchen Namida zu stehlen. Die Träne ist jetzt ohne Schutz.“ „Die beiden haben Hunger und ich denke, dass ich ganz gut auf sie aufpassen kann. Wenn sie erneut versuchen Namida zu stehlen, werde ich sie wieder davon abhalten“, meinte die junge Frau leichthin und wartete. Als die Miko zögerte, stellte sie ihre Schüssel hin, legte die Stäbchen auf den Rand des Schälchens und ging selbst zu den Geschwistern hinüber um sie loszubinden. Als die Schnüre lose am Boden lagen, sah der Mann sie fassungslos an. „Warum...“, begann er, doch Tsuki wandte sich ab um zu ihrem Schälchen Reis zurück zu kehren. „Ihr solltet etwas essen“, meinte sie, da die beiden sich nicht rührten, und zeigte auf zwei weitere Schälchen, welche die Miko hingestellt hatte. Noch immer zögerlich knieten sich Fukuro und Yuki hin und füllten sich Reis in die Schalen, bemüht, dabei nicht allzu hastig zu wirken. Auch essen taten sie betont ruhig, obwohl ihnen augenscheinlich die Mägen knurrten. Derweil hatte Tsuki bereits ihre Schale geleert und machte keine Anstalten sich noch etwas aufzufüllen. Stattdessen blieb sie den beiden Geschwistern gegenüber knien und sah ihnen zu. Yuki verlor schließlich als Erste die Beherrschung und begann den Reis in sich hinein zu schlingen, während Fukuro noch immer betont langsam die Stäbchen zum Mund führte, was Tsuki lächeln ließ. „Hast du keinen Hunger?“, fragte sie ihn grinsend. Er senkte den Blick, um dem ihren auszuweichen und schluckte merklich, bevor er das Schlingen seiner Schwester nachtat. Beide füllten sich so lange nach, bis der ganze Topf geleert war, was von der Miko missmutig aufgenommen wurde, da die Reisfelder Hayashimuras klein waren, verglichen mit denen anderer Dörfer, und sie sich so entweder von Früchten und Essbarem aus dem Wald ernähren mussten, wenn der Reis einmal aufgebraucht war, oder einer aus dem Dorf musste sich aufmachen und in einer der Städte jenseits des Waldes neuen Reis einkaufen. Als auch die Geschwister ihre Schalen auf den Boden gestellt hatten, begann der Mann Tsuki zu mustern. „Ich wüsste zu gern, was Ihr seid“, sagte er schließlich. „Tja“, machte Tsuki mit geschlossenen Augen. „So schnell wirst du es aber nicht erfahren“, meinte sie dann. „Aber was meinen Namen angeht, kannst du mich Tsuki oder Kitsune nennen, ganz wie es dir beliebt. Das gilt auch für deine Schwester. Nur bitte sprecht mich nicht mit ‚Sie’ an.“ Damit öffnete sie die Augen und lächelte die beiden an. Daraufhin herrschte eine ganze Weile gedrücktes Schweigen im Raum. Yuki war die Frau unheimlich, nachdem sie gesehen hatte, wozu sie fähig war. Sie fürchtete sich vor Geistern und somit auch vor dieser komischen Frau, die selbst etwas Ähnliches wie ein Geist zu sein schien. Fukuro hingegen interessierte viel mehr Tsukis wahres Wesen, denn ihm war bewusst, dass sie weit mehr als ein Mensch war. Er war mehr Magier als Ninja, so dass ihn alles, was nicht menschlich war, interessierte. Noch etwas, was ihn von seiner Halbschwester unterschied. Sie hatten tatsächlich nicht viel gemeinsam. Ihm war es ein totales Rätsel, wie sie vor allen möglichen Geisterwesen Angst haben konnte, obwohl sie selbst nur zur Hälfte ein Mensch war. „Tsuki-san“, begann er schließlich, woraufhin diese ihn wieder direkt in die Augen sah. „Was ist?“, erwiderte sie. Er zögerte als er ihre Augen sah. „Ich... Wir...“, stotterte er und schluckte. „Unsere Sachen, also die Taschen mit dem, was wir mit uns führten, sie liegen noch im Wald.“ Er wich ihrem Blick aus. „Ich weiß, es erscheint rüde, nachdem wir das Dorf überfallen haben. Wir sollten Euch... Dir dankbar sein, dass du uns nicht getötet hast und so gut behandelst.“ Während er sprach beugte er sich soweit vor, dass seine Stirn den Boden berührte. „Aber ich würde dich trotzdem bitten, uns die Erlaubnis zu geben...“ Tsuki unterbrach ihn. „Deine Schwester bleibt hier und ich begleite dich“, meinte sie. „Ich weiß nicht was es ist, aber es scheint dir wichtig zu sein. Es geht nicht um eure anderen Sachen, sondern um etwas Bestimmtes.“ Da richtete er sich wieder auf und sah sie an. „Ihr... Du hast Recht“, meinte er dann und nickte. „Ich bin mit deinen Bedingungen einverstanden.“ Auch Tsuki nickte und stand auf. „Wir sollten gleich aufbrechen. Der Nachmittag ist bereits angebrochen und nachts kann der Wald trügerisch sein.“ Die Miko sah sie ebenso an, wie die Geschwister. „Bist du dir sicher, dass du das richtige tust?“, meinte sie, nachdem sie die ganze Zeit geschwiegen hatte. Tsuki nickte. „Glaub mir, ich weiß was ich tue, Miko-sama.“ Daraufhin schwieg die Alte und sah sie grübelnd an. „Pass auf das Mädchen auf“, forderte Tsuki sie dann auf, bevor sie sich an Fukuro wandte. „Lass uns gehen.“ „In Ordnung“, meinte er langsam. „Was ist eigentlich mit unseren Waffen?“, fragte er dann. „Die sind an einem sicheren Ort“, grinste Tsuki. „Und weder du, noch deine Schwester werden sie so schnell wieder sehen.“ Er seufzte, folgte ihr aber dann, als sie barfuss das Haus verließ. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie draußen keine Schuhe trug und ihre Füße trotzdem nicht rau wirkten. Schließlich hatten sie Hayashimura verlassen und betraten den Wald. Tsuki beschleunigte ihren Schritt, so dass es ihm schwer fiel, mit ihr mitzuhalten, obwohl er damit gerechnet hatte, schneller als sie zu sein, da er größer war und somit längere Beine hatte. „Warte, Tsuki-san“, keuchte er, woraufhin sie stehen blieb. „Sollte ich nicht besser vorangehen?“, fragte er. „Ich meine, ihr könnt nicht wissen, wo wir die Taschen versteckt haben.“ Er musterte sie. „Oder?“, setzte er dann unsicher hinzu. „Doch, ich weiß es“, meinte sie und kicherte. „Beziehungsweise, der Wald weiß es und er hat es mir verraten.“ Sie grinste wieder. Daraufhin schwieg er und folgte ihr so gut er konnte, da sie tatsächlich die richtige Richtung eingeschlagen hatte, auch wenn er sich das kaum erklären konnte. Sie musste ein Wesen des Waldes sein – nur was, fragte er sich immer und immer wieder. Sie konnte Geister rufen und mit dem Wald reden. Magie beherrschte sie auch. Also was konnte sie sein? Die Zeit verging viel zu schnell oder die Sonne hatte heute beschlossen eher als sonst unterzugehen, denn das Zwielicht des Waldes war noch undurchschaubarer und dunkler als am Tag, als sie dort ankamen, wo die beiden Geschwister am Tag zuvor die Taschen unter einem Laubhaufen versteckt hatten. Dabei hätte Fukuro schwören können, dass sie viel weniger Zeit gebraucht hatten, als sie von dort zum Dorf liefen, und da waren sie nicht gerannt. Trotzdem: Der Himmel über dem Blätterdach war in den roten Ton der untergehenden Sonne getaucht. „Was ist denn nun das wichtig, das du holen wolltest?“, fragte Tsuki, als sie das Laub beiseite schob. Fukuro antwortete nicht, sondern öffnete eine der aus dunklem Stoff genähten Taschen und wühlte darin, was die Frau geduldig abwartete. Schließlich zog er ein geknotetes Stoffbändchen aus der Tasche hervor. Es war aus weißem, blauen und schwarzen Faden gemacht und in der Mitte war ein Amulett mit einem eingearbeiteten Stein befestigt. „Ein Siegelamulett?“, fragte Tsuki. Er nickte bedächtig, sagte aber nichts. „Für wen?“, setzte Tsuki dann hinzu. „Ich meine, es gehört jemanden... Sein Zauber ist für eine bestimmte Person, für eine Yuki On...“ Sie brach ab. „Deine Schwester.“ „Ja“, seufzte er und sah sie hilflos an. „Sie ist die Tochter von unserem Vater und einer Yuki Onna. Wenn sie das Band länger nicht trägt, verliert sie jegliche Kontrolle über sich...“ „Warum hat sie es überhaupt abgelegt?“, fragte die junge Frau. „Das tut sie immer, wenn wir Aufträge ausführen“, meinte er. „Zwar hält das Amulett ihr Wesen unter Kontrolle, jedoch nimmt es ihr auch einen Teil ihrer körperlichen Kraft.“ Auch Tsuki seufzte, bevor eisernes Schweigen zwischen den beiden herrschte. Schließlich erhob die Frau doch wieder die Stimme, um erneut die selbe Frage wie am Abend zuvor zu stellen: „Wer hat euch den Auftrag geben Namida zu stehlen?“ Er sah sie an und zögerte. „Der... Der Namishui zerstört hat... Ein Oni namens...“ Doch den Satz konnte er nicht zu Ende führen, als plötzlich ein Wind aufkam und Tsuki zusammenfahren ließ. „Runter!“, rief sie und warf ihn zu Boden, als eine Art Schockwelle über sie hinweg fegte und den Baum vor dem sie standen einfach fällte, so dass sie erneut zur Seite springen mussten um diesem auszuweichen. Tsuki sah auf. Ein Mann, vom Äußeren her nicht älter als dreißig, mit roten Augen und Krallen an Stelle von Händen und Füßen stand auf dem Ast eines nahe gelegenen Baumes und sah auf sie herunter. Auf seiner Stirn war ein kleines Horn zu erkennen, welches ihn als einen Oni offenbarte. Er holte erneut mit dem linken Arm aus und sandte eine weitere Schockwelle in ihre Richtung aus. Doch dieses Mal reagierten beide rechtzeitig: Der Ninja machte ein Handzeichen zum Schutz, was ein Schild um sie herum entstehen ließ, während Tsukis Glöckchen zu läuten anfingen und das Schild verstärkten, so dass die Schockwelle daran abprallte, ihre Richtung änderte und direkt auf den Oni zuflog, der ihr mit einem Sprung in die Höhe auswich. Er trug eine dünne Rüstung, welche jedoch nur den Brustkorb schützte. Die Kleidung war anders als die, die Tsuki bisher gesehen hatte. Es war keine Kleidung, die normal auf Eikyû getragen wurde. Die Haare des Mannes waren schwarz und lang, während eine große Brandnarbe seine linke Gesichtshälfte zierte. „Wo ist deine dumme Schwester?“, rief der Mann nun mit Donnerstimme. Fukuro wandte nur den Blick ab und begann zu zittern. Das war der Oni, der ihre Insel vernichtet hatte und nur Yuki aufgrund ihres Blutes verschonte. Und Yuki war es, die ihn, Fukuro, gerettet hatte. Alle anderen waren Tod und er würde es auch bald sein. „Wo ist die Yuki Onna?“, wiederholte der Oni nun seine Frage. Tsukis Blick wanderte zwischen den beiden Männern hin und her. Sie hatte schon verstanden, was es mit dem Oni auf sich hatte. Kurz überlegte sie, dann trat sie aus dem Schild heraus. „Sie ist nicht hier, wie du siehst!“, rief sie und ging auf den Dämon zu. „Was mischt du dich ein, Weib?“, erwiderte dieser verächtlich, bevor er sich wieder Fukuro zuwandte. „Und die heilige Namida hast du auch nicht bei dir“, meinte er dann. „Es war dumm, dich am Leben zu lassen.“ Eine neue Schockwelle kam auf sie zu, doch dieses Mal kam sie nicht einmal bis zum Schild, denn Tsuki streckte die Hand vor und lenkte nur mit einer Bewegung die Welle um, so dass die das Ende zwei weiterer Bäume bedeutete. „Misch dich nicht ein, Weib!“, kreischte der Oni nun empört, doch Tsuki blieb ruhig: „Du willst doch kämpfen, oder?“ Der Oni erwiderte nichts, musterte die Frau nur. „Und?“ „Kämpf mit mir!“, rief Tsuki und sprang in die Luft. Nun sah auch Fukuro auf und folgte dem Flug der Frau mit dem Blick. Keine der weiteren vom Dämon ausgesandten Wellen traf sie und langsam – bildete er sich das etwa nur ein? – fing ein silberner Schein an ihren Körper zu umgeben. Als würde dieser den Schein des blassen Mondes, der am noch immer rötlichen Himmel stand, reflektieren. Dann begann sich auf einmal ihr Haar ins silberne zu verfärben und ihr Körper wurde seltsam in die Länge gezogen. Der Schimmer nahm ihren Körper immer mehr in sich auf und schien ihn zu verändern. Während sich die Beine verkürzten, wurden die Arme länger und bekamen eine andere Form. Der Kopf wurde in die Länge gezogen. Zwei Tierohren waren in den Konturen zu erkennen. Auch der Bau des Rumpfes kam dem eines Tieres, vielleicht dem eines Wolfes oder eines großen Fuchses näher und schließlich bestätigten Neun buschige Schwänze, dass es der Körper eines Fuchses war, den Tsuki nun besaß. Als die Verwandlung abgeschlossen war, landete sie auf allen Vieren auf dem Boden. Es war ein schöner Fuchs, mit weichem silbernen Fell und golden strahlenden Augen, die neben den Glöckchen, die zwar größer, aber trotzdem noch vorhanden waren, das einzige waren, was noch an die junge Frau erinnerte. Nun wusste Fukuro endlich was sie war. „Kitsune...“, hauchte er, als ihm aufging wie blind er gewesen war. „Eine Fuchsfrau!“ *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Begriffserklärungen Kitsune: wörtlich Fuchs, hier Fuchsfrau, eine der in Japan bekanntesten Fabelfiguren. Es handelt sich hierbei um Füchse, die sich in schöne Frauen verwandeln und zum Teil Männer heiraten und mit ihnen Kinder bekommen. Der Mann darf jedoch (eigentlich) nicht heraus finden, was sie ist, sonst verschwindet sie. Yuki Onna: Schneefrau, ein Geisterwesen, was in der Gestalt einer schönen Frau auftaucht und Wanderer in die Schneestürme hinauslockt. Werden meistens als böse dargestellt. Yurei: Geister (teils bösartig, Yuki Onna werden zu ihnen gezählt) Yokai: Geister und Fabelwesen (auch Monster, zu ihnen werden aber auch Kitsune, Kappa u.ä. gezählt) Oni: Japanische Dämonen. Vor dem 15. Jh. weitestgehend als gut dargestellt, treten sie nach dieser Wende in Legenden meistens als böse auf. Sie sind durch ein Horn auf der Stirn gekennzeichnet. Kapitel 3: Die vier Wächter --------------------------- Kapitel 03 ist jetzt auch gebetat :) Danke an Licht Kapitel 03: Die vier Wächter „Eine Fuchsfrau“, murmelte Fukuro völlig überrascht, während er sich hätte selbst ohrfeigen können, dass er nicht von selbst darauf gekommen war. Auch der Oni sah die Füchsin nicht minder überrascht – schon fast erschrocken – an, als Tsuki in ihrer neuen Gestalt auf dem Boden landete und ihn ansah. Es war eine hübsche Füchsin, die dort zwischen den beiden stand: groß gewachsen, wie die meisten Kitsune, und mit wunderschönem, silbern glänzendem Fell. Die neun Schwänze standen gefächert ab, während die goldenen Augen ganz auf den Dämon fixiert waren. Dieser fasste sich nun endlich. „Ein Fuchsgeist“, begann er verächtlich und mustere sie dabei. „Soll ich davon beeindruckt sein?“ Doch er erhielt keine Antwort. Da machte er auf einmal einen Satz auf sie zu, um sie zu attackieren, doch die Füchsin wich springend aus und landete neben Fukuro, welcher sie noch immer verwundert ansah. Die goldenen Fuchsaugen erwiderten seinen Blick. „Lauf zurück ins Dorf und bring deiner Schwester das Amulett“, klang nun eine Stimme in seinem Kopf. Fukuro brauchte etwas, um sich wieder zu fangen. „Danke, Tsuki-san“, flüsterte er dann, bevor er wieder ein Handzeichen machte. „Kiéyo!“ Damit war er verschwunden und Tsuki wandte sich dem Oni zu. „Was soll das?“, rief dieser nun empört. „Feiglinge!“ Er sah sich um, konnte aber keine Spur von dem jungen Mann entdecken. „Du...“ Er funkelte Tsuki wütend an. Die Kitsune erwiderte seinen Blick fest. „Du wolltest doch kämpfen“, war ihre Stimme nun zu vernehmen. Jedoch sprach die Füchsin nicht selbst. Vielmehr schien ihre Stimme aus allen Richtungen zu kommen, so als ob es die Bäume waren, die sprachen. Mittlerweile hatte der Oni sich wieder einigermaßen gefasst. Er lächelte grimmig und hob den rechten Arm. „Glaub nicht, dass du diesen Kampf überlebst“, meinte er dann mit selbstsicherer Stimme, was Tsuki nur mit einem Blick erwiderte, der etwas wie „das werden wir ja sehen“ zu sagen schien. Und mit einem Mal brachen die beiden aus diesem scheinbaren, kurzen Standbild aus: Der Dämon sprang rückwärts wieder in das Geäst eines Baumes, während sich die Füchsin duckte und den ganzen Körper anspannte. Dann flogen ihr weitere Schockwellen entgegen. Den ersten drei Schockwellen wich sie aus, indem sie in die Luft sprang. Die Attacken prallten auf den Waldboden und hinterließen einen gut zwei Schritt tiefen Krater an der Stelle an der die Füchsin gestanden hatte. Diese stand nun auf einem breiteren, tief gelegenen Ast eines Baumes und blickte den Dämon weiterhin fest, fast störrisch, an, doch dieser lachte nur: „Ja, weglaufen kannst du! Aber kämpfen? Elendes Mistvieh!!“ Und im nächsten Moment flogen weitere seiner Attacken über die Lichtung, trafen verschiedene Bäume und brachte sie zu fall. Die Kitsune sprang unterdes jedoch von Ast zu Ast immer wieder nach oben, immer knapp von den Attacken verfehlt, in die Spitze eines Baumes, die sie genau in dem Moment erreichte, wie eine weitere Schockwelle den unteren Teil des Baumes traf. Während der Baum fiel, stieß sich die Füchsin von dem Ast, auf dem sie zuletzt gestanden hatte, ab und sprang in die Luft, so dass sie im nächsten Moment genau zwischen dem Mond und dem Dämon war. Und da fingen wieder die Glöckchen an zu läuten, aber dieses Mal in einem tieferen Ton als bisher, und es bildete sich wieder ein Schimmer auf dem Fell der Füchsin. „Ich weiß nicht, was du vorhast, doch ich garantiere dir, es wird dir nichts nützen!“, rief der Dämon, nun sich seines Sieges bereits sicher, doch als er sie erneut attackieren wollte, bemerkte er den Schimmer, der seinen Körper umgab und verstand zu spät, was die Fuchsfrau gemacht hatte: Der Schimmer hatte seinen Körper gefangen; er war bewegungsunfähig. Fukuro hastete – derweil wieder sichtbar – durch den Wald in Richtung Hayashimura. Langsam war ihm klar geworden, warum er und Tsuki solange für den Weg zum Versteck gebraucht hatten. Der Oni hatte einen Zauber, eine Art magische Endlosschleife in den Wald gelegt und sie waren blindlings in diese Falle getappt, wahrscheinlich kostbare Stunden lang im Kreis gelaufen ohne es zu merken. Nun merkte er, wie sich ein flaues Gefühl in seiner Magengegend breit machte. Nicht, weil er so spät dran war, auch nicht, weil Tsuki allein dort auf der Lichtung mit dem Dämon kämpfte, nein, das war es nicht, dafür aber der kalte Wind, der ihm entgegen kam. Viel zu kalt für eine Sommernacht... Und dafür konnte es nur einen Grund geben. „Yuki“, flüsterte er und beschleunigte seine Schritte noch einmal. Doch als er dem Dorf näher kam, bildeten sich bereits Schwaden kondensierten Atems vor seinem Gesicht wenn er ausatmete und die Bäume, wie auch der Boden, waren von weißem, glitzernden Raureif überzogen. Endlich lichteten sich die Bäume und das Dorf wurde sichtbar. Als er auf die Lichtung trat, schlug ein kalter Wind Fukuro entgegen. Das ganze Dorf war mit Eis und Schnee bedeckt. „Verdammt“, fluchte er leise. „Yuki.“ Er schloss die Augen und konzentrierte sich um die Aura seiner Schwester zu erspüren. Sie musste hier irgendwo sein. Da riss er auf einmal die Augen auf und fluchte erneut. Heute schien einfach alles schief zu gehen! Dann rannte er weiter in das Dorf hinein, zu den Ruinen des Tempels, von wo aus er die Aura seiner Schwester gespürt hatte und noch eine andere, viel mächtigere Aura, die nur einen Ursprung haben konnte, denn es gab kein lebendes Wesen in Eikyû mit solch einer Macht. Es war die Aura Namidas, der Träne des Phönix’. Der Dämon funkelte Tsuki, die mittlerweile wieder mit allen vier Pfoten auf dem Waldboden stand, an. Ihre Glöckchen bimmelten wieder beständig, während ihr Fell etwas an Schimmer verloren hatte. Dafür leuchteten die goldenen Fuchsaugen umso mehr. „Du...“, knurrte der Dämon, konnte aber nicht wesentlich mehr sagen, da der Zauber der Kitsune ihn komplett bewegungsunfähig machte und das galt auch für seinen Mund. Dann erschien wie aus dem Nichts eine blauweiße Flamme an dem Ende von jedem der neun Fuchsschwänze und ein solches Feuer bildete sich nun auch um den Körper des Dämons. Als die Füchsin nun ihre Schwänze, die sie während des Kampfes dicht aneinander gehalten hatte, so weit wie ihr irgend möglich fächerte, wurde der Körper des Dämons gestreckt und begann in der Luft zu schweben. Er schrie, als er spürte wie seine Energie, die Energie, die ihn seit fast hundert Jahren am Leben erhielt, aus ihm heraus gesaugt wurde. So schien es nun fast so, als hätte die Füchsin den Kampf gewonnen, doch da fegte eine unsichtbare Welle über die Lichtung und über den gesamten Wald hinweg, wehte tausende Blätter von den Bäumen. Die Kitsune riss den Kopf in die Richtung herum, aus der diese Welle gekommen war, in die Richtung des Dorfes. Das Läuten der Glöckchen verstummte und das Leuchten ihrer Augen verschwand. In dem Moment erlangte der Dämon seine Bewegungsfähigkeit zurück. Auch sein Kopf fuhr in die Richtung des Dorfes, er verengte die Augen und sprach das aus, was der Kitsune schon klar war, seit sie die Energie gespürt hatte. „Namida. Sie ist erwacht.“ Dann machte er einen Sprung und verschwand im Wald. Erst da konnte sich die Kitsune losreißen und folgte ihm, wobei sie wieder ihre menschliche Gestalt annahm. Der Wind blies Fukuro kalt und erbarmungslos entgegen, während er sich durch den kniehohen Schnee zwischen den Häusern voran kämpfte, dorthin, wo seine Schwester – und Namida – waren: Zu den Ruinen des Tempels. Fukuro trat zwischen den letzten beiden Gebäuden hervor und musste sich ducken um dem Wind standhalten zu können. „Yuki“, flüsterte er. Er musste ihr das Amulett bringen. Es war nicht das erste Mal, dass sie die Beherrschung verlor, doch bisher war ihre Macht dabei nicht von einem Gegenstand wie der Träne des Phönix’ verstärkt worden. Nun kniff er die Augen zusammen und sah sie endlich: Sie stand mit ausgebreiteten Armen auf einem der stark verkohlten Pfeiler des Tempels. Ihre Augen schimmerten, jedoch vollkommen anders als die der Kitsune. Sie waren eiskalt und blau. Auch die rote Namida, die nun um den Hals der Schneefrau lag, war von blauem Schimmer umgeben. Und da war noch etwas: Dort lag eine ohnmächtige – vielleicht sogar tote – Gestalt an einer durch die Trümmer etwas vor dem Schnee geschützten Stelle. Doch durch den Schneesturm, der hier herrschte konnte Fukuro nichts Genaueres erkennen. So wanderte sein Blick wieder zu seiner Schwester. Ihr Zopf hatte sich gelöst und ihr Haar wirbelte nun – wie auch Teile des Kimonos – in einem Tornado um sie herum. Im Moment war sie das reine Abbild ihrer Mutter: Die todbringende, wunderschöne Königin der Kälte. Fukuro hatte Glück, dass sie ihn bisher nicht bemerkt hatte, doch was sollte er nun tun? Wie sollte er ihr jetzt – so mächtig wie sie durch die Namida nun war – das Amulett anlegen oder nur in ihre Nähe kommen? In diesem Moment legte sie den Kopf zurück und schloss die Augen. Der Wind ließ etwas nach. Gleichzeitig ertöne ein Poffen neben Fukuro, was ihn dazu brachte, seinen Blick für einen Moment von seiner Schwester abzuwenden, doch da klammerte sich schon ein zitternder Tohon an seinen Arm. „Wo ist Kitsune-han?“, piepste er und sah ihn mit tränenglänzenden Augen an. „Was ist passiert?“, erwiderte Fukuro bloß. Der Geisterjunge schüttelte den Kopf. „Deine Schwester... Sie hat die Namida vom alten Kannushi gestohlen...“ Da drehte er auf einmal den Kopf zur Yuki Onna und Fukuro folgte seinem Blick. Yuki hatte die blau glühenden Augen wieder geöffnet und fing an zu lachen. Dann machte sie mit ihrer Hand eine plötzliche Bewegung, mit der sie die Namida berührte. Doch kaum hatte er diese Bewegung registriert, wurde Fukuro von einer Welle reiner Macht zurück geworfen und landete im Schnee, zusammen mit dem Geisterjungen, der sich immer noch an ihn klammerte. Zugleich wurde von der Energiewelle Schnee aufgewirbelt, der die beiden unter sich begrub. Verdammt, fluchte Fukuro innerlich, als der Schnee ihm den Atem nahm und er verzweifelt begann mit Armen und Beinen zu zappeln, um sich zu befreien. Retten tat ihn letzten Endes Tohon, der mit einem kleinen Wirbelwind den Schnee beiseite fegte. Doch sobald der Schnee ihn nicht mehr bedeckte, hörte er nur eines: Das Lachen der Schneefrau, welches so gar nicht mehr nach seiner Schwester klang. Da konnte er nicht anders. Er richtete sich auf und schrie nach seiner Schwester: „YUKI!!!“ Doch bevor er ein Weiteres tun konnte drehte sie sich zu ihm um und auf einmal wurde er von dem Wind in die Höhe gehoben – unfähig sich zu wehren. Und die Schneefrau lachte weiter: „Was willst du, Mensch?“, fragte sie höhnisch, während die Winde durch sein Gewand und seine Haut schnitten, bis er begann vor Schmerzen zu schreien. Es war aussichtslos. Doch mit einem Mal ließ der Wind nach und er fiel zurück in den Schnee, wo er schnaufend liegen blieb, ohne zu wissen was passiert war. Tatsächlich hatte der Oni Yuki von hinten attackiert und sie von dem Pfeiler geworfen, was dafür gesorgt hatte, dass sie die Kontrolle über ihren Zauber verlor. Sie rappelte sich wieder auf und blickte ihren neuen Gegner an. „Gib mir die Namida, Mädchen“, forderte dieser nun und trat auf sie zu. Sie knirschte nur mit den Zähnen und funkelte ihn weiter hasserfüllt an. „Niemals!“ Einen kurzen Moment lang erfüllte Stille den Platz zwischen Dorf und Bäumen, dann sprangen die beiden Kontrahenten mit einem Mal zurück und schickten eine Attacke – die Schneefrau einen Schneidewind, der Dämon eine seiner Schockwellen – in die Richtung des jeweils anderen los, die unter gewaltigem Schneegestöber aufeinander trafen, das für einige Augenblicke jeglichen Blick auf die Gegner verwehrte. Als sich der Schnee lichtete, waren die beiden bereits in einen heftigen Kampf verstrickt. Noch immer lag Fukuro keuchend im Schnee und Tohon schwebte über ihm, als ein Paar nackter Füße neben ihm erschien. Tohon sah auf. „Kitsune-han!“, rief er überglücklich und klammerte sich im nächsten Moment schon an sie. „Kitsune-han, dieses Mädchen, seine Schwester, sie ist...“ Doch bevor er weiter sprechen konnte, unterbrach sie ihn. „Ich weiß, Tohon, ich weiß.“ Sie tätschelte seinen Kopf und wandte sich dann an Fukuro. „Kannst du aufstehen?“ fragte sie und kniete sich neben ihn. Er schluckte. „Ja, ich denke schon“, erwiderte er und stützte sich auf, um sich aufzurichten, aber er verlor den Halt und fiel wieder keuchend zu Boden. Die Kitsune beugte sich über ihn. „So wird das nichts“, meinte sie kopfschüttelnd und streckte ihm die Hand entgegen. „Gib mir das Amulett.“ Misstrauisch sah er sie an. „Was hast du vor?“, fragte er. „Du weißt, dass du mir vertrauen kannst“, antwortete sie. „Du kannst ja kaum aufrecht sitzen, geschweige denn kämpfen. Ich werde deiner Schwester das Amulett anlegen.“ Er nickte zögernd und zog das Armband aus der Tasche. „Beeil dich“, flüsterte er. „Mach dir keine Sorgen“, antwortete sie, bevor sie sich an Tohon, der immer noch über dem jungen Mann schwebte, wandte: „Pass auf ihn auf, Tohon“, befahl sie, was den Geisterjungen grinsen ließ. „Zu Befehl, Kitsune-han!“, rief er, als sie sich bereits von ihnen abwandte, hin zum Oni und der Schneefrau. Diese war noch immer im Besitz der Namida und dadurch ihrem Kontrahenten eindeutig überlegen, so dass dessen Versuche, sie anzugreifen nahezu lächerlich wirkten, da er immer wieder zurückgeworfen wurde. Mit zusammengekniffenen Augen folgte Tsuki ihren Bewegungen. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich direkt in den Kampf einzumischen. Solange diese im Besitz der Namida war, wäre Yuki auch ihr überlegen. Tsukis Hoffnung beruhte darauf, nahe genug an sie heran zu kommen, um ihr das Amulett anzulegen. Dann würde sie ihr auch die Namida abnehmen können. Nun begannen die Glöckchen sich zu bewegen, wenn auch ihr Klang beinahe gänzlich vom Wind verschluckt wurde. Doch augenblicklich schien der Wind um die Kitsune herum nachzulassen, so dass sie sich mühelos bewegen konnte – hinüber zu den Ruinen, in deren Schatten sie in Deckung ging, um auf den richtigen Augenblick zu warten. Der Kampf zwischen Yuki und dem Oni beruhte mittlerweile darauf, dass die Schneefrau alles versuchte, um den Dämon außer Gefecht zu setzen – zu töten – während dieser eingesehen hatte, dass sie ihm durch die Namida überlegen war, und sich so darauf konzentrierte, ihr dieses Relikt abzunehmen. Tsuki saß derweil zusammengekauert im Schatten der Ruinen und beobachtete den Kampf. Sie musste abwarten, bis sich eine Gelegenheit ergab – der Kampf weniger schnell war. Sie durfte nicht riskieren, dass sie entdeckt wurde, bevor sie Yuki das Amulett angelegt hatte. Wenn sie auf einmal beide, die Schneefrau und den Oni gegen sich hatte, sah es schlecht für sie aus. Doch während die Kitsune noch nachdachte, geschah genau das, worauf sie gewartet hatte: Die Attacken der Gegner prallten wieder unter gewaltigem Schneegestöber aufeinander, doch während der Dämon im dichten Schnee so gut wie blind war, griff die Yuki Onna ihn erneut an, so dass er zurück geworfen wurde und rücklings im Schnee landete. Doch bevor er sich wieder aufrichten konnte, war die Schneefrau schon über ihm und drückte ihn weiter zu Boden, die Hände auf seine Brust gepresst. Zuerst verstand der Oni nicht, doch da merkte er, was sie tat: Sie absorbierte seine Energie! Diesen Moment nutzte Tsuki aus. Mit ein paar Sprüngen war sie bei den beiden, stürzte sich von hinten auf Yuki und riss deren rechten Arm hoch. Die Schneefrau wandte ihren Kopf um und fauchte sie an. Sie versuchte Tsuki wegzustoßen, doch diese war schneller, denn sie hatte das Amulett schon in der Hand und drückte es gegen das Handgelenk der Yuki Onna. Diese funkelte sie an. „Du...“ Doch da zuckte sie zusammen. Das Amulett zeigte schnell seine Wirkung und ihre Kraft schwand trotz der Namida. Die Schneefrau blinzelte. „Was...?“ Dann verlor sie das Bewusstsein. Tsuki atmete auf. Sie hatte es tatsächlich irgendwie geschafft. Ihre Erleichterung war jedoch schnell verflogen, als das Lachen des Oni, der noch immer unter ihnen lag, sie in ihre Situation zurück katapultierte. „Danke, Fräulein Fuchs“, lachte er, während er aufstand und dabei Schnee- und Fuchsfrau in den Schnee warf. Bevor Tsuki die Situation begreifen konnte, bückte er sich zu Yuki und riss ihr die Namida vom Hals. „Oh nein...“, hauchte Tsuki, während sie sich mit ansehen musste, wie der Dämon sich langsam und mit Genugtuung die Kette ums Handgelenk wickelte. „Vielen Dank“, wiederholte er dann an die Kitsune gewandt, die das Gefühl hatte, ihr Herz wäre stehen geblieben. „Wärst du nicht gewesen hätte sie mich getötet. Du hast mir nicht nur das Leben gerettet, sondern hast auch noch dafür gesorgt, dass die Namida nun mein ist. Vielen Dank!“ Er lachte höhnisch. Tsuki richtete sich mühsam auf, sie fühlte sich plötzlich viel erschöpfter, als noch kurze Zeit zuvor. Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können? Sie hatte sich so darauf konzentriert, Yuki das Amulett anzulegen, dass sie die Namida vollkommen vergessen hatte. „Gib die Namida zurück“, forderte sie, obwohl sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie die Hoffnung gehabt, dass bald alles überstanden war, doch nun war selbst der letzte Funke davon in ihr verloschen. Der Dämon grinste breit und ging langsam – fast unerträglich langsam – auf sie zu. „Glaubst du wirklich, dass du jetzt noch irgendetwas erreichen kannst?“, fragte er und musterte sie dabei abwertend. Sie funkelte ihn wütend an, sagte aber nichts. Nun hob der Oni seine Hand und sah diese interessiert an, so als hätte er sie zuvor noch nie gesehen. Er bewegte und wendete sie einige Male, während er zu sich selbst sprach: „Es stimmt also, was man über die Namida sagt“, murmelte er, bevor er mit einer für das Auge viel zu schnellen Bewegung Tsuki an der Gurgel fasste und einige handbreit anhob. „Merk dir eines, kleine Füchsin: Sollte ich dich oder einen deiner dummen Freunde irgendwann einmal wieder sehen, wird derjenige das Treffen nicht überleben!“ Damit stieß er sie von sich, so dass sie einige Schritte weit flog und rückwärts gegen einen der brüchigen Pfeiler des Tempels prallte, welcher bei dem Aufprall zersplitterte. Dann verlor sie das Bewusstsein. Das erste, was Tsuki merkte, als sie wieder zu sich kam war, dass sie auf einem Futon neben einem Feuer lag und ihr Rücken unerträglich schmerzte. Langsam öffnete sie die Augen. Bis auf den Schein des Feuers, vor dem sie einen Schatten knien sah, war es dunkel im Raum. Es war also Nacht. Jedoch wusste sie nicht, ob es noch dieselbe Nacht war, wie jene, in der der Kampf statt gefunden hatte. Der Kampf... Sie schreckte auf, fuhr aber gleich wieder stöhnend auf ihr Lager zurück. „Du bist wach?“, fragte die vertraute Stimme der alten Miko. Doch bevor sie antworten konnte, schwebte Tohon schon über ihr. „Kitsune-han!“, rief er überglücklich und warf sich ihr um den Hals. „Ich hatte schon gedacht, du wachst gar nicht mehr auf.“ Tsuki tätschelte seinen Kopf. „Wie lange war ich ohnmächtig?“, fragte sie nun mit belegter Stimme. „Einen ganzen Tag“, erwiderte die Miko und kniete sich nieder um ihr aufzuhelfen und ihr dann einen Becher warmen Tee zu geben. Tsuki trank dankbar, denn ihr Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an. Immer wieder musste sie blinzeln, weil das Bild vor ihren Augen verschwamm. „Was ist mit der Namida?“, fragte sie schließlich. Auf diese Frage hin herrschte eine Weile gedrücktes Schweigen. „Der Oni hat sie wohl noch immer“, antwortete Fukuro, den Tsuki nun auf der anderen Seite des Feuers erkannte. Sein Oberkörper war entblößt und mit vielen dünnen Schnitten, die von den Winden der Yuki Onna herrührten, übersät. Sein Kimono wurde um die Hüfte durch den Gürtel zusammen gehalten. Tsuki seufzte. Also war der Kampf umsonst gewesen. „Was ist mit Yuki und dem Kannushi?“, erkundigte sie sich dann niedergeschlagen. Tohon löste sich etwas von ihr. „Der Kannushi schläft“, sagte er. „Und die Yuki Onna...“ „Sie ist keine richtige Yuki Onna!“ widersprach Fukuro heftig, senkte aber wieder die Stimme. „Unser Vater war ein Mensch.“ Schon wollte Tsuki erwidern, dass Yuki Onna meistens immer menschliche Väter hatten, da es keine männlichen Yuki Onna gab, ließ es aber sein, als sie den schmerzerfüllten Blick in seinen Augen sah. So schwiegen sie, bis auf einmal die Tür zur Seite geschoben wurde und der Kannushi, auf einen Stock gestützt, in den Raum kam. „Was schreit ihr so?“, fragte er etwas außer Atem. „Ich alter Mann versuche zu schlafen.“ Fukuro senkte den Blick. „Ich bitte um Entschuldigung, Kannushi-sama.“ Daraufhin schüttelte der alte Mann den Kopf und ließ sich vorsichtig neben dem Feuer nieder. Dann seufzte er. „Das Schicksal ist uns nicht hold“, murmelte er. „So viele Übel und nun wird auch noch die heilige Namida gestohlen.“ Er schüttelte erneut den Kopf. „Die Träne des Phönix war unser Schutz... Und nun? Ein Dämon hat sie gestohlen!“ Damit wandte er sich zu Fukuro. „Das ist einzig und allein die Schuld von dir und deiner Schwester!“ Der Ninja starrte stumm ins Feuer, so dass Tsuki das Wort ergriff: „Es ist nicht ihre Schuld, Kannushi-sama“, erwiderte sie. „Der Oni...“ „Raiu Akki“, warf Fukuro ein, ohne den Blick vom Feuer abzuwenden. „Das ist sein Name.“ „Gut...“ Die Fuchsfrau nickte. „Raiu Akki hat ihr Dorf überfallen und sie als einzige am Leben gelassen.“ Das hatte sie sich von Fukuros Worten und dem, was der Dämon sagte, zusammen gereimt. „Er hätte sie auch getötet, hätten sie nicht versucht die Namida zu stehlen... Außerdem...“ Sie schluckte. „Außerdem hätte der Dämon die Namida nicht bekommen, wäre ich nicht gewesen“, endete sie den Satz betrübt und sah nun ebenfalls dem tanzenden Spiel der Flammen zu. „Kitsune-han“, seufzte Tohon. „Es ist nicht deine Schuld.“ Er klammerte sich wieder an sie, bis sie den Arm um ihn legte. Nun stand Fukuro auf. „Er hat Recht, Tsuki-san“, meinte er und setzte sich neben sie. „Du hast nur helfen... uns helfen wollen.“ Er seufzte. „Der Kannushi hat Recht. Es ist unsere Schuld. Wir haben den Dämon erst hierher geführt.“ Damit tätschelte er ihre Schulter. Tsuki seufzte. „Danke... Aber...“ Sie sah in die Runde. „Ich fürchte, dass mehr hinter der Sache steckt, als wir denken. Ich... In letzter Zeit spürte ich eine starke, dunkle Macht im Norden... Und sie wird mit jedem Tag stärker. Ich fürchte, dass alles miteinander zu tun hat. Es ist kein Zufall, dass der Oni grade jetzt die Namida stielt und ich befürchte...“ Mit einer kurzen Pause holte sie tief Luft. „Ich fürchte, dass sie alle vier Heiligtümer stehlen wollen.“ „Aber wieso?“, warf Fukuro sofort ein. „Ich meine, was haben sie davon? Die Heiligtümer verstärken, wenn es stimmt, was ich weiß, zwar Magie und auch körperliche Stärke, aber...“ Die Kitsune brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. Da mischte sich die alte Miko ein. „Ich dachte du würdest die Legenden kennen, junger Ninja.“ „Was...“ Fukuro sah fragend zwischen ihr und Tsuki hin und her. „Sicher kenne ich die Legenden, aber... Nun... Es sind Legenden“, meinte er verwirrt. „All die Dinge, dass die vier Reiche einmal eins gewesen sind... Und die Wächter.“ Er brach ab. „Ich meine, wenn diese Wächter so mächtig sind... Wieso haben sie dann zugelassen, dass ‚Eikyû’ gespalten wurde? Und wieso lassen sie zu, dass die Reiche sich bekriegen?“ Während er sprach kam er sich dumm und unwissend vor, weil er auf der einen Seite Tsuki glaubte, es aber von seinem Verstand her nicht begreifen und sich nicht erklären konnte, wo er und seine Schwester hinein geraten waren. Und alle hier schienen mehr zu wissen als er. „Weil sie schlafen“, antwortete der Kannushi ihm. „Sie schlafen, wie es die Legende sagt.“ „Aber...“, setzte Fukuro erneut an, doch Tsuki hob die Hand um ihn zum Schweigen zu bringen. „Das Böse, das Dunkle in den Wesen dieser Welt, wurde zu stark“, erklärte sie mit ernstem Blick. „Ihr Glaube zu schwach. Sie machten die Götter für ihr Elend verantwortlich und das raubte diesen Geduld und Kraft den Menschen gegenüber. Sie haben sich schlafen gelegt und mit ihnen auch die Wächter. Doch im Gegensatz zu den Göttern hinterließen sie...“ „Die vier Heiligtümer...“, endete Fukuro den Satz. „Die Rüstung Yoroi, den Dolch Yaeba, das Amulett Namida und das Schwert Tsume.“ Die anderen nickten. „Wer alle vier Heiligtümer stielt...“, begann der Kannushi. „Wenn alle zusammen gebracht werden... Die Heiligtümer waren zum Schutz der Reiche bestimmt. Wenn sie aus diesen heraus gebracht werden, verlieren die Reiche ihren Schutz. Die Götter wissen, was dann aus uns wird. Vor allem, wenn die Heiligtümer in den Besitz eines Dämons fallen...“ Er sprach nicht weiter und so legte sich einmal mehr langes Schweigen über die Runde, bis Fukuro wieder das Wort ergriff. „Ich werde mit meiner Schwester den Dämon suchen und die Namida zurück bringen.“ Alle sahen ihn an. „Eine mutige Entscheidung“, meinte die Miko, doch Tohon, der sich die ganze Zeit an Tsuki geklammert hatte, löste sich nun von ihr und schwebte auf Fukuro zu. „Du bist ein Mensch und damit auch schwach. Außerdem bist du nicht magiefühlig, oder?“ „Nein“, erwiderte der junge Mann, dessen Entschluss bereits fest stand, und sah ihn an. „Deine Schwester?“, fragte Tohon mit verschränkten Armen weiter. Fukuro schüttelte den Kopf. „Nicht – oder kaum – solange sie das Amulett trägt.“ Daraufhin stöhnte der Geisterjunge auf. „Und wie, bei allen Göttern, wollt ihr den Dämon und die Namida dann finden?“, schnaubte er den Ninja an. Doch da mischte sich Tsuki ein. „Tohon, glaub mir, sie werden die Namida finden“, sagte sie und zog den Geist an seinem Kimono wieder zu sich. „Und wieso glaubst du das?“, fragte der Kannushi und sprach damit die Frage auf den Herzen aller aus. Die Fuchsfrau sah in die Runde. „Weil ich sie begleiten werde.“ Kapitel 4: Das Dorf über den Wolken ----------------------------------- Kapitel 04: Das Dorf über den Wolken Weit, sehr, sehr weit von Hayashimura, von ganz Honou und den vier Reichen, die einst zusammen Eikyû bildeten, entfernt, lag das Land Penggou. Vor langer Zeit hatten die Bewohner Penggous mit denen Eikyûs Handel betrieben, doch diese Zeiten waren schon lange vorbei. Schon lange war es her, dass das letzte Schiff den Weg zwischen den beiden Reichen gefunden hatte und schon lange war kein Boot aus Eikyû in Sengu, der Hauptstadt des Donnerreiches, gewesen. Kaum jemand in Penggou wusste auch nur davon, dass es Eikyû nicht mehr gab, dass es gespalten war. Dort in Penggou, genauer in einem Dorf im Nordwesten des Reiches, auf dem Berg Fengshan, waren zwei Wochen zuvor, als Fukuro und seine Schwester Hayashimura erreichten, zwei junge Männer in einen Kampf vertieft. Beide waren um die zwanzig Sommer alt und von kräftigem Körperbau. Nun standen sie auf den spitzzulaufenden Dächern zweier gegenüberliegender Häuser und warteten darauf, dass der jeweilige Gegner den Kampf fortführte. Beide Männer führten lange Stäbe als Waffen und trugen weite blaue Hosen. Doch während der eine ein ärmelloses weißes Oberteil trug, kämpfte der andere mit nacktem Oberkörper. „Willst du nicht lieber aufgeben, Mao?“, fragte nun der Mann mit dem Oberteil und grinste seinen Gegner an. Dieser wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Das selbe wollte ich dich grade fragen, Shen Hou!“ erwiderte er. Er hatte langes schwarzes Haar, dass er sich zu einem Zopf zusammen gebunden hatte. Seine Augen waren fast genau so dunkel wie sein Haar und hatten einen stechenden Blick. Der Mann, dessen Name Shen Hou war, strahlte das genaue Gegenteil aus: Sein Haar war dunkelbraun und schien etwas unbändig, während seine grasgrünen Augen lustig blitzten. Und statt, wie sein Gegner, verkniffen und konzentriert zu schauen, zierte ein breites Grinsen sein Gesicht. Plötzlich, wie auf Kommando, stießen sie sich von den Dächern ab und griffen einander mit den Stäben an. Diese prallten kurz aufeinander, bevor beide auf dem Dach landeten, wo vorher der jeweils andere gestanden hatte, doch dieses Mal verharrten sie nicht so lange und sprangen schnell wieder aufeinander zu. Dieses Mal nutzte Shen den Moment, als er seinem Gegner – Mao – nahe genug war, um seinen Stab unter den Maos zu stecken und sich so in der Luft zu drehen. Er versetzte seinem Gegner einen Tritt, der diesen in Richtung Boden schleuderte und ihn selbst auf das Dach eines dritten Hauses brachte. Mao schaffte es jedoch sich zu drehen, während die Menge, die dem Kampf der beiden zusah, auseinander stob, damit er nicht auf ihnen landete und stieß sich direkt wieder vom Boden ab, so dass er nur einige Fuß weit von Shen auf dem Dach landete. „Du bist ja ganz schön außer Atem“, meinte dieser – weiterhin grinsend – was zwar zutraf, aber seinem Gegner nichts als ein schwaches Grinsen entlockte. „Und wenn schon, ich werde dich heute trotzdem besiegen“, keuchte er und richtete sich etwas aus seiner gebückten Haltung auf. „Da bin ich aber gespannt“, erwiderte Shen Hou nun und griff nun an, indem er seinen Stab hob und auf seinen Gegner hinab sausen ließ. Mao reagierte jedoch augenblicklich, blockte mit seinem eigenen Stab und hielt diesen zwischen beiden Händen dem Angriff entgegen. Ein paar Augenblicke verharrten sie wieder so – Stab an Stab. Dann rissen sie die Waffen herum und fingen nun so an zu kämpfen und das in einer Geschwindigkeit, die die Zuschauer auf dem Boden in Staunen versetzte. Die beiden Kontrahenten waren nämlich Cousins und die besten Kämpfer des Dorfes, wenn auch seit frühster Kindheit Rivalen. Da drängte sich eine junge Frau in einem langen, weißen Gewand, die ungefähr im selben Alter wie die beiden Cousins war, von hinten durch die Menge der Zuschauer. „Lasst mich durch“, murrte sie ständig, wenn weitere Rücken ihr den Weg versperrten. „Ich muss eine Nachricht überbringen. Lasst mich durch“ Mit diesen Worten kämpfte sie sich immer weiter durch die Menge, bis sie nur noch einige Meter von dem Haus entfernt war, auf dem der Kampf stattfand. „Shen!!“, rief sie hoch, doch der Kampf ging weiter. „Mao! Shen!“, brüllte sie erneut, doch wieder ohne Erfolg. Da hob sie einen Stein vom Boden auf und warf diesen – eine Aktion, die angesichts der Kampfgeschwindigkeit sinnlos schien, doch der Stein traf und zwar beide Stäbe, genau in einem Moment, als diese grade aufeinander prallten. Daraufhin unterbrachen die Kontrahenten verwirrt ihren Kampf und sahen zu ihr hinunter. „Mei?“, fragte Shen verwirrt. Die Angesprochene blitzte ihn an. „Komm sofort runter, Shen!“, rief sie. „Ich habe eine Nachricht vom großen Priester für dich!“ Shen sah zu seinem Gegner und zuckte mit den Schultern. Dann sprang er vom Dach, so dass die Leute grade noch zur Seite laufen konnten, ehe er direkt vor Mei landete. „Und, was hast du für eine Nachricht für mich?“, fragte er, woraufhin sie nur seufzte. „Du sollst zu ihm kommen und zwar schnellstmöglich.“ „Sag das doch gleich!“, erwiderte er, bevor er sich an die Menge um sie herum wandte und ihr zurief: „Für heute ist der Kampf zu Ende!“, was die Leute teils enttäuscht, teils erleichtert, aufnahmen. „Und was ist mit mir?“ fragte Mao und landete neben den beiden auf dem Boden. „Du kannst eigentlich mitkommen.“, erwiderte Xing Mei – so war ihr voller Name. „Die Sache geht dich ebenfalls etwas an.“ „Na dann...“, meinte Shen und ging los. „Lasst uns gehen.“ Mao setzte sich in Bewegung und folgte ihm, doch sie waren keine zehn Schritte gegangen, ehe Meis Stimme sie zum stehen brachte. „Moment!!“ rief sie, hatte mit eine paar schnellen Schritten zu ihnen aufgeschlossen und stellte sich die Hände in die Hüften gestemmt vor die beiden Männer. „Wollte ihr ernsthaft in dem Aufzug zum ehrwürdigen Priester?“, fragte sie empört. Beide Männer sahen sich verwirrt an. „Wieso nicht?“, fragte Shen. Mei schüttelte hilflos den Kopf. „Shen, du kommst mit mir mit!“ sagte sie dann im Befehlston. „Und du, Mao, gehst nach Hause, wäscht dich und ziehst dich um! Wir treffen uns dann beim Tempel!“ Damit schnappte sie sich Shen am Arm und zog ihn in eine der Gassen. Doch kaum waren sie aus der Sichtweite Maos riss er sich los. „Du führst dich auf“, murrte er nun wieder grinsend und musterte sie, wobei der Ausdruck in seinen Augen ganz sanft wurde. Die Frau, die ihm nun stumm in die Augen sah, war bereits seit zwei Jahren seine Geliebte und das war etwas, worüber er sehr glücklich war. „Schau nicht so, Shen“, sagte sie nun mit gespielter Empörung, bevor sie sich streckte und ihn auf die Wange küsste. „Jetzt komm“, forderte sie ihn dann auf und nahm seine Hand. So machten sie sich auf den Weg durch das Dorf, hin zu dem Haus, wo sie zusammen mit seinen Eltern wohnten. Das Dorf wurde Yuncun genannt, was soviel wie Wolkendorf hieß. Dieser Name rührte daher, dass es auf der Spitze des Berges Fengshan lag und das Dorf daher über den Wolken lag. Außerdem hatten die Dorfbewohner eine ganz besondere Bindung zu den Wolken, die sie umgaben, denn diese unterschieden sich von den anderen Wolken, da sie von der Windmagie des Fengshan genährt wurden und durch sie Festigkeit und eine Seele, ähnlich der von Tieren, erhielten. Daher wurden sie auch als Himmelspferde bezeichnet und die Krieger des Dorfes als Yonshibin, Wolkenkrieger. Nach kurzer Zeit waren Shen und Mei am Rand des Dorfes angekommen, wo ihr Haus, das wie alle Häuser aus gebleichten Steinen bestand und ein Schieferdach hatte, lag. „Schnell, schnell!“, drängte Mei ihren Geliebten, bevor sie das Haus betraten. Kaum hatten sie die Tür geschlossen, klang schon die Stimme seiner Mutter durch das Haus und das nicht grade freundlich: „Shen?“ „Und Mei!“, antwortete der Krieger, als schon seine Mutter, eine Frau um die vierzig, in dem Flur trat. Sie hatte die Haare zu einem Knoten gebunden und starrte ihn wütend an, was ihn zurück weichen ließ. „Was ist jetzt wieder los?“ jaulte er, wie ein getretener Hund. „Du hast schon wieder grundlos mit Mao gekämpft!“, rügte ihn die Mutter und war damit erst am Beginn ihrer Strafpredigt. Doch da schob Mei ihn schon an ihr vorbei. „Wir müssen zum Priester!“, meinte sie entschuldigend. „Wir können später mit den beiden schimpfen.“ Damit waren sie und Shen schon in ihrem Zimmer verschwunden, wo Shen aufatmete. „Danke, Liebste“, murmelte er, doch sie war schon wieder aus dem Zimmer verschwunden, nur um nicht viel später mit einem Bottich Wasser zurück zu kommen. Als er noch immer wie verlassen dort saß, stöhnte sie auf. „Zieh dich aus, du musst dich waschen!“, befahl sie, doch er rührte sich nicht. „Zieh du mich aus“, verlangte er. „Shen, wir müssen uns beeilen!“, erwiderte sie verzweifelt, seufzte aber hilflos, als er sie weiterhin mit Unschuldsmiene ansah. So kniete sie sich ihm gegenüber, woraufhin auch er vom Schneidersitz in die gekniete Haltung wechselte. Dann machte sie sich daran sein Oberteil aus dem Hosenbund und ihm dann ganz auszuziehen, wobei er auch bereitwillig die Arme über den Kopf hob. Als sie ihn nun jedoch waschen wollte, legte er die Arme um sie und zog sie an sich. Sie sträubte sich. „Shen, wir...“ „... müssen uns beeilen“, endete er ihren Satz. „Ich weiß, aber bitte bleib noch so. Nur noch einen Moment“, bat er. Sie seufzte. „Nur einen Moment...“, meinte sie dann und schmiegte sich an ihn. Denn in Wahrheit genoss sie die Umarmung genauso wie er. Dann hob sie den Kopf und erwiderte seinen Kuss, als er seine Lippen gegen die ihren drückte, doch schließlich drückte sie ihn sanft von sich. „Wir sollten uns jetzt wirklich beeilen“, sagte sie. Er seufzte. „Es muss wohl sein“, meinte er und ließ sich von ihr waschen. Einige Zeit später waren die beiden auf dem Weg zum Tempel Yuncuns, der weit ab vom Dorf, beziehungsweise nicht einmal auf dem Berg Fengshan, gelegen war. Der Tempel war auf Wolken gebaut. Wolken, die von der Magie gefestigt waren und weich unter ihren Füßen nachgaben, als Mei und Shen die wolken- und bergverbindende Brücke verließen und die Wolkenfläche betraten. Shen trug ein ähnliches Gewand wie zuvor, wieder eine tiefblaue Hose und ein weißes Oberteil, welches aber im Gegensatz zu dem, das er beim Kampf getragen hatte, mit Stickereien verziert war. So betrag er mit Mei zusammen den Tempel. Mao war bereits dort und wartete, wie auch der alte, weißhaarige und langbärtige Priester, zwei Tempeldiener und eine ältere Frau, die etwas weiter hinten kniete, auf die beiden. Diese Frau war das Orakel des Dorfes und zugleich Meis Mutter. Dass sie anwesend war, hieß, dass diese Zusammenkunft mit einer Vision zu tun hatte, die sie gehabt hatte. „Ihr seid spät dran, Shen!“, neckte Mao seinen Rivalen, als dieser mit Mei zusammen neben ihn trat. Mao trug dasselbe Gewand wie Shen und sein Haar fiel nun offen in seinen Nacken. Shen erwiderte nichts, wenn auch nur, weil seine Geliebte ihn mit einen Ellenbogenhieb in die Seite davon abhielt. Stattdessen richtete er seinen Blick auf den langbärtigen, alten Mann, der auf einer Erhöhung im Saal, fünfundzwanzig Schritt – denn näher durften sie nicht kommen –von ihnen entfernt stand. „Ihr seid spät dran, dafür, dass ihr sofort kommen solltet“, meinte der Priester ungehalten, worauf Shen ihn nur angrinste. „Entschuldigung“, meinte er. „Hatten noch etwas zu tun.“ Auf diese Bemerkung hin warf Mei ihm einen warnenden Blick zu. Der Alte räusperte sich. „Wie dem auch sei...“ Er sah die beiden Krieger und Mei an. „Wir sollten ohne Umschweife auf das zu sprechen kommen, weshalb ich euch hierher gerufen habe.“ Mit einer Pause sah er wieder zu den beiden Kriegern. „Das Orakel hatte heute zum Zeitpunkt des höchsten Sonnenstandes eine Vision, die die Befürchtung nahe legt, dass wir jetzt bereits in großer Gefahr schweben“, sagte er und pausierte wieder, bis Shen die Stimme erhob. „Und weiter?“, fragte er ungeduldig, was ihm eine Reihe weiterer ungehaltener Blicke einbrachte. Der Priester seufzte, da er Shens Ungeduld schon lange kannte, genauso wie seine Unbeschwerte Art, die nicht bei allen für Belustigung sorgte. „Die Bedrohung kommt aus dem Osten Penggous, vom einstigen Eikyû“, führte er seine Rede fort. „Und es bleibt nicht mehr allzu viel Zeit, wenn wir der Vision des Orakels Glauben schenken, was ich für meinen Teil tue.“ Stille legte sich über die Gruppe, die im Saal versammelt war, bis es erneut Shen war, der diese brach: „Und was sollen wir tun? Und was ist überhaupt los? Will Eikyû Penggou angreifen?“, fragte er und sah – nun selber ungehalten – zum Priester hinaus. „Nein“, sagte dieser nun sehr langsam. „Nein was?“ rief Shen und stampfte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. „Es ist nicht das einstige Eikyû, welches uns angreifen wird“, antwortete der Weise. „Denn die vier Reiche sind genauso in Gefahr, wie wir. Deswegen wollst du, Shen Hou, dich auf den Weg nach Eikyû machen und die Nachricht an mindestens einen der vier Herrscher bringen. Die Reiche müssen ihre Fehde vergessen, wenn sie die Gefahr bezwingen wollen. Denn wenn sie das nicht tun, steht es um uns genau so schlecht, wie um sie.“ Shens Blick veränderte sich von einem Moment auf den anderen. Sein Blick wurde leer und ungläubig. „Ich soll weg?“, fragte er langsam und sah zu dem Priester hinauf, in der sinnlosen Hoffnung, dass alles nur ein dummer Scherz war. „Ja, du sollst eine Nachricht nach Eikyû bringen“, wiederholte der Priester, doch Shen reagierte nicht. Stattdessen war es Mao, der vortrat. „Und was ist mit mir?“, fragte er gekränkt. „Was soll ich tun?“ „Du wirst hier bleiben und das Kommando über die Krieger des Dorfes übernehmen“, antwortete der Alte. „Aber kann... Kann ich nicht hier bleiben und Mao geht?“, fragte Shen heiser. „Wir sind gleich stark!“, stimmte Mao zu. „Es sollte kein Unterschied machen, wer von uns geht.“ „Das Orakel hat es so vorausgesehen“, antwortete der Priester. „Shen Hou, du wirst morgen noch vor dem Morgengrauen aufbrechen!“ „Aber...“, wollten die beiden jungen Krieger widersprechen, doch der Langbärtige überhörte sie. „Jetzt geht!“ Shen schnaubte und wollte widersprechen, doch Mao und Mei packten ihn und geleiteten ihn mit sanfter Gewalt aus der Halle. Erst als sie draußen auf den Wolken standen, ließen sie ihn los, woraufhin er sie sofort anfuhr: „Verdammt, was soll das?“ „Das weißt du ganz genau.“, erwiderte Mei und sah ihn wütend an. „Was um alles in der Welt ist mit dir los?“ „Das frage ich mich allerdings auch“, meinte Mao. „Verdammt, du hast den Auftrag, du hast die Verantwortung, du darfst nach Eikyû reisen, dass Dorf verlassen, wie du es immer wolltest! Also, wo ist dein Problem?“ Shen wandte sich ab. „Das geht dich nichts an, Mao!“, schnaubte er und stampfte über die Wolken davon. Mao zuckte mit den Schultern und sah ihm mit zusammengekniffenen Augen hinterher, während Mei ihm nachsetzte. „Warte, Shen!“, rief sie und griff nach seinem Handgelenk. „Shen!“ Sie war nun neben ihm, hatte aber Mühe mit ihm Schritt zu halten, als er nun den Schritt beschleunigte. „Verdammt, Shen, was ist mit dir los?“, wiederholte sie ihre Frage. „Warum...“ Da blieb er plötzlich stehen. „Es ist egal. Vergiss es“, sagte er leise, ohne sie dabei anzusehen. Stattdessen sah er auf die Wolken zu seinen Füßen. „Shen...“, flüsterte sie und stellte sich vor ihn. „Sieh mich an, Shen.“ Als er nicht reagierte legte sie ihre Hand unter sein Kinn und drückte es hoch, so dass er gezwungen war sie anzusehen. Doch sein Blick erschreckte sie, denn es war reiner Schmerz, der aus diesem sprach. Der Tag verging in Meis Augen viel zu schnell, wenn sie daran dachte, dass Shen am nächsten Morgen abreisen würde. Den ganzen Tag hatte er kaum mit ihr oder irgendjemanden sonst gesprochen, war ihr sogar aus dem Weg gegangen, was sie kaum ertragen konnte. Die Nachricht, dass er Yuncun verlassen sollte, hatte ihren sonst immer zu einem Spaß aufgelegten Geliebten auf einmal ernst werden lassen und sie verstand es nicht. Sie kannte Shen seit sie kleine Kinder waren und immer hatte er davon gesprochen in fremde Länder zu reisen und dort Abenteuer zu erleben. Jetzt hatte er endlich die Chance und er wollte nicht gehen. Warum? Warum ergriff er nicht die Möglichkeit, die sich ihm gab? Darüber grübelte sie immer noch nach, als die Sonne bereits im Westen versank und die Wolken unter dem Dorf rot färbte. Mei saß an der Hinterseite des Hauses von ihrer und Shens Familie, welches ja am Rand des Dorfes und somit am Abhang lag, und sah gedankenversunken auf die Landschaft am Fuß des Berges. Da legte auf einmal jemand die Hand auf ihre Schulter und sie sah auf. Shen stand – wieder in normalen Sachen – hinter ihr und sah sie an. „Was ist?“, fragte sie sanft und legte ihre Hand auf seine. Er sah sie noch ein wenig schweigend an. „Komm mit“, forderte er sie dann auf und zog sie hoch, bevor er sie bei der Hand nahm und ging. „Wo gehen wir hin?“, fragte Mei leise, obwohl sie bereits ahnte, wo er hinwollte. Diese Ahnung bestätigte sich, als er pfiff und Shiyun, seine Wolke, sich aus der Menge der anderen Wolken löste und angeflogen kam. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren setzte Shen sich auf das Himmelspferd und zog Mei hinauf. Auch sie schwieg, als das Wolkentier auch schon los sauste und sich in den Himmel erhob. Sie flogen zu einem benachbarten Berg, der kleiner war als Fengshan. An diesem Berg flogen sie bis auf die halbe Höhe hinab, wo eine kleine Höhle im Felsen war. Genau wie Mei vermutet hatte, denn diese Höhle war ihr Ort. Hier hatte Shen ihr damals seine Gefühle gestanden und hier gingen sie immer dann hin, wenn sie ein wenig Zeit zu zweit verbringen wollten. Auf einem kleinen Felsvorsprung vor der Höhle ließ sich Mei zu Boden gleiten, bevor auch Shen abstieg und die Wolke mit einem Tätscheln wieder davon schickte. Mei sah ihn an und er erwiderte ihren Blick, ehe er sie plötzlich an sich zog und fest an sich drückte. Sie legte nur die Arme um ihn und schloss die Augen. Sie wusste, dass er nicht sprechen wollte und ließ ihn gewähren. Im Moment reichte es ihr, seine Nähe zu spüren und bei ihm zu sein, vor allem, wenn sie daran dachte, eine ganze Zeit von ihm getrennt zu sein. „Shen...“, flüsterte sie nach einer Weile leise. Er seufzte und sog ihren Geruch ein. „Ich will nicht von hier fort...“, murmelte er leise und strich durch ihr Haar. Um zu warten, was er noch sagen würde, schwieg sie nur. Wieder herrschte eine Weile Schweigen und er seufzte erneut. Dann löste er sich etwas von ihr, strich über ihre Wange und küsste sie lange und zärtlich. Als sich ihre Lippen voneinander lösten sah er ihr in die Augen. „Ich will nicht von dir getrennt sein, Mei... Ich will hier bleiben“, flüsterte er dann verzweifelt und hob ihre Hand an seine Wange. „Shen...“, flüsterte sie und strich über seine Wange, wobei er die Augen schloss. „Shen...“, wiederholte sie, weil sie nicht wirklich wusste, was sie sagen sollte. Sie hatte so etwas geahnt, aber nicht gewusst, ob sie es sich nicht nur einbildete. „Aber du wirst doch bald zurück sein... Shen...“ Sie seufzte und schwieg kurz, bevor sie erneut ansetzte. „Ich meine, ich will auch nicht mehr von dir getrennt sein, keinen Augenblick, aber du wirst wieder kommen und dann werden wir zusammen sein und können es bleiben. Für immer...“ Nun war sie es, die sich streckte und ihn küsste. „Mei, ich weiß nicht, ob ich wirklich gehen soll. Ich muss, was der Priester sagt ist Gesetz, aber selbst wenn es nur für eine relativ kurze Zeit sein wird.“ Er sah sie mit schmerzerfülltem Blick an. „Ich werde keine Nacht schlafen können, weil ich mir Sorgen um dich mache – es nicht ertrage von dir getrennt zu sein.“ Nun musste sie lächeln. Es tat gut das zu hören, so schmerzlich der Abschied auch für sie sein würde. „Ich weiß...“, flüsterte sie. „Mir wird es nicht anders gehen, Shen.“ Daraufhin herrschte lange Zeit, in der sie sich einfach nur ansahen, Schweigen, bis er begann mit den Händen über ihren Körper zu fahren und schließlich ihr Gewand zu öffnen. Nun küsste er ihren Hals und fuhr dabei mit den Händen unter dem offenen Gewand über ihren Rücken. „Ich liebe dich...“ flüsterte er. Sie hatte die Augen geschlossen und genoss seine zärtlichen Berührungen einfach. Während er ihren Hals küsste, strich sie durch sein Haar, ehe sie sich langsam auf den Boden sinken ließ, der mit einer Decke belegt war. „Ich liebe dich auch“, erwiderte sie und sah ihn an, ehe sie sich wieder auf die Lippen küssten. Dabei stimmte das, was sie gesagt hatte nicht einmal, sie liebte ihn nicht nur, nein, es war viel mehr. Mehr als man in Worte fassen konnte. Deshalb hatte es ihr auch so wehgetan, dass er ihr den ganzen Tag aus dem Weg gegangen war, auch wenn sie nun verstand. Sie wollte auch nicht von ihm getrennt sein, aber es musste sein. Es war auch nur für ein paar Wochen, dann würde er wieder da sein und sie könnten zusammen leben. Das war es zumindest, was sie sich wünschte und sie wusste, dass er genau so dachte. Bis dahin mussten die Erinnerungen reichen und sie wollte jeden Augenblick, jede Berührung, jeden Seufzer von diesem Abend in ihrer Erinnerung festhalten um sie diesen Erinnerungen hinzuzufügen und die nächsten Wochen so erträglich zu machen, denn auch so würden ihr die nächsten Wochen wie Jahre vorkommen. So genoss sie einfach nur seine Nähe an jenem Abend, die Art sich zu lieben, ehe sie – der Mond stand bereits am Himmel – in seinen Armen einschlief. Mei schlief noch und die Sterne standen noch immer am Himmel, als Shen sich erhob und sich daran machte sich anzuziehen. Dabei achtete er darauf, sie nicht zu wecken. Er würde den Abschied nicht verkraften. Als er wieder voll bekleidet war, deckte er sie noch einmal richtig zu und küsste sie auf die Wange. Dann wandte er sich schweren Herzens von ihr ab und zu Shiyun hin, die bereits am Eingang der Höhle wartete. Auf ihr flog er zum Haus zurück, wo er direkt hinter der Eingangstür seinen Stab und eine Tasche deponiert hatte. Von seinen Eltern hatte er sich bereits am Vorabend verabschiedet, da er auch ihnen den direkten Abschied ersparen wollte. Als es sich nun wieder umdrehte, stand Mao hinter ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter und beide sahen sich lange an. Dann ging Shen an ihm vorbei. „Mach’s gut“, meinte er und hob eine Hand zum Abschied. „Und pass auf Mei auf, bis ich wieder da bin“, fügte er dann hinzu und wollte sich auf Shiyun schwingen. „Warte!“, rief Mao und Shen drehte sich um, woraufhin sein Cousin ihm eine Schriftrolle zuwarf. „Vom Priester“, erklärte er. „Die Nachricht, die du überbringen sollst.“ Shen nickte. „Ich werde mich beeilen. Und bitte, pass auf Mei auf!“, wiederholte er dann, während er die Schriftrolle in seiner Tasche verstaute. „Versprich es.“ „Ich schwöre!“, erwiderte Mao und grinste. „Und wenn du wieder zurück bist, werde ich dich besiegen!“ Nun lächelte auch Shen matt. „Das werden wir ja sehen“, meinte er und ohne ein weiteres Wort zu verlieren schwang er sich auf Shiyun und flog gen Osten davon, nicht wissend, was er alles zurück ließ und dass er jetzt schon zu viel verloren hatte. Kapitel 5: Aufbruch aus Hayashimura ----------------------------------- Ein relativ kurzes Kapitel ^.~ Ist mehr oder weniger nur ein Bindeglied zwischen der „Vorgeschichte“ und dem Hauptteil. Viel Spaß beim Lesen ^^ ~*~*~*~*~*~ Kapitel 05: Aufbruch aus Hayashimura Yuuki kniete auf einem Futon in dem Zimmer eines Hauses, das dem des Priesters benachbart war. Auf dem Schoß lag ihr Beutel, den sie gerade am Packen war, doch im Moment verharrte sie und sah gedankenverloren auf das Amulett um ihr Handgelenk. Der Kampf war nun vier Tage her; zwei Tage waren vergangen, seit sie aufgewacht war und erfahren hatte, was Fukuro und die komische Geisterfrau beschlossen hatten. Und niemand hatte sie – Yuki – gefragt. Sie wollte den Dämon, der alle getötet hatte, nicht suchen und am wenigsten wollte sie das in Begleitung der Kitsune tun. Doch Fukuro vertraute der Frau – Tsuki – und Yuki wusste, dass sie ihr eigentlich zu Dank verpflichtet war, nachdem sie ihr das Amulett angelegt hatte und ihnen so geholfen hatte... Aber am Ende war sie doch nur eine Geisterfrau und egal was Fukuro davon dachte: Sie hatte Angst vor Geistern, auch – oder vielleicht gerade? – wenn sie selbst einer war. Nun, eigentlich war es auch mit den Menschen nicht viel anders, denn Yuki fürchtete auch diese auf eine Weise. Denn Menschen waren es, die sie ihr ganzes Leben lang drangsaliert und gequält hatten, weil sie sich selbst vor ihr fürchteten... Nur Fukuro tat das nicht... Sie seufzte. Deswegen würden sie auch im Laufe des Vormittags mit ihnen aufbrechen, ohne sich zu beklagen: Sie hatte Fukuro, der sie ihr ganzes Leben lang beschützt hatte, verletzt und die Kitsune hatte ihn gerettet. Es war wirklich alles falsch gelaufen, seit Raiu Akki in ihr Dorf gekommen war... Mit einem weiteren Seufzen und den Kopf schüttelnd, löste sie sich aus ihren Gedanken und steckte die letzten Vorräte und ein paar Wurfmesser in den Beutel und schnürte diesen zu, ehe sie aufstand um Dolch und Katana an ihrem Gürtel zu befestigen. Dann schulterte sie den Beutel und verließ das ansonsten leere Haus. Draußen dämmerte es noch und Nebel hing in Schwaden über dem kleinen Dorf, doch die Dorfbewohner waren bereits alle auf und gingen verschiedenen Tätigkeiten nach. Der Schnee war geschmolzen und nun waren viele auf den Feldern um diese vor Überflutung zu schützen. Auch im Haus des Priesters waren bereits alle hellwach und der Kannushi, die Miko, Fukuro und Tsuki knieten bereits um die Feuerstelle herum und tranken Tee. Yuki ließ ihre Tasche zu Boden gleiten und kniete sich neben Fukuro nieder, welcher sie ansah und musterte. „Wo warst du so lange?“, fragte er leise, doch sie zuckte zur Antwort nur mit den Schultern, bevor sie die Tasse Tee in die Hand nahm, die Tsuki ihr reichte. „Und nun?“, fragte Yuki, nachdem sie den Tee getrunken hatte und sie alle schweigend ansahen. „Ich meine, WO wollen wir nach Raiu Akki suchen? Wie sollen wir ihn finden? Und was wollen wir tun, wenn wir ihn gefunden haben?“ Fukuro sah sie an, Tsuki schüttelte den Kopf. „Wir reisen erst einmal nach Norden. Wenn Raiu Akki die Namida nicht wieder versiegelt hat, sollte ich fähig sein ihre Aura zu spüren, wenn wir uns nähren.“ Daraufhin sah Yuki sie misstrauisch an, sagte aber nichts. Sie seufzte nur und wartete darauf, dass einer der anderen etwas sagte. So herrschte eine ganze Zeit schweigen, ehe Tsuki seufzte. „Wir sollten allmählich aufbrechen, die Sonne ist bereits aufgegangen“, sagte sie und Fukuro nickte, wobei er sich etwas aufsetzte. „Gut. Yuki?“ Er sah seine Schwester an und nickte ihr aufmunternd zu. Zur Antwort nickte sie auch, aber eher resignierend. Tsuki lächelte matt und etwas traurig und stand nun auf. „Dann kommt, sonst ist es Mittag, ehe wir aufbrechen und dann müssten wir wohl im Wald übernachten.“ Damit nahm sie eine Tasche, die als Art Schlauch um ihre Schultern hing und schulterte sie. Dann sprang sie von der Terrasse des Hauses und wartete auf die anderen. Yuki stand ebenfalls gedankenverloren auf, als Fukuro ihr auf die Schulter klopfte. „Findest du es so schlimm?“, fragte er sie, doch sie zuckte nur wieder mit den Schultern. „Lass den Kopf nicht hängen, Yuki“, meinte er dann und sprang ebenfalls von der Terrasse des Hauses herunter. Yuki folgte. Unten drehte sich Tsuki um und wank dem Priester und der Miko zu. „Ich verspreche euch, wir bringen die Namida zurück!“, rief sie und lächelte dabei, doch Yuki fand, dass das Lächeln irgendwie aufgesetzt wirkte. „Pass auf dich auf, junge Tsuki“, meinte die Miko und nickte, wie auch der Kannushi, ehe sich Tsuki umdrehte und von den beiden Ninja gefolgt, in Richtung des Waldes ging. Doch sie hatten die Dorfgrenze noch nicht erreicht, als sie eine schrille Stimme zusammenfahren ließ: „Kitsune-han!!“ Die drei fuhren herum, als sich auch schon ein weinender Tohon an Tsuki klammerte. „Geh nicht, Kitsune-han!“, schluchzte er und kuschelte sich an sie. „Geh nicht...“ Er sah sie mit verweinten Augen an. Die Fuchsfrau erwiderte seinen Blick und lächelte – doch es war so etwas wie Trauer in diesem Lächeln – ihn an, tätschelte seinen Kopf. „Ich muss, Tohon-chan“, erwiderte sie. „Du hast doch selbst gesehen, was dieser Dämon tun kann. Außerdem wolltest du nicht auch die Namida schützen?“, fragte sie dann. Der Geisterjunge schwieg und wandte kurz den Blick ab, ehe er wieder zu ihr aufsah. „Ja schon...“ antwortete er kleinlaut. „Aber Kitsune-han...“ Er brach ab und schüttelte den Kopf. „Dann lass mich mitkommen!“, meinte er, doch Tsuki schüttelte ebenfalls den Kopf und strich ihm durchs Haar. „Du weißt, dass das nicht geht“, meinte sie und sah ihn mitleidig an. „Aber ich verspreche dir zurückzukommen.“ „Und wenn dir was passiert?“, fragte er und sah sie an. „Mir passiert schon nichts, Tohon-chan.“ Sie lächelte ihn nun etwas weniger traurig an. „Pass auf, Tohon, während ich nicht da bin muss ja außerdem jemand auf die alte Miko und den Kannushi aufpassen, findest du nicht?“, meinte sie und brachte ihn dazu sie loszulassen, woraufhin er vor ihr schwebte. „Und deswegen musst du hier bleiben – ohne Widerrede.“ Sie lächelte ihn an. „Ja, aber...“, begann er, doch Tsuki schüttelte den Kopf. „Kein aber, Tohon-chan. Komm, wir versprechen uns etwas: Ich verspreche, dass ich so schnell wie möglich mit der Namida zurück komme und du versprichst mir, dass du hier bleibst und zusammen mit den anderen Zashiki-Warashi auf die Priester aufpasst.“ Daraufhin ließ Tohon die Schultern hängen und seufzte. „Kitsune-han.“ Noch einmal seufzte er, ehe er ihr den rechten kleinen Finger entgegenstreckte. „Versprochen“, sagte er, woraufhin sie ihren kleinen Finger mit den seinen verhakte. „Versprochen“, wiederholte sie. Dann löste sie sich von ihm. „Wir brechen jetzt auf. Wir sind sowieso schon spät dran“, meinte sie und ging zu Fukuro und Yuki, die etwas abseits standen, ehe sie Tohon noch einmal zuwinkte. „Mach’s gut, Tohon-chan, und pass gut auf den Kannushi auf, dass der alte Mann keine Dummheiten macht.“ Der Geisterjunge nickte. „Komm bald zurück!“, rief er ihr zu, schniefte und verwandelte sich dann in einen Feuerball, um so davon zu fliegen. Tsuki lächelte matt, bevor sie sich wieder den beiden Ninja zuwandte. „Lasst uns gehen“, meinte sie und machte ein paar Schritte auf den Wald zu. Als Yuki und Fukuro ihr folgten, ging sie weiter. Dieses Mal gingen sie nicht querfeldein durch den Wald sondern folgten einem Weg, der aufgrund der wenigen Nutzung ziemlich überwuchert war. Doch auf ihm war es immer noch einfacher zu gehen, als abseits davon. „Der Junge hat dich gern, nicht?“, fragte Fukuro nach einer Weile und sah zu Tsuki. Sie lächelte und nickte. „Ich glaube ich bin so etwas wie eine Schwester für ihn“, meinte sie und sah noch einmal kurz über die Schulter zurück. „Und die anderen Zashiki-Warashi?“, fragte der Ninja weiter, während seine Schwester einfach hinter ihnen hertrottete. „Die anderen Geister... Sie sind meine Freunde, aber keiner war mir so wichtig wie Tohon“, erwiderte sie. „Tohon wäre sicher auch ohne zu zögern mit uns mitgekommen, da bin ich mir sicher. Aber es geht nun einmal nicht. Außerdem glaube ich nicht, dass er eine Hilfe wäre“, murmelte sie. „Zashiki-Warashi können ihre Dörfer also wirklich nicht verlassen“, stellte Fukuro fest, was Tsuki mit einem Nicken bestätigte. „Sie sind die Beschützer der Familien, der Häuser, deshalb...“, sagte sie. „Und wenn sie gehen, bringt es den Bewohnern Unglück, richtig?“, fragte Fukuro weiter, den so viel Wahrheit an den alten Legenden verwunderte. Obwohl er immer gewusst hatte, dass überall etwas Wahres dran war, musste er nun zugegeben, dass es viel mehr war, als er je zu glauben gedacht hatte. „Genau“, bestätigte Tsuki nun wieder. „Du weißt ja doch mehr, als ich gedacht hab. Du Realist.“ Sie lächelte. „Ich bin ein Magier, ich habe viel davon gelesen“, meinte Fukuro. „Außerdem gibt es da Dinge, die ich wohl nie verleugnen konnte.“ Er sah mit einem Lächeln zu seiner Schwester, welche dieses nur mit einem Schulterzucken abtat. „Und wie ist das mit den Legenden, die man sich über Kitsune erzählt?“, fragte er dann neugierig. „Was meinst du?“, erwiderte die Fuchsfrau. „Naja, über eure Fähigkeiten und auch die Dinge, dass ihr euch mit Männern – also mit Menschen – paart, dass ihr Menschen liebt.“ Er wurde bei dieser Frage etwas rot, aus Angst, sie könnte es missverstehen. „Tja, wer weiß...“, wich Tsuki der Frage aus. „Wir sollten lieber laufen anstatt zu reden, dass wir vor Einbruch der Nacht aus dem Wald sind“, meinte sie dann und beschleunigte ihren Schritt. „Also kommt.“ Damit lief sie mit ihrem üblichen Tempo weiter, so dass die anderen beiden ihr nur noch mit Mühe folgen konnten und weitere Gespräche ausgeschlossen waren. Kapitel 6: Der Wolkenkrieger ---------------------------- Kapitel 06: Der Wolkenkrieger Es waren mittlerweile sechs Tage vergangen, seit Tsuki, Yuki und Fukuro in Hayashimura aufgebrochen waren und sie hatten den Wald, in dem das kleine Dorf versteckt lag, schon lange hinter sich gelassen, auch wenn sie diesen nicht wie geplant innerhalb eines Tages durchquert hatten. So waren sie nun schon weit im Norden Honous – fast in der Mitte des Reiches, wenn Tsukis Vermutungen richtig waren und zum ersten Mal, seit sie ihre Reise begonnen hatten, suchten sie eine Stadt auf, um ihre Vorräte aufzufüllen und sich nach Informationen umzuhören, in der Hoffnung, dass sich zumindest Gerüchte über einen Dämon verbreitet hatten, die Aufschluss über die Richtung, die Raiu Akki eingeschlagen hatte, geben könnte. Nun war Yuki auf dem Weg auf den Markt, der in der Mitte der Stadt stattfinden würde, während Fukuro sich in der Menge umhörte und Tsuki nach etwas bestimmten suchte – so hatte diese zumindest gesagt. Es war relativ voll auf dem Markt, doch viele der Menschen, die Yuki sahen, rückten zur Seite, denn sie hatten Angst, als sie ihr weißes Haar sahen. Doch eine Kapuze zu tragen, wie Fukuro es tat, war auch nicht weniger auffällig. Sie hatte grad trockenen Reis gekauft, als sie jemand anrempelte. Wütend fuhr sie herum, wobei sie noch sah, wie die Kapuze des Mannes zurück fiel und wildes, braunes Haar erkennen ließ. Doch dann war der Mann schon in der Menge verschwunden und eine Frau rief noch: „Haltet den Dieb!“ Doch er war schon verschwunden und Yuki bezahlte seufzend den Reis, ehe sie sich noch auf die Suche nach einem Verkäufer, der Obst feil bot, machte. So standen sie und Fukuro am Abend vor dem Tor der Stadt und warteten ungeduldig auf Tsuki, die noch immer nicht aufgetaucht war. Fukuro wollte schon zurückgehen und nach ihr suchen, als die Fuchsfrau durch das Tor gelaufen kam. „Wo warst du so lange, Tsuki-san“, fragte Fukuro und musterte sie. „Ich sagte doch, ich habe was gesucht, aber leider nicht gefunden“, erwiderte sie nur und zuckte mit den Schultern, was Yuki murrend wahrnahm. „Eine große Hilfe...“, murmelte sie vor sich hin, woraufhin ihr Bruder sie mit einem bösen Blick strafte, von dem sie genau wusste, was er zu sagen hatte, jedoch nahm sich nichts zurück, sondern erwiderte den Blick frech. „Wir sollten sehen, dass wir einen Platz zum Schlafen finden“, meinte Tsuki und lächelte sie an. „Habt ihr alles bekommen?“, fragte sie dann noch. Yuki nickte. „Reis, gedörrtes Fleisch und Obst“, grummelte Yuki, als sie sich in Bewegung setzten. Ihr gefiel es nicht, wie die Kitsune sich verhielt und ließ diese und ihren Bruder das auch merken. Und bisher hatte Tsuki ja auch noch nichts ‚gespürt’ was sie auf die Fährte Raiu Akkis gebracht hätte. „Hast du irgendwas herausgefunden?“, fragte Tsuki nun grade, während sie leichtfüßig und immer noch barfuss vorweg lief. „Nein“ Fukuro seufzte. „Nichts über einen Dämon oder irgendetwas. Es ist, als hätte er sich in Luft aufgelöst.“ Tsuki blieb kurz stehen und lächelte ihnen aufmunternd zu. „Wir werden ihn schon finden. Und die Namida...“, fügte sie leise hinzu. Yuki verzog das Gesicht und lief mal wieder stillschweigend hinter den beiden her, als sie sich auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz machten. Diesen fanden sie schließlich unter einem Baum am Rande eines Hains, der nur eine kurze Strecke von der Stadt entfernt war. Hier würden sie einigermaßen vor den Blicken Fremder, die die Straße passierten, geschützt sein. Auch wenn es durch das trockene Unterholz nicht möglich war, ein Feuer zu machen, doch im Moment war es auch warm genug um Nachts ohne Feuer zu schlafen. Da sie nichts kochen konnten, aßen sie etwas von dem Dörrfleisch und dem Obst, welches Yuki am Nachmittag gekauft hatte, zu Abend. Danach saßen Tsuki und Fukuro noch zusammen und unterhielten sich über ihre weiteren Pläne, während Yuki an einem Baum gelehnt zur Straße sah, die von der untergehenden Sonne, wie auch der Wald und die Hügel hinter der Straße, in einen weichen rotton getaucht war. Als es schließlich dunkel wurde, übernahm Tsuki freiwillig die erste Wache. Ihr ging es eigentlich darum ein wenig allein zu sein – mit den Bäumen, dem kleinen Wald – auch wenn sie das den anderen beiden so nicht sagte. So dauerte es nicht lange und die beiden Geschwister waren Rücken an Rücken eingeschlafen, wobei Yuki einen sehr unruhigen Schlaf zu haben schien. Da seufzte Tsuki und lehnte den Kopf gegen einen Baum. Sie war ein Wesen des Waldes und es fühlte sich nicht gut an so lange von diesem getrennt zu sein. Auch dieser kleine Hain von Bäumen war da nur ein schwacher Trost, auch wenn – kaum das die anderen beiden eingeschlafen waren – die ersten Geister des Waldes auftauchten und ihr Gesellschaft leisteten, was Tsuki lächeln ließ. „Ihr seid lieb, kleine Freunde“, flüsterte sie, als sich die Wesen um sie versammelten, legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Ohne es zu merken kam ein seichter Dämmerschlaf über sie, aus dem sie erst erwachte, als sie etwas witterte. Mittlerweile war es stockdunkel um sie herum und auch am Himmel waren keine Sterne zu sehen, da dieser mit schweren Wolken bedeckt war. Das wird ein Unwetter geben, dachte sie mit Blick auf die Wolken. Auch die Luft um sie herum bestätigte das, denn sie war schwül und stickig. „Wacht auf!“ Tsuki schüttelte Fukuro, welcher gähnend erwachte. „Was ist los?“ Auch Yuki war nun aus ihrem unruhigen Schlaf erwacht. „Wir sollten uns einen besseren Unterschlupf suchen“, sagte Tsuki. „Es wird gleich ein Unwetter geben.“ Yuki grummelte irgendwas unverständliches, erhob sich aber. „Und wo sollen wir hin?“ Nun machte sich Fukuro, der etwas zum Wachwerden gebraucht hatte, bemerkbar. „Von hier aus ein Stück hinter der Straße waren doch Hügel. Wenn wir Glück haben, finden wir so etwas wie eine Höhle“, schlug er vor und lächelte seiner Schwester aufmunternd zu. „Seit wann gibt es bei Hügeln Höhlen“, murmelte diese nur. „Komm, es ist einen Versuch wert“, meinte Tsuki. „Es sei denn, du willst unbedingt nass werden.“ Auch sie lächelte Yuki zu, woraufhin diese nur eine Grimasse zog. Fukuro war bereits dabei seine Sachen, was sich auf die Decken bezog, die sie als Unterlagen beim Schlafen genutzt hatten, zusammen zu packen. „Dann lasst uns gehen“, meinte er, als er seinen Rucksack aufsetzte. Auch Yuki und Tsuki nahmen ihr Gepäck, doch Yukis Gesichtsausdruck verriet, dass sie alles andere als zuversichtlich war. Sie vertraute der Fuchsfrau noch immer nicht. Während sie liefen war bereits in der Ferne ein Donnern zu hören und es fing leicht an zu regnen, was dafür sorgte, dass die drei ihre Schritte beschleunigten. Als sie schließlich die Hügelgruppe erreichten, regnete es schon wie aus Kübeln, so dass sie bereits rannten. Doch bevor sie sich nach einer Höhle oder einem ähnlichen Unterschlupf umsehen konnten, entdeckte Tsuki etwas. „Fukuro, Yuki“, sagte sie und spähte, so gut das bei dem Regen ging, ein Stück voraus. Der Ninja folgte ihrem Blick und erkannte sofort, was sie meinte. „Das sieht so aus, als ob jemand ein Feuer gemacht hat“, murmelte er. „Das heißt, es gibt dort eine Stelle, die vom Regen verschont ist“, schlussfolgerte er dann. „Und wenn das nun Räuber sind, die dort lagern?“, warf Yuki ein. Fukuro sah sie von der Seite an. „Wir könnten ja erst einmal in die Nähe gehen und nachsehen.“ Yuki zuckte mit den Schultern. „Wie ihr meint“, murmelte sie teilnahmslos und folgte ihnen dann, als ihr Bruder und die Fuchsfrau sich in Bewegung setzten. In der Nähe des Feuers erkannten sie, dass das Feuer tatsächlich in einer kleinen Höhle entfacht war. Doch weit und breit war niemand zu erkennen. Niemand, der das Feuer angezündet hatte. Aber es war eindeutig durch menschliche Hand entstanden. Fast gleichzeitig spannten die drei sich an, als Fukuro auch schon herum fuhr um den Schlag von hinten abzublocken und die Angreifer mit zusammengekniffenen Augen anzusehen. Er trug einen weiten Umhang, jedoch war die Kapuze bei dem Angriff herunter gefallen und ließ die drei in sein Gesicht sehen. Nachdem sein Angriff abgewährt war, sprang der Mann, der sie attackiert hatte, zurück und landete einige Meter von ihren entfernt auf dem Boden. Er hatte dunkles Haar – die genaue Farbe ließ sich bei Dunkelheit und Regen nicht ausmachen – welches durch den Regen flach auf seinem Kopf lag. Und irgendwas in seinen Augen sagte Tsuki, dass dieser Mann nicht böse war. „Was wollt ihr hier?“, fragte er mit zusammengekniffenen Augen. Tsuki trat vor, doch ehe sie etwas sagen konnte, hatte Yuki sie unterbrochen. „Dich habe ich doch heute Mittag in der Ayumatoki schon gesehen“, stellte sie fest. „Du hast Obst geklaut.“ Der Mann überging sie. „Was wollt ihr?“, wiederholte er seine Frage. „Wir haben nur einen Unterschlupf gesucht und dein Feuer gesehen“, antwortete Tsuki nun und musterte den Mann weiter um weitere Feinheiten seiner Gestalt auszumachen. Der Mann entspannte sich etwas, schwieg aber, musterte sie nun seinerseits, ehe er mit ein paar Sprüngen im Trockenen der Höhle war. Fukuro, seine Schwester und Tsuki sahen ihn fragend an. Er erwiderte ihren Blick. „Habt ihr etwas zu essen?“, fragte er dann. Verwirrt antwortete der Ninja: „Äh, ja, etwas haben wir dabei, wenn es noch nicht von dem Regen durchweicht ist.“ „Wenn ihr mir etwas gebt, dürft ihr euch zu mir setzen.“ Nun grinste der Mann breit, was Tsuki in ihrer Vermutung bestätigte. Noch ehe sich die beiden anderen rühren konnten, ging sie zu dem Mann und setzte sich ans Feuer, wo sie ihren Beutel ablegte und ihre vollkommen durchnässte Kleidung etwas lockerte. Dann sah sie zu den Geschwistern. „Kommt her. Du hast den Reis in der Tasche, Yuki“, meinte sie zu ihnen. Nach kurzem Zögern kam auch Fukuro zu ihnen, so dass Yuki nichts anderes übrig blieb, als ihm widerwillig zu folgen. Der Mann sah sie erwartungsvoll an: „Was ist jetzt mit dem Essen?“, fragte er grinsend, während er mittlerweile ein Handtuch aus einer Tasche, die er weiter hinten in der Höhle abgelegt hatte, hervorgekramt hatte und sich damit nun die Haare rubbelte, was dafür sorgte, dass diese wild von seinem Kopf abstanden. „Hast du denn kein Geld, um dir selbst was zu kaufen? Du hast doch heute Nachmittag was geklaut“, warf Yuki ihm vor. „Einen Pfirsich“, verteidigte sich der Fremde. „Und davon wird man kaum satt.“ Fukuro sah ihn abschätzend an. „Verrätst du uns denn wenigstens deinen Namen, bevor wir dir etwas zu essen geben?“ „Vielleicht.“ Er lachte. „Mein Name ist Shen Hou.“ Er ist nicht aus Eikyû, fuhr es dem Ninja und der Fuchsfrau gleichzeitig durch den Kopf. „Und kann ich jetzt was zu essen haben?“ Shen Hou sah sie gespielt flehend und ergeben an. Die Schneefrau verschränkte die Arme und wollte wieder eine abweisende Antwort geben, doch wie schon in Hayashimura brachte Fukuro sie mit einem Ellenbogenhieb in die Seite zum Schweigen. „Sicher“, meinte er und schnürte den Topf, der an seiner Tasche hing, los und reichte ihn Shen. „Wenn du Wasser holst und den Topf selbst über dem Feuer befestigst.“ „Vielen Dank.“ Shen zog eine Grimasse, grinste dann aber schon wieder. Ebenso Fukuro. Dann stand der Fremde auf und stellte den gusseisernen Topf vor die Höhle, was die anderen – von Yuki abgesehen – amüsiert beobachteten. „Tja, irgendwoher muss das Wasser ja kommen“, grinste Shen und setzte sich wieder zu ihnen. „Darf ich jetzt euch nach euren Namen fragen?“ „Vielleicht“ Tsuki lächelte ihn an. „Mein Name ist Kitsune Tsuki. Die beiden sind Geschwister und meine Reisegefährten.“ Fukuro unterbrach sie. „Mekura Fukuro und Yuki“, stellte er sich und seine Schwester selber vor. Daraufhin schwiegen alle vier kurz, ehe es wieder Fukuro war, der ansetzte. „Du bist nicht aus einem der vier Reiche“, stellte er fest. „Woher bist du und warum bist du hier, Shen Hou?“ Sein Blick verriet, dass er doch misstrauischer war, als er zuerst getan hatte. „Hmm...“ Shen schwieg und musterte sie kurz. „Ich komme aus Penggou.“ „Penggou?“, fragte Fukuro misstrauisch. „Das Donnerland?“ Nun sah auch Yuki, die bis dahin geschmollt hatte, etwas interessierter auf. „Aber ist das nicht nur ein Märchen?“ Shen lachte. „Das denken die meisten in Penggou auch über Eikyû oder das, was Eikyû heute ist“, meinte er. „Nun, in meinem Dorf...“ Er brach kurz ab. „In meinem Dorf ist das wohl anders, aber wir sind für die meisten ja doch selbst nur eine Legende.“ Nun grinste er wieder breit, doch Tsuki fiel auf, dass sich irgendwas an seinem Gesicht verändert hatte, nur kurz – da war sie sich sicher – aber da war so etwas wie Schmerz in seinen Augen zu erkennen gewesen. „Was ist das für ein Dorf, aus dem du kommst“, fragte sie nun. „Und warum bist du hier im einstigen Eikyû?“ „Das ist eine gute Frage“, murmelte er und sein Blick wurde abwesend, während er überlegte ob er diesen Fremden weit genug vertrauen konnte, ihnen von der Nachricht zu erzählen. Doch sie waren doch aus Eikyû und damit ging es sie auch etwas an. Außerdem wusste er nicht wirklich, wo er hier genau hin sollte. Bisher hatte er sich von den Menschen hier ferngehalten. Er hatte kein hier gültiges Geld und musste klauen. Außerdem sah man ihm an, dass er aus keinem der vier Reiche kam, da seine Haut einfach dunkler war, als die der Menschen hier. Die drei anderen sahen ihn erwartungsvoll an, während er darüber nachdachte und sich ihnen schließlich mit plötzlich ernster Miene zuwandte. „Nun“, setzte er an. „Ich komme aus dem Dorf Yuncun. Wir sind das Dorf der Wolkenkrieger. Fast alle Männer bei uns sind, waren und werden Yonshibin.“ Fukuro dachte nach. „Davon habe ich einmal gelesen. Himmelspferde, nicht?“ Shen nickte nur, ehe er fortfuhr. „Das Orakel unseres Dorfes, die alte Xing, hatte eine Vision, dass das einstige Eikyû in großer Gefahr schwebt, dass Dämonen bald in ganzen Armeen auftauchen werden und Eikyû komplett zerstören... Und dass sie dann nach Penggou gehen werden. Und ich soll diese Nachricht an die Herrscher Eikyûs bringen. Doch... Um ehrlich zu sein, bezweifele ich, dass sie mir glauben werden, wenn sie mich überhaupt anhören. Wenn hier wirklich die meisten Penggou für ein Märchen halten...“ Seine Stimme wurde leise, ehe er ganz verstummte. „Die Sorge ist nicht unberechtigt“, erwiderte Fukuro. „Allerdings...“ Er sah zu Tsuki, welche verstand. „Ich fürchte ohnehin, dass du schon zu spät bist“, meinte sie. Shen sah sie verwirrt an: „Wieso?“, fragte er. „Was...“ Tsuki brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Wir sind auf Reisen, weil ein Dämon namens Raiu Akki eines der vier Heiligtümer Eikyûs – die heilige Namida – gestohlen hat. Wir wollen ihn finden und die Namida zurückholen.“ „Wieso...“ setzte Yuki an, wurde aber erneut von Fukuro von einem Kommentar abgehalten. Doch ihr war es trotzdem nicht verständlich, warum ihre beiden Begleiter dem Fremden einfach so vertrauten. Er hatte gestohlen und auch so kannten sie ihn nicht... „Habt ihr versucht mit einem der Herrscher...“ Shen brach ab. „Es sind Legenden, Shen Hou“, meinte Fukuro. „Ich habe sie bis vor wenigen Tagen selbst kaum geglaubt, wieso sollten es die Menschen tun?“ „Die Menschen vergessen viel zu schnell“, murmelte Tsuki. „Deshalb haben uns die Götter auch verlassen...“ Kurz schwieg sie und sah aus der Höhle hinaus. „Vielleicht war es ein Fehler die Heiligtümer so zu verstecken.“ „Und was soll ich... Was wollt ihr jetzt machen?“, fragte Shen. „Wir werden Raiu Akki finden!“ Es war Yuki, die das gesagt hatte und auf einmal fest entschlossen ins Feuer sah. Die anderen drei sahen sie überrascht an, doch dann nickten Fukuro und die Fuchsfrau zustimmend. „Das werden wir. Und dann werden wir ihn töten und die Namida in den Schrein zurück bringen“, sagte Tsuki mit leichter Bitterkeit in der Stimme. Shen schwieg und sah die drei an. Dann stand er plötzlich auf und holte den Topf, den alle bereits vergessen hatten, von draußen rein, kippte etwas Wasser heraus, da er bereits zum Überlaufen voll war. „Habt ihr jetzt Reis?“, fragte Shen. Yuki holte das Säckchen mit Reis sogar freiwillig hervor, obwohl sie sich vorher so dagegen gewährt hatte, diesen mit Shen zu teilen. So saßen sie alle vier schweigend um den kleinen Kessel, den sie auf ein paar um das Feuer herum gelegten Steinen gestellt hatten, während der Reis darin kochte und langsam das Wasser in sich aufsog. „Wisst ihr was?“, fragte Shen dann auf einmal – so plötzlich, dass Fukuro zusammenfuhr. Die drei sahen ihn fragend an. „Ich...“ Shen sah noch einmal kurz ins Feuer – wieder tauchte für einen kurzen Moment, der Schmerz in seinen Augen auf – ehe er sie fest ansah. „Wenn ihr damit einverstanden seid, werde ich euch begleiten. Ich will euch helfen, gegen den Dämon zu kämpfen, wenn es die Herrscher nicht tun.“ Tsuki lächelte matt. Fukuro nickte. Yuki musterte Shen erneut. „Wir sind damit einverstanden“, antwortete die Fuchsfrau dann für alle drei. In einer Stadt einige Meilen von ihnen entfernt, schlich eine schwarz gekleidete Gestalt in ein Gebäude, welches wohl eine Art Raststätte war. Tagsüber saßen hier einige Männer an den Tischen, tranken Sake und spielten eventuell Shogi oder Go, doch nun war nur ein Mann da, der auf einem Sitzkissen kniete, während der Besitzer tot in einem hinteren Zimmer des Hauses saß. Um den Arm des Mannes hing eine Kette mit einem Amulett – die Namida. Nun kniete der schwarz gekleidete vor ihm nieder. „Meister“, flüsterte er ergeben. „Steh auf“, befahl ihm Raiu Akki, was der Mann sofort und ziemlich hektisch tat. „Was hast du zu berichten?“, fragte der Akuma nun. „Es ist wie ihr gesagt habt“, berichtete der Mann. „In einer Stadt, etwa zwölf Meilen von hier, wurden drei Personen gesehen, von denen eine mit großer Wahrscheinlichkeit eine Yuki-Onna war. Und man hat sich nach einem Dämon erkundigt.“ „Sind sie noch in der Stadt?“, fragte Raiu Akki weiter seinen Untergebenen, mit gehässigem Blick musternd. „Nein, sie haben die Stadt vor Sonnenuntergang verlassen“, erwiderte dieser. „Aber zwei meiner Männer werden sie im Auge behalten. Wir werden sie nicht verlieren.“ Seine Stimme klang voller Stolz. „Dann sollte es keine Umstände machen, sie auszuschalten, oder?“, fragte der Dämon nun höhnisch. „Natürlich nicht.“ Der Mann grinste. „Umso besser...“ Kapitel 7: Der Hinterhalt ------------------------- Kapitel wurde gebetat! ________________ Kapitel 07: Der Hinterhalt Weitere vier Tage der Reise vergingen an denen Tsuki, Fukuro und Yuki auch von dem Krieger Shen Hou begleitet wurden. Dieser hatte sie gleich am ersten Tag, den sie zusammen reisten, mit seiner Wolke Shiyun überrascht, die auf sein Pfeifen hin kam und einen eigenen Willen – wie ein Pferd oder ein anderes Tier – zu haben schien. Doch das Reisen war mit dem Krieger aus Penggou auch lustiger geworden, da dieser immer am Grinsen und zu einem Scherz aufgelegt war und auch wenn es sie auf ihrer Suche nicht weiterbrachte, so tat es doch gut jemanden wie ihn dabei zu haben. Selbst Yuki lachte über seine Witze und war – zu Fukuros Freude – seit nun zwei Tagen, wesentlich fröhlicher und weniger abweisend den beiden Reisegefährten gegenüber. So hatten sie bereits am letzten Tag das Gebirge Ishikodo erreicht, welches im Nordwesten Honous lag. Dieses Gebirge würde schließlich an der Küste in dieser Richtung abfallen und direkt am Meer enden. Doch bis dahin war es eine Reise mindestens noch einmal so lang, wie die, die sie seit Hayashimura hinter sich hatten. Wahrscheinlicher wäre sogar eine noch längere Reise, da der Weg durch das Gebirge sehr mühselig werden würde, so dass sie beim Erreichen der Berge beschlossen, dort zu rasten. Zwar fanden sie keine Höhle, aber zumindest eine durch die Felsen geschützte Stelle, so dass sie Schutz vor Blicken aus der Ferne und dem Wind hatten. Außerdem sah es nicht nach Regen aus und Tengu lebten zumeist tief im Gebirge, so dass sie von diesen keinen Angriff fürchteten. Nun dämmerte es und die vier Reisenden saßen um ein Feuer, welches sie aus trockenem Geäst angehäuft hatten. Reis kochen war jedoch nicht möglich, da sie weder einen Fluss noch eine Quelle in der Nähe gefunden hatten und fürs Kochen nichts von ihrem Trinkwasser verwenden wollten. „Zu dumm“, beschwerte sich Shen, als er an einen Felsen gelehnt in einen Apfel biss. „Wir hätten uns vorhin besser umsehen sollen. Man, von dem Obst wird man nicht satt.“ „Du hättest selbst auf die Idee kommen können, Shen“, erwiderte Yuki, welche auf einem Stückchen Dörrfleisch rumkaute. „Wir hätten auch lieber Reis zu Abend gegessen.“ Fukuro seufzte. „Seid froh, so viel Reis haben wir auch nicht und im Gebirge werden wir keinen kaufen können“, meinte er. „Ja, der alte Mann hat natürlich recht“, erwiderte Shen nun. Er hatte schon vor ein paar Tagen damit angefangen Fukuro als alten Mann zu bezeichnen, da dieser sich bekanntermaßen sehr erwachsen verhielt, vor allem mit Shen verglichen, der in etwa sein Alter hatte. Tsuki kicherte. Seit Shen dabei war, war ihre Reise tatsächlich um einiges lustiger geworden. „Nenn mich nicht alter Mann, nur weil du noch ein Kindskopf bist“, schmollte Fukuro nun wie immer, woraufhin sogar Yuki, die ihren Bruder sonst immer in Schutz nahm, lachte. Trotzdem war ihre Ausgelassenheit nur nach außen hin, denn innerlich machten sich alle vier Sorgen, jeder seine eigenen. Tsuki sorgte sich um Namida und Hayashimura, aber auch um Eikyû allgemein. Außerdem hatte sie schon seit Tagen keine Zeit und keine Ruhe mehr gefunden um das Gebet zu ihrer Göttin zu suchen und noch immer vermisste sie den Wald, den sie sonst gewohnt war. Fukuro und Yuki sorgten sich am allermeisten um den jeweils anderen. Sie waren selbst für Geschwister sehr eng miteinander verbunden. Außerdem machte Yuki sich immer noch wegen dem Vorfall in Hayashimura Vorwürfe. Vorwürfe, dass sie ihren Bruder angegriffen hatte. Und weil Fukuro wusste, dass seine Schwester sich Vorwürfe deswegen machte, machte er sich umso mehr Sorgen um sie. Außerdem fürchteten sich beide gleichermaßen vor dem Dämon, den sie nun jagten, der ihre Familie, ihre Insel, ausgelöscht hatte. Und Shen... Nach dem sie gegessen hatten, blieben sie noch etwas zusammen am Feuer sitzen und unterhielten sich. Natürlich machte Shen wieder seine Witzeleien und brachte die anderen zum Lachen, doch Tsuki bemerkte immer wieder den Schmerz in seinen Augen und immer wieder fragte sie sich was das zu bedeuten hatte. Als es schließlich schon dunkel war übernahm Shen, wie schon die vergangenen vier Nähste davor, die erste Wache, während sich die anderen drei in ihre Decken eingewickelt um das Feuer herum legten. Doch während die beiden Ninja schnell einschliefen, blieb Tsuki wach und beobachtete den Wolkenkrieger, welcher auf einem Felsen saß und in den Himmel starrte. Schließlich stand sie auf und setzte sich zu ihm. Er sah sie an. „Du solltest besser schlafen, wie die anderen beiden“, meinte er und wandte seinen Blick nun der Landschaft zu. „Shen“, begann Tsuki ohne auf seinen Kommentar zu achten. „Shen, ich wollte dich etwas fragen.“ Als er nicht antwortete fuhr sie fort: „Warum? Warum hast du dich uns angeschlossen? Warum reist du mit uns – hilfst uns?“ Nun sah er sie wieder an. „Es... Nun...“ Er seufzte schwer. „Ich... Ich bin ein Krieger. Ich muss doch kämpfen. Vor allem, wenn es auch eine Bedrohung für meine Heimat ist...“ Er atmete tief ein und aus. „Außerdem gibt es da etwas, was ich beschützen muss...“, flüsterte er dann viel mehr zu sich selbst, als zu Tsuki, doch diese horchte trotzdem auf. „Was?“, fragte sie. „Was ist es, das du beschützen musst?“ Sie sah ihn nun neugierig an und dachte in dieser Antwort vielleicht auch die Begründung für den Schmerz, den sie immer wieder in seinen Augen sah, zu finden. Der Wolkenkrieger antwortete zuerst nicht, sondern wandte den Blick erneut gen Himmel, wobei wieder Schmerz in seinen Augen aufschimmerte. „Das ist nicht wichtig“, murmelte er. Tsuki seufzte und stand auf. Zwar war sie neugierig, doch wollte sie ihn nicht zu einer Antwort drängen. Es ging sie ja nicht wirklich etwas an. „Ich werde mich jetzt hinlegen“, meinte sie, woraufhin er nicht reagierte. So ging sie zum Feuer zurück und legte sich hin, doch während sie sich entfernte war sie ganz sicher ihn etwas flüstern zu hören: „Mei...“ Doch sie sagte nichts, wickelte sich in ihre Decke ein und schaute ins Feuer. Shen hingegen sah weiterhin in den Himmel, dachte an seine Geliebte und wartete darauf, dass auch die Fuchsfrau eingeschlafen war. Als er sich sicher war, dass dies der Fall war, erhob er sich und entfernte sich von der Lagerstelle. Er musste allein sein. Ständig wurde er von der Angst gequält, dass Mei etwas zustieß. Was hätte er nicht dafür gegeben zurück nach Yuncun zu fliegen, aber er konnte nicht. Zuviel Verantwortung lag auf seinen Schultern. Er konnte nicht zu einen der vier Reichsherrscher gehen, würde nichts erreichen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob er das würde, wenn er die Gruppe begleitete. Immerhin waren sie nur vier und nach der Vision des Orakels war er sich sicher, dass Raiu Akki nicht ihr einziger Gegner war. Doch wie lange würde es dauern, bis er in seine Heimat zurückkehren konnte? Und wie lange, bis er wieder bei Mei war? Schon seit einigen Tagen plagte ihn ein schlechtes Gefühl, so etwas wie eine Vorahnung, wenn er an Mei dachte... Keiner der vier hatte bemerkt, dass sie bereits so lange wie Shen mit ihnen reiste, verfolgt wurden, und eben so wenig hatten sie bemerkt, dass auch nun, während Shen sich von ihnen entfernte, beobachtet wurden. Eine kleine Gruppe zu der zwei Ninja Honous gehörten, welche aber hauptsächlich aus Räubern und Söldnern bestand, lagerte nicht weit entfernt von ihnen auf den felsigen Grund, von ein paar kargen Büschen geschützt. Sie waren von Raiu Akki geschickt, um dessen Verfolger – von der Yuki Ônna abgesehen – zu töten. „Der, der Wache gehalten hat entfernt sich“, stellte einer der beiden Ninja, der die kleine Gruppe die ganze Zeit beobachtet hatte, fest. Sofort waren alle, die bis dahin vor sich hingedöst hatten, wach. Das war die Gelegenheit, auf die sie die ganze Zeit gewartet hatten. „Schlafen die anderen?“, fragte der zweite Ninja, der mit seinem Partner die Anführung der Gruppe übernommen hatte. „Es scheint so.“ Er sah seinen Partner an, dann die Gruppe. „Lasst uns endlich machen, wozu wir hier sind.“ Ihre „Untergebenen“ nickten grimmig. Es war nicht grade angenehm gewesen, tagelang der kleinen Gruppe zu folgen und dabei nicht aufzufallen – sie selbst waren immerhin zu neunt. Genauso unangenehm war es, die Nächte auf engsten Raum mit den teilweise stinkenden Kameraden zu verbringen. Daher war es mehr als eine Erlösung den Auftrag zu beenden und wieder eigene Wege zu gehen, fernab von Dämonen wie Raiu Akki, die nicht einmal richtig zahlten, sondern es für Entlohnung genug hielten, wenn sie ihnen ihr Leben ließen. „Was ist mit dem anderen?“, fragte nun einer der beiden Schattenkrieger. „Von dem hat der Meister uns nichts gesagt“, meinte der andere. „Ihn können wir ignorieren, solange wir nicht mal richtig bezahlt werden...“ So lösten sie sich aus dem Schatten und waren in kurzer Zeit schon beim Lager, wo Tsuki und die beiden Geschwister schliefen. Die Söldner waren leise, die Ninja geschickt, so dass sie die drei in kurzer Zeit gefesselt und geknebelt hatten. Es war doch immer noch am leichtesten schlafende Gegner zu überwältigen. Noch verwirrt und wütend sahen ihre drei Gefangenen nun zu ihnen auf, waren so aber machtlos, da man ihnen als erstes die Waffen weggenommen hatte, was vor allem bei dem Schneemädchen nicht grade wenig gewesen war. „Wir sollten lieber schnell machen“, meinte einer der Söldner und zog sein Schwert um es gegen den einzigen Mann zwischen ihren Gefangenen zu erheben, doch einer der Ninja hielt ihn auf: „Dummkopf, wir töten sie nicht.“ Der Ungeduldige sah ihn verwirrt an: „Wieso?“ „Das Mädchen, die Yuki Ônna, sollen wir dem Dämon bringen, aber die anderen beiden – grade die Frau – werden uns richtig Geld einbringen.“ „Aber der Dämon sagte doch, wie sollen sie töten...“, warf der andere ein. „Und? Glaubst du, er wird es überprüfen können, wenn sie einmal von der Bildfläche verschwunden sind?“, meinte der andere Ninja und lachte. „Sie werden ihm nicht mehr im Weg sein und der Mann ist wahrscheinlich sowieso so gut wie tot.“ Damit wies er seine Kameraden an die drei Gefangenen von hier wegzubringen. Sie wollten trotz allem keinen Kampf mit der Wache riskieren. Kapitel 8: Mann des Drachen --------------------------- So, endlich Kapitel 08 und damit auch ein neuer Chara ^.~ Würde mich über Kommentare freuen ^^ Kapitel gebetat! _____ Kapitel 08: Mann des Drachen Es war Abend und es regnete wie aus Kübeln, was hier im nördlichen Reich Yamanôi jedoch nichts Ungewöhnliches war. Durch diesen Regen ging ein Mann, von sieben anderen gefolgt, die matschigen Straßen der Stadt Unaru entlang. Die sieben Männer waren Soldaten, der Mann, der ihnen voran ging, ihr Offizier und sie waren auf dem Weg zu einem der Bordelle der Stadt. Sie und fünf weitere Soldaten waren in der Stadt stationiert, um sie vor Räubern und Wilden zu beschützen und für Recht und Ordnung zu sorgen. Der Offizier stach rein durch sein Äußeres hervor. Allein dadurch, dass er gut einen Kopf größer war, als der Rest der Soldaten, obwohl seine Gesichtszüge die für Eikyû typischen waren. Doch seine Haut war auch eine ganze Stufe dunkler, als die der anderen. Außerdem ging von seiner Stirn, über sein Auge bis hinunter auf seine rechte Wange eine Narbe, was ihn nach außen hin bedrohlich erscheinen ließ. Wie auch die anderen trug er zwar Schwert und Brustpanzer, war nun aber nicht voll gerüstet, da eine Rüstung dort, wo sie hingingen, im Weg sein würde. Der Name des Mannes war Ryuujin, also Mann des Drachens, und somit auch der Name des Drachengottes. Dieser Name rührte von einem Brandmal auf seiner linken Schulter her, welches Ryuu war. Wie sein richtiger Name war, wusste er nicht. Es war sechs Jahre her, dass man ihn gefunden hatte, im Dreck, schwach und ohne Erinnerungen an sein vorheriges Leben. Jedoch hatte er einen kräftigen Körperbau gehabt und konnte – ohne zu wissen, wo er es gelernt hatte – meisterhaft mit dem Schwert umgehen. So war es naheliegend zur Armee zu gehen, nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, wo er schon bald hohes Ansehen erlangte. Nun war er Offizier, kräftig und vom Äußeren um die dreißig Sommer alt. Doch auch sein richtiges Alter wusste er nicht und er war in den letzten sechs Jahren nicht gealtert. Schließlich erreichten sie das Gebäude und traten ins Trockene, wo ihnen sofort eine Frau mit langem, eng anliegendem Kimono entgegen kam, um ihnen ein Handtuch zu reichen. Dann verschwand die Frau wieder und kam ein wenig später mit einer wesentlich pompöser gekleideten Frau zurück. Diese Frau, die etwas übermäßig geschminkt war, nannte sich Lady Amai und war die Besitzerin des Freudenhauses. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie die neuen Besucher sah. Ja, sie war geradezu begeistert die Soldaten zu sehen, welche meistens ein hübsches Sümmchen Geld in ihrem Etablissement ließen. „Ah, meine lieben Herren, liebster Offizier“, begann sie mit schmeichelnder Stimme. „Ich bin so erfreut, dass Sie mich – uns – endlich wieder einmal mit Ihrem Besuch beehren.“ Sie lächelte Ryuujin gewinnend an. „Was kann ich – ich meine: Was können meine Mädchen heute für sie tun?“ Natürlich war es Ryuujin, der als Offizier für die Gruppe sprach. „Lassen Sie uns wie immer eines der größeren Zimmer und schicken Sie ein paar Mädchen und Sake“, meinte er ebenfalls lächelnd. „Natürlich, mein Liebster.“ Sie zog ihn ein Stück von der Gruppe fort. „Übrigens habe ich ein neues Mädchen. Eine junge Frau von einer ganz eigenen Schönheit und scheinbar noch ganz unberührt.“ Sie sah ihn vielsagend an. „Ein exotisches Mädchen.“ „Nun“, begann Ryuujin. „Bring sie...“ Er überlegte etwas, schließlich würde es doch einiges kosten, doch es gefiel ihm bevorzugt zu werden und da sie – wie die meisten Soldaten – nebenher Söldneraufgaben übernahmen, sollte es doch kein zu großes Problem sein. „Bring sie auf ein einzelnes Zimmer“, sagte er schließlich wieder lächelnd. „Sehr gerne“, erwiderte die Lady. So begab sich der Offizier vorerst mit seinen Soldaten in das größte Zimmer des Hauses, wo sie sich meistens amüsierten. Hier standen in dreien der Zimmerecken niedrige Tische mit Sitzkissen drum herum, während der Raum von Kerzen und Öllampen erhellt wurde. Auf den Tischen standen bereits kleine Tassen und Karaffen, die mit warmem Sake gefüllt waren. Anbei warteten fünf junge, hübsche Frauen in feinen Kimonos, welche absichtlich etwas lockerer geschnürt waren, als es üblich war. Sie lächelten alle schüchtern als die Männer, welche vorher Schwerter und Rüstzeug abgelegt hatten, lachend und grinsend den Raum betraten. Die Soldaten ließen nicht viel Zeit verstreichen, ehe sie begannen sich zu betrinken und sich von den Frauen verwöhnen zu lassen. Auch Ryuujin trank Sake, betrank sich aber nicht und hielt sich auch was die Frauen anging bedeckt, während einer seiner Männer es bereits lauthals stöhnend und zum Amüsement der anderen mit einer der Huren trieb. Der Offizier jedoch wartete darauf, sich von den anderen zu entfernen und sich mit der Exotin, die ihm Lady Amai versprochen hatte, zu befassen. Schließlich öffnete eines der Empfangsmädchen die Tür, ging zu ihm und beugte sich zu ihm hinunter. „Wenn Ihr mir bitte folgen würdet, werter Offizier“, flüsterte sie ihm zu, woraufhin er sich erhob. „Wo wollt Ihr hin, Ryuujin-sama?“, nuschelte einer der Soldaten betrunken. „Mich eigenen Sachen widmen“, erwiderte er lächelnd und verließ den Raum wohl wissend, dass man ihn beneidete. Das Empfangsmädchen führte ihn in den hinteren Teil des Bordells, wo die kleineren Zimmer lagen. Vor einer der Türen blieb das Mädchen nun stehen. „Sie erwartet euch bereits.“ Damit verbeugte sie sich und ging angemessenen Schrittes zurück. Der Offizier zuckte mit den Schultern und öffnete in freudiger Erwartung die Schiebetür, die in ein wesentlich feiner eingerichtetes Zimmer als das große, führte. Sobald er eintrat, war ein unterdrücktes Keuchen zu hören, welches von der jungen Frau kam. Ryuujin schloss die Tür und musterte die Frau begierig, während sie sich in eine der Zimmerecken kauerte. Lady Amai hatte nicht zuviel versprochen, denn das Mädchen war wirklich hübsch und sehr exotisch. Zwar hatte sie die hier typischen Mandelaugen, doch war ihr Gesicht weniger herzförmig als das der anderen und ihr Haar hatte eine ganz eigene rotbräunliche Färbung, während die goldenen Augen ihn ängstlich ansahen. Ihre Schönheit wurde von dem weiten Kimono betont, welcher in einem blassen Rosa gehalten und mit dem Motiv der Sakura bestickt war. „Komm her, Mädchen“, forderte er sie auf, als er sich an den Tisch, auf dem ebenfalls eine Karaffe mit Sake stand, setzte. Das Mädchen rührte sich nicht, sondern rückte noch weiter in die Ecke, zitterte. Ryuujin wartete und goss sich nun selbst etwas von dem Sake ein, wobei er die Frau aber weiterhin beobachtete. Wahrscheinlich oder mit ziemlich großer Sicherheit war sie eine Sklavin, die eben wegen ihrem Äußeren hier im Bordell gelandet war. „Komm her“, forderte er sie nun wieder auf, nachdem er zwei Tässchen Sake getrunken hatte. Dieses Mal schüttelte sie den Kopf. „Nein“, flüsterte sie mit einer klaren Stimme. Nun zuckte der Offizier mit den Schultern, stand auf und ging nun zu ihr hinüber. „Hör mir zu, Mädchen, ich weiß nicht, wie du hierher gekommen bist. Ich weiß auch nicht, was du früher warst, aber jetzt bist du hier und du bist eine Hure. Du hast eben Pech gehabt“, zischte er und zog sie nun hoch, um sie an die Wand zu drücken. „Ich bin im Recht dich zu zwingen, wenn du nicht machst, was ich will.“ Er sah sie warnend an, doch sie wich seinem Blick aus. „Lasst mich“, flehte sie – weiterhin zitternd. „Nein“, erwiderte er, langsam mit seiner Geduld am Ende. Er konnte sich fast nicht mehr beherrschen, nicht zuletzt, weil er doch schon etwas mehr als angetrunken war. Als die junge Frau den Kopf weiterhin abwandte, legte er eine Hand unter ihr Kinn und zerrte sie in einen gierigen Kuss. Sie versuchte sich zu wehren, erwiderte den Kuss nicht, versuchte zu schreien, doch sie war ihm unterlegen. So drückte er sie schließlich wieder zu Boden, so dass er auf ihr war, küsste sie weiterhin und öffnete grob ihren Kimono – entblößte ihren Körper, woraufhin sie umso mehr zitterte. „Bitte“, hauchte sie mit erröteten Wangen. „Lasst mich!“ Doch er war nun zu weit gegangen, als dass man ihn noch hätte so einfach aufhalten können. Seine Hände strichen über ihren Körper, begrabschten unsanft ihren Busen. Daraufhin fing sie an, sich noch heftiger zu wehren, versuchte ihn wegzudrängen, ihn zu treten, doch sie war nicht mehr in der Situation, dass sie sich überhaupt noch wehren konnte, nun wo er auf ihr war. Als Ryuujin schließlich begann ihre Brüste zu küssen und – obwohl sie versuchte ihre Beine zusammen zu drücken – in ihren Schritt fasste, schrie sie auf. „Nein! Bitte! Tut das nicht!“ Nun weinte sie. „Bitte...“ „Jetzt sei endlich still, Mädchen!“, fuhr er sie an und küsste sie erneut, um sie zum schweigen zu bringen. Er war zu erregt um jetzt noch aufzuhören. Sie sollte ihm dankbar sein, dass er sich auf ein Vorspiel einließ und sie nicht einfach so vergewaltigte. Sie wimmerte unter ihm, wand sich um ihm zu entkommen. „Bitte“, hauchte sie, als er seine Lippen kurz von den ihren löste. Sofort zog er sie wieder in einen Kuss. Schließlich schaffte sie es den Kopf abzuwenden, um so seinem Kuss zu entkommen. „Nein...“ Sie sah ihn flehend aus den Augenwinkeln an. „Bitte... Bitte tut das nicht...“ Erst, als er ihr nun in die Augen sah, merkte er, dass diese leuchteten und das im wörtlichen Sinne. Ihre Augen glühten von innen heraus. Er hielt inne, brauchte aber – nicht zuletzt wegen dem Alkohol und der Erregung, die seinen Körper noch immer beherrschte – etwas, bis er begriff und sich plötzlich von ihr zurückzog. „Du bist kein Mensch...“, keuchte er. In ihrem Blick lag immer noch Angst, doch sie schüttelte den Kopf. „Nein“, hauchte sie und richtete sich nun auf, wobei sie versuchte ihren Körper zu bedecken. Noch immer zitterte sie. Er musterte sie wieder und ging zum Tisch zurück. Er atmete schwer, da er noch immer erregt war und nun dagegen ankämpfte. „Was?“, fragte er, während er sich selbst fragte, wieso er sich von der Tatsache davon abhalten ließ, sie einfach zu nehmen, doch tat er es nicht. „Was bist du?“, wiederholte er nun. Sie zog sich den Kimono vor der Brust zusammen, so dass dieser zumindest ihre Brust bedeckte. Ihre Wangen waren noch immer feucht, als sie antwortete: „Eine Kitsune.“ Ryuujin erwiderte erst einmal nichts, sondern goss sich ein weiteres Tässchen Sake ein, jedoch ohne die Frau dabei aus den Augen zu lassen. Diese schien allmählich zu begreifen, dass er sie vorerst nicht vergewaltigen würde und entspannte sich etwas. „Ich...“, begann sie nun stockend. „Ich bin eine Dienerin der Göttin Inari.“ Als er nichts erwiderte, fuhr sie fort. „Man hat mich... Wir... Wir waren auf Reisen... Räuber haben mich und meine Gefährten überfallen und uns als Sklaven verkauft.“ Auf einmal war in ihrem Blick, als sie ihn ansah, so etwas wie Hoffnung zu erkennen. Während sie erzählte, hatte Ryuujin die Tasse bereits wieder geleert und sah sie nun an. „Tja, dann hast du wirklich Pech gehabt“, meinte er trocken. „Und was hast du jetzt vor? Du wirst deinen Dienst hier nicht ewig verweigern können...“ Er goss sich wieder Sake ein. „Außerdem, wenn du eine Kitsune bist, wieso kannst du dich dann nicht befreien. Verwandele dich und lauf davon!“ „Sie haben mich versiegelt“, erwiderte sie, wobei Verzweifelung in ihrer Stimme mitschwang. „Und wieso soll ich dir das glauben?“, meinte er verächtlich und leerte die Tasse nun in einem Zug. Sie sah ihn verzweifelt an. „Bitte, Ihr müsst mir glauben. Ich...“ „Kannst du irgendwas beweisen?“, fragte er. Zwar war klar, dass sie kein Mensch war, aber ob von dem, was sie sagte irgendwas stimmte, schien ihm doch mehr als fraglich. Vielleicht war sie nur ein kleiner Hanyô, wenn auch das mit den Räubern stimmen mochte. Aber so war diese Zeit, in der sie lebten, nun einmal. Sie sah zu Boden, ehe sie ihm den Rücken zuwandte und den Kimono soweit hinab gleiten ließ, dass er ihren Rücken entblößte. „Ich weiß nicht, ob...“, begann sie, doch er unterbrach sie. „Ist das ein Siegel?“, fragte er nun – wo sie wieder Haut entblößte – wieder unruhig. Doch konnte er das Muster sehen, was ihre Schultern verzierte. Es bestand aus mehreren Linien, die alle auf ein Zeichen in der Mitte zuliefen, welches Ryuujin nicht genau entziffern konnte. Sie schwieg eine Weile. „Ja, und dadurch bin ich machtlos“, murmelte sie dann. „Es nimmt mir meine Kraft. Glaubt mir, normal hätte ich mich gegen Euch wehren können.“ Er machte einen verächtlichen Laut. „Wie ich schon sagte, du hast Pech gehabt“, meinte er. „Ihr...“, begann sie und sah ihn nun wieder über die Schulter hinweg an. „Bitte, helft mir“, flüsterte sie dann. Nun stand er wieder auf und ging zu ihr. „Sag mir eins, wieso sollte ich das tun?“, fragte er sie und musterte sie wieder. „Sehr wahrscheinlich bist du auch nicht die einzige Fuchsfrau, der das passiert ist. Pass besser auf, hmm?“ Er zuckte mit den Schultern, während er ihre Schultern packte, um sie zu sich herum zu zerren. Dabei berührte er das Siegel. Sie schrie vor Schmerzen auf und wich ein Stück zurück. Dann musterte sie ihn vorsichtig, was er erwiderte. Die Linien waren an der Stelle, wo er sie berührt hatte, verschwunden. „Und Ihr?“, fragte sie nun heiser. „Was seid Ihr?“ Er sah sie verständnislos an. „Warum?“ „Wieso könnt Ihr... Wieso könnt ihr das Siegel so einfach entfernen? Seid ihr ein Magier? Was seid ihr?“, wiederholte sie und kniff nun die wieder leuchtenden Augen zusammen. Er erwiderte nichts, da er es ja selbst nicht wirklich wusste. Er war nicht gealtert, dass wusste er selbst, doch ob er deswegen gleich kein Mensch war, wusste er nicht. „Ich...“, begann er und sah sie nun seinerseits Hilfe suchend an. „Ihr seid kein Yurei und kein Yokai, dass würde ich spüren, also seid ihr ein Magier oder... Was?“, fragte sie weiter. „Ich... Ich weiß es nicht, Mädchen“, antwortete er. Dann rückte er ohne ein weiteres Wort näher zu ihr und legte, noch bevor sie reagieren konnte, seine Hand mitten auf das Siegel, woraufhin sie zusammenzuckte und wieder aufschrie. Danach sah sie ihn keuchend an. „Was...“, hauchte sie, doch er musterte nur seine eigene Hand. Das Zeichen in der Mitte ihrer Schultern war komplett verschwunden und die Linien darum herum begann nun ebenfalls zu verblassen. Ihr Atem ging schneller, als sie auf einmal den Körper anspannte. Sie hatte bemerkt, dass ein großer Teil ihrer Kraft wieder zurückgekehrt war. Nun begann sich ein silberner Schein um ihren Körper herum zu bilden und dieser begann sich langsam zu verformen. Noch ehe Ryuujin sich fassen konnte, stand eine silberne Füchsin vor ihm. Sie sah ihm in die Augen, ehe sie sich abwandte und die Wand in blaues Feuer aufgehen ließ, welches, sobald sich ein Loch in der Wand gebildet hatte, verschwand. Dann sprang die Füchsin hinaus auf die Straße und ließ den ihr verständnislos hinterhersehenden Offizier zurück. Tsuki hatte sich in einer Gasse ein Stück von dem Bordell entfernt zusammengekauert. Der Kimono hatte sich mit Wasser des noch immer anhaltenden Regens voll gesogen. Er war viel zu lang. Doch im Moment hatte sie nichts anderes zum Anziehen, von ihrem Dolch und den Glöckchen ganz zu schweigen. Sie wusste nicht wirklich, was passiert war. Das einzige, was sie wusste war, dass sie die anderen finden musste, aber sie wusste nicht einmal, wo diese waren. Sie hatte zwar mitbekommen, dass man Yuki zu Raiu Akki gebracht hatte, aber sie wusste nicht, wo sich dieser nun mit ihr aufhielt. Sie selbst und Fukuro waren auf einem Sklavenmarkt verkauft worden, nachdem man sie vorher versiegelt hatte. Die Räuber hatten wahrscheinlich auch noch ihre Glöckchen. Und wo Shen war, war ihr sowieso ein Rätsel. Er war nicht da gewesen, als man sie gefangen nahm, doch sie wusste nicht, ob ihm etwas passiert war oder ob er sie verlassen hatte. Vielleicht hatten die Räuber ihn auch getötet. Sie kam sich einfach nur hilflos vor. Wahrscheinlich suchte man schon nach ihr und wollte sie zurück in das Bordell bringen. Und wenn man sie fand? Ohne die Glöckchen und ohne Waffe, konnte sie es kaum mit mehr als zwei Gegnern aufnehmen und selbst auch das nur, wenn die Gegner normale Menschen waren. Ach, wäre sie doch in Hayashimura geblieben... Sie hatte Tohon doch versprochen, die Namida zurück zu bringen, doch im Moment war sie froh, wenn sie es überhaupt wieder zurück schaffte. „Tohon“, flüsterte sie. Sie vermisste den kleinen Hausgeist, genauso, wie sie das ganze Dorf vermisste. Vielleicht war Raiu Akki doch kein Gegner für sie, von dem, was hinter ihm stand ganz zu schweigen. Und doch... Wenn sie und die anderen ihn nicht aufhielten, würde es keiner tun. Was würde dann mit den vier Reichen geschehen? Außerdem ging ihr der Mann nicht aus dem Kopf. Was war er? Er war ein magisches Wesen. Und wenn er nach ihr suchte? Mit ihm konnte sie es nicht aufnehmen, nicht ohne die Glöckchen. Aber würde er sie suchen? Würde er gegen sie kämpfen? Er hatte so verächtlich gewirkt, aber sicher war sie sich nicht. Über all diese Gedanken fiel sie in einen leichten Dämmerschlaf, aus dem sie erst nach einer ganzen Weile – ihre Kleidung und die Haare waren mittlerweile komplett durchnässt – gerissen wurde, weil sie jemand an der Schulter schüttelte. „Mädchen, wach auf“, zischte eine Stimme. Nur langsam kam sie zu sich und sah den Mann an, der sie von dem Siegel befreit hatte. Ihr Blick war verständnislos, doch ohne ein weiteres Wort riss er sie hoch. „Komm mit“, forderte er sie auf. Zumindest verriet seine Stimme, dass er wieder nüchtern war. Als sie sich nicht rührte, nahm er ihren Arm und riss sie mit sich. „Was...“, begann sie. „Wo bringt Ihr mich hin?“ Sie versuchte stehen zu bleiben, jedoch erfolglos, weil er sie dann umgerissen hätte. „Weg von hier“, antwortete er nur und lief mit ihr weiter. Es war noch immer Nacht und die Straßen waren leer, zum Glück, da sie nicht besonders schnell laufen konnte, da der lange, nun mit Wasser vollgesogene Kimono schwer an ihrem Körper hing und sie ihn zudem noch zuhalten musste, da der Gürtel wahrscheinlich noch immer in jedem Bordell lag. Der Mann führte sie aus der Stadt hinaus, das merkte sie, also wohl nicht zum Bordell zurück, aber was hatte er dann vor? Wollte er sie irgendwo anders... Schließlich blieb er mit ihr vor einem Stall am Rande der Stadt stehen, öffnete die Tür und zog sie mit hinein. Noch ehe sie weitere Fragen stellen konnte, reichte er ihr ein Bündel Kleidung. „Zieh das an“, forderte er sie auf. „Warum...“, begann sie, doch er unterbrach sie: „Na mach schon, man sucht nach dir. Du musst hier weg, wenn du nicht wieder als Hure enden willst“, sagte er grob und wandte sich ab. Tsuki sah verwirrt, auf das Kleiderbündel in ihren Händen. Es handelte sich um Soldatenkleidung, dass erkannte sie, aber warum hatte er es ihr gegeben? „Jetzt mach schon“, forderte er erneut. „Oder zierst du dich, weil ich dir zusehen könnte. Glaub mir, ich habe vorhin schon alles gesehen, Mädchen.“ Sie sah ihn an und schwieg eine Weile. „Mein Name ist Tsuki“, meinte sie dann, ehe sie sich von ihm ab- und den Pferden, die an der Wand angebunden waren, zuwandte. Dann ließ sie den nassen Kimono zu Boden gleiten und zog die Männerkleidung, die ihr natürlich ebenfalls etwas zu groß war, an. „Danke“, murmelte sie, als sie sich zu ihm umdrehte. Er erwiderte nichts, sondern musterte sie nur. „Wir müssen los“, meinte er schließlich. „Wohin?“, fragte sie nur noch verwirrter und starrte ihn an. „Wo müssen wir hin?“ „Weg von hier, nehme ich an“, grummelte er und ging zu einem Heuhaufen hinüber, aus dem er zwei Umhänge und einen Beutel hervor zog. Den einen Umhang warf er ihr zu, ehe er den anderen selbst anzog und dann die Stalltür öffnete. Überrascht fing sie den Umhang auf und zog ihn dieses Mal ohne einen weiteren Kommentar über. Als sie damit fertig war, hatte er schon ein Pferd losgebunden und ihm das Zaumzeug umgelegt. Dann schwang er sich gekonnt auf das ungesattelte Pferd, welches ein paar Schritte im Kreis machte. „Steig auf“, sagte er nun, ritt neben Tsuki und reichte ihr die Hand. Sie musterte ihn kritisch. „Woher soll ich wissen, ob ich Euch... ob ich dir vertrauen kann?“, fragte sie, nun eine einfache Anrede benutzend, da ihr die respektvolle auf einmal lächerlich erschien. „Hast du eine andere Wahl?“, erwiderte er, woraufhin sie seine Hand ergriff und sich hinter ihn auf das Pferd ziehen ließ. Sie konnte sich grade noch festhalten, ehe er schon los- und aus dem Stall hinaus preschte – weg von der Stadt. „Warum?“, rief sie gegen den Gegenwind an. „Warum tust du das?“ Sie erhielt keine Antwort, während der Mann einfach nach vorne schaute und das ohne zu blinzeln, trotz des Regens, der ihm ins Gesicht peitschte. „Würdest du mir zumindest verraten, wie du heißt?“, fragte Tsuki nach einer Weile etwas entrüstet, weil er nicht mit ihr redete. „Ich weiß es nicht“, bekam sie plötzlich die Antwort, nachdem er kurz geschwiegen hatte. „Aber man nennt mich Ryuujin.“ „Was soll das heißen‚ du weißt es nicht?“, bohrte die Fuchsfrau nach, doch erneut blieb eine Antwort aus. So ritten sie schweigend weiter, so dass Tsuki trotz des Regen, der erneut ihre Kleidung komplett durchweichte und sie so frieren ließ, nach einer Zeit hinter ihm eindöste und erst aufwachte, als sie bei einer Baumgruppe zum Stehen kamen. Sie sah sich blinzelnd um und brauchte etwas um festzustellen, dass es bereits dämmerte und der Regen nachgelassen hatte. „Was...“, begann sie verwirrt, doch wieder einmal unterbrach Ryuujin sie. „Wir rasten hier“, erwiderte er und ließ sich selbst vom Pferd gleiten, woraufhin Tsuki fast das Gleichgewicht verlor. „Brauchst du Hilfe?“, fragte er mürrisch, was sie mit einem Kopfschütteln verneinte. Dann ließ sie sich vom Pferd gleiten und landete leichtfüßig auf dem Boden, wo sie auch stehen blieb und darauf wartete, was er nun vorhatte. „Komm“, meinte er, nahm das Pferd bei den Zügeln und ging soweit in den Hain, dass man sie von der Straße aus kaum noch sehen konnte. Dort band er das Pferd an einem Ast fest und setzte sich auf den Boden. Dieser war zwar auch etwas feucht, aber nicht so nass, wie die ungeschützte Straße oder ihre vom Regen triefende Kleidung. Tsuki blickte sich unschlüssig um, ehe sie sich schließlich doch ein Stück von ihm entfernt an einen Baum gelehnt setzte und die Arme um sich schlang. So legte sich Stille über die kleine Gruppe, welche eine ganze Weile anherrschte, ehe Ryuujin sie wieder brach: „Hast du Hunger, Mädchen?“, fragte er. „Tsuki...“, murmelte sie nur. „Ich heiße Tsuki, bitte, nenn mich auch so.“ Er seufzte. „Hast du Hunger, Tsuki-san?“, wiederholte er seine Frage dann, woraufhin sie nur leicht nickte. Nun öffnete er den Beutel, den er mitgenommen hatte und reichte ihr drei Streifen Dörrfleisch. „Tut mir leid, aber ich hab nicht wesentlich mehr“, entschuldigte er sich, was Tsuki überrascht aufblicken ließ. Darum sagte sie erst einmal nichts, sondern kaute einfach nachdenklich auf dem Fleisch herum. Auch er nahm sich von dem Fleisch und so herrschte erneut eine Weile Schweigen. „Warum hast du das getan?“, fragte Tsuki nach einer Weile. „Warum hilfst du mir?“ Nun sah sie ihm in die Augen. Sie hielt ihn nicht für böse, das hatte sie schon im Bordell nicht, doch sie hielt ihn für stolz. Gerade deshalb verwirrte sie es, dass er ihr geholfen hatte. Und durch die Art, wie er es getan hatte mehr oder weniger seinen Rang aufgegeben hatte, vor allem, da er scheinbar vorhatte sie zu begleiten. Es dauerte wieder eine Weile, bis er antwortete: „Weil ich es für richtig hielt.“ Die Fuchsfrau erwiderte nichts, sondern wartete darauf, dass er noch etwas sagte. „Ich habe schon viel zu lange nichts getan“, murmelte er nach einer Weile. „Was meinst du?“, hakte sie nun nach. „Das geht dich nichts an“, erwiderte er kühl. Sie schüttelte energisch den Kopf. „Wenn wir zusammen reisen, sollte ich zumindest wissen, wer du bist. Ich muss wissen, ob ich dir vertrauen kann.“ „Dir bleibt nichts anderes übrig“, wiederholte er seine Worte aus der Stadt. „Jetzt schon“, antwortete sie daraufhin. „Glaub mir, ich bin nicht so wehrlos, wie ich aussehe, von hier aus komme ich auch gut alleine zurecht.“ Er erwiderte nichts, sondern sah zur Baumkrone hoch. „Vielleicht will ich ja etwas heraus finden“, murmelte er dann. „Und was?“, bohrte Tsuki weiter. „Wer oder vielmehr was ich bin“, meinte er, nachdem er erneut für eine Zeit geschwiegen hatte. „Du hast mich gefragt, was ich bin, und ich weiß es nicht. Ich wusste eigentlich schon lange – nun, seit ich mich erinnern kann – dass ich kein Mensch bin, aber ich weiß nicht wer oder was ich bin oder woher ich komme...“ Diese Worte murmelte er vor sich hin, so als wollte er nicht – was auch sehr wahrscheinlich war – das Tsuki sie hörte. „Wieso?“, fragte sie dann weiter. „Wieso weißt du es nicht? Und warum hilfst du mir nun?“ „Weil du kein Mensch bist“, antwortete er, als sei dies selbstverständlich. „Ich habe sechs Jahre, die einzigen Jahre meines Lebens, an die ich mich erinnern kann, bei den Menschen, bei der Armee verbracht und Menschen verstehen wohl immer noch nicht so viel, wie es ein Yokai tut, nicht?“, meinte er. „Und du bist eine Yokai. Du bist eine Kitsune... Außerdem würde ich ohnehin nicht klüger, wenn ich dort geblieben wäre.“ Nun schwieg sie. Sie wusste nicht wirklich, was sie ihm antworten sollte, also hielt sie es für klüger zu schweigen. „Wir sollten uns ausruhen“, meinte er schließlich und lehnte sich ebenfalls gegen einen Baum, wobei er jedoch einen weiteren Grund, der ihn zu seinen Handlungen getrieben hatte, verschwieg... Kapitel 9: Auf der Suche ------------------------ Boah, man, Leute, ich lasse nach... Naja, okay, KA ob es jemand liest... Nya~ Aber irgendwie gefällt mir das Kapitel Sprachlich und so überhaupt nicht. Ist doch sehr holperig geworden... *heul* *heul* *heul* Naja, was meint ihr?? Stecke im Moment in einem Krea(sehr)tief(und noch tiefer)... Aber irgendwie komm ich da auch nur raus, wenn ich schreibe. Naja, des Vorwortes genug, hier ist Kapitel 09 ^^""""" *sich verkrümel* EDIT: Kapitel ist schon einmal überarbeitet ^^ (30.01.2009 18:09) Kapitel 09: Auf der Suche Die Nacht senkte sich allmählich über das Dorf Hakken, als sich Tsuki bereits auf einem Futon zusammenrollte. Reiten mochte schneller und weniger kraftaufwändig sein als Laufen, doch war es trotzdem einfach nichts für sie. Ihr Hintern tat weh und ihr ganzer Körper war verspannt. Der einzige Lichtblick war, dass es die letzten drei Tage nicht mehr geregnet hatte, was die Reise wesentlich angenehmer gemachte. Und sie wussten nicht einmal wohin sie reisten... Es war mittlerweile zehn Tage her, dass sie in Unaru aufgebrochen waren und bisher war die Reise ohne irgendeinen Erfolg geblieben. Weder hatten sie eine Spur von Raiu Akki und der Namida gefunden, noch ein Lebenszeichen von Tsukis bisherigen Reisegefährten erhalten. Tsukis einzige Hoffnung beruhte darauf, den Sklavenmarkt, auf dem Fukuro und sie verkauft worden waren, oder zumindest den Magier, der sie versiegelt hatte, wieder zu finden, doch der Sklavenmarkt war in Honou und bis dahin würden sie – wenn sie überhaupt ein Schiff dorthin mitnahm – fast noch einen Mondumlauf reisen müssen und selbst dann... Es war möglich, dass Fukuro weiter verkauft worden war, wie es auch ihr ergangen war und ob sie ihn dann überhaupt noch finden konnten, war mehr als fraglich. Sie blinzelte. „Warum siehst du mich so an?“ fragte sie an ihren Reisegefährten gewandt. Es war nicht das erste Mal, dass sie bemerkte, wie er sie beobachtete, während sie schlief oder er dies zumindest dachte. Sofort wandte er den Blick ab. So seufzte sie und schloss wieder die Augen. Sie war es schon gewöhnt, von ihm keine Antworten zu bekommen. Noch immer verstand sie nicht wirklich, wieso er sie begleitete und fragte sich allmählich, ob sie jemals Antworten von ihm bekommen würde. Schließlich rollte sie sich noch weiter zusammen und schlief nach einiger Zeit ein. Als er sicher war, dass sie endlich eingeschlafen war, beobachtete Ryuujin sie weiter, wie er es so oft in den vergangenen Nächten getan hatte. Er wusste nicht wirklich, wieso er das tat, doch konnte er den Blick auch nicht abwenden. Sie war ein merkwürdiges Mädchen, diese Tsuki. Zwar wusste er, dass sie eine Fuchsfrau war, eine Yokai, doch trotzdem blieb ihm ihr Verhalten ein Rätsel. Sie lebte unter Menschen, vertraute diesen aber scheinbar nicht wirklich. Egal wo sie in den letzten Tagen hingekommen waren, es waren die Geister gewesen, mit denen sie geredet hatte. Trotzdem schien sie ihm zu vertrauen, wie auch den verlorenen Reisegefährten. Er seufzte. Was interessierte es ihn? Er reiste mit ihr, weil er etwas über sich herausfinden wollte. Er wollte wissen, wer und was er selbst war, da brauchte er sich keine Fragen über sie zu stellen. Schließlich erhob er sich, dazu entschlossen in die Schänke, die mit zu ihrer Herberge gehörte, zu gehen, um sich dort einen Sake zu genehmigen. Als er an der Tür stand, wandte er sich noch einmal der Fuchsfrau zu, schüttelte dann aber den Kopf, öffnete die Tür und trat hinaus. So ging er den Flur entlang zum vorderen Komplex des Gebäudes, wo die Schänke gelegen war. Es war nun doch schon so spät, dass nur noch wenige Leute hier waren. Er achtete nicht wirklich auf sie, sondern bestellte sich einen warmen Sake, den er, als dieser an den Tisch gebracht wurde, genüsslich trank. Was er sich selbst nicht eingestehen wollte war, dass ihm das Mädchen, welches in dem Zimmer hinten in der Herberge schlief, gefiel. Das hatte sie schon in dem Bordell, doch auf eine andere Art. Die Art hatte er noch verstanden. Wieder verdrängte er den Gedanken daran, was aber einen Moment später auch von selbst geschehen wäre, als sich ein Tumult im hinteren Teil der Schänke erhob. Dieser war von einem Mann verursacht worden, welcher am Tisch eingeschlafen war. Erst lachten die anderen über ihn, bis der Wirt wütend darüber wurde, dass der Gast noch nicht bezahlt hatte – außerdem sollte er gefälligst bezahlen, wenn er hier schlafen wollte. So versuchte man den Mann aufzuwecken. „Hey, du“, meckerte der Wirt, während ein andere Mann den Eingeschlafenen schüttelte. „Wenn du hier schlafen willst, dann bezahl für die Herberge und vorher für den Sake, den du getrunken hast!“ „Hmmm...“ war das einzige, was der scheinbar Betrunkene von sich gab. „Ich rede mit dir“, schrie ihn der Wirt nun weiter an, verpasste ihn eine Ohrfeige, um ihn wieder zu Sinnen zu bringen, was aber ohne Erfolg blieb. Der Mann war sehr betrunken, er dämmerte nur vor sich hin und schien nicht einmal wirklich wahrzunehmen, dass man mit ihm sprach. Er blinzelte nur immer wieder und murmelte irgendetwas vor sich hin. Ryuujin wollte sich schon wieder abwenden – es ging ihn ja nichts an – als er etwas von dem, was der Mann murmelte verstand: „Tsuki...“ Schon war der ehemalige Offizier bei der kleinen Gruppe und hielt den Wirt, der den Betrunkenen wieder schlagen wollte, an der Schulter fest. „Warten Sie.“ Er musterte den halbschlafenden Mann. Er war nicht aus Eikyû. Konnte es etwa sein...? „Finwen... Wo...“ Der Mann keuchte auf. „Fu... kulo...“ Er blinzelte wieder. „Ich kenne den Mann“, sagte Ryuujin nun, an den Wirt gewandt. „Ich werde seine Schulden bezahlen und ihn mit auf mein Zimmer nehmen, wenn Sie erlauben.“ Er drückte dem Wirt einige Geldstücke in die Hand. „Das sollte reichen.“ Der Wirt sah ihn perplex an. „Was...“ „Starren Sie mich nicht so an“, schnauzte Ryuujin ihn nur an, stieß den Mann, der den Betrunkenen hielt, zur Seite und warf diesen dann wie einen Sack über seine Schulter. Ohne einen weiteren Kommentar verließ er die Schenke um auf das Zimmer zurück zu kehren, in dem Tsuki hoffentlich immer noch schlief. Dort angekommen ließ er den halb Schlafenden zu Boden fallen und rüttelte ihn. „Ihr! Sagt mir Euren Namen!“, forderte er ihn auf. „Wa... Was?“, nuschelte der Mann. „Euer Name!“, wiederholte Ryuujin mit gedämpfter Stimme um Tsuki nicht zu wecken. „She... Shen...“ Fukuro lag zusammengerollt auf einer dreckigen Matte, die weder die Kälte abhielt noch die Härte des Bodens auszugleichen vermochte. Jeder einzelne Muskel in seinem Leibe schmerzte. Er wusste nicht wirklich, wie er die letzten Wochen ausgehalten hatte, aber er hatte es geschafft, auch wenn er kaum noch Hoffnung sah, dass er das lang genug schaffen würde bis… Ja, bis was? Es war doch so gut wie unmöglich, dass die anderen ihn finden würden. Er wusste nicht einmal, ob sie noch lebten. Er wusste nicht, was mit Yuki war. Ihn und Tsuki hatte man auf dem Sklavenmarkt verkauft. Shen war nicht da gewesen, als sie gefangen genommen worden waren. Und Yuki? Man hatte sie weggebracht. Er selbst war an einen Sklavenhändler Penggous verkauft worden und nach über einer Woche Schiffsfahrt, auf der – wie auch die anderen Sklaven – er nur ein Minimum an Nahrung und Schlaf bekommen hatte, schon völlig entkräftet gewesen. Selbst auf dem Schiff mussten sie schwer arbeiten und in Penggou war er an den Besitzer eines Steinbruchs verkauft worden. Seit er hier war, hatte er schon mehrere andere der Sklaven an Erschöpfung sterben sehe und er ahnte, dass es mit ihn, wenn es so weiter ging, bald nicht besser stehen würde. Was würde dann aus Yuki? Wenn sie noch lebte... Ohne dass er es bemerkte glitt er über diese Gedanken hinüber in einen leichten, unruhigen Dämmerschlaf. Ihm war, als würde er fallen, aber er sah nichts. Zuerst war ihm nicht einmal klar, dass er träumte und grade als ihm das klar wurde, strömten sie auf ihn ein: Bilder und Gefühle. Angst. Auf einmal hatte er das Bild von Raiu Akki vor Augen. Stimmen. Kreischen. Er verstand nicht. Die Stimmen klangen verzerrt. Und dann hörte er ein Schreien – Yukis Schreien! Fukuro schrak auf. „Yuki“, murmelte er verwirrt und hielt sich zitternd den Kopf. Immer noch fühlte er sich erschöpft und er brauchte etwas um darüber nachzudenken, was grade passiert war, doch er war sich ziemlicht sicher: Es waren Erinnerungen gewesen. Yukis Erinnerungen. Was war passiert? Sie hatte geschrieen. Sollte das etwa heißen, dass seiner Schwester etwas passiert war? War sie etwa... Darüber wollte er nicht nachdenken, doch eines war ihm klar. Er musste hier weg. Doch wie? Er und die anderen Sklaven wurden unablässig von zwei der Aufseher bewacht. Aber er musste hier weg. Er musste Yuki finden. Er musste ihr helfen. Plötzlich hörte er ein Grollen, welches nun auch die anderen Sklaven erwachen ließ. Ohne dass er es bemerkt hatte, war etwas da, eine Aura – eine Aura die nichts Gutes ahnen ließ. Akuma! Da ertönte ein Schrei. Es war bereits Vormittag als Tsuki erwachte. Sie hatte lange und tief geschlafen, so erschöpft war sie gewesen. Blinzelnd öffnete die Augen und war von einem Moment auf den anderen hellwach. „Shen?“, rief sie aus, als sie ihren Reisegefährten auf dem Boden neben sich liegen sah. Sie konnte es nicht glauben. „Shen...“ wiederholte sie ungläubig und sah sich um. Ryuujin saß in einer Ecke des Zimmers an die Wand gelehnt und beobachtete sie wieder. „Was...“, setzte sie an, doch der Gesichtsausdruck des Mannes sagte ihr bereits, dass er nicht antworten würde. So setzte sie sich ebenfalls auf und musterte den Wolkenkrieger aus Penggou. Er sah erschöpft aus. Noch ganz anders als in der Nacht, in der sie gefangen genommen worden waren und sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Wie kam er hierher? Die Zeit, die verging, bis Shen endlich erwachte kam Tsuki wie eine Ewigkeit vor. Sie hatte etwas von den Vorräten, die sie noch bei sich hatten, gegessen und nachdenklich zwischen den beiden Männern hin und her geschaut. Als Shen endlich die Augen öffnete, wirkte er genau so verwirrt, wie sie es beim Erwachen gewesen war. Er sah sie an und stöhnte dann auf einmal auf. „Tsuki“, krächzte er mit kratziger Stimme. „Was ist passiert?“, fragte sie ohne ein weiteres Wort zu verlieren. „Wie... Wie kommst du hierher...“ „Das frage ich mich auch“, murmelte er und versuchte sich mühsam aufzurichten. „Ich fühle mich scheußlich.“ Er versuchte sie anzugrinsen, was ihm aber ziemlich misslang. Da war Ryuujin auf einmal bei ihnen und reichte dem Wolkenkrieger einen mit Wasser gefüllten Lederschlauch. „Du hättest dich gestern nicht betrinken sollen“, meinte er nur trocken, während Shen gierig trank. „Ich weiß nicht mehr“, murmelte er, als er den Schlauch absetzte. Dann sah er zur Kitsune hinüber. „Tsuki... Ich... Es ist meine Schuld, dass das passiert ist. Ich habe zugelassen... Ich habe nichts bemerkt... Es... Es tut mir so leid.“ In seinem Blick blitzte etwas wie Verzweifelung auf. „Ich.. ich habe dich und die anderen gesucht... Du... Du warst verkauft worden, an dieses Bordell und als ich dort ankam, warst du verschwunden. Ich dachte, man hätte dich weiterverkauft oder getötet und...“ Er brach ab. „Wie kommst du hierher?“, fragte sie. „Ich hab versucht, dich zu finden, aber ich hatte keine Hoffnung und wollte aufgeben. Gestern, ich wusste nicht mehr weiter und dann...“ „... Dann bist du in die Schänke gegangen und hast dich betrunken ohne Geld zu haben“, unterbrach Ryuujin ihn etwas ungehalten. Kurz herrschte Schweigen, während Shen Tsuki flehend ansah, bis diese es war, die die Stille brach. „Weißt du, was mit den anderen passiert ist?“ Der Yonshibin nickte. „Fukuro ist an einen anderen Sklavenhändler verkauft worden. Er hat sich zwar als ein Mann Honous ausgegeben, aber ich bin mir sicher, dass er aus Penggou stammte. Ich weiß es. Man hat Fukuro auf ein Schiff gebracht und ich bin mir sicher, dass es nach Penggou gefahren ist.“ Er sah sie nun wieder fest an. „Die Räuber haben Raiu Akki gedient...“, murmelte er dann. „Was ist mit Yuki?“, fragte die Fuchsfrau nun. „Sie ist nicht verkauft worden... Was ist mit ihr geschehen? Haben sie sie... getötet?“ Zum Ende des Satzes hin senkte sie die Stimme. Es wäre nichts außergewöhnliches, wenn Menschen eine Yuki Onna, also eine Yokai, getötet hätten. Sie fürchteten zumeist solche und verfluchten sie. Es war bereits mehrmals vorgekommen, dass Menschen Jagd auf solche gemacht hatten, selbst auf Kitsune, die zumeist friedfertig waren. „Nein“, murmelte Shen. „Zumindest nicht die Räuber.“ Er senkte den Blick. „Ich weiß es nicht sicher, aber ich glaube, man hat Yuki zu Raiu Akki gebracht.“ „Und wo... Weißt du wo Raiu Akki ist?“ Er seufzte. „Nein.“ „Dann...“ Tsuki seufzte tief. Zwar freute sie sich, zumindest einen ihrer Gefährten wieder gefunden zu haben, doch die Nachrichten freuten sie gar nicht. „Wir sollten versuchen Fukuro zu finden, so lange wir zumindest eine Spur haben.“ Shen nickte. „Wenn wir zu meinem Dorf gehen“ Hoffnung schwang in seiner Stimme mit. „dann könnten wir das Orakel um Hilfe bitten.“ Er lächelte. Sie waren gegen Mittag aufgebrochen aus Hakken und bis zum Abend eine ganze Strecke gereist. Ryuujin spürte, dass das Zusammentreffen mit dem komischen Mann, der die Reise auf einer fliegenden Wolke bestritt, Tsuki neuen Mut gegeben hatte. Sie kamen schneller und mit weniger Rasten voran, als zuvor. Doch trotzdem fühlte sich der ehemalige Offizier nicht wohl dabei. Er hatte nichts mit ihnen zu tun. Zwar hatte er beschlossen mit ihnen, oder besser mit Tsuki zu reisen, um etwas über sich heraus zu finden. Aber würde es ihm was bringen, wenn er mit ihnen nach Penggou reiste? Trotzdem verspürte er in sich den Wunsch dieses zu tun, aber nicht, um das Rätsel seiner Vergangenheit zu lösen. Nein, der Grund war ein anderer... Als es bereits wieder Nacht geworden war und der Mond am Himmel stand, suchten sie endlich zwischen einer Felsengruppe zuflucht um zu rasten. Sparsam aßen sie von den Vorräten, ehe sich der Wolkenkrieger und Tsuki zum Schlafen legten. Wieder beobachtete Ryuujin sie. Im fahlen Mondlicht wirkte die Haut der Fuchsfrau fast gänzlich weiß. Er schloss die Augen und musste ein Stöhnen unterdrücken. Nein, er konnte nicht weiter mit ihnen reisen. Es würde ihm nichts bringen und er brauchte sie nicht mehr. Trotzdem fiel es ihm so schwer sich abzuwenden... Als er sicher war, dass die beiden schliefen, ging er langsam und vorsichtig zum Lager der Fuchsfrau hinüber, beugte sich kurz zu ihr hinab und strich ihr flüchtig durchs Haar. Dann wandte er sich ab und stieg auf sein Pferd. Die Verpflegung ließ er liegen, er konnte sich selbst etwas kaufen. So ließ er das Tier langsam davon traben. Kapitel 10: Das Geheimnis der Schneefrau ---------------------------------------- So, endlich mal ein neues Kapitel ^___^ Freue mich über Kommentare. Das nächste ist übrigens auch schon halb fertig und wird auch wieder länger ^^ Das hier ist nur ein Zwischenspiel, wenn man so will ^.~ Kapitel 10: Das Geheimnis der Schneefrau Yuki wachte auf und sah sich verwirrt um. Es dauerte etwas, bis sie ihre Gedanken soweit sortiert hatte, dass sie wieder zwischen ihren Träumen und der Realität unterscheiden konnte. Ja, jetzt fiel es ihr wieder ein: Sie war mit dem Oni, mit Raiu Akki, gereist oder besser dazu gezwungen worden. Aber was hätte sie schon gegen den Dämon tun können, der ihren ganzen Klan vernichtet hatte, zumal sie nun wieder allein war. Selbst Fukuro war nicht mehr bei ihr – wenn er überhaupt noch lebte. Nun sah sie sich wieder um. Wo war Raiu Akki? Normal war er die ganze Zeit der Reise über in ihrer Nähe gewesen – hatte sie nicht aus den Augen gelassen, aus Angst, dass sie das Siegel ablegte und ganz zur Yuki Onna wurde. Doch nun war Raiu Akki nicht da. Sie war ganz alleine mitten in einem großen Saal. Wie war sie hierher gekommen? Der Saal, in dem sie sich befand, war hoch, zylinderförmig und sehr groß. Er wirkte edel, mit den marmornen Platten, die den Boden bedeckten und der verzierten Decke. Fast wie in einem Schloss. Doch wie sie hierher gekommen war, dass wusste Yuki nicht. Vorsichtig richtete sie sich auf, da ihr Körper von der langen Reise schmerzte und rieb sich die steifen Gelenke, die das erste Mal seit Tagen nicht gefesselt waren. Dies tat sie abwesend, bis sie auf einmal zusammenzuckte. Ungläubig sah sie auf ihr Handgelenk: Das Amulett war nicht da. Aber was hatte das zu bedeuten? Wieso hatte Raiu Akki ihr das Amulett abgenommen, wo er sich doch so sehr vor der Schneefrau fürchtete? Wo war er hingegangen? Und wo befand sie sich? Über diese Fragen rätselnd stand Yuki schließlich auf. Wenn sie sich umsehen würde, fand sie vielleicht zumindest heraus, wo sie sich befand. So ging sie auf die größte der drei Türen, die wohl aus dem Saal heraus führten, zu. Sie ging langsam, da sie nicht wusste, ob Raiu Akki oder irgendein anderer Dämon in der Nähe war. Doch schließlich erreichte sie die Tür, ohne dass etwas geschehen war. Sie drückte ihr Ohr an das glatt geschnitzte Holz. Sie hörte Wind. Das hieß wohl, dass diese Tür tatsächlich aus dem Gebäude heraus führte und es ließ Yuki vermuten, dass die Tür verschlossen war. Trotzdem versuchte sie die Tür zu öffnen und wieder Erwarten ließ sie sich schieben und gab tatsächlich den Weg nach draußen frei. Ein kalter Wind blies Yuki entgegen, als sie auf die verschneite Ebene vor sich blickte, welche einige hundert Schritt weiter abrupt endete. „Eine Klippe“, schoss es Yuki durch den Kopf. Doch nun erkannte sie auch, dass sie nicht alleine war. Ein Stück von ihr entfernt stand eine Frau im Schnee – eine Frau mit langem, wallendem, weißem Haar, welches wie das weite Gewand im Wind flatterte. Yuki blieb in der Tür stehen, als sie die Frau erblickte, doch da wandte sich diese schon zu ihr um. Ihre Blicke trafen sich und Yuki spürte, wie sich etwas in ihr regte. Das, was zuvor vom Amulett zurück gehalten worden war. „Komm zu mir“, sagte die Frau nun mit wohlklingender Stimme, die trotz des Windes bis zu Yuki vordrang, welche starr weiter in der Tür stehen blieb. Das Etwas in ihr regte sich noch mehr. Es drängte sie zur Frau zu gehen, während etwas anderes sie davon abzuhalten versuchte. Sie starrte die Frau an. „Komm zu mir“, wiederholte die Frau nun. „Hab keine Angst.“ Das Etwas in Yuki gewann. Zögernden Schrittes ging sie auf die Frau zu. Als sie näher kam erkannte sie, dass die Frau lächelte, wenngleich ihre Augen ausdruckslos wirkten. Schließlich waren die beiden Frauen nur noch wenige Schritte voneinander entfernt. Die Ältere lächelte noch breiter: „Du bist gewachsen, Tochter.“ Yuki erstarrte. „Tochter?“, fragte sie ungläubig. Doch da war die Frau bei ihr und nahm sie in den Arm. Wie eine ferne Erinnerung umwehte der Geruch der Frau sie, ohne dass sie sich dem hätte erwehren können. Der Geruch nach Schnee. Sie fragte nicht mehr, sie wusste, dass diese Frau, die Yuki Onna, ihre Mutter war, auch wenn sie nicht verstand. Es dauerte eine Weile, bis sich die beiden Frauen aus der Umarmung lösten und die Mutter durch eisige Augen ihre Tochter betrachtete. „Was hat das zu bedeuten…“ Yuki zögerte. „Mutter?“ „Frag nicht“, erwiderte ihre Mutter. „Antworten sind belanglos. Es ist nicht wichtig.“ „Doch!“, widersprach Yuki hastig. „Ich meine, wie komme ich hierher? Wieso…“ Sie unterbrach sich. „Wo ist Fukuro? Weißt du wo mein Bruder ist?“ Die Frau wandte sich ab. „Wieso fragst du nach ihm?“ „Weil er mein Bruder ist…“ „Nein!“, schrie die Mutter sie an. „Nein, er ist nicht dein Bruder! Er ist ein Mensch.“ Yuki schwieg und blickte in die vor Wut funkelnden Augen ihrer Mutter. Warum reagierte sie so? Sie verstand einfach nicht. Es war alles so merkwürdig. Immernoch spukte die Frage durch ihren Kopf, was sie hier tat, wie sie hierher kam. „Er ist nicht dein Bruder“, wiederholte ihre Mutter nun ruhiger. „Frag nicht nach ihm…“ „Aber…“, setzte Yuki nun an, doch wieder wurde sie unterbrochen: „Fukuro ist der Sohn deines Vaters, aber nicht dein Bruder“, sagte die Schneefrau mit fast ausdrucksloser Stimme. „Du wirst ihn nicht wieder sehen.“ Sie wandte ihr Gesicht wieder ihrer Tochter zu. „Du lebst schon viel zu lange unter den Menschen. Du hast vergessen, dass du keiner bist.“ Yuki sah ihr in die Augen. Das Gesicht ihrer Mutter war wunderschön und doch sprach nur Wut und reiner Hass aus ihm, verzerrte es. „Aber Vater war doch ein Mensch“, meinte sie vorsichtig. „Und du… Ich bin unter Menschen aufgewachsen.“ „Ja, weil dein Vater dich gestohlen hat, er…“ Sie knurrte nur. „Außerdem: Haben dich die Menschen jemals behandelt, als seihst du einer von ihnen?“ Diese Worte brachten Yuki schließlich zum Schweigen und sie wandte ihren Blick gen Boden. Ihre Mutter hatte Recht. Die Menschen hatten sie nie behandelt, wie eine von ihnen. Die einen hatten sie gemieden, die anderen sie beschimpft oder verprügelt. Aus den Augen ihres Vaters hatte immer so etwas wie schuldbewusste Gleichgültigkeit gesprochen, wenn er sie betrachtete. Aus denen seiner Frau nichts als Verachtung. Man hatte sie nicht zur Ausbildung als Ninja zulassen wollen, weil man ihr nicht traute. Als man sie am Ende doch zuließ, schikanierte man sie nur. Sie hatten Angst vor ihr, weil ihre Mutter eine Yurei war. Dabei fürchtete sich Yuki selbst vor diesen, wie auch vor den Yokai. Sie fürchtete alles, was man nicht mit körperlicher Kraft besiegen konnte. Auch den Hass der Menschen. Nur Fukuro hatte sie immer beschützt – vor den Menschen und den Geistern. Er hatte sie getröstet, wenn sie weinte, hatte sich mit denen angelegt, die sie beschimpften und verprügelten, sogar mit seiner eigenen Mutter. Er hatte alles getan, um seine Schwester zu schützen. Er hatte sie als Mensch, nein, einfach als sie gesehen. „Aber Fukuro…“, murmelte Yuki. „Er hat mich nie schlecht behandelt. Er hat mich immer beschützt.“ „Und jetzt? Ist er jetzt da?“, erwiderte ihre Mutter kühl. „Nein, aber er… Er wurde doch auch… Ich…“ Yuki brach ab und seufzte. „Selbst wenn er jetzt da wäre“, sprach die Schneefrau nun weiter. „Meinst du es wird ewig so bleiben? Er ist ein Mensch, ein Mann. Er ist erwachsen. Irgendwann wird er etwas anderes zum Beschützen finden, dass weißt du. Und was machst du dann?“ Die Jüngere verstand, was sie meinte, doch sie schüttelte den Kopf. „Nein, er wird mich nie im Stich lassen.“ Da lachte ihre Mutter. „Du bist naiv.“ Sie sah sie belustigt an. „Schau her.“ Damit zeigte sie auf das prachtvolle, turmartige Gebäude, aus dem Yuki gekommen war. „Wir beherrschen die Illusion, dass weißt du doch.“ Mit einer Windböe verschwand der Turm und ließ, wie nie da gewesen, einen Bretterverschlag, der es kaum wert war, als Hütte bezeichnet zu werden, zurück. Yuki reagierte darauf nicht. „Das ist unsere Illusion“, sagte ihre Mutter. „Doch die der Menschen ist viel tückischer.“ Ihr Blick verfinsterte sich noch mehr. „Sie gaukeln dir nicht die Existenz von irgendwelchen Dingen, wohl aber die von Gefühlen, vor. Erst sind sie für dich da, dann plötzlich verschwunden.“ Sie schwieg kurz. „Dein Vater war genau so. Er versprach mir alles, doch am Ende nahm er dich und versuchte sogar mich zu töten.“ Wieder knurrte sie. „Fukuro ist nicht Vater!“, erwiderte Yuki. „Er wird mich beschützen!“ „Nein, er wird eine Frau finden, die er liebt, eine Familie haben und vergessen, dass er überhaupt eine Schwester hat.“ „Nein“, flüsterte Yuki. „Nicht Fukuro…“ Alleine die Vorstellung, dass Fukuro nicht mehr da wäre, reichte um ihr Tränen in die Augen zu treiben. Seit sie denken konnte, war er für sie da gewesen, hatte sie beschützt. Was, wenn ihre Mutter recht hatte und er sie wirklich verlassen würde? „Aber wenn du vorher nichts tust, ist er bis dahin schon tot“, hielt eine Stimme aus ihrem Inneren dagegen, doch ein Blick in die Augen ihrer Mutter reichte, um diese zum Schweigen zu bringen. „Vertrau mir, Tochter“, sprach diese nun wieder mit sanfter Stimme. „Du gehörst nicht zu den Menschen.“ Sie hielt ihr ihre Hand entgegen und Yuki nahm sie. Sie war kein Mensch, dass spürte sie nun deutlich, als sie mit dem Schnee verschmolz… Kapitel 11: Der Dämon des Meeres -------------------------------- Nya~ Doch relativ schnell das neue Kapitel fertig xDD Hab mich aber doch länger als gewollt mit dem Kampf aufgehalten... Kämpfe fallen mir einfach so wahnsinnig schwer >.< However, hier ist das nächste Kapitel und bitte - wenn ihr es lest - hinterlasst mit einen Kommentar!!! Ich will mich verbessern, Leute ^^" Außerdem hab ich mich ganz schon schwer getan mit dem Schiff - weil ich mich mit den Asiatischen Schiffen nicht so auskenne... Kapitel 11: Der Dämon des Meeres Tsuki stand an der Reling der Schwanenflügel, welche zwei Tage zuvor im Hafen von Kyûzuo abgelegt hatte. Sie hatten Glück gehabt, sofort ein Schiff zu finden, dass nach Pennguo fuhr, zumal es davon wirklich nur noch wenige gab, da es kaum Handel zwischen den vier Reichen und dem Festland gab. Doch obwohl sie sich hätten darüber freuen müssen, dass Schiff gefunden zu haben, fühlte sich die Fuchsfrau an Bord alles andere als wohl. „Was ist, Tsuki?“, fragte Shen, der sich grade zu ihr gesellt hatte. Er grinste sie an. „Nichts“, seufzte sie und sah auf das Meer hinaus. Es verunsicherte sie, dass es hier keinen Wald gab und keinen festen Boden. Sie fühlte sich einfach nicht wohl, mochte nichts essen, nicht schlafen. „Du siehst nicht gut aus“, stellte Shen fest und klopfte ihr auf die Schulter. „Halt noch ein, zwei Tage durch, dann sind wir in Pennguo.“ Wieder grinste er und seine Augen blitzten. Tsuki wusste, dass sich der Krieger freute, wieder in seine Heimat zu kommen. Selbst die harte Arbeit, die er auf dem Schiff verrichten musste, damit sie mitreisen durften, konnte ihm diese Freude nicht nehmen. So seufzte sie erneut. „Ich werde mich ein bisschen hinlegen“, meinte sie und wandte sich von der Reling ab. Sie ging zu ihrem Lager, welches aus ein Paar in einer Ecke des Decks übereinander gelegten, leeren Säcken bestand. Ja, sie hatten wirklich Glück gehabt ein Schiff zu finden, was nach Penggou fuhr, da es offiziell schließlich gar keinen Handel zwischen dem ehemaligen Eikyû und dem angeblich nicht existierendem Land gab. Hätte es im Hafen keine Geister gegeben, hätten sie wohl auch nichts von der Schwanenflügel erfahren... Als sie dort lag, griff sie nach dem Ledersäckchen, welches an ihrem Gürtel befestigt war. Ein leises Bimmeln war zu vernehmen, was den Inhalt ahnen ließ. Es enthielt Tsukis Glöckchen, die Shen ihr wiederbesorgt hatte und irgendwie beruhigte sie das Läuten der Glocken. Auch so trug sie wieder ein normales Reisegewand, statt der Soldatenkleidung, die ihr Ryuujin gegeben hatte. Trotzdem dachte sie über den Mann nach, den sie in Unaru getroffen hatte und der, kurz nachdem sie Shen wieder getroffen hatte, über Nacht verschwunden war. Sie wurde jetzt genauso wenig aus ihm schlau, wie während der Zeit, in der sie mit ihm reiste. Einfach ein seltsamer Mann… Nun waren sie auf dem Weg nach Pengguo um wenigstens Fukuro wieder zu finden. Vielleicht wirklich ein Weg aus Verzweifelung, da sie Raiu Akki kaum finden würden. Und Yuki… Wie lange war es jetzt her, dass sie in Hayashimura aufgebrochen waren? Tsuki kam es wie eine Ewigkeit vor. Ob mit dem Dorf alles in Ordnung war? Und was war mit den beiden Alten und Tohon? Sie vermisste sie... Über diese Gedanken verfiel sie in einen unruhigen Schlaf, der von Träumen und Erinnerungen durchzogen war. Shen beobachtete die sich im Schlaf hin und her wälzende Tsuki schon eine ganze Weile. Eigentlich wäre es auch für ihn das Beste gewesen, sich endlich schlafen zu legen, doch hing er nun seinen Erinnerungen an seine Heimat nach. Er dachte an Yuncun, seine Familie, Mao und ganz besonders an Mei. Schwach lächelnd blickte er auf das in der Dunkelheit scheinbar schwarze Meer. Der Mond stand hoch am Himmel – die Nacht hatte ihre Mitte bereits überschritten. Gerade als er sich dazu durchringen wollte, endlich zu schlafen, begann das Schiff stark zu schwanken, als hätte der Wellengang auf einmal zugenommen. Dabei wehte kaum Wind... Shen richtete sich auf und sah sich um. Außer ihm war kaum jemand an Deck wach, von den Matrosen, die Schicht hatten, abgesehen. Diese hatten den Wellengang ebenfalls bemerkt und standen nun diskutierend an der Reling, was Shens Annahme bestärkte, dass irgendwas nicht stimmte. Plötzlich wurde das Schiff stark erschüttert. Im nächsten Moment waren Schreie zu hören: Jemand war über Bord gegangen. „Was ist los?“, hörte der Krieger die Stimme seiner Begleiterin neben sich. „Ich weiß es nicht“, erwiderte er nur und sah sich wachsam um, was Tsuki ihm gleichtat. Auf einmal schrie sie auf: „Pass auf!“ Sie riss ihn mit sich, als sie zur Seite sprang. Einen Moment später fiel das kleinere Vordersegel samt Rippen hinab und verfehlte sie nur knapp. Der Blick der Fuchsfrau war starr nach oben gerichtet und Shen folgte diesem. Oben auf der Spitze des Mastes stand eine Gestalt, auch wenn diese aufgrund der Lichtverhältnisse kaum zu erkennen war. „Ein Oni“, murmelte Tsuki und kniff die Augen zusammen. Shen sah sie an. Er hatte sich so was gedacht. „Aber wie...“, begann er, sprach aber nicht weiter, als er sah, dass seine Begleiterin sich ohne den Blick von dem Oni zu nehmen, die Lederbänder mit den Glöckchen aus dem Beutel an ihrem Gürtel zog und umband. „Was willst du?“, rief Tsuki, den Blick weiterhin nach oben gerichtet. Ein Lachen war zu vernehmen, bis der Dämon auf einmal sprang und vor ihnen auf dem Deck landete. Nun konnte auch Shen ihn genauer erkennen. Es war ein Mann, mit einem schmalen Gesicht und sehr langen, zu einem Zopf gebundenen Haaren, was aber nicht das auffälligste war. Er hatte das Onihorn auf der Stirn und große, zackige Ohren, fast so groß wie Hände. Seine Augen waren komplett schwarz. Er musterte Tsuki. „Du bist eine Fuchsfrau, nicht wahr, meine Kleine?“ „Was?“, erwiderte sie nur verwirrt. „Hmm, und du bist dieser Yonshibin“, fuhr der Oni mit Blick auf Shen fort. „Aber...“, setzte dieser an, doch Tsuki unterbrach ihn: „Wer bist du und was willst du von uns?“ Ihr Blick war wachsam, während sie den Dämon genau musterte. Dieser grinste nur. „Wieso fragst du, kleine Füchsin?“, lachte er. „Meinen Namen wirst du nicht brauchen, da ich geschickt wurde um euch zu töten!“ „Und wer hat dich geschickt? Raiu Akki?“ „Das geht dich ebenfalls nichts an.“ Der Dämon lachte wieder und ging langsam auf sie zu. „Ich denke, dass waren genug der Worte. Ihr habt lang genug gelebt!“ Damit hob er eine Hand und feuerte – wie auch Raiu Akki es getan hatte – eine Schockwelle auf sie ab. Doch wie im Kampf gegen Raiu Akki lenkte Tsuki die Schockwelle mit einer Handbewegung ab. Jedoch riss sie so ein Stück der Reling fort und verfehlte zwei der Matrosen nur knapp. Shen sah sie an. „Was...“ Doch wieder konnte er nicht aussprechen, denn der Dämon attackierte sie erneut. Dieses Mal hatte er ein langes Schwert, welches vorher in einer an einem Ledergurt über seinem Rücken hängenden Scheide, so dass Shen, wie auch Tsuki nur knapp ausweichen konnte. Doch da setzte der Oni auch schon wieder nach und Tsuki wich mit einem Sprung nach hinten aus. Die Glöckchen läuteten. „Shen, deine Waffe!“, rief sie ihm zu, ehe sie wieder ausweichen musste. Er hatte verstanden, wenngleich er immer noch verwirrt war. Es war ihm alles etwas zu schnell gegangen. Trotzdem begann er nun unter dem Segel nach seinem Stab zu tasten, ehe er es mit einem Dolch, den er am Gürtel getragen hatte, zerschnitt. Als er seinen Stab endlich gefunden hatte, wandte er sich herum. Tsuki wich den Schwertattacken des Dämons immer noch springend aus, während ein Großteil der Schiffsbesatzung wie erstarrt herumstand oder unter Deck Schutz gesucht hatte. Wir dürfen sie nicht gefährden, dachte Shen. Doch als erstes sollte er sich darum kümmern, seiner Gefährtin zu helfen. Er rannte los, als sich der Dämon gerade von einem der Masten abstieß. Gerade rechtzeitig war er vor Tsuki um den Schwertschlag mit seinem Stab abzuwehren. „Warum wehrt ihr euch so?“, fragte der Oni immer noch lachend, als er ein Stück zurück wich. „Warum fragst du?“, erwiderte Shen verächtlich. „Die meisten Wesen, lassen sich nicht freiwillig umbringen.“ „Dabei zögert ihr es so nur hinaus“, grinste ihr Gegner. „Du bist ganz schön siegessicher.“ Tsuki sah den Dämon mit zusammen gekniffenen Augen an. Da züngelte plötzlich eine bläuliche Flamme am Körper des Dämons entlang, wie eine Schlange. „Was...“ Zuerst war der Dämon verwirrt, doch schnell fasste er sich wieder. Er glitt über den Schiffsboden zurück, sprang dann über die Reling ins Wasser, ehe er kurz darauf wieder auftauchte und auf der schwankenden Oberfläche sicher stehen blieb. Langsam wurde Shen klar, dass ihr Gegner ein Wesen des Wassers war. Was ihn allein schon die großen, mit Schwimmhäuten durchzogenen Pranken hätten klar machen müssen. „Verdammt“, fluchte die Kitsune neben ihm. „Was ist?“, erwiderte er. „Er hat meinen Zauber einfach gebrochen“, antwortete sie nur. „Aber wie...“, setzte er an, brach dann aber ab und sah zu dem Oni. Es war, als würde es regnen, nur dass der Regen vom Meer kam und die einzelnen Tropfen um den Dämon herum in der Luft schweben blieben. „Was...“, setzte Shen an, doch da rasten die Tropfen schon mit hoher Geschwindigkeit auf sie zu. „Hogosha!“, rief Tsuki und wie von einer unsichtbaren Wand aufgehalten stoppten die Tropfen ein Stück vor ihnen und zerbarsten in viele Kleine, wobei die Gischt bis zu ihnen vordrang. Shen sah zu Tsuki hinüber. In ihrem Gesicht war die Anstrengung abzulesen, während das Bimmeln ihrer Glöckchen lauter geworden war. So einen Kampf hatte er bisher noch nicht gesehen. Er hatte zwar schon gegen einige Menschen gekämpft, von denen ein paar auch Magie beherrschten, aber einen Kampf, in dem so viel und so mächtige Magie zum Einsatz kam, hatte er noch nicht gesehen. Er schüttelte den Kopf. Was dachte er nach, während Tsuki kämpfte? Mit einem Pfeifen rief er nach Shiyun, welche ihnen die ganze Zeit am Himmel gefolgt war. Schon war er auf ihr, drehte eine Runde um das Schiff, ehe er auf den Oni zuflog, welcher sich ihm bereits zuwandte. Doch Shen ließ sich nicht beirren, als er kurz vor dem Dämon war, stieß er sich von der Wolke ab und sprang auf ihn zu. Er holte mir dem Stab aus, um den Gegner zu schlagen, welcher den Arm zur Verteidigung hob. Du unterschätzt mich, dachte Shen schon siegesgewiss, doch kurz bevor sein Stab auf den Arm des Gegners prallte, bildete sich eine Blase aus Wasser um diesen herum, welche den Schlag zwar nicht ganz stoppte, ihm aber einen Großteil seiner Energie nahm. Dann nahm der Dämon den Stab und schleuderte damit Shen herum, so dass er rückwärts flog und ohne Shiyun, die ihn auffing, im Wasser gelandet wäre. „Shen!“, rief Tsuki, die in der Zeit, in der sich der Dämon auf Shen konzentriert hatte, an die Reling gelaufen war. Daraufhin lenkte er die Wolke so, dass er – wenngleich mit dem Rücken zu ihr – nahe bei ihr schweben blieb. „Was ist?“ „Pass auf, du darfst ihn nicht unterschätzen“, rief sie ihm zu. „Kannst du überhaupt schwimmen?“ „Ich unterschätze ihn schon nicht“, erwiderte er und überging ihre Frage einfach, bevor er seine Wolke wieder auf den Oni zulenkte. „Shen!“, rief die Fuchsfrau noch einmal, doch ohne Erfolg. Der Wolkenkrieger flog entschlossen auf den Dämon zu, stieß sich von der Wolke ab und holte erneut mit dem Stab aus, jedoch drehte er sich dieses Mal so in der Luft, dass der Stab den Oni von hinten treffen würde. Dieses Mal jedoch reagierte der Dämon rein körperlich nicht mehr, während das Meerwasser wieder ein Kissen bildete und den Schlag so abfing, so dass sich Shen wieder zurückziehen musste, nur um erneut anzugreifen. Ständig wechselte er die Richtung aus der er angriff, doch immer fing der Oni die Stabschläge mit Wasser ab. Schließlich griff Shen seinen Gegner erneut direkt von vorne an. Er sprang, hob den Stab über den Kopf und schlug zu, doch erneut wehrte sein Gegner den Schlag ab, wenngleich er aus Reflex dieses Mal die Arme über den Kopf hob. „Du scheinst nicht der hellste zu sein, Bursche“, meinte er und grinste ihn an. „Sieh doch ein, dass du gegen mich machtlos bist." Doch auch Shen grinste. Dann schwang er blitzschnell mit dem Unterkörper nach vorne, setzte seine Füße auf die Schultern des Gegners und stieß sich ab, so dass er und der Oni nach hinten geworfen wurden. Wieder war es Shiyun, die ihn auffing, während der Dämon im Wasser landete. Der Krieger tätschelte seine Wolke. „Danke“, flüsterte er, während seine Augen weiterhin dorthin gerichtet waren, wo der Gegner ins Wasser eingetaucht war. Er hatte ihm kaum Schaden zugefügt – wieso tauchte er also nicht auf? „Shen!“, schrie Tsuki von der Reling her auf einmal, was den Yonshibin zusammenfahren ließ. Er drehte sich zu ihr herum. „Unter dir!“, rief sie. Grade noch rechzeitig um den Dämon entgegenkommen zu sehen, blickte er nach unten. Mehr aus Reflex als überlegt, stemmte er den Stab nach unten und ließ sich von der Wolke fallen, wobei er den Oni mit der Stabspitze direkt unter dem Horn traf. Trotzdem verhinderte er nicht, dass auch sein Gegner einen Treffer landete, als sein Schwert seine Seite streifte und Stoff, wie auch die Haut aufschnitt. Doch als er im nächsten Moment im Wasser landete, war das auch egal. Er paddelte suchend mit den Armen, versuchte sich an der Oberfläche zu halten. Das Wasser zerrte an ihm und seine Kleidung war mit Wasser voll gesogen. Verzweifelt versuchte er nicht die Orientierung zu verlieren, was schwer viel, da es auch an der Oberfläche dunkel war. Er paddelte noch heftiger, als sein Kopf auf einmal die Oberfläche durchbrach. Hastig schnappte er nach Luft und tatstete mit den Händen nach Halt, den er tatsächlich fand. Shiyun schwebte über der Oberfläche, so dass er sich aus dem Wasser ziehen konnte. Keuchend blieb er auf der Wolke sitzen, bis er sich soweit geordnet hatte, dass er überhaupt registrierte, dass er seine Waffe verloren hatte. „Verdammt“, fluchte er, und sah sich um. Wo war Tsuki? Und wo der Dämon? Er blinzelte. Immer wieder flossen Wassertropfen aus seinem Haar in seine Augen und nahmen ihm so die Sicht. Schließlich entdeckte er jedoch seine Gefährtin, welche am Deck der Schwanenflügel nun wieder gegen den Dämon kämpfte. Dieser benutzte wieder sein Schwert, da er wohl bemerkt hatte, dass dieses vorher die nützlichste Waffe gegen die Füchsin war. Jedoch waren seine Attacken dieses Mal nicht so effektiv wie vorher, da sein Schwert nie bis zur Füchsin vordrang, sondern vorher, wie auch die Wassertropfen, scheinbar von einem unsichtbaren Schild gestoppt wurden. Trotzdem warf jeder Schlag die Füchsin ein Stück zurück und sie schien ziemlich außer Atem. Ein weiteres Mal schlug der Oni zu. Dieses Mal drang das Schwert fast zur Fuchsfrau vor, ehe eine helle, bläuliche Flamme um es herum aufflackerte. Das Schwert flog durch die Luft und landete im Wasser, während der Dämon, wie auch Tsuki wie von einer Explosion zurück geworfen wurden. Doch während ihr Gegner nur ein Stück über das Deck schlitterte, landete die Fuchsfrau mit dem Rücken an einem der Masten und stöhnte auf. Als sie dann zu Boden fiel, blieb sie dort liegen. „Tsuki!“, rief Shen, sprang von der Wolke auf das Deck und rannte zu ihr. Als er bei ihr war, bemerkte er, dass sie keuchend atmete, aber noch bei Bewusstsein war. „Alles...“, begann er, doch weiter kam er nicht. Er hatte den Dämon aus den Augen gelassen, welcher nun am Heck des Schiffes stand und weitere aus dem Meer gerufene Tropfen auf sie zurasen ließ. Shen duckte sich, konnte damit aber nicht verhindern, dass die Tropfen ihn trafen. Irgendwie hatte er erwartet, dass sie nicht anders als normaler Regen waren, doch als sie ihn trafen, waren sie wie tausend kleine Nadeln, die auf ihn einstachen. Er bekam kaum Luft, hatte eigentlich das Gefühl nach hinten geworfen zu werden, blieb aber doch irgendwie im Nichts hängen, bis der „Regen“ auf einmal stoppte. Shen fiel hart zu Boden und brauchte wieder einen Moment um sich zu fangen. Dann sah er blinzelnd auf und erkannte, dass Tsuki wieder halbwegs auf die Beine gekommen war und scheinbar unter noch größerer Anstrengung als vorher ein Schutzschild aufrecht erhielt. „Tsuki“, murmelte er und versuchte nun selbst wieder auf die Beine zu kommen, was ihm aber nicht gelang. Der Tropfen, oder was auch immer der Angriff des Oni gewesen war, hatten kleine Kratzer auf seiner Haut hinterlassen und seinem Reisegewand zum Teil stark zugesetzt. Da sah er, wie der Dämon auf einmal auf Tsuki zusprang, bewaffnet mit einem Dolch. Wieder rief sie etwas und hielt die Hände vor sich, doch dieses Mal wurde der Dämon nicht, wie vorher mit seinem Schwert, zurückgeworfen, sondern traf die Fuchsfrau und verletzte sie am Arm. „Tsuki“, flüsterte Shen, als er ihr Blut aus der Wunde laufen sah. Der Oni lachte. „Ich habe euch doch gesagt, dass es sinnlos ist sich zu wehren“, meinte er, beugte sich zu Tsuki hinab und drückte sie auf den Boden, den Dolch erhoben. Dem Wolkenkrieger schien es, als sähe er etwas in ihren Augen aufblitzen, doch sie sagte nichts, da der Dämon ihr nun die Kehle zu hielt. „Du bist wirklich sehr schwach, Füchsin“, grinste der Dämon. „Ihr seid halt einfach dumm... Wie kommt ihr auf die Idee das ihr ‚Kinder’ euch mit Onis anlegen könnt?“ Er blinzelte kurz zu Shen hinüber. „Wie dem auch sei...“ Auf einmal ließ er den Dolch herabsausen, doch im selben Moment rempelte Shen ihn an und beide fielen erneut zu Boden. „Hmm“, machte der Dämon, welcher den Dolch aus der Hand verloren hatte. „Du legst es scheinbar drauf an, zuerst zu sterben.“ Schon hatte er seine riesigen Klauenhände um Shens Hals gelegt und drückte zu. Shen würgte – er bekam keine Luft mehr. Plötzlich hatte er wieder das Gefühl unter Wasser zu sein. War das auch Magie oder nur Einbildung? Ihm wurde schwarz vor Augen. Er dachte an Mei. Konnte er denn gar nichts mehr tun? Dabei waren sie doch schon fast da – zu Hause – in Penggou... „Du brauchst nicht mehr denken – es ist sowieso vorbei“, drang die höhnische Stimme des Gegners in sein Bewusstsein. „Vorbei?“, dachte er schon fast resignierend. „Mei...“ Doch da spürte er ein Zucken in der Hand, die seine Kehle umklammert hielt. Einen Moment tat sich wieder nichts – dann ließ der Druck nach. Er blinzelte, konnte aber nicht wirklich etwas erkennen. Dann verlor er schlussendlich doch das Bewusstsein. „Hey, Mädchen, wach auf!“ Tsuki wurde grob von jemand geschüttelt. „Wach auf – wir sind da. Ihr solltet das Schiff endlich verlassen“, sagte eine Stimme leicht mürrisch. Sie blinzelte. Ihr Kopf schmerzte – ebenso ihr Rücken und ihr Arm. Ihre Kleidung klebte nass an ihrem Körper. „Was...“, krächzte sie. Es kratzte in ihrer Kehle. In ihrem Mund schmeckte es nach Salz. Ja, sie erinnerte sich noch an die Nacht. Der Oni, der sie angegriffen hatte. Sie hatten gekämpft – Shen und sie – um ihr Leben. Aber wieso lebte sie überhaupt noch? Was war geschehen? Sie konnte sich nicht erinnern. Vorsichtig schlug sie die trockenen Augen auf. Das Licht der Sonne, die schon hoch am Himmel stand ließ sie blinzeln. Sie schluckte vorsichtig, um ihre Kehle etwas zu benetzen, ehe sie erneut zum Sprechen ansetzte: „Was ist passiert? Wo ist der Oni?“ Der Mann, der sie so unfreundlich geweckt hatte und den sie nun als den Kapitän des Schmugglerschiffes erkannte, sah sie griesgrämig an. „Er ist verschwunden, als wir uns den ersten Inseln Penggous näherten“, sagte er nur. „Und jetzt nimm den Kerl und verschwinde von hier. Ihr habt uns schon genug Ärger bereitet.“ Er warf ihr einen warnenden Blick zu und wandte sich ab. Vorsichtig richtete Tsuki sich auf. Wo war Shen? Sie bewegte sich vorsichtig, da sie sich nicht sicher war, ob sie sich etwas gebrochen hatte. Den Unterarm entlang hatte sie einen langen, aber zum Glück nicht zu tiefen, Einschnitt, der von dem Dolch herrührte, den ihr Gegner mit sich geführt hatte. Tsuki hatte den Dolch erkannt – es war Yaeba gewesen. Das hieß ihre Feinde – nein, die Feinde Eikyûs – hatten schon mindestens zwei der vier Heiligtümer in ihrem Besitz. Konnten sie überhaupt etwas ausrichten? Schließlich entdeckte sie Shen, welcher direkt an der Reling lag. Tsuki konnte verstehen, dass der Kapitän sie loswerden wollte. Immerhin waren letzte Nacht mindestens zwei der Matrosen gestorben und das Schiff ziemlich verwüstet worden. Sie seufzte und ging schließlich vorsichtig zu ihrem Gefährten hinüber. Shen war schlimmer zugerichtet worden als sie selbst – er hatte immerhin einige Attacken mehr abbekommen als sie. Seine Haut war von vielen kleinen, blutigen Einstichen, die von der Magie des Onis herrührten, übersäht. Er hatte Würgemale am Hals und einige Prellungen. Seine Kleidung war größtenteils zerrissen. „Shen?“, flüsterte sie und beugte sich zu ihm hinab. Er war ohnmächtig. „Shen!“, wiederholte sie nun etwas lauter und tätschelte seine Wange, doch ohne Erfolg. Da tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter und sie fuhr herum. Hinter ihr stand einer der Matrosen und sah sie nicht besser gelaunt als der Kapitän an. „Der Kapitän hat gesagt ihr sollt verschwinden!“, sagte er. „Aber Shen...“, begann sie. Der Matrose brummte nur, packte ihren Gefährten und schleppte ihn von Bord, wobei sie nur vorsichtig folgen konnte. Sie hatte, als sie aufgestanden war, den Beutel mit den wenigen Vorräten, die sie noch hatten, mitgenommen, aber wie es weitergehen sollte, wusste sie nicht. An Land ließ der Matrose den ohnmächtigen Shen einfach wie einen nassen Sack auf den Boden fallen. „Und jetzt verschwindet von hier!“, sagte er nur, ehe er sich abwandte. Erneut seufzte Tsuki. Was jetzt? Ihr blieb nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass Shen erwachte. Sie war in einem fremden Land, kannte sich hier nicht aus, wusste nicht einmal ob hier dieselbe Sprache wie bei ihnen gesprochen wurde – auch wenn Shen diese sprach: Galt es gleich für das ganze Land? Sie musste mit den Tränen kämpfen, als sie sich auf den Boden fallen ließ. Wie sollte es jetzt weitergehen? Was sollte sie tun? Warum hatte ihr die Göttin gesagt, sie solle das Land verlassen? Hatte sie denn nicht gewusst, was passieren würde? War Eikyû nicht jetzt schon zum Untergang verurteilt? Nun liefen doch Tränen über ihre Wange. Sie fühlte sich so hilflos... Alleine... Sie vermisste Tohon... Da hörte sie auf einmal ein vertrautes Poffen. Kapitel 12: Zerstörung, Tod und Verrat -------------------------------------- So, jetzt das nächste Kapitel. Ihr ahnt nicht, wiesehr ich beim Schreiben geheult habe... ^^"" Kapitel 12: Zerstörung, Tod und Verrat Shen saß müde und verkrampft auf Shiyun, welche über die Landschaft Penggous hinweg flog. Hinter ihm, hatte sich Tsuki zusammengekauert, welche sich einfach nichts wohl fühlte, wenn sie nicht festen Boden unter den Füßen hatte. Doch waren sie körperlich wohl kaum noch in Stande, den Weg vom Hafen nach Yuncun zu Fuß zu bewältigen. Er selbst hatte sich bisher kaum von seinen Verletzungen erholt und auch Tsuki hätte keinen Fußmarsch der Länge durch gestanden Außerdem waren sie auf Shiyun mehr als fünf Mal so schnell wie zu Fuß. Seufzend sah Shen zu den Bergen, denen sie immer Näher kamen. Spätestens am Nachmittag würden sie Yuncun erreichen. Er konnte es kaum erwarten, seine Familie wieder zu sehen und Mei in die Arme zu schließen. Sicher, es war nur für kurz, doch war es für ihn ein Lichtblick nach der langen, bisher erfolglosen Reise. Immer noch, wenn auch unterschwellig, tobte die Wut in ihm, dass man ihn fortgeschickt hatte. Er machte sich Vorwürfe, dass durch seine Schuld, seine Gefährten gefangen genommen worden waren. Vielleicht konnte er kämpfen, aber besonders überlegt war er nie gewesen. Genau deshalb, dachte er, wäre es besser gewesen, wäre Mao auf die Reise gegangen. Mao war ein Stratege. Auch er konnte kämpfen, war jedoch im Nahkampf weniger intuitiv als sein Cousin. Deshalb hätte er vielleicht auch weniger Probleme gehabt, diesen Auftrag zu erfüllen. Er hätte sicher von vornherein erkannt, dass der direkte weg zu den Herrschern, der Erfolglose wäre. Und er, Shen, wäre bei Mei geblieben... Wie Shen erwartet hatte erreichten sie Yuncun am frühen Nachmittag, doch anders als er erwartet hatte war die Ankunft keine erfreuliche. „Nein...“, hauchte er, während Tsuki neben ihm mit finsterem Blick auf das blickte, was sich vor ihnen ausbreitete. Yuncun oder besser: was davon übrig war, lag in Schutt und Asche. Am Boden waren Blutsspuren zu sehen, die meisten Häuser waren zerstört, die wenigen die übrig waren zumindest beschädigt. Der Geruch von Feuer lag genauso in der Luft, wie Verwesungsgestank. „Was...“ Shen sah ungläubig auf all das, als die Füchsin die Hand auf seine Schulter legte. „Nein...“, flüsterte er erneut. „Wie...“ Auf einmal schoss ein Gedanke durch seinen Kopf. „Mei...“, hauchte er. Dann riss er sich von der Füchsin los und lief in die Ruinen hinein. „Mei!“, rief er. „MEI!“ Doch alles blieb stil. „Shen“, begann Tsuki vorsichtig, als sie wieder hinter ihn trat. „Ich fürchte...“ Sie brach kurz ab und sah ihn dann an. „Ich fürchte, dass niemand mehr hier ist.“ Er schüttelte den Kopf. „Das kann nicht sein!“, erwiderte er entschlossen. „Irgendjemand...“ Er wandte sich von ihr ab, ehe er weiterging. „Mao? Mei?“, rief er wieder und immer wieder. Mit mitleidigem Blick folgte die Fuchsfrau ihm, bis er irgendwann stehen blieb. Das Dorf war scheinbar wirklich leer. Was war nur geschehen? Wo waren denn alle? Seine Familie, seine Freunde und Mei? Er konnte es einfach nicht glauben. Wenn er doch da gewesen wäre – was auch immer geschehen war. Es schien, als wäre das Dorf angegriffen worden. Wieso... „Shen?“, hörte er auf einmal eine ungläubige Stimme. Er fuhr herum. „Wer...?“, hauchte er. Suchend sah er sich um, bis er einen der anderen Krieger zwischen den Trümmern entdeckte. „Liang“, flüsterte er. „Liang...“ In dem Moment spürte er einfach nur Erleichterung irgendjemand, den er kannte zu sehen. Jemanden, der noch lebte. „Was machst du hier?“, erwiderte der Soldat nur. Er sah nicht minder zugerichtet aus, als die beiden Neuankömmlinge. Hatte den Arm und die Stirn mit Verbänden zugewickelt und sah Shen nun fragend an. „Ich...“, setzte dieser an, bevor er sich selbst unterbrach. „Wo sind Mao, der Priester? Wo ist Mei?“ Liang schwieg kurz, wobei sich etwas in seinem Gesichtsausdruck veränderte. „Komm mit“, forderte er seinen Hauptmann dann auf und wandte sich ab. Fragend sah Shen ihm hinter her. Dann gab er Tsuki ein Zeichen ihm ebenfalls zu folgen und setzte sich selbst in Bewegung. So folgten die beiden Liang, welcher sie aus dem Dorf hinaus, auf die große Wolkenfläche brachte. Er sprach nicht, sondern führte sie stillschweigend zu dem Tempel, dessen Tore verschlossen waren, was Shen sehr verwirrte. Der Soldat hämmerte mit der Faust gegen das Tor. „Ich bin es, Liang“, rief er. „Lasst mich rein, ich habe jemanden gefunden.“ Man hörte Murmeln aus dem Inneren des Tempels. Dann war lautes Knarren zu vernehmen, was verkündete, dass der innere Riegel zur Seite geschoben wurde, ehe das Tor geöffnet wurde und zwei weitere, ebenfalls verletzte Soldaten ihnen entgegenstarrten. „Shen“, hauchte einer von ihnen überrascht, als er auch schon zur Seite gestoßen wurde und plötzlich Mao vor ihnen stand. „Shen, was...“, setzte dieser an, als sein Cousin ihm um den Hals fiel. Er konnte einfach nicht mehr. Das Dorf so zu sehen, wie es jetzt war, hatte ihn in Schrecken versetzte. Schon hatte er geglaubt, dass alles, was er bisher gehabt hatte, zerstört war, doch als er nun Mao sah keimte wieder Hoffnung in ihm auf, so dass er nicht anders konnte, als ihn zu umarmen. Er musste sich einfach beweisen, musste sich selbst überzeugen, dass sein Rivale wirklich da war. „Was...“, setzten beide gleichzeitig an, als Shen sich von ihm löste. Beide schüttelten den Kopf. „Was machst du hier?“, fragte Mao dann, doch Shen erwiderte nur: „Das ist jetzt nicht wichtig.“ Er sah sich um. Fast alle waren verletzt. Einige fehlten – wahren wahrscheinlich tot. „Was ist passiert?“ Sein Cousin seufzte und schüttelte den Kopf. „Komm rein... Wir wollen das Tor geschlossen halten.“ Doch als Shen herein ging und Tsuki ihm folgen wollte, hielt Mao sie auf. „Wer bist du?“, fragte er mit misstrauischem, fast wütendem Gesichtsausdruck. „Mein Name ist Kitsune Tsuki“, erwiderte sie nur mit neutraler Stimme. „Was...“, setzte der Krieger wieder an, doch Shen unterbrach ihn. „Sie gehört zu mir“, sagte er. „Sie begleitet mich schon eine ganze Weile. Man kann ihr vertrauen, glaub mir.“ Die beiden wechselten Blicke, doch schließlich ließ Mao die Fuchsfrau passieren. „Shen?“, hörte er eine ungläubige Stimme, kaum stand er in der Mitte des Saales. Er fuhr herum, als ihn schon seine Mutter in die Arme schloss. „Shen“, flüsterte sie, scheinbar überglücklich ihren Sohn lebend wieder zu sehen. „Mutter...“, murmelte der Krieger und erwiderte die Umarmung. „Wo ist Vater?“ Er löste sich etwas aus der Umarmung um seine Mutter ansehen zu können. Diese wandte den Blick ab. „Er...“ Shen verstand schon. „Was ist geschehen?“ „Es ist drei Tage her“, begann Mao, der nun hinter ihn getreten war. „Eine ganze Armee von Dämonen... Es waren keine Wesen Penggous, sie müssen aus Eikyû gekommen sein. Es waren so viele. Wir haben zwar einige schlagen können, doch die meisten Verluste hatten wir. Wir mussten uns in den Tempel zurückziehen. Sie haben sich nicht auf die Wolken getraut.“ In seinen Augen spiegelte sich noch immer die Angst und der Schrecken über das Geschehne wieder. „Sonst wären wir alle tot... Hätte Mei nicht vorher... Sie hat es vorausgesehen, im Gegensatz zum Orakel. Deshalb haben ihr die meisten auch nicht geglaubt.“ Auch er wandte den Blick gen Boden. Schon vorher war Shen aufgefallen, dass er seine Geliebte nicht zwischen den Menschen entdecken konnte, egal wie oft er sich umsah. „Wo ist Mei?“ Sein Cousin schwieg und sah weiterhin zu Boden. Diese Reaktion ließ Shen erschrecken. „Wo ist Mei?“, wiederholte er, jedoch wieder ohne eine Antwort zu erhalten. Er ahnte etwas – aber das konnte nicht sein! Nun packte er seinen Cousin bei den Schultern und schüttelte ihn. „Wo ist sie?“ Nun sah Mao ihn an und Trauer, wie auch Mitleid sprach aus seinen Augen. „Sie ist...“ Er brach kurz ab und holte wieder Luft. „Sie ist tot.“ Shen schüttelte den Kopf. Er verstand die Worte nicht. „Wo ist sie?“ „Shen, sie ist tot!“ „Nein, du lügst“, erwiderte er verzweifelt. „Sie ist nicht tot! Wo ist sie? Wo ist Mei?“ Er kämpfte gegen die Tränen. Das konnte einfach nicht sein. Mei konnte nicht tot sein. Nicht sie. Nicht jetzt. Erneut senkte Mao den Kopf, seufzte tief und sah seinen Cousin wieder an. „Ich bringe dich zu ihr. Komm mit mir.“ Wie im Schlaf folgte Shen seinem Rivalen. Er bemerkte die mitleidigen Blicke, die ihm zugeworfen worden, wie auch Tsuki die ihm folgte, nur am Rande. Zu tief war er in seinen eigenen Gedanken versunken, darin sich selbst davon zu überzeugen, dass das, was er grade gehört hatte nicht stimmte. Mao brachte ihn in einen der hinteren Räume im Tempel, wo auf einer Bank aufgebart und mit einem dünnen Tuch, wie mit einer Decke bedeckt, Mei lag. Ihre Haut war aschfahl und auch, wenn man scheinbar versucht hatte diese fort zu waschen waren am Hals und am Haaransatz noch Spuren von Blut zu erkennen. „Mei“, flüsterte Shen und rannte auf sie zu. „Mei!“ Er fiel vor der Bank auf die Knie. Mit zitternder Hand strich er über ihre Wange. Sie war eiskalt. „Mei“, hauchte er unter Tränen. „Mei, wach auf. Ich... Mei...“ Er begann zu schluchzen. „Mei, bitte...“ Das konnte alles einfach nicht sein. Vielleicht schlief er noch und das war alles ein Traum, ein schlimmer Traum. Mei konnte einfach nicht tot sein. Nicht seine Mei. Zu erfahren, dass sein Vater gestorben war, hatte ihn betroffen gemacht, doch sein Vater war wie er Krieger gewesen. Er war im Kampf und mit Stolz gestorben, dessen war er sich sicher. Aber Mei? Sie war doch nur Mei gewesen. Sie war die Frau, die er hatte beschützen wollen. Wieso war er denn nicht da gewesen? Wieso hatte er sie denn nicht beschützt? Wie konnte sie nur tot sein? Er fuhr zu Mao herum. „Wieso?“, fragte er und stand auf. „Wieso hast du sie nicht beschützt?“ Mit diesen Worten ging er auf ihn zu. „Du hast doch versprochen auf sie aufzupassen! Wieso?!“ „Sie...“, begann Mao, doch da traf ihn ein Kinnharken von Shen. „Du bist ein Lügner!“, schrie dieser ihn an, ehe er wieder in die Knie sank und nun wirklich bitterlich weinte. „Mei...“ Tsuki sah mitleidig auf den Wolkenkrieger, der sich wie ein Häuflein Elend am Boden zusammengekauert hatte. Vorsichtig ging sie auf ihn zu, legte die Hände auf seine Schultern und wollte ihn in den Arm nehmen, doch er stieß sie weg. Sie seufzte. Eigentlich hatte sie gar kein Recht ihn zu trösten. Sie wusste ja nicht einmal wirklich was über ihn. Wer war die tote Frau? Sie wusste es nicht. Von den Leuten hier kannte sie niemanden. Es war schon komisch. Grade mit Fukuro und Yuki war sie einige Zeit gereist, aber wirklich wissen tat sie nichts über sie, bis auf das, was ihr der Ninja in Hayashimura bereits erzählt hatte. Trotzdem wollte sie die beiden finden. Und über Shen wusste sie noch weniger, da dieser auf der Reise so gut wie gar nicht über sich gesprochen hatte. Sie wandte sich ab. Im Moment konnte sie wohl nichts für ihn tun. So ging sie sie zurück in den Hauptraum des Tempels. Sie merkte, wie sie alle anstarrten. Die Leute fürchteten sich vor ihr, was man ihnen jedoch nachdem erlebten kaum verdenken konnte. Bemüht ruhig ging Tsuki zum Tor, durch das sie hereingekommen waren. „Lass mich bitte heraus“, forderte sie den Soldaten, der am Tor stand auf. Dieser sah sie voller Misstrauen an. „Wieso?“ „Lass mich einfach heraus“, erwiderte sie und sah ihn fest an. Sein Blick war weiter misstrauisch, jedoch schob er den Riegel zur Seite und ließ sie hinaus. Sie hatte sich auf dem Schiff schon äußerst unsicher gefühlt, aber auf diesem Wolkenboden war es noch viel schlimmer. Immer wieder gab er ein Stück unter ihren Füßen nach und sie hatte Angst herunter zu fallen. Außerdem fühlte sie sich im Tempel unter den vielen Blicken einfach nicht wohl. Als sie auf der Ebene stand, wo die Ruinen des Dorfes waren, entspannte sich. Wenngleich es hier trostlos war, fühlte sie sich weniger eingeengt, weniger beobachtet als vorher im Tempel. Sie sah sich um. Hier hatten tatsächlich vor nicht allzu langer Zeit, einige ihr Leben gelassen, deren Geister noch nicht von hier gegangen waren. Sie würden noch brauchen, um sich von diesem Ort zu lösen, einige würden es wohl nie schaffen. Und dabei waren nicht alle von ihnen menschlich. Hilflos ließ sie sich auf den Boden sinken und strich mit der Hand über den kahlen Fels. Die Wesen waren aus Eikyû gekommen. Also hatte es schon solche Ausmaße angenommen. Was hatte das zu bedeuten? Sie hatte gewusst, dass es mit Raiu Akki, als er Namida stahl, nur ein Anfang war, und sie hatte damit gerechnet, dass fast das ganze Eikyû mit hineingezogen würde. Doch dass sie selbst bis zum Festland vordrangen und dort angriffen, dass hätte sie nicht gedacht. Was verfolgten sie überhaupt für ein Ziel? Sie verstand es einfach nicht. Und da war noch eine Frage, die sie in der letzten Zeit sehr beschäftigte: Was konnten sie überhaupt tun? Sie waren nur zu viert, vorausgesetzt sie fanden Fukuro und Yuki überhaupt wieder. Was sollten vier Leute alleine schon ausrichten können gegen eine Armee, gegen die sie scheinbar kämpften? Wieso hatte ihre Göttin sie überhaupt fortgeschickt aus Hayashimura? Hatte sie denn nicht gewusst wie sinnlos alles war? Am liebsten hätte sie wieder geweint, doch sie schluckte die Tränen. Was blieb ihnen denn übrig, außer zu kämpfen? Wenn sie es nicht taten, wer dann? Auch wenn es sinnlos war, irgendjemand musste doch etwas tun. Oder? Die Sonne ging unter und färbte die Wolken, über denen das Dorf lag orangerot, doch Shen nahm das Farbenspiel nicht wahr. Am Rande der großen Wolke, auf der auch der Tempel gebaut war, schaute er ins Nichts. Einfach starr sah er grade aus. Er fühlte sich leer und ausgebrannt. Den ganzen Tag hatte er geweint, solange bis keine einzige Träne mehr übrig war und er diesen Zustand erreicht hatte. Er wollte es immer noch nicht wahrhaben, dass sie tot war. Immer noch hoffte er im nächsten Moment zu erwachen und festzustellen, dass all das nur ein böser Traum war. Doch das geschah nicht. Er saß hier, starrte grade aus und Mei war tot. Nie wieder würde er sie in den Armen halten können, nie wieder ihr durchs Haar streichen, sie küssen, sie riechen... Wieso war das geschehen? In der Hand hielt er eine Papierrolle. „Mei hat mir die gegeben“, hatte Mao gesagt, als er sie ihm überreicht hatte. „Als wir ihr nicht geglaubt hatten, hatte sie es für dich geschrieben.“ Bisher hatte Shen die versiegelte Rolle noch nicht geöffnet. Er brachte es einfach nicht über sich, ohne sich das erklären zu können. Mit einem Seufzen erhob er sich und pfiff nach Shiyun, die auch sogleich angeflogen kam. Dann flog er zu jener Höhle, wo er früher immer mit Mei hingegangen war, um mit ihr allein zu sein. So viele Erinnerungen hingen an diesem Ort. Wie oft waren sie nachts hier geblieben und hatten sich geliebt? Wieder hätte er am liebsten angefangen zu weinen, doch seine Augen blieben trocken. Da waren keine Tränen mehr. Schließlich setzte er sich an die Wand gelehnt hin und öffnete das Siegel der Rolle. Als er sie betrachtete erkannte er sofort die feine Handschrift Meis, die jedoch bei diesem Brief immer wieder leicht kantig und verzerrt wirkte. Einzelne Zeichen waren durchgestrichen oder geändert worden. Manche verwischt. Sie hatte beim Schreiben geweint. Langsam und mit Überwindung begann er den Brief zu lesen. „Shen, ich...“ Diese Worte ließen sich nur erahnen, da sie durchgestrichen waren, ehe sie den Brief erneut begonnen hatte. „Es ist komisch diesen Brief zu schreiben, Shen, und ich weiß, dass du weinen wirst, wenn du ihn ließt, weil ich weiß, dass ich bald sterben werde. Es ist wirklich merkwürdig das zu schreiben...“ Ab hier wurde die Schrift krakeliger. „Ich weiß auch, dass du schon bald hierher kommen wirst, aber dann... Ich hätte dich gerne noch einmal gesehen. Ich hatte eine Vision. Nein, eigentlich waren es mehrere. Ich habe die Zerstörung von unserem Dorf gesehen und meinen Tod. Ich habe gesehen, dass es einen Berg gibt, von dem diese Wesen kommen und das sich unser Kaiser mit ihnen verbündet hat. Aber auch er wird bald sterben.“ Nun folgten wieder einige durchgestrichene Ansätze. „Shen, ich... Ich weiß nicht, wie ich es schreiben soll. Du bist hergekommen, weil du jemanden suchst. Ihr werdet ihn finden, ich bin mir sicher, wenngleich ich es nicht gesehen habe. Ich weiß, dass es dir schwer fällt, all das einzusehen. Ich wäre gerne noch bei dir geblieben.“ Das Papier war von den Tränen gewellt und die Schrift hier kaum zu entziffern. „Ich hoffe für dich und unser Land, dass es einen Weg gibt, Eikyû und Penggou zu retten. Eine Lösung. Shen... Ich liebe dich und ich werde dich immer lieben und bei dir sein. Ich...“ Der Satz war abgebrochen. Nun weinte er doch wieder. „Mei...“, flüsterte er, als wäre sie immer noch da. „Mei... Wieso...“ Er schluchzte und kauerte sich zusammen. „Mei, ich liebe dich... Wieso kommst du nicht zurück?“ Kapitel 13: Weg des Windes -------------------------- So, ich hab es endlich geschafft, das nächste Kapitel fertig zu bekommen! *___* Ein Ryuujin Kapitel... Ach, ich mag ihn einfach :P Na ja, ich wünsche viel Spaß mit Kapitel 13 ^.~ Und noch was: @abonenten: Ihr dürft auch gerne mal so einen Kommentar dar lassen ^.~ *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Kapitel 13 – Weg des Windes Es regnete schon seit mehreren Tagen im westlichen Reich Tengaio. Dort, um genau zu sein im Gebirge Kumoyakan, welches im Norden des Reiches lag, hatte Ryuujin unter einem Felsvorsprung Schutz vor dem strömenden Regen gesucht. Er fror, da seine Kleidung bereits völlig durchnässt war und hier oben im Gebirge ein starker Zugwind wehte. Das Pferd, welches er die letzten Tage am Zügel hatte führen müssen, da er auf den schmalen Gebirgspfaden nicht reiten konnte, stand an einem dürren Bäumchen festgebunden geduldig im Regen. Ryuujin wusste nicht wirklich, was er hier tat. Er war eigentlich nur einem Gefühl – ja, so konnte man es nennen – gefolgt, als er hierher gekommen war. Es war merkwürdig. Bevor dieses Mädchen aufgetaucht war, hatte er sich nie über sich oder seine Vergangenheit Gedanken gemacht und jetzt reiste er schon seit Wochen in der Gegend herum, um… Ja, warum? Gedankenverloren griff er in die Satteltasche, die er, wie auch den Sattel, dem Pferd abgenommen hatte, ehe er es festband. Die Ledertasche war halbwegs wasserfest und bewahrte sein restliches Essen und eine trockene Decke auf. Etwas später saß er in diese eingewickelt und auf einem Stück Pökelfleisch kauend unter dem Felsvorsprung. Obwohl er die nasse Kleidung abgelegt hatte fror er, doch hier gab es kein trockenes Holz zum Feuer machen und auch sonst nichts, mit dem er sich hätte wärmen können. Er zog die Decke noch enger um sich und die Beine noch näher an seinen Körper heran. Zum mindest hundertsten Mal fragte er sich, warum er überhaupt hier war und warum er Unaru überhaupt verlassen hatte. Er holte ein weiteres Stück Pökelfleisch hervor. Er hätte jetzt gerne warmen Reis gegessen, doch wie gesagt: Es gab hier kein trockenes Holz. Irgendwann versank er wieder in Gedanken. Wieder dachte er an das Mädchen, welches er im Bordell in Unaru getroffen hatte. Wie immer versuchte er diese Gedanken und die Bilder, die sich in sein Bewusstsein drängen wollten, zu vertreiben. Sie hatte ihn zuerst fasziniert, angezogen, weil sie anders gewesen war, doch das war rein körperlich gewesen. Aber auf dem Stück, das sie zusammen gereist waren, hatte sich das verändert. Doch er verstand nicht warum! Sie hatten kaum miteinander geredet. Sie hatte ihm Fragen gestellt, er hatte geschwiegen. Hatte er sie etwas gefragt, war sie zumeist ausgewichen. Trotzdem hatte er sie im Schlaf beobachtet und sich die Fragen selber gestellt. Er stöhnte auf. Er sollte wirklich aufhören darüber nachzudenken. Wahrscheinlich würde er sie ohnehin nie wieder sehen. Und was war, wenn es stimmte, was sie gesagt hatte, über die Geister und Oni und Eikyû? Wenn es stimmte, dass die vier Heiligtümer existierten und die Dämonen eins besaßen, musste nicht dann auch er irgendwas tun? Aber hatte sie überhaupt Recht? Selbst wenn, auch ihm war klar, dass ihnen so schnell keiner glauben würde, denn dafür hatten sich die Menschen in den vier Reichen schon zu sehr von ihrem ehemaligen Glauben gelöst. Kaum noch jemand achtete die Natur und die Geister – geschweige denn, dass noch jemand an die Götter glaubte. War das nicht auch der Grund, dass das Land nun ohne Schutz war? Dabei waren die Geister nicht zu verleugnen… Ryuujin starte in den Regen. Es war wirklich ein komisches Mädchen gewesen. Ein Nebel, ein dunkler Schleier nahm Ryuujin die Sicht. Da waren Gestalten, doch er konnte sie nicht genau erkennen. Er roch das Meer, doch er verstand nicht. Wo war er? Zwei goldene Augen leuchteten, doch dann war alles verschwunden. Er spürte Wind. Ihm war als würde er fliegen, doch er konnte kaum etwas erkennen. So sehr er seine Augen auch anstrengte, er sah kaum mehr als ein verschwommenes Schwarz und Blau. Was war das für ein Gefühl, das von ihm Besitz ergriffen hatte? Sein Körper fühlte sich so fremd an. Er spürte einen brennenden Schmerz am Rücken, dann riss ihn das panische Wiehern des Pferdes aus dem unruhigen Schlaf. Verwirrt sah Ryuujin sich um. Es brauchte etwas, bis sich seine Augen an die nächtliche Dunkelheit gewöhnt hatten und er seine Gedanken geordnet hatte. Er griff nach seinem Schwert und richtete sich vorsichtig auf, um sich umzusehen. Erst jetzt bemerkte er, dass er nichts am Leibe trug und vorher nur in die Decke eingewickelt gewesen war. Wieder wieherte das Pferd panisch und schlug mit den Hufen aus. Aber das waren nicht die einzigen Geräusche, die er hörte… Ryuujin konnte Gestalten erkennen. Räuber? Auf einmal hörte er das Prallen von Hufen auf Fels, ein Geräusch, das sich immer weiter entfernte. „Verdammt“, fluchte Ryuujin. „Senkou!“, rief er dem Pferd hinterher. Er lief ein Stück in die Richtung, in die das Pferd gelaufen war und rief dessen Namen, doch schnell erkannte er, dass es sinnlos war. Noch immer regnete es. Auf einmal fuhr er herum und hatte aus Reflex schon das Schwert aus der Scheide gezogen und das Wesen, was ihn von hinten mit einem Speer angreifen wollte, abgeblockt. Nun erkannte er auch, mit was für Wesen er es zu tun hatte: Lange, schnabelartige Nasen und ein mit Federn bedeckter Körper. Das waren Tengu! Merkwürdig, dachte Ryuujin. Normal griffen Tengu keine Menschen an, wenngleich sie Wanderern streiche spielten und sicher auch für so manchen Absturz im Gebirge verantwortlich waren. Aber warum… Da fuhr er herum und trennte einem der Bergkobolde, der ihn anzugreifen versuchte, den Arm ab. Was war hier los? Um ihn herum erklang wütendes Gekrächze. Hier waren einige von ihnen. Ein Schmerz am Fuß ließ Ryuujin zusammenfahren. Der Tengu, den er zuvor abgewährt hatte, hatte seinen Speer in den Fuß des ehemaligen Offiziers gebohrt. Im nächsten Moment stürzten sich weitere der Kobolde auf ihn. Seine Bewegungen waren reine Reflexe. Mit einer Bewegung hatte er den Speer aus seinem Fuß gezogen, dann wirbelte er mit gezogenem Schwert und tötete mehrere Tengu auf einmal. Sie hatten keine Chance und doch stürzten sich weitere von ihnen sofort wieder auf ihn. „Verdammte Viecher“, knurrte er und trennte mit einem weiteren Schlag gleich Zweien den Kopf ab, während er einem anderen mit einem Ausfallschritt auswich. Das ganze wiederholte sich einige Male, bis sich um ihn herum schon ein Kreis toter und verwundeter Tengu gebildet hatte. Trotzdem stürzten sich immer wieder Bergkobolde auf ihn. Es schien ein nie enden wollender Fluß zu sein. Dabei galten diese Kreaturen normal als feige. Warum also handelten sie so? Ryuujin schrak aus seinen Gedanken auf, als ihn der Speer eines weiteren Tengu beinahe an der Seite traf. Ein letztes Mal schlug er mit dem Schwert zu, ehe er aus der Mitte der Tengu in Richtung des Felsvorsprungs sprang. Mit dem Schwert in einer Hand wehrte er weiter Angreifer ab, während er mit der anderen Hand schnell seine Kleidung von einem Felsen fischte. Ein weiterer Schlag schlug die Angreifer grade lange genug zurück, um die Satteltasche aufzuheben und diese über die Schulter zu schwingen. Dann ergriff er die Flucht. Natürlich setzen die Tengu ihm nach, doch dann hatte er den Hang an der Bergabgewandten Seite des Pfades erreicht. Er überlegte nicht lange, ehe er sprang und so den Hang hinabschlitterte. Schließlich verlor er jedoch das Gleichgewicht und überschlug sich mehrmals. So rutschte er zwischen einer Lawine aus Geröll und Matsch den scheinbar endlosen Abhang hinab. Dieser wurde immer steiler, ehe ein hervorstehender Fels hart seinen Sturz abfing und er bewegungslos liegen blieb. Die Flucht bergab war eine mehr als schlechte Idee gewesen! Aber zumindest war er so wahrscheinlich aus dem Territorium der Tengu heraus. Jedenfalls hoffte er das. Trotzdem wäre er wahrscheinlich nicht halb so sehr verletzt worden, hätte er weiter gegen sie gekämpft. Er war eben ein Idiot, schalt er sich selbst. Und es regnete noch immer… Als Ryuujin wieder zu sich kam, roch er verbranntes Holz – Feuer. Verwirrt und durchaus schwerfällig öffnete er die Augen. Es regnete nicht, stellte er als erstes Fest, ehe ihm klar wurde, dass er sich in einer Höhle befand. Jeder Teil seines Körpers schmerzte und seine Sicht war verschwommen. Er erinnerte sich an den Kampf gegen die Tengu und an den Sturz bergab. Was dann genau gewesen war, vermochte er nicht zu sagen. Wie war er hierher gekommen? Er versuchte sich aufzurichten, doch jede noch zu kleine Bewegung schmerzte unermesslich. Es wäre für ihn tatsächlich wohl besser ausgegangen, hätte er gegen die Tengu gekämpft, anstatt zu fliehen. Eine Erkenntnis, für die es nun wirklich zu spät war. Wo war er hier nur? Und wo waren seine Sachen? Er war noch immer nackt, lag aber unter einer dünnen Decke. Schließlich schloss er wieder die Augen. Er konnte ohnehin nichts klar erkennen. So döste er wieder ein. Als er das nächste Mal erwachte und vorsichtig die Augen öffnete, blickte er in das grinsende Gesicht eines Greises. Er erschrak und wollte sich aufrichte, fuhr aber unter Schmerzen wieder zurück. „Du solltest dich etwas schonen“, sprach der Alte nur und grinste. „Mit deinen Verletzungen ist nicht zu spaßen. Du hast Glück noch zu Leben, nach dem Sturz.“ „Woher“, krächzte Ryuujin doch der Alte schüttelte den Kopf. „Trink erst einmal etwas“, meinte er und nahm ohne weiter zu fragen, eine dampfende Tasse, ehe er mit zu dessen Überraschung kräftiger Hand Ryuujins Kopf anhob um ihn den Tee einzuflößen. Schon nach einem Schluck musste der Krieger würgen und versuchte sich aus dem Griff des Altes zu winden. „Was ist das?“, fragte er empört. „Kein Gift“, erwiderte der Greis nur ruhig, nahm wieder seinen Kopf und flößte ihm den Rest des Tees ein. „Und jetzt schluck“, befahl er, was der Krieger nur unter einem weiteren Würgen schaffte. Was auch immer das für ein Zeug war, es war verdammt bitter! „Wer seid Ihr?“, fragte Ryuujin schließlich und wandte dem Alten den Kopf zu. Dieser grinste nur und entblößte dabei zwei nicht mehr ganz komplette Reihen schlecht gepflegter Zähne. „Nur ein alter Eremit“, antwortete er. „Niemand von Bedeutung.“ Ryuujin erwiderte nichts, sondern gab nur einen grummelnden Laut von sich und wandte den Blick wieder ab. Dann stützte er sich auf und richtete sich, wenngleich unter Schmerzen, auf. „Ich muss weiter“, meinte er. „Wo sind…“ „Du kannst noch nicht gehen“, unterbrach der Greis ihn nur wand wandte sich dem Feuer, das in der Mitte des kleinen Höhlenraumes brannte, zu. „Wieso nicht?“; erwiderte der Krieger empört und wollte aufstehen. „Sieh dich doch an.“ Der Alte lachte leise. „Du kannst kaum aufrecht sitzen, wie willst du ‚gehen’?“ „Das ist nicht Euer Interesse“, antwortete Ryuujin. Wieder lachte der Eremit. „Du bist ganz schön unfreundlich, mein Junge“, meinte er. „Nimm einfach hin, dass du noch nicht gehen kannst, davon abgesehen, dass du hier ohnehin nicht heraus kommen wirst.“ Er machte eine zeigende Handbewegung, der folgend der Krieger sich umsah. Tatsächlich schien es, als hätte der Saal keine Ausgänge, was aber nicht der Fall sein konnte. „Selbst wenn du hier heraus kommst, du wirst dich verirren.“ „Wo bin ich hier?“, fragte Ryuujin nun vollkommen verstört. „Im Inneren des Berges Arashiyama“, antwortete der alte Mann. „Diese Höhlen und Tunnel wurden von den Priestern, die hier einst lebten, als Kaze no michisuji, Pfad des Windes, bezeichnet.“ Und tatsächlich fiel Ryuujin auf, dass ein Wind der beständig durch die Höhle zu fegen schien, dass Feuer züngeln ließ. Also musste es einen direkten Weg nach draußen geben, sogar einen größeren Ausgang aus diesem „Saal“. Vielleicht war dieses von den Felsen verdeckt? Der Alte schien seine Gedanken zu erraten. „Glaub mir, Junge, es ist das Beste, wenn du dich erst einmal erholst. Oder gibt es irgendetwas, was dich so zur Eile antreibt?“ Der ehemalige Offizier schwieg und dachte nach. Er wusste ja nicht einmal, warum er losgezogen war, geschweige denn, wo er hin wollte. So etwas, wie ein Ziel, hatte er nicht. „Nein“, antwortete er schließlich resignierend, denn auch wenn er kein Ziel hatte, tobte in ihm eine Unruhe, die ihn davon abhielt zu lange zu verweilen. „Na also“, meinte der Greis nun wieder grinsend seine schlechten Zähne entblößend. „Hast du Hunger?“, fragte er dann und wandte sich der Feuerstelle zu, über der ein Kessel hing, während ein kleiner Topf mit Wasser auf ein paar Steinen direkt an der Glut stand. Aus dem Kessel füllte der Eremit nun etwas in eine Tonschale und reichte diese dem Krieger. „Was ist das?“. Fragte dieser misstrauisch auf die dampfende, undefinierbare Pampe in der Schale starrend. „Kein Gift“, grinste der alte Mann nun wieder und reichte ihm zwei scheinbar selbst geschnitzte Stäbchen. Daraufhin erwiderte Ryuujin nichts, sondern begann die Pampe, die wohl ein Eintopf sein sollte, herunter zu würgen – dankbar, zumindest etwas Warmes in den Bauch zu bekommen. Der Alte beobachtete ihn. „Ihr habt nach meinem Namen gefragt, nun tue ich dasselbe: Wer bist du?“ Ryuujin hielt inne: „Man nennt mich Ryuujin, dass ist alles, was ich weiß“, murmelte er. Die Tage vergingen, auch wenn Ryuujin in der Höhle davon nicht viel bemerkte. Seine Wunden verheilten schnell – zu schnell für einen Menschen, doch das war für ihn nichts Neues. Mittlerweile konnte es auch wieder problemlos laufen. So hatte er herausgefunden, dass der Höhlensaal sehr wohl Ausgänge hatte, drei an der Zahl. Doch welcher davon nach draußen führte, wusste er nicht und irgendwie war es egal geworden. Es gab doch wirklich kein Ziel, welches er zu erreichen suchte, wieso also sollte er nicht einfach hier bleiben? Allgemein hatte sich in den paar Tagen, die er nun wohl schon hier war, eine für ihn unerklärliche Melancholie in ihm breit gemacht. Es war das erste Mal, seit er aufgebrochen war, dass er dem Nachdenken nicht entkommen konnte und wieder quälten ihn die Fragen: Warum war er hier? Warum war er weggelaufen? Warum hatte er alles bisher so verdrängt? Wie hatte er das geschafft? Dazu kam, dass jedes Mal, wenn er schließ oder auch nur döste, Träume – Visionen? – in seinem Bewusstsein wach wurden, wie der, den er gehabt hatte, ehe die Tengu ihn angriffen. Und immer was das Gefühl in einem Fremden Körper zu stecken genau so allgegenwärtig, wie das vom Wind getragen zu werden. Der Eremit, der ihm immer noch nicht seinen Namen verraten hatte, war ein komischer Kauz. Er redete sehr verwirrend, stellte ständig Fragen, beantwortete aber selber keine Einzige. Außerdem verschwand er ab und zu und tauchte dann plötzlich wieder auf. Zu Ryuujins Missmut, musste er selbst zugeben, dass das Verhalten des Alten seinem eigenen nicht unähnlich war. So saß der Krieger nun im Schneidersitz vor dem Feuer, welches zu jeder Zeit im Höhlensaal am Brennen gehalten wurde, und starrte in die Flammen. Er trug Kleidung, die der Eremit ihm gegeben hatte, da er seine eigene, wie auch Satteltasche und Schwert, wohl bei dem Sturz verloren hatte. Was tat er nur hier?, fragte er sich wieder einmal. Warum blieb er immer noch hier, obwohl er eigentlich hätte weiterreisen können? Und was war das für ein merkwürdiges Gefühl in seiner Brust? Wo war der Alte nur? Bildete er sich das ein, weil ihm sein Zeitgefühl abhanden gekommen war, oder war der Alte schon ziemlich lange weg? Aber eigentlich war es egal. So blieb er weiter am Feuer sitzen und versuchen an etwas möglichst unverfängliches zu denken, was aber nahezu aussichtslos war. Schließlich stand er auf. Er konnte sich ja zumindest umsehen. Irgendwas, was ihn auf andere Gedanken brachte… Den Ausgang, den er benutzte, wählte er zufällig. Der Tunnel war eng und niedrig, so dass er den Kopf einziehen musste, um sich nicht zu stoßen. Mehr noch, als im Saal, zog es im Tunnel stark. Deswegen wurden diese Gänge also als Weg des Windes bezeichnet, dachte Ryuujin. Durch den Wind war ab und zu ein unheimliches heulen zu vernehmen, was von den Wänden reflektiert wurde. Er war noch nicht weit gegangen, ehe alles um ihn herum, stockfinster war. Trotzdem ging er weiter. So tat er zumindest etwas und dachte nicht nach und solange er nicht an eine Weggabelung kam, würde er später auch wieder problemlos zurück finden. Wenn er vorher schon kein Zeitgefühl mehr hatte, verlor er den Rest in dieser Dunkelheit, welche darüber hinaus sehr tückisch war. Ständig bildete er sich ein etwas aufblitzen zu sehen oder etwas hinter sich zu spüren. Sein Handeln war mal wieder vollkommen sinnlos, eine reine Flucht vor seinen Gedanken, doch grade das gab ihm für sich Sinn. Auch wenn er nicht rechnete, dass er irgendwohin kommen würde. Glaubte er denn wirklich daran, dass er irgendwas erreichen könnte? Glaubte er, dass er, wenn er weiter durchs Land zog auch nur irgendwas über sich herausfinden würde? Nicht wirklich! Er seufzte und blieb stehen. Er war ein Idiot! Wäre er bei der Fuchsfrau und ihrem Begleiter geblieben, hätte seine Reise zumindest irgendeinen Sinn gehabt, so war es einfach nur… Wieso war er eigentlich gegangen? Wieso hatte er sich von ihnen getrennt? Die Wahrheit war, dass er sich nutzlos gefühlt hatte und auch nicht gewusst hatte, wie er sich dem Mädchen gegenüber verhalten sollte. Er hatte sich überflüssig gefühlt, nachdem sie den Mann aus Pengguo getroffen hatten. Außerdem wusste er doch nichts von Magie und all dem, wovon sie redeten. Er hatte nicht einmal daran geglaubt, bis es zu den Geschehnissen in Unaru gekommen war. Doch jetzt blieb ihm ja nichts anderes übrig und… „Ich bin wirklich ein Idiot“, murmelte er. Er wollte schon umkehren, als er auf einmal meinte, etwas gehört zu haben. Wieder wollte er es als eine weitere Einbildung abtun, doch da hörte er es wieder. Es klang wie ein fernes Donnern. Oder war es doch nur Einbildung? Er lauschte in die Finsternis. Da war es wieder. Es kam aus der Richtung, in die er vorher gelaufen war. Wieder erklang es. Was konnte das sein? Nachdem er noch kurz überlegt hatte, setzte er sich wieder in Bewegung. Er konnte nicht besonders schnell gehen, da er sich immer noch voran tasten musste, doch während er ging wurde es zwar langsam aber doch wahrnehmbar um ihn herum heller. Irgendwo hier musste es eine Lichtquelle geben. Das Geräusch war wieder zu vernehmen, dieses Mal um einiges lauter, Es klang, als wenn irgendwas Großes aufeinander prallen würde… Wieder… Es war jetzt ganz nah. Außerdem konnte er nun die Umgebung um sich herum wieder halbwegs erkennen. Hinter der nächsten Biegung… Auf einmal brach der Feld der Wand neben ihm weg, so dass er sich nur mit einem schnellen Sprung nach vorne knapp in Sicherheit bringen konnte, ehe die Felsen ihn zerquetscht hätten. Nun rannte er. Er bog um die nächste Ecke und stand auf einmal in einem weiteren Höhlensaal, nur dass dieser bei weitem nicht so einfach gehalten war, wie der wo er in den letzten Tagen mit dem Altem gelebt hatte. Die Wände waren mit Zeichen und Zeichnungen verziert, die im Dämmerlicht, welches durch vier Fackeln erhält wurde, zu fluoreszieren schienen. Für einen kurzen Augenblick rann ein seltsamer Schauer über Ryuujins Rücken, ehe er sich der Situation gewahr wurde: Dort wo die Wand zuvor eingestürzt war, lag der Eremit zwischen den Felsen und schien schwer verletzt zu sein. Er trug einen Stab bei sich, wie der Krieger ihn nur aus Geschichten kannte – Geistergeschichten. Konnte es sein, dass der Eremit eigentlich ein Priester, ein Kannushi war? Doch der Alte war außer ihm nicht der Einzige, der in diesem Saal war. Nein, dort waren noch zwei weitere, ein Mann – nein, Yurei – und eine Frau in einem weiten, seidenen Kimono. Die Frau war hübsch, sehr hübsch, hatte ein schmales, sehr weibliches Gesicht und langes, seidiges Haar. Der Mann, der sie begleitete, war das genaue Gegenteil. Sein Gesicht war eine hässliche Fratze. Seine Mund, welchen man wohl eher als Maul bezeichnen konnte, war viel zu breit und ließ Ryuujin zwei reihen gelblicher spitzer Zähne sehen. Seine Augen waren groß und hervorstehend, während das Haar nur in Büscheln vorhanden war. Seine Hände waren Klauen, seine Haut rötlich gefärbt. Er war eindeutig ein Yurei. Und die Frau? Schließlich riss sich Ryuujin vom Anblick der beiden los und sprang zu dem Greis herüber. „Was ist mit Euch, Alter Mann“, fragte er. „Was ist hier passiert?“ Der Alte stöhnte auf und blinzelte den Krieger an. „Was machst du hier, Junge?“, fragte er ihn überraschte, zuckte aber im nächsten Moment schon wieder unter Schmerzen zusammen. „Du hast hier nichts zu suchen.“ „Das habt ihr mir nicht zu sagen“, meinte Ryuujin nur mit neutraler Stimme. „Was…“ Doch da zwang ihn ein Reflex, sich umzudrehen und sah nur, wie eine Wand aus Flammen hinter ihm emporzüngelte – grüne Flammen. Allerdings schienen sie nicht näher zu ihm kommen zu können, wurden abgehalten. Er sah wieder zum Alten, welcher zitternd die Hand hervor gestreckt hatte und nun seinen Blick Ryuujin zugewandt hatte. „Du bist ein dummer Junge“, meinte er nur zahnlos grinsend. „Und ein elender Feigling noch dazu.“ Der Krieger zuckte zusammen, spürte Wut in sich, sprach jedoch nichts aus, da der Alte exakt das sagte, was er sich selbst in der letzten Zeit ständig dachte. „Hör mir zu, Junge“, sagte der Alte nun. „Die beiden Yurei… Hier im Berg ist das Schwert Tsume versteckt.“ „Aber…“, begann Ryuujin fassungslos, doch der Alte unterbrach ihn. „Du bist kein normaler Mann, Junge“, redete er schnell weiter. „Ich weiß nicht, was du bist, aber ich weiß, dass du nicht zu ihnen gehörst. Ich war der Beschützer Tsumes, ein Geweihter Byakkos. Daher…“ Er zitterte heftig. „Ich bitte dich, lass nicht zu, dass sie das Schwert berühren!“ „Aber“, setzte der Krieger erneut an, doch er Alte ließ die Hand sinken und er konnte grad noch schnell genug herumfahren, um mit einer Hand das Feuer zu löschen. Er fragte sich, was mit dem Alten war. War er tot? Und wieso hatte er – Ryuujin. Als er die Hand bewegte, war es nichts, als ein weiterer Reflex gewesen, doch das Geisterfeuer war erloschen und das ließ ein weiteres Mal die Frage in ihm aufflammen, was er eigentlich war. „Nicht schlecht, Kleiner“, meinte die Frau nun kichernd und sah ihn interessiert an. „Was bist du, dass du so einfach mein Feuer löschen kannst?“ „Das geht dich nichts an, Weib“, erwiderte Ryuujin abfällig. „Was wollt ihr hier?“ „Ein unfreundlicher Junge“, stellte die Frau, die sicher auch eine Yurei oder Yokai war fest und sah zu dem Mann, der sie begleitete. Dieser blitzte scheinbar mit den Augen und musterte den Krieger eindringlich, so dass selbst diesen flau im Bauch wurde. Dann lachte der Mann. „Nein, er kann deine Frage nicht beantworten, Liebes“, sagte er dann. „Er weiß ja selbst nicht, was er ist.“ Ryuujin zuckte zusammen und sah verwirrt zu dem Yurei. „Was…“ „Allerhöchstens ein dummer Junge“, meinte dieser nun weiter und zuckte mit den Schultern. Nun musterte auch die Frau ihn wieder und näherte sich dem ehemaligen Offizier vorsichtig, wobei sie die Augen nicht von ihm ließ. „Aber ein hübscher Mann“, stellte sie dann mit einer Stimme, die an das Schnurren einer Katze erinnerte, fest. „Junge“, begann sie nun. „Wir sind nur auf der Suche nach etwas, willst du uns…“ Sie unterbrach sich selbst. „Willst du mir nicht helfen?“ Sie war nun bei ihm angelangt und strich ihm mit ihren langen Fingern über die Wange. Er hielt ihre Hand fest. „Fass mich nicht an“, zischte er und schubste sie ein Stück zurück. So leicht würde er sich nicht um den Finger wickeln lassen. Der rothäutige Mann beobachtete sie und lachte. „Nicht alle Männer sind gleich, Raitoue“, meinte er amüsiert, während sich die Frau mit leicht beleidigter Miene zurückgezogen hatte. Sie war fast noch ein Mädchen. „Lass ihn, wir werden Tsume auch so finden.“ Ryuujin sah sie wütend an, ehe ihm ein weiterer Gedanke durch den Kopf schoss: Wenn die beiden Tsume stehlen wurden und es das Schwert wirklich gab, hieß es doch, dass das Mädchen, Tsuki, die Wahrheit gesagt hatte. Konnte es sein, dass die beiden von den Oni geschickt waren? Aber dann… Das Lachen des Yurei unterbrach seine Gedanken. „Ein hübsches Mädchen, ja?“, spottete er, woraufhin sowohl Ryuujin als auch die Frau ihn überrascht ansahen. „Sie war kein Mensch, richtig?“ Der Krieger zuckte zusammen. „Was redest du da?“ „Du begehrst sie, dieses Mädchen“, redete der Yurei einfach weiter. „Du hast Gefallen an ihr gefunden und hattest zugleich Angst vor ihr. Sie war eine Füchsin. Wie war ihr Name?“ Verwirrt und gleichzeitig wütend sah Ryuujin den Mann. Was war er? Wieso wusste er, was er dachte? Wie konnte er wagen es auszusprechen?! „Schweig!“, rief er. „Verschwindet von hier. Lasst mich in Ruhe!“ Wieder lachte der Mann nur. „Wieso sollte ich denn schweigen? Willst du es nicht hören, weil dir es unangenehm ist? Weil du es selbst nicht sehen willst? Du bist wirklich dumm.“ Er legte den Kopf auf die Seite. „Lass uns in Ruhe, geh hier weg. Wir wollen nichts von dir, Junge. Wir sind nur wegen Tsume hier.“ „Ihr dürft das Schwert nicht nehmen“, murmelte Ryuujin. „Ihr habt kein Recht es auch nur zu berühren!“ „Dann willst du uns wirklich aufhalten?“, fragte die Frau nun enttäuscht wirkend. „Ja, dass will er“, meinte der Mann. „Er denkt, dass er diesem Mädchen, damit helfen kann. Er macht sich Vorwürfe, dass er nicht bei ihr geblieben ist.“ Nun wandte sich die Frau ihm zu. „Sagt, Shiboume, was war das für ein Mädchen.“ Sie schlich, wie eine Katze, um ihren Begleiter herum, wenngleich ihre Augen wieder auf Ryuujin gerichtet waren. „Verschwindet hier“, rief dieser nun wieder und machte einen Sprung auf die beiden zu, um zuzuschlagen, doch noch während er ihm Sprung war, wich der Mann aus und zog die Frau mit sich. Was ist er nur, fragte Ryuujin sind. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, vor Wut, Verwirrung und noch einem anderen Gefühl, welches er zu verdrängen suchte. Wieder griff er die beiden an, dieses Mal mit einer Abfolge von Tritten, doch kein einziger traf, ehe die Frau seinen Fuß festhielt. Ach, wie sehr wünschte er sich, sein Schwert oder irgendeine Waffe hier zu haben. Er riss seinen Fuß los, doch plötzlich war die Frau ganz nahe bei ihm und strich ihm über die Brust. „Er fragt sich, was gewesen wäre, wenn er bei dem Mädchen geblieben wäre“, redete der Mann ungerührt weiter, während die Frau um Ryuujin herumschlich und immer wieder über seinen Körper strich. Als sie wieder vor ihm stand – Ryuujin erschrak. „Was seid ihr?“, fragte er verzweifelt und wich vor der Frau, die auf einmal ganz anders aussah, zurück. „Lasst mich in Ruhe!“ Er stieß mit seinem Rücken gegen die steinige Wand, während die Frau langsam auf ihn zukam. „Was hast du denn?“, fragte sie mit einer ihm vertrauten Stimme, als sie bei ihm ankam. Wieder strich sie über seine Wange, was ihn erzittern ließ. Wie konnte sie so aussehen? Sie hatte die Gestalt der Fuchsfrau, Tsukis Gestalt. „Geh von mir weg“, keuchte er und hielt ihre Hand fest. „Warum willst du das?“, erwiderte sie und sah ihn flehend an. „Lass mich in Ruhe, Weib!“, schrie er sie an. Sie antwortete nichts, sondern trat noch ein Stück näher an ihn heran, so dass sie sich ganz an ihn drückte. „Wieso wehrst du dich so?“, fragte sie und legte ihre Hand auf seine Wange, während ihre Augen auf sein Gesicht fixiert waren. „Lass mich“, hauchte er und versuchte irgendwie von ihr wegzukommen. „Sssch“, machte sie nur und streckte sich um ihn zu küssen, woraufhin seine Gegenwehr völlig erlosch. Zwar erwiderte er den Kuss nicht, jedoch war er nicht mehr fähig auch nur einen Finger zu rühren. Zu verführerisch war auch nur die Vorstellung, dass dieses Wesen nicht irgendeine Yurei, sondern Tsuki selbst wäre. Er wusste, dass es falsch war, auch nur diesen Gedanken zu haben, doch er konnte sich nicht dagegen wehren, dafür war das Verlangen in ihm zu stark, zu verzehrend. „So ist brav“, flüsterte sie und strich langsam über seine Brust, ehe sie begann sein Gewand zu öffnen. Er schluckte. „Hör auf!“ Langsam hob er seine Arme, um ihre Hände wieder fest zu halten. Auch wenn er genau wusste, dass diese Frau nicht Tsuki war, so reagierte sein Körper doch auf ihre Nähe und das heftiger als sonst. Sie kicherte. „Wieso soll ich aufhören?“, fragte sie leicht spöttisch und streckte sich um mit ihren Lippen seinen Hals entlang zu fahren. „Es gefällt dir doch, oder?“ „Hör einfach auf“, antwortete er bemüht wieder die Kontrolle über seinen Körper zu erlangen. „Wie ehrenwert“, lachte der Mann im Hintergrund. Die Frau fauchte. „Wie du willst“, meinte sie schließlich und wich ein Stück vor ihm zurück. Dann, plötzlich, hatte sie wieder ihre vorherige Gestalt, hob die Hand und ließ in dieser grünes Feuer entstehen, welches im nächsten Moment als ein Sturm aus Flammen auf Ryuujin zukam und ihn zurück gegen die Wand drückte. Verdammt, fluchte er. Da merkte er, wie der Fels hinter ihm auf einmal nachgab und er nach hinten geschleudert wurde. Von ein paar umher fliegenden Felsstücken umgeben, schlitterte er auf dem Boden rückwärts. Als er zum Liegen kam und sich wieder aufrichtete, bemerkte er, dass er in einem weiteren Felsensaal war, dessen Wände und Decken komplett mit denselben Malereien geschmückt waren, wie die des anderen. Das ganze Licht des Raumes schien nur von diesen Zeichen auszugehen. Außerdem war da noch etwas: In einer Nische des Raumes, von einem kleinen, flachen, angelegten See umgeben, war eine Art Altar, der ganze Saal, war eine Art Schrein und das konnte nur eines bedeuten… Er fuhr herum, als die Frau auf ihn zusprang. In der Luft änderte sich ihre Gestalt und sie wurde zu einer großen Katze, mit graubraunem Fell. Eine Bakeneko, schoss es ihm durch den Kopf, ehe er sich zur Seite rollte um den scharfen Krallen zu entgehen. Dann sprang er auf und lief einem Instinkt folgend zu dem Altar. Die Geisterkatze setzte ihm nach. Auf und an dem Altar waren einige Siegel angebracht und aufgezeichnet, wie auch auf dem Schwert darauf. Bitte, flehte er innerlich, als er durch den knietiefen See watete und schon die Hand nach dem Schwert ausstreckte. Bitte, ihr Götter, lasst es mich nehmen. Das Wasser ließ die Katze zurück weichen, da hatte Ryuujin schon den Altar erreicht und griff nach dem Schwert – Tsume. Bei der Berührung der Siegel durchzuckte ihn kurz ein Schmerz und seine Schulter begann wieder zur brennen, doch dann konnte er das Schwert berühren. Grade noch rechtzeitig, um die auf ihn zuspringende Katze abzuwehren, fuhr er herum. Die Krallen der Katze berührten die Scheide des Schwertes, ehe die Yokai zurück geworfen wurde und unsanft auf dem Boden landete. „Du dumme Frau!“, rief nun der andere Mann, der ihnen nachgekommen war. „Durch deine Spielereien… Hol das Schwert zurück!“ Die Katze fauchte. Verwundert sah Ryuujin auf das Schwert in seinen Händen und zog es aus der Scheide. Es war erstaunlich groß, für ein Schwert asiatischer Machtart, etwas länger und auch noch etwas breiter als ein Dotanuki. Auch schien die Klinge nicht aus Stahl zu sein, sondern aus einem anderen Material, welches unter seinen Händen zu pulsieren schien. Er watete aus dem See heraus und ließ dort die Scheide auf den Boden fallen. Derweil hatte sich die Katzenfrau wieder aufgerappelt und stand ihm nun gegenüber, den ganzen Körper von grünen Flammen umgeben. Erneut fauchte sie und sah ihn mit leuchtenden Augen an. Dann wechselte sie plötzlich wieder die Gestalt und stand erneut als Tsuki vor ihm. „Gib mir das Schwert“, hauchte sie flehend. Er kniff die Augen zusammen. „Nein“, erwiderte er tonlos. „Bitte“, flehte sie weiter. „Nein.“ Nun erklang wieder die Stimme des Yurei. „Kannst du ihr wirklich eine Bitte ausschlagen? Du kannst nicht verleugnen, dass sie dich betört.“ „Sei dir da nicht so sicher“, antwortete Ryuujin. „Sie ist nichts weiter als eine Yokai, die frei ihre Gestalt wechseln kann, und nicht Tsuki.“ „Aber töten kannst du mich auch nicht“, erwiderte die Bakeneko selbstsicher und kam langsam auf ihn zu. Er hielt kurz inne. Er wusste, dass es nicht Tsuki war, auch wenn sie so aussah. Sie war nur eine alte Katze, nichts weiter. „Ach ja?“, fragte er, während sie weiter auf ihn zukam. Als die dann nahe genug war, hob er plötzlich das Schwert und ließ es auf sie herab sausen. Überraschung zeichnete ihr Gesicht, ehe das Schwert ihren Körper durchtrennte und sie sich in den Leichnam einer zerteilten Katze verwandelte. Nun wandte Ryuujin sich dem Mann zu. „Du bist wirklich ein dummer Junge“, begann dieser weiter, doch da hielt Ryuujin ihm schon die Klinge an den Hals. „Schweig!“, zischte er und folgte ihm, als der Mann versuchte vor ihm zurück zu weichen. „Sagt mir noch eines: Wer hat euch geschickt um das Schwert zu stehlen?“ Der Yurei antwortete nicht sondern wich weiter zurück, bis auch er auf einmal den Felsen im Rücken hatte. „Das…“, begann er auf einmal nicht mehr so schadenfroh. „Vielleicht ein Oni namens Raiu Akki?“, fragte Ryuujin weiter. Das glubschäugige Gesicht des Mannes zuckte. „Gut…“, murmelte der Krieger. Dann schlug er ihm den Kopf ab. Nachdem Ryuujin die Scheide Tsume aufgehoben hatte und das Schwert – die beiden Leichen ignorierend – wieder hinein gesteckt hatte, ging er zu dem alten Eremiten zurück, welcher bewegungslos zwischen den Felsbrocken lag. Er beugte sich zu ihm herab und tastete nach dem Puls, doch dieser war bereits erloschen. „Es tut mir leid, alter Mann“, flüsterte Ryuujin und schwieg kurz. Dann hob er den Leichnam auf und trug ihn in den anderen Raum, wo er ihn auf dem Altar ablegte. Er hätte gerne mehr für den Alten getan, doch dazu war es nun zu spät. Außerdem wusste er nicht, was er sonst hätte mit dem Leichnam tun können, da nicht genug Holz da war um ihn der Tradition gemäß zu verbrennen. Die beiden Geisterwesen waren tot und würden nun wohl mit ihm hier ruhen. So verließ Ryuujin den Saal und lief etwas später, Tsume am Gürtel befestigt und eine Fackel in der Hand, einen weiteren Gang im Inneren des Berges entlang. Zumindest wusste er jetzt, was er tun wollte: Er würde sich wieder auf die Suche machen, jedoch nicht nach einen Hinweis auf seine Vergangenheit, sondern nach der Fuchsfrau und ihren Gefährten, um sich ihnen anzuschließen, so wie er es schon vor einigen Wochen hätte machen sollen. *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Begriffserklärungen: Bakeneko: Bakeneko sind Katzen, die ein hohes Alter erreicht haben und dadurch Magie erlangt haben, wie auch die Fähigkeit menschliche Gestalt anzunehmen. Ama-no-jaku: Der rothäutige Yurei der in diesem Kapitel auftaucht ist ein Ama-no-jaku, ein wesen welches auch in der japanischen Mythologie nicht so verbreitet ist. Seine Fähigkeiten sind es tief in das innerste eines Menschen zu sehen und seine größten Verlangen und Sehnsüchte zu erkennen. Dotanuki: Ein Schlachtschwert, etwas breiter und wiederstandfähiger als ein Katana. Kapitel 14: Vertrauen --------------------- Danke für die vielen Kommentare in letzter Zeit :) Hier kommt endlich das nächste Kapitel, hab auch lange genug gebraucht. Das Ende gefällt mir noch nicht ganz, also der letzte Absatz. Wird vielleicht noch umgeändert ^___^ Viel Spaß mit dem Kapitel und schön weiter Kommentare schreiben ^.~ Kapitel 14: Vertrauen Tsuki sah sich um. Sie und Shen standen auf einem großen Platz, welcher wohl der Marktplatz der Stadt war. Das Orakel aus Yuncun hatte sie hierher geschickt, da sie hier in der Nähe, so sagte sie zumindest – Tsuki traute ihr nicht – Fukuro gesehen haben wollte. Doch als sie hier ankamen redeten alle nur von Monstern und Dämonen, die die Dörfer in der Nähe angeblich heimgesucht hatten. Tatsächlich waren sie auf dem Weg hierher an einigen zerstörten Dörfern vorbei gekommen, jedoch hätten sie nicht sagen können, wer diese nun zerstört hatte. Es konnten genauso gut Menschen gewesen sein. Aber wenn es Dämonen gewesen waren… Tsuki wollte gar nicht daran denken. Das würde bedeuten, dass es auch um Pengguo schon um einiges Schlimmer stand, als sie gedacht hatten. Die Leute die an ihnen vorübergingen sahen die beiden, vor allem aber die Fuchsfrau, voller Angst und Misstrauen, manche sogar hasserfüllt, an. Wer konnte es ihnen zu so einer Zeit verdenken? „Komm“, flüsterte sie Shen zu und zog ihn in eine Gasse zwischen den zum größten Teil recht ärmlichen Häusern hinein, wo sie sich zu Boden sinken ließen. Sie waren in den letzten drei Tagen weit gekommen, dank Shinyun, und doch hatte sich ein drückendes Schweigen zwischen ihnen ausgebreitet. Shen starrte auf die gegenüberliegende Mauer. „Das ist doch alles sinnlos“, murmelte er. Die Kitsune sah ihn fragend an. „Es ist sinnlos“, sagte er etwas lauter. „Wir werden sie nicht finden.“ „Was sagst du denn da?“, fragte Tsuki. „Und selbst, wenn wir sie finden – was wollen wir gegen unsere ‚Feinde’ tun?“ Er starrte weiter auf die Wand. „Was…“, setzte Tsuki an, wurde aber unterbrochen. „Wie lange suchen wir sie schon?“ Nun sah er sie an. Tsuki schwieg. „Ich weiß es nicht mehr.“ „Siehst du? Es ist sinnlos“, murmelte er. „Und gegen diesen Oni, auf dem Schiff… Wir hatten doch keine Chance.“ „Was redest du denn, Shen?“, fragte sie ihn mit verwirrtem Blick ansehend. „Ich sehe es einfach so, wie es ist“, erwiderte er. „Wir werden die anderen nicht finden.“ „Aber du hast mich doch auch gefunden!“, fuhr sie ihn etwas zu heftig an. „Das war Zufall.“ „Oder Schicksal“, meinte Tsuki. Shen lachte auf. „Schicksal, sicher!“ Er machte ein verächtliches Geräusch. „Schicksal gibt es nicht, genauso wenig wie deine Götter.“ „Das stimmt nicht“, erwiderte sie und ihr Blick verfinsterte sich. „Die Götter gibt es.“ Langsam wurde sie wütend. Was war mit ihm denn los? Wieso redete er so? Wollte er denn schon aufgeben? „Und warum lassen sie dann solche Dinge geschehen?“, fragte er. „Selbst wenn es sie gibt, müssen die Menschen ihnen egal sein…“ „Nein“, murmelte Tsuki. „Den Menschen sind die Götter egal. Sie rauben den Göttern ihre Kraft. Deshalb können die Götter ihnen nicht mehr helfen.“ „Und deswegen lassen sie Menschen sterben?“ Er sah sie wieder mit leeren Augen an. Tsuki erwiderte seinen Blick. „Was ist nur mit dir los?“, fragte sie. „Ich… Ich verstehe ja, dass es dich getroffen hat…“ Sie schluckte. „Dass sie tot ist. Aber dass du dich so aufgibst… Ich meine, willst du sie nicht rächen? Willst du, dass andere dasselbe erleiden? Dass die Oni die Menschen zu Grunde richten?“ „Das ist doch alles schon lange egal.“ Er senkte seinen Blick wieder. „Dann frage ich mich, warum du dein Dorf überhaupt wieder verlassen hast“, erwiderte Tsuki, nachdem sie eine Zeit geschwiegen hatte, und wandte sich ab. „Wenn es dir wirklich egal ist, geh wieder nach Hause zurück.“ Damit verlies sie die Gasse. Sie konnte es nicht ertragen so bei ihm zu bleiben. Die Blicke, die man ihr zuwarf, ignorierte sie, bis sie die Stadt verließ. Sie konnte diese Art der Menschen einfach nicht verstehen. Einfach aufzugeben… Einfach so… Oder verstand sie nur seine Gefühle nicht? Konnte sie diese nicht verstehen? Am Ende war sie ja doch eine Kitsune – kein Mensch – und sie hatte auch noch nie geliebt. Woher sollte sie das wissen? Aber konnte die Liebe einen Menschen so zerstören wie Shen? Sie verstand es einfach nicht. Sie war eben kein Mensch. Es dämmerte, als Tsuki von Stimmengewirr geweckt wurde. Sie hatte sich in einem Gebüsch in der Nähe der Straße, die zur Stadt führte zusammen gerollt und seit dem Nachmittag, seit ihrem Streit mit Shen geschlafen. Sie konnte nicht verstehen, was die Leute sagten, dazu verstand sie die Sprache zuwenig, doch die Stimmen klangen ärgerlich. Vorsichtig streckte sie den Kopf aus dem Gebüsch heraus. Da gingen einige Männer die Straße entlang. Sie waren bewaffnet. Ihnen kamen Menschen aus der Stadt entgegen gerannt. Alle schienen in heller Aufregung zu sein, doch Tsuki wusste nicht, was sie davon halten sollte. Es war Neugier mit einer bösen Vorahnung gemischt, die sie dazu brachte aus dem Gebüsch zu kriechen und den Menschen zu folgen, als diese vorüber gegangen waren. Sie versuchte sich – wieder in der Stadt – etwas versteckt zu halten, um zumindest einem Teil der misstrauischen Blicke zu entgehen, was aber nur zum Teil gelang. Dazu lockten die fremden Männer zu viele Leute an. Diese Männer – waren es Krieger? Sie trugen neben den Waffen auch leichte Rüstung – führten soweit Tsuki erkennen konnte drei scheinbar gefesselte Personen mit sich in die Stadt hinein. Gefangene? Die Kitsune versuchte mehr zu erkennen, doch immer stand jemand im Weg. Empörte Rufe folgen der Gruppe, während die Masse um sie herum immer dichter wurde. Hier ging etwas vor – Tsuki wusste nicht was, aber sie ahnte, dass es nichts Gutes war. Da schwirrte etwas dichtes, bedrückendes, Furcht einflößendes in der Luft – die brennende Wut der Menschen… Sie erreichten den Marktplatz, wo sie die Gefangenen vor sich auf den Boden stießen. Die Menschen, die nun auf den Marktplatz geströmt kamen oder ihnen bereits die ganze Zeit gefolgt waren, scharrten sich gaffend um sie herum, versperrten Tsuki schon wieder die Sicht. Sie sah sich um. Irgendwie musste sie wissen, was hier vor sich ging. Schließlich kletterte sie zwischen zwei Häusern empor und schwang sich auf das abgeflachte Dach von einem der beiden. Zum Glück war es keine große, wohlhabende Stadt, den bei Häusern im Pagodenstil war es oft gar nicht so leicht auf die Dächer zu kommen, doch diese Häuser waren fast eher Hütten ohne viel Zierde und viele hatten einfache, flache Dächer. Von dort aus konnte sie auf die Mitte des Platzes heruntersehen. Die drei Gefangenen kauerten, die Hände auf den Rücken gefesselt, in der aufgebrachten Menge. Sie waren alle drei abgemagert, sahen fast aus wie Geister. Ihre Kleidung war zerrissen, die Haare verfilzt. Einer der drei sah sich Hilfe suchend um. Sein Blick traf den von Tsuki. Diese keuchte auf. „Fukuro!“ Einer der drei Gefangenen war tatsächlich Fukuro. Also hatte das Orakel sie doch nicht in die Irre geleitet. Aber das war jetzt auch nicht wirklich wichtig. Sie sah zu ihm hinunter und verstand immer noch nicht, wieso er da war. Warum war die Menge so aufgebracht? Er war kein Gefangener im Sinne eines Sklaven mehr, dass hatte Tsuki verstanden, viel mehr ein Verbrecher. Jedenfalls behandelten die Leute ihn so. Aber warum? Was hatte er getan? Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Nur was? Was war passiert? Die Menge unten auf den Platz hatte sich noch immer nicht beruhigt. Sie riefen den Kriegern Dinge zu. Einige von ihnen warfen mit Dingen, die sie grade in der Hand hatten, nach den Gefangenen, die sich nicht wehren konnten. Nun trat einer der Krieger in die Mitte des Menschenkreises und hob abwehrend die Hände, so als wollte er die Leute zum Schweigen bringen. Er schrie gegen die empörten Stimmen an, welche sich schließlich etwas beruhigten. Er sprach zu den Menschen, laut genug, als dass Tsuki es hörte, doch wirklich verstehen tat sie nichts. Immer wieder wurde der Krieger, der nun im Kreis, wie ein Tiger um die Gefangenen Schritt, von wütenden Rufen aus der Menge unterbrochen und schließlich entstand eine erneute Aufruhe. Ein Mann trat aus der Menge hervor und sprach mit dem Krieger, der scheinbar eine Art Anführer zu sein schien. Es wurde etwas diskutiert, ehe der Mann sich durch die Menschenmenge drängelte und in einer Gasse verschwand. Wieder sprach der Krieger zu den Menschen, und was er sagte schien sie nicht zu freuen. Trotzdem löste sich die Menge auf und die Menschen wandten sich zum Gehen, während die Gruppe der Krieger die Gefangenen auf die Beine zog. Noch einmal rief einer von ihnen den Menschen etwas zu und zwei weitere Männer kamen zu ihnen. Erneut wurde diskutiert, dann verließen sie – die Gefangenen viel mehr mit sich schleifend, als sie laufen zu lassen, wenn sie dazu überhaupt noch in der Lage waren – den Platz und folgten einer der breiteren Straßen durch die Stadt. Tsuki hatte nichts verstanden, davon abgesehen, dass sie Fukuro nicht aus den Augen verlieren durfte. Sie entfernte sich etwas vom Rand des Daches und folgte der Gruppe geduckt und über die Dächer kletternd. Am Ende des Hauses sprang sie auf das nächste Dach, dann musste sie auf das Dach einer der wenigen Pagoden klettern. Sie war schnell und an das Klettern gewohnt, trotzdem musste sie sich beeilen, um mit der Gruppe am Boden mithalten zu können, die sie nicht bemerken durften. Schließlich bog die Gruppe in eine Gasse hinein und Tsuki war gezwungen zu warten, ehe sie vom Dach des Hauses, auf dem sie grade hockte, herunter springen konnte. In der relativ breiten Gasse konnte sie ihnen nicht so einfach folgen. Sie war gezwungen zu warten, bis sie aus relativer Hörweite waren. Sie war leiser als andere Männer, aber selbst, wenn Fukuro sie bemerkte, würde es die Krieger auch auf sie aufmerksam machen. Ihre Glocken erklangen leise, ein Zauber, damit sie nicht beachtet wurde, wenn sie nicht direkt vor jemanden stand. Mehr konnte sie im Moment nicht tun, um sich zu schützen. Weiter lief sie den Männern und deren Gefangenen hinterher, bis sie auf eine weitere schmale Straße kamen. Hier waren die meisten Häuser im Pagodenstil gebaut, was darauf schließen ließ, dass es hier die reicheren Leute der Stadt wohnten und sie sich somit wohl im Nordwesten der Stadt befanden. Sie bogen nach rechts ab und folgten der Straße bis zum Ende, was die Kitsune noch von der Gasse aus beobachtete, weil der Zauber seine Wirkung verlieren würde, wenn sie in jemanden hineinlaufen würde und auf dieser Straße waren immer noch ein paar Menschen unterwegs, obwohl die Sonne bereits untergegangen war und es nun langsam, aber sicher dunkel auf den schlecht beleuchteten Straßen wurde. Am Ende der Straße wandten sie sich einem zweistöckigen Haus, das mit dunklem Holz verkleidet war, auf der von Tsukis Standpunkt aus gegenüberliegenden Seite der Straße zu. Einer der sie führenden Männer klopfte an der Tür und diese wurde geöffnet. Dann betraten sie das Haus und waren somit aus dem Sichtfeld der Kitsune verschwunden. Sie seufzte und sah sich um. Zwar wusste sie nicht, was für ein Haus das war, jedoch ahnte sie, dass man sie nicht einfach so herein lassen würde. Sie überquerte die Straße und ging auf der anderen Seite an den Häusern entlang, ehe sie zwischen zwei Häusern verschwand. Dort war sie mit einem Sprung auf dem unteren Dach des Hauses, mit einem weiteren auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses. Auf der der Straße abgewandeten Seite der Häuser – auf der Rückseite lagen kleinere Gärten – kletterte sie bis zu dem Haus, in dem die Krieger mit ihren Gefangenen verschwunden waren und ließ sich dort – immer noch auf der der Straße abgewandten Seite – auf das Dach, welches auf der Höhe des ersten Stockwerks war, eines Hinterbaus des Gebäudes runter. Hier war ein kleines Fenster, durch das man, dank eines Balken Kreuzes zwar nicht klettern, aber in die Stube herein sehen konnte. Der Raum dahinter schien eine Art Waffenlager zu sein, Schwerter und Lanzen, jedoch alle nicht besonders gut gearbeitet, an die Wand oder Halterungen gelehnt standen. Dies ließ Tsuki ahnen, dass es sich bei den Haus um eine Art Wache handelt. Etwas, was sie schon vorher vermutet hatte, da der hintere Teil des Hauses aus Stein und stabiler gebaut war, als die anliegenden Häuser. Aber wieso brachten sie den Gefangenen hierher? Was hatten sie vor? Wieso war Fukuro überhaupt ein Gefangener? Das hier war auf jeden Fall etwas anderes, als versklavt zu sein, denn er wurde behandelt wir irgendein Schwerverbrecher. Doch was konnte er getan haben? Hatte er jemanden getötet? Wieso war das Volk so aufgebracht gewesen? Was würde mit ihm passieren? Sie musste ihn irgendwie daraus holen. Egal was er getan hatte und wieso: Er war ihr Freund und sie hatte ihn gesucht. Niemals würde sie zulassen, dass ihm noch mehr zustoßen würde, nachdem was bisher passiert war. Aber was sollte sie tun? Seufzend lehnte sie sich an die Wand des Hauses an und schloss die Augen. Wenn sie wenigstens wüsste, wie viele Soldaten in dem Haus waren – sie wüsste zumindest, worauf sie sich einlassen würde, wenn sie versuchen würde ihn heraus zu holen. So war es ein Schritt ins Dunkle. Aber sie wollte nicht abwarten, was in den nächsten Tagen geschah, denn sie ahnte etwas und das war alles andere als gut! Es Mond stand am Himmel und ließ Tsukis Blick zum Himmel wandern. Sie saß in einer Gasse unweit der Wachstube, in die sie Fukuro gebracht hatte, und wartete. Worauf sie wartete, wusste sie nicht wirklich, es ging viel mehr darum, dass sie nicht wusste, wo Fukuro in dem Haus war, wer sonst noch darin war und wie sie ihn heraus bekommen sollte. Wäre Shen bei ihr gewesen, wäre es einfacher. Doch er war nicht bei ihr, wenn er überhaupt noch in der Stadt war. Selbst wenn – hätte er ihr geholfen? Sie schüttelte den Kopf. Jetzt an Shen zu denken würde sie ablenken. Sie musste sich auf Fukuro konzentrieren, denn wie es aussah, war dieser im Moment der einzige ihrer Gefährten, der zu erreichen war und sie war es ihm schuldig, ihm zu helfen. ‚Wieso eigentlich?’, fragte sie sich, wenn sie daran dachte, wie ihre Reise begonnen hatte. Aber trotzdem sah sie Fukuro nicht als schlechten Menschen an. Immerhin hatte er diese Reise alleine auf sich nehmen wollen. Und sie wusste, dass er für seine Schwester alles tun würde, dass er sie hatte beschützen wollen. Wenn sie Yuki wieder fänden… Auch das war jetzt Nebensache. Sie richtete sich auf und sah sich um. Nicht weit von hier lag das Vergnügungsviertel der Stadt, wie so oft ganz in der Nähe der besseren Stadtteile. Von dort wurden leise die Geräusche des städtischen Nachtlebens zu ihr getragen. Musik, Lachen, Schreie, Stimmen. Wahrscheinlich waren auch einige der Krieger dort. So wäre es jedenfalls in Eikyû gewesen. Seufzend sah sie zum Himmel und schickte innerlich ein Gebet an ihre Göttin, deren Stimme sie schon so lange nicht mehr gehört hatte, ehe sie sprang und wieder auf einem Dach landete. Die Menschen sahen zu selten noch nach oben, daher war sie hier vor den meisten Blicken geschützt, zumal sich die Leute, die jetzt durch die Straßen wanderten, meist zu betrunken waren, um überhaupt irgendetwas, was um sie herum geschah zu bemerken. Sie brauchte nicht lange, um zu der Wache zu gelangen und hinter dieser wieder auf den Hinterbau zu springen, wo sie die Hand auf die hölzerne Wand legte. Diese fing an mit blauen Flammen zu brennen, so dass ein Loch entstand, durch das Tsuki in das Gebäude, in den Waffenraum schlüpfen konnte. Hier wusste sie zumindest, dass niemand da war. Das hatte sie von draußen einsehen können. Leise, sehr leise, durchquerte sie den Raum und blieb an der hölzernen Schiebetür stehen. Sie lauschte. Sie konnte drei Männer hören, einer schien zu schlafen, zwei unterhielten sich auf der anderen Seite des Hauses. Alle drei waren auf dieser Etage. Sie konnte nur beten, dass sie sie nicht hörten. So vorsichtig wie möglich, schob sie die Tür einen Spalt breit auf, wobei sie jedoch nicht verhindern konnte, dass diese ein hohes, wenngleich leises Quietschen hören ließ. Einer der Männer vorne im Haus schrak auf und meinte irgendwas. Seine Stimme ließ Tsuki zusammen zucken und sich gegen die Wand neben der Tür drücken. Wenn er herkam und das Loch in der Tür sah… Nun erwiderte der zweite Mann, der in der Stube zu sitzen schien etwas, wobei man ihm anhören konnte, dass er vorher schon etwas getrunken hatte. Es folgte ein kurzer Wortwechsel, ehe einer der beiden aufstand. Wahrscheinlich hatte er sie gehört, im Gegensatz zu dem anderen, da dieser wenig besorgt klang und auch nun weiter auf den einen einredete, der scheinbar – es waren Schritte zu hören – zur Tür oder etwas ähnlichem zu laufen schien. Dann hielt er inne, vielleicht von seinem Kumpanen nachdenklich gemacht, welcher nun weiter redete. Es folgte eine kurze Stille, ehe die Schritte wieder zu hören waren. Er schien sich tatsächlich wieder zu setzen. Dann hörte Tsuki das Geräusch, als ob etwas in ein Glas oder einen Becher gegossen würde. Wahrscheinlich Alkohol. Kurze Zeit später schien die Stimmung wieder ausgeglichen zu sein und man hatte schon vergessen, dass überhaupt etwas gewesen war. Tsuki seufzte auf. Sie spähte aus dem Türspalt hinaus in einen breiten Flur, von dem vier Türen abzugehen schienen. Hinter einer Stand sie selbst, zwei waren rechts und links vom Flug und eine am anderen Ende des Flurs, die einen Spalt breit aufstand, gegenüber. Dort schienen auch die beiden Soldaten, die sich vorher unterhalten zu haben schienen zu sein, denn es brannte Licht und auch die Stimmen schienen von dort zu kommen. Ein letzter prüfender Blick, ehe die Fuchsfrau sich durch den Türspalt aus dem Raum schlängelte und sich an die rechte Wand drückte. Neben der Tür, hinter der die beiden Männer waren, war eine Treppe die nach unten führte und Tsuki vermutete die Gefangenen dort, da der untere Teil des Hauses gemauert und somit sicherer war, als der obere. An die Wand gedrückt schob sie sich vor, bis sie auf Höhe der Treppe war. Sie lauschte auf die Stimmen, doch sie schienen nichts weiter von ihr gehört zu haben. Nun holte die tief Luft. Sie wusste nicht, wie die Männer saßen, aber sie würden sie vielleicht sehen können, wenn sie den Flur überquerte. Doch etwas anderes blieb ihr nicht übrig. Sie stieß sich von der Wand ab und lief zu der Treppe hinüber. Ihre Füße machten keine Geräusche auf dem Boden, den sie kaum zu berühren schien – dann hatte sie die Treppe erreicht und war schon auf der ersten Stufe. Die Männer waren nicht im Blickfeld. So schnell sie konnte lief sie die Treppe herunter und sah sich unten um. Den Raum hatte sie vorher nicht einblicken können und so hatte sie Glück, dass sich hier niemand aufhielt. Von diesem Raum gingen, vom Eingang abgesehen, nur noch zwei Türen ab. Die eine zur Seite und in einen Raum, der nach Tsukis Einschätzungen nicht sehr groß sein konnte. Die zweite Tür führte zu dem Hinterbau, von dessen Dach aus sie in das Haus eingedrungen war. Wenn sie richtig vermutete, waren Fukuro und die anderen beiden Gefangenen dort. Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte und sicher war, dass hier niemand mehr war, eilte sie zu der Tür und schob sie – langsam unvorsichtig – auf. Im nächsten Moment bereute sie, dass getan zu haben, denn sie starrte einem weiteren Soldaten, der auf einem Hocker in dem Raum, in dem sie nun Stand, zuvor wohl ein Nickerchen gehalten hatte, ins Gesicht. Dieser erwiderte den geschockten Blick. Dann schrie er auf, rief wahrscheinlich um Hilfe. Seine Stimme ließ Tsuki zusammen fahren. Im nächsten Moment hörte sie, wie oben ein Hocker umgestoßen wurde, ehe eilige Schritte über den Holzboden liefen. Sie hatte nicht lange Zeit zu reagieren, legte dem Mann eine Hand auf die Brust und ballte diese zu einer Faust, woraufhin der Mann aufkeuchte und bewusstlos, fast Tod zu Boden fiel. Dann begannen ihre Glöckchen zu Läuten und sie eilte zu einer von außen verriegelten Tür, die nun wieder, wie auch eine zweite, von diesem Raum abging. Diesmal machte sie sich nicht die Mühe die Tür normal zu öffnen, sondern ließ sie niederbrennen, woraufhin sie drei geschockte, ungläubige Blicke ansahen. „Tsuki?“, fragte Fukuro mit heiserer Stimme, doch sie reagierte nicht auf ihn, da nun bereits die beiden Soldaten, die sich kurz zuvor noch oben betrunken hatten, in der Tür und zu ihr. Beide waren angetrunken und hielten Schwerter in der Hand. Das Geräusch der Glöckchen wurde lauter, als die beiden auf sie zustürmten. Auf einmal hatte sie einen längeren Dolch in der Hand und hob diesen, um damit die Schwerthiebe abzuwehren. Dann streckte sie die Hand aus, um den einen, dessen Schwert sie grad blockte zurück zu werden, als der andere sie von der Seite angriff. Nur knapp entkam sie mit einem Sprung zu Seite. Da wurde die Tür zum Haus aufgestoßen und weitere Schritte waren zu hören. Waren da noch mehr Soldaten? Hatten sie sie gehört? Doch da erklang auf einmal etwas anderes, etwas was wie das tiefe Brausen eines Sturms, eines Orkans, und Donner klang. Aber das war nicht alles, was Tsuki wahrnahm, was dafür sorgte, dass sich ihre Nackenhaare aufstellten. Sie spürte sie, wie eine Hand auf ihrer Haut, sie spürte sie – die Magie… Wolken zogen über den Himmel hinweg, verdeckten wieder und wieder den Mond, während Shen am Rand eines kleinen Waldes, einige Meilen von der Stadt, wo Tsuki ihn zurück gelassen hatte, auf dem Boden, gegen einen Baum gelehnt saß. Mit leerem Blick schaute er zum Himmel hinauf, ohne diesen wirklich zu betrachten. Er wusste nicht mehr, was er tun, wo er hin sollte. Es ergab einfach nichts mehr einen Sinn. Wenn er kämpfte – wofür? Wenn er zurückkehrte – wofür? Und wenn weitermachte? Wofür wäre das gut? Es würde nichts ändern. Für ihn war es vorbei und alles war verloren. Wie sollte er weiter machen, wenn sie nicht mehr da war? Wie? Wie nur? Er versuchte nicht einmal die Tränen zu unterdrücken. Es sah ihn ohnehin niemand und ein wirklicher Krieger konnte er nicht sein. Wieso also nicht weinen? Er hatte die, die er liebte, nicht beschützen können. „Warum?“, flüsterte er zu sich selbst. Am liebsten hätte er vergessen, hätte alles vergessen, was gewesen war – seine Heimat, seine Familie, seine Freunde, Mei, die Trauer, die Gefahr – alles. Das konnte wohl keiner verstehen. Wie auch? Er seufzte und legte die Stirn auf die angezogenen Knie. Vielleicht wäre es wirklich das Beste, wenn er nach Yuncun zurückkehren würde, auch wenn er damit alle enttäuschte. Doch retten würde er niemanden mehr können. Er hatte keine Chance gegen auch nur einen Oni – das war ihm auf der Fahrt nach Pengguo klar geworden. Genauso wenig, wie die anderen. Sie waren ihnen doch ohnehin hoffnungslos ausgeliefert, wieso hatten sie überhaupt angefangen, gegen sie zu kämpfen? Er dachte an die Worte Tsukis über Götter und das Schicksal, an das sie wirklich zu glauben schien, an das er aber nicht glauben konnte. Wie konnten Götter zulassen, dass so etwas geschah? Dass Menschen litten, starben? So was konnte er nicht verstehen. Er seufzte und sah wieder zum Himmel, ehe er plötzlich zusammen zuckte. Aus den Augenwinkeln hatte er eine Bewegung wahrgenommen. Was war da gewesen? Wahrscheinlich nur ein Tier. Trotzdem wandte er den Kopf vorsichtig um, damit er sehen konnte, was da war, doch schon im nächsten Moment erstarrte er und drückte sich reflexartig an den Baum heran, begann zu zittern. Er starrte in die gelbgrauen Augen eines Tigers, welcher aus dem Gebüsch getreten war und nun zu ihm sah, ihn fixierte. Shen tastete nach seinem Stab, doch seine Hand griff ins Leere. Der Tiger bewegte sich nicht. An den Baum gepresst richtete Shen sich auf, das Tier nicht aus den Augen lassend. Noch immer bewegte es sich nicht. Als Shen stand, überlegte er, ob er weglaufen sollte, doch der Tiger, da war er sich sicher, wäre ohnehin schneller als er. Wo war denn sein Stab? Oder sollte er einfach abwarten was geschah? Er seufzte. Genau, wieso überhaupt gegen den Tiger kämpfen? Wieso, wenn man nicht wusste wofür? Da gab die Raubkatze einen Laut von sich und kam langsam und anmutigen Schrittes auf ihn zu, was ihn automatisch zurück weichen ließ. Jedoch sah das Tier nicht so aus, als wollte es ihn angreifen, sein Schritt war langsam, fast geduldig, doch schleichen tat er auch nicht. Da hatte er Shen erreicht und sah zu ihm auf, den großen Kopf an seiner Hand reibend. Was geschah hier nur? Kapitel 15: Die ewigen Priester ------------------------------- Fuhuhu~ Im Moment habe ich in der Schule richtig viel Zeit zum Schreiben. Daher kommt hier schon das nächste Kapitel ^.~ Ich hoffe natürlich wieder auf Kommentare zu dem Kapitel und mache auch hier noch mal drauf aufmerksam, dass chinahaeschen und noch ein paar andere, Bilder zu Eikyû gezeichnet haben und sich sicher über Kommentare freuen würden. Grade chinahaeschen hat bisher kaum welche bekommen. Also tut ihnen den Gefallen ^___^ So, genug des Gelabers: Viel Spaß bei Kapitel 15! ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Kapitel 15: Die ewigen Priester Das Rauschen und Donnern schwoll an und das Kribbeln auf Tsukis Haut begann fast unerträglich zu werden – so viel Magie lag in der Luft. Sie war fast greifbar und dabei so unglaublich mächtig. Es war mehr oder weniger ein Instinkt; Tsukis Glöckchen fingen an zu läuten, dann war sie bei Fukuro und stellte sich schützend vor ihn, ehe alles ganz schnell ging. Eine Druckwelle – Magie – kam, die Wand wurde durchstoßen und die Soldaten zurück geworfen. Nur die Magie von Tsukis Glöckchen schützte sie, Fukuro und die beiden anderen Gefangenen. Im nächsten Augenblick war alles vorbei. Da war kein Donnern mehr, kein Rauschen und nur noch eine Ahnung von der Magie, die einen Moment zuvor hier gewirkt hatte. Dafür war die gesamte Rückwand des Hinterbaus zertrümmert und auch Teile des Daches und der anderen Wände fehlten. Tsukis Blick wanderte auf den Platz hinter der Wache, während von der Straße aus bereits aufgeregte Rufe erklangen. Da stand jemand auf dem Platz hinter dem Haus – ein Mann. „Wer“, setzte sie an. „Wer seid ihr?“ Der Mann kam auf sie zu. Tsuki konnte sein Alter nicht schätzen. Sein Haupt war kahlrasiert und sein Gesicht frei von Falten. Sein Gewand war vollkommen weiß, bestickt mit silbernen Fäden. Nun hatte er sie fast erreicht. „Wer seid Ihr?“, wiederholte die Fuchsfrau. Sie wusste nicht, was dieser Mann war. Nur um eines war sie sich sicher: Ein Mensch war er auf keinen Fall. „Niemand“, antwortete er mit ausdrucksloser Stimme. „Auf welcher Seite steht Ihr?“ Tsuki wich vor ihm zurück. „Auf keiner“, erwiderte er und hatte sie erreicht. Im selben Moment wurde die Tür vorne am Gebäude aufgerissen und Leute strömten in das Gebäude, riefen irgendwas. Tsuki sah den Mann an und seine Augen trafen ihre. Es war, als würde ihr jemand einen Schlag gegen den Kopf versetzen. Sie wurde zurück gerissen, hatte das Gefühl zu fallen, konnte nicht erkennen, was um sie herum geschah. Dann folgte ein Aufprall, der sie aufkeuchen ließ. Ihre Sicht war verschwommen, als sie sich wieder umsah. Sie blinzelte ein paar Mal, bis sie wieder halbwegs klar sehen konnte. Sie war nicht mehr in der Wache, aber wo sie war wusste sie nicht. Jedoch ahnte sie, dass Magie sie hierher gebracht hatte. Nun saß sie auf dem Boden eines in rohen Felsen gehauenen Raumes, an dessen Wänden auf aus dem Stein geformten Vorsprüngen hunderte Kerzen standen, die den Raum mit flackerndem Licht erhellten und die Säulen die unregelmäßig im Raum verteilt waren, hüpfende Schatten auf den Boden malen ließen. Da kam ihr plötzlich ein Gedanke. „Fukuro!“ Doch dieser lag bewusstlos, wie auch die anderen beiden Gefangenen aus der Stadt, auf dem Boden. Vor ihnen stand der Mann, der sie, so vermutete Tsuki, hierher gebracht hatte. Er sah sie an. „Wer seih Ihr?“, fragte sie nun ein weiteres Mal. „Was seid Ihr?“ „Ihr seid hier erst einmal in Sicherheit“, erwiderte er weiterhin mit ausdrucksloser Stimme und wandte sich ab. „Wartet“, rief Tsuki, kam auf die Beine und stellte sich vor ihn. „Wartet! Antwortet mir bitte. Wieso…“ Sie unterbrach sich und dachte noch einmal nach. „Warum habt Ihr uns da raus geholt? Wolltet ihr uns retten? Wieso? Wer seid Ihr?“ „Du willst viel wissen, weiße Füchsin.“ Er blickte sie an. Seine Augen waren fast komplett weiß. Sie zuckte zusammen, starte ihn aber weiterhin an. „Sagt es mir.“ „Mein Name ist Chao Xin.“ Er erwiderte ihren Blick. „Aber was ich bin würdest auch du nicht verstehen.“ „Wieso habt ihr uns daraus geholt?“ „Weil es nicht euer Schicksal wäre hier zu enden.“ Tsuki schwieg und musterte ihn misstrauisch. Was wusste er? Er hatte sie weiße Füchsin genannt. Wusste er, was sie war? Woher? Was wusste er über ihr Schicksal? Was war er? Was? „Könnt Ihr Fukuro helfen?“, fragte sie schließlich. Tsuki wusste nicht wirklich, was für eine Tageszeit sie hatten. Sie saß, den Rücken an die Felswand gelehnt und die Beine an die Brust gezogen, neben dem immer noch ohnmächtigen Fukuro, der auf einem dünnen Futon lag. Mehrmals war sie schon eingenickt, wenngleich sie versuchte wach zu bleiben. Doch die vergangenen Tage hatten sie erschöpft. Ihre Muskeln schmerzten und sie fühlte sich wie ausgelaugt. Außerdem hätte sie sich wohler gefühlt, hätte sie endlich einmal wieder einen Wald betreten können. Der Raum, in dem sie waren, war klein und hatte keine Tür – wie alle Räume hier. Diese in den Fels gehauenen Höhlen schienen schon sehr alt zu sein, genau wie die Männer, die hier lebten. Sie alle waren wie Chao Xin, trugen dieselben Gewänder und schienen alle vollkommen zeitlos zu sein. Doch niemand sagte ihr, was sie waren und warum sie hier lebten. Waren sie Götter? Wohin die anderen beiden Gefangenen aus der Stadt gebracht worden waren, wusste sie nicht. Nur Fukuro hatte sie, seit sie hier waren, nicht mehr aus den Augen gelassen. Sie hatte ihn endlich gefunden und wie es aussah war er im Moment ihr einziger Gefährte. Seufzend dachte sie erneut an ihre – ehemaligen? – Gefährten. Sie fragte sich, was mit Shen und was mit Fukuro geschehen war. Er sah furchtbar aus, war blass und abgemagert. Auf der trockenen Haut malten sich die die Knochen ab. Sein Haar war dreckig und verfilzt. Nicht einmal vernünftige Kleidung trug er am Leib. Tsuki war sich nicht sicher, ob er überhaupt fähig war die Reise weiterzuführen oder ob er das überhaupt wollte – auch wenn sie wusste, dass er alles geben würde, um Yuki zu suchen und zu finden. Und dann? Was wollten sie dann machen? Wenn sie Yuki fanden, würden sie dann Raiu Akki weiter suchen? Würden sie dann weiter gegen die Oni kämpfen? Diese hatten schon zwei der Heiligtümer, die anderen beiden waren noch immer verschwunden, wenn die Oni sie nicht in der Zwischenzeit gefunden hatten… Wenn es die vier Reiche überhaupt noch gab. Sie wussten ja nicht einmal, was diese Dämonen überhaupt vorhatten, wenn sie alle Heiligtümer besaßen. Sie – Tsuki und ihre Gefährten – wollten etwas, von dem sie nicht wussten, was es war, verhindern. Das einzige, was sie wussten, war, dass es sich gegen die Menschen richtete. Verdient? Sie schüttelte müde den Kopf. So sollte sie nicht denken. Ihre Göttin, die gütige Inari, hatte sie auf diese Reise geschickt. Sie sllte die Entscheidung ihrer Göttin nicht in Frage stellen. Aber irgendwo in ihr regten sich Zweifel, da sie wusste, wie die Menschen waren. Sie hatten ihre Werte doch schon lange verloren. Heute gab es keine Ehre mehr, keine Ehrlichkeit, nur Grausamkeit und Lügen. Jeder versuchte das Beste für sich selbst zu gewinnen – jedenfalls die meisten taten das. Wann hatte das angefangen? Hatte es damit zu tun, dass die Menschen heute die Götter verleugneten? Wieso? Viele Tempel waren heute zerfallen und viele ihrer Götter schliefen, da niemand mehr zu ihnen betete. So auch die Urmutter – Amateratsu. Sie alle schliefen… Tsuki zog die Beine noch näher an den Körper, ehe sie sich auf die Seite fallen ließ und die Augen schloss. Sie war so erschöpft. Es war zum Verzweifeln, dachte sie. Sie war schon so lange auf der Reise. Ihre Gedanken fingen an zu wandern. Sie dachte an die Wälder in Honou, an den alten Schrein und einmal wieder an Hayashimura. Wie ging es den beiden Alten und Tohon und den anderen Zashiki-Warashi? So gerne hätte sie wieder mit ihnen gesprochen, wie sie auch wusste, dass Tohon sie vermisste. Sie wäre so gerne wieder da gewesen. Das Dorf war ihr ans Herz gewachsen – fast wie ein zuhause. Tränen bildeten sich in ihren Augen. Und was war mit Ryuujin, dem Mann, den sie vor mehr als einem Monat in der Stadt Unaru getroffen hatte? Hatte er gefunden, wonach er suchte? Deshalb hatte er sie und Shen doch damals verlassen, oder? Sie machte sich zu viele Gedanken um ihn, doch irgendwie ging er ihr nicht aus dem Kopf. Und was machte Shen jetzt? War er in sein Dorf zurückgekehrt? Und Yuki? Was war mit ihr? „Tsuki?“, fragte eine trockene, heisere und ungläubig klingende Stimme und riss sie damit aus dem Schlaf. Es brauchte etwas, bis sie wusste, wo sie war und wem die Stimme gehörte. „Fukuro.“ Sie sah ihm ins Gesicht, welches immer noch genauso gespenstisch aussah, wie es war, als er schlief, doch nun sah er sie mit seinen grauen Augen und müdem Blick an. „Du bist wach“, stellte sie dann erleichtert fest und lächelte. „Was ist geschehen?“, erwiderte er nur. „Wo sind wir?“ Das würde ich selbst gerne wissen, dachte Tsuki, sagte es aber nicht. „In Sicherheit“, meinte sie stattdessen. „Glaube ich zumindest.“ Sie seufzte. „Aber ich bin froh, dich gefunden zu haben… Ich habe fast nicht mehr daran geglaubt.“ Er blinzelte, hatte scheinbar Probleme die Augen offen zu halten. „Ich habe Durst“, meinte er, nachdem er eine Weile geschwiegen hatte. „Und Hunger.“ „Ich kann versuchen, etwas von den Männern hier zu bekommen“, erwiderte sie, wobei sie feststellte, dass es ihr, vor allem was den Hunger anging, nicht besser ging. Sie stand auf und wollte den Raum verlassen, wobei sie aber fast über ein Holzbrett mit Fladenbroten – etwas, was sie zuletzt vor langer Zeit gegessen hatte – du einer tönernen Karaffe mit Wasser. Es war jemand hier gewesen, während sie geschlafen hatte. Sie war unvorsichtig gewesen. Den Kopf schüttelnd kehrte sie mit dem kargen Mahl zu Fukuro zurück und kniete neben ihn auf dem Boden. „Das haben sie vor den Raum gestellt“, meinte sie. „Wer sind ‚sie’?“, fragte Fukuro, doch die Fuchsfrau schüttelte nur den Kopf. „Iss“, sagte sie und beobachtete. Der Ninja versuchte sich aufzurichten, hatte aber augenscheinlich nicht mehr die Kraft dazu, was er aber nicht zugeben wollte. So versuchte er es weiter, bis Tsuki es nicht mehr mit ansehen konnte und ihm unter die Schultern griff, um ihm aufzuhelfen. Schweigend blieb er an die Wand gelehnt sitzen und starrte in den Raum. „Willst du etwas trinken?“, fragte Tsuki, die sich vorstellen konnte, wie er sich fühlte, und hielt ihm die Karaffe hin. Er nickte nur, machte aber keine Anstalten die Karaffe zu nehmen, so dass sie ihm diese schließlich an die Lippen hielt, bis er einige Schlicke trank. Dann verzog er das Gesicht und sie nahm das Gefäß weg, ehe er anfing zu husten. Sie sah ihn mitleidig an. „Was ist nur mit dir geschehen?“, murmelte sie und begann eines der Fladenbrote zu zerpflücken, was er nur teilnahmslos beobachtete, bis sie ihm ein Stück hinhielt. Fukuro kaute langsam und nachdenklich. „Wo ist Yuki?“, fragte er schließlich, als hätte er die ganze Zeit darauf gewartet, dass Tsuki etwas darüber sagte, aber sie konnte nichts anderes tun, als wiederum den Kopf zu schütteln. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie. „Ich hab sie nicht wieder gesehen, seit man uns trennte.“ „Was“, setzte er an, schwieg dann aber zitternd. „Es tut mir leid“, murmelte sie, doch er erwiderte nichts. „Was ist mit dir passiert?“, fragte sie dann wieder und wartete, dass er antwortete. Erst schien es, als wollte er nichts sagen, doch dann setzte er an: „Steinbruch“, begann er knapp. „Sie haben mich in einen Steinbruch gebracht.“ Wieder schwieg er eine Weile. „Dann kamen die Oni und die Yurei.“ Er sah sie an. „Die anderen beiden… Wir drei waren die einzigen Überlebenden. Sie dachten, wir hätten sie gerufen.“ Nun sah er auf den Boden und schwieg, als hätte er alles gesagt, was es zu sagen gab. Zumindest verstand Tsuki jetzt etwas. Deshalb waren sie Gefangene gewesen, deshalb auch die Wut der Menschen. Sie hatten die Schul bei denen, die sie fanden, gesucht. Bei den Sklaven in diesem Fall. „Und du?“, fragte Fukuro, immer noch teilnahmslos, so als würde er nur aus Höflichkeit fragen. Sie sah ihn an, schwieg eine Weile und begann schließlich zu erzählen, was ihr passiert war. Die folgenden Tagen – oder waren es Wochen? – vergingen unter einer dichten Decke bedrückenden Schweigens. Sie schliefen viel, sprachen wenig und geschehen tat nichts. Fukuro fieberte im Schlaf oft und kam nur langsam zu Kräften, während er vor Sorge um Yuki – Tsuki konnte es spüren – fast verging. Er schwieg oft stundenlang und starrte ewig in die Luft, als könnte er dort eine Antwort auf die Frage finden, wo seine Schwester war. Die Männer hier redeten ebenfalls nicht viel und so kam es, dass auch Tsuki Tag für Tag immer mehr in ihren Gedanken versank und über die Geschehnisse der letzten Monate, an die Vergangenheit, die Menschen, die Yokai, Yurei und die Götter versank. Sie wollte zurück nach Eikyû. Immer öfter wanderte sie durch die Felsgänge ohne etwas Bestimmtes zu suchen, nur um vor Fukuros Wand aus Schweigen zu fliehen. So traf sie schließlich auch wieder auf Chao Xin, den sie seit ihrer Ankunft hier nicht wieder gesehen hatte. Sie sahen sich an und es herrschte eine Weile Schweigen, ehe er begann: „Wie geht es deinem Freund, weiße Füchsin?“, fragte er mit derselben desinteressierten Stimme, mit der er schon das letzte Mal, wo sie sich sahen, die ganze Zeit gesprochen hatte. Eine Weile überlegte Tsuki, ob sie überhaupt antworten sollte, doch dann beschloss sie, dass gegenseitiges Schweigen sie auch nicht weiterbringen würde. „Besser, aber er redet kaum mit mir.“ Chao Xin nickte nur und machte Anstalten an ihr vorbei zu gehen, doch sie trat in seinen Weg. „Wartet bitte!“ „Was willst du wissen, Füchsin?“, fragte er. „Sagt mir endlich, was Ihr seid und wo wir sind“, antwortete sie, wobei ihre Stimme flehend klang. „Was wisst ihr über uns – über das Schicksal? Woher…?“ „Du wirst des Fragens nicht müde“, stellte er fest. „Du bist noch sehr jung.“ „Hört auf auszuweichen“, erwiderte sie. „Ihr habt uns hierher gebracht und uns nicht einmal gesagt warum. Ihr habt uns nicht gesagt, wo wir sind und sprecht die ganze Zeit in Rätseln. Wir sind hier, aber niemand redet mit uns. Ich will endlich wissen, was hier passiert.“ „Füchse sind immer neugierig, nicht?“ Das erste Mal ließ sich so etwas wie ein Lächeln auf seinem Gesicht erahnen. „Folge mir.“ Shen lag am Rand eines Sees mitten im Wald, dessen Blätterdach ein Muster aus Licht und Schatten auf ihn und den Boden malte. Sein Blick war apartisch, während er starr in das glitzernde Lichtspiel auf den Wellen blickte. Er verstand nicht, was hier vor sich ging und hatte es mittlerweile auch aufgegeben darüber nachzudenken. Es war auch nicht wichtig, nicht wirklich. Schon mehr als einmal hatte er sich gefragt, ob das nicht alles irgendein verrückter Traum war, der ihn gefangen hielt. Hatte er den Verstand verloren? Langsam streckte er die Hand aus, um die Oberfläche des Sees zu Berühren und mit den Fingerspitzen durchs Wasser zu streichen. Es war angenehm kühl. Er seufzte und drehte sich auf den Rücken und sah zu den Baumgipfeln, durch deren Blätter vereinzelte Sonnenstrahlen zu ihm drangen. Es wirkte wirklich alles wie ein Traum. Ein Kecken erklang, das er in den letzten Tagen einige Male gehört hatte. Dann rasten zwei Äffchen aus dem Gebüsch auf ihn zu und lachten und schrieen dabei herum. Eines der beiden kletterte auf seinen Bauch, sah ihn fragend an, legte zwei Pfirsiche auf seine Brust und grinste ihn an. Dann begann es wieder zu kecken und hüpfte auf ihm herum, doch er legte nur den Kopf auf die Seite. „Geht weg“, murmelte er. Das zweite Äffchen stellte sich nun vor sein Gesicht und sah ihn ebenfalls grinsend an, ehe es sein Händchen hob und seine Stirn tätschelte. „Geht weg“, wiederholte er und drehte den Kopf auf die andere Seite. Er verstand das nicht. Er verstand die Tiere nicht. Sie schienen, ohne dass es dafür einen ersichtlichen Grund gab, handzahm und freundlich zu ihm zu sein. Das hatte mit dem weißen Tiger am Waldrand angefangen, doch mit den anderen Tieren war es nicht anders. Die Äffchen waren hartnäckig. Das auf seinem Bauch kroch auf seine Brust hoch und keckte ihm aufmunternd ins Ohr, bis er sich schließlich aufrichtete, „Geht weg!“, schrie er sie an, so dass sie aufkreischten und ein paar Schritt vor ihm zurück wichen. Shen blieb sitzen und sah auf den Boden, wo die zwei Pfirsiche hingerollt waren, ehe er sich wieder auf den Rücken fallen ließ. Da ließ ihn eine Stimme aufschrecken. „Findest du nicht, dass du ungerecht bist?“, meinte diese. Es war eine tiefe Männerstimme. Erneut richtete er sich auf und sah sich um. „Wer meint das?“, fragte er gleichzeitig, ehe er den Mann erblickte, der Gesprochen hatte. Dieser saß auf einem größeren Stein, etwas von ihm entfernt, inmitten des flachen Sees und ließ seine Füße ins Wasser Baumeln. Er war groß und sehr kräftig gebaut und hatte langes, dunkles Haar, das er zu einem Zopf geflochten trug. Seine Brust war nackt und das einzige, was er trug, war eine helle Hose im Hakamastil. „Bist du anderer Meinung?“, fragte der Mann nur und sah ihn an. „Was geht dich das an?“, erwiderte Shen. Der Mann lachte. „Es ist schon armselig“, meinte er. „Den ganzen Tag liegst du hier rum und vergehst fast vor lauter Selbstmitleid. Was für ein Held. Was für ein Krieger.“ Seine Stimme klang spöttisch. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, wiederholte Shen. Wo kam dieser Mann her? Einen Moment zuvor hatte er noch nicht dort gesessen, da war er sich sicher. „Du bist egoistisch“, meinte der Mann. Langsam wurde Shen ihn leid. „Selbst wenn es so wäre: Das ist meine Sache!“ „Du weist die ab, die dir helfen wollen“, sprach der Mann unbeirrt, woraufhin eines der Äffchen einen Lauf von sich gab. So als hätte es ihn verstanden. Dann fuhr der Mann fort: „Und deine Gefährten hast du einfach im Stich gelassen.“ „Sei still!“, fuhr Shen, der nun auf die Beine gekommen war, ihn an. „Wer auch immer du bist: Es geht dich nichts an!“ „Das glaubst du.“ Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes. „Aber du verstehst noch so wenig“, murmelte er dann. „Wie sagtest du: Es gibt keine Götter? Kein Schicksal? Wieso hast du diese Reise dann überhaupt begonnen?“ Nun begann Shen zu zittern. Woher wusste der Mann das alles? Wie war das möglich? War er… Aber nein, dass konnte nicht sein. „Du hast…“, begann er, als der Mann ihn unterbrach. „Ich habe keine Ahnung, wie es ist, jemanden zu verlieren?“, fragte er und vervollständigte so Shens Satz. „Woher willst du das wissen, Mensch?“ „Aber wie…“, setzte Shen an. „Was bist du?“ Der Mann ignorierte seine Frage. „Komm endlich zur Vernunft, Shen Hou!“, rief er. „Beende was du begonnen hast, an statt dich wie ein Lurch hier zu verkriechen.“ „Aber“, setzte er erneut an, ohne zu bemerken, dass Tränen über seine Wangen liefen. Der Mann ließ sich ins Wasser gleiten und watete ein Stick auf ihn zu. „Bedenke: Da sind noch immer welche, die an dich glauben, und solche, die dich brauchen.“ „Aber“, startete er einen letzten Versuch etwas zu sagen und machte unwillkürlich ein paar Schritte auf ihn zu – in den See hinein. Jedoch stießen seine Füße nicht auf Grund. Stattdessen versank er viel zu langsam im Wasser. „Was“, brachte er hervor und sah Hilfe suchend um sich, erblickte den Mann, aber dieser lächelte ihm nur zu. Dann war er vollständig Unterwasser und sank immer tiefer. Nur ein einzelner Gedanke schoss ihm noch durch den Kopf, während er immer schneller zu sinken schien: „Mei…“ „Wir werden ‚die ewigen Priester’ genannt“, sagte Chao Xin, als er mit der Kitsune einen großen Saal betrat. „Aber auch die Hüter, die Seher, die alten Wächter.“ Tsuki sah sich nur um. Dieser Saal war riesig im Vergleich zu den anderen in diesen Höhlen und auch – im Gegensatz zu diesen – mit einem großen, steinernen Tor versiegelt, das nicht so aussah, als könnte es ein Mensch öffnen, doch Chao Xin schien dies keine Mühe bereitet zu haben. Doch die Größe und das Tor waren nicht das einzige, was diesen Saal von den anderen unterschied. Hier gab es weder Kerzen, noch irgendeine andere Art von Feuer und trotzdem war es nicht dunkel. Ohne dass man irgendeine Quelle hätte ausmachen können, war der ganze Raum von einem dämmerigen, grün-bläulichem Licht erhellt. Außerdem lag eine magische Kraft in diesem Raum, welche sich kaum mit Worten beschreiben ließ. Ungefähr dreißig Männer, Priester hatte Chao Xin sie genannt, knieten dort mit geschlossenen Augen. Kam die Magie von ihnen? „Was bedeutet das?“, fragte Tsuki schließlich. „Seid Ihr Götter?“ „Vielleicht“, erwiderte er nur. „Aber wir können nur sehen. Wir beobachten die Geschehnisse in dieser Welt schon sie Jahrhunderten, doch es ist uns verboten einzugreifen.“ „Habt ihr dann nicht“, begann sie. „Als Ihr uns hierher holtet dagegen verstoßen?“ „Ja“, antwortete er. „Wahrscheinlich.“ „Wieso zeigt Ihr mir das alles?“ Sie sah sich erneut um. „Weil du sonst zuviel fragst“; erwiderte er und schenkte ihr erneut ein leichtes Lächeln. Es herrschte eine Weile Schweigen, während Tsuki über seine Worte nachdachte. „Aber“, setzte sie dann an. „Wenn Ihr seht, wenn ihr beobachtet, sehr Ihr alles?“ „Fast“, gab er zur Antwort. „Heißt das, Ihr wisst auch, wo Fukuros Schwester, wo Yuki ist?“, fragte Tsuki aufgeregt. Der Priester nickte. Daraufhin schwieg Tsuki wieder, ehe sie ruhiger fragte: „Könnt Ihr uns zu ihr bringen? Fukuro…“ Sie brach ab, hoffte aber, dass der Priester verstand was sie sagen wollte. „Ich weiß“, erwiderte er. „Aber du solltest warten.“ Damit drehte er sich um und verließ den Raum, da er das Tor etwas aufgelassen hatte. Sein Blick forderte sie auf ihm zu folgen, was sie nun tat. Hinter ihnen schloss sich der Torflügel wie von Geisterhand, auch wenn Tsuki wusste, dass es die Magie des Raumes war, der sie verriegelte. „Ich kann euch nach Eikyû bringen“, meinte nun Chao Xin, während er einen Felsgang entlang ging, so dass ihr nichts anderes übrig blieb, als es ihm nach zu tun. „Aber warte noch einen Tag, dann wir auch noch der letzte, deiner Gefährten hier sein.“ „Shen?“, fragte Tsuki. „Der Wolkenkrieger, ja“, erwiderte er. „Im Moment ist jemand bei ihm, der ihn vielleicht zur Vernunft bringen kann.“ „Einer von Euch?“, vermutete sie, bekam aber ein Kopfschütteln zur Antwort. „Nein.“ Chao Xin machte keine Anstalten ihr mehr zu erklären. „Und.“ Er hob die Hand, um weitere Fragen von ihr zu vermeiden. „Das war alles, was ich dir sagen kann – sagen darf“, meinte er. „Du wirst gut daran tun, zu deinem Freund dem Ninja zu gehen und ihm zu sagen, dass ihr nach Eikyû zurückkehren werden. Doch sei vorsichtig, erzähl ihm nicht alles.“ Sie nickte nur. „In Ordnung.“ Damit wandte sie sich zum Gehen. Sie würde nach Eikyû zurückkehren – in ihre Heimat. Und Shen und Yuki würden bald wieder bei ihnen sein. Sollte sich vielleicht doch noch alles zum Guten wenden? Sie würde es hoffen. „Aber“, setzte da der ewige Priester noch einmal an, so dass sie sich zu ihm umdrehte. Aber er schüttelte nur den Kopf. „Nichts.“ Dieses Mal unterließ sie die Fragen. Er hatte schon viel für sie getan. Sie würde ihm erst einmal vertrauen. Sie würde nach Eikyû zurückkehren. Ein richtiges Lächeln breitete sich das erste Mal seit Wochen über ihr Gesicht aus. Sie hatte wieder Hoffnung. Kapitel 16: Unter dem Kirschbaum -------------------------------- Puh - neues Kapitel @.@ Und das trotz des Frühlingswichtelns, für das ich noch gut 20 Seiten schreiben muss/darf/kann und trotz Schule und sonstigen Schweinereien ^^" Naja, dafür auch nicht so lang... Was soll's :) Kapitel 16 ist da! Endlich kommt die eigentliche Handlung wieder zusammen. Freude! Übrigens gibt es im Moment einen FanArt Wettbewerb zu Eikyû mit vielen tollen Preisen - Link findet ihr in der Charakterübersicht unter "Bilder" ;) Nya~ KA, habe mittlerweile doch einige Kommentare! Also an der Stelle mal wieder ein ganz dickes DANKÖ an die Kommischreiber! Ihr seid toll! Macht weiter so! Hmm, ja... Ich glaub, dass war es dann eigentlich auch schon, was ich sagen wollte. Egal: Viel Spaß bei Kapitel 16 ;) Kapitel 16: Unter dem Kirschbaum „Sakura?“, murmelte Fukuro verwundert, als das Rauschen verklungen war und er die Augen öffnete. „Kirschblüten?“ Er stand mit Tsuki, Shen und dem merkwürdigen Priester, der sich Chao Xin nannte, irgendwo – er wusste nicht genau, wohin sie die Fähigkeit des Priesters gebracht hatte – im westlichen Reiche Tengaio. Um sie herum standen Bäume, Kirschbäume in voller Blüte, deren rosaweiße Blätter wie Schnee um sie herum wirbelten. „Aber ist es nicht Herbst?“ Verwirrt sah er sich um. Shen, der Krieger aus Pengguo, stand mit ausdruckslosem Gesicht neben ihm und starrte wie hypnotisiert auf die hellen Blüten, während Tsuki und der Priester sich nervös umsahen. „Das sind keine Kirschblüten“, erwiderte die Fuchsfrau schließlich und wandte sich den beiden jungen Männern zu. „Kommt.“ Sie machte einige Schritte voran. Zwar verstand Fukuro nicht, was sie meinte – er verstand sie in letzter Zeit so oft nicht – aber er folgte ihr einfach. Sie waren lang getrennt gewesen und nun wusste er nicht mehr wirklich, ob er ihr vertrauen konnte, ob es wirklich das richtige gewesen war sich ihr anzuschließen. Sicher, sie hatte ihm und Yuki damals das Leben gerettet, sie hatte ihn gesucht und befreit und doch: Er verstand sie einfach nicht. Er verstand nicht, warum sie tat, was sie tat, warum sie ihnen half. Sie war eine Kitsune, eine Yokai – wie sollte er sie auch verstehen? Außerdem verstand sie wiederum nichts von Menschen. Ja, er war sich sicher, dass sie ihn nicht verstand. Und Shen? Was war mit ihm? Er war so anders, als damals, als sie das letzte Mal beieinander waren. Es schien fast so, als würde er sie nur noch aus Pflichtschuldigkeit begleiten, nein, noch schlimmer, weil er nichts anderes zu tun wusste, keinen anderen Ort kannte, an den er gehen könnte. Sicher – er hatte eine Menge durchgemacht, dass hatte ihm Tsuki erzählt, doch so wie er im Moment neben ihm ging, mit diesem starren, leeren Blick, würde er ihnen wohl nur eine Last sein. Und aus dem Priester, aus Chao Xin, wurde er ohnehin nicht schlau. Er fühlte sich so fehl am Platz. Weiter folge er Tsuki und Chao Xin, immer weiter durch die Allee blühender Kirschbäume. Er musste Yuki finden. Seit Wochen kannte er keinen anderen Gedanken. Sie brauchte ihn doch! Das war momentan auch der einzige wirkliche Grund, warum er bei der Gruppe blieb. Allein konnte er kaum was erreichen. Die Allee um sie herum wurde breiter, bildete schon fast so etwas wie einen Platz, als Tsuki plötzlich stehen blieb und sich umsah. „Hier ist jemand…“, murmelte sie und erst jetzt fiel Fukuro auf, dass ihre Glöckchen schon die ganze Zeit läuteten. „Was ist hier los?“, fragte er, als sie ihn mit glühenden Augen ansah. „Diese Kirschblüten… Das ist eine Illusion“, sagte sie und sah sich um. „Illusion?“, erwiderte Shen mit klangloser Stimme. „Ja, eine Illusion“, meinte der Priester nur. „Ein Trugbild.“ Fukuro sah sie verständnislos an. „Spürt ihr nicht auch die Kälte?“, fragte die Fuchsfrau. „Was?“ Der Ninja sah sich um. Er verstand nicht, was sie meinte. Welche Kälte? Doch da zuckte er zusammen, als ein unheimliches Gefühl von ihm Besitz ergriff. Er blinzelte. „Was ist das?“ Tsuki packte ihn bei der Schulter. „Siehst du es?“ Er nickte und verkrampfte sich. Wenn er blinzelte konnte er es sehen: Da waren keine Kirschblüten, nur tot wirkende Bäume. Und das, was er für wirbelnde Blütenblätter gehalten hatte, waren in Wirklichkeit Schneeflocken. Sie standen bis zu den Knien in einer Schneeböe. War es denn wirklich schon Winter? Oder… „Tsuki?“, flüsterte er. „Von woher kommt dieser Schnee? Was ist hier los? Was ist das für eine Illusion? Wieso…?“ Sie erwiderte nichts, sondern sah sich nervös um, ebenso wie der Priester. Nur Shen stand desinteressiert bei ihnen und sah ausdruckslos in die Luft. Da erklang ein Klatschen, langsam und auf eine undefinierbare Weise abwertend, so dass sie alle zusammenzuckten. „Wer ist da?“, rief Tsuki und fuhr herum. Fukuro folgte ihrem Blick. Er hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Irgendwas lag hier in der Luft und dieses Etwas gefiel ihm ganz und gar nicht. „Man glaubt es kaum“, erklang eine spöttische Stimme. „Ich hatte eigentlich gedacht, ich würde euch nicht mehr wieder sehen, aber ihr seid wirklich hartnäckig… Man sollte so was halt keinen Menschen anvertrauen.“ Sie drehten sich in die Richtung, aus der die Stimme kam. „Raiu Akki!“, riefen Tsuki und Fukuro wie aus einem Munde. Tatsächlich war der Oni nun zwischen zweien der Bäume zu erkennen. „Willkommen zurück“, meinte er abschätzend. „Ihr solltet eigentlich tot sein.“ „Wo ist Yuki?“, schrie Fukuro ihn an. Er konnte es nicht glauben den Dämon wieder zu sehen. Wie konnte er nur… Die Wut ließ seinen Körper erzittern. „Sie ist hier“, erwiderte Raiu Akki. „Was…?“ „Bleib ruhig“, zischte Tsuki und fasste ihn am Arm. „Aber“, hauchte er, immer noch zitternd, ehe er zu rufen anfing. „Yuki! Yuki!“ Der Dämon lachte. „Sie wird nicht kommen.“ „Was willst du von uns, Raiu Akki?“, fragte die Fuchsfrau nun. „Ich könnte euch dasselbe fragen, ihr kleinen Nervensägen“, erwiderte er. „Die Namida…“, setzte Tsuki an. „Grade dich, kleine Füchsin, kann ich nicht verstehen.“ Er kam ein Stück auf sie zu. „Genauso wenig wie dich, Priester! Warum helft ihr den Menschen, hmm?“ Chao Xin beobachtete ihn. „Was…“ Wieder unterbrach der Oni. „Ihr solltet genauso wie wir wissen, was die Menschen sind, wozu sie fähig sind… Also, warum helft ihr ihnen? Ihr steht sowieso auf verlorenem Posten. Sie werden euch nie glauben.“ „Und deswegen wollt ihr sie auslöschen?“, erwiderte der Priester. „Ihr seid keine Götter! Ihr habt kein Recht darüber zu entscheiden.“ Fukuro verstand nicht wirklich, wovon sie redeten, was Raiu Akki von ihnen wollte oder besser von Tsuki und Chao Xin. Es war fast so, als wären er und Shen gar nicht da. Mit dem Gedanken schaute er zu dem Wolkenkrieger hinüber. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Er starrte wütend zu dem Oni hinüber, die Zähne aufeinander gepresst. Nun zitterte auch er – vor Zorn – wie Fukuro zuvor. „Und sie, die Menschen“, begann Raiu Akki. „Sind sie Götter? Haben sie das Recht zu entscheiden, wer und was existieren darf oder nicht? Ihnen ist doch alles egal! Wir! Die Götter!“ „Aber die Götter glauben an sie“, erwiderte Tsuki. „Sie haben ihr Recht noch nicht verwirkt.“ „Das beruht aber nicht auf Gegenseitigkeit.“ „Urteile nicht über die Entscheidung der Götter, Oni“, sprach nun Chao Xin. Noch immer wurden Fukuro und Shen völlig ignoriert, doch während ersterer versuchte dem Gespräch der drei Wesen zu folgen, ließ der andere auf einmal einen wütenden Aufschrei hören: „Was bildet ihr euch eigentlich ein?“, rief er. „Was bildet ihr euch ein, mit euren Göttern, mit eurer falschen Moral? Was wisst ihr denn schon über die Menschen?“ „Sei ruhig, Junge, verstehst du denn nicht…“, setzte der ewige Priester an, doch Tsuki hielt ihn zurück, indem sie die Hand hob und ihn mit einem Blick, der sagte, dass es besser wäre Shen reden zu lassen, zum Schweigen brachte. Noch immer läuteten ihre Glöckchen beständig. „Was bildest du dir ein, Oni, über die Menschen zu urteilen?“ Der Wolkenkrieger ging auf Raiu Akki zu. „Du bist doch selbst nur ein dummer Mensch ohne Glauben“, meinte dieser darauf nur. „Und du?“, erwiderte Shen nur wütend. „Woran glaubst du?“ „An Dinge von denen du keine Ahnung hast, Winzling.“ Der Dämon lachte. „Du kennst die Götter doch nicht einmal beim Namen.“ „Und selbst wenn es so ist: Ich habe trotzdem das Recht zu leben!“ Seine Stimme klang belegt, so dass Fukuro sich fragte, ob er weinte – er konnte sein Gesicht nicht sehen. „Und mein Dorf… Mei… Es waren doch deine Dämonen, die es vernichtet haben!“ „Was weiß ich“, meinte Raiu Akki daraufhin nur abfällig. „Ich war nicht dabei. Es ist mir auch egal!“ „Soll ich dir was sagen, Oni?“, presste Shen daraufhin hervor. „Sie haben an deine verfluchten Götter geglaubt! Mei hat an sie geglaubt! So viele haben an sie geglaubt, an die Götter und das verdammte Schicksal! Es ist euch doch egal, ihr feigen Dämonen!“ Er schrie mittlerweile. „Es ist euch eigentlich egal, wer woran glaubt und wer nicht, oder? Es geht euch nur darum, dass ihr die Menschen nicht mögt, nicht versteht! Ihr wollt einfach nur die Menschen loswerden.“ Daraufhin lachte der Dämon. „Du brauchst nicht über uns urteilen, kleiner dummer Mensch. Du nicht. Du…“ Doch weiter kam er nicht, als Shen zum Sprung ansetzte und im nächsten Moment mit dem Bo nach ihm schlug, welchen er die ganze Zeit bereits fest umklammert gehalten hatte. Sein erster Schlag traf den Oni an der Schläfe, schien jedoch keinen wirklichen Schaden anzurichten, da sein zweiter Schlag schon von Raiu Akki abgefangen wurde, der die Waffe zu fassen bekam und festhielt. „Dummer Junge“, meinte er. „Kleiner, dummer Mensch!“ Damit drehte er den Bo, so dass Shen diesen loslassen musste, um nicht umgeworfen zu werden, und warf ihn weg. Er wich – immer noch zähneknirschend – zurück. „Was denn, Junge? Hast du Angst?“ Nun lachte der Oni, ehe er so plötzlich, dass Fukuro ihn mit den Augen kaum folgen konnte, mit seiner Klaue ausholte und Shen damit ins Gesicht schlug, so dass dieser zurück geworfen wurde und rücklings auf dem Boden landete – vier blutende Furchen über der rechte Wange. „Shen!“, rief Tsuki und sah besorgt zu ihm herüber. „Idiot“, zischte Fukuro, mehr zu sich selbst und sah mit derselben Wut zu dem Dämon, der jedoch jetzt unter dem Priester lag. Dabei hatte er selbst nicht einmal gesehen, wie der Priester sich bewegt hatte. Der Oni gab ein Keuchen von sich und wand sich leicht, während der Priester ihn an seinen Händen fest- und in den Schnee gedrückt hielt. „Duuu…“, keuchte Raiu Akki. Derweil war die Fuchsfrau zu Shen hinübergeeilt und kniete neben ihm, während er den Kopf von ihr abgewandt hatte. Doch da war etwas, was sie alle nicht beachtet hatten. Es war der Wind, der eisige, schneetreibende Wind, der zugenommen hatte und ihnen mit immer mehr Macht um die Köpfe wehte. Fukuro zuckte zusammen. Er kannte so einen eisigen Wind. Es gab nur eine Art von Wesen, von denen dieser ausgehen konnte. „Yuki… Onna…“, hauchte er, ehe er herumfuhr. Irgendwie hatte Raiu Akki es geschafft sich aus dem Griff des Priesters zu befreien und stand nun keuchend und mit einigen Brandwunden, von denen Fukuro nicht wusste, woher sie kamen, an einen Baum gelehnt. „Du, Junge!“, rief er nun zu ihm hinüber. „Du wolltest doch deine Schwester sehen – oder?“ „Yuki?“ Er sah sich um. Dann war der Oni auf einmal verschwunden. „Er ist feige“, stellte der Priester fest, doch Fukuro beachtete ihn nicht. Ständig fuhr er herum. „Yuki?“, rief er. „Yuki?“ Er war sich sicher, dass seine Schwester hier irgendwo war. Nur wo. „YUKI?“ Doch es kam keine Antwort. Stattdessen schwoll der Wind noch weiter an, so dass Fukuro gezwungen war, die Arme schützend vor das Gesicht zu heben. Da ließ eine Berührung am Rücken ihn zusammen zucken, zumindest dachte er, dass es eine Berührung war. Doch im nächsten Moment war es, wie ein Schlag, ja, als hätte ihn etwas Gewaltiges am Rücken getroffen, und er verlor den Halt, flog ein paar Schritt voran, ehe er mit dem Gesicht voran im Schnee landete. So schnell er konnte rappelte er sich auf, um sich erneut umsehen zu können. „Yuki…“, hauchte er, als er seine Schwester erblickte, doch sein Magen verkrampfte sich. Er wusste, dass es nicht seine Schwester war, so wie er sie kannte. Nein… Sie trug das Siegel nicht mehr… Doch nicht nur das: Sie war auch nicht allein. Hinter ihr stand eine andere Frau, eine weitere Yuki Onna, mit demselben kalten Gesucht und demselben weißen Haar. Konnte das sein? Konnte es sein, dass diese Frau da… War sie Yukis Mutter? Das war zumindest der erste Gedanke, der Fukuro durch den Kopf schoss, als er die beiden dort sah. „Yuki“, flüsterte nun auch Tsuki, die noch immer bei Shen kniete, welcher sich mittlerweile aufgerichtet hatte, eine Hand auf der blutenden Wange. „Yuki Onna“, stellte Chao Xin nur fest. „Nein“, hauchte Fukuro. „Sie ist keine Yuki Onna. Sie ist meine Schwester.“ Doch da erhob die Frau, welche der Ninja für Yukis Mutter hielt, die Stimme: „Nein, Junge, dass ist nicht deine Schwester. Sie war es nie.“ „Nein…“ „Sie ist meine Tochter – das ist sie die ganze Zeit gewesen.“ Fukuro zitterte. „Du lügst! Du weißt doch nichts von ihr…“, rief er und kam mit Mühe auf die Beine. Noch immer war er geschwächt von seiner Zeit als Sklave. „Bist du dir da so sicher?“, fragte die Schneefrau ihn daraufhin, während sie die Hände auf Yukis Schultern gelegt hatte. Das Mädchen reagierte nicht. Sie sprach nicht, sondern beobachtete scheinbar nur das Bild vor sich, während ihr offenes Haar im Wind wehte, so wie vor einigen Monaten in Hayashimura. Tatsächlich schien sie weder ihren Bruder, noch die ehemaligen Gefährten zu erkennen, während ihre Augen in einem eisigen Blau glühten. „Yuki“, flüsterte der Ninja und machte ein paar Schritte auf sie zu. „Fukuro, nicht!“, rief Tsuki zu ihm herüber, doch er hörte nicht auf sie. Er musste zu seiner Schwester… Sie brauchte ihn doch… „Yuki…“ Noch ein paar weitere Schritte. Er würde bald bei ihr sein. „Yuki, ich habe dich endlich gefunden.“ Noch immer zeigte nichts in ihrem Blick, dass sie ihn erkannte. Nun streckte er ihr seine Hand entgegen. „Yuki.“ Ein weiterer Schritt. „Sie erkennt dich nicht mehr“, sagte Tsuki grade so laut, als dass er sie hören konnte. „Das ist richtig“, meinte die ältere Schneefrau. „Für sie bist du nichts weiter mehr als einer von vielen dummen Menschen.“ „Das ist nicht wahr.“ Das wollte Fukuro nicht glauben. „Yuki…“ Da veränderte sich der Ausdruck in ihren Augen auf einmal – wurde noch härter. „Ich hasse Menschen.“ Auch ihre Stimme klang so anders als zuvor, klang wie das Knirschen von Schnee. „Aber…“, begann Fukuro, ehe der Wind mit einem Schlag wieder zunahm und ihn wie eine Welle, wie ein rollender Fels traf, eiskalt, und ihn zurück schleuderte, einige Furchen auf der unbedeckten Haut und im Stoff des Gewandes hinterließ. Erneut fiel er zurück, ehe er gegen etwas, was ihn abfederte, stieß. Der Priester hatte nicht allzu weit hinter ihm gestanden und ihn aufgefangen, doch Fukuro wäre es auch egal gewesen, wäre er wieder im Schnee gelandet. Selbst den Schmerz der vom Wind hinterlassenen Schnittwunden spürte er kaum und trotzdem liefen Tränen über sein Gesicht. „Yuki“, flüsterte er, als er wieder halbwegs sicher auf seinen Beinen Stand. „YUKI!“ Kapitel 17: Bruder und Schwester -------------------------------- Hi Leute! Wie versprochen kommt hier das 17. Kapitel von Eikyû. Ich freue mich wieder über Kommentare (natürlich), aber ich sage gleich vorweg, dass ich diese wahrscheinlich erst nach dem WE beantworten kann, weil ich im Moment kein Inet habe... Sorry ^^" Naja, ansonsten wünsche ich euch aber viel Spaß mit Kapitel 17 :) Freue mich auf eure Kommentare! Anm: Es gibt jetzt auch das Bild zu Yuki :) Kapitel 17: Bruder und Schwester Die Schneefrau griff sie mit einigen Schneidewinden an, doch Chao Xins Magie ließ diese sich auflösen ‚Er ist wirklich mächtig’, dachte Fukuro, als um den Priester herum Lichtkugeln erschienen und auf die Schneefrau zurasten, während die Fuchsfrau und er Yuki gegenüber standen. Diese schwebte ruhig und den Blick starr auf sie gerichtet über einer Schneewehe. Teile des Kimonos und ihr offenes Haar wirbelten vom Wind getragen um sie herum und nur Tsukis Glöckchen schützten sie und Fukuro vor diesem eisigen Wind. „Yuki“, hauchte er. Er konnte es einfach nicht glauben, dass sie ihn nicht erkannte. Wie konnte der Oni es nur wagen? Wie konnte er es wagen ihm alles zu nehmen – seine ganze Familie…? Das würde er ihm nie verzeihen! „Was willst du jetzt tun?“, fragte ihn Tsuki vorsichtig und trat ein Stück näher an ihn heran. „Wir müssen gegen sie kämpfen“, erklang Shens Stimme von hinter ihnen. Der Wolkenkrieger hatte sich wieder aufgerappelt und stand nun bei ihnen. „Nein!“, fuhr Fukuro ihn an. „Wir können nicht…“ Er brach ab. „Wir dürfen nicht gegen sie kämpfen!“ „Wer sagt das?“, erwiderte Shen. „Ich!“ Der andere sah ihn wütend an. „Sie ist immerhin meine Schwester!“ „Das war sie vielleicht einmal“, antwortete der Krieger. „Jetzt ist es ihr doch selbst egal, wenn sie dich umbringt! Du kannst nichts für sie tun.“ „Das kann man erst wissen, wenn man es versucht hat. Egal was ist, egal was du sagst. Ich werde Yuki beschützen!“ „Wollt ihr weiter streiten oder handeln?“, fragte nun Tsuki. „Fukuro, ich kann dich verstehen, ich will auch nicht gegen Yuki kämpfen, aber ich will mich genauso wenig von ihr töten lassen.“ Vereinzelte Schweißperlen standen auf ihrer Stirn. „Wenn du nicht gegen sie kämpfen willst, dann tu es nicht, aber wenn wir gar nichts tun, bringt sie uns um!“ Er sah sie mit schmerzerfülltem Blick an. In Wahrheit wusste er ja selbst nicht, was er tun sollte und er wusste auch, dass die Fuchsfrau die Wahrheit sprach. Doch all das änderte nicht, dass er einfach nicht gegen sie kämpfen konnte. Er würde sich eher von Yuki töten lassen, als sie anzugreifen, sie wohlmöglich zu verletzen. So schwieg er. Sie waren allein auf der Lichtung. Der Priester und die andere Yuki Onna waren im Kampf weiter in den Hain hinein, vielleicht auch aus diesem hinaus verschwunden. Fukuro ahnte, dass die Schneefrau dem Priester nichts entgegenzusetzen hatte. Er schien wirklich mächtig zu sein. Ein Halbgott, hatte Tsuki gesagt. Schließlich trat Fukuro einen Schritt zurück – den Blick in den Schnee gerichtet, da einer den Anblick seiner Schwester so einfach nicht ertragen konnte. „Bitte“, flüsterte er. „Tötet sie nicht.“ Tsuki konnte nicht mehr tun, als dem jungen Mann zuzunicken. Sie konnte ihn ja wirklich verstehen und es war ihr auch zuwider gegen Yuki zu kämpfen, aber sie sah im Moment keine andere Möglichkeit. Solange das Mädchen sie nicht erkannte, würde es sie angreifen und wenn sie nicht kämpften, würde es sie früher oder später töten. Nur was sollten sie jetzt tun? Sie konnten wieder gegen Yuki kämpfen, wie damals in Hayashimura, doch dieses Mal hätten sie ein viel größeres Problem, wenn sie sie nicht töten wollten. Dieses Mal hatten sie kein Siegel, um Yuki wieder zu Verstand zu bringen. Um genau zu sein wusste sie nicht, ob es ihnen überhaupt möglich war, etwas auszurichten, wenn sie versuchten, ihr keinen zu großen Schaden zuzufügen. Sie sprang auf die Schneefrau zu. Ihre Glöckchen schützten vor dem schneidenden Wind, doch trotzdem fühlte sie diese furchtbare Kälte und das, obwohl die Magie um sie herum diese sehr abschwächte. Shen hatte damit mehr zu kämpfen als sie, aber es war wahrscheinlich ohnehin besser, wenn er sich zurück halten musste – so wie er im Moment kämpfte, gefährdete er sich, Yuki und auch sie. Es schien fast so, als wollte er unbedingt sterben. Nun hatte sie die Schneefrau fast erreicht. „Yuki!“, rief sie ohne wirkliche Hoffnung sie zu erreichen. Doch was sollte sie sonst tun, wenn sie sie nicht wirklich verletzen wollte? „Komm wieder zu dir!“ Sie schaffte es sie an den Armen zu packen, doch Yuki kreischte auf und versuchte sich loszureißen. „Yuki!“, versuchte es Tsuki noch einmal. Da schaffte es die Schneefrau Tsukis Arme zu fassen zu bekommen, dies jedoch auf eine wesentlich schmerzhaftere Art als die Fuchsfrau sie festhielt: Ihre Hände waren zu starken und vor allem scharfen Krallen geworden, die die Ärmel von Tsukis Kimono zerrissen und blutige Kratzer auf ihren Armen hinterließen. Die Fuchsfrau schrie auf, ehe sie sich losreißen konnte und Yuki dann mit einem Tritt zurück- und in den Schnee warf. Einen kurzen Moment blieb sie atemlos dort stehen, bevor sie mit einem weiteren Sprung wieder bei Yuki war, über ihr kniete und ihr die Hand auf die Brust drückte. Sie leitete ihre Magie in den Körper der Schnee in der Hoffnung sie so lähmen zu können. Das Mädchen schrie auf und wand sind unter ihr. „Yuki!“, erklang auf einmal Fukuros furchterfüllte Stimme hinter der Fuchsfrau, ehe er sie von seiner Schwester herunterriss. Diese blieb schweratmend im Schnee liegen, kroch kraftlos ein Stück zurück, wobei sie die Kitsune nicht aus den Augen ließ. „Du…“, knurrte sie. „Was tust du?“, fragte Tsuki und packte Fukuro bei den Schultern, drängte ihn zurück. „Was machst du mit ihr?“, erwiderte er. „Du… Du darfst sie nicht töten!“ „Ich werde sie nicht töten!“ Sie schüttelte den Kopf. „Verdammt, Fukuro, ich habe gedacht, dass du mir vertraust.“ Er senkte den Blick, doch da fuhr sie herum. Sie hatte Shen aus den Augen gelassen, der nun, wo der Wind etwas nachgelassen hatte, bei Yuki war, sie an der Gurgel fassend emporgezogen hatte und gegen einen der Bäume drückte, als wollte er sie erwürgen. Er dachte nicht nach… Die Schneefrau zitterte, bis sie mit einer Hand die Stirn des Kriegers zu fassen bekam. Tsuki wusste, was sie vorhatte. „Shen, schnell, weg von ihr!“ Doch es war schon zu spät. Der Mann schrie auf, verkrampfte sich, ließ sie dann los und die Arme kraftlos neben seinem Körper baumeln, ehe er, als sie die Hand von seinem Kopf nahm, ohnmächtig auf den Boden sank. „Shen!“, rief die Kitsune und wollte zu ihm rennen, doch Fukuro hielt sie fest. „Bitte…“, hauchte er. „Fukuro…“ Sie seufzte. Was sollte sie jetzt tun? Sie hatten keine Wahl, sie mussten gegen Yuki kämpfen, anders würden sie nichts erreichen. „Es geht nicht anders.“ „Es muss…“ Sein Blick spiegelte Verzweifelung wieder. „Dann sag mir, was du tun willst“, flüsterte sie schließlich eindringlich. „Mit Worten kannst du sie nicht erreichen. Yuki kennt dich nicht mehr.“ Er zitterte. „Ich weiß“, murmelte er. „Ich weiß, aber… Ich kann nicht zulassen, dass sie verletzt wird. Ich muss sie beschützen! Sie ist doch meine Schwester…“ Tränen standen ihm in den Augen. „Bitte, Tsuki, ich würde lieber sterben, als sie verletzt zu sehen!“ Die Fuchsfrau sah ihn an. Sie wusste, auch wenn die Glöckchen sie noch immer schützten, dass der Wind wieder zugenommen hatte. Wieso konnte er das nicht sehen? Wieso sah er nicht, dass Yuki sie umbringen wollte – auch ihn? Auch wenn es ihm nicht gefiel, musste er kämpfen oder zumindest sie kämpfen lassen. Sie verstand die Menschen einfach nicht… „Ich aber nicht“, sagte sie schließlich. „Ich muss leben!“ Sie musterte ihn. „Du musst leben… Ich will sie nicht umbringen, Fukuro, aber wenn wir nicht sterben wollen, müssen wir sie zumindest außer Gefecht setzen. Ich sagte dir bereits: Du musst mir nicht helfen, aber halt mich bitte nicht auf.“ Damit wandte sie sich von ihm ab. Fukuro sah auf den Rücken der Fuchsfrau, während sie auf seine Schwester zuging. Er wusste noch immer nicht, was er tun sollte. Sein Blick wanderte über die blutigen Kratzer an Tsukis Armen und die zerrissenen Ärmel. Warum konnte er ihr nicht vertrauen? Warum konnte sie ihn nicht verstehen? Züngelnde blaue Flammen erschienen um sie herum, als sie etwas von Yuki entfernt stehen blieb, und das Läuten ihrer Glöckchen war für ihr sogar trotz des Windes zu vernehmen, der nun, wo sie nicht mehr bei ihm stand, ungehemmt auf ihn einstürmte. Er wandte den Blick ab, während ihm die Tränen in den Augen standen – stechend durch die Kälte. Yuki… Er wollte sie doch nur beschützen… Was war nur geschehen, sei Raiu Akki in ihr Dorf gekommen war? Wieso…? Wieso musste das alles passieren? Da ließ ihn etwas aus seiner Melancholie aufschrecken, zuerst nicht viel mehr, wie eine Ahnung, die seine Nackenhaare sich aufstellen ließ. Dann erklang ein Geräusch hinter ihm – das Gefühl wurde stärker. Er musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es der Priester war und er ahnte etwas, er ahnte was Chao Xin tun würde. Ein Blick genügte, um seine Ahnung zu bestätigen. „Yuki!“, rief er und rannte ohne zu überlegen auf seine Schwester zu und stellte sich schützend vor sie, legte die Arme um sie herum. „Nicht!“, hörte er Tsuki rufen, als er einen stechenden Schmerz am Rücken fühlte. Yuki hatte ihre Klauen in sein Fleisch gerammt. „Yuki“, flüsterte er. Tränen liefen über seine Wange. Dann versank die Welt in Rauschen und dem Läuten von Glöckchen. Sein Kopf schmerzte, wie auch sein Rücken. Er konnte sich kaum bewegen, doch er schaffte es die Augen zu öffnen. Es war Nacht und er lag im Schein eines Feuers. „Fukuro“, erklang eine verstraute Stimme, die seinen Kopf zur Seite fahren ließ. Bei dem Feuer saßen Tsuki und Chao Xin, auch wenn er den Priester durch die Flammen kaum sehen konnte. Doch die beiden waren im Moment ohnehin erst einmal unwichtig gegenüber der Person, die bei ihm, auf der Höhe seine Hüfte saß. „Yuki?“, hauchte er und spürte einen Kloß im Hals. Sie sah ihn nicht an, hatte den Kopf von ihm abgewandt und nickte nur. Fukuro starrte sie an. Hier war kein Schnee, sie griff sie nicht an – hieß dass, dass sie wieder normal war? Wie konnte das sein? Das letzte, an das er sich erinnern konnte war, wie der Priester Yuki angegriffen hatte und er sie hatte beschützen wollen. Tsukis Glöckchen hatten geläutet – und dann? „Yuki?“, fragte er erneut und richtete sich mühsam auf. Sie zitterte. Das nun offene Haar fiel ihr ins Gesicht. „Es tut mir leid“, flüsterte sie und als er ihre Stimme hörte, wusste er, dass sie weinte. Er rückte näher an sie heran. „Yuki“, flüsterte er nur noch einmal und nahm sie in den Arm. „Es ist alles wieder gut.“ Er spürte, wie sie leise schluchzte. „Nichts ist gut“, hauchte sie. „Ich hätte dich beinahe getötet, ich habe dich verletzt und Tsuki und Shen… Er wäre wirklich fast gestorben.“ „Du wusstest nicht, was du tust“, erwiderte er und drückte sie an sich. „Hauptsache du bist wieder normal… Ich hatte solche Angst um dich.“ Seine Stimme zitterte. Sie schwieg und weinte. Fukuro hätte zu gern gewusst, was passiert war, wie sie wieder normal geworden war. Wie war das möglich? Und Shen – was war mit ihm? War er noch immer ohnmächtig? Sein Blick wanderte zu Tsuki, die die beiden beobachtete. Ihre Augen glühten noch immer etwas von innen heraus, ihr Blick war neutral und trotzdem hatte Fukuro das Gefühl, dass sie ihm etwas mitteilen wollte. Viele Fragen lagen ihm auf der Zunge, die er ihr am liebsten sofort gestellt hätte, aber im Moment hatte seine Schwester Vorrang, sie brauchte ihn und er war froh, dass es so war. Beruhigend strich er ihr über den Rücken und seufzte leise. Er wusste nicht, was er machen würde, wenn sie nicht mehr da wäre. Zu lange Zeit hatte er schon damit verbracht sich um sie zu kümmern und sie zu beschützen. Eigentlich hatte er dies schon immer getan, seit sie da war, seit sein Vater sie damals in einer Winternacht aus dem Wald mit in ihr Dorf gebracht hatte. Damals wusste noch niemand was sie war, damals noch nicht, auch wenn alle das Kind mit den hellblauen Augen misstrauisch beäugten. Erst als ihre Haare schneeweiß waren, wurde den Menschen langsam klar, dass sie kein Mensch war, und die ersten begannen sie zu meiden und irgendwann, ja irgendwann wurde ihnen klar, was sie wirklich war. Damals, Yuki war vielleicht vier oder fünf, waren es Kinder die über sie lachten, über sie und Fukuro, der sie die ganze Zeit beschützte und irgendwann verlor seine Schwester die Beherrschung. Das ganze Dorf versank im Schnee. Eines der Kinder starb. Wäre ihr Vater nicht so mächtig gewesen, hätten sie Yuki getötet oder aus dem Dorf verbannt, doch so blieb nur Misstrauen und Verachtung. Fukuro erinnerte sich noch, wie ihr Vater nach einem dauerhaften Weg suchen ließ Yuki zu versiegeln – doch ohne Erfolg. Es blieb nur das Siegelamulett. Wieso eigentlich? War es vor Monaten, als sie getrennt wurden, einem Kannushi nicht auch möglich gewesen Tsuki zu versiegeln? Dabei war er sich sicher, dass die Magie der Fuchsfrau um einiges stärker war als die seiner Schwester – auch wenn sie es nicht zeigte. Wieder huschte sein Blick zu ihr. Konnte es sein, dass sie einiges vor ihnen verbarg? Was war sie eigentlich? Der Gedanke war ihm schon vor einiger Zeit gekommen, doch er wusste nicht, ob er sie fragen konnte. Wahrscheinlich würde er wieder einmal nur wage Andeutungen zur Antwort bekommen, die mehr Fragen aufwarfen, als sie beantworteten. Er seufzte und strich wieder über den Rücken seiner Schwester. Sie war still geworden, schluchzte nicht mehr. „Yuki?“, flüsterte er, doch er erhielt keine Antwort. Ihr Atem ging ruhig und regelmäßig. Sie war eingeschlafen. Sicher war sie sehr erschöpft gewesen. Fukuro lächelte und küsste sie auf die Stirn, bevor er sie, trotz seines schmerzenden Rückens, auf die Seite bettete, bemüht, dass sie nicht aufwachte. Er hatte das Misstrauen ihr gegenüber nie verstanden. Er hatte die Menschen im Dorf dafür gehasst. Einmal hätten sie sie fast getötet – ohne Grund. Zwei Jungen waren damals, es war später Herbst gewesen, im Wald verschwunden und nicht wieder zurückgekommen. Man munkelte, die Schneefrau hätte sie geholt. Für sie war es Yuki gewesen… Sie warfen Steine nach ihr, daran konnte er sich noch erinnern. War ihr Vater damals nicht im Dorf gewesen? Fukuro hatte sie beschützen wollen und sich vor sie gestellt. Sie hatte tagelang geweint, weil er am Kopf verletzt worden war. Sie war kein Monster! Sie war keine Yokai. Nun wandte er sich den anderen beiden zu, entdeckte auch Shen, der ein Stück hinter Tsuki ohnmächtig auf dem Boden lag. Er musterte die Fuchsfrau, aber sie lächelte ihn nur an. „Was ist passiert?“, fragte er. Tsuki lächelte. „Du hast sie beschützt.“ „Aber wieso…“, setzte er an. „Wie kann es sein, dass sie wieder normal ist?“ Sie trug kein Siegelamulett. „Habt ihr sie versiegelt?“ „Du hast sie beschützt“, erwiderte die Kitsune nur. „Das hat ihren Verstand gereinigt.“ Er sah sie an. Er glaubte ihr nicht. Eigentlich war er sich sogar sicher, dass sie und Chao Xin etwas damit zu tun hatten, doch er wusste auch, dass er keine Antwort bekommen würde. „Sie hat die ganz Zeit bei deiner Seite gesessen, während du ohnmächtig warst“, sagte Tsuki nun. „Sie hat geweint.“ Erneut sah er zu seiner Schwester. „Ich weiß“, murmelte er. Ja, dass wusste er wirklich. Denn so war seine Schwester, so war Yuki. Eigentlich war sie nur ein liebes Mädchen… Kapitel 18: Der Herr des Donners -------------------------------- AAAAH! Das Kapitel ist fertig! Den Olympischen Spielen sei Dank! Nein - im Ernst. Die Eröffnungsfeier war sehr inspirierend und hat mich vor allem auf die rettende Idee gebracht: Asiatische Musik. Also hab ich mir Yogamusik aus dem Netz geladen... Und es hat geklappt. Ich hatte DIE Idee zur Lösung des Planungsproblems. Naja, aber genau klärt es sich durch Kapitel 19... Egal :P Also... Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefällt! Würde mich freuen, wenn ich mal wieder ein paar Kommis mehr auf die neueren Kapitel bekomme. *seufz* *~*~*~*~*~* Kapitel 18: Der Herr des Donners Es regnete leicht und das Ende des Tages war nicht mehr weit entfernt. Bald würde es dämmern und dann die undurchdringliche Dunkelheit der bewölkten Nächte folgen. „Wäre es nicht besser, wenn wir für heute aufgeben und uns einen Rastplatz suchen?“, schlug Fukuro mit Blick auf seine Schwester, die das Tuch, die das Tuch, welches sie zum Schutz vor dem Regen über Kopf und Schulter trug, fest an sich gezogen hatte, vor. „Die Nacht ist noch nicht herein gebrochen“, erwiderte der Chao Xin. „Und der Oni ist schon zu weit entfernt. Wenn wir jetzt rasten, werden wie ihn verlieren.“ Tsuki ließ ihren Blick über die kleine Truppe schweifen. Sie alle waren erschöpft und die Müdigkeit sprach aus ihren Gesichtern. Weder Fukuro, noch der ebenfalls ziemlich geschwächte Shen sahen so aus, als würden sie sich noch lange auf den Beinen halten können. Trotzdem wusste sie, dass der Priester Recht hatte: Wie es im Moment aussah würden sie Raiu Akkis Spur erneut verlieren. Seit Tagen schon folgten sie dem schwachen Hauch an Magie, die der Oni an den Orten, die er passierte, hinterließ. Sie hatten kaum gerastet und seit gestern hatte es auch noch angefangen leicht, aber beständig, zu regnen, so dass ihre Kleidung mittlerweile bis auf die Haut durchnässt war. Die größtenteils kahlen Äste, der einzelnen Bäume, boten vor dem Regen keinen Schutz. „Vielleicht finden wir, wenn wir weitergehen, einen Unterschlupf für die Nacht“, versuchte sie die anderen zu ermutigen, doch niemand reagierte, so dass sie es schließlich seufzend gut sein ließ und den Blick wieder nach vorne wandte. Warum reisten sie überhaupt noch weiter? Die anderen hatten die Hoffnung darauf irgendetwas zu erreichen schon aufgegeben – wie auch, so schien dieser, das Vertrauen in die Füchsin. Selbst Fukuro, der seit dem Kampf mit Yuki wieder etwas Glauben in sie wieder gefunden zu haben schien, war trotzdem noch immer sehr kühl und distanziert ihr gegenüber. Sie war halt eben doch kein Mensch und dem Priester ähnlicher, als irgendjemand von ihnen. Jedoch hatte von den anderen niemand bemerkt, nicht einmal drauf geachtet, dass sie sich die ganze Zeit nach Osten bewegten, zum Zentrum des ehemaligen Eikyûs wo nun das Meer tobte. Konnte es sein…? Sie seufzte. Da war dieser Verdacht, den sie schon so lange hegte, dass der Berg, den man als Weg zu den Göttern sah, der für versunken galt: Konnte es sein, dass er noch immer da war und den Oni als Rückzugsort diente? Als sie noch in Hayashimura war, schien die Bedrohung aus dem Norden zu kommen und von Honou aus lag der Berg im Norden. Nun waren sie im westlichen Reich und bewegten sich ebenfalls in diese Richtung… Sie ließ den Blick über die zum Großteil vom Nebel verschlungene Landschaft wandern. Auch sie fror durch den Regen, doch zerrte die Kälte an ihr als Füchsin nicht so, wie sie es bei den Menschen tat. Wieso jedoch die Schneefrau sich vor der Kälte zurückzog, verstand sie nicht. Auch wenn sie es den anderen nicht gesagt hatte, soweit wie die Stimmung innerhalb der Gruppe schon gesunken war, war ihr doch klar, dass Yuki es nie lernen würde, sich zu beherrschen, wenn sie immer vor dem eigenen Selbst weg lief. Hätte sie sich früher gestellt, hätten sie vielleicht den letzten Kampf umgehen können. Doch sie wusste, dass weder Fukuro noch Yuki diese Einstellung teilten und daher schwieg sie. Es war auch so allen klar, dass sie kein Mensch war und anders als die anderen dachte. Seufzend beschleunigte sie etwas ihren Schritt, um mit dem Priester aufzuschließen. Missmutig sah Ryuujin zum Himmel, von dem schon seit Tagen der Regen beständig herunter fiel. So war es schon fast seine ganze Reise lang gewesen. Manchmal fragte er sich, ob der Regen ihm nicht sogar folgte, dass er schon seit Wochen keinen wolkenfreien Himmel gesehen hatte. Aber vielleicht war das auch nur Einbildung… Seit dem er das Gebirge Kumoyakan hinter sich gelassen hatte, war seine Reise sehr ereignislos gewesen. Zu Fuß reiste es sich um einiges beschwerlicher, als zu Pferd, doch schaffte er es irgendwie. Seine Kleidung war mittlerweile von Schmutz überzogen und er hätte sich gerne in einer Herberge für ein paar Tage gerastet, doch er hatte ja das Geld, wie auch seine Wertsachen verloren, so dass er selbst um Essen betteln musste, wenn er nichts fand. Aber noch war nicht Winter. Das wertvollste, was er im Moment mit sich führte, war das Schwert Tsume, welches ihm wie viele der vergangenen Ereignisse, ein Rätsel war. Er konnte nur hoffen, dass die Fuchsfrau – Tsuki – die Reise nach Pengguo überstanden hatte und er sie irgendwie fand. Doch was sollte er dann tun? Sie begleiten? Er wusste es nicht. Und doch wünschte er sich, sie wieder zusehen. Es wäre wahrscheinlich sogar besser gewesen, hätte er sie damals nicht verlassen. Gedankenverloren drehte er die Scheide Tsumes in seiner Hand. Das Schwert strahlte eine so immense Kraft aus, dass selbst er sie spürte. Was war sein Geheimnis? Stimmte es wirklich, dass es von einem Gott stammte? Es gab so viel in den vier Reichen, was er nicht verstand. Für einem Moment schloss er die Augen, um sich zu entspannen, was jedoch schwer war, da er, sobald er dies tat, anfing am ganzen Körper zu zittern. Was hätte er jetzt für einen trockenen Unterschlupf und ein wärmendes Feuer gegeben! Da ließ ihn etwas – er konnte nicht genau sagen was – zusammenfahren. Es war nur ein Gefühl, aber er glaubte, dass hier jemand sei. Direkt hinter dem Baum, unterdessen mittlerweile fast blattloser Krone er Schutz gesucht hatte. Vorsichtig stand er auf, während er sich gleichzeitig umdrehte. „Wer ist da?“, rief er, als ein Reflex ihn schon zurückspringen ließ, ehe der Baum zu Boden fiel und er ihm nur knapp entkam. Nun sah er sich einem Mann, etwa in seiner Größe, mit einer Brandnarbe im Gesicht und einem Horn auf der Stirn, gegenüber, welcher ihn seine spitzen Zähne zeigend angrinste. „Das ist also das Schwert Tsume.“ So automatisch, wie er auch das Schwert gezogen hatte, wusste Ryuujin auch, wer dieser Mann war. „Raiu Akki“, murmelte er sich an die Geschichte der Kitsune erinnernd. Es war wie ein Blick, der Tsuki zusammenzucken ließ. Ein plötzlicher Anstieg von Macht – nicht weit von hier entfernt und auf einmal viel deutlicher als die ganzen Tage zuvor. Es war eine Magie, die sie schon öfter gespürt hatte, seit sie ihre Reise begonnen hatten. „Raiu Akki“, hauchte sie. „Wir sind ganz in der Nähe!“ Die anderen – bis auf Chao Xin – sahen sie überrascht an. „Was?“ fragte Fukuro, der den Arm um seine Schwester gelegt hatte. „Ich spüre Raiu Akkis Magie ganz in der Nähe“, erwiderte sie. „Er benutzt seine Magie.“ Konnte es sein, dass der Oni diese in den Vergangenen Tagen nur unterdrückt hatte, so dass sie dachten, er sei weiter weg als es wirklich war? Mittlerweile hatte der Regen wieder an Intensität gewonnen und in der Ferne war Donnergrollen zu vernehmen. Es lag in der Luft, dass bald ein richtiges Unwetter losbrechen würde und das spürte auch der Rest der Gruppe. Auch wenn niemand es sagte, sah Tsuki an den Gesichtern der anderen, dass sie keinen Kampf überstehen würden und lieber Schutz vor dem Gewitter gesucht hätten. Doch was sollten sie tun? Sie hatten die ganze Zeit versucht sich Raiu Akki zu näheren und nun hatten sie ihn, wie es schien, fast eingeholt! „Beeilt euch“, forderte die Kitsune den Rest der Gruppe auf und beschleunigte ihren Schritt. Die Macht des Schwertes in Ryuujins Händen war wahrlich groß, denn es vermochte die magischen Angriffe des Onis abzuwehren, ohne selbst auch nur einen Kratzer davon zu tragen. Und Ryuujin wusste, dass er dem Dämon so überlegen war, der bereits erschöpft zu sein schien, als er nun erneut auf den Krieger zusprang und ihn versuchte mit seinen Klauen zu attackieren. Dies entlockte dem ehemaligen Offizier jedoch nur ein müdes Lächeln, ehe er einen Ausfallschritt machte und dann mit dem Schwert einen Gegenangriff startete, den der Oni versuchte mit seinen Klauen, die ihm normal Waffe genug waren zu blocken. Dies mochte vielleicht Wirkung gegen ein normales Schwert gehabt haben, aber nicht gegen ein Schwert, was zu den vier Relikten gehörte und so in das Fleisch Raiu Akkis Schnitt, der daraufhin aufheulte und zurück sprang. „Du…“, keuchte er. „Wer bist du?“ Er starrte durch den Regen zu ihm herüber. „Gehörst du auch zu der kleinen Füchsin und ihren schwachen Freunden?“ Ryuujin erwiderte nichts, sondern erwiderte den Blick nur fest. „Du kannst mich nicht schlagen, Raiu Akki.“ „Antworte!“, schrie der Oni ihn an. „Wieso sollte ich?“, antwortete Ryuujin kühl. „Du…“, knurrte Raiu Akki, doch dann zuckte er kurz zusammen und sah in eine andere Richtung. „Wir kann das sein…“, murmelte er. „Die Kitsune…“ Weiter kam er nicht, als der Krieger ihn erneut angriff. „Was ist mit der Kitsune?“, fragte er, als eine weitere magische Attacke des Oni ihn zurück schlug. „Ist sie hier?“ „Du gehörst also doch zu ihr“, erwiderte Raiu Akki und sah zum Himmel hinauf. Mittlerweile war der vorher entfernte Donner lauter geworden, da zuckte auf einmal ein Blick über den Himmel und der Oni begann zu grinsen. „Du kennst meine wahre Macht nicht, Junge. Grins nicht so selbstgefällig“, meinte er, wobei das Grinsen auf Ryuujins Gesicht vielmehr grimmig war. „Ach ja?“, fragte er nur trocken. „Ja“, rief der Oni, als auf einmal ein Blitz vom Himmel herab zuckte und Raiu Akkis nach oben gestreckte Klaue traf. Im nächsten Moment war es, als würde eine Welle von Macht über den Krieger hinweg fegen und ihn fast von den Beinen reißen. Das hätte er sich eigentlich denken müssen, doch er war noch immer sehr naiv, wenn es um Magie ging, rügte er sich selbst. Raiu bedeutete Donner, so kam der Name des Dämons nicht irgendwoher. Trotzdem würde er ihn nicht besiegen! Nein, er – Ryuujin – würde sich nicht besiegen lassen. Doch was war das, was der Dämon über die Kitsune redete? War sie wirklich in der Nähe? Müde stolperte die Gruppe hinter Tsuki und dem Priester her. War es besser, wenn sie sich jetzt trennten? Jedenfalls für die Dauer es Kampfes, da sie in ihrer aktuellen Verfassung ihnen im Weg sein würden. Immer noch herrschte drückendes Schweigen über der Gruppe. Es war auch so oder grade dadurch klar, dass sich die drei anderen keine großen Chancen für den Kampf auch ausrechneten. Doch was sollten sie anderes tun? Mittlerweile wurden die Bäume auf der Ebene um sie herum immer mehr und standen immer dichter, so dass man es schon fast als einen kleinen Wald bezeichnen konnte. Die Magie Raiu Akkis wirkte immer näher und immer stärker. Fast sogar stärker als damals im Wald bei Hayashimura. Aber konnte das sein? Hatte der Dämon ihnen damals nicht seine ganze Macht gezeigt? Doch hier war noch irgendwas anderes, eine andere Macht – Tsuki wusste nicht was – und diese schien viel näher als die Raiu Akkis. Nervös sah sie sich um. Was konnte das sein? Sie warf Chao Xin einen Blick zu. Auch er schien nervös. „Was ist das?“, fragte sie leise. „Ich weiß es nicht“, erwiderte er, als sich auch schon Fukuro einmischte: „Was ist los?“ Tsuki schwieg eine Weile und überlegte, ob sie es ihnen wirklich sagen sollte. „Hier ist irgendwas“, flüsterte sie schließlich. „Und was?“, fragte der junge Mann. Daraufhin schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Erneut sah sie sich um. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er der Wald selbst war, der diese Kraft ausstrahlte, doch auf der anderen Seite konnte es nicht sein. Sie kannte die Wälder und sie wusste, wie sich ein Wald und sein Magie anfühlten und das, was sie nun spürte, war definitiv etwas anderes. „Wir sollten weitergehen“, meinte der Priester schließlich, nachdem auch er sich einige Male umgesehen hatte, und setzte sich in Bewegung. Jedoch machte er nur ein paar Schritte, ehe Shen aufschrie. „Was ist das?“, rief er und hatte schon seinen Stab kampfbereit in der Hand. Zuerst sah sich Tsuki verwirrt um, ehe sie die Ranken, die sich um Shens linken Fuß gewickelt hatten und sich nun weiter sein Bein hinaus wand, als würde sie leben. Doch Tsuki fragte erst nicht, worum es sich dabei handelte, sondern machte zwei Handzeichen, die die Pflanze in blaue Flammen aufgehen ließen, bis diese sich in den Boden zurückzog. „Danke“, murmelte Shen, der nach wie vor von der Gruppe am schlechtesten auf sie zu sprechen war, und kniete sich hin, um nervös sein Bein zu betasten. „Was war das?“ Tsuki schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht, aber der Wald hat nicht von sich aus gehandelt.“ „Ein Oni“, murmelte Chao Xin. „Was?“ Fukuro sah ihn fragend an, als auf einmal aus den Baumkronen vier weitere, aber wesentlich borkigere Ranken als die zuvor auf sie zugeschossen kamen. Doch der Priester reagierte blitzschnell und streckte die Arme in beide Richtungen aus, so dass die Ranken abprallten, ehe sie die Gruppe erreichten. Diese zogen sich sofort zurück. „Irgendwas stimmt hier nicht“, murmelte die Kitsune. „Ach“, erwiderte Fukuro, der sich schützend vor seine Schwester gestellt hatte. „Irgendwas ist an diesem Wald komisch“, hauchte die Fuchsfrau ohne ihn zu beachten. Doch da sah sie auf einmal auf zu den Ästen über ihnen. „Wer ist da?“, rief sie nach oben, als auf einmal zwei verzerrte Gestalten zwischen den Blättern zu erkennen waren, die sich im nächsten Moment auf sie herab fallen ließen. Der Oni zeigte auf Ryuujin und dieser spürte, wie sich die Magie in der Hand des Dämons sammelte. Was hatte er vor? Was war seine wahre Kraft? Im nächsten Augenblick stieß ein Blitz durch die Luft, doch nicht zwischen Himmel und Erde, sondern zwischen den beiden Kontrahenten. Vom Oni schoss er auf den Krieger, welcher – er konnte sich nicht erklären, wie es möglich war, dass sein Reflex so schnell sein konnte – das Schwert hob und irgendwie, dank der Magie, die der Waffe inne wohnte, den Blitz abwehrte. Das Schwert konnte es jedoch trotzdem nicht verhindern, dass die Hitze der Naturgewalt, die Leinenkleidung an den Armen Ryuujins ansengte und ihn schließlich eine gewaltige Druckwelle zurück schleuderte, so dass er rücklings auf dem Boden landete. Der Dämon lachte, streckte erneut die Hand aus, um einen weiteren Blitz in die Richtung seines Gegners zu schicken, der sich flink – viel flinker, als es einem normalen Mann je möglich gewesen wäre – zur Seite rollte. Erneut war es aber am Ende die Druckwelle des Blitzes, die ihn traf und erneut ein Stück über den Boden rollen ließ. Durch den Schleier aus Regen sah er zu seinem Gegner hinüber, während der Donner ihn fast für alle Geräusche taub gemacht hatte. „Das ist also deine wahre Macht, Raiu Akki“, murmelte er und kam wieder auf die Beine. „Und du?“, fragte der Dämon nun mit zusammengekniffenen Augen. „Was bist du?“ Erneut zuckte ein Blitz von ihm zu dem ehemaligen Offizier, der den Angriff erneut, dank Tsume, abwehrte und es dieses Mal irgendwie schaffte zwar zurück gedrängt zu werden, aber stehen zu bleiben. „Das geht dich nicht an“, erwiderte er nur grimmig. Er wusste ja die Antwort selbst nicht. Genau so wenig wusste er, wie er diesen Kampf beenden sollte. Solange Raiu Akki seine Magie einsetzte war er zwar fähig, diese abzuwehren, doch wenn er weiterhin zurück geworfen wurde und der Hitze länger standhalten musste, die von den Blitzen ausging, würde auch er irgendwann am Ende sein. So einen Kampf hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht geführt und hätte ihm noch einige Monate zuvor jemand von einem Oni oder von Magie erzählt, hätte er ihn doch für verrückt erklärt. Sicher, er kannte die kleinen Geister, aber keine Oni und keine solche Magie. „Wie du meinst, Junge“, erwiderte der Oni. „Wenn du nicht reden willst: Stirb einfach.“ Dieses Mal war es nicht die Macht des Priesters, die sie vor den Ranken, die scheinbar von überall aus dem Wald heraus auf sie zugeschossen kamen, die borkigen Gestalten, welche an den Bäumen hängend aussahen, als würden sie schweben, umschmeichelten und die Gruppe dann wie unzählige Peitschen verschiedener Größen und Breiten zu schlagen und zu fesseln versuchten. Doch sie wurden nicht, wie zuvor, einfach zurück geschleudert, sondern gingen, sobald sie sich der Gruppe näherten in bläulichen Flammen auf – Fuchsfeuer – während die Glöckchen der Kitsune lauter läuteten, als sie es bisher auf dieser Reise getan hatten. Die Augen der Fuchsfrau schienen jedoch blind für die grünen Peitschen, die um sie herum brannten, und waren ganz und gar auf eine der Baumgestalten gerichtet. Nicht, weil sie diese als die Gefahr ansah – im Gegenteil: Sie sah sie an und wusste, dass sie nur ein Opfer waren, die schon zu lange in diesem Wald lebten und schon viel zu verbunden mit ihm waren, um sich ihm zu widersetzen. Nein, ihre Aufmerksamkeit galt etwas, was man unter einem Teil des mit Holzes, welches das Geschöpf fast zur Gänze überdeckte, erkennen konnte. Ein Brustpanzer. Täuschte sie sich? Hier war – neben der Macht, die dieser unheimliche Wald ausstrahlte – nun, wo sie drauf achtete, noch eine andere Magie zu spüren. Eine reine, aber sehr abgeschwächte Magie und die Füchsin vermutete, dass diese von der Panzerung, der Rüstung ausging. Konnte es sein…? Da zuckte sie zusammen. Zu sehr hatte sie die Aufmerksamkeit auf die Borkengestalt, die eigentlich ein Mujina war, gerichtet und hatte den Zauber um sie herum vernachlässigt. Zwar hatte der Priester es geschafft, sie weiterhin vor den Ranken zu schützen, doch hatte er nicht verhindern können, dass eine solche die Fuchsfrau an der Schulter traf und eine blutige Strieme hinterließ. „Alles in Ordnung, Tsuki?“, erklang auf einmal Fukuros Stimme hinter ihr. Sie sah sich um. Rücken an Rücken standen die drei anderen dort, die Gesichter auf das, was außerhalb des Schutzkreises geschah, gerichtet. Ihren Gesichtern war anzusehen, dass sie nicht kämpfen wollten, doch auch, dass sie es tun würden, wenn sie mussten. Dabei glaubte Tsuki nicht, dass sie im Moment in der Verfassung waren auch nur gegen einen Menschen zu kämpfen. Mit einer Hand fuhr sie über die Wunde. „Ja“, murmelte sie dann und sah sich erneut um. „Seit vorsichtig. Dieser Wald besteht aus Jabokko. Sie riechen euer Blut.“ Shen sah sie verwirrt an. „Was?“ „Pass einfach auf die Ranken auf“, antwortete ihm der Ninja, während die Fuchsfrau Blicke mit Chao Xin wechselte. „Dann ist es wirklich die Rüstung?“, fragte sie der Priester. „Sicher bin ich mir nicht“, antwortete sie. „Aber ich glaube schon.“ „Aber wie kommt sie hierher?“ Tsuki sah ihn matt lächelnd an. „Das ist eine gute Frage. Mich würde nur viel mehr interessieren, wieso die Oni sie noch nicht gefunden haben.“ Erneut schwoll das Läuten ihrer Glöckchen an und die Ranken gingen in Flammen auf. „Worüber redet ihr?“, fragte Yuki gereizt, doch weder der Priester noch die Füchsin antworteten. Sie spürte, dass der Mond hinter den Wolken bereits aufgegangen war und ihr neue Kraft verlieh, blieb sie doch auch als Füchsin ein Kind dieses Himmelkörpers. Der Mondschein – für die anderen durch Wald und Wolken unsichtbar – begann ihren Körper zu umfangen, ihm zu schmeicheln und ihre Gestalt zu verändern. „Was…“, murmelte Fukuro, als die junge Frau wieder Fuchsgestalt annahm. Die nun um einiges größeren Glöckchen läuteten noch lauter als zuvor, als die Füchsin nun aus dem Schutzkreis, der wieder vom Priester aufrecht erhalten wurde, hinaus sprang und die Spitzen ihrer neun Schwänze begannen in blauem Feuer zu brennen. Ranken aus dem Boden versuchten sich um ihre Pfoten zu wickeln, hinterließen auch einzelne Kratzer unter dem Fell, doch dann gingen sie in Flammen auf, wie nun nach und nach auch die Stämme der Bäume des kleinen Hains. Als die Flammen drohten auch nach den Borkengestalten zu greifen, ließen diese sich Fallen und sprangen auf die Füchsin zu, wobei sie aber ihre Gestalt aufgeben mussten und wieder zu dem wurden, was sie eigentlich waren. Zwei Dachse, mittlerweile nicht einmal mehr fähig zu sprechen und doch noch versucht auf zwei Beinen zu laufen, während der eine sogar noch den schwarzen Brustpanzer eines Kriegers zu tragen versuchte. Da traf ein Stab diesen am Kopf und die Füchsin sah auf. Noch ehe der schwache Dachs sie erreicht hatte, war der Wolkenkrieger aus Pengguo aus dem Schutz des Priesters getreten und hatte das Tier mit einem Schlag getötet. Der zweite Dachs jaulte auf, schnupperte kurz und sah sie dann mit verängstigten Blick an, ehe er in das brennende Gebüsch floh, wahrscheinlich schon viel zu schwach um außerhalb dieses verwunschenen Waldes lange zu überleben… Ryuujin sah atemlos zu dem Oni hinüber, der mit einem Arm erneut ausholte, um einen Blitz in seine Richtung zu schicken und es gab nichts, was er tun konnte, um dies zu verhindern. Schon eine ganze Weile spielten sie dieses Spiel nun schon und die ganze Zeit war es der Krieger gewesen, der hatte zurück weichen müssen. Er wusste nicht, was er noch tun sollte. Wenn das Gewitter nicht bald aufhörte, würde seine Kraft zu Ende sein und der Dämon würde ihn besiegen – töten. Eine Rolle schräg zur Seite – mittlerweile war es ihm kaum noch möglich die Angriffe abzuwehren. Zu sehr schmerzten schon die Hände und Arme, zu viele Prellungen von den vielen Stürzen spürte er an seinem Körper. Er musste irgendetwas gegen Raiu Akki tun! Nur was? Er selbst beherrschte keine Magie, die dem das Oni hätte entgegenwirken können und mit dem Schwert kam er ja nicht einmal in die Nähe seines Gegners. Aber anders konnte er ihn nicht angreifen, eine andere Chance hatte er nicht. Seines Sieges derweil scheinbar gewiss, grinste der Oni breit zu ihm herüber, während er sich mit einem Schritt zur Seite ein Stück drehte und mit einem Schlag in Richtung des Kriegers eine ganze Front von Blitzen zu ihm hinüberzucken ließ, so dass diesem gar nichts anderes übrig blieb, als erneut Tsume zum Abwehren zu verwenden. Und wieder brannte die unglaubliche Hitze auf seiner Haut, und wieder schleuderte ihn die Druckwelle zurück. Doch dieses Mal, als er auf dem Boden aufschlug, verlor er das Schwert aus seiner Hand und blieb keuchend am Boden liegen. „Gibst du endlich auf?“, fragte Raiu Akki und tat zwei Schritte in seine Richtung. Am ganzen Körper zitternd und blind von dem Regen, der ihm nun direkt in die Augen fiel, richtete sich Ryuujin erneut ein Stück auf. Wenn er sich jetzt nicht wehrte, wenn er jetzt nichts tat, würde er sterben, das ahnte er. Aber er durfte – er wollte noch nicht sterben, auch wenn ihn wohl niemand vermissen würde. Trotzdem blieb das Gefühl, dass er noch für etwas gebraucht wurde, und war es nur, um sich selbst zu beweisen, dass auch er für etwas gut war und um herauszufinden, was er war. Die Augen zum Schutz vor dem Regen geschlossen, saß er halb aufgerichtet am Boden, sich mit einer Hand auf diesen abstützend. Da spürte er, wie der Dämon einen weiteren Schritt machte, um ein letztes Mal anzugreifen. Er spürte die Magie, die dem Oni innewohnte, spürte seine Macht und bewegte sich plötzlich von ganz allein. Ohne die Augen zu öffnen hatte er Tsume wieder in der Hand, war auf einmal wieder auf den Beinen. Raiu Akki hatte eine Schwäche, das wurde ihm klar, als er in dessen Richtung lief und es schaffte wieder seine Augen zu öffnen. Er brauchte eine Zeit, um einen erneuten Angriff auszuführen, brauchte Zeit um sich zu sammeln, so dass er ihm nun fast erschrocken entgegensah, während der Krieger unsicher, ob er selbst seinen Körper so handeln ließ, das Schwert erst hob, dann zurück zog und schließlich zustach. Schon durchbohrte Tsume die link Schulter des Oni, während dieser den Halt verlor und nun selbst rückwärts auf dem durchweichten Boden landete. Wütend und fauchend sah er zu Ryuujin, der ihn einen Moment später schon im Schwitzkasten hatte, ohne das Schwert der Schulter des Dämons zu ziehen, während das dicke, dunkle Blut aus der Wunde floss und vom Regen verdünnt wurde. „Du“, keuchte Raiu Akki. „Du… Wie…“ Mehr brachte er nicht zustande. „Wo ist die Füchsin?“, fragte Ryuujin. „Du redetest vorhin von ihr. Weißt du, wo sie ist?“ Da brachte der Dämon ein wenig amüsiertes Lachen, was aber bald darauf zu einem schmerzhaften Keuchen wurde, zustande. „Was bist du?“, fragte er nur wieder. „Antworte!“, fuhr der Krieger ihn an und griff nach dem Schwert. Diesem Moment des Ungleichgewichts nutzte Raiu Akki aus, um seine Fußklaue unter den Bauch seines Gegners zu bringen und diesen mit einem Tritt auf die Seite zu werfen, wobei allerdings das Schwert unsauber aus der Wunde gerissen wurde und diese noch weiter aufriss. Mühsam richtete der Dämon sich auf. „Irgendwann werdet ihr sterben“, versicherte er weiterhin keuchend, als weitere Blitze über den Himmel zuckten und den Krieger für einen Augenblick blendeten. Als Ryuujin einen Moment später dorthin sah, wo vorher der Oni gestanden hatte, war dieser verschwunden. „Elender Feigling“, fauchte Ryuujin in den Sturm, während er auf dem Boden sitzen blieb und wieder die Augen schloss. Ein leichtes Dröhnen erfüllte noch immer seine Ohren. Weiterhin zitterten seine Muskeln. Doch neben dem Schmerz, der seinen Körper erfüllte, und dem Regen, der über seine Haut rann, spürte er auch noch etwas anderes. Er spürte das Leben und die Energie um sich herum. Er spürte den Boden unter sich und er spürte die Kraft die den Himmel während des Gewitters durchzog und zwar auf eine Weise, wie er es bisher nicht gekannt hatte. Auf eine Weise, die er wie so vieles nicht verstand. War dies die Weise, auf die der Geister, auf die die Kitsune die Dinge sah? War sie wirklich in der Nähe? *~*~*~*~*~* Anmerkungen: Mujina: Dachs - Dachsen wird ebenfalls die Fähigkeit der Verwandlung nachgesagt. Sie sind auch Wesen des Waldes. Jabokko: Bäume, die dort wachsen, wo einst große Schlachten stattfanden. Der blutgetränkte Boden lässt die Bäumgeister "böse" werden und Menschen angreifen, um weiterhin Blut zu bekommen... Kapitel 19: Kleine Kitsune -------------------------- Nun, hier ist noch ein neues Kapitel :3 Ich hoffe, dass ich mal wieder ein paar Kommentare bekomme ^-^ ~*~*~*~*~*~*~ Kapitel 19: Kleine Kitsune Es regnete in Strömen und das schon den ganzen Tag. Mittlerweile war es Abend und die Dunkelheit hatte sich in den Gassen von Kaedeyane ausgebreitet. Zu gerne hätten sich Tsuki, Fukuro, Yuki und Shen in einem der Gasthäuser niedergelassen, wo es warm und vor allem trocken war, doch ihnen fehlte das Geld dazu. Ebenso wie es ihnen dazu fehlte, Essen zu kaufen, um die knurrenden Mägen zu füllen. Es war schon ein fast Mitleidserregendes Bild, was die kleine Gruppe bot, so wie sie nun im Matsch an die Holzwand eines Hauses, das sie zumindest etwas vor dem über die Stadt hinweg fegenden Wind schützte, saß. Aus einem Nahen Gasthaus hörten sie Musik und Gegröle, was ihr Los noch schwerer zu ertragen machte. „Ich habe Hunger“, murmelte Yuki ohne den Blick von ihren dreckigen Füßen abzuwenden. „Ich fürchte, den haben wir alle“, meinte Fukuro. „Wieso sind wir ohne Geld überhaupt in eine Stadt gegangen?“, erwiderte seine Schwester daraufhin. „In einem Wald oder einer Höhle wäre es zumindest halbwegs trocken gewesen.“ Sie sah kurz auf. „Und dort würden uns keine Menschen komisch ansehen.“ Tatsächlich war es so gewesen, dass ihnen, seit sie am Nachmittag in die Stadt gekommen waren, einige missmutige und misstrauische Blicke gefolgt waren, was vor allem dem jungen Mädchen ziemlich unangenehm war. Es erinnerte sie wohl zu sehr an ihre Vergangenheit. Schließlich stand Tsuki auf. „Ich werde sehen, ob ich nicht etwas zu essen für uns finde“, meinte sie und ging schon um die nächste Ecke – nicht nur, um etwas zu essen zu besorgen, nein vor allem auch, da sie die gedrückte Stimmung nicht mehr ertrug. Außerdem hoffte sie, da das Dorf Reisfelder hatte, einen Inarischrein bei diesen zu finden. Sie wusste schon gar nicht mehr, wie lange es her war, dass sie das letzte Mal an einem solchen gebetet hatte. Während sie durch die Stadt zog, versuchte sie die Straßen zu meiden und weitestgehend in den Gassen zu gehen, da auch hier ihr helles Haar Blicke auf sich zog. Verschiedene Blicke, denn es war Abend und viele Männer, die durch die Straßen gingen, waren angetrunken und hatten so die Furcht vor ihr verloren. Die Frauen und solche, die noch bei klarem Verstand waren, zeigten sich voller Angst und Misstrauen. Doch es begann auch ein Tuscheln ihr zu folgen, wenn sie über die belebteren Straßen wanderte. Immer wieder vernahm sie das Wort „Füchsin“, was sie wunderte, da die meisten Menschen seit der Teilung Eikyû kaum noch fähig waren, die verschiedenen Yokai voneinander zu unterscheiden. Aber scheinbar war einigen, die sie sahen, klar, dass es sich bei ihr um keine gewöhnliche Frau, sondern um eine Kitsune zu handeln schien. Hatte man hier etwa Erfahrungen mit Geistern? Sie seufzte, als ihr Magen knurrte. Auch sie war hungrig. Seit dem sie fast den Jabokko zum Opfer gefallen waren und in dem Hain die Rüstung Yoroi gefunden hatten. Wie sie dorthin und vor allem wie sie überhaupt nach Tengaio gekommen war, wussten sie nicht. Es war jedoch wahrscheinlich, dass sie entweder gestohlen worden war, oder dass ihr Schützer die Gefahr schon früh bemerkt hatte und das Artefakt hatte in Sicherheit bringen wollen. Wer auch immer dafür verantwortlich war, dass sie in das westliche Reich gelangte: Wahrscheinlich hatte er im Hain Schutz gesucht und war den Bäumen dort zum Opfer gefallen. So hatte sich nun der Priester der Rüstung angenommen, damit diese nicht auch in die Hände der Oni fiel und hatte sie nach Pengguo gebracht, was – auch wenn die anderen drei es nicht so sagen – ein herber Verlust für sie war, da die Macht des Priesters die ihre bei weitem überstieg. Doch nicht nur das: Durch dem Kampf gegen die Mujina hatten sie auch die Spur Raiu Akkis verloren. Ein weiterer Grund, warum sie nun in dieser Stadt waren: Sie suchten mal wieder nach Hinweisen auf den Verbleib des Oni. Erneut seufzte sie und beschleunigte ihre Schritte, als sie auf einmal eine Stimme direkt neben ihrem Ohr hörte: „Kitsune-han!“ Sie zuckte zusammen, als daraufhin dann ein Poffen erklang und auf einmal ein kleines Mädchen – ein Zashiki-Warashi der Stadt, wie es schien – neben ihr schwebte und sie breit angrinste. Das Mädchen sah aus, wie alle Zashiki-Warashi es taten. Einen Kinderhaarschnitt und einen Kinderkimono. „Eine Füchsin“, wiederholte sie ihre Worte. „Eine Füchsin, die nicht von hier ist“, stellte sie dann fest und grinste sie dann noch weiter. „Und eine alte Füchsin, nicht?“ Nun musste Tsuki lächeln. „Ein vorlauter Hausgeist“, meinte sie, während das Mädchen um sie herum schwebte. Dann fiel ihr auf, dass zwei Männer, die in der Nähe vor einem Haus standen, sie anstarrten und sie ging – von dem Geistermädchen gefolgt – weiter und in die nächste Gasse hinein. „Wie ist dein Name, kleiner Geist?“, fragte sie das Mädchen dann. Dieses grinste. „Mein Name ist Chi“, stellte sie sich vor. „Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, Füchsin, von wo auch immer du kommst.“ Das ließ Tsuki breiter lächeln. Die Geister, die sie auf ihrer Reise bisher getroffen hatten, waren meistens weniger zutraulich gewesen. Sie hatten ihr geholfen und waren bei ihr geblieben, aber einen guten Gesprächspartner hatte sie schon lange nicht mehr gefunden. „Mein Name ist Tsuki.“ Sie streckte dem Geist einen Finger entgegen. „Ich bin schon lange auf Reise.“ Chi griff nach ihrem Finger. „Freut mich wirklich!“, grinste sie. „Oh, und ich weiß noch jemand, den es freuen wird.“ Sie verwandelte sich wieder in einen Feuerball. „Komm mit, komm mit!“ Damit flog der Flammenball auch schon los und um eine Ecke, so dass Tsuki loslaufen musste, um ihn im Auge zu behalten. Wie es schien, führte das Geistermädchen sie aus der Stadt hinaus, denn je weiter sie ihr folgte, desto ruhiger wurde es – wahrscheinlich waren sie am Stadtrand – und dann liefen sie schließlich auf einen Weg hinaus, dessen eine Seite ein Wald an einem Hang begrenzte, während zur anderen Seite Reisfelder lagen, die im Moment jedoch nur schlammig und versumpft waren. „Wohin führst du mich, Chi?“, fragte Tsuki das Geisterkind. „Das wirst du sehen“, klang dessen Stimme aus den Flammen heraus, während der Ball den Weg entlang schwebte und schließlich eine Treppe hinauf in den Wald abbog. Die Füchsin folgte ihr und fand sich nun gegenüber einiger gepflegter, zinnoberroter Tori, die der Treppe entlang standen und unter denen man hindurch laufen musste, wollte man hoch. Diesen Weg flog die Flamme entlang. Als Tsuki schließlich oben ankam – die Treppe war nicht allzu lang – erkannte sie, wo sie waren: Dort standen einige Myobu, Fuchsstaturen, und dort war ein Tempel. Ein Tempel zu Ehren ihrer Geliebten Göttin. Und vor dem Tempel saß ein kleines Mädchen, vielleicht zehn Jahre alt und mit ebenso hellen Haaren wie Tsuki. Als diese hinter sie trat, drehte sie sich um. Da wurde der jungen Frau klar, dass es sich bei dem Mädchen ebenfalls um eine Fuchsfrau handelte. Um ein Fuchswelpen. „Tsuki-chan“, rief das Fuchsjunge und kam durch das am Boden liegende nasse Laub zu Tsuki gelaufen. Der Name der kleinen Füchsin war Kaede, wie die Stadt, bei der sie lebte. Wahrscheinlich weil der Wald hier in erster Linie aus Ahornbäumen bestand. Ihr Haar war um einiges Länger als das der älteren Füchsin und zu einem Zopf gebunden, während sie ein unordentliches Kindergewand trug. „Guten Morgen“, erwiderte Tsuki, die trotz des weiterhin anhaltenden Regens draußen an einem Baum gelehnt stand. Die Nacht hatten sie und die anderen im Tempel, der von einer jungen, aber blinden Miko gehütet wurde, verbracht. Diese hatte ihnen auch einen Eintopf aus Reis und Pilzen zu essen gegeben, so dass ihre Mägen sich nicht mehr so leer anfühlten wie zuvor. Die Kleine strahlte sie an und war mit ein paar Sprüngen auf einem der Äste des Baumes, an den die ältere gelehnt stand und der ein Stück vom Inaritempel entfernt im Wald stand. „Sag, Tsuki-chan“, begann die Kleine nun. „Wo kommst du her und was hat dich hierher geführt?“ Sie wippte unruhig auf dem Ast herum. „Du bist ganz schon aufgeregt“, erwiderte die junge Frau ruhig und lächelte matt. Es hatte ihr neuen Mut gegeben ihrer Göttin für eine Weile nahe sein zu können und zu ihr zu sprechen, bot der Inaritempel doch für Füchse so etwas wie ein Heim – jedenfalls war es einst so. „Oh, ja“, seufzte das Junge nun. „Du musst sehen, es ist schon lange her, dass ich eine andere Fuchsfrau gesehen habe. Hier gibt es Füchse, aber leider bin ich die einzige, die noch die Kunst der Verwandlung beherrscht.“ „Und deine Familie?“ „Ich erinnere mich kaum noch.“ Die Kleine sah zum kaum noch belaubten Gipfel des Baumes hinauf. „Die Bauern töteten sie. Die Miko hat mich gerettet.“ „Eine gute Frau“, murmelte Tsuki. Sie wusste schon lange, dass viele Bauern, aber auch andere Menschen Yokai aus Furcht jagten und töteten, wenngleich dies kaum zur sonst allgegenwärtigen Verleugnung der Magie passte. „Oh, ja“, meinte Kaede erneut. „Sie hat sich gut um mich gekümmert und mich viel gelehrt. Sie gab mir auch meinen Namen.“ „Ahorn, hmm?“ Tsuki sah nun ebenfalls zu dem Baumgipfel hinauf. „Nun erzähl schon, woher du kommst“, forderte die Kleine nach einer kurzen Weile des Schweigens. „Du hast eine weite Reise hinter dir, nicht?“ Sie nickte und sah eine Weile zum Himmel hinauf, so dass ihr der Regen ins Gesicht plätscherte. Dann löste sie sich vom Stamm. „Das stimmt“, murmelte sie. „Sehr weit…“ Ihre Gedanken schweiften ab. „Wo wart ihr denn schon?“ Kaede schient ganz in der Art der Füchse sehr neugierig zu sein. „Und wo kommst du her?“ „Ich habe lange Zeit in einem Dorf in Honou gelebt“, erwiderte Tsuki. „Und unsere Reise… Wir sind wirklich sehr weit gereist. Weiter als du es dir wirst vorstellen können.“ Nun schwieg die Kleine eine Weile, da sie wohl begriff, dass sie keine genaueren Informationen bekommen würde. „Tsuki-chan“, begann sie nach einer Weile wieder. „Wieso ist dein Fell nicht rot? Haben nicht alle Füchse rotes Fell?“ „Nein“, erwiderte Tsuki. „Nicht alle… Genauso, wie nicht alle Füchse nur einen oder zwei Schwänze haben.“ Sie lächelte das Junge, das bisher nur zwei Schwänze hatte, an, welches daraufhin die Arme vor dem Körper verschränkte und schmollte. Tsuki konnte die Neugier der Kleinen verstehen. Sie war einst selbst so neugierig gewesen und hatte viele Dinge hinterfragt. Doch das Junge war noch sehr Jung, zumindest für eine Kitsune, und es gab Dinge, die sie nicht verstand und noch nicht verstehen würde, fehlte ihr bisher doch scheinbar noch die Gabe mit der Göttin zu reden. Würde sie älter werden und neue Dinge lernen, würde sie irgendwann verstehen, dass es für eine Yokai mehr zu wissen gab, als ein Mensch ihr beibringen konnte. Würde sie alt genug werden, wäre wahrscheinlich auch für sie irgendwann die Zeit gekommen, diesen Ort zu verlassen und sich auf eine Reise zu begeben. Nach einer Weile begann Kaede wieder. „Tsuki, ich habe noch eine Frage.“ Sie wartete nicht lange auf eine Erwiderung seitens der älteren, sondern fuhr sofort fort: „Was ist mit den Geschichten, über Kitsune, die sich in Männer verliebten und für sie ihre Freiheit aufgaben?“ „Auch das gilt nicht für alle“, murmelte die weiße Füchsin. „Und für dich? Hast du schon einmal einen Mann geliebt?“ „Wieso fragst du?“ „Weil ich wissen möchte, was das heißt: Liebe“, erwiderte das Junge und sprang von dem Ast herunter. Tsuki schwieg eine Weile. „Nein“, antwortete sie dann. „Nein, ich habe diese Erfahrung noch nicht gemacht.“ Sie seufzte und machte ein paar Schritte durch das nasse Laub. „Wir sollten zum Tempel zurückgehen. Die Miko macht sich sicher Sorgen um dich.“ „Aber…“, setzte Kaede an, als die Kitsune schon weiterging, so dass sie mehr oder minder gezwungen war ihr zu folgen. Zwar waren sie nicht all zu weit vom Tempel entfernt, doch weit genug um außer Sichtweite zu sein und ebenfalls weit genug, als dass man sie nicht hörte und sie wiederum auch den Tempel nicht gehört hätten, wären sie Menschen gewesen. Sie waren auch nicht sehr weit von dem Weg, der an den Reisfeldern vorbei führte, entfernt, doch trotzdem ließ ein Geräusch Tsuki zusammenzucken. Sie blieb stehen und drehte sich um. „Wer ist da?“, rief sie misstrauisch, aber nicht sehr laut, da sie sich auf einmal der Magie gewahr wurde, die sich im Wald ausgebreitet hatte. Es war nicht die Magie eines Oni, doch sie ließ die Füchsin vorsichtig werden. „Was hast du, Tsuki-chan?“, fragte das Junge und sah sie fragend an. „Kommen sonst noch Leute zum Tempel, außer der Miko und Bauern?“ Sie sah mit zusammengekniffenen Augen in die Richtung, wo der Weg und die Reisfehler lagen und konnte eine Gestalt erkennen. „Ab und an Soldaten, aber meist sind es doch nur Bauern“, meinte die kleine Füchsin. „Ansonsten kommen die Leute aus der Stadt zum Erntefest her.“ Tsuki sah zu dem Mädchen, dass scheinbar nicht bemerkt hatte, dass sie jemand zu beobachten schien, denn zumindest stand die Gestalt nun still und sah in den Wald. „Warte hier“, murmelte sie und lief lautlos den Hügel hinunter, bis sie noch etwa ein duzend Schritt den dem Weg entfernt war und sprang in das Geäst eines Baumes. Doch trotz ihrer Lautlosigkeit schien der Mann auf dem Weg sie bemerk zu haben, denn er sah suchend in die Wipfel hinauf. Da erkannte die Füchsin ihn, blieb jedoch auf dem Ast stehen und sah zu ihm hinab. „Ryuujin?“, murmelte sie ungläubig, da sie sich sicher gewesen war, den Mann nicht wieder zu sehen, nachdem dieser über Nacht verschwunden war. „Wer ist da?“, rief er nun lauter als sie vorher nach oben, woraufhin sie zum vordersten Baum sprang, so dass er sie sehen konnte. Jedoch schwieg er, als er sie sah. Da kam die kleine Füchsin, für ein Kind, dessen Gestalt sie im Moment hatte, relativ leise, aber doch viel ungeschickter als Tsuki zuvor, durch das nasse Laub gelaufen und blieb nun ebenfalls – wenngleich am Boden – an einem Baum, der direkt an dem Weg wuchs, und weniger als drei Schritte von dem Mann entfernt stehen. „Wer ist das, Tsuki-chan?“, fragte sie dann ängstlich und wich sofort wieder ein paar Schritte zurück. „Tsuki?“, fragte Ryuujin, als sei er sich zuvor nicht sicher gewesen, wirklich das Mädchen aus Unaru erkannt zu haben, und starrte zu ihr, bis sie zu ihm hinab sprang und nicht weit von ihm entfernt stehen blieb. „Was machst du hier?“ Sie musterte ihn. Er trug andere Kleidung, als damals, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, und auch diese Kleidung schien zerschlissen, hatte einige Brandlöcher an den Armen. Zudem war sie nicht weniger nass als sein Haar, das an seinem Kopf und in seinem Gesicht klebte und sie Narbe so fast unsichtbar machte. Doch da fiel ihr Blick, auf das Schwert, dass er am Gürtel trug. Wie konnte das sein? War das die Magie, die sie zuvor gespürt hatte? „Tsume?“, murmelte sie ungläubig und sah ihm nun in die Augen. Er erwiderte ihren Blick mit einer Spur von Unsicherheit. „Tsuki“, wiederholte er. „Ich…“ Bevor er wirklich was sagte brach er ab, ehe er wieder begann: „Ich habe dich, habe euch gesucht… Das Schwert Tsume… Es waren Yurei, die versuchten es zu stehlen. Der, der es schützte ist tot. Deswegen“, murmelte er. „Deswegen habe ich euch gesucht.“ Erneut suchte er nach Worten. „Ich bin froh, dich gefunden zu haben“, meinte er dann und setzte noch unsicher hinzu: „Hast du deine Kameraden gefunden?“ Die Kitsune erwiderte nichts, während das Junge neben ihr Stand und an ihrem Kimono zupfte: „Wer ist das, Tsuki-san? Jetzt sag schon, wer das ist? Kennst du ihn?“ „Ja“, murmelte sie, während sich die beiden anstarrten. „So könnte man es sagen.“ Kapitel 20: Ryuujin ------------------- Damit wären wir zur Überleitung zum letzten Abschnitt der Geschichte angekommen... Ich weiß nicht, was ich sonst noch dazu sagen soll. Außer: Ich liebe Ryuujin! Freue mich wieder über Kommentare~ Nach der Connichi geht's weiter ^-^ ~*~*~ Kapitel 20: Ryuujin Kapitel 20: Ryuujin Noch immer fassungslos sie zu sehen, starrte Ryuujin auf das Mädchen vor sich, das Kind, welches halb hinter ihrem Bein verschwunden war, ignorierend. Ihr Schweigen machte ihn nervös, wo er ohnehin nicht sicher war, was er tun und sagen sollte. Als er das Rascheln und die Stimme hörte hatte er andere Soldaten oder Diebe vermutet. Selbst, als er seinen Namen hörte, waren ihm einige wilde Theorien durch den Kopf gegangen, doch nie hätte er sie, hätte er Tsuki vermutet zu treffen. „Wer ist das denn, Tsuki-chan?“, begann nun das Kind, das dasselbe helle Haar wie Tsuki hatte, erneut, woraufhin sie der Kleinen über den Kopf strich, dabei aber ihm direkt in die Augen sah. „Ein Soldat“, sagte sie dann. „Er hat mir vor einer Zeit sozusagen das Leben gerettet.“ Sollte er jetzt darauf etwas erwidern oder weiterhin schweigen? Er wusste es nicht wirklich und ihr Blick ließ ihn zusammen zucken, als sie sich, da sie sich vorher zu dem Kind gebeugt hatte, aufrichtete und einen Schritt auf ihn zuging. „Tsuki“, murmelte er nur, doch sie sah ihn weiterhin mit durchdringendem Blick an. „Und was hast du jetzt vor?“, fragte sie. Das war eine Wirklich gute Frage, dachte sich Ryuujin, sowohl auf den Moment, als auch auf seine allgemeine Situation bezogen. „Ich“, begann er stockend. „Ich weiß es nicht.“ „Und trotzdem suchst du mich?“, erwiderte sie. „Ja, wie es scheint“, antwortete er nach kurzem Schweigen und sah das Mädchen an, dessen Kleidung genauso durchnässt war wie seine. Er wollte sie berühren, hielt sich aber zurück. „Als ich damals gegangen bin, habe ich euch nicht wirklich geglaubt. Ich hätte nicht einfach so verschwinden sollen.“ Sie zuckte bloß mit den Schultern. „Du hättest mich von Anfang an nicht begleiten müssen.“ Wieder schwieg er. Wie sollte er auf ihre Gleichgültigkeit reagieren? „Ich weiß.“ Daraufhin sah sie ihn fragend an. „Ich denke jedoch, dass es besser gewesen wäre, wenn ich bei euch geblieben wäre“, fügte er hinzu. „Es war dumm von mir, dir nicht zu glauben.“ „Du denkst wie ein Mensch“, stellte sie nur fest, was er wiederum nicht verstand. „Ich will euch, wenn ihr weiterreist, begleiten“, sagte er schließlich, nachdem ihm das Schweigen erneut unangenehm wurde. „Tsume sollte außerdem bei dir oder einem Priester bleiben. Es gehört dem Land.“ Das erste nahm sie nur mit einem Nicken war, ehe sie ihm dann widersprach: „Tsume wird nirgendwo in ganz Eikyû mehr sicher sein – jedenfalls an keinem Ort, den wir im Moment erreichen können. Ich kann kein Schwert führen.“ Dies nahm Ryuujin wiederum nur mit einem Schulterzucken auf. Was sollte er auch sonst tun, brachte er doch kaum ein Wort hervor. „Tsuki-chan“, fing nun das Kind an, was das Mädchen sich zu ihm umdrehen ließ. „Wir sollten zum Schrein zurück“, bestätigte Tsuki, was dem Kind ins Gesicht geschrieben schien, da der Regen nun zunahm. Sie ging ein paar Schritte, blieb dann, als er sich nicht rührte, stehen und drehte sich zu ihm um. „Komm“, forderte sie ihn auf und lief dann weiter. Er sah ihr nach und seufzte tief, ehe er ihr folgte. Was sollte er auch sonst tun? Fukuro sah auf als Tsuki und die kleine Kitsune den Schrein betraten. Sie waren vom Regen völlig durchnässt, schienen sich aber nicht daran zu stören, denn sie waren keine Menschen, sondern Wesen des Waldes. Jedoch waren die beiden, wie er bemerkte, nicht allein, sondern wurden von einem Mann, der auf der hölzernen Veranda des Schreinanbaus, wo die Miko und das Fuchskind lebten, stehen blieb. Da erhoben auch die anderen, abgesehen von der blinden Miko, die Köpfe und sahen zu ihm hinüber, bis über Shens Gesicht der Ausdruck des Erkennens wanderte. Jedoch schwieg auch er. „Wer ist das?“, fragte schließlich Yuki ungehalten, alle Gesetze der Höfflichkeit wie so oft missachtend. Der Mann zögerte, während sich Tsuki bereits auf den Boden nahe der Feuerstelle in der Raummitte gesetzt hatte, um sich zu wärmen, wie es schien. Da wurde Fukuro klar, dass es sich um den Mann handeln musste, von dem die Füchsin ihm in den Katakomben der ewigen Priester erzählt hatte, und er verstand, was sie gemeint hatte. Dieser Mann war kein Mensch. „Tretet ein“, forderte nun die Miko den Mann auf, woraufhin er dies zögernd tat. „Wer ist das, Tsuki?“, wiederholte nun Fukuros Schwester ihre Frage, ganz als ob der Mann nicht selbst für sich sprechen könnte, und sah mit etwas wütenden Blick zur Füchsin, welche wiederum nur dem Mann zunickte. Erneut zögerte er, begann dann jedoch zu sprechen. „Man nennt mich Ryuujin.“ Aufmerksam, jedoch mit einer gewissen Unsicherheit, die nicht zu seinem Gesamtbild passen wollte, sah er in die Runde und musterte sie nacheinander. „Ich bin…“ Er brach ab. „Ich war Soldat.“ Fukuro sah erneut zu seiner Schwester, dessen Gesichtsausdruck ihm sagte, dass ihr diese Antwort nicht reichte. Jedoch schwieg sie nun, so dass es schließlich er selbst war, der die Stimme erhobt: „Was macht Ihr hier, Ryuujin?“ Es kam ihm zu unwahrscheinlich vor, dass er durch Zufall auf Tsuki getroffen war. War er ihnen gefolgt? Erneut zögerte der Mann. „Er wird uns von nun an begleiten“, antwortete Tsuki so statt seiner. „Er führt das Schwert Tsume mit sich.“ Sofort schoss der Blick des Ninja zu der Schwertscheide am Gürtel des Mannes, der ihre Aussage nur mit einem Nicken bestätigte. Wenn das wirklich Tsume war, wie kam es dann in seinen Besitz? Hatte er es gestohlen? Fragend und mit finsterem Blick sah Fukuro zur Füchsin, welche den Blick zwar erwiderte, ihm jedoch nicht antwortete. „Wie kommst du hierher?“, fragte Shen schließlich und richtete sich auf, da er vorher auf einer Bambusmatte auf dem Boden gelegen hatte. Er war noch immer nicht recht bei Kräften. „Seit ich Tsume gefunden habe, bin ich auf der suche nach euch gewesen“, erwiderte Ryuujin. „Ich bin vor einem Tag zu dieser Stadt gekommen.“ Er machte eine Pause. „Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, Tsuki… Euch zu finden.“ Niemand erwiderte etwas. Stattdessen musterten Fukuro und Yuki ihn weiterhin misstrauisch. Sollte es wirklich ein Zufall sein? Dem Ninja fiel auf, wie der eigentlich auf den Boden gerichtete Blick des Soldaten immer wieder in Richtung der Kitsune wanderte, und es machte sich das Gefühl in ihm breit, dass diese ihnen etwas verschwiegen hatte. Schließlich war es die Miko, die das Schweigen brach. „Ich werde euch allen etwas Warmes zu Essen machen. Es wird kalt und der Soldat ist sicher hungrig.“ Während es draußen durch die Wolken bereits stockfinster war, saß Tsuki an der halbgeöffneten Schiebetür, die auf die Veranda des Anbaus führte und sah in den Wald hinaus. Noch immer regnete es in Strömen, gar so, als würde dies von nun an auch so bleiben, denn der Regen hatte seit dem Nachmittag kein bisschen nachgelassen. Die Miko, Yuki und Shen schliefen bereits, ebenso das Fuchswelpe, dass sich in seiner richtigen Gestalt am Feuer zusammengerollt hatte. Der Ninja hatte sich zwar zur Ruhe gelegt, beobachtete im Augenblick aber noch seine schlafende Schwester, wie er es jeden Abend tat, seitdem sie sie wieder gefunden hatten. Derweil brauchte die Füchsin sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass der ehemalige Offizier, der immer noch am Feuer kniete, sie anstarrte, wie er es auch schon damals, als sie zusammen reisten, jede Nacht getan hatte. Doch sprechen tat er auch jetzt nicht, wenn sie ihn darauf ansprach, weshalb auch sie schwieg und weiterhin in die Dunkelheit sah. Sie wurde aus diesem Mann, der wahrscheinlich nicht einmal wirklich einer war, nicht klug. Er verwirrte sie mehr, als es ihr lieb war, mehr, als es gut war. Es wurde mit jedem Tag kälter, das spürte sie, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob diese Empfindung durch den zunehmenden Regen kam. Trotzdem ließ es sich nicht verleugnen, dass es Herbst war und die Bäume nach und nach ihre Blätter verloren. Irgendwann, allzu lang würde es nicht mehr hin sein, würde der Winter hereinbrechen und den Regen in Schnee verwandeln. Dann wäre es ihnen nicht mehr möglich weiter zu reisen, da zumindest Fukuro und Shen mit der Kälte zu kämpfen hätten. Doch wenn Shen seine Einstellung nicht bald änderte, wäre es ohnehin das Beste, wenn er hier blieb. Noch immer fürchtete Tsuki, dass seine einzige Motivation, warum er bei ihnen blieb, war so sterben zu können. Sie seufzte und richtete sich auf, wobei ihre Hand jedoch automatisch zu ihrem Arm wanderte, an dem sie noch immer eine Wunde aus dem Wald, den sie niedergebrannt hatte, spürte. Dann jedoch entspannte sie sich wieder und sah kurz in den Raum hinein, ehe sie nach draußen und zum Tempel ging. Sie musste erneut mit ihrer Göttin sprechen, auch wenn sie den Eindruck hatte, dass deren Stimme mit jedem Mal undeutlicher wurde. Verstand sie sie nicht mehr, oder würde letzten Endes auch Inari schlafen müssen, wie die anderen Götter es bereits taten? Was würde passieren, wenn auch die letzten Götter Eikyû verließen? Was würde dann aus den Menschen werden? Erneut seufzte sie, denn sie wusste, dass sie irgendwann alle gehen mussten. Die Nacht verging durchzogen vom lauten prasseln des Regens auf dem Dach des Schreines und dem Rauschen der verbliebenen dem Wind trotzenden Blätter. Auch am Morgen, als Ryuujin erwachte, regnete es noch. Er fasste sich an den schmerzenden Kopf. Auch die letzte Nacht war – obwohl er hier im Tempel genächtigt hatte – von diesen merkwürdigen Träumen, die er seit dem Aufenthalt im Gebirge hatte, durchzogen gewesen. Wieder schmerzte seine Schulter dort, wo das Mal war, als würde dieses in Flammen stehen. Als er sich aufgerichtet hatte, sah er sich im Raum um. Das weißhaarige Mädchen und Shen schienen noch zu schlafen, von der Miko, der kleinen Füchsin und Tsuki fehlte jede Spur. Nur Fukuro saß an die Wand gelehnt und sah zu ihm mit einem einschätzenden Blick hinüber, machte aber keine Anstalten etwas zu sagen. „Wo ist Tsuki?“, fragte Ryuujin schließlich an den jungen Mann gewandt. „Sie ist nach draußen gegangen“, antwortete dieser nur. „Ich nehme an, dass sie betet.“ Daraufhin stand der ehemalige Offizier auf und nickte dem Jüngeren zu, bevor er zur Schiebetür ging und den Raum verließ. Draußen war es noch dämmerig und im Gegensatz zu dem Raum, in dem die ganze Nacht hindurch das Feuer gebrannt hatte, war es sehr kühl. Das Holz des Rundgangs war feucht und glitschig von dem anhaltenden Regen, weshalb er ruhigen Schrittes ging. Jedoch sah er die Fuchsfrau schon, bevor er den eigentlichen Schrein erreicht hatte. Sie stand an einen Baum gelehnt im Wald und sah in das kahle Geäst hinauf, wobei ihr Haar und ihr mittlerweile zerschlissenes Gewand bereits wieder durchnässt war. Wie schon am Tag zuvor blieb sein Blick an ihr haften, ohne dass er den Grund verstand. Schließlich sah sie zu ihm hinüber. „Was ist?“, fragte sie in neutralem Tonfall. Er schüttelte nur den Kopf und zuckte mit den Schultern. Dann machte er einen Schritt von der Veranda herunter und ging auf sie zu, auch wenn er nicht wusste, was er dann machen sollte. Als er näher kam, blieb sein Blick an ihren Augen hängen. Goldene Augen, schoss es ihm, der er ja erst gerade erwacht war, durch den Kopf. Goldene Augen, wie er sie in den Nächten, wenn diese merkwürdigen Träume ihn wieder den Verstand zu rauben drohten, sah. Waren es wirklich ihre Augen? War das vielleicht der Grund, warum sie ihn so furchtbar verwirrte? Ihr Blick hielt dem seinen stand. „Was ist, Ryuujin?“, fragte sie erneut. „Ich wollte mit dir reden“, antwortete er, wenngleich er sich dessen nicht wirklich sicher war. „Worüber?“ Noch immer sah sie ihn fest an, so wie es normalerweise Krieger taten. Das war eine wirklich gute Frage, musste er in Gedanken zugeben, ehe er sich jedoch wieder fing. „Du hast mir von einem Oni erzählt, namens Raiu Akki“, begann er. „Bevor ich in diese Stadt kam, traf ich ihn.“ „Wir hatten ihn verfolgt, verloren ihn aber dann“, entgegnete sie. „Was geschah?“ „Er kämpfte gegen mich“, antwortete er und wich nun ihrem Blick doch aus, da das Durchdringende in diesem ihm Angst machte. „Seine Absicht war es wohl, mir Tsume abzunehmen, doch er verlor und verschwand“, erklärte er weiter ohne weitere Ausschmückungen. „Verschwand?“ Die Kitsune horchte auf. „Ja, er verschwand.“ Ryuujin erinnerte sich noch genau an die Blitze, die vor ihm auf den Boden hinab zuckten, bevor der Dämon auf einmal verschwunden war. „Raiu Akki konnte die Blitze kontrollieren. Seine Macht ist sehr groß. Es war beängstigend.“ Zur Antwort nickte sie nur. „Wir haben diese noch nicht zu spüren bekommen. Zum Glück“, erwiderte sie. „Das Schicksal scheint zumindest soweit auf unserer Seite zu stehen, dass wir alle noch leben und wir uns wieder gefunden haben.“ „Raiu Akki sprach von dir, daher nahm ich an, dass ihr in der Nähe seid, doch ich hätte tatsächlich nicht geglaubt dich zu treffen“, murmelte er und musterte sie. „Vielleicht war auch das Schicksal“, erwiderte Tsuki. „Du bist verletzt, nicht?“, stellte er fest, als er bemerkte, dass ihre Hand wie am Abend zuvor, als er sie beobachtete, an ihren rechten Arm wanderte. „Es ist nichts schlimmes“, antwortete sie. Daraufhin schwieg er. Noch immer war der Offizier sich nicht sicher, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte und warum sie ihn so verunsicherte. Nach einer Weile erhob er jedoch erneut die Stimme, um das Schweigen zu brechen. „Wann wollt ihr aufbrechen.“ Sie senkte den Blick. „Wir haben nicht viel Zeit“, murmelte sie. „Aber wir sollten morgen aufbrechen. Die anderen – grade Fukuro und Shen – brauchen Zeit um sich auszuruhen.“ Ihr Zweifeln daran, ob es sinnvoll war, wenn die beiden Menschen weiterhin mit ihnen reisten war ihrer Stimme zu entnehmen, doch Ryuujin ging nicht darauf ein. Er kannte sie nicht wirklich. So nickte er nur und erneutes Schweigen machte sich zwischen ihnen breit. Wieder kämpfte er gegen den Drang an sie berühren zu wollen. „Tsuki“, murmelte er und streckte schließlich die Hand nach ihrem Arm aus. Ihre Haut war warm. „Was ist?“, fragte sie erneut. Es war wirklich dumm von ihm gewesen, damals zu gehen, stellte er erneut fest. Wahrscheinlich jedoch war es ebenso dumm gewesen, die Stadt Unaru zu verlassen, um diesem Mädchen zu helfen. Wieder kamen ihm die Bilder aus dieser Nacht in die Erinnerungen – was wäre gewesen, wenn der Schrecken ihn nicht zurück gehalten hätte? Er wusste es und es wäre damals normal für ihn gewesen, war es eigentlich auch jetzt. Trotzdem war da diese andere Art von Begehren in ihm, wenn er die Füchsin beobachtete. Da war der Wunsch, sie in den Arm zu nehmen. Dummkopf, strafte er sich selbst in Gedanken und zog die Hand zurück. „Nichts“, erwiderte er und wandte sich ab. „Wir sollten ins Gebäude zurück, es sei den Füchse frieren nicht und brauchen keine Ruhe“, meinte er und ging zurück in den Raum, wo auch die anderen beiden bereits erwacht waren und er wieder mit misstrauischen Blicken beobachtet wurde. Kapitel 21: Geisterfieber ------------------------- Ich melde mich auch mal wieder zurück mit meinem aktuell doch langsamen Schreibtempo hier, gegenüber den FanFics von mir. Wie auch immer, das nächste Kapitel ist da, es geht auch Handlungstechnisch langsam mal weiter. :D Vielmehr bleibt mir nicht zu sagen außer vielleicht noch: Viel Spaß mit dem Kapitel ^-^ Ach ja: Und schaut mal beim Wettbewerb vorbei - da gibt es tolle Bilder. Danke noch mal an von dem das aktuelle Raiu Akki Bild stammt ^-^/ ~*~*~ Kapitel 21: Geisterfieber Es war der nächste Morgen, der Tag an dem sie aufbrechen wollten, doch im Moment war niemand so recht in Aufbruchsstimmung. „Tsuki-chan“, fiepte Kaede, die kleine Kitsune, die am Nachtlager der älteren Fuchsfrau saß und sich, wie auch die Miko, Fukuro und Ryuujin über sie gebeugt hatten. „Was ist mit ihr?“, fragte letzterer, während sein Blick fest am heftig geröteten Gesicht der Füchsin haftete, welches sich immer wieder vor Schmerzen verzog. Unbewusst berührte er ihre Hand. Sie glühte förmlich. Die Miko schüttelte den Kopf. „Sie hat hohes Fieber.“ „Aber wie…“, begann Fukuro. „Wie kann ein Geist Fieber haben?“ „Es ist eine Abwehrreaktion auf irgendetwas“, erwiderte die Blinde. „In ihrem Fall vielleicht auf einen Zauber oder etwas Ähnliches.“ Erneut sah Ryuujin auf das Gesicht der Füchsin, als ihm plötzlich etwas einfiel. Ein weiteres Mal griff er nach ihrer Hand und schob den Ärmel ihres Gewandes hinauf, hatte er doch am Vortag mehrmals beobachtet, dass ihre Hand an den rechten Oberarm wanderte und sich in ihrem Gesicht für einen kurzen Augenblick immer wieder Schmerzen widerspiegelten. Und tatsächlich war der gesamte Arm von merkwürdigen Malen, fast wie Verbrennungen, überzogen. „Was ist das?“, fragte das kleine Fuchsmädchen ängstlich. „Die Jabokko“, murmelte Fukuro. „Die Bäume haben sie dort verletzt.“ Der ehemalige Offizier sah ihn fragend an, während die Miko über die Male am Arm der Füchsin tastete. „Jabokko, sagst du?“, erkundigte sie sich dann. Das Ninja nickte. „Kurz bevor wir zu dieser Stadt kamen, führte uns unserer Weg in einen Wald, dessen Bäume wohl alle einen Groll auf das Leben hegten. Sie brannte den Wald nieder, aber zuvor trafen sie einige der Ranken.“ Weiterhin den Arm der Füchsin entlang tastend nickte die Priesterin bedächtig. „Ich weiß nicht, was es ist“, sagte sie dann. „Aber ihr Arm ist von einem Zauber umgeben und dieser Zauber scheint ihren Geist gefangen zu halten.“ „Ihren Geist?“, fragte Ryuujin. „Sie ist kein Mensch“, erwiderte die Miko. „Sie ist ein Fuchsgeist, fähig sich in einen menschlichen Körper zu kleiden und diesen frei nach ihrem Willen wieder abzulegen. Doch so ist sie in dem Körper gefangen.“ Verständnislos sah Ryuujin sie an. Zwar wusste er, dass es sich bei dem Mädchen um eine Kitsune handelte, doch hatte er die Existenz der Geister nie ganz begriffen, hatte er sie, wie die meisten Menschen, doch meist verleugnet. Auch verdrängte er die meiste Zeit, dass das Mädchen kein Mensch war. „So kann sie zumindest nicht weiterreisen“, stellte Fukuro fest und setzte sich etwas zurück. Kurz herrschte Schweigen und der ehemalige Offizier betrachtete weiterhin das Gesicht der Füchsin, dass durch das Fieber gerötet war, wobei er den Wunsch in sich fühlte, ihr die schweißnassen Haare von der Stirn zu streichen, doch er verdrängte den Gedanken wieder. „Wird sie wieder gesund?“, fragte nun Kaede, die sich auf der anderen Seite über Tsuki beugte. „Das kann ich nicht sagen“, erwiderte die Miko. „Damit kenne ich mich mit Zaubern dieser Art zu wenig aus. Sie kämpft, sonst hätte sie kein Fieber, das ist alles was ich weiß. Aber auch wenn sie kämpft, kann es Wochen dauern, bis sie aufwacht.“ Niemand erwiderte etwas. Nur Ryuujin starrte weiter in das Gesicht der Fuchsfrau, während Fukuro sich nun ganz von ihnen weg und zur Feuerstelle setzte, wo auch Yuki und Shen saßen und die Flammen anstarrten. So wenig der Offizier auch über diese Gruppe wusste, so wirkten sie kaum, als würden sie von alleine weiterreisen. Fukuro starte in die züngelnden Flammen, während das Geräusch des Regens von draußen schwach in sein Bewusstsein drang. In Gedanken versunken nahm er selbst seine Schwester, die ihm immer wieder fragende Blicke zuwarf, kaum war, auch wenn dieselben Fragen, die sie ihm stellen wollten, ihn auch so quälten. Was sollten sie jetzt tun? So sehr er sich auch seit ihrem Wiedersehen gegen sie, nein, eigentlich gegen diese Reise an sich, verhärtet hatte, so war er von der Füchsin abhängig, wie es auch Shen und Yuki waren. Ohne sie wären sie auf dieser Reise nicht so weit gekommen, ohne sie wäre er wahrscheinlich in Pengguo gestorben. In seinen Gedanken hatte er Tsuki dafür verantwortlich gemacht, dass es überhaupt dazu gekommen war, dass Raiu Akki sie als Bedrohung empfand. Sie hätten ihn niemals gefunden, hätte sie sie nicht geführt. Aber was wäre dann geworden? Seufzend warf Fukuro der Füchsin einen Blick zu. Er kannte die Legenden, doch er hatte wirklich kaum daran geglaubt, bis sie nach Hayashimura kamen. Was sollte die Macht aller Relikte sein? War das vielleicht nicht nur ein Mythos? Sicher, jedes Relikt für sich, gab seinem Besitzer Macht, doch glaubte der junge Mann nicht daran, dass ihre Vereinigung etwas Göttliches darstellte. Und trotzdem war der Gedanke an einen Dämon, der alle Relikte besaß, beängstigend. Trotzdem: Nach alle dem, was er gesehen und erlebt hatte, glaubte er nicht, dass die Oni diese Macht brauchten. Die ungläubigen Menschen, die nicht mehr auf einen Angriff durch Magie vorbereitet waren, waren ihnen auch so ausgeliefert. Und sie? Raiu Akki hatte Yuki von Anfang an versucht auf seine Seite zu ziehen und er hätte dieselben Methoden, die er jetzt gebraucht hatte, wohl auch anders gebraucht, allein um ihm als Menschen eins auszuwischen. Sicher hätte es den Oni gefreut zu sehen, wie die Schneefrau Fukuro tötete. Damit hatte Tsuki nichts zu tun. Und jetzt waren sie hier. Die ganze letzte Zeit hatten sie kaum miteinander gesprochen und jeder war mit seinem eigenen Elend beschäftigt gewesen. Jeder auf seine Weise. Seit sie wieder in Eikyû waren, hatte Tsuki sie nur noch vorangetrieben. Ja, sie hatten diese Reise begonnen und sollten sie auch zu Ende bringen, doch er war sich nicht sicher, ob das überhaupt noch möglich war. Sie hatten Angst, sie hatten alle Angst vor etwas, auch wenn der Ninja sich nicht sicher war, worum es sich dabei bei Shen handelte, der ihm mit leerem Blick gegenüber saß. „Was hast du, Fukuro?“, fragte Yuki nun, die ihn nun schon eine Weile ansah. Er zuckte mit den Schultern. „Ich denke darüber nach, wie es weitergehen soll.“ „Vielleicht sollten wir einfach nach Shimakuni zurückkehren“, erwiderte seine Schwester leise. Darauf sagte er nichts. Vielleicht war es, weil er wusste, dass es dort nichts gab, zu dem sie zurückkehren konnten, doch einer Sache war er sich sicher: Es war nicht richtig. Es war nicht richtig stehen zu bleiben und genau so wenig, war es richtig umzukehren. „So kann sie uns nicht führen“, murmelte Shen, der scheinbar zugehört hatte. Fukuro schüttelte den Kopf. Es hatte keinen Sinn so weiterzureisen. „Wir werden Raiu Akki nicht mehr finden, allerhöchstens findet er uns. Es wäre nicht gut hier zu bleiben.“ „Dann kehren wir um?“, fragte Yuki hoffnungsvoll, doch ihr Bruder schüttelte den Kopf. „Nein, ich werde nicht umkehren“, murmelte er nach kurzem Schweigen und sah zu dem Wolkenkrieger. „Du hattest eine Nachricht, die du überbringen solltest“, sagte er. „Das ist das einzige, was wir tun können.“ Derweil saß Ryuujin, der die gedrückte Stimmung im Schrein nicht länger ertragen hatte, auf der nassen Veranda und starrte in den Regen. Es war schon fast ironisch wie es gekommen war, nachdem er sie gefunden hatte. Jetzt war er hier, wegen ihr und nicht wegen der Gruppe, die er ja nicht einmal kannte, und sie war ohnmächtig, wenn man es denn so bezeichnen könnte. Sie wussten nicht einmal wann und ob sie wieder aufwachen würde. Und was sollte er jetzt tun? Wenn er hier blieb brachte er sie durch Tsume zwangsläufig in Gefahr. Nicht nur sie, sondern auch die Miko und das Fuchskind. Also würde er weiterziehen – doch wohin? „Stimmt es, was Tsuki-han sagte?“, erklang auf einmal eine Stimme neben ihm, als Kaede nach draußen trat und sich einfach neben ihn setzte. „Was?“, fragte er verwirrt, hatte das Mädchen ihn doch unsanft aus seinen Gedanken gerissen. „Dass du ihr das Leben gerettet hast“, erklärte es mit frechem Blick. Daraufhin schwieg er. Das Leben gerettet? Ja, dass hatte die Füchsin gesagt, doch über die Wahrheit dieser Worte konnte man streiten. So schnell wäre sie wohl nicht umgekommen in dem Bordell. „Wie man es nimmt“, murmelte er nur. „Was meinst du?“, fragte Kaede daraufhin. Wie sollte er das einem Kind erklären? „Das kann ich dir nicht sagen.“ „Wieso nicht?“, stocherte sie weiter, bekam jedoch ein Schulterzucken anstatt einer Antwort. Eine kurze Weile schmollte sie daraufhin schweigend, ehe sie jedoch erneut zu fragen begann. „Willst du ihr nicht helfen?“ Er sah das Kind an. „Ich wüsste nicht wie“, antwortete er. „Du bist kein Mensch, oder?“ Sofort wandte er den Blick wieder ab. „Das weiß ich nicht“, antwortete er nur und sah mit einem leiden Seufzen auf seine Hände, die keine Spuren von seinem Kampf gegen Raiu Akki zeigten. Nein, er war kein Mensch, doch was er war würde er wahrscheinlich nie herausfinden – damit hatte er sich mittlerweile abgefunden. Vielleicht war es so etwas wie sein Schicksal, dass seine Erinnerungen auf ewig leer blieben. „Willst du ihr wirklich nicht helfen?“, fragte das Kind nach einer Weile wieder. „Ich würde, wenn ich könnte“, erwiderte er. „Aber was soll ich tun. Ich kann ihre Krankheit oder was auch immer es ist nicht heilen. Deine Miko kann es auch nicht und ich verstehe nicht einmal etwas von Magie oder…“ Unsicher brach er ab. Er hatte ja nicht einmal wirklich verstanden, was mit der Füchsin geschah. Da trat die Blinde in die halbaufgeschobene Tür und blickte – wenn man es so sagen konnte – in ihre Richtung. „Füchse können ihr vielleicht helfen.“ „Füchse?“, fragte Ryuujin. „Wenn sie sich nicht selbst von dem Zauber befreien kann“, begann die Priesterin. „Können es vielleicht andere Füchse.“ „Wie meinst du das?“, fragte nun auch Kaede verwirrt. „Ich kann nichts tun.“ „Nein, du nicht.“ Die Miko schüttelte leicht den Kopf. „Doch es gibt in Tengaio noch einen mir bekannten Ort, wo Yokai zusammen mit Menschen leben. Im Osten, an der Küste des Reiches liegen die Tempel von Tenkyou. Dort leben auch einige Füchse und weise Menschen, die die Magie noch nicht vergessen haben.“ „Was wollt Ihr mir damit sagen?“, fragte der ehemalige Offizier vorsichtig. „Man kann ihr dort vielleicht helfen“, erwiderte die blinde Frau. „Und wenn du ihr helfen willst: Bring sie dorthin. Das ist alles, was du für sie tun kannst. Was wir für sie tun können.“ Kapitel 22: Getrennte Wege -------------------------- So, das nächste Kapitel ist - dieses Mal ein wenig schneller - fertig :D Dafür weiß ich nicht, wann das nächste Kapitel kommt, da nun erst einmal NaNoWriMo ist und ich daher im November wohl eher nicht weiterschreiben werde. KA, wir werden sehen xD" Ansonsten muss ich noch hinzufügen, dass ich die FAs unten weiter ergänzt habe, da vom Wettbewerb einige Bilder dazu gekommen sind. Danke noch mal an , , , und :D Viel Spaß mit dem Kapitel! ________________________________________________________________ Kapitel 22: Getrennte Wege Noch immer prasselte der Regen unaufhörlich auf das Dach des Schreins und den Wald und riss die letzten an den Ästen verbliebenen Blätter von den Bäumen. So wie das Wetter schon anhielt, konnte man meinen, die Götter wollten das Reich nun ganz ertränken – eine nicht einmal zu vage Annahme und auch der entfernte Donner hob die düstere Stimmung, die sich über Fukuro, Shen und Yuki gelegt hatte, nicht. Obwohl sie den Schrein erst grade verlassen hatten und sich, ohne große Worte des Abschieds, nun auf den Weg in Richtung der Reisfelder unterhalb des Waldes machten, waren Fukuros Kleider schon völlig durchnässt und er wusste, dass es den anderen beiden nicht anders ging. Ein Blick zur Seite in ihre unmutigen Gesichter verriet ihm dasselbe, was sie Tsuki wohl schon die ganze Zeit verraten hatten. Sie hielten den Weg für zu beschwerlich und sinnlos, auch wenn er ihnen freigestellt hatte, ob sie ihn begleiteten oder nicht, war er sich doch seiner Sache selbst nicht sehr sicher. Er tat das, was er für richtig hielt. Nein, nicht einmal das. Er tat, was er für nötig hielt und was sie, so dachte er nun, die ganze Zeit hätte tun sollen. Wieso war es die ganze Zeit ihr einziges Ziel gewesen, Raiu Akki zu finden? Er hatte die Namida gestohlen und ihre Familie, ihren Klan getötet. Deshalb. Vielleicht war es kein wirklicher Rachedurst gewesen, der ihn getrieben hatte. Aber die Angst um das eigene Leben und um das seiner Schwester, deren wütende Blicke er die ganze Zeit im Nacken spürte. Sie hielt seine Idee für blödsinnig. Als Tsuki am Morgen zuvor nicht aufgewacht war, war für sie die Reise zuende Gewesen, das war ihm klar. Yuki wollte in Ruhe leben, ihr war es egal, was mit den Menschen passierte, auch das wusste er. Außerdem glaubte sie – wie auch Shen – dass ihnen Niemand Glauben schenken würde. Sie wollte nicht weiterreisen, doch sie tat es trotzdem, aus Angst sich von ihm zu trennen. Kurz warf er ihr einen weiteren Seitenblick zu. Ihr langes, weißes Haar klebte ihr feucht im Nacken und sie wandte sich ab, als sie seinen Blick bemerkte. Am Tag zuvor, als er ihr gesagt hatte, was er vorhatte, als er sich sicher war, dass er es tun würde, weil er es musste, hatte sie ihn angeschrieen und schimpfend versucht ihn eines besseren zu belehren, doch er hatte sich nicht belehren lassen und schließlich hatte sie schmollend aufgegeben. Warum Shen jedoch weiterhin bei ihnen blieb, war ihm ein Rätsel. Wie schon die ganze Zeit, wirkte er nicht mehr sonderlich überzeugt von dem Auftrag, den er erhalten hatte, und noch weniger davon, dass eine Reise allgemein Sinn machte. Er folgte ihn einfach. Vielleicht weil es sein Auftrag war, den Fukuro nun verfolgte, vielleicht auch nur, aus Angst alleine weiter zu ziehen. Vor ihnen lichtete sich der den Weg umgebende Wald und gab den Blick auf die Reisfelderanlagen, die komplett überflutet waren, frei. Auch der Pfad am unteren Waldrand entlang war mit Wasser bedeckt, fast so hoch, wie Fukuros Hand breit war. Doch es würde kaum einen Unterschied machen – sie waren ja ohnehin schon durchnässt und würde das Wetter halten, würde sich dieser Zustand auch nicht verbessern. In seine eigenen Gedanken vertieft, zuckte er mit den Schultern, als er den ersten Schritt in die Wasserlache machte. Er hoffte, dass man ihnen zumindest zuhören würde, wenn sie am Hof von Tengaio ankommen würden. Wenn nicht, wusste er wirklich nicht, was sie noch tun konnten. Allein würden sie nicht gegen die Oni ausrichten. Niemals. Auch Ryuujin war zum Aufbruch bereit, wenngleich auch ihm der Gedanke an den strömenden Regen nicht gefiel. Was blieb ihm anderes übrig? Nun, eigentlich viel, doch er selbst ließ sich keine Wahl. Am heutigen Morgen ging es der Kitsune scheinbar noch schlechter als am Tag zuvor und auch, wenn sie laut der Miko nicht sterben würde, war da diese Besorgnis, die ihn einfach nicht losließ. Die kleine Füchsin Kaede, die nun seit den frühen Morgenstunden schon winselnd bei dem Mädchen saß, verbesserte dies auch nicht. Er seufzte, als er sich den zerschlissenen Lederbeutel, den die Miko ihm gegeben hatte und den er mit wenigen Vorräten, für die zum Glück nicht all zu weite Reise gefüllt hatte, um die Schultern hängte. Zumindest wären die Nahrungsmittel so zumindest halbwegs vor der Feuchtigkeit geschützt. Schließlich streckte er sich und sah sich um. Noch immer saß Kaede an Tsukis Seite, so dass er innerlich schon befürchtete, dass die kleine darauf bestehen würde, ihn zu begleiten. Ein kleines ihm hinterher rennendes Kind – Fuchs hin oder her – hätte ihm grade noch gefehlt, auch wenn die Miko es der Kleinen wohl verbieten würde. Zum Glück. „Dann wirst du jetzt gehen?“, fragte die Miko, die in einer Ecke des Raumes saß, seit sie aus dem eigentlichen Schrein zurückgekehrt war, wo sie, wie jeden Morgen, nach dem Rechten gesehen hatte. „Ja“, erwiderte er nur leise und richtete sich auf. Tsume war an seinem Gürtel befestigt und auch der Beutel war bestmöglich befestigt. Am meisten Sorgen machte es ihm, dass er Tsuki die ganze Zeit würde tragen müssen, was auf Dauer auch für ihn anstrengend werden würde und dafür Sorgen würde, dass er nur langsam vorankam. Wäre sein Pferd nicht in den Bergen geflohen – ja, dann sähe das ganze wohl anders aus, aber dann wäre er auch nicht auf Tsume gestoßen. Nun, jedenfalls hatte er kein Pferd mehr und auch nicht das Geld, um sich eines zu kaufen. Als Fremder würde man ihm auch nirgendwo eins leihen, wo er mit dem ohnmächtigen Mädchen ohnehin ein sehr mehrdeutiges Bild abgeben würde. Schließlich hob er Tsuki, so vorsichtig wie nur irgend möglich hoch und legte sie über seine linke Schulter. Das war die einzige Möglichkeit, sie zu tragen, solange sie ohnmächtig war. Kaede verzog das Gesicht, sagte aber nichts, bis Ryuujin schließlich zur halbaufgeschobenen Tür ging und sich noch einmal zu ihnen umdrehte. „Ich gehe“, murmelte er. „Ich danke, dass ihr… uns… für die vergangenen Tage Unterkunft gewährt habt.“ Ein Nicken war die Antwort der Miko, während das Kind zu ihm lief. „Sie wird wieder gesund?“, fragte sie leise. Daraufhin seufzte er nur. „Ich weiß es nicht“, murmelte er, ehe er hinaus in den Regen trat. Es war beinahe Abend, als der Regen langsam nachließ und ein Gefühl der Erleichterung in Fukuro aufkommen ließ. Den ganzen Tag waren sie, fast nur schweigend, nebeneinander hergelaufen über die auch nach den Reisfeldern oft überfluteten Wege. Sie liefen schon eine ganze Weile über einen Waldweg in Richtung Norden, wo, soweit Fukuro wusste, die Hauptstadt Tengaios lag: Ichimori. Viel mehr wusste er nicht. Genau so wenig, wie den Weg. Sie würden fragen müssen, sobald sie in eine größere Ortschaft kamen. Jedoch war seine Hoffnung erst einmal, die nächste größere Handelsstraße zu finden, die nach Norden führte, da eine solche sie zumindest sicher in die Nähe der Stadt führen würde. Bedrückt sah er zu dem immer noch bewölkten und sich zunehmend verdunkelndem Himmel hinauf. Die Nacht würde bald herein brechen und hier gab es keinen trockenen Ort, wo sie rasten konnten. Sie hatten sich nun mehrere Tage lang ausgeruht und es wäre so am klügsten, würden sie die Nacht weiterlaufen, sofern sie keine Höhle oder ähnliches fanden, wo sie sich geschützt ausruhen konnten. Zumindest hatten sie ihre Vorräte nun wieder aufgefüllt und auch etwas Geld bei sich, dass ihnen die Miko gegeben hatte. Es würde nicht für viel reichen, aber vielleicht konnten für wenig Geld sie in Stallungen oder Scheunen übernachten. Wenn Yuki nur ihr Haar verbarg um die Leute nicht zu schrecken. Er seufzte. Seine Schwester strafte ihn nun schon den ganzen Tag mir eisernem Schweigen und Ignoranz, was sich wahrscheinlich auch nicht bessern würde und ihn auf eine gewisse Art und Weise verletzte. Aber was sollte er tun? Sie war seine Schwester und begleitete ihn freiwillig, auch wenn sie ihn offensichtlich nicht verstand. Jedoch hoffte er, dass sie es irgendwann noch lernen würde. „Es wird dunkel“, stellte er fest, um das ewige drückende Schweigen zu brechen. „Ja“, antwortete Shen nur. „Wir sollten vielleicht rasten.“ Fukuro schüttelte den Kopf. „Nein“, meinte er und äußerte seine Bedenken von zuvor. „Ich denke es ist nicht gut, wenn wir rasten.“ Er warf dem anderen Mann einen Seitenblick zu. „Wir finden hier nirgendwo Schutz und der Boden ist nass und dreckig.“ „Oh, ich glaube es ist kaum möglich, dass wir noch nässer werden, als wir eh schon sind“, erwiderte Yuki mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme. „Und was tut schon der Dreck?“ „Aber wir sind am Wegesrand schutzlos.“ Er wusste, dass seine Schwester ihm nur widersprach, weil sie sauer auf ihn war. Trotzdem ahnte er, dass sie darauf aus war, wirklich mit ihm zu streiten, was die Stimmung nicht heben würde. „Und?“, kam prompt ihre Antwort, die seine Vermutung bestätigte. Daraufhin seufzte er nur. „Yuki“, meinte er und blieb kurz stehen. „Solange wir noch nicht zu erschöpft sind, wird es besser sein, wenn wir in anbetracht des Wetters weitergehen. Ich will nicht streiten, das weißt du.“ Er sah sie an, ehe er „Hoffe ich“ hinzufügte. Widerwillig verzog sie das Gesicht und es zeichnete sich ab, dass sie nach einer Antwort suchte. „Ihr müsst mich nicht begleiten“, fuhr der junge Ninja daraufhin fort. „Das habe ich euch gesagt. Ihr könnt hier bleiben, ihr könnt umkehren, ganz wie ihr wollt. Aber ich werde nach Ichimori zum Fürsten gehen.“ Nun wandte auch er den Blick von seiner Schwester ab, da er zugeben musste, dass er sich absolut nicht von ihr trennen wollte. Doch wenn sie es für das beste für sich selbst hielt, sollte sie es tun. Langsam verstand er auch, wie sich Tsuki die letzte Zeit gefühlt haben musste, seit sie aus Pengguo zurückgekehrt waren. Die ganze Zeit hatten sie sie angeschwiegen und es musste für sie ersichtlich gewesen sein, dass niemand von ihnen vorhatte weiterzureisen, ebenso wie die zunehmende Abneigung, die sie ihr entgegen gebracht hatten, es für sie sicher nicht leichter gemacht hatte. Aber er war sich bis jetzt nicht einmal sicher, warum sie sich ihnen damals angeschlossen hatte und soweit mit ihnen gereist war. Nur wusste er, dass er für seinen Teil nicht gerecht zu ihr gewesen war. „Wieso, Fukuro?“, begann Yuki nun erneut. „Warum willst du das tun? Sag es mir!“ Es waren fast dieselben Worte wie am vergangenen Tag und viel mehr, als zuvor konnte er auch jetzt nicht antworten. „Weil es das richtige ist“, antwortete er. „Wenn wir uns einfach verstecken werden viele Menschen sterben.“ „Was gehen mich die Menschen an?“, entgegnete sie. „Ich gehöre nicht zu ihnen. Sie haben mich immer abgelehnt!“ Erneut wandte er sich ab. „Dann kannst du gehen“, murmelte er leise, sich selbst für diese Worte hassend. „Aber ich bin ein Mensch und selbst wenn ich schon viele getötet hab, weiß ich das Leben zu achten.“ „Fukuro…“, hauchte sie ungläubig, bis sie sich wieder fing. „Ist es wegen dieser Frau? Wegen Tsuki?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, es ist meine eigene Entscheidung. Es hat mit ihr nichts zu tun, aber ich denke, dass wir die ganze Zeit schon hätten versuchen müssen, die Menschen zu warnen.“ Nun mischte auch der mittlerweile so schweigsame Shen sich ein. „Und wenn sie uns nicht glauben? Du warst es selbst, der es für unwahrscheinlich hielt, dass sie mir zuhören.“ „Ja.“ Fukuro zuckte mit den Schultern. „Aber langsam werden sie uns glauben müssen. Du weißt, wie es in…“ Kurz brach er ab, da er sich nicht sicher war, wie er fortfahren sollte. „Wie es in deiner Heimat aussah und ich denke, dass es hier teilweise ebenso weit gekommen ist. Auch hier sind schon Menschen gestorben, wegen dieses Krieges und entweder sehen sie, dass sie im Krieg sind oder sie sterben.“ „Menschen sind so dumm“, knurrte Yuki leise, stand aber immer noch bei ihnen. Schließlich seufzte Shen mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht. „Vielleicht hast du Recht“, murmelte er. „Es war eigentlich auch meine Aufgabe… Deswegen bin ich hier. Jedenfalls war das so…“ „Ich weiß“, erwiderte Fukuro nur, bevor er sich ohne ein weiteres Wort umwandte und weiterging, wobei er hörte, wie die beiden anderen ihm folgten. Er war sich selbst nicht wirklich sicher, ob die Menschen ihnen glauben schenken würden, doch er wollte wirklich nicht riskieren, dass sie einfach so, ungewarnt, von den Oni ausgelöscht wurden. Die Dinge in den vier Reichen würden sich auch so verändern, wenn die Menschen einsehen mussten, dass doch noch mehr Wahrheit in den alten Legenden lag, wie sie dachten. Alle Reiche würden sie niemals rechtzeitig erreichen, doch zumindest Tengaio konnten sie vielleicht noch auf das, was kam, vorbereiten können. „Wie denkst du über sie?“, erklang auf einmal Yukis Stimme hinter ihm, wobei ihm klar war, dass sie Tsuki meinte. „Wieso fragst du?“, erwiderte er. „Wieso hast du sie uns begleiten lassen? Wieso bist du ihr gefolgt? Und wieso… jetzt?“ „Sie hat uns das Leben gerettet, Yuki“, antwortete er. „Deines und meins, mehrmals. Das ist alles und auch du solltest langsam lernen, dankbar dafür zu sein.“ Damit sah er sie noch einmal an. Er verstand nicht, warum sie das noch nach der vergangenen Zeit fragte, doch langsam wurde ihm klar, dass Yukis Abneigung der Füchsin gegenüber nicht nur auf ihrer Art beruhte. „Wir waren allesamt ungerecht ihr gegenüber, fürchte ich“, murmelte er dann, woraufhin seine Schwester die Stirn runzelte. Dann beschleunigte er seinen Schritt um weitere Gespräche zu vermeiden, während der Wald um sie herum immer dunkler wurde. Kapitel 23: Der Kappasumpf -------------------------- Hi! Der NaNoWriMo ist geschafft und schon gibt es hier das nächste Kapitel :D Juhuu~ *hüstel* Naja, zumindest ein Kapitel mit Yuki-Focus. Einige scheinen die Figur ja wirklich zu mögen ^-^ Wünsche euch viel Spaß damit und freue mich über Feedback. *~*~*~*~*~* Kapitel 23: Der Kappasumpf Mittlerweile reisten sie schon wieder drei Tage, froh, dass der Regen mittlerweile aufgehört hatte, wenngleich der Himmel noch immer bewölkt war. Trotzdem hatten sie wenig gerastet, denn Fukuro hatte sie immer weiter vorangetrieben und der Boden war zu dem immer noch feucht. Nun war es wieder Nacht und ziemlich finster, auch wenn die Wolken nun an einigen Stellen aufgebrochen waren und sie die Sterne sehen ließen. Yuki fröstelte, sie fühlte sich schon eine ganze Weile nicht wohl und sie ahnte, dass es den beiden Männern nicht anders ging. In der Abenddämmerung hatten sie ein Dorf passiert hatten, dessen Häuser alle leer standen, während die Dächer teilweise eingefallen oder durchlöchert waren. Es sah nicht so aus, als seien Oni dafür verantwortlich, doch wissen konnten sie es nicht, weshalb sich die gedrückte Stimmung über ihnen noch verstärkt hatte. Eigentlich blieb Yuki und Shen im Moment ohnehin nichts anderes übrig als auf Fukuro zu vertrauen, der wesentlich mehr über das Land wusste als sie beiden. Er hatte zumindest so etwas wie eine Ahnung, wohin sie gehen mussten, um zur Hauptstadt zu kommen. So liefen sie nun weiter nebeneinander her und sie konnte es nicht vermeiden immer wieder zu ihrem Bruder zu sehen. Wenn das alles vorbei war, würde er sich dann wieder so um sie kümmern, wie er es vorher gemacht hatte. Auf einmal entfuhr ihr ein kurzer, spitzer Schrei, als sie mit einem Fuß ein Stück in den Boden einsackte. „Sei vorsichtig“, meinte Fukuro und half ihr den Fuß herauszuziehen, der nun vollkommen mit Schlamm bedeckt war. Sie verzog das Gesicht, da der Matsch ziemlich stank. Durch die Dunkelheit hatte sie nicht gemerkt, dass das Gelände um sie herum allgemein sehr wässrig zu sein schien und sich kleine Pfützen überall auf dem Boden bildeten. Sie schwieg kurz. „Das ist ein Sumpf“, meinte sie schließlich vorsichtig. „Auen“, korrigierte ihr Bruder sie und musterte ihre Umgebung ebenfalls erneut vorsichtig, wie er es schon die ganze Zeit immer wieder tat. „Wie auch immer“, antwortete sie. „Meinst du wirklich, dass es gut wäre, weiter zu gehen? Im Dunkeln verfehlt man leicht den Weg.“ Er schwieg kurz, doch dann schüttelte er den Kopf. „Es hat auch keinen Sinn zurück zu gehen. Ich will nicht unbedingt die Nacht in diesem Dorf verbringen.“ Erst wollte sie etwas erwidern, seufzte aber nur, da er eigentlich Recht hatte. Zumal sie ohnehin vorsichtig war, konnte es doch sein, dass irgendwo zwischen den Ruinen Geister umherwanderten. Doch auf der anderen Seite gab es auch noch andere Geschichten über Sümpfe. Die Geisterflammen, die hier angeblich nachts zu sehen waren und die ruhelosen Seelen im Morast Ertrunkener sein sollten. Wie man es wendete, eine angenehme Lösung gab es nicht und sie verfluchte diese Reise ein weiteres Mal. Seit sie in diesem Dorf auf die Füchsin getroffen waren, ging irgendwie alles schief. Nein, eigentlich war es, seitdem Raiu Akki in ihr Dorf gekommen war, aber es war leichter der Füchsin die Schuld zu geben. „Shen?“, fragte Fukuro nun, woraufhin der Krieger leicht nickte und ihm folgte, als er Yuki weiterhin beim Arm haltend voranging, einem dünnen, kaum erkennbaren Trampelpfad folgend. Doch auch als sie weitergingen konnte die junge Schneefrau eins nicht verleugnen: Der Geruch von Fisch, der die ganze Luft zu durchströmen schien, und von den kleinen tieferen Wasserstellen zu kommen schien, da er immer dann zunahm, wenn sie an so einem vorbei kamen. „Was ist das?“, fragte sie vorsichtig und sah zu einem der kleinen Seen. Hatte sich da nicht grade irgendetwas an der Oberfläche bewegt? „Es ist alles in Ordnung“, erwiderte ihr Bruder und wollte weitergehend, als es Shen war, der nun aufschrie, da auch er fehlgetreten war und mit dem Fuß in der Wasserlache stand, ihn aber rasch wieder hervor zog. „Was ist?“, fragte Fukuro, als der Mann aus Pengguo in die Knie ging und sich ans Fußgelenk fasste. „Da ist etwas“, murmelte er. Einen Moment später breitete sich mit unglaublicher Schnelligkeit dichter Nebel um sie herum aus, der ihnen jegliche Sicht nahm. Yuki hörte, wie der Wolkenkrieger nach Shiyun pfiff, wahrscheinlich, um sich aus der Luft eine bessere Sicht zu verschaffen. Dann hörte sie ein Platschen, das ihr verriet, dass irgendetwas das Wasser verlassen hatte. Nur was? Der Geruch von Fisch war stärker geworden, aber sie zweifelte doch, dass es die Geister von Meerestieren waren. „Sei vorsichtig“, zischte ihr Bruder und griff nach ihrem Handgelenk, auch wenn sie selbst dieses kaum erkennen konnte. „Was ist das?“, murmelte sie erneut und sah sich um. „Kappa“, erwiderte ihr Bruder leise und sie merkte, wie er sich hinter ihr anspannte. Dann war er nicht mehr da. Es war sehr schnell gegangen, sie hatte noch gemerkt, wie ihn etwas zu Boden riss, doch dann war seine Hand verschwunden gewesen. „Fukuro?“, rief sie und ging vorsichtig etwas zur Seite, ehe sie fiel und nun ganz im Wasser landete. Ein Stechen - etwas biss nach ihrer Hand, doch irgendwie schaffte sie es rechtzeitig diese zurück zu ziehen. Strampelnd kämpfte sie sich an die Wasseroberfläche und tastete nach irgendetwas festen, um sich hinaus zu ziehen. Gleichzeitig zerrte irgendwas an ihrem Gewand, ließ dann wieder los und biss im nächsten Moment in ihre Wade. „Verdammt“, zischte sie einen Aufschrei unterdrückend, als sie endlich eine Wurzel oder etwas Ähnliches zu fassen bekam und sich aus dem Wasser zog. Tatsächlich schien es ein Baum zu sein, an den sie sich jetzt drückte, was sie darauf schließen ließ, dass sie von dem Kappa ein ganzes Stück vom Weg weggezogen worden war. „Fukuro?“, rief sie unsicher. „Fukuro?“ Es kam keine Antwort. Ihr Herz begann zu rasen, konnte es etwa sein, dass ihm etwas passiert war? Hatten diese Yokai ihn etwa ertränkt? „Fukuro?“, versuchte sie es noch einmal. „Yuki?“, erklang nun eine Stimme über ihr, allerdings nicht die ihres Bruders, sondern die von Shen. „Ja“, erwiderte sie und versuchte durch die milchige Schicht des Nebels zu sehen, erkannte aber nichts. „Alles in Ordnung?“, erkundigte er sich. Sie hielt sich noch immer fest an den Baum geklammert, da sie auch die Tiere im Wasser hören konnte. „Ja“, erwiderte sie dann. „Aber was ist mit Fukuro?“ „Ich weiß es nicht“, antwortete der Krieger. Erneut gewann die Angst die Oberhand in ihr. „Fukuro?“, brüllte sie. „Fukuro?“ Wenn sie doch nur etwas sehen könnte. Dieser furchtbare Nebel! „Sei vorsichtig“, warnte Shen über ihr. „Wo bist du genau?“ „Hier“, erwiderte sie, da sie nicht viel mehr wusste. „Hier ist ein Baum“, ergänzte sie dann. „Mehr kann ich nicht sehen.“ Ihre Kleidung war vollkommen durchnässt und zog an ihr wie Blei. Außerdem hatte sie ihre Sandalen verloren, so dass sie mit baren Füßen auf den glitschigen Wurzeln des Baumes stand. Wenn sie einen Moment den Halt verlor, würde sie wieder ins Wasser fallen und da wären wieder die Kappa. Kein angenehmer Gedanke. Wieso griffen diese Yokai sie denn überhaupt an? Eigentlich lebten Kappa meist friedfertig, wenngleich sie manchmal Badende angriffen, aber normal niemanden, der sich an Land aufhielt. Jedenfalls hatte sie davon noch nie gehört. „Yuki.“ Shens Stimme war nun näher, als sie merkte, dass sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie zuckte zusammen, doch der Krieger beruhigte sie. „Ich bin es“, meinte er. „Nimm meine Hand.“ „Aber“, begann sie, als sie erneut ein Platschen unter sich hörte und einfach tat, was er ihr sagte. Einen Augenblick hatte sie das Gefühl den Halt zu verlieren, doch dann griff er auch mit der zweiten Hand nach ihrem Arm und zog sie irgendwie zu sich auf die Wolke hinauf, die sich im nächsten Moment über die Nebelbrühe erhob und ihr wieder freie Sicht verschaffte. Trotzdem konnte sie vom Boden nicht viel sehen, da scheinbar der ganze Sumpf mit diesem Nebel bedeckt war. Nur an einigen Stellen ragten die Gipfel von Bäumen durch die weiße Schicht. „Alles in Ordnung?“, fragte Shen vor ihr. „Ja“, murmelte sie und starrte angestrengt in den Nebel unter ihnen. „Aber Fukuro“, flüsterte sie dann. Der Mann erwiderte nichts, sondern folgte nur ihrem Blick. „Solange er nicht antwortet können wir ihn nicht finden“, meinte er dann und zog die Augenbrauen zusammen. „Aber wir müssen ihm helfen.“ Noch immer konnte sie nichts erkennen. Was sollte sie denn nur tun? „Wenn wir ihm noch helfen können“, murmelte Shen vor ihr. „Nein“, erwiderte sie leise. „Nein, es geht ihm sicher gut. Wir müssen noch einmal runter.“ „Solange wir nichts sehen bringt uns das vielleicht um“, erwiderte der Mann leise, wobei man erneut Unsicherheit und Trauer seiner Stimme entnehmen konnte. Daraufhin schwieg Yuki. Sie konnte ihren Bruder doch nicht einfach im Stich lassen! Er hätte sie genauso wenig da gelassen. Aber was sollte sie tun? Was konnte sie tun? Zitternd rieb sie sich die Hände, die ebenfalls nass und mit Pflanzenresten aus dem Wasser behangen war. Vorsichtig, um nicht runter zu fallen, versuchte sie den Dreck abzuwischen, als ihr etwas auffiel. „Oh nein“, entfuhr es ihr, als ihr klar wurde, dass etwas an ihrem Handgelenk fehlte. „Was ist?“, fragte Shen. „Das Siegelamulett“, murmelte sie und erinnerte sich, wie der Kappa nach ihrer Hand schnappte. Hatte er dabei vielleicht das Armband erwischt? „Was ist damit?“, erwiderte der Krieger. „Es ist weg…“ „Und?“ Fragend sah er sie an. Was sollte sie jetzt machen? Normaler Weise dauerte es immer, bis sie die Kontrolle verlor, aber es würde passieren, wie es bisher immer passiert war. Damit war sie eine Gefahr für Shen und auch für Fukuro – wenn er noch lebte. Nein, das konnte nicht sein. Was konnte sie jetzt tun? Sie spürte erneut, wie ihr Herz raste. Sie fühlte ihre Angst, die ihr allmählich die Kehle zuschnürte. War es nicht dumm sich so sehr vor sich selbst zu fürchten?, dachte sie mit einer gewissen Selbstironie. Aber dieser andere Teil von ihr war so mächtig. Sie hätte mittlerweile schon mehrmals Fukuro beinahe getötet, als sie sich nicht unter Kontrolle hatte. Dabei wollte sie nicht töten. Schon gar nicht Fukuro. Unsicher wanderte ihr Blick zwischen Shen vor ihr und dem Nebel unter ihr hin und her. Ihre Angst wurde nicht weniger, doch schließlich rückte sie von dem Mann vor sich weg und ließ sich fallen. Sie wollte auch Shen nicht unnötig in Gefahr bringen, auch wenn sie mit ihm eigentlich nichts zu tun hatte. Erneut war sie vom Wasser umgeben, nachdem sie kurz vorher durch den Nebel gefallen war. Sie bekam keine Luft mehr und war schon zu tief gesunken, als dass sie sich im dunklen Gewässer noch orientieren konnte. Selbst wo oben oder unten war konnte sie nicht sicher sagen. Dafür spürte sie jedoch etwas anderes: Die Kappa, die um sie herum schwammen. Immerhin waren auch sie Yokai und somit Wesen der Magie, die sie ohne den Schutz des Amulettes spüren konnte. In ihr regte sich die Yuki Onna und sie wusste nicht, wie lange sie noch dagegen ankämpfen konnte. Es war doch praktisch unmöglich das Armband wieder zu finden, das praktisch irgendwo im Wasser sein konnte. Zumindest fror sie nicht mehr. Die Magie in ihr erhielt sie am Leben, linderte auch die Schmerzen der Lunge, die sich nach Luft sehnte. Wieder schnappte ein Kappa nach ihr, doch ihr Körper reagierte von allein und einen Moment später befand sich das Wesen in einem Wesen aus Eis, der in eine Richtung trieb. Von irgendwo erinnerte sie sich an das, was ihr Fukuro einst beigebracht hatte und was sie selbst schon festgestellt hatte. Eis trieb im Wasser immer nach oben, also musste sie dem Eisblock folgen, um an die Wasseroberfläche zu kommen. Hastig und immer noch von der schwere ihres Kimonos belastet kämpfte sie sich nach Oben und durchbrach endlich nach einer gefühlten Ewigkeit die Oberfläche, wo sie gierig die Luft einsog. Gleichzeitig spürte sie weitere Kappa, die unter ihr lauerten, sich aber scheinbar nicht trauten sie anzugreifen. Wahrscheinlich hatten sie aus dem Schicksal des im Eisblock vor sich hin treibenden Artgenossen gelernt. Doch solange sie im Wasser war, konnten sie es sich jederzeit anders überlegen. Außerdem vertraute sie ihren Kräften nicht und fürchtete, dass sie am Ende sich selbst im See einfrieren würde, sollte die Schnellfrau die Oberhand gewinnen. Sie musste aus dem Wasser heraus, doch wie, wenn sie nicht wusste, wo das Ufer war. Nun schnappte doch eine der schildkrötenartigen Kreaturen mit ihrem Schnabel nach dem wohl noch immer leicht blutenden Bein und fand sich einen Moment später in einem noch größeren Eisblock unter ihr wieder. Auch zwei andere Kappa waren diesem nicht entkommen und nun bewegungslos eingefroren. Yuki wusste nicht genau, was sie tat und warum sie es tat, es war eigentlich mehr Intuition. Der Selbsterhaltungstrieb der Yuki Onna reagierte auf die Yokai und verteidigte sich vor ihnen. Außerdem war der riesige Eisblock, den sie nun erzeugt hatte, groß genug, als das sein Auftrieb reichte um Yuki ganz über Wasser zu bringen. Im Moment dachte sie nicht darüber nach, ob die eingefrorenen Kreaturen nun tot waren, sondern überlegte, was sie nun tun sollte. Auch wenn sie wieder ganz über Wasser war konnte sie das Ufer noch immer nicht sehen. Dafür hörte sie wieder Shen über sich nach ihr rufen. Für den Augenblick hatte zumindest ihr Herz aufgehört zu rasen und es schien ihr, dass sie zumindest halbwegs klar denken konnte. Sie überlegte, ob sie nicht einfach die Oberfläche des Wassers gefrieren lassen sollte, doch dann verwarf sie den Gedanken wieder. Wenn Fukuro im Wasser war, wäre das sein Tod. „Fukuro“, flüsterte sie und kämpfte weiter gegen das, was sich in ihr auflehnte und darum flehte heraus gelassen zu werden, an. Sie brauchte die Kontrolle über sich selbst, um am Leben zu bleiben und irgendwas für ihren Bruder zu tun. Solange er noch hier unten war würde er sterben, wenn sie die Kontrolle verlor. Wieso musste sie überhaupt so darum kämpfen? Sie war keine ganze Schneefrau, hatte Fukuro immer gesagt, denn immerhin hatten sie denselben Vater. Aber wie sollte man dann zu einer ganzen Schneefrau werden? Immerhin gab es natürlich nur weibliche Yuki Onna und die brauchten Menschenmänner, um Kinder zeugen zu können, wenn sie nicht welche aus den Dörfern stahlen. Wieso musste sie so gegen sich selbst kämpfen? Sie schüttelte den Kopf. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, denn sollte sie wirklich die Beherrschung verlieren, sollten Shen und Fukuro bis dahin möglichst weit von ihr entfernt sein. Eine Träne rann über ihre Wange und gefror dort, bevor sie hinabtropfen konnte. Sie wollte ihrem Bruder helfen, wie er es für sie getan hatte. Bisher war es immer die Füchsin gewesen, die ihn geschützt hatte. Irgendwo, nicht all zu weit von dem schwimmenden Eisblock entfernt, tauchte ein Kappa auf. Wenn sie wüsste, wie diese Yokai den Nebel erzeugten… Nebel… Irgendwo in ihren Erinnerungen war etwas, das sie darüber gelernt hatte. Was war Nebel eigentlich? Der Rauch, den sie mit den Ninjawaffen erzeugten, war Nebel nicht unähnlich, bestand aber aus aufgewirbeltem und durch die Luft verteiltem Staub, weshalb er so in den Augen brannte. Richtiger Nebel war etwas anderes. Genau! Sie erinnerte sich. Im Sommer, nachdem es geregnet hatte, hing oft dünner Nebel über dem Boden, da das Wasser durch die Hitze wieder verdampfte, auch das hatte Fukuro ihr erklärt. Also war Nebel dasselbe wie Wasserdampf, der in der Luft hing. Die ganze Luft war voller Wasser und Wasser gefror bei Kälte. Noch immer wusste sie nicht genau was sie machte und wie sie es machte, aber ihr war eine Idee gekommen. Wasser konnte sie nicht kontrollieren, aber Eis hingegen schon, wie auch die Kälte in der Luft. Diese breitete sich nun um sie herum aus und ließ die kleinen Wassertropfen gefrieren, ehe diese aneinander gezogen wurden und wie kleine Schneeflocken auf den Boden fielen. Zwar dauerte es etwas, doch nach und nach wurde die Sicht klarer, auch wenn es sie erschöpfte. Erneut begehrte das Etwas in ihr auf, doch sie schluckte es hinab. Es waren ihre Kräfte, sie musste sie irgendwie selbst benutzen können, ohne dass dieses Monster in ihr das ausnutzte. Sie war immerhin als Mensch großgezogen worden. Sie war nicht schwach. „Yuki?“, fragte Shen, den sie nun über sich fliegen sah. Sie erwiderte nichts sondern sah sich schnell um. Fukuro, dachte sie. Wo bist du? Der Wolkenkrieger verstand wonach sie suchte und begann auf Shiyun große Kreise über das Gelände zu fliegen, während das Mädchen nun vorsichtig und auf die Kappa achtend mit den Händen im Wasser ruderte, um an das nächste Ufer zu kommen. Schließlich zog sie sich auf einen anderen Trampelpfad, wobei sie wieder halb im Wasser landete, sich aber schnell herauszog. Nun waren die Schildkrötenwesen untergetaucht. Sie fürchteten sich scheinbar wirklich vor ihr, aber sie wollte sich nicht drauf verlassen, dass es so blieb. Dann hörte sie erneut Shen rufen. „Yuki, ich glaub ich habe ihn gefunden!“ Hastig suchte sie den dunklen Himmel nach der gelblichen Wolke ab. Als sie ihn endlich erblickte, rannte sie, nun ohne Rücksicht auf das Wasser, in die Richtung, wo er schwebte, los, so gut es ging von einem trockenen Landstreifen zum nächsten springend. Trotzdem landete sie mehrmals kurz im Wasser, zog sich aber sofort wieder hoch. „Fukuro?“, keuchte sie, als sie die dunkle Gestalt zwischen einigen Schilfpflanzen liegen sah und war einem Moment später bei ihr. Zwischen dem Schilf war eine weitere Wasserlache, aus der er sich wahrscheinlich hinausgezogen hatte. Es war nicht allzu weit von dem Ort, wo sie seine Hand verloren hatte, entfernt. „Fukuro?“, fragte sie erneut, als auch Shen neben ihr auf dem Boden landete. „Er ist ohnmächtig“, meinte er und griff nach dem Arm des Ninjas, um ihn ganz aus dem Wasser zu ziehen. Schließlich untersuchte er Yukis Bruder kurz, was ihm wegen der Dunkelheit jedoch ziemlich schwer zu fallen schien. „Ja, er ist ohnmächtig“, bestätigte er. „Ich glaube, er ist verletzt, aber mehr kann ich nicht sagen.“ Für einen Moment alles vergessend kniete sie sich neben Fukuro. „Fukuro?“, versuchte sie es erneut und strich ihm das nasse und verklebte Haar aus dem Gesicht. „Fukuro?“ Zumindest spürte sie, dass er noch atmete. „Fukuro“, hauchte sie erneut und spürte, wie erneut Tränen in ihre Augen stiegen. „Wir sollten erst einmal von hier weg“, meinte Shen. „Shiyun kann ihn tragen.“ „Aber ich“, begann sie. „Es ist besser, wenn ich nicht mitkomme“, murmelte sie dann und wandte den Blick ab. „Ich… Ich bin eine Gefahr.“ Der Wolkenkrieger schwieg eine Weile, immerhin hatte sie ja auch ihn schon einmal fast getötet, wie sie sich erinnerte. Zumindest hatte sie das von Fukuro und Tsuki erfahren. „Shiyun ist schnell“, meinte er schließlich. „Ich werde schon aufpassen, dass ihm nichts passiert, selbst wenn du… Wenn du wieder die Kontrolle verlierst…“ Seiner Stimme war zu entnehmen, dass er das alles nicht wirklich verstand. „Wir werden dann einfach verschwinden…“ Auch er sah sie nicht direkt an. „Fukuro würde sicher nicht wollen, dass du einfach so hier bleibst.“ Seufzend sah sie in das bleiche Gesicht ihres Bruders. Als sie losgingen hatte er ihr noch gesagt, dass sie dableiben sollte. „Er hängt sehr an dir“, meinte Shen nun, da er ihre Gedanken zu lesen schien. Er schenkte ihr ein aufmunterndes, aber nicht ganz überzeugendes Lächeln. „Außerdem hast du dich im Moment ganz gut unter Kontrolle, oder?“ Erneut seufzte sie, doch dann stand sie auf und nickte nur leicht. „Gut.“ Damit hievte Shen Fukuro auf die nun ganz dicht über den Boden schwebende Wolke, ehe er ihr ein weiteres Lächeln schenkte. Yuki sah zu der Wasserlache, unter dessen Oberfläche sie noch immer die angriffslustigen, aber eingeschüchterten Kappa lauerten. Langsam gefror die Oberfläche, so dass die Yokai nicht mehr hinaus konnten, jedenfalls vorerst. Vielleicht starben sie auch, dann konnten sie zumindest keine anderen Menschen – sollten sich überhaupt noch welche hierher trauen – angreifen. Es dämmerte, als sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten und zwischen einigen Büschen Schutz suchten. Die Müdigkeit hatte sich durch den Kampf im Sumpf nicht verbessern und alle drei waren sie verwundet, wenngleich die Wunde an Yukis Bein erstaunlich schnell heilte. Während Shen fluchend versuchte sich seine Wunde mit etwas Wasser zu säubern, hatte das Mädchen den Kopf ihres Bruders auf ihren Schoß gebettet und wartete darauf, dass er aufwachte. Nun, wo die Lichtverhältnisse allmählich besser wurden, konnte sie auch erkennen, dass sein Gewand in der Seite und auch an seinem Po zerrissen und blutig war. Trotzdem vermutete der Wolkenkrieger, dass Fukuro das Bewusstsein verloren hatte, weil er zulange unter Wasser und dabei zu erschöpft gewesen war. „Fukuro“, flüsterte sie erneut und strich gedankenverloren über sein Gesicht. Noch immer kämpfte sie damit einfach aufzustehen und alleine weiter zu gehen, doch irgendwas hielt sie davon ab. Eigentlich wollte sie sich nicht von ihm trennen. Die Zeit verstrich und fast döste Yuki weg, was sie eigentlich vermeiden wollte. Da begann ihr Bruder sich zu regen und öffnete schließlich die Augen. „Yuki“, flüsterte er, woraufhin sie zusammenzuckte. Nun lächelte sie doch. „Fukuro“, erwiderte sie. „Ein Glück, du bist wach.“ Er versuchte zu nicken, doch es gelang ihm nicht ganz, als er einen Moment später zusammenzuckte und vor Schmerzen das Gesicht verzog. „Es tut mir leid“, hauchte sie und konnte nicht verhindern, dass schon wieder einzelne Tränen über ihre Wangen liefen. „Dafür kannst du doch…“ Fukuro brach ab, als sie ihm das blanke Handgelenk zeigte. „Was…“, begann er dann. „Ich habe es verloren“, flüsterte sie und stand dann vorsichtig, damit sein Kopf nicht einfach auf den Boden fiel, auf, ehe sie sich abwandte. Es dauerte eine Weile, bis er verstand. „Du willst gehen“, stellte er dann fest und stöhnte auf, als er sich aufrichtete. Von Shen fehlte im Moment jede Spur, da er sich wahrscheinlich zurückgezogen hatte. „Es ist das Beste“, erwiderte sie. „Wenn ich bei euch bleibe bringt euch das in Gefahr.“ Irgendwie schaffte er es, sich an einem dürren Bäumchen festhaltend, ganz aufzustehen. „Ich weiß“, erwiderte er und humpelte die paar Schritte zu ihr, ehe er fast auf sie drauf fiel. „Aber ich will nicht, dass du gehst“, meinte er dann und legte ihr die Hände von hinten auf die Schultern. Noch immer liefen die Tränen über ihr Gesicht. „Ich will dich nicht töten“, antwortete sie leise. „Und ich weiß nicht, ob ich wirklich gegen das in mir ankämpfen kann.“ Sie seufzte. „Ich habe Angst zu schlafen, weil es dann rauskommen könnte.“ „Das wird es nicht“, erwiderte Fukuro nun auf einmal sicher. „Du bist stark genug“, meinte er dann. „Du musst es nur wollen.“ Er legte die Arme um sie, woraufhin sie sich zu ihm umdrehte und ihn ihrerseits umarmte. „Ich habe Angst vor mir…“, flüsterte sie. „Ich weiß“, murmelte er nur und strich ihr stockend durchs Haar. „Aber ich glaube an dich. Ich möchte nicht, dass du gehst.“ Sie nickte und weinte weiter. Trotz allem tat es gut diese Worte zu hören, nachdem er sie beinahe weggeschickt hatte. Sie wollte bei ihm bleiben, denn immerhin war sie schon immer bei ihm gewesen, seit ihr Vater sie nach Kakureba gebracht hatte. Er war ihr Bruder und deswegen gehörten sie zusammen. *~*~*~*~*~* Kappa: Kappa sind wasserliebende Yokai, die auch als Wasserkobolde bezeichnet werden. Sie sehen aus wie Schildkröten mit Affenschädel und einem Schnabel. Außerdem sagt man ihnen nach das sie Gurken lieben, aber manche scheinen auch gewissen menschlichen Körperteilen nicht angeneigt zu sein. Kapitel 24: Ruhelos ------------------- So, noch ein Kapitel. ^^""" Der Kampf ist kürzer geworden, als geplant, aber länger wäre unlogisch gewesen. Leider konnte der liebe Meeresdämon noch immer seinen Namen nicht sagen, der da "Umi Seishin" gewesen wäre *seufz* Egal, ihr wisst immerhin wie er heißt ^.~ Freue mich wie immer über Feedback. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Kapitel 24: Ruhelos Es war dunkel im Wald, auch wenn die Bäume um Ryuujin herum mittlerweile lichter geworden waren, und noch immer regnete es in Strömen. Er war erschöpft von dem Viertagesmarsch, den er hinter sich hatte, wenngleich er in den nächsten gerastet hatte. Auch wenn er trainiert und ausdauernd war, so schmerzten ihm mittlerweile doch die Knochen von der fortwährenden Kälte und dem Gewicht Tsukis, die auf die Dauer doch schwer geworden war. Mittlerweile hing sie mit zwei Tüchern festgebunden an seinem Rücken. Noch immer hatte sie Fieber und noch immer war sie ohnmächtig. In den vergangenen vier Tagen hatte sie sich nicht gerührt und es gab kein Anzeichen dafür, dass es ihr besser ging. Nun war es wieder Nacht und Ryuujin wusste nicht, wie lange er noch würde laufen können. Momentan schleppte er sich eigentlich nur noch voran, sich permanent nach einem trockenen Platz zum Rasten in der Nacht umsehend. Schließlich entdeckte er nicht all zu weit vom Weg entfernt einen alten, dicken Baum, dessen Wurzeln so gewachsen waren, dass man unter dem Stamm selbst Schutz suchen konnte. Zwar war auch hier der Boden nicht ganz trocken, aber alles war besser als mitten im Regen die Nacht zu verbringen. Zumindest seinen Rücken freute es, als er die Kitsune ablegte und auf den etwas mit Laub bedeckten Boden bettete und sich streckte. Im Moment sehnte er nichts mehr als ein Feuer und eine Decke herbei, doch mal wieder war es wohl unmöglich Feuerholz zu finden und eine Decke hatte er nicht mit sich. Seufzend streckte er sich neben der Füchsin aus und sah zu ihr. Ihre Kleidung war wie die seine vollkommen durchnässt und klebte dicht an ihrem Körper, wodurch dessen Konturen im Ganzen sehr sichtbar wurden. Zudem war ihre Kleidung etwas verrutscht, ließ die Schultern nun ganz frei, und ließ sich nur schwer zurechtrücken, als er den Versuch wagte, sie zu richten. Zum Glück war es zumindest so dunkel, dass er weitere Details nicht erkennen konnte, da er auch in den vergangenen drei Nächten schon mehr Selbstbeherrschung aufgebracht hatte, als in seinem bisherigen Leben – zumindest soweit er sich erinnern konnte – zuvor. Das war auch der Grund, warum er auf Abstand blieb, selbst wenn ihr Körper ihm hätte zumindest etwas Wärme spenden können. Doch ihre Nähe machte ihn schon an den Tagen, wenn er sie auf den Rücken trug, verrückt, so dass er Nachts am liebsten einige Schritt abstand gehalten hätte, aber das gestaltete sich dank des Wetters und der Tatsache, dass er sie beschützen wollte, als äußerst schwierig. Allerdings sollte es nicht mehr weit sein, bis er den Schrein, von der die Miko erzählt hatte, erreichen würde. Vielleicht schaffte er es sogar schon morgen oder am Tag darauf. Dann würde es Tsuki hoffentlich bald besser gehen. Ein weiteres Mal verließ ein Seufzer seine Kehle, während er gedankenverloren mit ihren Haaren spielte, da er nicht genügend Ruhe zum Schlafen fand. Er wollte das Mädchen berühren, aber er war vernünftig es nicht zu tun. Trotzdem kribbelte es in seinen Fingern während er ihr Gesicht entlangfuhr. „Idiot“, rügte er sich, als seine Finger ihrer Lippen berührten, und ihm die Erinnerung an den gierigen Kuss, den er ihr in Unaru mehr oder minder geraubt hatte, in den Sinn kam. Ihre Lippen waren weich gewesen. Allerdings kamen mit dieser Erinnerung auf die an ihren Körper wieder, die sein Befinden nicht besserten. Deswegen verdrängte er diese Gedanken wieder. Er sollte wirklich besser schlafen, als weiter darüber nachzudenken. Trotzdem richtete er sich noch einmal auf, um das vom Fieber gerötete Gesicht noch einmal genauer zu betrachten. Was faszinierte ihn nur so an ihr? Noch immer vermochte er dies nicht zu sagen, da er sich zumindest sicher war, dass es nicht das Körperliche war, dass ihn anzog. Vielleicht redete er sich das aber auch nur ein, denn zumindest reagierte sein Körper sehr stark auf ihren. Wohl wissend, dass dies dumm war, beugte er sich noch näher zu ihr runter, so dass er schwach ihren unregelmäßigen Atem spüren konnte. Was machte er hier? „Idiot“, flüsterte er erneut an sich selbst gewandt, konnte dann aber doch der Versuchung nicht widerstehen und berührte – wenn auch nur für einen kurzen Augenblick – ihre Lippen mit den eigenen. Dann fuhr er zurück und rückte ein Stück von ihr weg, um seine Gedanken wieder zu beruhigen. Er war wirklich ein Idiot! Irgendwie hatte Ryuujin schließlich doch Schlaf gefunden, aus dem er jedoch irgendwann aus einem Reflex heraus hochfuhr. Es war noch immer Nacht und er musste sich erneut erst an die Dunkelheit gewöhnen, ehe sich umsah und sich vergewisserte, dass es dem ohnmächtigen Mädchen neben sich gut ging. Dann griff er nach Tsume, das in seiner Scheide neben ihm lag, und richtete sich vorsichtig auf. Irgendetwas sagte ihm, dass hier noch jemand war und er wollte nicht riskieren, dass dieser jemand ein Feind, vielleicht ein Oni, war, nachdem er die Macht Raiu Akkis erlebt hatte. Missmutig stellte er fest, dass es noch immer regnete. Es schien ihm fast, dass der Regen ihn verfolgte, da er sich an keinen Reisetag ohne das vom Himmel strömende Wasser erinnern konnte. Und auch seine Kleidung war noch nass und klebte unangenehm auf seiner Haut. Außerdem fielen die Bewegungen ihm noch schwer, da auch seine Muskeln verkühlt waren. Etwas raschelte und sorgte dafür, dass er herumfuhr und sich erneut hastig umsah. Irgendwo bei dem Baum musste etwas sein und er war sich sicher, dass es kein Tier war. „Au“, zischte er auf einmal, als er einen Stich an seiner rechten Hand spürte, in der er Tsume führte. Die Hand hebend erkannte er dort zwei kleine blutende Wunden. Aber was hatte ihn dort verletzt? Aus einem reinen Reflex heraus, zog er das Schwert über sich und schaffte es somit irgendwie den Schlag, der von oben kam und mit einer Klinge derselben Größe wie Tsume ausgeführt wurde, abzuwehren. Einen Augenblick lang sah er das Onihorn und die unheimlich schwarzen Augen, ehe der Dämon zurücksprang und irgendwo im Geäst eines Baumes landete, so dass Ryuujin nur seine Umrisse erahnen konnte. „Du bist wirklich fix“, meinte der Angreifer nun mit schnorrender Stimme und bestätigte somit die Vermutung des Kriegers, dass er gezielt nach ihnen gesucht hatte. „Was willst du?“, fragte er und kniff die Augen zusammen, um ihn besser erkennen zu können. „Etwas zu Ende bringen“, erwiderte der Oni und lachte leise vor sich hin. „Was“, setzte Ryuujin an, doch im nächsten Moment änderte der Regen plötzlich seine Richtung und raste auf ihn zu, ehe er dann durch seine Kleidung schlug und kleine Wunden in seiner Haut hinterließ. Davor konnte ihn auch das Schwert nicht schützen, „Verdammt“, zischte er. Also konnte auch dieser Oni Magie – natürlich. Der Dämon lachte, blieb aber in sicherer Entfernung auf dem Ast des Baumes sitzen. „Aber du kannst keine Magie, hmm?“, meinte er höhnisch. Daraufhin schwieg Ryuujin. Was sollte er nun tun? Wenn sein Gegner weiterhin solche Angriffe einsetzte konnte er nicht ausweichen, da sie dafür zu flächendeckend waren, und der Gegner war zu hoch, als dass er ihn hätte mit einem Sprung erreichen können. Aber der Baum, auf dem er saß, hatte keinen all zu dicken Stamm. Erneut prasselte der Regen schmerzhaft auf ihn herab, doch dieses Mal bewegte er sich nach Vorne, anstatt zu versuchen sich zu schützen. Aus einem reinen Reflex schloss er die Augen, aber er konnte sich auch so bewegen. Tsume schnitt durch die Luft, ehe es den Baumstamm traf und diesen zur Hälfte spaltete. Das reichte, um den Stamm zu fall zu bringen, so dass der Oni den Angriff abbrechen und sich mit einem Sprung in den nächsten Baum retten musste. „Du bist feige, hä?“, meinte Ryuujin und sah zu dem Dämon hinauf. „Und?“, erwiderte dieser. „Besser feige und erfolgreich, als mutig und tot.“ Der Krieger spannte sich an. Er wusste nicht, worauf das hier hinaus lief, doch er wusste, dass er es am besten so schnell wie möglich beendete. Momentan schadeten ihm die Angriffe des Dämons noch nicht all zu sehr, wenngleich sie schmerzten, aber auf Dauer würde er das nicht durchhalten, im Gegensatz zu dem Oni, der zwischen den Bäumen hin und her springen konnte, jedes Mal, wenn Ryuujin ihn anzugreifen versuchte. Selbst, wenn er noch zehn andere Bäume fällte würde es ihm nichts bringen. „Du siehst grade nicht sehr überzeugt von dir selbst aus“, lachte der Oni. „Willst du nicht lieber aufgeben?“ Ryuujin erwiderte nichts, sondern sah sich um, verzweifelt nach einer Lösung suchend. Auch dieser Dämon würde eine Schwäche haben, wie Raiu Akki sie hatte, die frage war nur was diese war. „Dummkopf“, meinte der Angreifer nun, ehe der Regen im nächsten Moment in der Luft schweben blieb und sich dann um ihn in dicken, schwappenden Kugeln sammelte. Es schien in der Macht dieses Dämons zu liegen den Regen, beziehungsweise das Wasser zu kontrollieren, so wie Raiu Akki die Blitz kontrolliert hatte. Nun ließ er sich fallen und landete etwas von dem Krieger entfernt im feuchten Laub. Wohl wissend, dass sich dahinter ein Plan befand versuchte Ryuujin in anzugreifen, als das Wasser ihn im nächsten Moment einhüllte und ihm die Luft raubte. Er versuchte sich irgendwie daraus zu befreien, doch für den Moment war er bewegungsunfähig. Da platschte das Wasser auf einmal auf den Boden hinab und ließ ihn schnaufend zurück, ehe er fast in die Knie ging und Tsume ihm aus der Hand rutschte. „Und du hast Raiu Akki in die Flucht geschlagen?“, fragte der Oni nun und hielt ihm sein eigenes, schwarz geschmiedetes und zu Säbelform gebogenes Schwer an die Kehle. „Lächerlich.“ Erneut war es reine Intuition, als der Dämon mit der Klinge versuchte seine Kehle durch zu schneiden und er sich keinen Augenblick zu früh ganz auf den Boden warf, um dem überraschten Gegner die Beine wegzutreten. Dann kämpfte er sich selbst wieder in den Stand, nun wieder mit Tsume in den Händen, dessen Gewicht langsam an seinen Armen zerrte. Er wollte den Oni erstechen, doch auch dieser reagierte nicht langsam und rollte sich zur Seite, bevor er aufsprang und – ohne sein Schwert – einige Schritt zurücksprang. „Unterschätz mich nicht, Dämon“, fauchte Ryuujin damit rechnend, dass sein Gegner nun wieder die Flucht ins Geäst vornehmen würde. „Wieso sollte ich?“, erwiderte er. Er grinste ihn an, wobei der Krieger nun sein Gesicht im Ganzen mustern konnte. Die Haut des Dämons war vollkommen grün, das Haar erinnerte ihn im Moment mehr an Algen und die Ohren waren groß und merkwürdig geformt, während seine Hände wie die Raiu Akkis eher Klauen waren. Es schien sich bei ihm wirklich über ein Wesen des Meeres zu handeln. Ein weiteres Mal verfluchte der Krieger innerlich den anhaltenden Regen, da sein Gegner ohne hin wohl Probleme gehabt hätte ihn mit seiner Magie anzugreifen. Solange dieses Wetter anhielt war der Dämon auf jeden Fall im Vorteil, wenn er nicht einen Fehler machte. Das Grinsen des Oni wurde noch breiter, als er seine linke Klaue spreizte, und erneut sammelten sich Wassertropfen zu einer Blase, die auf einmal als eine Art Arm auf Ryuujin zuschoss, so dass er nur mit einem neuen Sprung zur Seite ausweichen konnte, doch zumindest konnte er ausweichen. Als er jedoch aufkam, griff der Wasserarm ein weiteres Mal nach ihm und er schaffte es nur, indem er sich erneut auf den Boden warf, dem zu entkommen. Nun voller Wut sah er den Oni an, denn ihm war klar, dass dieser nur mit ihm spielte. Er nahm ihn nicht einmal wirklich ernst, weil er genau wusste, dass er ihm im Moment überlegen war. „Verdammt“, fluchte Ryuujin leise, bevor er kurz darauf aufschrie, als er spürte, wie sich etwas in seine rechte Schulter bohrte, nicht weit von dem Mal entfernt, das ohnehin schon die ganze Zeit schmerzte. Er spürte, wie das Blut über seinen Rücken rann, als das Wasser einen Moment später verschwunden war. Wie hatte es ihn überhaupt schneiden können? Er hatte nichts davon gesehen, nur den Schmerz auf einmal gespürt und griff sich daher unwillkürlich an die Schulter. „Du bist auch nicht stärker als ein Mensch“, stellte der Oni fest und grinste. Dann war Ryuujin wieder von Wasser umgeben, da der Dämon dies scheinbar für die verlässlichste Methode hielt, ihn zu schwächen, wenn nicht zu töten. Und wahrscheinlich hatte er damit Recht, dachte der Mann, als er merkte, wie sein Verstand vernebelte. Er war wahrscheinlich zu geschwächt, um noch viel länger bei Bewusstsein zu bleiben, zumal die Wunde an seiner Schulter nun zu pochen begann, ehe ein Stich – zumindest fühlte es sich so an – seinen Körper durchfuhr und ihm wirklich fast ohnmächtig werden ließ. Dann verschwand das Wasser um ihn herum jedoch und sickerte in den ohnehin schon matschigen Waldboden. Ohne ihn zu sehen wusste er, dass der Oni auf ihn zusprang und hob Tsume erneut zur Verteidigung mit beiden Händen empor, drehte es jedoch dann in die andere Richtung, ohne darüber nachzudenken. Er spürte, wie der Oni auf das Schwert traf und verlor es dabei fast erneut aus den Händen, schaffte es dann aber doch aufzustehen und seinen Gegner anzusehen, der noch immer mit erhobenem Schwert, das er wohl wieder an sich genommen hatte, vor ihm stand. Es war Ungläubigkeit, die sich in seinen Augen widerspiegelte, während Tsume seine Brust halb durchbohrt hatte, was aber nicht reichte, um ihn zu töten. Ihre Blicke trafen sich kurz, doch dann zog Ryuujin das Schwert wieder aus ihm heraus, ehe ihm mit drei weiteren Schlägen die Arme und dann den Kopf abtrennte, da dies der einzige verlässliche weg war ihn zu töten, bevor er sich von dem Schock erholte. Ryuujin sah auf den Gliederlosen Körper, als dieser einen Moment später zu Boden fiel und das fast schwarze Oniblut aus dem Hals sprudelte. Hätte der Dämon besser aufgepasst, wäre er wohl an seiner Stelle und der Füchsin würde es wahrscheinlich auch nicht besser gehen. Er sah zu dem alten Baum, unter dem sie noch immer genau so lag, wie zuvor und fragte sich, wie er sie am nächsten Tag mit der verwundeten Schulter tragen sollte. Vielleicht wäre es am Besten, wenn er gleich weiter zog, dann müsste er sie wieder über eine Schulter tragen, aber sie wären zumindest in Sicherheit. Immerhin war er nicht sicher, ob nicht noch weitere der Oni oder Yurei hier waren. Doch ob er noch lange weiterlaufen konnte, wusste er nicht, hinkte er doch jetzt, wo er zu dem Baum zurück ging schon mehr, als das er lief. Nicht nur sie würde einen Heiler brauchen, wenn sie an diesem Tempel ankamen… Kapitel 25: Tenkyou ------------------- Kapitel 25: Tenkyou Die Abenddämmerung lag grau, denn noch immer regnete es, über der Küste, als Ryuujin endlich den Pass fand, der zur Bucht führte in dem die Tempelanlage stand. Wenn man nicht gezielt danach suchte, war die Wahrscheinlichkeit diesen Ort zu finden, vermutlich ziemlich gering, lag er doch mitten im Wald und war auch noch von einigen Bergen umgeben, die sie zusätzlich von außen abschirmten. Es waren die kleinen Torii gewesen, die ihn überhaupt hierher geführt hatten und die abseits der Wege verteilt standen. Er war froh, endlich angekommen zu sein, auch wenn er sich noch immer nicht sicher war, ob man ihn hier aufnehmen würde, doch im Moment konnte er an nicht viel mehr denken, als an Schlaf. Eine Nacht in einem überdachten Raum und mit trockener Kleidung zu verbringen erschien ihm momentan als eines der erstrebenswerten Dinge der Welt. Deswegen folgte er dem Pfad, der in das Tal, in dem die Gebäude standen, hinab. Es waren um genau zu sein drei Gebäude. Das Mittlere, aber kleinste, schien der eigentliche Tempel zu sein, denn es war das einzige der Holzhäuser, dessen Dach sorgfältig mit Schiefertafeln belegt war, während die anderen beiden Dächer teils mit Holz, teils mit Stroh abgedeckt waren. Auf dem halben Weg kam ihm ein junger Mann im Gewand eines Kannushi, jedoch mit einem Schwert bewaffnet entgegen: „Wer seid Ihr?“ Ryuujin verbeugte sich, so gut ihm das mit Tsuki auf der einen Schulter und der Wunde an der anderen, möglich war. „Man nennt mich Ryuujin“, erwiderte er dann. „Und was wollt Ihr hier?“, fragte der Mönch mit gerunzelter Stirn weiter. „Ich bin…“ Er überlegte kurz. „Ich bin wegen ihr hier“, erwiderte er dann und hoffte, dass der Mönch klug genug war zu verstehen, dass er das Mädchen meinte, das über seine Schulter baumelte. „Sie ist eine Kitsune.“ „Und?“, fragte der Mönch misstrauisch weiter. „Sie brauch einen Heiler.“ Ryuujin konnte seine Ungeduld nicht wirklich unterdrücken. „Seht ihr das nicht? Es geht ihr nicht gut. Man sagte mir, dass es hier Heiler für Yokai gibt.“ Noch immer schien der junge Kannushi misstrauisch, doch dann nickte er in die Richtung der Gebäude. „Kommt mit“, meinte er dann. Da ihm nichts anderes übrig blieb, tat Ryuujin wie ihm geheißen und folgte dem Mann, eigentlich mehr ein Junge, den restlichen Pfad, an dem entlang kleine Gemüsefelder waren, zu dem Tempel hinunter. Dieser war zur vorderen Seite hin offen und nur ein paar Säulen aus Holz hielten das Dach wie auch den Boden auf dieser Seite. Im Gegensatz zu den normalen Schreinen gab es allerdings auch scheinbar angrenzende Räume, die mit Papiertüren vom Hauptsaal, an dessen anderen Ende unter einem Fenster ein kleines, weiteres Torii stand, abgeschottet waren. Vor dem Torii knieten gleich drei Frauen in normalen Kimonos, alle drei mit braunem fast rötlichen Haar. Also waren auch sie Kitsune?! Als er auf die Aufforderung des ungeduldigen Mönches die Stufen in den Tempel hinauf trat und dann, knapp unter dem Dach stehen blieb, blickten sie sich um. „Wartet hier“, meinte der Junge nun, ehe er zögerte. „Wir werden ihr nichts tun… Legt sie auf den Boden, ich werde später jemanden holen, der ihr wahrscheinlich helfen kann.“ Damit ging er zu einer der Papiertüren und war einen Moment später dahinter verschwunden. Ryuujin zögerte. Irgendwie widerstrebte es ihm, obwohl das Mädchen mittlerweile wirklich schwer geworden war, Tsuki auf den Boden abzulegen und auf diesen Fremden zu warten, aber schließlich ließ er sie langsam von seiner Schulter gleiten und legte sie vorsichtig auf den hölzernen Boden. Dann setzte er sich selbst dorthin, weil er kaum noch stehen konnte, und wartete. Die Kitsune, die zuvor am Schrein gebetet hatte, warfen ihm nun immer wieder neugierige Blicke zu, die er wohl oder übel nur ignorieren konnte. Mit wem wollte der junge Mönch wohl sprechen? Er sah in das noch immer gerötete Gesicht Tsukis an und seufzte leise, während er ihr die Haare von der nassen Stirn strich. Noch immer fragte er sich, warum er sich solche Sorgen um das Mädchen machte. „Was ist mit ihr passiert?“, erklang nun eine Stimme neben ihm und ließ ihn aufsehen. Neben ihm stand nun ein älterer aber auch wesentlich besser gekleideter Kannushi, als der, der ihn auf dem Weg hierher abgefangen hatte. Dieser hatte schon graue Strähnen im dunkelbraunen Haar und einige Falten im Gesicht. Für einen Moment dachte Ryuujin nach, denn immerhin war er selbst bei dem Kampf nicht dabei gewesen. „Ich weiß es nicht genau“, erwiderte er dann wahrheitsgemäß. „Ich weiß nur, dass sie von Jabokko verwundet wurde und einige Tage später anfing zu fiebern. Seitdem ist sie so.“ Er machte eine kurze Pause. „Eine Miko sagte mir, dass man ihr hier helfen kann.“ Der Priester kniete sich neben die Füchsin, ehe er den Ärmel ihres rechten Armes hochschob, so dass die Male, die sie von den Jabokko erhalten hatte, sichtbar wurde. Schließlich seufzte er. „Könnt Ihr ihr helfen?“, fragte Ryuujin. Der Priester nickte. „Ja, das können wir. Aber trotzdem wird sie viel Ruhe brauchen, ehe sie wieder auf die Beine kommt.“ Damit sah ihn der alte Mann an. „Und Ihr? Ihr seid auch verwundet, oder?“ Kurz darauf wurde Ryuujin, dem es noch immer nicht wirklich gefiel Tsuki allein zu lassen, zumal er den Leuten hier nicht ganz traute, in einen der beiden angrenzenden Gebäudekomplexe gebracht, wohin ihm auch der alte Priester folgte. Wie er von diesem erfuhr, waren beide an den Tempel grenzende Gebäude zur Unterbringung der hier Lebenden und Reisender, die vorbei kamen. Allerdings war er seit mehreren Jahren der erste, denn nicht umsonst war das Kloster zu einem Versteck für Yokai diente, die früher von den Menschen oder besser deren Respekt vor der Magie und ihren Opfern für sie, gelebt hatten. Doch nun wurden sie vertrieben und es wurde Jagd auf Tanuki und Kitsune gemacht, selbst auf die Tiere, die ohne magische Fähigkeiten geboren wurden. Ryuujin wusste diese Dinge, doch nun, wo der alte Mann, der vielleicht selbst nicht mal ein Mensch war, es müde erzählte und neben ihm herschlich, wirkte es anders. Tsuki war eine Yokai und vielleicht hätte man sie auch gejagt, hätte sie woanders gelebt als in dem Dorf, von dem sie ihm erzählt hatte. „Lass mich deine Wunde sehen, Junge“, forderte der Alte ihn auf, als sie ein kleines Zimmer erreicht hatten und er sich dort niedergelassen hatte. Etwas widerwillig, da ihm der Kannushi noch immer nicht ganz geheuer war, folgte er der Aufforderung. Er wusste, dass es seiner Wunde nicht besser gehen würde, würde er sie nicht verarzten lassen. Sein Arm fühlte sich jetzt schon seltsam taub an. So entledigte er sich vorsichtig, aber wortlos des ohnehin halb zerrissenen Obergewandes. „Wir ist es zu dieser Wunde gekommen?“, fragte der alte Priester ihn, als er sich die Wunde besah. „Ein Oni“, antwortete Ryuujin knapp und zuckte etwas zusammen, als der Mann den Wundrand betastete. An sich sah es nicht sonderlich schlimm aus. Ein kleines, nicht einmal fingerbreites Loch, aus dem jedoch beständig Blut rann, das unter der Kleidung bereits die rechte Hälfte seiner Brust mit einer dünnen, rötlichen Schicht überzogen hatte. „Ich werde etwas holen, um die Blutung zu stillen“, sagte der alte Mann schließlich. „Dann werde ich die Wunde verbinden.“ Er sah den jüngeren an. „Du brauchst Ruhe, Junge.“ Mit diesen Worten richtete er sich mühsam auf. „Ich habe eine Frage“, begann Ryuujin vorsichtig, kurz bevor der Kannushi den Raum verließ. Der Alte sah sich zu ihm um. Unsicher, oder viel mehr noch immer misstrauisch sah der Krieger den Priester an. „Ihr seid auch kein Mensch, oder?“ „Nein“, erwiderte der Mann schlicht und verließ den Raum, die dünne, aber zumindest hölzerne Schiebetür hinter sich schließend. Trotz aller Unruhe und Sorge um Tsuki schlief Ryuujin tief, nachdem man ihn verarztet hatte und er sich umgezogen hatte. Er war einfach zu erschöpft, um zu lange gegen den Schlaf ankämpfen zu können, der ihm dieses Mal weder seltsame Träume noch sonstige unerklärliche Bilder und Schatten brachte. Dankbar dafür und seit langem wieder halbwegs erholt wachte er erst im Morgengrauen des nächsten Tages auf und brauchte etwas, ehe er sich erinnerte, wo er war. Er sah sich in dem kleinen Raum, in dem er lag, um und seufzte schließlich leise. Mittlerweile waren auch seine Haare getrocknet und sein rechter Arm fühlte sich wieder halbwegs benutzbar an. Außerdem hatte er Hunger. Vorsichtig richtete er sich auf. Natürlich war er allein, doch zum ersten Mal seit langem, vielleicht sogar das erste Mal, seit er sich erinnern konnte, fühlte er sich genau deswegen unwohl. Wo war Tsuki? Dieser Gedanke ließ ihn nun ganz aufstehen und er griff nach dem weiten Obergewand, dass ihm der Kannushi am Vortag dagelassen hatte, nachdem er den Krieger verbunden hatte. Kurz ließ ihn ein Stechen in seiner Schulter zusammenzucken, doch dann hatte er den Stoff in der Hand und bedeckte seinen Oberkörper mit dem Kimono. Dann verließ er den Raum und trat auf dem zum Innenhof des Tempels offenen Terrassengang. Auch wenn er hätte damit rechnen müssen, war er doch überrascht einige der hier Lebenden bereits wach und geschäftig aufzufinden. Obwohl es regnete, waren einige von ihnen damit beschäftigt die Felder, die ihm bereits am Vortag aufgefallen waren, umzupflügen und für den Winter zu bereiten. Noch während er sich umsah, legte sich eine Hand auf seine Schulter und er fuhr herum. Hinter ihm stand der alte Mann, der ihn bereits am Vortag verarztet hatte und lächelte ihn auf die Art an, wie so viele alte Leute lächelten. Müde und gleichzeitig weise. „Du hast gut geschlafen, Junge“, stellte er fest anstatt zu fragen. Ryuujin antwortete mit einem Nicken. „Was ist mit Tsuki?“, fragte er dann vorsichtig. „Geht es ihr besser?“ „Wieso bist du so besorgt?“, erwiderte sein Gegenüber. Kurz schwieg der Mann. Er vertraute weder dem Alten so ganz, noch jemand anderen in diesem Tempel. Dafür war in der letzten Zeit zu viel geschehen. Dafür war er zulange schon ein Krieger. „Ich…“, setzte er an und hätte sich im selben Moment für die Unsicherheit in seiner Stimme ohrfeigen können. „Ich will nur wissen, wie es ihr geht.“ „Ihr geht es schon besser“, antwortete der Kannushi. „Du kannst später nach ihr sehen.“ Seine Stimme war ruhig. „Aber zuerst solltest du etwas essen.“ „Ja“, erwiderte Ryuujin daraufhin, da er ahnte, dass Widerspruch keinen Sinn hätte. So folgte er dem Alten zum Ende des Gebäudes, wo er in einen großen Raum geführt wurde. Eine Art Speisesaal, wie es schien, denn in der Mitte stand ein riesiger, langer Tisch, der vielleicht eine Ellenlänge hoch war. Der Boden des Raumes war einfach mit Holz belegt, bis auf eine Stelle am anderen Ende, wo Steinplatten auf dem Boden lagen, um diesen vor dem dort brennenden Feuer zu schützen. „Setz dich, Junge“, meinte der Kannushi und drückte Ryuujin mit einer Kraft, die dieser ihm nicht zugetraut hätte, zu Boden. „Ihr habt mir bisher nicht einmal euren Namen verraten“, stellte Ryuujin nun fest, während der Alte zu dem Topf ging, der auf der Feuerstelle stand, den Deckel abnahm und etwas gewürzten Gemüsereis in eine Schüssel füllte. „Taru“, antwortete der Kannushi, als er zurück zu ihm ging. „Und jetzt rede weniger und iss stattdessen.“ Damit stellte er ihm die Schüssel hin und legte zwei Stäbchen daneben. Der Jüngere konnte nicht viel mehr tun, als zu nicken. Tatsächlich musste er gegen den Drang ankämpfen, das essen einfach herunter zu schlingen, zumal der Reis zumindest noch etwas warm zu sein schien und er seit einigen Tagen nichts warmes mehr gegessen hatte. Einige Tage, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen. Doch er wusste, dass es sich nicht gehörte zu schlingen, und so wenig er auch auf solche Regeln gab, wusste er, dass er diesen Leute hier dankbar sein sollte dafür, dass sie ihn aufgenommen hatten. Deshalb beherrschte er sich und fragte auch nicht, als er die Schale geleert hatte, nach einem Nachschlag, bevor der Alte – Taru – der wohl Gedanken lesen konnte, ihm etwas anbot. Das Essen war einfach, aber anders als nur wenige Monate zuvor, wusste Ryuujin es zu schätzen. „Woher kennst du dieses Mädchen eigentlich?“, fragte Taru schließlich, nachdem der Krieger eine dritte Schale geleert hatte. Kurz zögerte er. Immerhin würde die ganze Geschichte wohl etwas seltsam klingen – was sie zweifelsohne auch war. „Wir waren eine Zeit lang Reisegefährten“, erwiderte er. „Und wieso seid ihr angegriffen worden?“, fragte der Alte weiter. „Man trifft heute nicht sonderlich häufig auf Jabokko.“ „Tsuki sucht etwas“, erwiderte der Krieger. „Und ich habe etwas, das die Oni haben wollten.“ „Das Schwert?“, fragte Taru daraufhin. Ryuujin zuckte mit den Schultern. Wieso hatte er überhaupt angenommen, dass er es vor den Leuten hier verbergen konnte. „Ja.“ Der Alte lächelte ihn an. „Ich habe das Gefühl, dass du einiges verbirgst, Junge“, meinte er. „Vielleicht“, erwiderte Ryuujin und hoffte, dass sein Tonfall reichte, um weiteren Fragen vorzubeugen. Kurz herrschte Schweigen, ehe sich der alte Priester, der nun schon die ganze Zeit neben dem Krieger gekniet hatte, aufrichtete. „Du wolltest das Mädchen sehen, oder?“, fragte er. „Denk nur daran, dass sie Ruhe braucht.“ Damit ging er zu der Schiebetür, die den Raum verschloss, und wartete dort auf Ryuujin, welcher nun ebenfalls aufstand. „Danke“, murmelte er leise, als er am Kannushi vorbeiging und dann darauf wartete, dass dieser ihm den Weg zeigte. „In diesem Gebäude sind nur Frauen untergebracht“, erklärte Taru, während sie durch den Regen zu dem vom Land aus rechten Gebäude hinübergingen. „Sollte dich eine der Miko von dort verweisen, gehst du.“ Ryuujin nickte. Irgendwie war ihm, als wäre es ohnehin besser, würde er sie nicht sehen. Aber das würde auf Dauer heißen, dass er am besten von hier verschwinden würde, bevor sie kräftig genug war, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Das wäre genau so feige, wie er ohnehin schon gewesen war. Wieso eigentlich? Er fühlte sich seltsam, als sie die Treppe zur Terrasse des zweiten Gebäudes hinaufgingen und eines der Mädchen, die er ebenso für Kitsune hielt, ihnen entgegenkam, um kurz mit Taru zu reden. Dann nickte sie Ryuujin zu und ging die Treppe hinab und über den Hof zum Tempel. „Bleib nicht zu lange. Sie ist noch schwach“, sagte Taru und deutete auf eine der Holztüren. „Danke“, erwiderte Ryuujin erneut und ging auf die Tür zu. Ganz sicher in dem, was er tat, war er nicht, wusste er außerdem auch nicht, ob sie noch immer schlief oder wach war. Es war viel einfacher gewesen, bei ihr zu sein, solange sie ohnmächtig gewesen war. Trotzdem öffnete er nun vorsichtig die Tür und trat in den Raum, wo er Tsuki auf einem Futon liegend vorfand. Im ersten Moment dachte er, dass sie tatsächlich schlafen würde, doch dann öffnete sie die Augen und sah ihn an. „Ryuujin“, sagte sie leise, als sie ihn erkannte. „Geht es dir besser?“, erkundigte er unsicher und trat zu ihr hinüber. Der Raum war nicht viel größer als der, in dem er untergebracht war, hatte aber ein offenes Fenster an der Rückseite, welches nur durch ein paar Holzstreben gesichert war, während das in seinem Raum kleiner und komplett offen war. „Etwas“, antwortete sie, während er unschlüssig neben ihr stehen blieb. „Danke.“ Schwach lächelte sie ihn an und er wusste in dem Moment, dass ihr die Situation der Abhängigkeit, in der sie im Moment war, nicht gefiel. Schließlich setzte er sich unsicher und so weit von ihr entfernt, wie es in dem kleinen Raum möglich war, auf den Boden. Er wusste nicht, was er sagen sollte, weswegen er einfach nur schwieg und sie ansah. „Was ist mit den anderen?“, fragte sie schließlich. „Sie sind nicht hier.“ „Nein.“ Er wich ihrem Blick aus. „Sie sind nach Ichimori aufgebrochen, als du ohnmächtig warst.“ „Ichimori?“ „Sie wollen mit Tengaios Herrscher sprechen“, antwortete er. „Zumindest war es das, was der Junge – Fukuro – sagte.“ Sie nickte nur. „Und du hast mich hierher gebracht“, stellte sie fest. „Ja“, bestätigte er. „Die Miko in diesem Schrein sagte, dass man dir hier helfen könnte. Offenbar hatte sie Recht.“ „Wieso hast du das getan?“, fragte sie, woraufhin er schwieg. Es war wie damals, als er mit ihr zusammen nach ihren Begleitern suchte. Tsuki hatte es auch da geschafft, die Fragen zu stellen, die er nicht beantworten wollte oder konnte. „Ich wollte nicht, dass du stirbst“, murmelte er. Daraufhin schwieg auch sie und richtete seufzte leise. Ihre Schultern, die unter der Decke, unter der sie lag, zu sehen waren, schienen nackt – eine Tatsache, die seine Gedanken schon wieder ablenkte. „Du bist ein seltsamer Mann, Ryuujin“, sagte sie schließlich, was er erneut nur mit Schweigen beantwortete, so dass für eine Weile Stille das Zimmer erfüllte. „Du bist auch verwundet, oder?“, stellte sie dann fest. „Es ist nichts weiter“, antwortete er. Sie musste nicht unbedingt etwas von seinem Zusammenstoß mit dem Wasserdämon wissen. Erneut seufzte sie. „Gut.“ Das bestätigte er mit einem Nicken und überlegte kurz, da er sich noch immer nicht wirklich wohl in der Situation fühlte. Dann stand er auf und wandte sich zum gehen. „Du solltest dich ausruhen“, meinte er und sah sie noch einmal an. „Ich bin zumindest froh, dass es dir besser geht.“ Damit lächelte er ihr zu und ging zur Tür. „Du wirst nicht wieder verschwinden?“, fragte sie. „Nein“, erwiderte er und öffnete die Tür, sich nicht sicher, in wie weit dieses Wort eine Lüge war. Es vergingen drei weitere Tage, ehe es Tsuki soweit besser ging, dass sie wieder aufrecht stehen konnte. Noch immer brannte ihr Arm, an dem sie von dem Yokai verletzt worden war, noch immer fühlte er sich etwas taub an. Doch die seltsam riechende Salbe, die die anderen Kitsune hier bereitet hatten, half und das war zumindest gut. Trotzdem fühlte sie sich aus einem anderen Grund nicht wohl. Sie hatte die anderen – Fukuro, Shen und Yuki – im Stich gelassen. Auch wenn sie nie damit gerechnet hätte, dass diese auch ohne sie weiterziehen würden, wie es ihr Ryuujin berichtet hatte. Aber auch das änderte nichts daran, dass sie sich schlecht fühlte, ihnen gegenüber. Sie wusste nicht wirklich, was sie nun machen sollte – viel gab es nicht, das sie allein tun konnte. Mehrmals versuchte sie mit ihrer Göttin zu reden, indem sie betete, doch kein einziges Mal mit Erfolg. Es war, als könnte sie die Stimme ihrer Göttin nicht mehr hören. Jeden Tag sah Ryuujin, der sich in diesem Kloster allgemein nicht wohl zu fühlen schien, nach ihr, als hätte er Angst, dass ihr wieder etwas geschah, oder, dass die Leute hier ihr etwas taten. Und jedes Mal, wenn er bei ihr war, versuchte er, wie schon zuvor immer, ihren Fragen auszuweichen. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass er unsicher war, auch wenn sie sich diese Unsicherheit nicht erklären konnte. Jedoch mied er ihren Blick, wenn sie ihn fragte – egal wonach. Und noch immer regnete es. Auch Tsuki selbst war sich nicht sicher, wie sie mit dem Krieger umgehen sollte. Sie wusste nicht einmal, warum sie ihm die Fragen stellte, die sie ihm stellte. Die Kitsune hier, waren ihr in vieler Hinsicht ähnlicher, als ihre Reisegefährten, waren ihr auch ähnlicher, als Ryuujin, doch trotzdem fühlte sie sich ihnen nicht verbunden. Ja, eigentlich suchte sie seine Nähe, auch wenn sie sich, je länger sie mit ihm zusammen war, auch etwas unsicher fühlte. Es war der fünfte Tag, den sie hier verbrachte, als sie sich endlich auch wieder kräftig genug fühlte, um wirklich zu laufen. Nachdem sie vier Tage fast durchgehend in den Häusern verbracht hatte, hielt sie jetzt auch der Regen nicht davon ab nach draußen zu gehen, um zumindest wieder richtige Erde unter ihren Füßen zu spüren. Wieder merkte sie, wie unangenehm es ihr war zu lange in einem Haus zu bleiben, ohne sich bewegen zu können. Der Regen draußen war nicht sonderlich stark, wenngleich auch beständig, während sie den Weg zum Wald hinauftrotte. Sie merkte, dass der Herbst schon weit voran geschritten war und es wirklich nicht mehr lange dauern würde, bis der Frost einsetzte. Dann würde sich auch der Regen langsam in Schnee verwandeln. Mittlerweile war der Wald auch ruhig, verglich man es mit dem Sommer. Die Natur kam zur Ruhe und die meisten Bäume hatten ihre Blätter bereits komplett verloren. An einen Baum gelehnt sah sie zum Himmel hinauf, wodurch ihr der Regen ins Gesicht prasselte. Sie wusste nicht genau, wohin sie überhaupt gehen wollte, genoss derweil aber die Ruhe, die hier herrschte. Auch wenn der Tempel nicht wirklich laut war, befiel sie dort eine Unruhe, einfach der Wunsch hinauszugehen, zu laufen. Sie wollte etwas allein sein. Als sie schließlich weiter den Hügel hinauflief, der das Kloster zur Landseite abschirmte, wurde ihr klar, dass sie nicht so allein war, wie sie angenommen hatte. „Was machst du hier?“, fragte Ryuujin, der zwischen ein paar Felsen zu ihrer Linken stehen geblieben war, als er sie gesehen hatte. Sie sah ihn an. „Ich wollte allein sein.“ Ihre Blicke trafen sich für einen Moment, ehe er wie immer wieder auswich. Er war nur mit einer Hakamahose bekleidet und seine Haare waren vollkommen nass, als wäre er schon eine ganze Weile im Regen gestanden. „Und du?“, erkundigte sie sich schließlich, als die Stille unangenehm wurde. „Ich habe gebadet.“ Tsuki erinnerte sich, dass Haruka, die Kitsune, die sich in den letzten Tagen um sie gekümmert hatte, etwas von einer Quelle in den Bergen gesagt hatte, und nickte. Dann bemerkte sie seinen Blick, der nun, wo sie kurz zu Boden geschaut hatte, wieder auf ihr ruhte. „Was hast du?“, fragte sie. „Nichts“, erwiderte er. Erneut herrschte Schweigen. „Was hast du jetzt vor?“, erkundigte er sich nach einer Weile. Sie versuchte ihm in die Augen zu sehen. „Wieso?“ „Willst du wieder deine Gefährten suchen?“ Als Antwort schüttelte sie den Kopf. „Nein, das hätte keinen Sinn.“ „Was dann?“, fragte er. „Ich weiß es noch nicht“, antwortete sie. „Vielleicht gehe ich nach Hayashimura zurück. Vielleicht…“ Ihr Blick wanderte nach links, in die Richtung des Meeres, das aus ihrer Position von den Felsen verdeckt war. „Ich weiß es noch nicht.“ Sie sah ihn wieder an. „Und du? Was hast du vor? Wieso bist du überhaupt noch hier?“ Wieder wich er ihrem Blick aus. „Ich…“, setzte er unsicher an. „Seit wir uns begegnet sind, bin ich fast durchgehend durch die Gegend gereist. Ich denke, ich brauche auch etwas ruhe.“ Noch immer unsicher versuchte er sie anzulächeln. „Außerdem“, fuhr er kurz darauf fort. „Vielleicht brauchst du noch meine Hilfe.“ „Du musst nicht, nur wegen mir hier bleiben“, erwiderte sie. Kurz schwieg er wieder. „Wäre es dir lieber, wenn ich gehe?“ Sie wusste nicht wirklich, was diese Frage bedeuten sollte, weshalb sie einen Augenblick überlegte, ehe sie antwortete. „Das wollte ich damit nicht sagen“, sagte sie. „Mich stört es nicht wenn du bleibst.“ Sie musterte ihn. „Ich verstehe dich nur nicht.“ Ein flüchtiges Lächeln, eher ein Grinsen, war auf seinem Gesicht zu sehen. „Ich mich auch nicht“, antwortete er dann leise und mehr an sich selbst gerichtet, als an sie. „Ich mich auch nicht.“ Damit erwiderte er plötzlich ihren Blick und trat auf sie zu, während sie zuvor einige Schritte voneinander getrennt hatten. Ehe sie verstand, was vor sich ging, bückte er sich zu ihr hinab und drückte seine Lippen auf die ihren. Ein kurzer, flüchtiger Kuss, bevor er sie noch einmal ansah und im nächsten Moment richtig küsste. Sie verstand nicht, was das zu bedeuten hatte, und wusste auch nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Es war – von jener ersten Begegnung mit ihm – das erste Mal seit langem, dass sie ein Mann so küsste und trotzdem reagierte sie, als sie sich wieder gefangen hatte, von ganz allein und erwiderte den Kuss. Doch die Frage, was das bedeuten sollte, wurde dadurch trotzdem nicht beantwortet. Nach wenigen Augenblicken, die sich wie eine Ewigkeit dahin zogen, lösten sich ihre Lippen voneinander und sie sahen sich wieder an. „Was…“, begann Tsuki, doch noch bevor sie die Frage beenden konnte wandte er sich ab. „Es tut mir leid“, murmelte er geistesabwesend, ehe er fast fluchtartig an ihr vorbei ging und sie allein im Regen stehen ließ. Auch, als schon eine ganze Weile in seinem vorläufigen Zimmer im Tempel saß, hatten sich Ryuujins Gedanken noch nicht beruhigt. Er verstand sich selbst nicht. Eigentlich hatte er sie nicht küssen wollen – nun, hatte er schon, aber nicht einfach so – und er wusste nicht, wieso er es überhaupt getan hatte. Jetzt fand er noch weniger Ruhe, als zuvor. Doch eine weitere Frage, die ihn nicht mehr losließ, war, warum sie den Kuss überhaupt erwidert hatte. Er verstand es nicht. Schließlich legte er den Kopf in den Nacken und atmete tief ein. Es war doch geradezu lachhaft. Manchmal kam er sich vor, als wäre er besessen, behext, von diesem Mädchen. Seitdem er sie in Unaru getroffen hatte ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Erst hatte er sie von dort weggebracht und war mit ihr ziellos durchs Land gezogen, um ihre „Freunde“ zu finden, nur um sich dann von ihr zu trennen. Doch weit war er nicht gekommen, ehe er wieder begonnen hatte, nach ihr zu suchen. Es machte keinen Sinn. Seine eigenen Handlungen ergaben keinen Sinn! Konnte es sein, dass er sich in die Füchsin verliebt hatte? Verliebt… Allein das Wort klang in seinen Gedanken seltsam. Er mochte sie, ohne Frage, nur auf welche Art war die Frage. Seufzend sah er sich in dem kleinen Raum um, in dem er saß. Vielleicht war es doch besser, wenn er einfach gehen würde. Ob ihn das weiterbringen würde, war eine andere Frage, aber vielleicht würde er auf diese Weise zumindest für einige Tage nicht darüber nachdenken müssen. Dabei wusste er selbst, dass es sinnlos war. Früher oder später würde er wieder anfangen nach ihr zu suchen. Er griff nach dem Schwert, das neben ihm an der Wand lehnte und seufzte. Tsume war auch nur ein Vorwand gewesen, um nach ihr suchen zu können. Wie auch die Frage danach, was er war, damals nur ein Vorwand gewesen war, sie zu begleiten. Kurz zog er die jadefarbene Klinge aus der Scheide und seufzte noch einmal. Dann steckte er das Schwert zurück und stellte es wieder an die Wand, ehe er sich aufrichtete und der Tür zuwandte. Mit einem letzten Zögern öffnete er die Tür und trat nach draußen wo es – natürlich – immer noch regnete. Er war sich noch immer nicht sicher in dem, was er tat, als er nun in der späten Abenddämmerung durch den Regen zu dem rechten der beiden Gebäude, die den Schrein umgaben, schritt, und eigentlich wollte er mit jedem Schritt, den er tat, umkehren. „Es ist wirklich sinnlos“, murmelte er zu sich selbst, als er ohne zu klopfen und ohne zu erwarten, die Füchsin vorzufinden, die Tür zu ihrem Zimmer öffnete und ihr einen Moment später gegenüberstand. „Was ist?“, fragte sie und wich scheinbar unbewusst ein Stück vor ihm zurück. Ihre Haare waren feucht und auch ihr Kimono, ein blaues Sommergewand, war nass und klebte an ihrem Körper. Es schien, als sei sie gerade erst wieder am Schrein angekommen. „Ich wollte mich entschuldigen“, flüsterte er und kämpfte gleichzeitig gegen die Unruhe in seinem Kopf und die Aufregung seines Körpers an. „Ich…“ „Was hatte das zu bedeuten?“, fragte sie. „Ich weiß es nicht“, antwortete er. Ihm war ohnehin klar, dass es eine dumme Idee gewesen war, zu ihr zu gehen, und so, wie sie nun vor ihm stand fiel es ihm noch schwerer, als es ohnehin schon war, sich zu beherrschen. „Aber ich könnte dich dasselbe fragen.“ Dieses Mal wich er ihrem Blick nicht aus, als sie ihm in die Augen sah, auch wenn es ihm ihr Blick einen leichten, aber nicht unangenehmen Schauder über den Rücken jagte. „Ich weiß es nicht“, erwiderte sie dasselbe wie er. Mittlerweile stand sie mit dem Rücken beinahe an der Wand. Der Abstand zwischen ihnen war gering. Es schien Ryuujin fast, als könnte ihren Atem leicht auf seinem noch immer nackten Oberkörper spüren, während auch sein Atem begann schneller zu werden. Vorsichtig hob er eine Hand und strich ein paar Strähnen ihres nassen Haares aus ihrem Gesicht, ehe er die Hand auf ihrer Wange liegen ließ und sie weiterhin ansah. Dann beugte er sich erneut zu ihr hinunter und drückte seine Lippen auf die ihren, um sie zu küssen. Erst wich sie etwas zurück, doch dann begann sie, wie zuvor im Wald, den Kuss zu erwidern und schmiegte sich etwas an ihn. Er genoss es, hatte er sich so etwas oder ähnliches während der vergangenen Monate bereits einige Male vorgestellt. Die Frage, was ihn an diesem Mädchen so faszinierte blieb, doch sie wurde von Moment zu Moment unwichtiger. Es war wirklich so etwas, wie eine Besessenheit, dachte er sich und löste sich für einen Augenblick von ihr, ehe er dann nach dem breiten Gürtel ihres Gewandes griff, um ihn zu lösen. Denken war unwichtig in so einer Situation. Es war verboten. Es war Nacht. Er durfte eigentlich nicht hier sein, aber auch das war vergessen, war nur noch ein Schatten in seinem Gedächtnis. Sie sahen sich an, als er ihr Gewand nun ganz zur Seite schob und mit den Händen über ihre nasse, aber warme Haut strich. Je länger er sie ansah und berührte, desto mehr Beherrschung kostete es ihn sich zurück zu halten und er wusste, dass es für ihn bald kein Halten mehr gab. Ihr Blick musterte ihn weiterhin, während sie sich etwas von ihm zurückzog und ihrerseits mit einer Hand über seine Wange strich, ehe sie mit den Fingern über die Narbe strich, die seine rechte Gesichtshälfte zierte. Dann küsste ihn ihrerseits und ließ sich langsam auf den Boden sinken. Keiner von ihnen sagte etwas, wodurch die Situation noch irrealer wirkte, als sie es ohnehin schon tat, doch hätten sie geredet, hätte sich irgendwann wieder die Frage des Warum gestellt und er ahnte, dass Tsuki diese genau so wenig beantworten konnte, wie er. Deshalb schwieg er weiter und küsste sie auf die Wangen und den Hals, während sich ihre Hände langsam auf seine Schultern legten. Schließlich streifte er ihren Kimono ganz von ihren Schultern, ehe er diese ebenfalls küsste und sich dann von ihr in Richtung des Futons schieben ließ. Kurz strich er über ihre Brüste, was sie zusammenzucken ließ, bevor seine Hand zu ihrer Hüfte wanderte. Da griff sie nach seiner Hand und hielt sie fest, während sie ihn erneut küsste und schließlich seine Hand wieder loslassend das Band seiner Hose öffnete. Noch einmal trafen ihre Blicke sich, sah er in ihre goldenen Augen und war sich langsam sicher, dass er verrückt war. Trotzdem konnte er sich jetzt nicht mehr beherrschen, dafür waren sie schon zu weit gegangen. So befreite Ryuujin sich nun ganz von seiner Hose und drückte seine Lippen noch einmal gegen die Tsukis, als diese ihre Beine spreizte. Noch einmal, sah er sie an und wusste, dass er sich nicht länger zurückhalten musste. Er drang in sie ein und küsste sie, als sie leise aufstöhnte. Dann begann er sich zu bewegen, den Blick kein einziges Mal von ihr abwendend. Es war einfach nur verrückt, wie eine wahr gewordene Fantasie. Ja, vielleicht war er wirklich verrückt. Auch er stöhnte unterdrückt auf und doch war er sich für einen Moment sicher, dass alles seine Richtigkeit hatte, wie es war. Auch wenn es verrückt war, fühlte es sich richtig an. Richtig und gleichzeitig wunderschön. Kapitel 26: Der Wandel ---------------------- Kapitel 26: Der Wandel Es kam Ryuujin noch immer seltsam vor – die Situation, in der er sich befand. Nun lag er schon eine ganze Weile gegenüber der Füchsin auf dem Futon in ihrem Zimmer. Und noch immer wirkte das alles so vollkommen irreal auf ihn. Er lag nicht direkt neben ihr, sondern etwas von ihr entfernt, so dass sich ihre Körper kaum berührten, und er wusste, dass es wohl das beste wäre, würde er nun aufstehen und zurück in das ihm zur Verfügung gestellte Zimmer gehen. Doch etwas hielt ihn davon ab. Stattdessen lag er einfach hier und starrte sie an, während auch ihre Augen auf ihn gerichtet waren. Die ganze Zeit hatten sie nichts gesagt. Wieso auch? Jedes Wort wäre unnötig gewesen, denn am Ende wusste keiner von ihnen Antworten auf die sich stellenden Fragen. Das einzige, was dafür sorgte, dass er die Situation nicht als eine Fantasie abtat, war der pulsierende Schmerz seiner rechten Schultern. Schon die ganze Zeit, seit er zur Kitsune gekommen und sie geküsst hatte, schmerze sein Mal, als würde es in Flammen stehen. Erneut tat er sich selbst für verrückt ab. Wieso war er überhaupt hergekommen? So oft er sich diese Frage auch noch stellte: Beantworten würde sie sich dadurch nicht. Ein Windstoß kam durch das Fenster über ihnen und ließ ihn leicht frösteln, da die Decke nicht reichte, um sie beide völlig zu bedecken. Vielleicht war es ein Zeichen aufzustehen – doch irgendwie schaffte er es nicht so recht seinen Körper zu bewegen. Noch immer sah sie ihn an und brach schließlich das Schweigen. „Du bist ein seltsamer Mann, Ryuujin“, flüsterte sie. Seltsam… Unwillkürlich machte sich ein Grinsen auf seinem Gesicht breit, als er sich fragte, wie ausgerechnet sie ihn als seltsam bezeichnen konnte. „Und du?“, erwiderte er schließlich. „Du bist ein sehr seltsames Mädchen.“ „Ich bin eine Kitsune“, antwortete sie schlicht und lächelte. Kurz schwieg er, da er dies – die Tatsache, dass sie eine Füchsin war – die ganze Zeit verdrängt hatte. „Du…“, setzte er unsicher an. „Du bist nicht, wie die anderen Kitsune, oder?“ Weiterhin lächelte sie, ein Ausdruck, der ihrem Gesicht eine gewisse Unnahbarkeit zu geben schien. „Wieder willst du das wissen?“ „Ich habe deine Fuchsgestalt gesehen…“ Als wäre es gestern gewesen, erinnerte er sich an jene Nacht in Unaru. „Dein Fell ist weiß. Außerdem…“ Er kam sich noch immer dumm und unwissend vor, fast so, als sei er noch ein kleiner Junge, der er eindeutig nicht war. „Die Menschengestalt der Kitsune ist eine Illusion. Dein Körper ist echt.“ „Bist du dir da so sicher?“, erwiderte sie. „Oder willst du es nur glauben?“ Wieder schwieg er. Auch wenn ihm der Beischlaf mit ihr Befriedigung verschafft hatte, auch wenn er sich die ganze Zeit danach gesehnt hatte, so war der Gedanke daran, dass sie eigentlich nicht menschlich war immer wieder erschreckend und abstoßend. Doch das war nicht nur der Grund für seine Vermutung. „Zuvor hattest du Fieber“, murmelte er. „Dieser Körper ist genau so echt, wie der des Fuchses.“ Erneut lächelnd war es dieses Mal an ihr zu schweigen. Sie drehte sich auf den Rücken und sah den Kopf ein Stück in den Nacken legend zum Fenster über dem kühlen Lager hinauf. „Ich habe meine Geheimnisse“, sagte sie schließlich, ehe sie ihn noch einmal ansah. „Wie du…“ Damit schloss sie die Augen und wandte den Kopf etwas von ihm ab, so als würde sie nun schlafen. Vielleicht wollte sie damit nur klar machen, dass sie nicht weiterreden wollte, doch er hatte ohnehin kein Interesse weitere Worte zu wechseln. Es verwirrte ihn am Ende ohnehin nur. Stattdessen rückte er ein Stück näher an sie heran, da er fror und so zumindest einen Teil seines Rückens mit der Decke bedecken konnte. Noch immer flüsterte eine Stimme aus seinem Hinterkopf ihm zu, dass es besser wäre, würde er nun zurück auf sein Zimmer gehen. Würde Haruka am nächsten Morgen nach Tsuki schauen und ihn hier finden, würde sie zumindest nicht erfreut darüber sein. Der alte Taru hatte ihm eingeschärft, dass er nachts nichts in diesem Gebäude zu suchen hatte, denn es war das Haus der Frauen. Schlimmstenfalls war dies wohl die letzte Nacht, die sie hier verbrachten. Trotzdem fehlte ihm der Antrieb aufzustehen, seine Hose anzuziehen und zurückzugehen, von wo er gekommen war. Er fühlte sich müde, so, als würden ihn seine Beine ohnehin nicht tragen, wenn er es probieren würde. Noch immer brannte das Zeichen auf seiner Schulter, doch das hatte er mittlerweile gelernt zu ignorieren. Stattdessen nutzte er die Ruhe, um das Gesicht der Fuchsfrau noch einmal ausführlich zu mustern, wie er es schon den ganzen Abend tat. Momentan störte es ihn nicht einmal mehr besessen von ihr zu sein – behext. Ja, seit sie sich ihm zuvor hingegeben hatte, war es als wüsste er, dass genau dies hatte geschehen müssen. Und noch etwas anderes wusste er ebenso: Er würde sie von nun an beschützen, zumindest sofern er das konnte. „Idiot“, murmelte er zu sich selbst, ehe er schließlich seinerseits die Augen schloss und versuchte zu schlafen, um zumindest für eine Weile den Fragen in seinem Kopf zu entkommen. Die Nacht verging und als Tsuki wieder aufwachte, war zumindest die Unsicherheit der letzten Tage verschwunden. Wieso verstand sie selbst nicht wirklich, aber sie war schließlich zu dem Schluss gekommen, dass es besser war, nicht darüber nachzudenken, so wie sie auch nicht über die letzte Nacht nachdenken wollte. Als der Morgen kam und sie erwacht waren, war Ryuujin aufgestanden, hatte sie noch einmal angesehen und den Raum wortlos verlassen. Ihr war es recht gewesen, aber es hatte trotzdem ein seltsames Gefühl hinterlassen. Wie die ganze vergangene Nacht. Sie war sich sicher, dass auch die anderen Kitsune, wie auch Haruka, die nicht viel später nach ihr gesehen hatte, durchaus mitbekommen hatten, was in der Nacht geschehen war. Doch keiner hatte sie darauf angesprochen oder irgendetwas gesagt. Als wäre nichts gewesen und dabei war Tsuki völlig klar, dass die anderen Füchse hier es nicht übersehen hatten. Warum also sagte niemand etwas? Ach – wieso machte sie sich überhaupt solche Gedanken darüber? Eigentlich wollte sie ohnehin nicht länger als nötig hier bleiben, auch wenn sie sich noch immer nicht sicher war, ob sie es vor Wintereinbruch nach Hayashimura zurückschaffen würde. Aber was wäre mit Ryuujin, würde sie dorthin zurückgehen? Würde er ihr folgen? Sie seufzte. Eigentlich konnte ihr auch das egal sein. Bis auf die letzte Nacht gab es nicht viel, was sie verband. Sie liebte ihn nicht und er sie genau so wenig – auch wenn sie ihm vertraute. Er konnte gehen wohin er wollte, nur dass Tsuki sich auf einmal nicht mehr wohl dabei fühlte die ganze Reise zurück allein hinter sich zu bringen. Dabei würde niemand sie bedrohen, solange sie nicht erneut auf Raiu Akki traf, welcher ihr selbst allerhöchstens ebenbürtig war. Es war nur so, dass sie sich alleine unwohl fühlte und es vor allem hasste hier untätig sitzen zu bleiben, während die anderen ihre Reise allein fortführten… Und wenn sie ihnen folgte? Hatte sie eine Chance sie noch einzuholen? Der Weg nach Ichimori war weit, aber nicht unüberwindbar. Die Frage war nur, ob sie rechtzeitig in die Hauptstadt des westlichen Reiches gelangen würde und wenn ja, ob sie die anderen dort fand. Sie wusste nicht einmal, ob sie wirklich dorthin gegangen waren, auch wenn sie es glauben wollte. Seufzend sah sie in Richtung des Meeres, an dessen Ufer sie nun am Felsstrand hinter dem Kloster stand. Das Meer war unruhig an diesem Tag, ließ Welle um Welle über ihre natürlich nackten Füße spülen, auch wenn es noch nicht tobte. Doch es lag etwas in der Luft, dass ihr sagte, dass das Wetter nicht mehr lange so bleiben würde. Ein Gefühl, dass sie kurz erschaudern ließ, ehe sie sich umdrehte und Ryuujin ansah, der ihr scheinbar gefolgt war. „Was ist?“, fragte er und trat an sie heran. „Nichts“, erwiderte sie schlicht, so wie er es bereits auf so viele von ihren Fragen getan hatte. Noch etwas näher rückte er an sie heran, so dass sie nun seine Brust an ihrem Rücken spüren konnte, während sie sich wieder dem Meer zuwandte. „Du weißt noch immer nicht, was du jetzt tun willst?“ Eigentlich war es eher eine Feststellung, als eine Frage, das hörte sie aus seiner Stimme heraus. „Wenn du dich nicht bald entscheidest wird der Winter da sein.“ Noch einmal ließ sie ein leises Seufzen hören. „Das weiß ich“, murmelte sie etwas grimmig. „Aber ich habe noch nicht entschieden, was das Richtige ist.“ Damit drehte sie sich zu ihm um. „Wenn ich mich entscheide – wirst du mir folgen?“ Unsicher und offenbar etwas verblüfft versuchte er ihrem Blick standzuhalten, sah jedoch schließlich an ihr vorbei zum Meer. „Vielleicht…“ Seine Augen jedoch sagten, dass er es tun würde, obwohl er sich selbst nicht sicher war, warum. „Wieso fragst du mich das?“, erkundigte er sich schließlich vorsichtig. Sie schürzte kurz nachdenkend ihre Lippen. „Weil es meine Entscheidung vielleicht beeinflusst…“ Damit sah sie noch einmal zum Meer und ging dann an ihm vorbei zum Kloster zurück. Als es schließlich dämmerte und sie bereits zu Abend gegessen hatten, auch wenn es nicht viel war, kam der Krieger erneut, wie in der Nacht zuvor zu ihr und erneut schliefen sie miteinander. Es war genau so irreal, wie es bereits am vergangenen Abend gewesen war, denn wieder wechselten sie keine Worte. Alles schien so furchtbar still, selbst für ihre Fuchsohren. So, als gäbe es nur sie und ihn und ihre warmen Körper in der kalten Dunkelheit der Nacht. Doch sie bemerkte auch, wie er erneut das Gesicht mehrmals schmerzverzerrt verzog und sich, als er glaubte, dass sie bereits schliefe, an die Schulter fasste. Es ließ sie ahnen, dass das seltsame Zeichen auf seiner Haut ihn quälte, doch auch danach fragte sie nicht. Nicht einmal in der nächsten Nacht stellte sie Fragen, versuchte auch die ihres Verstandes an sich selbst zu ignorieren. So seltsam es auch war, genoss sie es mit ihm zu schlafen und danach, auch wenn er auf Abstand blieb, seine Nähe zu spüren. Ja, es gab ihr eine Gewisse Art der Sicherheit, wenn sie einschlief. Und weiterhin sprach niemand im Kloster sie darauf an. Wieso wurden sie ignoriert? Doch auch sie sprachen es nicht an, so dass alle weiterhin so tun konnten, als würde nichts geschehen, und spätestens, als sie nach ihrer dritten gemeinsamen Nacht erwachte, war dies auch völlig unwichtig. Das erste, was sie bemerkte, als sie aufwachte, war, dass es ziemlich kalt war. Gleichzeitig roch sie auch Schnee. War der Winter etwa schon da? Vorsichtig stand sie auf und hob das dünne Sommergewand vom Boden auf, das ihr Ryuujin am Vorabend ausgezogen hatte. Der Mann selbst lag, scheinbar noch schlafend, ganz am linken Rand des Futons und rührte sich nicht als sie aufstand. Vorsichtig öffnete sie die Tür und spähte auf den Hof des Tempels hinaus, der tatsächlich nicht mit Frost, sondern mit einer dünnen Schicht Schnee bedeckt war. Trotzdem lief sie hinaus und band sich dabei den hellblauen Kimono zu, während sie das Haus der Frauen umrundete und wie an den letzten Tagen so oft, von einem Gefühl geleitet, zum Strand hinab lief. Doch dieses Mal schlugen keine Wellen gegen die Felsen, denn das Meer selbst war komplett erstarrt und von einer dicken Eisschicht besetzt. Eis, dass viel zu fest und viel zu dick war, um in einer Nacht entstanden zu sein, und Tsuki war klar, was das zu bedeuten hatte. Zumindest blieb nun keine Zeit mehr, um zu überlegen. Sie wusste, dass sie gehen würde… Kapitel 27: Die Hauptstadt -------------------------- Kapitel 27: Die Hauptstadt Unschlüssig sah Fukuro auf die dreckige und matschige Straße vor ihnen. Natürlich war es von vornherein klar gewesen, dass es so ausgehen würde, aber er hatte zumindest Hoffnung gehabt, dass man ihnen zuhören würde. Was war er doch für ein Narr! So zu denken war naiv gewesen – naiv und dumm. Er sah zu Yuki, die ihre Beine an den Körper gezogen neben ihm saß. Zumindest fror sie nicht so wie er – solange sie es sich nicht einbildete. Und Shen? Dieser war schon vor ein oder zwei Stunden, noch bevor die Sonne untergegangen war, mit seiner Wolke verschwunden. Enttäuscht, empört, war er einfach davon geflogen – wohin wusste auch Fukuro nicht. Doch im Moment konnte er sich darum auch nicht kümmern. Viel wichtiger war, dass er für sich und Yuki ein Nachtlager würde finden müssen, nur wo war die Frage. Da es mittlerweile dunkel war, war auch die Temperatur abgefallen und er sah, wie sich Wölkchen kondensierten Atems vor seinem Mund bildeten. Die Nächte wurden unaufhaltsam kälter und wenn sie keine Unterkunft fanden… Zumindest er konnte jede Nacht erfrieren! Er rieb sich die geröteten Hände und verfluchte es, dass sie nun hier und vor allem, dass sie alleine waren. Er wusste nicht wo Shen war und er wusste auch nicht, wie es Tsuki und dem seltsamen fremden ging. Und es war eine Verschwendung überhaupt darüber nachzudenken, denn wissen konnte er es ohnehin nicht. Vielleicht hätte er doch auf Yuki hören und nach Namikuni zurückkehren sollen. Auch wenn er selbst dort nicht hätte viel tun können. Dort hätte er zumindest ein Dach – wenngleich das Dach einer Ruine – über dem Kopf gehabt und aus den Trümmern der anderen Häuser hätten sie sich ein Feuer machen können. Da wehte eine heftige Böe durch die Gasse, an deren Rand sie auf ein paar Steinen saßen. Der Wind ließ Fukuro, dessen Kleidung ohnehin feucht war, frösteln, so dass Yuki ihn schließlich ansah. „Vielleicht sollten wir weitergehen“, meinte sie leise. Er nickte. „Ja…“, murmelte er. „Auch wenn ich nicht weiß, wohin wir gehen sollten.“ Ernüchtert sah er zum stockfinsteren Himmel, der von Wolken, die nur als dunkle Schemen zu erkennen waren, verhangen war, so dass man weder Mond noch Sterne sehen konnte. Dann stand er auf. „Glaubst du, dass sie wirklich kommen?“, fragte Yuki unschlüssig, während sie ihm folgte. Kurz schwieg er. „Ich weiß es nicht. Aber… Wenn können wir wohl nichts mehr tun.“ Daraufhin erwiderte sie nichts. Wie auch in den anderen Städten, durch die sie während ihrer Reise gekommen waren, zog Yukis weißes Haar einige feindselige Blicke auf sich, während sie zwischen den spärlichen Häusern in Richtung Stadtrand gingen. Die Gegend hier war nicht bergig, aber felsig. Vielleicht würden sie außerhalb der Stadt eine Höhle finden, hoffte Fukuro, während eine erneute Böe ihn wieder frösteln ließ. Ichimori lag an einem Fluss, der zum Meer führte, was wahrscheinlich der Grund für den kalten Wind war. Vielleicht war es jedoch auch nur der Winter, der sie bereits erreicht hatte. So in Gedanken versunken und steif vor Kälte bemerkte Fukuro den Mann in Rüstung nicht, ehe er beinahe mit ihm zusammenstieß. Um genau zu sein waren es sogar zwei Männer, die sich ihnen scheinbar absichtlich in den Weg gestellt hatten – beide mit derselben Rüstung bekleidet, wie die Wachen, die sie am Stadttor gesehen hatten. „Das sind sie“, stellte der stämmige Mann, der sich nun Fukuro am Arm schnappte, fest. „Was?“, stieß dieser aus, während der zweite Wachmann den ersteren unschlüssig ansah. Yuki hatte schneller reagiert als ihr Bruder und war zurückgewichen, unsicher zwischen Fukuro und den beiden Soldaten hin und herschauend. Sie konnte beide problemlos aus dem Weg schaffen, doch da schüttelte Fukuro den Kopf. „Lass“, flüsterte er, da ihm – trotz seiner von Kälte und Hunger bedingten Schwerfälligkeit – ein Gedanke gekommen war. Die Wachen hatten sie gesucht… Und dafür konnte es nur zwei Gründe geben: Entweder hatte man Yuki gesehen und den Wachen gemeldet, oder jemand anderes war ihnen bereits über den Weg gelaufen und hatte von ihnen erzählt. In zweiten Fall hatte sich dieser jemand entweder etwas dabei gedacht oder brauchte ihre Hilfe. Beides ein Grund mit den Wachen zu gehen, zumal Yukis Magie zu viel Aufsehen erregen würde und gleichzeitig jedoch auch eine Versicherung war, selbst aus einem Gefängnis entkommen zu können. Vielleicht riskant, aber auch nicht riskanter als eine Nacht bei Frost draußen zu verbringen. So schnell würde man wohl nicht versuchen sie zu töten – sonst wären die Wachen nicht zu zweit und hätten es bereits versucht. Oder? Fukuro holte tief Luft. Zumindest war es eventuell eine Möglichkeit die Nacht in einem Gebäude zu verbringen und vielleicht sogar etwas zu essen zu bekommen. Denn selbst wenn Yuki nicht wie er fror – er wusste, dass auch sie hungrig war. Trotzdem zögerte sie und starrte ihn an, ehe der andere Wachmann sie vorsichtig, ganz so, als könnte er sich an ihrer Haut verbrennen, packte und ihre Hände hinter dem Rücken fesselte, während es sein Kollege mit Fukuro nicht anders machte. Noch immer unsicher begann sie dann, die beiden „Gefangenen“, in eine Richtung, wieder zur Mitte der Stadt, zu zerren. Nun, die Situation war anders als Fukuro gedacht hatte. So seltsam es klang, sie war besser. Denn das Gefängnis, zu dem sie gebracht wurden, war keine hundert Fuß vom Palast Ichimoris entfernt und nur eine etwas mehr als mannshohe Mauer von diesem getrennt. Und selbst wenn Fukuro Shen nie zugetraut hätte, dass dieser soweit dachte, stellte er bald fest, dass der junge Mann aus Pengguo tatsächlich in der Zelle war, in die man sie brachte. Nur Yuki hatte man von ihm getrennt und Fukuro hoffte, dass man weder ihr was tat, noch sie die Geduld verlor und sich selbst befreite. Ein halbherziges Grinsen lag auf dem Gesicht Shens, als man Fukuro – noch immer gefesselt – in den Raum stieß. „Was…“, flüsterte der Ninja, der sich nur wenige Momente nachdem die Tür geschlossen war, von seinen Fesseln befreit war, da der Wachmann seine Arbeit nicht sonderlich gründlich gemacht hatte. „Vielleicht können wir so zumindest mit dem sprechen, den wir sprechen wollen“, meinte der Krieger aus Pengguo mit gesenkter Stimme, der mit seinen Fesseln nicht so viel Glück hatte. Soviel hatte Fukuro bereits verstanden. Immerhin hatte man sie – natürlich! – bereits am Tor zum Inneren Ring der Stadt abgewiesen. Erstaunlich gründlich dafür, dass ein Verbrecher jede Nacht über den bildlichen Zaun zum Fürsten klettern könnte, um diesen umzubringen. Aber nein, so etwas fürchtete man augenscheinlich nicht. Dafür war die Stadt allgemein zu wenig bewacht. Von dem Elend das in anderen Teilen des Reiches herrschte, war hier nicht viel zu spüren, selbst wenn die Häuser kleiner und bescheidener waren, als die in den Dörfern. „Wir kommst du hierher?“, fragte Fukuro, während er sich nun an den Fesseln des anderen zu schaffen machte. „Man hat mir keine Schale Reis gegönnt“, erwiderte Shen nur, was wohl heißen sollte, dass er versucht hatte zu stehlen. Der junge Ninja sah ihn an. Immerhin schien Shens Stimmung nicht so schlecht zu sein, wie in den letzten Wochen, seit sie aus Pengguo zurück waren. Weil sie dort waren, wo er von Anfang an hätte hingehen sollen? Vielleicht… Doch Fukuro scheute sich, danach zu fragen. Stattdessen fuhr er fort und löste die Fesseln aus Hanfseil, ehe er zur Tür der Zelle sah. „Danke“, murmelte Shen und rieb sich die Hände. Dann folgte er dem Blick des Ninjas und zuckte mit den Schultern - scheinbar um diese zu lockern. „Und hast du schon eine Idee, wie wir genau dahin kommen, wo wir hinwollen?“ Sein Gesicht sah im fahlen Licht amüsiert aus, aber vielleicht irrte sich Fukuro auch. Er lehnte sich nun an die Wand und dachte nach. Sicher war er sich nicht, ob es die beste Methode war die Aufmerksamkeit des Fürsten zu erregen. Doch dafür wusste er ziemlich genau, dass es kaum eine andere Möglichkeit gab. Was sollten sie jetzt schon noch anderes machen? Im Gefängnis sitzen bleiben konnten sie nicht - nicht, solange die Oni jeden Tag das Land angreifen konnten. Er wollte nicht hier und vor allem nicht unbewaffnet sein, wenn das passierte. Und wenn sie einfach flohen, würden sie wohl nie wieder eine Möglichkeit bekommen den Fürsten zu sprechen. Entweder also flohen sie so unauffällig wie möglich von hier und drangen dann in den Palast ein, oder sie kehrten nach Namikuni zurück und warteten darauf, dass der Winter vorbei war. Er seufzte leise und rieb sich mit einer Hand die linke Schläfe, da die Müdigkeit ihm leichte Kopfschmerzen bereitete. „Wir müssen versuchen so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf und zu ziehen.“ „Zieht es nicht immer Aufmerksamkeit auf sich, wenn 'Gefangene' fliehen?“, erwiderte Shen und hob eine Braue. „Vor allem wenn einer von ihnen nicht einmal menschlich ist.“ Er musterte den anderen, der momentan nur froh war, das sie zu zweit in der Zelle waren und nicht darauf achten mussten nicht von anderen Gefangenen belauscht zu werden. „Ja, tut es...“, gab er zu und sah zu Tür. Sie war sicher verriegelt und er wusste nicht genau, wie viel Kraft es kosten würde sie zu öffnen. Soweit er gesehen hatte, als man ihn herbrachte, waren es einfache Balken, die die Türen geschlossen hielten. Nicht wirklich sicher, aber genug, um eine Tür die Innen keinen Griff hatte geschlossen zu halten. Shen musterte ihn. „Was ist?“ „Ich denke nach“, murmelte er. „Solange niemand die Türen öffnet, wird es schwer hier heraus zu kommen.“ „Wir könnten auch einfach darauf warten, dass deine Schwester uns befreit“, schlug der Wolkenkrieger vor. „Das wäre gefährlicher, als wenn wir sie befreien... Wenn sie sich wehrt... Die Menschen würden sie töten.“ Erneut zuckte Shen mit den Schultern. Dieses Mal wohl nicht, um sie zu lockern. „Und du glaubst, dass es uns besser ergeht, wenn wir von hier fliehen.“ Fukuro schüttelte den Kopf. „Nein, jedenfalls nicht, wenn wir versuchen mit dem Fürsten zu sprechen.“ Für einen Moment herrschte Schweigen, während sie noch immer an die kalte Lehmwand gelehnt saßen. Es gab vielleicht eine Möglichkeit, wenn die Wachen naiv genug dafür waren - was jedoch nicht unwahrscheinlich war, so grob wie die Stadt bewacht wurde. „Versuch die Tür einzutreten“, meinte er dann zu Shen. Dieser sah ihn verwirrt an. „Wieso?“ Er wusste genau so gut wie Fukuro, dass das Gefängnis so unsicher nicht sein würde, als dass die Türen aus Holz gemacht wären, das man so einfach zerstören könnte. „Versuch es einfach“, erwiderte Fukuro. „Und du?“ Sie sahen sich für einen Moment an, doch dann zuckte Shen noch einmal mit den Schultern und sein Gesicht nahm wieder denselben gleichgültigen Ausdruck an, wie zuvor in der Stadt, als sie sich trennten. Er stand auf, ging auf die Tür zu und versetzte ihr einen Tritt, während Fukuro die Hände zusammenlegte. „Kieyo“, murmelte er und hoffte, dass die Technik zumindest reichte, um die Wache für einen Augenblick zu verwirren, auch wenn sie ihn hier - in einem geschlossenen Raum - wohl nicht ganz verbergen konnte. Erst geschah nichts und Shen trat erneut gegen die Tür. Wieder nichts. Nichts rührte sich und natürlich öffnete sich die Tür auch nicht. Fragend sah der Wolkenkrieger sich um, entdeckte seinen Gefährten im ersten Moment jedoch nicht. Dann jedoch sah er ihm doch ins Gesicht. „Was jetzt?“ Er hatte ganz offenbar nicht verstanden, was der Ninja getan hatte. Vielleicht war es auch besser so, denn so würde es leichter fallen die Wachen zu täuschen - sollten sie sich wirklich herlocken lassen. „Mach weiter“, erwiderte Fukuro ruhig. „Warten wir, dass jemand kommt.“ „Also willst du jemanden herlocken?“, fragte Shen nicht sonderlich begeistert. „Ich fürchte, dass wir keine andere Wahl haben, hier heraus zu kommen, wenn wir uns nicht auf Yuki verlassen wollen“, antwortete Fukuro und sein Ton sagte, dass es nicht das war, was er wollte. Also schwieg der andere nur, ehe er sich der Tür zuwandte und plötzlich, selbst für Fukuro überraschend, einen lauten Schrei ausstieß. Immer noch blieb es ruhig und Shen schrie erneut auf, fast so, als würde er unter starken Schmerzen leiden. Dabei würde ihnen das kaum jemand glauben, denn es war eine Methode, die sicher schon vor ihnen Gefangene versucht hatten anzuwenden, um zu entkommen. Doch tatsächlich erklangen nach einem dritten Schrei fast wütend klingende Schritte auf dem Gang und einen Moment später war eine Stimme von draußen zu vernehmen. „Seid ruhig“, schnauzte jemand ungehalten und scheinbar auch etwas betrunken, da die Worte nicht wirklich artikuliert klangen. „Was macht ihr für einen Radau?“ Die Antwort war nur ein weiterer Schrei, gefolgt von einem Wimmern. „Sei endlich still!“, befahl eine weitere Stimme von draußen. Scheinbar war das Gefängnis nicht sonderlich voll. Wahrscheinlich war es ohnehin nur ein Zwischenlager, ehe man Gefangene entweder tötete oder fortbrachte, wo sie die Ruhe der Stadt nicht mehr stören konnten. Nur ein weiterer stöhnender Schrei kam von Shen, ehe schließlich jemand etwas über das Holz zerrte. Solche Dummköpfe, dachte Fukuro. Ein Ausbruchsversuch - so hatte er zumindest gedacht, hätte überzeugender gewirkt, sollte es den Leuten hier doch Recht egal sein, ob ein Gefangener schrie und litt, oder nicht. Immerhin waren sie nicht mehr als Gefangene. Die Tür öffnete sich und zwei stämmig gebaute Männer waren zu sehen. Und schon ihr Geruch verriet, dass sie etwas zu viel Sake getrunken hatten. Vielleicht der Grund für ihre Naivität, vielleicht waren sie aber auch einfach nur dumm. Zumindest nahmen sie ihre Arbeit nicht ernst, sonst hätten sie nicht getrunken. „Was schreist du, Junge?“, fauchte der eine - ein langhaariger, unrasierter Mann mittleren Alters - und trat auf Shen zu, der einfach vor ihm stand. „Willst du mich wütend machen.“ Auch der andere schien nicht sonderlich freundlich, zumal sie nun ja sahen, dass es ihrem Gefangenen gut ging. Doch dass noch etwas anderes nicht stimmte, merkten sie zu spät. Erst als Fukuro bereits hinter ihnen und auf dem Gang vor der Zelle stand, bemerkte der andere, jüngere Wachmann: „Sie waren zu zweit...“ Doch ein weiteres Wort viel nicht, ehe Fukuro erst dem älteren und dann dem Jungen jeweils einen Schlag gegen den Hinterkopf versetzte. Natürlich reichte es nicht, um die beiden auszuschalten, doch es war bei weitem genug, um ihre Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken. Der Ältere der beiden hatte mehr Erfahrung und ging trotzdem unüberlegter vor, als er versuchte ihn sich zu schnappen, während sich dem anderen ein Hanfseil, mit dem Shen zuvor gefesselt war, um den Hals legte und ihm die Luft abschnürte. Der Ältere krümmte sich einen Moment aufstöhnend zusammen, als Fukuros Fuß ihn zwischen den Beinen traf. „Du...“, knurrte der Mann. Doch viel mehr konnte er nicht sagen, ehe ihn Fukuros Fuß an der Schläfe traf und er im nächsten Moment bewusstlos zur Seite kippte. Auch seinem Kollegen ging es nicht anders. Er lag ohnmächtig und etwas unregelmäßig atmend in der Zelle, während Shen triumphierend neben ihm stand. „Hilf mir“, forderte Fukuro Shen auf, als er sich daran machte auch den anderen in die Zelle zu schaffen. Wenn die beiden nicht sofort Verstärkung rufen konnten, würde es ihnen einen Vorsprung verschaffen, selbst wenn sie ohnehin wohl erst einmal für eine Weile ausgeschaltet waren. Als die Tür schließlich wieder geschlossen war, wandte sich Fukuro um und sah in beiden Richtungen den Flur raus und runter. Es war überraschend ruhig, als hätte niemand etwas gehört, was ihm bei dem Geschrei, das Shen veranstaltet hatte seltsam vorkam. Waren sie etwa die einzigen hier? Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn, doch dann konzentrierte er sich wieder auf das wichtige. Sie mussten Yuki schnellstmöglich finden und dann versuchen in den Palast einzudringen oder von hier verschwinden. Nur hier stehen zu bleiben war die schlechteste Idee, was ihre Möglichkeiten anging. Noch einmal sah er sich um, ehe er in die Richtung ging, aus der die Wachen gekommen waren und aus der auch das Licht kam. Wahrscheinlich war dort der Aufenthaltsraum, in dem sie sich zuvor betrinken hatten. „Yuki?“, fragte er halblaut in die Leere, während er den Flur entlang lief. „Yuki?“ Wenn weitere Wachen im Gebäude waren, waren sie vielleicht schon auf sie aufmerksam geworden. Sie mussten seine Schwester so schnell wie möglich finden, doch das Gebäude, das wahrscheinlich mehr als nur ein Gefängnis war, war nicht besonders klein. „Yuki?“, begann nun auch Shen etwas lauter als der Ninja. Sie erreichten den kleinen mit drei Fackeln erhellten Raum, aus dem die Wachen gekommen waren. Er war spärlich eingerichtet, mit ein paar Schemeln und einem einfachen Tisch, hatte jedoch neben den Fackeln noch eine Feuerstelle, die das kleine Zimmer angenehm warm hielt. Außerdem stand ein Fass Sake in einer Ecke des Raumes. Damit hatten sich die beiden zuvor wohl betrunken. Zumindest trafen sie hier auf keine weiteren Wachen, jedoch waren auch ihre Waffen nicht hier. Sie mussten weitersuchen. Wenn sie würden kämpfen müssen, sähe es schlecht für sie aus, ohne Waffen. Doch zumindest Yuki würde sich währen können - so hoffte Fukuro zumindest. „Yuki?“ Von dem Zimmer ging im rechten Winkel zu dem Gang, aus dem sie gekommen waren, ein weiterer Korridor ab. Auch hier gab es Zimmer, doch die Türen dieser waren nicht mit Balken wie die der anderen verriegelt. Wenn Yuki nicht antwortete, würden sie wohl auch die anderen Zellen öffnen müssen - und noch mehr Aufmerksamkeit erregen. Zumal es sicher nicht das Vertrauenserweckenste war, wenn sie zuvor alle Gefangenen der Stadt befreiten, dachte Fukuro grimmig. Aber er würde nicht ohne seine Schwester gehen. Die Reise war anstrengend genug für sie gewesen und sie hatte soviel für ihn riskiert. Schnell unterdrückte er das erneut aufkeimende Gewissen und sah sich in dem weiteren Flur um. „Yuki? Yuki?“ Kurz schwieg er, um zu lauschen, und tatsächlich hörte er ein Geräusch. Ein unartikulierter Laut, aber er kam von einem Mädchen oder einer Frau. „Yuki?“, fragte er und versuchte zu erkennen aus welchem Zimmer der Laut kam. Erneut war die Stimme zu hören und während Fukuro noch überlegte, welche Tür er öffnen sollte, war Shen schon durch die nächste gestürmt und stand in einem weiteren Raum. Wieder hörte Fukuro die Stimme und sie war dieses Mal eindeutig Lauter. „Yuki“, stellte Shen nun fest und kniete sich in dem Raum nieder, so dass nun auch der Ninja hinzutrat. Tatsächlich hatte der junge Mann aus Pengguo das Mädchen gefunden, dass geknebelt und an ein Bambusgestell gefesselt auf dem Boden saß. Bei ihr hatten sich die Wachen eindeutig mehr Mühe gegeben, als bei den beiden Männern zuvor. Wahrscheinlich, weil sie eine Schneefrau und ihre verfluchte Magie fürchteten. Ja, es war ein Glück, dass sie nicht sofort versucht hatten sie zu töten, gestand sich Fukuro ein und war nun ebenfalls bei ihr um ihre Fesseln zu lösen. Sogar ihre Beine und Füße hatte man gefesselt, doch hätte sie sich wirklich wehren wollen, hätte wohl auch dies den Wachen nicht viel gebracht. „Und was jetzt?“, fragte sie gereizt, als Shen den dreckigen Fetzen Stoff aus ihrem Mund entfernt hatte, mit dem man sie zuvor geknebelt hatte. „Wir brechen in den Palast ein“, erwiderte der Wolkenkrieger. „Was?“ Sie sah ihn irritiert an. Fukuro seufzte. Sie hatten seine Schwester wirklich wesentlich gründlicher gefesselt als ihn oder Shen. Er sah sich um und ging schließlich in den Wachraum zurück, wo er zuvor ein Messer auf dem Tisch liegen gesehen hatte. Es wäre wohl besser gewesen, hätten sie die beiden Wachen zuvor entwaffnet, aber er hatte nicht mehr Zeit als möglich verschwenden wollen, zumal sie mit den Waffen die Tür kaum aufbrechen würden können. So schnitt er nun, im Raum zurück, das Seil durch und befreite sie dann auch von den Fußfesseln, ehe sie schon einen Moment später vor ihm stand. „Wir sind hier, um mit dem Fürsten zu sprechen“, meinte Fukuro und richtete sich nun ebenfalls auf. „Also versuchen wir es zumindest.“ Das Mädchen verdrehte die Augen. „Und wie sollen wir das schaffen?“ „Wir brechen in den Palast ein“, erwiderte Shen. Ungläubig sah Yuki ihren Bruder an, doch dann seufzte sie und sah sich noch einmal in dem kleinen Raum um. „Was ist mit den Wachen?“, erkundigte sie sich dann. „Die Gefängniswachen schlafen gut“, meinte der Wolkenkrieger. „Und im Palast?“, fragte das Mädchen. „Der Fürst wird sicher nicht unbewacht sein.“ Natürlich nicht. Aber zumindest Fukuro und sie würden sich an ihnen vorbeischleichen können. Der Ninja sah zu Shen, an dessen Schleichfähigkeiten er zweifelte. Doch war er der eigentliche Bote. „Was ist mit unseren Waffen?“, fragte seine Schwester nun weiter. „Ich weiß nicht“, erwiderte Fukuro ehrlich. Damit wandte er sich ab und trat vorsichtig wieder auf den Korridor vor dem Zimmer hinaus. In beide Richtungen war es niemand zu sehen und zu linker Hand war nicht einmal Licht. Allerdings lag dort wahrscheinlich der Weg aus diesem Haus heraus, auch wenn Yuki wahrscheinlich Recht hatte und es das Beste war, wenn sie erst nach ihren Waffen suchten. Aber sie durften auch keine Zeit verschwenden. Fukuro seufzte leise. Außerdem wusste er nicht, ob und wie sie ohne Ausrüstung in den Palast eindringen sollten. Der Haupteingang war sicherlich bewacht und zumindest er selbst und Shen hatten noch immer mit den Wunden zu kämpfen, die sie von dem Kampf gegen die Kappa im Sumpf davongetragen hatten. Auf der anderen Seite hatten sie jedoch immer noch Shiyun - die Wolke Shens. „Was?“, fragte Yuki leise und angespannt und trat hinter ihn, da er noch immer halb in der Tür stand. „Unsere Waffen müssen hier irgendwo sein“, stellte er fest und ging nun ganz in den schmalen Korridor hinein. Dort sah er sich in beide Richtungen um und ging dann noch einmal zum Wachraum zurück. Allerdings blieb er vor diesem stehen und wandte sich nach rechts, wo eine weitere halb offene Tür war. Irgendwo hier wurden die Waffen, die sie Gefangenen abnahmen, aufbewahrt. Das hoffte er zumindest. Er öffnete die Tür vorsichtig und trat hinein. Da das Erdgeschoss des Gebäudes aus Lehm erbaut war, waren die Türen hier allesamt mit Scharnieren versehen, anstatt dass sie sich zur Seite schieben und so öffnen ließen. Ungewöhnlich, selbst für ein Gefängnis, wenngleich wahrscheinlich sicherer. Nur wenig Licht drang aus dem Aufenthaltsraum in die kleine Kammer, in der er nur stand, doch es reichte, um zu erkennen, dass ihre Waffen hier nicht waren. Dafür fand er hier jedoch zumindest Seil. Nicht viel, aber es würde ihnen vielleicht helfen. „Was ist?“, fragte nun Shen. „Lasst uns in den anderen Räumen nachsehen“, meinte Fukuro und rollte das unsauber und etwas verknotet daliegende Seil - es war vielleicht achtzehn Fuß lang - auf und legte es sich über die Schulter. Derweil öffneten seine beiden Gefährten schon zwei der anliegenden Türen, doch ein Seufzen verkündete, dass auch dort nicht war, was sie gebrauchen konnten. Drei weitere Türen grenzten an den Gang an, doch auch als sie diese öffneten fanden sie nichts außer zwei leere Räume und eine weitere Einzelzelle, wie die, in der sie Yuki gefangen hatten. „Wir gehen“, beschloss der Ninja so. „Aber...“, setzte seine Schwester an. „Es muss auch so gehen“, erwiderte er und trat aus dem Raum in einen recht dunklen, anliegenden Raum, an dessen von ihm aus rechten Ende jedoch eine Fackel zu erkennen war. Neben dieser war ein weiterer Gang, der soweit Fukuro sich orientieren konnte, Richtung Südwesten führte. Die Richtung, aus der sie gekommen waren. Ja, er war sich ziemlich sicher, dass sie ihn und Yuki hier hindurch gebracht hatten, obwohl man vermieden hatte, dass sie viel von ihrer Umgebung sahen. Trotzdem vertraute er auf das, was er noch erinnerte und wandte sich nach rechts. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren folgten auch Yuki und Shen, da selbst das Mädchen einsah, dass sie hier herausfinden mussten. Sie konnten nur hoffen, dass sie auf keine weitere Wache oder einen Soldaten trafen, denn Fukuro vermutete in Anbetracht der Treppe, die in der Mitte des durchquerten Raumes nach oben führte, dass es sich bei diesem Gebäude nicht nur um ein Gefängnis, sondern um eine Art Kaserne handelte. Jedoch verriet das Licht, das aus dem oberen, wahrscheinlich aus Holz gebauten Stockwerk kam, dass es dort wohnhafter war, als hier unten. Während sie dem ebenfalls recht engen Korridor folgte, drang der Geruch von Regen in Fukuros Nase und verriet ihm, dass sie dem Weg nach draußen nicht fern waren. Also beschleunigte er seinen Schritt, darauf achtend, dass Yuki und Shen dicht bei ihm blieben. Der Flur, in dem sie liefen, mündete in einen breiten Korridor, der sowohl nach links, als auch nach rechts abzweigte, doch die Kälte kam von links. Also wandten sie sich in die Richtung und rannten nun fast, als sie die offene Tür sahen. Erst als sie diese erreichten, stoppten sie ihren Schritt und sahen heraus – jedoch nicht vorsichtig genug. „Hey!“, rief ein Wachmann aus, der im kleinen, matschigen Hof der Kaserne stand und sah sie an, scheinbar erkennend, wen er da vor sich hatte. Auch ein zweiter, der an dem hölzernen Tor stand, das in der Mauer zwischen Stadt und Kaserne eingebettet war, wurde auf sie aufmerksam und kam nun auf sie zu. „Verdammt“, fluchte Fukuro leise, obwohl er damit gerechnet hatte, dass sie nicht ganz unbehelligt hier herauskommen würden. Immerhin war es eine Kaserne und die Stadt war zwar unzureichend, aber dennoch bewacht. Der erste der Wachmänner, ein stämmiger, junger, zog sein Schwert, während er auf sie zukam. „Was macht ihr hier?“ Fukuro konzentrierte sich. „Bai-ni su!“ Dabei musste er sich eingestehen, diese Techniken lange nicht mehr genutzt zu haben. Sicher, sie hatten auch gegen Dämonen gekämpft, die sich nicht so leicht täuschen ließen. Doch beiden menschlichen Wächter sahen ihn verwirrt an, als er und drei Abbilder seiner auf sie zukamen. Der eine reagierte und versuchte ihn mit seinem Schwert zu treffen, doch er duckte sich unter diesem weg und versetzte dem Mann einen gezielten Schlag gegen die Hand, die ihn dazu brachte, das Schwert fallen zu lassen. Ehe er weiter reagieren konnte, hatte Fukuro die nicht besonders gut gearbeitete Waffe in der Hand und versetzte seinem Gegner einen Schlag mit dem Knauf gegen den Kopf, die dem Wachmann das Bewusstsein kostete. Damit verschwanden auch die Abbilder wieder und er wandte sich zur zweiten Wache, die gegen Shen kämpfte. Als dieser den Soldaten zu Boden schickte, begann dieser auf einmal zu schreien. „Hilfe! Hilfe! Die…“ Mehr brachte er nicht heraus, ehe Yuki ihm einen Schlag gegen den Nacken versetzte. Ein Knacken war zu hören, ehe die Augen des Mannes fahl wurden und er einfach umkippte. „Yuki!“, rief Fukuro aus. Der Mann hatte nicht auf seine Deckung geachtet. „Was?“, erwiderte sie, doch er gab nur einen hilflosen Seufzer von sich. „Es ist nicht besonders vertrauenserweckenda, wenn man…“ Er brach ab und horchte auf. Die letzten Schreie des Mannes waren wohl gehört worden. „Wir müssen hier weg“, meinte Fukuro. Damit wandte er sich zu der Mauer, die noch immer ein ganzes Stück von ihnen entfernt war und sie von dem Palast trennte. „Lauft“, rief er den anderen beiden zu, als diese ihn nur ansahen. Damit sprintete er selbst durch den matschigen Hof und sprang kurz vor der Mauer hoch. Gerade genug, als das er mit den Händen den oberen Rand der Mauer zu fassen bekam und sich hochzog. Dabei zuckte er kurz zusammen, als die Wunde an seiner Seite unangenehm zog, doch damit war er schon oben – dicht gefolgt von Yuki, die jedoch wesentlich leichter als er hinaufgekommen war. Nur Shen… Doch da hörte er dessen Pfiff und im nächsten Moment landete der junge Mann auf der anderen Seite der Mauer, wohin sich auch Fukuro und Yuki fallen ließen, ehe die ersten Wachen in den Hof kamen. Somit standen sie vor dem gut zehn Schritt hohem Unterbau des Schlosses, beziehungsweise in dem umliegenden Garten. Zumindest war hier keine Wache in Sicht, doch wie lange das andauern würde, konnten sie nicht sagen. „Und jetzt?“, fragte Yuki mit angespannter Stimme. Sie blickte das recht hohe Gebäude hinauf, dessen Inneres sicher ein Irrgarten sein würde. Nun zuckte Fukuro mit den Schultern. Sie würden einen Aufgang finden müssen, ein Fenster oder einen Balkon, über den sie hineinkamen. Und sie das, bevor man hier nach ihnen suchen würde. Er fröstelte. Die Nacht war ziemlich kalt. Kapitel 28: Der Regent des Westens ---------------------------------- So, ich habe das nächste Kapitel fertig. Jetzt sind es wahrscheinlich noch 4 bis zum Schluss der Geschichte :3 Hoffe, es sind nicht zu viele Fehler drin. Habe über Write or Die geschrieben. ~*~*~*~*~*~*~*~*~ Kapitel 28: Der Regent des Westens Fukuro zog sich am Rand eines Balkons hoch und verschwand dann im Inneren des Palastes, wo Yuki und Shen bereits am Boden gekauert saßen. Sie hatten sich hineingeschlichen und Rufe von draußen verrieten, dass man bereits nach ihnen suchte. Der Saal, der an dem Balkon lag, war komplett dunkel, wie wohl die meisten, der nicht genutzten Räume. In den Gängen würde es wahrscheinlich Kerzen oder Fackeln geben, wie auch Wächter – denn immerhin ruhte hier der Fürst des Landes. Und obwohl sie genau diesen sprechen wollten, wusste keiner von ihnen auch nur seinen Namen. Es war schon beinahe ironisch. „Und nun?“, fragte Shen und lauschte, ehe er vorsichtig in den Raum hineinschlich. Auch Fukuro war sich nicht sicher, was sie nun machen sollten. Sie könnten hier bis zum Morgen warten – sicher gäbe es eine Möglichkeit sich zu verstecken, gut genug, als dass die Wachen, die sie vielleicht auch hier suchten, sie nicht fanden. Doch der Fürst würde ziemlich sicher von Wachen umgeben sein, so dass sie selbst dann vielleicht keine Chance hätten mit ihm zu reden. Doch auf der anderen Seite bezweifelte er, dass ihnen irgendjemand Gehör schenken würde, sollten sie sich einfach ins Schlafgemach des Fürsten schleichen. Egal was sie behaupten würden, sähe dies wohl eher nach einen Attentat aus und nicht nach einer Warnung. Weiterhin schwieg er und sah zu Yuki und Shen, denen zumindest dies auch klar zu sein schien. Die beste Chance wäre es wohl zu warten, bis der Morgen kam und dann mit dem Fürsten zu sprechen. Selbst wenn er sich nicht sicher war, ob er ihnen dann zuhören würde – das war er sich von Anfang an nicht gewesen. Doch zumindest wollte er nicht einfach aufgeben, ohne etwas versucht zu haben. Sie konnten nicht einfach gehen, wenn die Oni kamen. Und der Winter, dachte er nüchtern. Im Winter würden sie nicht weiterreisen können, denn zumindest er und Shen würden erfrieren, wenn sie in den kalten Nächten auf den Straßen schlafen müssten. Und der Winter war beinahe da. „Wir warten“, sagte er schließlich. „Solange uns noch niemand sucht, scheinen wir hier in Sicherheit zu sein.“ Und wenn uns jemand sucht können wir uns ohnehin nicht verstecken, fügte er in Gedanken hinzu. Jedenfalls nicht sehr lange. Sie waren in einem Gebäude und solange sie in der Nähe des Balkons waren gab es zumindest eine Möglichkeit zur Flucht. „Am Morgen werden wir versuchen den Fürsten zu sprechen.“ Erklären, wieso er warten wollte, musste er nicht. Das war auch Shen klar. Es war ihre einzige Chance, und wenn der Fürst nicht auf sie hören wollte, würde es ohnehin zu spät sein noch jemand anderen zu warnen. Das war es schon jetzt. Vorsichtig setzte Fukuro sich auf den Boden und schloss für einen Moment die Augen. Er wusste nicht einmal sicher, ob und wann die Oni einfallen würde. Zwar hatte es das Orakel in Shens Dorf gesagt, zwar sagte es Tsuki und Raiu Akki hatte Tatsächlich ihr Dorf im Frühjahr zerstört. Doch noch immer war er nicht sicher, ob das prophezeite wirklich geschehen würde. Denn bisher war alles ruhig. Außer ihren Kämpfen gegen Raiu Akki war nichts geschehen. Aber wenn nichts weiter passieren würde, wieso hatte Raiu Akki versucht, sie loszuwerden. Ja, wieso? Sie waren zu viert gewesen. Wie konnten sie für den Oni eine Gefahr sein. Selbst gegen ihn allein hatten sie kaum eine Chance gehabt und gegen ein Heer aus Oni würde wohl niemand etwas tun können… Keine Einzelner. Keine kleine Gruppe. Allerhöchstens ein weiteres Heer. Yuki lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Sie war genau so erschöpft wie er, sagte jedoch nichts. Vielleicht hatte sie mit dem, was sie vorher gesagt hatte, was sie die ganze Zeit schon sagte, recht gehabt. Es war sinnlos, was sie taten. Doch es war noch sinnloser nichts zu tun. Kurz wanderten seine Gedanken zu Tsuki. Er wusste nicht einmal, was mit ihr geschehen war. Hatte dieser Mann – Ryuujin – sie wirklich in den Tempel gebracht, von dem ihnen die blinde Miko erzählt hatte? Hatte man ihr dort helfen können? Was machte sie jetzt? Noch immer fühlte er sich schlecht, wusste, dass er die Kitsune seitdem sie aus Pengguo zurückgekehrt waren ungerecht behandelt hatte, auch wenn es sie scheinbar nicht berührt hatte. Sie waren so lange mit ihr gereist, doch eigentlich wussten sie nichts über sie. Doch genug, als dass sein Misstrauen ungerechtfertigt gewesen war. Jetzt würden sie sie wahrscheinlich nie wieder sehen. Ein leises Seufzen kam über seine Lippen. Vielleicht war er nur hier, um etwas zu beweisen. Um sagen zu können, dass er nicht nichts getan hätte. Und trotzdem hatte er Yuki und Shen mitgenommen. Es wäre ihm lieber gewesen, hätten sie ihn verlassen, als sie den Schrein verließen… Fukuro schreckte auf und wusste im ersten Moment nicht wieso. Dann wurde ihm klar, dass die Müdigkeit ihn überwältigt hatte und er eingeschlafen war, während sie sich in dem kleinen, kahlen Raum, der scheinbar nicht einmal genutzt wurde, versteckten. Er war einfach übermüdet, doch wusste auch, dass dies nicht passieren durfte. Was hatte ihn aufgeweckt? Hatte er jemanden gehört? Kurz sah er sich verwirrt um, entdeckte jedoch nichts. Nein, nicht einmal Yuki konnte er sehen, wurde ihm auf einmal klar. Hastig stand er auf und sah sich erneut um und entdeckte seine Schwester auf dem Balkon stehend und in die Ferne blickend, während Shen hinter ihr stand und versuchte sie vorsichtig zurückzuziehen. „Yuki“, flüsterte er warnend. „Komm.“ Nun war Fukuro ganz wach. Er sah, dass mit seiner Schwester etwas nicht stimmte und trat näher zu ihr. Ihre Augen glühten, wie immer wenn die Yokai in ihr die Überhand gewann. Doch ihr Blick war ernst und er legte vorsichtig die Hand auf ihre Schulter, nicht ganz sicher, ob sie sich unter Kontrolle hatte. „Yuki?“, fragte er. „Sie sind da“, flüsterte sie und wandte den Blick gen Osten, wo das Meer hinter einigen Hügeln verborgen liegen musste, im Dunkeln zumindest nicht zu erkennen. Da spürte auch Fukuro, was sie meinte. Er konnte es nicht erklären, wusste nicht was es war, doch es jagte ihm einen Schauder über den Rücken, denn er wusste, dass es gefährlich war. Auch wenn es zuvor kalt gewesen war spürte er, wie die Temperatur schlagartig abfiel und ein kalter Wind über den Palast und die Stadt fegte. Ein kalter Wind, der Eis und Schnee mit sich brachte und die Landschaft vor ihnen innerhalb weniger Augenblicke winterlich kleidete. Zu schnell für einen normalen Wetterwechsel. „Was ist das?“, fragte Shen leise und trat zurück. Fukuro hatte derweil verstanden was vor sich ging. Das da war dieselbe Magie, die zu benutzen auch Yuki fähig war. „Yokaimagie“, erwiderte er leise. Obwohl er noch kurz zuvor daran gezweifelt hatte, dass überhaupt etwas geschehen würde, wusste er jetzt, dass es schon begonnen hatte. Und er verstand noch immer nicht warum. „Sie sind hier“, hauchte Yuki. Ein kräftiger Wind fegte erneut über die Stadt hinweg, stark genug um sicher einige der Häuser zu zerstören. Schreie erklangen aus der Stadt und auch aus der Wachstube nebenan. Jetzt würde zumindest wohl niemand mehr nach ihnen suchen, dachte Fukuro grimmig, als er Flammenschein aus der Stadt wahrnahm und einen riesigen Vogel sah, der Flammen speiend vom Himmel hinabsank. „Wir sind zu spät“, murmelte Shen. „Nein“, erwiderte Fukuro. „Das hier ist nur eine Warnung…“ Damit wandte er sich um und lief zu der Tür des Raumes. Yuki drehte sich zu ihm um. „Wohin willst du?“ „Zum Fürsten.“ Damit öffnete er die Tür und trat in den Gang hinaus. Er wusste nicht, wo er den Fürsten finden konnte, doch er wusste zumindest eines: Jetzt musste er ihnen Glauben schenken. Es waren noch nicht viele Geisterwesen, die dort draußen lauerten, doch er wusste, dass es reichte um bei den mittlerweile so ungläubigen Menschen Verwirrung hervor zu rufen. Doch das, was er gesehen hatte, sah nicht nach einen organisierten Angriff aus, sondern schien tatsächlich nur zur Einschüchterung zur dienen. Zumindest hoffte er, dass es so war. Und er ahnte, dass es in den anderen drei Reichen, vielleicht auch in Pengguo, nicht anders aussah als hier. Der Wind kam vom Meer, das das ehemalige Eikyû spaltete. Von der Mitte zwischen den vier Reichen, wurde ihm klar. Die Oni kamen von dort und die Geschichten, die er über die Insel, die angeblich in jenem Meer lag, gehört hatte, kamen ihm wieder in den Sinn. Die Insel der Götter. In Gedanken versunken rannte er beinahe in zwei Wachen, die auf einem breiten Korridor mit Fackeln in der Hand patrouillierten und ihn nun entdeckten. „Hey“, rief der eine noch als einer von Yukis Winde sie beide zurückwarf, so dass die Fackeln erloschen und beide Männer zu Boden gingen. „Was wollt ihr?“, brachte der eine Mann schwach hervor, während der andere mit dem Kopf gegen eine Wand geschlagen war und scheinbar ohnmächtig war. „Wir wollen mit dem Fürsten von Tengaio sprechen“, erwiderte Fukuro. „Wir haben eine Nachricht für ihn.“ „Aber…“ Der Mann wirkte verunsichert, hatte aber scheinbar nichts von dem, was draußen geschah mitbekommen. Jedoch blieb ihnen keine Zeit ihm die Situation zu erklären, ehe die Wand am Ende des Flures barst und ein hundeartiges Wesen mit Affenkopf auf sie zugestürmt kam. Ein Hoko, erkannte Fukuro, jedoch nicht rechtzeitig, bevor sich die Bretter, aus denen der Gang errichtet war, zu biegen begannen und auf sie zuflogen. Einzig Yuki reagierte und schleuderte einen eisigen Wind in Richtung des Yokai. Eine Raureifschicht überzog die Bretter und das Wesen wurde zurückgeworfen. Kurz blieb es auf dem hölzernen Boden liegen, doch dann stand es mit einem Knurren auf und sprach mit undeutlicher, tiefer Stimme die Schneefrau ihm gegenüber an. „Es sind Menschen. Wieso schützt du sie?“ Yuki antwortete nicht, wahrscheinlich weil sie keine Antwort auf die Frage wusste. Sie wusste wahrscheinlich nicht einmal was die Frage des Hoko zu bedeuten hatte, obwohl Raiu Akki zuvor sie ähnliches gefragt hatte. Kurz wartete das eigentlich friedfertige Wächtertier, doch dann sprang es mit weiterem, lauten Knurren auf sie zu und versuchte das Mädchen zu Boden zu drücken, als Shen vor ihr stand und es mit seinem Stab abwehrte. Dabei sah er selbst nicht wirklich überzeugt von dem aus, was er tat, doch er stellte sich vor Yuki. „Eure Zeit ist vorbei“, murmelte er. „Es ist jetzt an den Menschen.“ „Dann wird diese Welt zu Grunde gehen“, erwiderte der Hoko und auf einmal wuchsen Äste aus den Brettern, die sie umgaben, so als wäre das tote Holz wieder zum Leben erwacht und wollte sich an seinen vermeidlichen Mördern rächen. Innerhalb weniger Augenblicke hatte sich der Flur in einen kleinen Wald verwandelt, doch ebenso schnell überzog eine Schicht aus Eis und Schnee die jungen Sprößlinge, um sie erneut absterben zu lassen. Dann erreichte das Eis auch den Hoko, der zurücksprang, während der eine Wächter, der noch bei Bewusstsein war, sie verwirrt und ängstlich anstarrte, so als verstünde er nicht, was vor sich ging. Nun – wahrscheinlich war auch das der Fall. „Wo finden wir den Fürsten?“, fragte ihn Fukuro noch einmal. Er war sich beinahe Sicher, dass dieser Hoko nicht der einzige Yokai war, der sich im Gebäude aufhielt und wenn die Oni, wenn die Yokai wussten, dass der Fürst hier war, versuchten sie vielleicht ihn zu töten. Was den Angriff wesentlich organisierter erscheinen ließ, als zuvor. Vielleicht war das der Plan – die Führer der Menschen auszuschalten? Das würde weiteren Hass schüren, doch was sonst? Wussten diese Geister nicht, dass die eigentlichen Führer die waren, die ein Offizier im Namen trugen. Nicht die Fürsten… Fukuro sah den verängstigten Mann an, welcher schließlich einige Worte stotternd über die Lippen brachte. „Der Fürst… Zwei Stockwerke unter uns.“ Also im Erdgeschoss, von den Steinmauern geschützt, schloss Fukuro. Dort, wo das Feuer nicht so schnell hinkommen würde, wahrscheinlich sogar von einer Steindecke geschützt. Vielleicht war er noch sicher, doch das konnten sie erst wissen, wenn sie es gesehen hatten. Kurz zögerte Fukuro, ehe er ein Messer aus seinem Gürtel zog und damit an Yuki vorbei zum Hoko lief, der ihn mit Überraschung auf dem Affengesicht ansah. Die Magie der Schneefrau hatte ihn geschwächt und er reagierte zu langsam, als der Ninja das Messer am Hals des Youkai ansetzte und durchzog, so dass das Wesen, dass im Gegensatz zu so vielen anderen wirklich lebte und sich nur im Wald am Leben erhalten konnte, sofort starb. „Fukuro“, setzt Yuki überrascht an, doch er wandte sich ihr zu. „Wir müssen gehen“, murmelte er. „Kommt.“ Dabei wusste er, dass dieser Youkai nicht der einzige war, der sterben würde, sollte es wirklich einen Krieg geben. Doch genau so wusste er, dass noch viel mehr Menschen sterben würden, in diesem Krieg. Er rannte den Gang entlang zur Mitte des Gebäudes, wo er vermutete, dass die Treppe lag, und diese schließlich auch fand. Zwei mal fünfzehn ebenfalls hölzerne Stufen führten ihn ins Erdgeschoss und brachten sie direkt vor eine ganze Gruppe Wächter, die mit gezogenen Schwertern hier unten warteten und aufschreckten, als sie die Fremden sahen. „Wer seid ihr?“, fragte einer der Männer. „Eine Yuki Onna“, erkannte ein anderer Mann, woraufhin der, der zuerst gesprochen hatte, reagierte. „Dann gehört ihr auch zu diesen…“ Aber Shen unterbrach ihn. „Wir müssen mit eurem Fürsten sprechen.“ „Natürlich“, knurrte der Anführer von ihnen grimmig, der als einziger einen Vollhelm trug. Er glaubte ihnen nicht – natürlich nicht. „Ich habe eine Nachricht aus Pengguo“, versuchte es der Wolkenkrieger erneut. Die Wachen zögerten, ehe jedoch ein Junger – scheinbar sogar jünger als Shen – unsicher kundtat: „Das Donnerland Pengguo? Das ist doch nur Ammenmärchen.“ Fukuro biss die Zähne aufeinander. „Glaubt ihr immer noch, dass solche Sachen Ammenmärchen sind, nachdem was draußen passiert?“ Weiteres Zögern ging durch die Reihen der Wachen, doch dann stärkte der Anführer seinen Rücken und ging mit erhobenem Schwert auf Fukuro zu. „Ihr kommt hier nicht durch, Eindringlinge.“ Und der Ninja erkannte, dass verhandeln mit ihnen keinen Sinn hatte. Natürlich nicht, eigentlich taten sie nur, was ihre Aufgabe war. „Yuki“, flüsterte er daher nur, da seine Schwester bisher gezögert hatte. Einen Moment später sauste erneut ein Wind durch die Flure hier im Erdgeschoss und warf auch diese Gruppe aus zehn Mann zu Boden, so dass sie über sie hinweg springen konnten, ehe ihnen auch nur eine Möglichkeit zum Reagieren blieb, waren sie doch hart auf den Boden aufgeschlagen.Allerdings wussten sie so immer noch nicht, wo sie den Fürsten fanden. Vielleicht war er nicht einmal hier, kam es Fukuro in den Sinn, während eine der Wachen lautstark um Hilfe brüllte, so dass wahrscheinlich die ganze Etage über die Eindringlinge informiert war. Sie mussten schnell handeln, aber die Frage war wie. Da nahm Shen ihm diese Überlegung bereits ab, als er in den Flur rechterhand von ihnen lief, wahrscheinlich einfach einer Intention folgend. Also setzen Fukuro und Yuki ihm nach und liefen in den Gang hinein, der etwa doppelt so breit war, wie der, dem sie im oberen Stockwerk gefolgt waren. Zudem hingen hier in regelmäßigen Abständen Fackeln schlichten Wänden, die ihnen den Weg erhellten und sie die Gruppe Wachen, die ihnen entgegenkam, schon früh sehen ließen. Ausweichen konnten sie nicht mehr, denn auch hinter ihnen waren zumindest drei der Wachen, die wieder auf die Beine gekommen waren. Zur Seite gab es mehrere Räume, die jedoch wahrscheinlich alle Sackgassen sein würden. An diesem Gang schienen – darauf ließen die schlichten Holztüren schließen – nur Lagerräume zu liegen. Kurz überlegte Fukuro, doch Yuki handelte bereits und schickte auch die ihnen entgegenkommenden Wachmänner zu Boden. Geschrei erklang und sie zogen immer mehr Aufmerksamkeit auf sich, als sie eigentlich vorgehabt hatten. Unbeholfen sich in den hölzernen Rüstungen windend, um erneut auf die Beine zu kommen, lagen die Wachen vor ihnen. Doch als sie über sie hinwegsetzen wollten griff einer der Männer nach Shens Fuß und brachte den Krieger zu Fall. Fukuro fuhr herum, während schon ein anderer der Männer wieder auf die Beine kam und die drei anderen Wachen sie beinahe erreicht hatten. Hinter ihnen erklangen weitere Schritte, so dass es ganz so aussah, als würden sie wirklich in der Falle sitzen. Da erklang aus der Richtung, aus der sie gekommen waren, eine herrische Stimme. „Was geht hier vor?“ Gleichzeitig griff einer der nun wieder stehenden Wachmänner nach Fukuros Armen und hielt ihn fest, während der, der Shen zu Fall gebracht hatte, diesen an den Boden genagelt hatte. Yuki sah zwischen ihren beiden Begleitern hin und her, doch da näherte sich eine weitere Gruppe hinter ihren Verfolgern, die augenblicklich Platz machten für eine aus fünf weiteren Wachen bestehende Gruppe, die einen vermummten Mann umgaben, dessen schlichtes Gewand reichlich verziert war. Obwohl er sich nicht sicher war, ob der vermummte Mann ein Doppelgänger oder eine Falle war, senkte er den Kopf. „Majestät?“, fragte er. „Was geht hier vor?“, fragte der Mann erneut und schob das Tuch, das zum Teil sein Gesicht verhüllte, zur Seite. Er war selbst nicht viel älter als Fukuro – vielleicht dreißig Jahre alt. Hatte jedoch einen aufrechten und selbstbewussten Gang. „Diese Leute sind in den Palast…“, begann der Anführer der Wachen, der nun ebenfalls zu ihnen gelangt war und etwas hinkte, aber bevor er aussprechen konnte, hatte Shen den Mann, der ihn am Boden gehalten hatte, zur Seite geworfen und kniete nun vor dem vermeidlichen Fürsten. „Wir haben eine Nachricht für euch, Majestät“, brachte er keuchend hervor und Fukuro merkte, dass er sich seiner Worte nicht ganz sicher zu sein schien. „Mein Name ist Shen Hou, vom Wolkendorf des Fengshan in Pengguo. Ich habe eine Nachricht unseres Orakels für Euch.“ Niemand reagierte, während die Augen des Fürsten sich in den Nacken Shens bohrten. Schließlich fügte Fukuro vorsichtig hinzu: „Wir wissen, was dort draußen vorgeht.“ Auch wenn dies nicht ganz der Wahrheit entsprach. Der Morgen graute, als die Geisterwesen so plötzlich aus Ichimori verschwanden, wie sie gekommen waren. Was sie zurückließen waren einige ausgebrannte Häuser in einem eisigen Feld aus Schnee. Es bestätigte den Verdacht, den Fukuro bereits seit ihrem Einfallen gehabt hatte. „Es war nur eine Vorhut.“ Mit diesen Worten sah er aus dem Fenster der kleinen Kaserne der Stadt, aus der sie noch in der Nacht geflohen waren. Der Fürst kniete hinter ihm mit zwei Offizieren und Shen an einem niedrigen Tisch und sah nun zu dem Jungen auf. Ganz offensichtlich misstraute er ihnen, jedoch nicht so sehr wie die Wachen, die immer wieder nervöse Blicke zu Yuki warfen. „Du sagst es werden noch weitere kommen“, erwiderte der Fürst – Tsurai no Chiki genannt. „Woher wisst ihr soviel über diese Dinge.“ „Wir haben es selbst gesehen“, erwiderte Fukuro. „Sie haben bereits einige Dörfer zerstört.“ Er sah zu Shen. „Auch in Pengguo.“ „Ist das wahr?“, fragte der Fürst. Schon die ganze Zeit hatten sie diese und ähnliche Fragen beantwortet – man konnte nicht drum herum den Regenten als gründlich zu bezeichnen. Der Wolkenkrieger ihm gegenüber wurde langsam ungeduldig, wie das Zucken seiner Finger verriet. „Sie haben meine Heimat zerstört“, bestätigte er und seine Stimme wirkte stumpf. Tsurai no Chiki schwieg. „Im Frühjahr zerstörten sie das Dorf, aus dem wir kommen“, fuhr so Fukuro schließlich fort und sah zu seiner Schwester hinüber. „Wir sind die einzigen die überlebten.“ Mehr musste der Mann nicht wissen, wenn er nicht fragte. „Außerdem… Einer ihrer Anführer, ein Dämon, der sich selbst Raiu Akki nennt, hat das Amulett des Südens, die Namida gestohlen.“ Erneutes Schweigen. „Ein weiterer Dämon ist im Besitz von dem Dolch Yaeba“, sagte Shen. Der Offizier, der an der linken Seite des Fürsten saß, sah zwischen ihnen mit einen Blick hin und her, der ausdrückte, dass er nicht sicher war, ob er lachen oder sie anschreien sollte. „Diese Gegenstände – das sind doch nur Legenden!“ „So wie Geister?“, erwiderte Yuki sarkastisch. Tsurai no Chiki sah sie an. „Aber was wollen sie? Wieso greifen sie uns an?“ „Sie wollen sich rächen“, antwortete das Mädchen. „Sie wollen Rache.“ Wieder herrschte Stille und erneut wanderte der Blick des Regenten zwischen ihnen hin und her, weitaus mitdenkender, als Fukuro es erwartet hatte. Währenddessen rang der zuvor von Yuki widerlegte Offizier nach Worten. „Ihr glaubt ihnen doch nicht, Chiki-sama?“, brachte er schließlich hervor, woraufhin der Blick des Fürstens zu ihm wanderte. „Bleibt mir eine Wahl?“, fragte er. Damit sah er zu Fukuro. „Was schlägst du vor, Junge?“ Kurz und etwas überrascht schwieg Fukuro. „Wir können sie nicht mehr aufhalten“, gab er dann leise zu. „Dazu ist es zu spät. Aber eine Armee wird zumindest die Küste des Reiches verteidigen können.“ Noch einmal schwieg er für einen Moment. „Sie werden über das Meer im Osten kommen.“ Kapitel 29: Weg über das Meer ----------------------------- Nach längerer Zeit dann doch mal wieder ein neues Kapitel xD Sind nur noch zwei bis zum Schluss (Plus Epilog)... Und irgendwie fällt es mir schwer das letzte Stück zu schreiben. Aber es wird. Es MUSS werden ^^" Übrigens hat die Geschichte auch ein neues Cover. Danke Schön an :D Viel Spaß mit dem neuen Kapitel ^^" Kapitel 29: Der Weg über das Meer Ryuujins Augen folgten der Füchsin, die noch immer barfuss und nur mit einem dünnen Sommergewand bekleidet war, während sie prüfend über das gefrorene Meer vorauseilte. Im Gegensatz zu ihm, schien sie nicht zu frieren, obwohl er mit einem Mantel aus Tierfellen über dem Hakama, das er einst von dem Eremiten im Windberg bekommen hatte, und wildledernen Schuhen an den Füßen bekleidet war. Einmal mehr fragte er sich, ob diese menschliche Gestalt von ihr wirklich real oder doch nur eine Illusion war. Über dem winterlichen Szenario – wenngleich nur wenig Schnee fiel – lag ein dämmeriges Zwielicht, das schon seit den frühen Morgenstunden anhielt und dafür gesorgt hatte, dass der Krieger sämtliches Zeitgefühl verloren hatte. „Das Eis ist fest genug“, stellte sie nun fest und sah ihn mit ihren goldenen Augen an. „Du musst mir nicht folgen“, fügte sie hinzu, da er einmal mehr stehen geblieben war. Leicht schüttelte er den Kopf. „Ich habe nicht vor dich alleine gehen zu lassen“, meinte er halblaut, woraufhin sie nur neuerlich mit den Schultern zuckte und wieder vorauslief. Ryuujin seufzte leise, ehe er ihr leicht zitternd folgte. Er spürte das Gewicht Tsumes, das an einem Waffengurt um seine Hüfte hing. Mittlerweile hatte er es aufgegeben, sich darüber Gedanken zu machen warum er ihr folgte. Er tat es einfach aus Angst sie noch einmal aus den Augen zu verlieren. Außerdem wusste er, dass die Oni ihn ebenso verfolgen würde, so lange er Tsume bei sich trug. Also machte es, so wie sich die Lage entwickelt hatte, ohnehin wenig Unterschied, wohin er ging. Trotzdem kam es ihm vor, als würden sie geradeaus voran in die Arme des Todes stürmen. Der Füchsin jedoch schienen solche Gedanken fern, denn sie lief sicher voraus über das scheinbar meterdicke Eis und wieder fragte sich der ihr folgende Krieger, was sie eigentlich war. Er hatte mit ihr geschlafen und doch kaum mit ihr gesprochen, wobei es nun sie war, die ihm auswich und schwieg. Vielleicht lief sie deshalb so eilig voraus? Wollte sie einfach nicht mit ihm reden? Eigentlich konnte er sich das nicht vorstellen, doch schien sie ihm seit sie gegen Mittag am Kloster der Yokai aufgebrochen waren, noch seltsamer als zuvor. Denn in den letzen Tagen war sie es gewesen, die seinen Blick gesucht hatte, doch nun wich sie ihm aus. Wieso? Er beschloss, dass es keinen Sinn hatte, darüber nachzudenken. Er würde ohnehin keine Antwort darauf finden, wenn sie ihm diese nicht gab. Sie und ihr verhalten würden ihm wohl immer ein Rätsel bleiben, wie auch die Hingezogenheit, die er zu ihr verspürte. Denn selbst hier auf dem gefrorenen Meer verspürte er noch immer die Sehnsucht nach ihrem Körper, obwohl sie sich in den vergangenen Nächten schon so oft geliebt hatten. „Und du bist dir sicher, dass es diesen Berg gibt?“, fragte er, wie bereits schon zwei Mal zuvor, nur um das verfluchte Schweigen zu brechen. „ich bin mir nicht nur sicher, ich weiß es“, erwiderte sie erneut. „Wenn du mit mir kommst, solltest du mir zumindest soweit vertrauen. Ich weiß, was ich tue, wenngleich ich mir nicht sicher bin, ob für dich dasselbe gilt.“ Sie schenkte ihm einen kurzen Seitenblick. Kurze setzte er an, etwas darauf zu erwidern, doch dann ließ er es sein, zumal sie mit ihren Worten ja nicht einmal vollkommen Unrecht hatte. Vor einigen Monaten hatte er nicht an Yokai, Yurei und Oni geglaubt und nun begleitete er eine Kitsune zum Berg der Götter. So ignorierte er diesen Seitenhieb und versuchte das Gespräch anders weiter zu führen. „Wenn wir dort sind“, begann er. „Was hast du dann vor? Wollen wir wirklich kämpfen?“ „Wir werden kaum eine andere Wahl haben“, entgegnete Tsuki und Ryuujin meinte aus den Augenwinkeln so etwas wie ein grimmiges Lächeln auf ihrem Gesicht erkennen zu können. „Ich rechne allerdings nicht damit, dass wir vielen Yurei begegnen werden.“ Ryuujin sah zu ihr, ehe sie fortfuhr. „Die meisten scheinen auf den Inseln Eikyûs zu sein“, meinte sie während des Laufens. „Wenngleich ich mir sicher bin, dass er uns bereits kommen sieht.“ „Er?“ Ihr Begleiter horchte auf. „Der Oni?“ Zur Antwort schüttelte sie den Kopf. „Yamamoto no Orochi.“ Auch Fukuro konnte ein Frösteln nicht vermeiden, während er neben dem jungen Fürsten Tsurai no Chiki stand und auf die Eisfläche vor ihnen starrte, die das Meer zwischen den Inseln nun war. Sowohl dem Regenten, als auch Shen schien es nicht besser zu gehen als ihm – sie alle frohren, zumal sich der Tag langsam dem Ende zuzuneigen schien und die Temperatur damit nun weiterhin sank. Einzig Yuki hatte mit der Kälte nicht zu kämpfen – natürlich nicht, denn sie war selbst ein Wesen des Winters. Doch die Kälte war nicht das einzige, das den jungen Ninja frösteln ließ. Er hatte zusammen mit dem Fürsten und zwei militärischen Offizieren den gesamten Vormittag damit verbracht die Schäden zu begutachten, die die Oni, Yokai und Yurei in der Hauptstadt angerichtet hatte und bereits seit dem vergangenen Abend nicht mehr geschlafen. Um die Mittagszeit herum – durch die dichte Wolkendecke war die Zeit schwer abzuschätzen – waren sie mit einem Teil der Soldaten über den nun ebenfalls gefrorenen Fluss zu dessen Mündung am Meer aufgebrochen. Wenn weitere der Geisterwesen sie angreifen würden, würden sie hierher kommen. Vom Meer in der Mitte der vier Reiche, wenn Tsuki Recht gehabt hatte vom Enishiyama. Die Armee, wenn man die knapp dreihundert Soldaten, die bei oder in der Nähe der Stadt stationiert gewesen waren, überhaupt als solche Bezeichnen konnte, bestand, soviel war klar, kaum aus richtigen Soldaten, sondern eher aus Bauern bestand, die irgendwann eingezogen worden waren. Natürlich gab es auch einige Krieger, doch waren dieser in der Überzahl und den meisten der Männer waren die Schrecken der letzten Nacht noch immer ins Gesicht geschrieben. Fukuro wusste, genau so gut wie Tsurai no Chiki, dass diese Männer nicht viel würden tun können, sollten in der nächsten Nacht, die unaufhörlich näher rückte, mehr Dämonen als in der vergangenen Nacht zum Festland strömen. Und bis dahin würde sich die Anzahl der Soldaten, von denen noch etwa fünfzig in der Stadt selbst geblieben waren, sich nicht vermehren. Ein eisiger Wind wehte ihnen vom Meer aus entgegen und blähte die Stoffe, aus denen das Zelt des Prinzen bestand leicht auf. „Du hast Angst“, stellte Yuki fest, die neben ihrem Bruder stand, und sah ihn an. „Wie jeder von uns“, erwiderte der Fürst hinter ihnen. Shen nickte. „Wir haben alle gesehen“, begann er leise. „Was die Yokai anrichten können. Sie wollen die Menschen scheinbar wirklich vernichten. Der Angriff letzte Nacht sollte diese Bauern nur in Angst versetzen, um sie vom Kämpfen abzuhalten.“ Er sah auf die Männer, die vor und neben ihnen standen. Ohne Ordnung und die wenigsten mit Haltung. Während Fukuro seinem Blick folgte und die bleichen Gesichter der meisten betrachtete, musste er zugeben, dass diese Taktik durchaus erfolgreich zu sein schien. Zumal niemand von den Männern Magie beherrschte – natürlich nicht. Die wenigsten der Menschen glaubten noch an solche. Er erinnerte sich an die Zerstörung, die Raiu Akki und sein Gefolge einst in Kakureba angerichtet hatten und ihre Klans dort hatten Magie beherrscht, auch wenn sie zusammen kaum zweihundert gewesen waren. Und er wusste, dass es bald in ganz Eikyû so aussehen würde, wenn nicht noch ein Wunder geschah. Einmal mehr fragte er sich, was aus Tsuki und jenem Krieger Ryuujin geworden war. Lebten sie überhaupt noch? „Rache“, hörte er seine Schwester neben sich flüstern. „Was ist?“, erwiderte er leise. „Du Yokai und Oni wollen sich rächen“, murmelte sie. „So wie… So wie meine Mutter.“ Er nickte nur und sah wieder zum Meer, da er vor dem Fürsten nicht darüber reden wollte. Während es immer dunkler wurde, bemerkte Ryuujin, dass auch der Nebel der über dem Eis lag immer dichter wurde. Wenn es auf diese Art weiterging, würden sie bald kaum mehr zwei Schritt weit sehen können, doch noch während er das dachte, blieb Tsuki neben ihm auf einmal stehen. „Was ist?“, fragte er und tat es ihr gleich, während ihr in das wabernde Grauweiß des Nebels vor ihnen starrte. „Wir sind beinahe da“, erwiderte sie. „Sei vorsichtig.“ Er nickte und legte eine Hand an den Knauf Tsumes, während er der Füchsin wieder folgte, nun jedoch wesentlich langsamer als vorher. Sie schien tatsächlich zu vermuten, dass sie angegriffen wurden, wie er eigentlich auch. Noch all zu gut erinnerte ihn ein leichter Schmerz an der Schulter an den Kampf gegen den Oni, der das Wasser kontrollieren konnte. Eigentlich hatte er nicht vor hier zu sterben. Doch noch während er darüber nachdachte, wie der Kampf im Wald hätte verlaufen können, ließ ein zischendes Geräusch ihn aufschrecken. Er sah sich um und entdeckte ein schwaches, flackerndes Leuchten im Nebel. Doch es blieb nicht bei einem Licht, mehrere Schimmer erschienen im Nebel, während es nun beinahe dunkel war. Waren es Flammen? „Hito-dama“, erklärte Tsuki. „Es ist Nacht. Die Seelen von jenen die getötet wurden sind noch immer hier.“ Ryuujin nickte. Diese Geschichten kannte er, da es eine der wenigen war, an die viele Menschen noch glaubten. Auch in Unaru hatten die Bauern und auch einige der anderen Soldaten immer wieder erzählt die wandernden Seelenlichter im Regen gesehen zu haben. „Hier ist noch etwas anderes“, meinte die Kitsune plötzlich und verharrte erneut. Fast automatisch stellte er sich mit den Rücken zu ihr und sah sich um, ehe er selbst das hörte, was Tsuki wahrscheinlich schon vorher wahrgenommen hatte: Hundegebell. „Was…“, setzte er an und versuchte etwas zwischen Nebel und Dunkelheit zu erkennen, doch viel zu schnell sprangen die dunklen Wesen auf ihn zu. Es war reine Intuition, dass er Tsume zog und zuschlug, was ein gequältes Jaulen ertönen ließ. Das Wesen, das ihn angegriffen hatte und dessen Gestalt an einen auf zwei Beinen laufenden Hund erinnerte knurrte ihn an und sprang zurück. Es war groß genug, als dass es bis zur Brust des Kriegers reichte, und schien kräftig genug, um ihn zu töten, wenn er sich nicht vorsah. Doch vor allem war es nicht allein. Nach dem, der ihn angegriffen haben sprangen weitere fünf Hunde aus dem Nebel auf sie zu, griffen sie jedoch nicht sofort an, sondern blieben einige Schritt von ihnen entfernt stehen „Inu-Gami“, erklärte Tsuki hinter ihm. „Gerufene Geister, die irgendjemand kontrolliert.“ „Wer?“ Der Krieger versuchte alle sechs Geistertiere im Auge zu behalten, die sie misstrauisch betrachteten, scheinbar von der leichten Wunde, die Ryuujin dem einen mit dem Schwert zugefügt hatte, verunsichert. „Ich weiß es nicht“, erwiderte sie. „Aber zumindest heißt es, dass wir den Berg beinahe erreicht haben.“ Daraufhin konnte Ryuujin nicht viel mehr tun als nicken und versuchte weiterhin die Hunde im Auge zu behalten, bis zwei von ihnen auf sie zusprangen und er, allein aus Reflex, erneut das Schwert waagerecht durch die Luft zog und beide Geisterwesen am Bauch traf. Der einen schnappte noch nach ihm, fiel dann jedoch zu Boden und blieb wimmernd liegen. Bevor es noch etwas machen konnte, schlug der Krieger ihm und auch dem anderen den Kopf ab, woraufhin sich das Tier in eine Rauchwolke auflöste. Es waren also kaum mehr als Illusionen. Jedoch schien den anderen vier Hunden nicht zu gefallen, dass er ihren vermeidlichen Bruder getötet hatte, wenngleich sie erst einmal knurrend auf Abstand blieben. Doch Ryuujin ahnte, dass sie wie die anderen beiden plötzlich angreifen würden. Er spannte sich an und spürte, dass die Füchsin hinter ihm dasselbe machte. Dann sprangen die anderen Geisterwesen auf einmal auf sie zu. Dieses Mal jedoch kam der Krieger nicht einmal dazu etwas zu tun, ehe die Hunde in blauen Flammen aufgingen und dann zu Rauchwolken verpufften. „Was…“, begann er, fuhr aber nicht fort, als ihm klar wurde, dass es die Füchsin war, die diesen Zauber gewirkt hatte. Für einen Moment erschlafften ihre Schultern, doch dann straffte sie sich wieder und sah in die Richtung, aus der sie gekommen waren. „Wir sollten weiter gehen, ehe wir es mit noch mehr dieser Geister zu tun bekommen“, meinte sie. „Außerdem wird der Nebel immer dichter.“ Dabei musste Ryuujin ihr Recht geben, wenngleich er sie noch immer etwas misstrauisch ansah. Hatte er sich das nur eingebildet, oder hatte der Zauber ihr einige Kraft gekostet? War sie von der Verletzung noch immer geschwächt? Er wollte sie nicht fragen, doch ganz wohl fühlte er sich nicht, als er ihr nun folgte. Kapitel 30: Die Schlacht um Tengaio ----------------------------------- So, hier sind wir nun beim vorletzten Kapitel und ich habe wieder ewig gebraucht um es zu schreiben. Tut mir leid, ich hoffe, dass letzte geht, wie auch der Epilog, schneller. Wobei ich zumindest beim Epilog voller guter Dinge bin, da ich ihn schon nahezu wortwörtlich im Kopf habe. Wie dem auch sei, dass letzte Kapitel und wieder viel Kampf. Etwas wirr das ganze, ich hoffe es gefällt trotzdem :D Freue mich wie immer über Feedback. Viel Spaß! __________________________________________________________________ Kapitel 29: Die Schlacht um Tengaio „Hier sind wir“, stellte Tsuki fest, als sie schließlich das Eis verließen und auf den raureifüberzogenen Boden traten. Ryuujin hinter ihr erwiderte nichts, die Hand noch immer am Knauf Tsumes. Er erinnerte sich an die Worte der Füchsin über ihren vermeidlichen Feind und die Erinnerung an den kurzen Kampf gegen die Inugami war noch frisch. Die Hundegeister waren keine starken Gegner gewesen, aber selbst ihm war klar, dass diese nur zur Warnung und Abschreckung dienen sollten. Sie wussten, dass sie hier waren und einmal mehr dachte er daran, wie wahnwitzig es war hier zu sein, zu zweit, während sie nicht wussten, wie viele Oni auf sie warteten. In Gedanken versunken bemerkte er erst nach einem Moment, dass Tsuki ihn beobachtete. Er erwiderte ihren Blick, ehe sie sich umdrehte und wortlos weiterging. O folgte er ihr durch die trostlose Umgebung. Hier gab es keine Pflanzen, stellte er fest; jedenfalls keine, die nicht seit mindestens einem Jahr abgestorben und nun nur noch ein Skelett waren. Der Untergrund war felsig und stieg beständig an, während der Nebel noch so dicht war, dass man kaum weiter, als zehn Schritt sehen konnte. Alles schien so unwirklich, wie in einem Traum. Für einen Moment fielen ihm die seltsamen Träume ein, die ihn schon seit Monaten plagten und deren Bedeutung er noch immer nicht verstand, doch dann wandte er sich wieder der Realität zu. „Komisch“, flüsterte er, da ihn die Stille beklommen gemacht hatte. „Was?“, erwiderte die Fuchsfrau einsilbig, aber ebenfalls leise. „Wieso greifen sie uns nicht an?“ antwortete er. „Sie wissen, dass wir hier sind. Worauf warten sie?“ Seit den Inugami war ihm klar, dass sie in eine Falle liefen und jeder Schritt, den er tat, ohne dass etwas passierte, machte ihn nervöser. Tsuki warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu. „Viele von ihnen sind nicht hier.“ Sie schwieg kurz und sah wieder nach Vorne, ehe sie fortfuhr: „Sie sind auf dem Weg zum Festland. Sie greifen die Menschen an.“ „Aber wieso sind wir dann hier?“, erwiderte der Krieger mit unschlüssiger Miene. Während sie sich wortlos an einem Felsen hochzog, wurde ihm einmal mehr bewusst, dass es ihm unmöglich zu sein schien, das Mädchen zu verstehen. Schließlich blieb sie stehen und sah ihn kurz mit einem – wie ihm schien – zweifelnden Blick an. Schließlich erwiderte sie: „Weil sie auf uns warten.“ Damit wandte sie sich ab. „Und weil es erst vorbei ist, wenn Yamata no Orochi aufgibt oder stirbt.“ So ging sie zügigen Schrittes weiter, signalisierend, dass sie darüber nicht weiter reden wollte. Je weiter die Nacht voranschritt, desto beißender wurde die Kälte. Und je kälter es wurde, desto weiter sank der Mut der ohnehin viel zu wenigen Soldaten. Nebelschwaden zogen über die vereiste Meeresoberfläche hinweg. Die nächtliche Dunkelheit wurde nur vom kalten Mond und den Fackeln, die um das Lager herum aufgestellt worden waren, erhellt. „Sie sind dort draußen“, flüsterte Yuki. „Sie warten.“ Ihr Bruder sah zu ihr. „Worauf?“ Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Tsurai no Chiki, der junge Herrscher des Landes, trat an sie heran. „Es ist Wahnsinn…“ „Aber die einzige Möglichkeit“, erwiderte Fukuro. „Zum Fliehen ist es mittlerweile zu spät.“ Sie schwiegen wieder, während sich die wenigen hundert Soldaten unbewusst in die Nähe der Fackeln drängten. Nur wenige standen aufrecht und scheinbar furchtlos, doch auch sie ließen den Blick nicht vom Meer. Eine weitere Nebelschwade kam auf sie zu, dichter als die anderen. Beinahe wie eine weiße, verformbare Wand. Yuki verengte die Augen. „Sie greifen an.“ Daraufhin wandte Fukuro sich dem neben ihm stehenden Herrscher zu. „Die Bogenschützen“, sagte er kurz angebunden, auch wenn er daran zweifelte, dass normale Waffen viel ausrichten konnten. Im Nahkampf waren sie den im Nebel lauernden Wesen nur noch ausgelieferter. Tsurai no Chiki nickte und trat aus dem Zelt heraus. Er musste nicht einmal reden. Es genügten einige Handzeichen und die Männer waren mit gespannten Bögen auf Position. Die Armee war trainiert – ohne Frage – doch sie wussten aus der vergangenen Nacht, dass diese Gegner andere waren als Straßenräuber, Barbaren oder die Armee von Yamanôi. So konnte auch alle Erfahrung und jedes Training nicht verhindern, dass einige Hände zitterten. Das taten sie wahrscheinlich auch zu Recht. Dann surrte ein Pfeil, noch bevor es einen weiteren Befehl gegeben hatte, durch die Luft und verschwand in der milchigen Wand, die nur noch einige Schritt weit vom steinigen und felsigen Ufer entfernt war. Einige Blickte sahen zu dem jungen Mann, von dem der Pfeil stammte: Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Ausdruckslosigkeit und Schreck. Im nächsten Moment wurde er plötzlich zu Boden gezogen und von scheinbar unsichtbarer Hand in den Nebel gezerrt. Aufgeregte Schreie einiger Männer hallten über die Küste hinweg – dann verschwanden zwei weitere im Nebel. „Feuer!“, befahl Chiki etwas zu hastig, woraufhin weitere Pfeile ungelenkt in die Nebelwand hinein sausten, ohne dass erkenntlich war, ob sie überhaupt irgendetwas trafen. Während die zweite Salve abgefeuert worden war, war Fukuro auf einen der Felsen geklettert, um von dort aus einen besseren Überblick zu bekommen. Ein weiterer Mann fiel zu Boden, doch bevor er weggezerrt werden konnte, erklang ein schriller Schrei aus dem Nebel heraus. Ein Kunai hatte das getroffen, was den Mann am Bein gepackt hatte und auf den ersten Blick aussah wie eine schwarze Schlange. „Furikuchi Onna“, flüsterte Fukuro, während die Männer voller Furcht feststellten, dass es sich bei der vermeidlichen zuckenden Schlange um eine Haarsträhne handelte, welche einen Moment später plötzlich wieder im Nebel verschwand. Es wurde wieder ruhig. Nur einen Augenblick später wehte ein heftiger Wind über die Männer hinweg und auf das Eis hinaus, wo der Nebel Stück für Stück vertrieben wurde. Einige Soldaten fuhren erschrocken herum, sahen zur in der Luft schwebenden Yuki-Onna, deren Magie den Nebel vertrieben hatte, nicht sicher, ob sie ihr dankbar sein sollten oder sie besser fürchteten. Doch zu fürchten gab es ohnehin schon genug. Riesige Wesen, scheinbar schwarze Kolosse, ragten vom Eis in den Himmel hinauf, während sich einige Männer und Frauen in dünnen Gewändern und mit Fuchs-, Katzen- oder Madermasken, die das Gesicht verdeckten, nicht weit vom Ufer entfernt sammelten. Aufrecht gehende Hundewesen – Inugami – waren ebenso zu sehen, wie einige Tengu und andere Wesen, die auf vier Beinen liefen und teils Affen, teils Katzenartige Gesichter hatten. Zwischen ihnen auch einige riesige Katzen mit zwei Schwänzen, während andere Gestalten kaum einen festen Körper und noch weniger ein Gesicht zu haben schienen. Und auch Oni waren unter ihnen, sicherlich zwölf oder dreizehn, wenngleich keiner von so großer und kräftiger Gestalt wie Raiu Akki. Für einen Moment war es ruhig. Keine Bewegung. Keine Stimmen. Ganz so, als hätte jemand die Zeit angehalten. Dann war es Shen, der von den Menschen als erster die Beherrschung wiedergewann. „Die Pfeile“, rief er. „Feuer!“ In dem Moment wurden sich die Soldaten wieder der Waffen in ihren Händen bewusst. Während die ersten Pfeile durch die Luft surrten, sprang Shen auf Shiyun und flog auf ihr bis kurz hinter die vorderen Bogenschützen. In der Zeit hatte sich nun auch der Fürst wieder gefangen. „Haltet eure Waffen bereit“, befahl er den anderen Soldaten. „Und lasst euch nicht täuschen“, fügte Fukuro hinzu und sprang on dem Felsen herunter. „Geister sind Meister der Illusion.“ Immer weiter folgte Ryuujin der Füchsin, während der Pfad, auf dem sie liefen immer steiler anstieg. Dann, plötzlich, blieb Tsuki stehen und fuhr herum, was der Krieger ihr mit gezogenem Schwert nachtat. Der Boden unter ihren Füßen begann zu beben und wie aus dem Nichts schossen faustgroße Steine auf sie zu. „Was ist das?“, fragte Ryuujin und sah sich um. Recht unnütz, da der Nebel zwar lichter geworden war, ihm aber immer noch die weite Sicht versperrte. Das schien so jedoch nicht für die Fuchsfrau an seiner Seite zu gelten. „Magie“, flüsterte sie und ihre Augen leuchteten auf. Plötzlich ertöte ein erstickter Schrei aus dem Nebel heraus und der ehemalige Söldner meinte einen blauen Schimmer erkennen zu können. Einen Moment später humpelte eine gebückte Gestalt auf sie zu. Als das Wesen näher kam erkannte der Krieger, dass es ein Oni war, jedoch wesentlich älter, kleiner und gebrechlicher wirkend, als Raiu Akki oder der wasserkontrollierende Oni, gegen den er im Wald vor Tenkyou gekämpft hatte. Doch das Horn auf seiner Stirn und die bräunlichgrüne Haut zeigten eindeutig, dass es sich bei diesem Zwerg um einen Oni handelte. „Füchsin“, zischelte er und sah Tsuki an. Mehr konnte er allerdings auch nicht sagen, ehe blaue Flammen seine Füße und Arme umspielten, ihn aufzufressen schienen, und er jämmerlich anfing zu schreien. „Wir wollen zu Yamata“, erwiderte sie. „Halte uns nicht auf. Dazu bist du ohnehin zu schwach.“ Ihre Stimme klang kalt und abwertend. Dann wandte sie sich von ihm ab und die Flammen verloschen. „Komm“, meinte sie zu Ryuujin gewandt. Dieser jedoch rührte sich nicht und starrte auf die jämmerliche Gestalt des kleingewachsenen Dämons. „Wieso sind wir überhaupt hier?“, fragte er dann schließlich. Er sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Wo ist ‚hier’ überhaupt?“ Wieso hatte er das Gefühl, dass sie von Anfang an gewusst hatte, dass sie ihn schließlich hierher führen würde? Sie hatte etwas von Yamata no Orochi gesagt und vom Berg des Schicksals, aber auch das änderte nicht, dass es nichts verstand. Was für ein Spiel spielten sie hier? Und welche Rolle hatte er in diesem Spiel? „Wir sind hier, um die Menschen zu beschützen“, erwiderte sie. „Und um den Krieg zu beenden.“ Für einen Moment schwieg sie. „Auch wenn das heißt einen Gott zu töten.“ „Einen Gott“, murmelte Ryuujin. Yamata no Orochi war ein Gott, soweit er wusste, doch war er sich nicht sicher, was dies überhaupt bedeutete. Was unterschied die Götter von all den anderen magischen Wesen? Waren sie wirklich so mächtig? „Ja“, erwiderte sie. „Jetzt komm. Einen Weg zurück gibt es sowieso nicht.“ Damit lief sie weiter auf dem steilen Pfad voran. So als wüsste sie genau, wohin sie mussten. Wahrscheinlich war es auch so, dachte sich Ryuujin, während er noch zögerte und sich umwandte. Dann jedoch folgte er ihr. Tatsächlich kannte er ja doch keinen anderen Weg, obwohl er die Zweifel nicht ganz aus seinem Herz verdrängen konnte. Wenn die Götter so mächtig waren und es sich wirklich um den Gott Yamata no Oroshi – den Gott der Unterwelt – handelte, wie wollten sie dann gegen ihn kämpfen? Und warum gab es keine anderen Götter, die das taten? Was war mit der Fuchsgöttin Inari, zu der das Mädchen immer betete? Wollte sie den Menschen nicht helfen? Mit stampfenden Schritten näherten sich die Riesen dem Festland und es schien, als könne ihnen kein Pfeil etwas anhaben. „Haltet eure Pfeile!“, rief Fukuro, der mittlerweile wieder auf einen der Felsen stand. „Das sind bloß Trugbilder.“ Er starrte an den vier Giganten hinauf. „Wir richten keinen Schaden aus, aber genau so wenig können sie uns verletzen.“ Verwirrt hielt ein Teil der Soldaten inne und sah zu ihm, ehe sie ihre Blickte wieder auf die scheinbaren Ungeheuer richteten. Selbst wenn das, was der ehemalige Ninja sagte, Sinn zu machen schien, konnten sie es nicht wirklich glauben. Dafür hatten sie die Magie, die solche Trugbilder erschuf, schon zu lange verleugnet. Da begann jedoch eines der Ungeheuer zu flackern, wie eine durch Hitze hervorgerufene Täuschung ehe es vollkommen verschwand. Einen Moment später landete Shen auf dem Boden neben Fukuro. „Es sind Mader, die diese Riesen steuern“, meinte er zu ihm. „Tanuki…“ Fukuro nickte und wandte seinen Blick den Fels hinunter auf das Eisfeld, wo die Schwertkämpfer versuchten die anderen Yokai aufzuhalten, die zusammen mit sechs der kleinen Oni immer weiter in Richtung Land vordrangen. Doch die Geisterwesen waren viele und die Männer fürchteten sie. Füchse und Inugami sprangen an ihre Kehlen, zerrten immer wieder Männer zu Boden, während die anderen durch die Messer der Gestaltwandler oder die Speere der Tengu fielen. Flammen in allen Farben züngelten zwischen den Soldaten hervor, versetzten sie in Panik, so dass einige sogar die Flucht ergriffen. Fukuro konnte nicht umher einen abwesenden Blick auf das Meer zu werfen. War der Teiyama wirklich dort draußen? Wo waren Tsuki und der seltsame Krieger wohl nun? Doch einen Moment später wurde er bereits aus seinen Gedanken gerissen, als eine der einfachen Kitsune zu ihm hinaufsprang und ein Messer nach ihm warf. Es war reiner Instinkt, der dafür sorgten, dass er sich rechtzeitig auf alle viere fallen ließ. Wie so oft geübt war seine Hand sofort bei dem langen Messer an seinem Gürtel, ehe er es mit einem Sprung durch die Brust der maskierten Fuchsfrau bohrte. Im nächsten Moment fiel der tote Körper eines normalen, rotfelligen Fuchses auf den Fels. Das ganze war so schnell gegangen, dass der noch immer bei Fukuro stehende Shen nicht einmal hatte reagieren können. „Das ist verrückt“, murmelte er nun. „Ich weiß“, erwiderte Fukuro. „Wir werden diese Schlacht verlieren, wenn nicht bald etwas passiert…“ Er hielt inne. Dann sah er auf einmal wieder zum Meer. Shen folgte seinem Blick. Ein ganzes Stück vom Festland entfernt schien irgendetwas zu flimmern. Ein Licht, so wie eine Geisterflamme, aber von einem rötlichgelben Schein, ganz wie normales Feuer. Dann – ohne eine Vorwarnung – breitete sich das Feuer wie ein Sturm aus Flammen aus, jedoch ohne das Eis zu schmelzen oder einen der Yokai zu verletzen. Eine weitere Illusion? Fukuro konnte auch nicht mehr sagen, als dass es irgendeine starke Magie war. Da fegte über ihre Reihen ein weiterer kalter Wind hinweg, der am Ufer auf die Flammen traf und sie ein Stück zurückdrängte, ehe sich die Flammen auflösten. Einige der Yokai wurden noch vom Wind zurück geworfen, dann schwächte auch er ab. „Was ist das?“, fragte Shen erneut und sah zu der Stelle, von der das Feuer gekommen war. Doch was es auch war, es war noch immer weit entfernt, so dass er nichts Genaues erkennen konnte. Einzig der Flammenschimmer, den sie schon zuvor entdeckt hatten, war weiterhin zu sehen. Es war ein Wesen des Feuers und wahrscheinlich keine Kitsune. Doch was es war, vermochte auch Fukuro im Moment nicht zu sagen. Aber wenn dieses Wesen so einen Flammensturm in der Nähe des Ufers erzeugen würde, wäre es um das ohnehin schon klägliche Heer der Menschen geschehen. Dabei wollte er nicht einmal daran denken, wie es in den anderen drei Reichen wohl aussah, die nicht auf diesen Angriff vorbereitet gewesen waren. „Lass uns nachsehen“, meinte er schließlich zu Shen. Dieser sah ihn kurz fragend an, doch dann nickte er und sprang auf Shiyun. Was es auch war, es war zumindest weniger unheimlich, wenn man sein Gesicht kannte. Zum Glück bot die magische Wolke gerade genug Platz für zwei Menschen, so dass sie ungeachtet der anderen Geister weit genug hinauskamen, als dass sie zumindest grob erkennen konnten, was für ein Wesen das Feuer erzeugte: Es war groß, beinahe so hoch wie zwei Mann, lief jedoch auf vier Beinen mit Tatzen, die an Löwen erinnerten, während der Kopf zwar eine Mähne hatte, jedoch der eines Affen war. Seine Zähne waren lang und zudem hatte es sechs Stacheln, die vom weißen Fell am Rücken aufragten, während sein Katzenschwanz hin und her schwank und es leise knurrte, als es die noch viele Fuß entfernte Wolke entdeckte. „Was ist das für ein Wesen?“, fragte Shen, doch Fukuro antwortete nicht sofort. Er hatte schon einmal ähnliches gesehen, zumindest auf Schriftrollen gezeichnet, doch es war ein Geist, wie er eigentlich nur aus westlichen Legenden bekannt war. Hakutaku war der Name, dem man diesen Geist in Eikyû gegeben hatte. Ein Schatzwächter, wie es hieß. Da flog auf einmal eine einzelne Flamme durch die Luft und nur knapp an der Wolke vorbei. Eine Flamme, die nicht von dem Biest ausgegangen war. „Wir sollten zurück“, meinte Fukuro, doch einen Moment später spürte er einen stechenden Schmerz an der Schulter. Es war ein Pfeil, der von einem der Gestaltwandler stammte. „Pass auf“, hörte er noch Shens Stimme, aber es war zu spät. Für einen Augenblick hatte er das Gleichgewicht verloren und stürzte nun die wenigen Schritt auf die Eisfläche hinab. So schnell es ging versuchte er wieder auf die Beine zu kommen, doch seine linke Hand zuckte unwillkürlich zur rechten Schulter. Sie waren nicht mehr weit vom Schatzhüter und seinem Begleiter - einem weiteren Dämon - entfernt. Nun hörte er Shen wieder neben sich. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er und half ihm, wieder auf die Beine zu stehen zu kommen. „Ja“, murmelte er. „Es fragt sich nur für wie lange.“ Er sah zum Hakutaku hinüber, der sie ins Visier genommen hatte. Sie standen hinter den feindlichen Truppen, doch gleichzeitig auch mit dem Rücken zu diesen, da die Yokai mit etwas Abstand zu dem Flammenwesen und sein wohl ebenfalls feuerkontrollierendem Begleiter gelassen hatten. Über dem affenköpfigen Wesen bildete sich eine Flammenkugel, die sich nur einen Moment später zu einem Ring verformte und sich immer schneller um die eigene Achse drehte, ehe sich die Flammen in einem Sturm, wie zuvor, ausbreiteten. Erneut fegte ein beißender Wind vom Landinneren über sie hinweg, dieses Mal kräftiger als zuvor, stark genug um viele der Angreifer von den Füßen zu reißen und kalt genug, um die Glieder für zumindest einige Momente schwer werden zu lassen. Auch die beiden jungen Männer konnten sich nicht halten, als der Wind über sie hinweg wehte und nur wenige Fuß von ihnen entfernt die Flammen erneut auslöschte. Dann landete Yuki leichtfüßig bei ihnen und kniete schon einen Moment später neben ihrem Bruder. „Fukuro“, flüsterte sie besorgt und griff an den Schaft des Pfeils. Bevor sie ihn aber herausziehen konnte, hielt Shen sie auf. „Lass“, warnte er. „Wenn du ihn herausziehst und abbrichst wird es noch schlimmer.“ Sie hielt inne. „Ich weiß“, murmelte sie dann und machte ein beschämtes Gesicht, da sie sich für einen Moment ganz der Sorge ergeben hatte ohne nachzudenken. Dann fasste sie sich jedoch wieder und sah nun ebenfalls auf das weiße Wesen. „Was ist das?“ „Man nennt es einen Hakutaku“, erwiderte Fukuro. „Zumindest habe ich davon gelesen. Solche Wesen lebten eins auf dem Festland und wurden von den Menschen verehrt. Man schenkte ihnen Gold und Jade. Doch wenn sich die Menschen von ihnen abwandten oder jemand versuchte ihre Schätze zu stehlen, töteten sie sie.“ „Etwa ein Lang Gui?“, fragte Shen nun. „Wir nennen sie Wolfsdämonen.“ „Das weiß ich nicht“, erwiderte der Ninja. „Auf jeden Fall ist es stark“, erwiderte Yuki, woraufhin ihr Bruder nur mit schmerzverzerrtem Gesicht nickte. „Stark genug, um uns zu vernichten“, meinte er und sah zu dem Wesen hinüber, das sich, als es vom Wind getroffen wurde ein Stück zurückgezogen hatte und sie nun lauernd beäugte. Während er jedoch den Hakutaku ansah, holte der diesen begleitende Oni aus und schickte erneut einen flammenden Ball auf sie zu, den er beinahe zu spät sah um auszuweichen. So landete er zusammen mit dem Wolkenkrieger erneut auf dem Eis, während seine Schwester sich mit einer Windwand schützte. „Wir sollten zurück“, wiederholte Shen nun. „Wir können gegen dieses Biest nichts ausrichten...“ „Ich schon“, erwiderte Yuki leise, fast ein wenig unsicher und nicht so eingebildet, wie Fukuro ähnliche Worte von ihr erwartet hatte. Doch hatte sie, wenn sie sich vorher stark nannte, auch nie von der Kraft der Schneefrau gesprochen, sondern vom normalen Kampf mit Waffen und den Fähigkeiten, die sie einst im Clan gelernt hatten. „Meine Magie ist stärker als seine.“ „Du vergisst die anderen Yokai.“ Fukuro sah hinter sie, denn die letzten Reihen der recht unkoordinierten Angreifer hatten ihnen die Aufmerksamkeit zugewandt. „Du kannst sie nicht ewig im Schach halten. Diese Schlacht ist auf Dauer vergebens.“ „Wenn wir jetzt aufgeben, wird das ganze Reich überrannt werden, die Menschen werden sterben“, flüsterte sie. Das war Fukuro bewusst, doch langsam gingen auch ihm die Pläne aus, was sie noch tun konnten. Selbst wenn viel der vermeidlichen Magie ihrer Angreifer Illusion war, war doch allein die schiere Menge und Kampfkraft der Geisterwesen und Tiere genug, um das Heer zu überrennen. Auch jetzt lösten sich einige der Wesen von der Gruppe, um kehrt zu machen und sie anzugreifen. Ein Tengu sprang in die Luft und schoss mit einem Sturzflug auf sie zu, spürte aber gerade noch rechtzeitig Shens Stab an der Stirn, der glücklicherweise länger als der Tenguspeer war. Als hätte dieser Gnom sie angeführt, stürzte nun eine kleinere Gruppe, die aus ein paar Tengu, Hundegeistern und einem Maderhund in Menschengestalt bestand mit gezogenen Waffen – sofern sie welche hatten – auf sie zu. Gleichzeitig erkannte auch der Oni, der den Hakutaku begleitete seine Chance und machte sich zum Angriff bereit, doch sie alle wurden von einem Wind, der mit Schnee und Hagel vermischt war zurückgeworfen. So begann es plötzlich erneut zu schneien, wie bereits in der Nacht zuvor, doch heftiger, stark genug, als das man kaum zehn Schritt weit blicken konnte. Kleine Windwirbel ließen den Schnee kreisen und versetzten selbst einige der Angreifer in Angst. Nicht wenige wichen zurück, als sie erkannten, dass es das Mädchen war, von dem der Wetterumschwung ausging. Ihre Augen leuchteten blau und kalt, doch hatte sie sich noch weit genug unter Kontrolle, um die Winde auf die verwirrten Yokai lenken zu können, von denen so viele nicht verstanden, wie sich ein Geist gegen sie, ihre Artgenossen, richten konnte. Fukuro sah seine Schwester an. Er konnte nicht umher, sich etwas über ihre Entscheidung zu wundern. Nein, weniger über ihre Entscheidung, denn er wusste, dass sie ihm in allem und überallhin folgen würde, doch darüber, dass sie sich selbst entschieden hatte zu kämpfen. Nun schwebte sie, wie einst in Hayashimura über ihnen, während der von ihr beschworene Schneesturm auch dafür gesorgt hatte, dass sich der Hakutaku knurrend weiter zurückgezogen hatte. Auch der dunkelhäutige Flammenoni war unter dem Sturm in die Knie gegangen, wenngleich ein leichter Glutschimmer auf seiner ihn zu schützen schien. Flammen umzuckten immer wieder seine Hände, als wollte er jeden Moment angreifen, fürchtete sich aber vor dem Wind und der Kälte. Dann, auf einmal, breitete er die Arme aus und die Flammen wuchsen an. Doch dann flog ein Messer Fukuros auf ihn zu, traf ihn, da er sich nun nicht mehr mit den Armen schützte, in der Brust und zwang ihn so in die Knie. Er war nicht tot, denn er starrte Fukuro nun hasserfüllt an, verriet aber durch sein Zittern, dass er kaum wieder auf die Beine kam. Da reagierte Shen bereits. Ohne ein Wort zu verlieren, zog er das längere für den Nahkampf gedachte Messer Fukuros aus der Scheide und lief auf den Oni zu. Zwar reagierte dieser und versuchte ihn zu verbrennen, doch er schien noch jung und unerfahren und vor allem viel zu langsam. Seine Reaktion war zu langsam und nur einen Augenblick später rollte sein Kopf über den Boden, während sich um den toten Körper herum eine Lache dunklen Blutes ausbreitete. Endlich lichtete sich der Nebel ganz und der Pfad wurde langsam ebener. Vor ihnen tat sich eine flache, steinerne und furchtbar tot wirkende Ebene auf, die ein eigenartiges beängstigendes Gefühl in Ryuujin aufkommen ließ. So leer, wie es schien, war es nicht – irgendetwas oder irgendjemand war hier. Dann auf einmal bewegte sich etwas und ließ Ryuujin zusammenschrecken, während die Füchsin neben ihm fast wie eine Statue still stand. Doch was sich bewegt hatte, war bloß eine Schlage, die an Ryuujins Füßen vorbei ins trockene, abgestorbene Gras verschwand. „Und jetzt?“, fragte der Krieger schließlich atemlos. Doch es war nicht die Fuchsfrau, die antwortete, sondern eine Stimme hinter ihnen. „So kommst du schließlich doch, Kitsune“, fauchte sie und ließ zumindest den Mann herumfahren, während sich Tsuki beinahe bedächtig herumdrehte. Wie Ryuujin eigentlich schon an der Stimme erkannt hatte, war es Raiu Akki, der aus dem Nebel hinter ihnen erschienen war und wahrscheinlich auf sie gewartet hatte. Um seinen Arm gewickelt, war ein rot glimmendes Amulett, wahrscheinlich die Namida, wenn er an Tsukis Beschreibung des Heiligtums dachte. „Und der Krieger ist auch bei dir?“, fuhr der Oni nun fort. „Wo ist Yamata no Orochi?“, erwiderte Tsuki ohne auf die Worte des Dämons einzugehen. „Er wartet auf dich“, erwiderte Raiu Akki. „Und er wird sich freuen, dass ihr im Tsume bringt.“ „Das Schwert ist nicht für ihn bestimmt“, entgegnete sie. „Genau so wenig, wie du die Namida auch nur hättest berühren dürfen. Die Heiligtümer wurden den Menschen vermacht und sind zu ihrem Schutz und dem Schutz der Länder. Ihrer Länder.“ „Und das sagt die silberne Füchsin?“, fragte nun eine andere tiefe Stimme und ließ sich Ryuujin erneut umsehen, ehe er erkannte, dass die Stimme zu einer Gestalt gehörte, die langsamen Schrittes auf sie zukam. Doch etwas an der Gestalt war seltsam. Zwar schien sie die eines Menschen, eines groß gewachsenen, dunkelhaarigen Mannes zu sein, doch gleichzeitig gar nicht vorhanden. Immer wieder zuckten ihre Konturen, als wolle sie sich ausbreiten und wachsen. „Ich bin eine Botin meiner Göttin“, erwiderte Tsuki nun an die Gestalt gewandt. „Und es obliegt den Göttern die Menschen zu schützen.“ „Es oblag den Göttern das Land zu schützen, doch die Menschen zerstören es nun“, entgegnete die Gestalt. „Entweder schwinden wir oder sie.“ „Das sind nicht die Worte eines Gottes“, entgegnete die Füchsin scharf, doch der Mann lachte daraufhin nur. „War ich jemals wirklich einer“, fragte er. „Ich bin nur ein Hüter – ein Hüter der Unterwelt. Und an mich haben die Geister, die aus ihren Gefilden vertrieben wurden, ihre Stimmen gewandt, während ihr ihnen kein Gehör mehr schenktet. Die Menschen sind unsere Feinde und wenn sie nicht verschwinden, sterben wir.“ Für einen Moment schwieg Tsuki und musterte die Gestalt, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Du wählst also den Weg des Kampfes und hoffst trotzdem zu leben?“ Noch während die Sprach begann sich ihre Gestalt zu wandeln, so wie Ryuujin es vor einiger Zeit in Unaru einmal gesehen hatte. Ihre Haut glühte in einem silbernen Licht, ehe einige Momente später der große, neunschwänzige Fuchs vor ihm stand. „Du bist nur eine Botin“, meinte der Mann nun. „Wie kannst du glauben, auch nur gegen meinen Diener gewinnen zu können?“ Damit machte er einige Schritte zurück und schien dabei eine unsichtbare Treppe einige Stufen hinauf zu steigen, ehe er im Nichts über der Ebene schwebte. Dabei wandte die Füchsin ihren Blick Raiu Akki zu, während Ryuujin noch immer verwirrt und verständnislos neben ihr stand. Denn was sollten sie schon gegen diese Feinde ausrichten? Raiu Akki starrte sie zufrieden an. „Wir haben noch eine Rechnung offen, Füchsin. Wieso kommst du auch allein in Begleitung eines einfachen Menschenmannes?“ Doch anstatt ihm zu antworten begannen die Glöckchen der Füchsin zu läuten, was der Oni mit grimmigem Blick wahrnahm. „Dieses Mal wirst du mich nicht so einfach besiegen“, zischte er. _________________________________________________________________ Kleine Info am Rande: Yamata no Orochi ist eigentlich wirklich mehr ein Biest in der japanischen Mythologie, aber zum Glück sind da selbst Biester mit etwas Intelligenz behaftet, weshalb ich ihn, obwohl er eigentlich nur die Schlange ist, die die Unterwelt bewacht (Herkules lässt grüßen xD), zum Gott der Unterwelt erhoben hab :D Immerhin ist es eine Fantasiewelt :P Kapitel 31: Der Drachengott --------------------------- So komm ich nun zum letzten Kapitel der Geschichte und ich bin stolz auf mich, denn ich habe es geschafft beim Schreiben nicht zu heulen. *seufz* Trotzdem ein seltsames Gefühl. Aber auf die Folter spannen will ich euch nicht. Hier ist das letzte Kapitel der Geschichte. In den nächsten Tagen folgt noch der Epilog! ___________________________________________________________________ Kapitel 31: Der Drachengott Funken tanzten um die Finger des Oni – eine kleine Geste der Angeberei – ehe auf einmal ein Blitz durch die Luft zuckte und nur einen Schritt von der Füchsin entfernt auf den Boden traf und dort einen nicht all zu tiefen Krater hinterließ. Die Neunschwänzige jedoch reagierte nicht einmal, sondern sah Raiu Akki nur weiterhin mit ihren goldenen Augen an. „Glaubst du wirklich, dass der Posten auf dem du kämpfst, lange zu halten ist?“, fragte der Dämon daraufhin. „Du bist hier allein, mit einem Menschen.“ Doch weiterhin schwieg sie, während die Glöckchen an den Lederbänden leise vor sich hinbimmelten. Weitere Blitze zuckten durch die Luft, schneller und kräftiger als im Kampf zuvor, doch Tsuki wich problemlos aus und lief weiter auf das öde Feld, dass auf der Spitze des Berges lag hinaus. Dieses Mal war sie nicht hier, um mit dem Dämon zu kämpfen. Nein, ihre Aufgabe war eine andere, auch wenn sie wusste, dass Raiu Akki am Ende doch sterben musste. Und auch wenn sie wusste, dass weitab von hier die Menschen kämpften, wahrscheinlich – das hoffte sie zumindest – auch Fukuro, Yuki und Shen, so wusste sie auch, dass Yamata no Orochi auch für sie zu stark wäre. Denn auch sie war keine Göttin. Flammen umspielten die silbrig glänzenden Fuchsschwänze, während Raiu Akki mit einem Gesichtsausdruck, der zwischen Wut und Überlegenheit schwankte, auf sie zukam. „Nein, noch einmal fängst du mich nicht“, zischte er und weitere Blitze zuckten durch die Luft auf sie zu. „Der Macht des Phönixes bist auch du nicht gewachsen.“ Doch davon ließ sie sich nicht verunsichern. Linien aus blauen Flammen wanderten über den Boden, während sie seinen Blitzen und Angriffen auswich, und bald musste er ebenso achten, dass er das Fuchsfeuer nicht berührte. Für einen Moment wanderten ihre Augen zu Ryuujin, der scheinbar unschlüssig, unsicher am Rand der Ebene stand und zwischen ihr, Raiu Akki und dem in der Luft schwebenden verbannten Gott hin und her sah. Seine Hand ruhte am Knauf Tsumes, doch gezogen hatte er das Schwert nicht und würde es wohl auch nicht tun, wenn er nicht selbst angegriffen wurde. Er musste eine Entscheidung treffen, aber sie konnte erkennen, dass ihm genau das missfiel. Er kannte eigentlich die Antwort, doch wie so vieles andere verwirrte sie ihn. So sprang die Füchsin erneut in die Luft, als die Blitze zu ihr hin zuckten. Ohrenbetäubender Donner rollte über die Ebene und auch weitab von ihr über das Meer hinweg und hatte schon längst dafür gesorgt, dass sie sich auf ihr Gehör nicht mehr verließ, dass so viel empfindlicher war, als das eines Menschen. Jedoch hinderte es sie nicht, dass nun weitere Flammen erschienen, frei schwebend in der Luft und immer näher auf den Dämon zuwandernd, der noch versuchte auszuweichen. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass eine der Flammen seine rechte Klaue traf und diese nun mit einem schimmernden Feuer umfing, dass er versuchte zu löschen, indem er mit der Linken umfasste, doch das Feuer würde genau so lange brennen, wie es seine Schöpferin wollte. „Du...“, zischte Raiu Akki mit schmerzverzerrtem Gesicht und hob nun trotz ihrer Magie wieder die Hände, so dass weitere Blitze auf sie zu zuckten. Erneuter Donner, der sich als eine Druckwelle ausbreitete und sie wurde zurückgeworfen. Erneut sah sie zu Ryuujin. Wann würde er sich entscheiden? Ryuujin konnte sich nicht rühren. Beziehungsweise wollte er es nicht, denn irgendeine Stimme in seinem Kopf schien es ihm zu verbieten. Zwar sah er, wie Raiu Akki anfing, gegen die Füchsin zu kämpfen und auch, dass er sie schlussendlich traf, doch wusste er nicht was er tun sollte – nein, er wusste nicht, was er tun wollte. Hatte er nicht eigentlich gesagt, Tsuki beschützen zu wollen? Doch irgendwie war er sich nicht sicher. Sie war letzten Endes kein Mensch, keine normale Frau, niemand, der wirklich Schutz bedurfte. Denn sie beherrschte Magie, sie wusste so viel mehr als er und sie konnte sich sehr wohl selbst verteidigen. Er hingegen wusste nichts und von Magie verstand er ebenso wenig. Warum hatte sie ihn hierher mitgenommen? Nun, eigentlich war er ihr gefolgt, aber dies hatte sie zugelassen, hatte ihn letzten Endes immer wieder zum Weitergehen gebracht, fast so als wollte sie ihn herbringen – als wüsste sie etwas über ihn, dass er nicht wusste. Was dachte er überhaupt? Dies war nicht der Moment über diese Dinge zu philosophieren, er fand doch letzten Endes ohnehin keine Antwort. Trotzdem konnte er nichts gegen diese Gedanken tun, die ihm durch den Kopf schossen, seit er die Ebene betreten hatte. Ein seltsames Gefühl durchzog seinen Körper und wieder brannte sein Mal. Es war, als wüsste er die Antwort auf all diese Fragen eigentlich schon lange und hätte sie nur irgendwann vergessen, doch wollte sie ihm nicht wirklich einfallen. Schließlich machte er einen unsicheren Schritt, seine Hand noch immer an Tsumes Knauf gelegt, bereit, dass Jadeschwert jeden Moment zu ziehen. Dann tat er einen weiteren Schritt, jedoch nicht in Richtung der Füchsin und Raiu Akkis, sondern zur Mitte der Ebene hin, wo Yamata no Orochi auf sie hinab sah. Das bemerkte nun auch der Oni und ein Blitz zuckte in seine Richtung, wurde aber von Tsume, das wie von selbst den Weg in die Hand des Kriegers gefunden hatte, absorbiert. „Lass ihn“, meinte nun eine ruhige Stimme, die er trotz des Donners hören konnte, obwohl sie nicht schrie. Es war die Stimme des Gottes, an den Dämon gewandt, der ihn so für einen Moment verunsichert ansah, sich dann jedoch wieder der Füchsin zuwandte, die mittlerweile wieder auf ihren Beinen stand und ihn weiter mit ihren Flammen herausforderte, ja, ihn beinahe zum Wahnsinn zu treiben schien, wenn er nicht ohnehin schon von diesem gesteuert war. „Sag“, wandte sich die Stimme, die zugleich hart und weich zu klingen schien nun an ihn. „Wie kommt es, dass ein Sterblicher eine Waffe, die von Göttern geschaffen wurde, zu führen vermag?“ Noch immer schwebte der seltsame, streng aussehende Mann in den edlen Gewändern über der Ebene, doch der Blick der stechenden Augen galt nun Ryuujin allein. „Kann es sein, dass du vielleicht mehr bist, als dein Äußeres verrät?“ Der Krieger antwortete nichts, sondern erwiderte den Blick des Gottes nur auf eine ähnlich starrende Weise. „Ich sehe Unsicherheit in deinen Augen“, fuhr Yamata nun fort. „Wieso bist du überhaupt hier? Wenn du wirklich nur ein Sterblicher bist, ist dies kein Ort für dich, auch wenn du so oder so am Ende den Tod finden wirst.“ „Ich bin hier, um die Füchsin zu schützen“, antwortete Ryuujin schließlich. Der Gott lachte leise, doch auf irgendeine Art sprach Häme aus dem Gelächter. Häme, und Macht. „Und doch kämpft sie und du stehst nur daneben. Hast du überhaupt die Kraft sie zu schützen? Immerhin ist sie die Füchsin des Mondes.“ Natürlich verstand der Mann nicht, was man ihm sagte, doch dies überging er. Er wollte nicht noch schwächer wirken, als er es ohnehin schon tat. Denn der Gott hatte Recht: Dies war wahrscheinlich kein Platz für ihn. „Was hast du? Wieso antwortest du nicht?“ Der Gott klang amüsiert, denn er schien genau zu wissen, was in ihm vorging, aber auch das änderte nichts daran, dass Ryuujin keine Erwiderung einfiel. Sein Blick wanderte kurz zu Tsuki herüber, die sich weiterhin in erster Linie darauf verlegt zu haben schien den Angriffen des Oni vorrangig auszuweichen. Dabei verletzten ihn die Flammen, vielleicht sogar mehr als seine Blitze vermochten ihr zu schaden. Schließlich sah Ryuujin auf das Schwert, dass er noch immer gezogen hatte und in der Hand hielt. Es schien ihm, als läge ein Teil der Antwort, die er suchte, darin. „Du führst Tsume“, begann der Gott nun erneut. „Und doch verstehst du es nicht. Vielleicht solltest du es weggeben, an jemanden, der damit umzugehen weiß.“ Da war es an Ryuujin zu lachen, als er Yamata no Orochi ansah und erwiderte: „Dafür, dass deine Worte sonst so gewählt und überlegt klingen, ist dieser Versuch mich zu überlisten recht plump. Selbst ich verstehe, was du mit deinen Worten erreichen willst.“ „Und wenn ich mir das Schwert nehmen würde, was könntest du dagegen tun?“ „Ich würde kämpfen“, erwiderte er. „Denn ich habe mich bereits entschieden, auf welcher Seite ich stehe.“ Dies schien den Gott erneut zu amüsieren und langsam sank er hinab, bis er vor Ryuujin stand und ihn nun genau in die Augen sah. „Du hast dich entschieden, in einem Krieg, von dem du eigentlich nichts verstehst.“ „Ja.“ Und erneut lachte Yamata no Orochi, doch dieses Mal lachte er ihn ganz offensichtlich aus, und ehe der Krieger verstand, was vor sich ging, spürte er die Hand wie eine feste Klaue an seinem Hals, spürte wie der Gott versuchte ihn zu erwürgen und fragte sich gleichzeitig, wieso ein Gott versuchte ihn auf eine solch einfache Art zu töten. Um zu zeigen, dass er für ihn nur ein Sterblicher war? Ein Mensch? „Menschen sollten sich nicht in die Angelegenheiten der Götter einmischen, an die sie nicht mehr glauben“, zischte Yamata no Orochi nun und etwas veränderte sich an seinem Gesicht, so dass Ryuujin meinte, tatsächlich eine Schlange in ihm zu erkennen und nicht mehr den Edelmann, den er noch vorher gemimt hatte. Er spannte sich an, versuchte sich zu bewegen, doch seine Muskeln wollten ihm nicht gehorchen, so als wäre er von dem Gott in einen Bann geschlagen oder gelähmt worden. Kurz gelang es ihm, seine Hand mit dem Schwert noch einmal zu heben, doch einen Moment darauf, wurde sein ganzer rechter Arm taub und das Schwert fiel zu Boden. Also würde er sterben ohne vorher überhaupt nur gekämpft zu haben? Sein Mal brannte noch immer, ja, der Schmerz schien mit jedem Augenblick, der verstrich, nur noch schlimmer zu werden. Langsam glaubte er, dass ihm schwarz vor Augen wurde, doch war er sich nicht sicher, ob es an dem Schmerz lag oder daran, dass er keine Luft bekam. Er konnte noch sehen, wie sich ein breites, unmenschliches, aber zufriedenes Grinsen auf dem Gesicht des verbannten Gottes des Unterwelt ausbreitete, doch da spürte er noch einen zweiten, ebenfalls brennenden Schmerz am Rücken und merkte, wie sich sämtliche Muskeln in seinem Körper zusammenzogen. Er erkannte, dass einer der Blitze von Raiu Akki ihn getroffen haben musste, doch das half ihm wenig. „Das kommt davon, wenn man sich mit Göttern anlegt“, zischte Yamata nun und einen Moment später, spürte Ryuujin, wie er ihn fortschleuderte – mit einer Leichtigkeit, als würde er kaum mehr wiegen, als eine Maus – und er schließlich hart auf dem Boden aufkam. Aber er war noch nicht tot, ja, er war sogar noch bei Sinnen. Vielleicht war er doch nicht so leicht zu töten, wie der Gott geglaubt hatte? In einem Anflug der Selbstironie breitete sich ein gequältes Grinsen auf Ryuujins Gesicht auf, während er versuchte seinen Körper wieder unter seine Kontrolle zu bekommen, und sich aufzurichten. Auch wenn jede Sehne in seinem Körper zu schmerzen schien, war er noch bei Sinnen. Sein Blick war verschwommen und er versuchte zu erkennen, was vor sich ging. Auch wenn er jetzt noch lebte, so ahnte er, dass dies nicht lange der Fall wäre, nun, wo ihn Yamata no Orochi einmal als einen vermeidlichen Gegner angesehen hatte und ihn töten wollte. Er blinzelte und richtete sich zitternd soweit auf, dass er schließlich kniete, wenngleich er sich mit einer Hand am Boden abstützte, während die andere unwillkürlich nach der schmerzenden Schulter griff. Sein Blick schweifte über die Ebene. Wo war Tsuki? Wo war Raiu Akki? Wo war der Gott, der ihn töten wollte? Da erkannte er schließlich einen weißen Schemen, den er nach einem weiteren Blinzeln als die Füchsin identifizierte. Sie lag am Boden, scheinbar genau so unfähig sich zu bewegen wie er. War sie also wirklich dem Oni unterlegen? Hatte sie überhaupt eine Chance gehabt? Er wusste es nicht, denn er kannte nicht ihre Stärke. Und obwohl es wohl das widersinnigste war, dass ihm überhaupt in dieser Situation einfallen konnte, erkannte er erneut, wie wenig er allgemein verstand. Ja, es war beinahe zum Lachen, dass er für ein Mädchen, nein, eine Fuchsfrau sterben würde, von der er nichts wusste. Doch als er nun zu ihr sah, merkte er, dass ihr Blick fest auf ihn gerichtet war. Dann spürte er, dass sich erneut etwas um seinen Hals legte und zudrückte, aber als er unbewusst sich an die Kehle griff, um das – was auch immer es war – wegzuziehen, griff er nur in die Luft. Früher oder später würden ihm schließlich doch die Sinne schwinden. Das Mal brannte, als würde es wirklich in Feuer stehen. Was hatte das zu bedeuten? Warum brannte es so oft, seit er Tsuki getroffen hatte? Was hatte sie mit ihm zu tun? Auf einmal, während ihm schwarz vor Augen wurde, fielen ihm die Träume ein, die ihn plagten, seit er auf diese Reise gegangen war, und die er nicht zu deuten vermochten. Waren die goldenen Augen wirklich die der Füchsin gewesen? Seine Hand wanderte erneut zu seiner Schulter. Sein Mund öffnete sich in einem stummen Schrei. Was war das für ein Schmerz? Würde er nun sterben? Eine andere Erinnerung drang in sein Bewusstsein, aber er zweifelte, dass diese Erinnerung seine eigene war. Krallen, wie aus silbernem Stahl. Die Erinnerung, an das Gefühl zu fliegen – ganz so, wie in jenen Träumen. Sein Körper bewegte sich ohne sein Zutun und es kam ihm vor, als würde das Brennen von seiner Schulter in jeden Muskel, in jede Zelle seines Körpers übergreifen. Er wollte nicht sterben. Er hatte sich schon lange für diese Seite entschieden. Doch noch immer verstand er nicht oder nur langsam. Er war nie ein Mensch gewesen. Der Schneesturm fegte über die Oni, Yokai und auch den Hakutaku hinweg, warf sie um oder zwang sie zumindest in die Knie und es schien ganz so, dass die Schlacht nun beendet war, denn niemand von ihren unzähligen Feinden schien sich noch rühren zu können, ja, es schien beinahe, als würden sie Stück für Stück gefrieren. Doch auch Fukuro und Shen ging es nicht besser und sicher auch nicht den Männern, die am Ufer des Meeres bis vor einem Moment noch gegen die Armee der Geister versucht hatte zu kämpfen. „Yuki“, flüsterte Fukuro in den Wind hinein, der vor lauter Kälte selbst die Wunde des Pfeils kaum noch spürte. Und obwohl der Sturm beinahe ohrenbetäubend heulte, hörte die Schneefrau ihren Bruder und mit einem Mal ließ der Wind nach. Eine seltsame Stille trat ein. Niemand wollte sich bewegen oder vermochte dies zu tun und selbst das Ungeheuer aus Pengguo schien für den Moment vor lauter Kälte gelähmt. Es schien vorbei – zumindest für einige Augenblicke, doch dann surrte ein weiterer Pfeil durch die Luft. Blut färbte den weißen Kimono rot und für einen Augenblick starrte Yuki selbst auf die Wunde, die der Pfeil in ihre Brust gestochen hatte, dann jedoch schwanden ihr die Kräfte und sie fiel zu Boden, wo Shen es irgendwie schaffte sie aufzufangen. „Yuki“, wiederholte Fukuro leise, doch dieses Mal war sein Tonfall besorgt. Der Pfeil hatte ihr Herz, wenn überhaupt, nur um einige fingerbreit verfehlt und sie rührte sich nicht. „Yuki“, hauchte er und richtete sich weit genug auf, als dass er die wenigen Schritt auf sie zugehen konnte. Und dann begann die Schlacht auf einmal vom neuen. Doch nun waren es nicht nur ein paar Yokai, die sich auf sie stürzten, sondern fast die gesamten hinteren Reihen. Das würde ihr Ende sein, denn keiner von ihnen vermochte mehr sich wirklich zu bewegen oder gar zu kämpfen. Dann jedoch, riss ein blau schimmerndes Licht einen Keil durch die Yokai schlug. Und als Fukuro in die Richtung sah, aus der das Licht kam, erkannte er, dass es ein bläuliches Feuer war, das scheinbar auf dem Eis zu brennen schien und seine Bahnen zwischen den Yokai zog, so dass diese zurückwichen. Dann sah er auch, was das Feuer entfacht hatte: Auf einen der Pfaden, die das Feuer in die nun verwirrte Armee der Feinde geschlagen hatte, kam ein großer, neunschwänziger Fuchs gelaufen, der einen Moment später neben ihnen stehen blieb und die Yokai, die noch nicht vom Feuer eingeschüchtert waren, mit gebleckten Zähnen anknurrte. „Tsuki?“, murmelte Fukuro halb fragend und auch Shen folgte seinem Blick. Tatsächlich sah der Fuchs so aus wie die Kitsune. Weißsilbernes Fell, derselbe Wuchs, neun Schwänze und auch dieser Fuchs trug Glöckchen an Lederbändern um Pfoten und Hals, doch dann, als das Tier ihn für einen Augenblick ansah, wurde ihm klar, dass dies nicht die Füchsin war, die vor einigen Monaten mit ihnen aus Hayashimura aufgebrochen war. Nein, dies war ein anderes Tier. Erneut knurrte es die Yokai an, von denen nun sämtliche ihre Aufmerksamkeit ihm zugewandt hatten und einige begannen zu schreien und zu kreischen, so dass es den beiden Männern in den Ohren wehtat. Dann wandten sich einige ab und Fukuro sah voll erstaunen, wie tatsächlich vor allem die Füchse und auch viele der Tanuki wieder ihre Tiergestalt annahmen und von dannen huschten. Die Tengu und Oni waren jedoch nicht so leicht einzuschüchtern. Einer der Tengu machte es nun den anderen vor, sprang in die Luft und auf den wolfsgroßen Fuchs zu, doch einen Moment später verbrannte das Wesen in der Luft. Erneutes Knurren. Doch dann war es schließlich der Hakutaku der trampelnd auf sie zugelaufen kam und, wie auch das andere Tier, lautes Knurren von sich gab. Rotes und blaues Feuer traf aufeinander und verfing sich im jeweils anderen Fell. Doch während der Fuchs sich schüttelte und das Feuer wie Wasser aus dem Fell zu springen schien, bereiteten die blauen Flammen dem Hakutaku weitaus größere Probleme. Das Ungeheuer schnaubte und heulte und rollte sich einen Moment später auf dem Boden, bis die Flammen erstickt waren. Dann sprang es auf und trabte in den Himmel davon. Nun brach auch unter den verbliebenen Oni und Yokai Chaos aus. Während einige versuchten erneut gegen das Land vorzustoßen, da sie erkannten, dass der Fuchs ihnen an Macht und Magie weit überlegen war, versuchten andere zu fliehen. Viele erlagen den Pfeilen der Menschen, denn diese konnten selbst den verängstigt fliehenden Geistern nicht die Freiheit gewähren, denn auch sie wurden von der Angst beherrscht, die der Angriff in ihnen ausgelöst hatte. Das Eis um Fukuro, Shen, Yuki und den Fuchs herum wurde leer. Nun wandte sich der Ninja wieder seiner Schwester zu, die noch immer in den Armen des Kriegers lag. „Yuki“, flüsterte er erneut und merkte, wie Angst in ihm aufkeimte, sie zu verlieren. Das ganze Gewand über ihrer Brust war mittlerweile rot, doch zumindest atmete sie noch, wenngleich unregelmäßig und röchelnd. „Yuki…“ Er strich über ihre Wange, die eigenen Schmerzen vergessend und sah beinahe flehend zu dem großen Fuchs, auch wenn er nicht wirklich daran glaubte, dass dieser sie heilen könnte. „Sie wird sterben“, bestätigte Shen seine Befürchtungen mit seltsam zittriger Stimme. Etwas flammte in seinen Augen auf und Fukuro erinnerte sich an das, was mit seinem Dorf passiert war. Dasselbe Schicksal, dass ihn und Yuki ereilt hatte. „Bitte“, flüsterte er. „Bleib bei mir.“ Damit nahm er sie selbst in die Arme, auch wenn seine eigene Wunde dadurch noch mehr schmerzte. Doch was kümmerte ihn der Schmerz, wenn sie starb? „Hilfe!“, rief Shen schließlich in Richtung des Strandes. „Wir brauchen Hilfe!“ Und während sie so auf dem Eis saßen und ohne große Hoffnung auf Hilfe warteten, sah der Fuchs neben ihnen zum Himmel im Osten, wo die Wolken aufgerissen waren und den Blick auf den vollen Mond preisgaben. Blaue, im Licht des Mondes schillernde Schuppen auf einem langen, schlangenartigen Körper. Silberne Krallen vier ebenfalls beschuppten Beinen und eine ebenso silberne Mähne, während sich der Körper immer weiter in den Himmel hinaufwand. Und noch immer verstand er nicht wirklich. Doch die Füchsin, die am Boden lag, schon. Es war, wie es ihr die Göttin prophezeit hatte. Ein Gott, dessen Aufgabe einst war, die Menschen zu schützen, so wie es auch die vier Wächter getan hatten. Er war der Schutzgeist der ehemaligen Hauptstadt gewesen, doch selbst Tsuki vermochte nicht zu sagen, wieso er in der Gestalt eines Mannes zurückgekehrt war. Ein Fluch? Vielleicht, doch vielleicht würde sie es auch niemals erfahren. Grau und kalt waren die Augen des Drachen, während er sein Maul zum Gott der Unterwelt hinabwandte, und selbst Raiu Akki wagte es nicht ihn zu attackieren. Und auch, wenn Ryuujin noch immer nicht ganz verstand, was geschah, obwohl immer mehr Erinnerungen in seinem Kopf aufzuflammen schienen, erkannte er nun die wahre Gestalt von Yamata no Orochi. Eine große Schlange, so groß wie er als Drache selbst, dafür aber mit acht gewaltigen Köpfen, die ihn mit gesamt sechzehn schlitzförmigen Augen betrachteten. „So ist das also“, hörte er die Stimme des anderen Gottes. „Hat dich die Füchsin deswegen hierher gebracht? Hmm, der letzte Gott, der noch in dieser Welt wandelt?“ Zumindest diese Worte verstand er nun und er ahnte auch, dass sie die Wahrheit enthielten. Wahrscheinlich hatte die silberne Füchsin ihn deswegen hierher gebracht, weil sie wusste, was er war. Seit wann? Hatte sie es schon in Unaru gewusst? Doch was änderte es schon daran, dass sie nun hier waren. Seine Geschichte würde enden, denn deswegen war er hierher gekommen, vor langer Zeit, als ihn sein Weg aus dem Himmelsreich wieder in die Welt der Menschen geführt hatte. Und diese Erkenntnis, ließ ihn sich töricht vorkommen, dachte er daran, wie dumm er als Mensch doch gehandelt hatte. Vielleicht war dies ein Laster der Menschen? Dummheit, sich auf Gefühle und Eigensinn zu verlassen. Ja, er selbst hatte nicht an Götter geglaubt, denn sie waren nicht zu begreifen für den begrenzten menschlichen Verstand. Doch vielleicht mussten sie genau deswegen geschützt werden, weil sie das, was sie sich hatten zu Schulden kommen lassen, nicht besser wussten. Weil sie sterblich waren und der Magie schon lange nicht mehr mächtig waren. Das war auch der Grund, warum die silbernen Fuchskinder Inaris noch immer versuchten, sie zu schützen. Ein Schlangenmaul schnellte nach ihm, wollte die langen giftigen Zähne in seinen Schuppen versenken, doch waren diese zu hart, als dass die Zähne sie durchdringen hätten können. Ein lautes Zischen ertönte als die Zähne brachen und das Maul sich genau so schnell zurückzog, wie es vorgeschnellt war. „Wieso willst du die Menschen schützen?“, versuchte sich die Schlange der Unterwelt nun noch einmal auf das Reden zu verlegen, doch der Drache fixierte sie nur. „Weil dies ihre Welt ist und nicht unsere und die Zeit gekommen ist, dass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen. Wir haben keine Macht mehr über diese Welt.“ Und erneut zischte die Schlange, ehe sie versuchte den Drachen zu Boden zu reißen. So krümmten sich die beiden langen, schuppigen Körper in einem Ringkampf umeinander, so schlugen sich Drachenklauen in das Fleisch des anderen Gottes, während dessen acht Schwänze die Hinterbeine des blauen Drachen zerdrückten. Raiu Akki, der dies zwar beobachtete, aber genau so wenig verstand, wie Ryuujin noch kurz zuvor den Krieg, erzitterte. Auch er wusste, dass hier Kräfte wirkten, die größer waren, als die seinen und dass seine Ende kommen würde, würde er den Gott der Drachen herausfordern. Doch während er voller Furcht den Kampf am Himmel beobachtete, bemerkte er nicht die Füchsin, die er eigentlich für besiegt gehalten hatte, als sie scheinbar kraftlos am Boden lag. Tsuki stand wieder – noch immer in ihrer Fuchsgestalt – und erneut flammten ihre Schwänze auf. Nun war der Mond wieder zu sehen, dessen Licht ihr Kraft gab und ihre Wunden heilte, und durch das Licht des Mondes bildete sich, wie vor vielen Monaten bereits im Wald um Hayashimura, ein silberner Schimmer um den Körper des Oni herum, der auf einmal erstarrte. Ein röchelnder Laut war zu hören, als er begriff, dass sie nun zu Ende bringen würde, was sie damals begonnen hatte. Und langsam sickerte die Kraft, die ihn schon so lange am Leben erhalten hatte, aus seinem Körper hinaus. Ähnlich ging es auch der achtköpfigen Schlange, dem Gott der Unterwelt, in dessen Schuppen sich mittlerweile einige Kratzer gerissen hatten, die bis tief in sein Fleisch drangen. Sein Körper brannte, doch noch war sein letzter Wille nicht gebrochen. Wenn er ging, würde er den Drachen, der ohnehin geschwächt zu sein schien, mitnehmen. Fester und fester drückte er mit seinen Schwänzen auf den Leib des Drachen, bis er befriedigt spürte, dass die Knochen brachen. Im nächsten Moment jedoch, fand das Maul des Drachen seine Kehle, denn auch wenn der Gott der Unterwelt acht Köpfe besaß, so war doch nur einer der, der seinen Geist enthielt, der ihn steuerte und der ihn am Leben erhielt. Mit einem Röcheln lockerten sich nach und nach alle Muskeln des Schlangenkörpers, während Feuer aus dem Drachenkörper zu springen schien und Schuppe für Schuppe auf Yamata no Orochi übergriffen. Sie brannten, beide brannten sie. Und wie ein silbriger Komet landeten sie schließlich auf der Ebene. Es war so, wie Ryuujin gewusst hatte, dass es enden würde. Es war der Weg, für den er sich vor langer, langer Zeit entschieden hatte. Sein Leben endete mit dem der Schlange, welche nun Stück für Stück zu Asche zerfiel. Es kam Fukuro wie eine Ewigkeit vor, in der er dort saß, seine sterbende Schwester im Arm hielt und wartete. Er wusste nicht, was er tun würde, wenn sie wirklich starb, er wusste nicht, was er tun sollte, konnte er sie nicht mehr beschützen. Wären sie nicht hierher gekommen, wäre das nicht passiert. Hätten sie damals die Namida gestohlen, wären sie vielleicht jetzt nicht hier. Dann wäre alles anders gewesen, einfacher, schmerzloser. Aber was wäre dann aus den Menschen geworden? Dann, schließlich, hörte er Stimmen. Er spürte, wie jemand ihm vorsichtig eine Hand auf die unverletzte Schulter legte und als er aufsah, erkannte er den Fürsten, der in Begleitung von zwei seiner Soldaten war. Tsurai no Chiki war kein Mann der vielen Worte. Deshalb sah er den jungen Mann und das Mädchen nur an, ehe er einen seiner Männer anwies, das Mädchen in eins der Zelte zu bringen. Nur ungern überließ Fukuro seine Schwester dem fremden Mann, doch er wusste, dass es wenn nur so Hoffnung für sie gab. „Kannst du aufstehen“, fragte der Fürst nun und hielt ihm, beinahe freundschaftlich, die Hand entgegen, um ihm aufzuhelfen, woraufhin er nur vorsichtig nickte. Tatsächlich konnte er stehen, auch wenn seine Beine wackelig waren und er nicht sicher war, wie lang er sich noch halten konnte. Dann sah er erneut zu dem Fuchs. Dieser erwiderte nun seinen Blick und schien ihm etwas sagen zu wollen, ehe er dann einige Zeit zu Shen sah. Fukuro wusste nicht, ob dieser Fuchs nicht sprechen konnte oder gar nicht fähig war eine menschliche Gestalt anzunehmen, doch war er zu abgelenkt, als dass er sich darüber viele Gedanken gemacht hätte. So überraschte es ihn, als der Fuchs sich schließlich abwandte und in Richtung Osten rannte. „Ich werde ihm folgen“, sagte Shen schließlich und Fukuro konnte nichts anderes tun, als zu nicken. Mit einem Pfiff des jungen Wolkenkriegers erschien so die Wolke und Shen sprang, obwohl er erschöpft wirkte, auf sie herauf und verschwand schnell in Richtung des Mondes, so dass er in der Dunkelheit bald nicht mehr zu sehen war. „Was ist hier passiert?“, fragte Tsurai no Chiki schließlich, aber Fukuro schüttelte nur den Kopf. Im Moment konnte er nicht darüber sprechen. Das einzige, was er wollte, war zu seiner Schwester. Er durfte sie nicht verlieren und auch wenn er selbst verletzt war, musste er bei ihr sein. Er hatte ihr einst versprochen, sie zu beschützen, und nun wurde ihm klar, dass er dieses Versprechen zu lang schon gebrochen hatte. Dafür musste er nun bei ihr sein, zumindest, wenn es zu Ende ging. Auch Tsuki hatte gewusst, dass es so enden würde, zumindest seit der Nacht, bevor sie aus Tenkyou aufgebrochen waren. Doch nun, als sie sah, wie der Körper des Drachen sich auflöste und den Mann, den sie am Ende des Sommers im nördlichen Reich getroffen hatte, übrig blieb, konnte sie nicht umher sich schlecht zu fühlen. Auch wenn er sein Schicksal selbst gewählt hatte, hatte er von allem nicht gewusst, als sie ihn herführte. Doch verstand sie nicht, wieso er sich entschieden hatte, in der Gestalt eines Menschen zu sterben, war er doch noch weniger menschlich als sie und wusste es nun auch. So ging sie schließlich auf den am Boden liegenden Körper zu, nahm während des gehen selbst wieder ihre menschliche Gestalt an und ging schließlich neben ihm in die Knie. Er war ein Gott und sie nur eine Botin. Doch es war das Schicksal, dass ihm, nein, das Schicksal das ihnen vorbeschieden war. „Es tut mir leid“, brachte sie schließlich hervor, aber über sein Gesicht zog sich nur ein Lächeln. „Es sollte so sein“, erwiderte er. „Es war der Weg, für den ich mich entschieden hab. Vor langer Zeit.“ Sie sah ihn an und stellte fest, dass es seltsam war. Er war ein Gott und sie nur eine Botin, doch hatte sie ihn die ganze Zeit für einen seltsamen Mann gehalten, ja, teilweise für dumm. Und nun, wo sie verstand, kam ihr all das, was in den vergangenen Monaten geschehen war, seltsam vor, fast so, als wäre sie selbst einer Illusion erlegen. „Es war von Anfang ein mein Schicksal, so zu sterben“, sagte er nun, doch sie spürte, wie das Leben langsam aus ihm wich. „So wie es unser Schicksal war, aufeinander zu treffen.“ Einer Intuition folgend, griff sie nach seiner Hand. „Es gibt höhere Mächte“, murmelte sie. „Unsere Wege sind schon lange vorherbestimmt.“ Und so starb er in derselben Gestalt, wie sie ihn damals in Unaru getroffen hatte. Ein Gott, doch starb er schließlich als Mensch, und auch sie war ein Mensch, als sie um ihn weinte. Sie hatte ihn nicht geliebt, aber sich trotzdem an ihn gewöhnt, noch bevor sie gewusst hatte, wer er war. So war er für sie noch immer seltsamer, aber einfach gestrickter Mann, der ihr geholfen hatte und den sie mit ihrer Gestalt behext hatte, als er sie das erste Mal sah. Wäre das nicht geschehen, hätte er sie nicht gesehen, ihr nicht geholfen und wäre er ihr nicht gefolgt, dann würde er wohl noch leben, ohne jemals zu erfahren warum er nicht starb, und ohne zu wissen, wer er eigentlich war. Immer weiter rannen die Tränen über ihre Wangen und die Nacht schritt voran. Während sie auf der toten Ebene an der Spitze des Teiyama saß und weinte, rissen die Wolken, die die Yokai gerufen hatten, auf und gaben schließlich wieder den Blick auf den dunklen Himmel und die Sterne frei. Der Mond wanderte weiter über den Himmel, in Richtung des Festlandes, immer weiter nach Westen, wobei er sich langsam zum Horizont hinsenkte. Schließlich trat der Fuchs, der vom Schlachtfeld vor Tengaio hergelaufen war, neben sie und rieb seine Schnauze an ihrer Wange. Geistesabwesend hob sie eine Hand und strich über das Fell des Fuchses. „Du kommst spät, Bruder“, flüsterte sie. „Zu spät.“ Nun ließ das Tier ein leises Jaulen hören, das dem eines Hundes nicht unähnlich klang. Dann, schließlich, nahm auch er die Gestalt eines Menschen an. Ein junger Mann, vom Äußeren konnte man ihn auf dasselbe Alter schätzen wie Tsuki und wie sie hatte er rotbraunes Haar und goldene Augen. „Komm“, meinte er nun. „Gehen wir zurück zu unserer Mutter.“ Doch sie schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht zurückgehen“, meinte sie. „Ich werde bei den Menschen bleiben.“ „Wieso?“ Die Stimme ihres Bruders war verständnislos. „Dies ist nicht unsere Welt.“ Sie senkte den Blick. „Weil ich mich so entschieden hab“, sagte sie schließlich und sah zu Shen, der eben von Shiyun hinab auf den Boden gesprungen war und sie fragend ansah. Noch einmal wandte sie sich ihrem Bruder zu. „Es tut mir leid“, flüsterte sie und sah dann wieder zu Shen. „Es tut mir leid.“ Doch er schüttelte nur den Kopf, ging auf sie zu und legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter, während der ihr Bruder sich nach einem weiteren kurzen Blick abwandte, wieder seine Fuchsgestalt annahm und zurück in den Himmel verschwand, von wo er gekommen war. _______________________________________________________________________ Bevor ich es vergesse: Zum Abschluss hab ich doch noch eine Umfrage zu der Geschichte aufgemacht :3 http://animexx.onlinewelten.com/umfragen/22633/ Epilog: Eikyû - gesegnetes Land ------------------------------- Epilog: Eikyû – Gesegnetes Land Der Winter kam und dann kam der Frühling, ehe ein weiterer Sommer folgte. Und nach allem was passiert war, vergasen viele der Menschen doch schnell die Schrecken der zwei Nächte, in denen die Yokai über das Meer in die vier Reiche geströmt waren. Sie hatten ihre eigenen Leben, ihre eigenen Probleme, und nur wenige gedachten im dritten Sommer, nach der Invasion noch der Geister. Doch einige blieben, die wieder Opfergaben an die Schreine brachten und Räucherstäbchen anzündeten. Zumindest in Tengaio war die Jagd auf Füchse, Mader und Hunde von jener Nacht an verboten. Der dritte Sommer wurde mild, außergewöhnlich mild und frisch, zumindest in den ersten Wochen nach dem Frühling, als Fukuro und Yuki durch den Wald im südlichen Honou liefen, den Weg nach Hayashimura suchend, dass sie nicht mehr gesehen hatten, seit sie vor drei Jahren hier aufgebrochen waren. Es war später Vormittag und der Wald war erfüllt vom frischen Geruch, den der Regen der vergangenen Nacht mit sich gebracht hatte. Doch anders als vor drei Jahren, war der Wald nicht ruhig, sondern voller Leben. Schließlich lichteten sich die Bäume und die beiden Reisenden merkten, dass es leicht abwärts ging. Sie hatten das Dorf gefunden und es sah beinahe genau so aus, wie damals, als sie es zusammen mit der Füchsin verließen. Nur der Tempel war wieder aufgebaut wurden und hatte nun ein mit rötlichem Schiefern bedecktes Dach. Da es gegen Mittag war, hing erneut der Duft von gekochtem Reis in der Luft zwischen den Häusern, doch anders als vor drei Jahren waren auch einige Leute zu sehen. Einige warfen den Geschwistern teils neugierige, teils argwöhnische Blicke zu, da Yukis weiße Haare noch immer auf Misstrauen stießen. Vor allem hier, in einen Dorf, wo die Menschen noch an Yokai glaubten und ihnen regelmäßig Opfer brachten. Doch was war eine Yuki Onna schon im schneelosen Sommer, wenn sie den Schnee nicht mit sich brachte? Und schließlich kamen sie an das Haus der Priester und fanden eine junge Frau im Gewandt einer Miko auf der Terrasse sitzend. In ihren Armen lag ein Kind, soweit sie erkennen konnten ein Junge, denn er trug, obwohl er kaum zwei Jahre alt sein mochte, ein Hakamagewandt. „Tsuki?“, fragte Fukuro, der sie am roten Haar erkannt hatte. Sie sah auf. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Ich hätte nicht gedacht, euch wieder zu sehen“, begrüßte sie ihm und sah dann zu Yuki. „So hat alles doch noch ein gutes Ende genommen…“ „So scheint es, ja“, erwiderte der Junge. „Wie geht es Shen?“, fragte die Füchsin nach kurzem Schweigen, doch daraufhin schüttelte er nur den Kopf. „Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit er zusammen mit dir gegangen ist.“ Daraufhin nickte sie und sah wieder zu Yuki, die schweigend halb hinter ihren Bruder stand und sie anstarrte. Es war für einen Moment still, doch dann trat das Mädchen schließlich einen Schritt vor. „Entschuldige“, murmelte sie halblaut und sichtlich unsicher. „Was?“, fragte Tsuki. „Ich habe dir die ganze Zeit misstraut.“ Doch daraufhin lächelte die Kitsune nur und sah auf das schlafende Kind in ihren Armen. „Ich hatte dein Misstrauen wohl auch verdient.“ Und so schwiegen sie wieder, während die Sonne höher stieg und der Mittag immer näher rückte. Schließlich jedoch kam die alte Miko auf einen Stock gestützt aus dem Haus und sah die beiden Neuankömmlinge an. „Sieh an, wer den Weg hierher zurückgefunden hat“, meinte sie und musterte die beiden durch ihre alten und mittlerweile scheinbar halbblinden Augen. „Von woher kommt ihr, nach all der Zeit?“ „Wir sind von Ichimori gekommen“, erwiderte Fukuro. „Dann seid ihr beim Fürsten geblieben?“ Er nickte. Da öffnete das Kind in Tsukis Armen die Augen und sah verschlafen, aber neugierig die beiden Reisenden an. Dann blickte es jedoch wieder zu Tsuki. „Mutter“, murmelte es und gähnte während dem Sprechen noch einmal. „Essen?“ „Bald“, erwiderte sie und strich durch die Haare des Jungen. „Dann ist es also dein Kind“, murmelte Fukuro. Sie nickte. „Ja. Er ist Ryuujins Sohn.“ Erneut schwiegen sie kurz, während der Junge vom Schoß seiner Mutter rutschte und etwas wackelig über die Terrasse in das Haus hinein, von wo er anscheinend das Essen roch. „Ihr habt sicher auch Hunger“, meinte Tsuki schließlich und stand nun ebenfalls auf. „Kommt.“ So nickte auch Fukuro, zog sich die Sandalen aus, die er trug, ehe er auf seine Schwester wartete, um zusammen mit ihr der Füchsin ins Haus zu folgen. „Danke.“ „Shen?“, fragte Mao, als er die am Rand eines Felsens sitzende Gestalt erblickte, und kam – nun zu Fuß, auch wenn seine Wolke weiterhin neben ihm schwebte – näher. Tatsächlich war es sein Cousin der dort saß und verträumt zum Horizont im Westen sah, wo die Sonne hinter einer Reihe von Bergen versank. Jedoch trug er mittlerweile andere Kleidung, als damals, als er das Dorf verlassen hatte und sein Haar war lang und zu einem unordentlichen Zopf gebunden. „Was machst du hier?“, fragte Mao nun, als er hinter ihn trat. „Ich suche dich seit über einem Jahr. Warum bist du nicht nach Yuncun zurückgekehrt.“ Doch noch immer antwortete sein Cousin nicht. „Shen?“ Schließlich setzte sich Mao neben ihn. „Was ist mit dir?“ Und als er noch immer keine Antwort erhielt, folgte er dem Blick Shens, der auf die Berge gerichtet war. Zuerst hatte er gedacht, dass Shen nur den Sonnenuntergang betrachtete, doch nun sah er, dass sich dort etwas bewegte, auf einem der anderen aus dem Vorgebirge aufragenden Felsen. Dort war ein Tier und zwar ein sehr großes, mit einem weißen, dunkel gestreiftem Fell. Ein Tiger, wie Mao nach einem Moment erkannte, ein Tiger der auf die in das Gebirge führende Straße hinabsah und dann, auf einmal, ihnen den Blick zuwandte. Er brüllte, ehe er mit einem Sprung aus ihrem Sichtfeld verschwand. „Was war das?“, fragte Mao schließlich, als er wieder ein Wort herausbekam. „Ein Gott“, erwiderte Shen und sah weiter zum Horizont. 先 ENDE __________________________________________________________ Nachwort: *seufz* Erst einmal: Der Epilog ist kürzer geworden, als eigentlich geplant, aber es fühlte sich so an, als gäbe es nicht mehr zu sagen. Ich denke, so wie er jetzt ist, ist er gut. Eigentlich sollte auch Tohon noch einmal vorkommen, aber ich wusste ihn nicht so recht unterzubringen. Nun, es ist ein seltsames Gefühl: Drei Jahre, nein, sogar etwas mehr, hab ich jetzt an der Geschichte geschrieben, hab sie teilweise auch vernachlässigt, lange Pausen gemacht usw, aber nun ist es vorbei. Zu Ende. Aus. Wirklich komisch. Und ja, für einige mag das Ende vielleicht seltsam sein. Distanziert. Aber das ist es, was einen Teil der Charaktere irgendwo ausgemacht hat. *doppelseufz* Nun, um ein paar Fragen noch zu beantworten, die nicht ganz klar geworden sein dürften oder wo die Hintergründe unbekannt sind: 1) Ryuujin ist, meiner Information nach, der Name eines Drachen gewesen, der angeblich irgend eine Stadt geschützt hat :3 Von dem was er ist, stellt er aber eher den Ouryou da. 2) Tsuki ist direkt von Inari geschaffen worden. Sie gehört zu den weißen Füchsen, die die Fuchsgarde von Inari sind. Hoshi - ihr Bruder - war einst ihr Geliebter. 3) Der Kannushi aus Hayashimura ist mittlerweile tot o.o So... Ich denke, das war's jetzt. Es ist vorbei. Auch wenn es irgendwie schade ist. Vielleicht wird es noch einzelne One Shots zu den Charakteren geben - wer weiß... Bald werde ich eine neue Geschichte beginnen, die übrigens wieder von illustriert wird! :3 Nun, ich bedanke mich auf jeden Fall für's Lesen und hoffe wirklich, dass euch die Geschichte gefallen hat! *sich verbeug* gez. 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