Dragoons von Faenwulf (Der Krieg der Drachen) ================================================================================ Kapitel 5: Neustart ------------------- Vier Stunden nachdem Mike und Obsidian verschwunden waren machte ich mir langsam Sorgen. Mikes Handy war ausgeschaltet und auch im Internet war er nicht aufzutreiben. Sil versuchte es auf die moderne Art und Weise... Sie hatte versucht Obsidian anzurufen, doch auch sie schien ihr Handy ausgeschaltet zu haben. Weder in den Chatprogrammen, noch in den Spielen, die wir für gewöhnlich teilten, konnte ich Mike erreichen. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte und mein Hungergefühl langsam einsetzte, begann ich zu kochen. Vorsichtshalber hatte ich eine Lasagne für vier Personen gemacht. Die war schnell zubereitet, einfach und ich hatte alle nötigen Zutaten zu Hause. Als die Lasagne im Ofen war, ging ich zurück ins Wohnzimmer, wo Silver immer noch wartete und TV sah. »Ich mach gerade essen.«, sagte ich »Isst du was mit?« »Solange es kein Echsenfleisch ist. Ich mag keine Artverwandten essen«, gab sie wieder und musste dabei kichern. »Ne quatsch! Mir kannst du alles vorsetzen.« »Und… Die Frage mag komisch erscheinen… Aber immerhin bist du ein Drache… Isst du normale Menschenportionen?« Silver musste lachen. »Ja natürlich! Solang ich nicht sechs Meter hoch bin, verspeis ich auch keine ganzen Kühe« Ich empfand die Situation als etwas peinlich. »Was gibt's denn?«, fragte sie schließlich. »Gemüse Lasagne mit Champignons, Erbsen, Mais und Lauch.« »Klingt lecker!« »Ist es auch, wenn sie mir nicht verbrennt.« »Ich freu mich drauf.« Ich setzte mich hin und sagte: »Sie ist schon im Ofen. Ich hoffe Mike kommt bis dahin zurück.« »Wenn er bis heute Abend nichts von sich hören lässt, gehen wir ihn suchen, ok?« »Lieber wäre mir, wenn wir ihn sofort suchen gehen.« »Glaub mir… Leichter fällt es uns nachts.« »Was soll das heißen?« »Da können wir auf ein paar Sachen zurückgreifen, die wir tagsüber nicht haben.« »Und die wären?« »Wir könnten fliegen. Können wir tagsüber auch, allerdings will ich unsere Existenz solange geheim halten, wie möglich.« »Ehm, dir ist bewusst, dass wir nächstes Jahr in 'nem Krieg leben? Und dass die Menschheit da sicher was von mitbekommt?« »Ja, bis dahin will ich es geheim halten.« Das stellte mich nicht sonderlich zufrieden. Einerseits brannte ich darauf Mike wieder zu finden und ihm eine rein zu hauen, doch andererseits gönnte ich ihm seinen kleinen Freiraum. Wenn alles so laufen würde, wie ich dachte, dass es kommen sollte, würden wir bald eh noch öfter zusammen sein um zu Trainieren. Und gerade jetzt ist er abgehauen, weil er scheinbar nachdenken muss. Ich hatte ja jetzt mehr oder weniger meinen Freiraum. Zwar war Sil anwesend, doch ich hatte mich schon damit abgefunden, dass wir von nun an zusammen leben würden. Dieser kleine Gedanke ließ mich hochfahren. Mein Vermieter. Ich musste Sil schnellstmöglich anmelden. »Sil?« fragte ich. »Ja?« »Wie sieht das aus? Wirst du jetzt hier wohnen?« »Solange bis wir umziehen denk ich schon.« »Umziehen?« »Ja. Wir bekommen von Elantria eine Wohnung gestellt.« »Hier in der Stadt?« »Nein. Wahrscheinlich in der Nähe vom Elantria-Hauptquartier in Deutschland oder einem Außenposten. Allerdings nur innerhalb Deutschlands.« »Ok. Neue Wohnung, Job kündigen. Das hättet ihr alles früher sagen sollen.« »Wieso?« »Schau... Mike ist weg und ich weiß nicht ob und wann er wiederkommt. Ich muss meinen Traumberuf kündigen und das Kriegshandwerk erlernen und jetzt zieh ich von meinen Verwandten und Bekannten weg.« »Ja«, sagte sie. Danach war einige Sekunden eine bedrückende Stille zu spüren, bevor sie fortfuhr, »Aber jetzt gibt es kein zurück mehr.« »Ich weiß ja.«, ich unterbrach, weil ich nicht weiter wusste. Eigentlich hätte mir fast alles bewusst sein können. Wie sollte ich einen Krieg schlagen, wenn ich kochen sollte oder hier immer noch wohnen würde? Meine Gedanken wurden durch ein Klingelgeräusch unterbrochen. »Oh, Essen ist fertig!«, sagte ich Sil und ich standen auf und gingen in die Küche. Dort holte ich die heiße Lasagne aus dem Ofen und stellte sie auf den Untersetzer auf dem Tisch. Er war für vier Personen gedeckt, doch ich wusste, dass erstmal zwei Teller leer blieben. Die Lasagne war wirklich lecker. Doch ich bekam kaum mehr als die Hälfte meiner üblichen Portion auf. Das lag vielleicht daran, dass ich jetzt ein Dragoon bin, doch eher vermutete ich die Umstände und Sorgen als Ursache für meine Appetitlosigkeit. Nach dem Essen beschloss ich nicht weiter an Mike oder die Zukunft zu denken, sondern nur noch auf den Abend zu warten. Als es schließlich dämmerte, ergriff Sil das Wort. »Ich würde sagen, wir machen und langsam Flugfertig.« sagte sie und schaute an sich runter »So! Ich bin fertig.« Sie saß so da wie sie gekommen ist. Klar, sie würde der Drache sein. Kein Grund also sich jetzt umzuziehen. Aber ich musste es tun. Ich ging zu meinem Kleiderschrank und suchte mir eine warme Jeans, ein paar dicke Socken, einen Pullover und eine dicke Jacke. Außerdem kramte ich Handschuhe und einen Schal aus dem Schrank hervor. Ich zog mich um und sah aus, als ob wir draußen Minustemperaturen hätten. Sil musste lachen und sagte mir, ich soll mich wieder sommerlich anziehen. Also zog ich die Jacke und den Pullover aus, nam mir aber ein dünnes Hemd mit langen Ärmeln raus und zog dieses anstelle an. Wenige Minuten später befanden wir uns im Freien und spazierten mehr oder weniger durch die Straßen. »Was wird jetzt kommen?« »Ich halt Ausschau nach einer Stelle mit genügend Platz.« »Und dann wirst du dich verwandeln und wir fliegen blind umher?« »Fast. Wir sind nicht blind. Und während wir fliegen werde ich versuchen Obsidian anzufunken. Per Telepathie. Sie sollte in seiner Nähe sein.« »Sehr gut, ich zeig dir ne Stelle, wo du dich ungestört verwandeln kannst.« Wir brauchten knapp fünfzehn Minuten um den alten Bolzplatz zu erreichen. Ich wusste nicht wie groß Sil sein wird, aber ich hatte gehofft, dass es reicht. »Ist das hier groß genug?« »Sollte mehr als genug sein. Bleib hier stehen.« Ich wartete am Rande des kleinen Fußballfeldes und sah zu, wie Sil sich von mir entfernte. Nach einigen Metern hielt sie inne und fing an silbern zu glühen. Nach einigen Augenblicken stand vor mir ein riesiger Drache, gut sechs Meter hoch mit einem riesigen Schweif und silbernen Schuppen. Heißer Rauch stieg aus ihren Nüstern empor und ich wagte nicht mal dran zu denken, wie aus diesem kleinen Rauch ein ausgewachsener Drachenodem werden konnte. Mit einem gewaltigen Flügelschlag stieg sie in die Luft empor und vollzog ein kleines Kunststück in der Luft, wobei ich hoffte, dass sie das nicht während ich drauf sitzen werde macht. Ich staunte alles in allem nicht schlecht. Sie landete und legte sich hin und wartete darauf, dass ich aufstieg. Ich ging zu ihr, berührte ihre Schuppen. Sie waren scharf wie Rasierklingen, doch ich schnitt mich nicht an ihnen. Ich erklomm ihren linken Arm und hievte mich dann auf die Schultern. Das ging leichter als ich dachte. »Festhalten!« brüllte sie in meinen Kopf. Schon wieder diese Telepathie. Ich konnte mich gerade eben so festkrallen, als sie ihre riesigen Flügel ausbreitete und mit einem einzigen Flügelschlag mehr als zehn Meter vom Boden entfernt war. Es fühlte sich großartig an. Ein wenig wie Achterbahn fahren, nur wesentlich besser. Der Wind peitschte mein Gesicht, doch nie zuvor habe ich mich lebendiger gefühlt. Das war schon immer der Traum der Menschheit. Fliegen. Nach wenigen Minuten, in denen wir über die Dächer der Stadt flogen wurde Sil langsamer und setzte auf einem Parkplatz zur Landung an. Diese selbst war sanfter als ich gedacht hatte. Ich stieg ab und Sil verwandelte sich zurück in ihre Menschenform. »Ich weiß wo Obsidian ist.« sagte sie, doch wenn ich ehrlich bin, wollte ich das gar nicht mehr wissen. Der Parkplatz auf dem wir gelandet waren gehörte zu einem Krankenhaus. »Wieso landest du gerade hier?« fragte ich mit einem leichten Anflug von Panik... Gerade ein Krankenhaus hat mir noch gefehlt... Das würde erklären, warum Mike und Obsidian ihr Handy ausgeschaltet haben. Vielleicht ist etwas Schlimmes passiert? »Auf dem Friedhof lässt sich so schwer landen... Ich will keine Gräber aufwühlen und Grabsteine umwerfen.« Ja klar! Der Friedhof war um die Ecke... Mike mochte ab und an solche Atmosphären wie ein Friedhof oder sonst etwas dergleichen. Wir gingen vom Krankenhausparkplatz hinunter auf die andere Straßenseite des Krankenhauses. Sehr makaber, ein Friedhof neben einem Krankenhaus zu haben... Noch makaberer ist es, wenn im Krankenhaus ein Durchgang zu einem Altenheim ist und der Steinmetz für die Grabsteine auch nicht weit entfernt liegt. Aber das ist was anderes. Jedenfalls liefen wir ein wenig auf dem Friedhof umher, wo uns auch schon Obsidian abfing. »Was ist los, Obsidian?« fragte ich sofort. »Nenn mich bitte Dy! Und Mike sitzt schon seit Stunden da bei dem Familiengrab. Lässt sich selten ansprechen und wenn, dann sagt er ich solle abhauen.« »Ok, Dy... Ich werde es mal versuchen. Mehr als den Kopf verlieren kann ich wohl nicht, oder?« Ich lief zum Massengrab einer mir unbekannten Familie. Das große Gebäude strahlte etwas Cooles und zugleich unheimliches aus und ich fragte mich, warum er sich ausgerechnet diesen Ort zum Abschalten ausgesucht hat. Auf der anderen Seite des Grabes saß Mike auf einem kleinen Steinvorsprung. Ich setzte mich daneben und starrte in die gleiche Richtung wie er es tat. Die Tannen am Rande des Friedhofes sahen aus wie riesige Zipfelmützen von gigantischen Gartenzwergen. Es war besser, dass nicht ich mit dem Gespräch anfing, sondern er, wenn er dazu bereit ist. Viel Zeit verging und es war stockfinstere Nacht geworden. Die Zipfelmützen am Horizont verschmolzen mit der Schwärze der Nacht und Mike hatte eigentlich nichts, außer Grablichter, was er sehen konnte. Ich konnte ihn noch atmen hören, so vergewisserte ich, dass er noch da war. Plötzlich begann er zu sprechen: »Ich denke, ich sollte mich für meinen Auftritt entschuldigen!« »Ach wo!« sagte ich »Es gibt schlimmeres... Und jeder muss sein Schicksal anders verkraften. Vielleicht hätte ich auch so reagiert, aber ich fand's eher cool, muss ich sagen.« »Pah! Cool? Ich hab nachgedacht, Dave! Vielleicht war es wirklich nicht so klug ein Dragoon zu werden.« »Du warst doch Feuer und Flamme!« erwiderte ich entrüstet. Warum wollte er auf einmal nicht mehr? »Ja, am Anfang! Aber du kennst mich doch! Ich bin am Anfang immer Feuer und Flamme und später lässt die Begeisterung nach und ich hab kein Bock mehr drauf!« »Kein Bock mehr? Kauf dir 'ne Ziege! Alter du bist 'ne Verpflichtung eingegangen! Ist wie ne Vereidigung beim Bund, nur auf Lebenszeit und nicht nur auf Abruf!« »Ich weiß ja auch, aber das ist es ja gerade, was mir zu schaffen macht. Ich kann nicht mit dem Gedanken leben nicht mehr frei zu sein!« »Ok, Mike... Dann denk daran: Wenn wir Korya besiegt haben, werden wir frei sein! Und noch besser, wir haben dann Drachen! Also beweg' gefälligst deinen Arsch rüber zu Dy, sie wartet da schon den ganzen Tag in der Kälte, nur weil du hier einen Miesen schiebst.« Mit diesen Worten verließ ich Mike und ging zurück zu den Drachen. »Netter Vortrag« sagte Dy »Du hast mit gehört?« war meine Antwort. »Ja selbstverständlich. Ich kann mich in seinen Kopf einschleichen und alles mithören, was er hört. Sehr gute Spionagetechnik.« Sie zwinkerte mit den Augen »Ich muss mich bei dir bedanken, dass du mit Mike gesprochen hast, auch wenn er immer noch nicht da ist.« »Der kommt schon noch! Der hat gesessen und in zehn Minuten steht er hier.« »Meinst du?« »Du musst noch viel lernen. Er wird!« Ich hielt einen kurzen Augenblick inne »Ist besser, wenn ich dann nicht hier bin. Er ist nach solchen Aktionen von mir immer relativ sauer. Legt sich aber wieder. Wenn das Training beginnt, treffen wir uns wieder.« »Alles klar!« entgegnete Dy. Ich drückte sie und Sil und ich verließen den Schauplatz. Wir gingen zurück zu meiner Wohnung. Allerdings liefen wir und flogen nicht wie die Berserker durch die Stadt. Am nächsten Morgen begann ich damit mein Leben zu beenden. Geschlafen habe ich irgendwie gar nicht. Der Wecker klingelte früher als sonst, was für mich ein Zeichen war, aufzustehen. Ich schaltete das Licht an und Sil saß auf dem Sessel und laß ein Buch... Im Dunkeln. »Morgen!« sagte ich »Morgen, Dave! Na? Konntest du schlafen?« »Kein Stück« Nach diesem Satz lachte sie lauthals und kriegte sich nicht mehr ein. »Hallo? Was ist los?« »Du konntest nicht schlafen, weil du kein Stück müde bist! Das liegt daran, dass du kein Mensch mehr bist! Du brauchst von jetzt an weniger Schlaf. Alle paar Tage mal.« »Wahnwitzig witzig! Das hättest du mir ruhig schon früher sagen können. Ich find' das nämlich gar nicht lustig die ganze Nacht wach zu liegen, ohne dass ich weiß, dass ich gar nicht wach liegen brauche, weil ich ja gar nicht schlafen muss.« Und sie lachte wieder. Ich ignorierte sie und ging direkt zu meinem Rechner und schaltete ihn an. Ich musste die Kündigung für meinen Job schreiben und das machte mir relativ großen Kummer, weil ich eigentlich nicht kündigen möchte. Aber ich kann nicht die Welt retten und kochen gleichzeitig. Zumindest nicht in großem Stil. Also schrieb ich 'ne gute halbe Stunde an dem Dokument, druckte es aus und unterschrieb mit meinem Namen. Danach duschte ich, putze mir die Zähne und zog mir was an. »Ich muss los! Meine Kündigung einreichen!« »Alles klar, ich komm mit!« »Warum willst du denn mitkommen? Das kann ich auch alleine!« »Klar, kannst du das, allerdings bleibe ich ab heute immer in deiner Nähe!« »Immer, zu jeder Zeit und an jedem Ort? Bis wir sterben?« »Ja, so ist es vorbestimmt zwischen Drache und Dragoon. Wie du mich in deine Familie oder Freundeskreis integrierst, bleibt alleine dir überlassen. Aber drum rum kommen kannst du nicht.« »Oha!« Ich überlegte einen kurzen Augenblick: »Wir könnten dich ja als meine feste Freundin ausgeben. Ich denke das wäre am leichtesten, oder?« »Ich würde mitspielen, mach dir deswegen keine Sorgen, Dave.« »Alles klar, machen wir das so, aber wir müssen jetzt los.« Mit diesen Worten gingen wir geschlossen die Haustüre hinaus und beeilten uns zur Straßenbahnhaltestelle. Die Arbeit war weniger als eine halbe Stunde entfernt von meinem Haus und ich schrieb schon mal eine SMS an meinen Chef als Vorwarnung, dass gleiche eine Hiobsbotschaft kommt. Im Restaurant angekommen machte keiner die Türe auf. Klar, ich war ja auch über eine halbe Stunde zu früh und keiner war da. Also warteten wir, bis mein Chef angekommen ist. »Was ist los, Goldi?« fragte er »Och, fast nichts, Chef!« ich druckserte ein bisschen rum. »Komm, raus damit!« »Willst du die ganze Wahrheit hören oder nur der Teil, der von dir von Belang ist?« »Der von Belang, wenn's geht.« »Ich muss kündigen. Und zwar schon heute! Resturlaub und Überstunden gehen dabei drauf, den Rest nach Ablauf der Kündigungsfrist kannst du behalten.« »Bitte was?« die Stimme von Stefan ließ sich kaum noch in Zaum halten. »Jetzt will ich die ganze Wahrheit hören!« Ich blickte kurz zu Sil rüber, die etwas Abseits stand. Mit ihrer Telepathie gab sie mir zu verstehen, was ich zu tun hatte. »Dazu müssen wir in dein Büro gehen.« »Nein, ich will es jetzt hören!« »Tut mir Leid Chef, das geht absolut nicht!« »Ok, komm mit! Und ich will einen triftigen Grund dafür hören!« Man konnte anhand von Stefans Stimme erkennen, dass er eindeutig wütend war. In seinem Büro nahm ich Platz. Silver stand leger an der Türe, aber sie hatte eine unglaublich charismatische Ausstrahlung. So als ob sie sagen würde: Jedes Wort gleich stimmt! »So, David!« Stefan nannte mich nie David oder Dave, immer nur Goldi oder Herr Golsteyn. »Was ist so unglaublich wichtig, dass du deinen Job praktisch fristlos kündigen willst und mich wegen Personalmangel direkt mal in die Scheiße reiten würdest?« »Ganz einfach: Das da vorne ist Silver, sie ist ein Drache und ich bin seit gestern Abend kein Mensch mehr, sondern ein Dragoon vom Königreich Elantria und Anfang nächsten Jahres befinde ich mich mit anderen Dragoons im Krieg und dafür muss ich Trainieren und kann meinem Beruf nicht mehr nachgehen, klar soweit?« Nach meinem letzten Wort schnellte die Hand von Stefan nach vorne und gab mir solch eine harte Ohrfeige, wie ich sie schon sehr lange nicht mehr bekam. »Meinst du von dem Scheiß glaub ich dir ein einziges Wort?« »Musst du nicht, aber da du dich jetzt körperlich an mir vergriffen hast, kann ich sogar fristlos kündigen. Sie da vorne ist meine Zeugin, falls du vor Gericht gehen willst, mich siehst du hier nicht mehr wieder!« Mit diesen Worten stand ich auf und verließ das Büro und ging Richtung Umkleidekabine um meinen Spind zu leeren und diesen Betrieb auf nimmer wieder sehn zu verlassen. Stefan tat mir irgendwie Leid, denn ich wollte es nicht soweit kommen lassen, aber die Aggression von ihm konnte ich mir super zu nutze machen, ohne die nächsten vier Wochen fristgerecht noch arbeiten zu müssen. Auf dem Weg nach draußen kam ich durch die Küche. Ich hinterließ meinem Chef auf seiner To-Do-Liste eine Nachricht: Danke für alles, mfg Goldi. PS: Bunker Lebensmittel für nächstes Frühjahr! Als ich draußen war, fiel mir mehr oder minder ein Stein vom Herzen. Ich hatte mir die gesamte Fahrt zur Arbeit über Gedanken über die Kündigung gemacht, aber Sil hat mir im Entscheidenden Moment den Tipp gegeben, 'ne fristlose Kündigung raus zu hauen. Nachdem wir wieder zu Hause waren beschloss ich kurzerhand meinen Eltern einen Besuch abzustatten. Sie mussten schließlich wissen, was los ist und vor allem, was nächstes Jahr passieren wird. Also spazierten Sil und ich zu ihnen. Auf das Klingeln an der Türe reagierte niemand, aber das Auto war neben dem Haus geparkt, demnach mussten sie im Garten sitzen. Ich öffnete die Gartentüre und trat einfach mal so hinein. Meine Eltern waren gerade dabei Kirschen vom Baum zu pflücken, vielleicht für Marmelade oder sonst was. Allerdings bemerkten sie mich nicht. »Hallo Mama!« sagte ich Meine Mutter drehte sich um und sah mich und Silver dort stehen. Merklich begann in ihr die Aufregung zu wachsen. »David!« Ja, in ihrer Stimme war deutlich Aufregung zu erkennen. »Hast du eine neue Freundin?« »Nicht ganz, aber ich bin wegen ihr hier. Sil, das ist meine Mom, Ulrike und das mein Dad, Erwin. Eltern, das ist Silvia!« »Freut mich!« sagte mein Vater Meine Mom begrüßte sie wie eine alte Freundin oder halt meine feste Freundin ganz herzlich mit einer Umarmung, während mich mein Vater bei Seite nahm und mich für meinen guten Geschmack gelobt hatte. »Ich finde, wir sollten rein gehen. Das, war jetzt kommt ist nicht für alle Augen und Ohren bestimmt.« »Was ist los?« fragte meine Mom. »Wirst du dann sehen.« »Ist etwas Schlimmes passiert?« »Mama, bitte! Lass uns das drinnen klären.« Mit einigem Nachdruck ließ sich meine Mutter schließlich dazu überreden ins Haus zu gehen und dort ins Wohnzimmer zu setzen. Sie bot uns Kaffee an, den wir auch guter Laune annahmen. »So, schieß los, David.« sagte mein Vater »In welcher Klemme steckst du jetzt wieder?« »In einer sehr großen, Dad!« »Geht es um Geld?« »Nein, so hart es auch klingen mag, es geht um mein Leben!« Mutter bekam Panik: »David Golsteyn, sag uns sofort was los ist!« »Ich werde nächstes Jahr zusammen mit diesem Wesen da in den Krieg ziehen.« ich deutete dabei auf Silver. »Wesen?« wollte mein Dad wissen. »Zeig's ihnen bitte, Sil.« Silver nickte und mit einem silbernen Leuchten verwandelte sie sich kurze Zeit später in ihre kleine Drachenform. Meine Eltern starrten auf den kleinen Drachen, als ob sie ein Wunder gesehen hätten. Vielleicht war es für sie auch ein solches. Ich selbst hatte mich halt längst schon mit den Verwandlungen abgefunden und es war demnach nichts Besonderes mehr. »Und jetzt Drachenritter!« Kurz darauf fingen wir beide an zu leuchten und ich verschmolz mit ihr zu einem Wesen in strahlender, silberner Rüstung. Meine Eltern starrten absolut fassungslos auf unsere Gestalt. Sil fragte mich in Gedanken, ob sie auch meine Waffe holen sollte. Kaum bejahte ich dies, merkte ich, wie die Pallantiumspiralen um meine Arme bewegten und langsam einen Speer in meine Hände bildeten. Als der Speer fertig war, bemerkte ich wie meiner Mom die Farbe aus dem Gesicht wich und die Augen nach hinten drehte. Wenige Sekunden später verlor sie das Bewusstsein. Sil trennte uns sofort voneinander und ich halt meinem Dad sie auf die Couch zu hieven und die Beine auf den Armlehne zu legen. Sofort eilte er in die Küche um einen nassen Lappen zu holen. »Ok, Nachtwind zu aktivieren war etwas übertrieben, würd' ich sagen, oder?« »Jau,« entgegnete ich knapp »aber wird sich Nachtwind immer so langsam verwandeln?« »Nein... Ich wollte nur die Show eindrucksvoller machen.« Wir beide lachten. »Hört auf euch zu amüsieren, deine Mutter ist umgekippt!« »Entschuldigung! Aber sie wird gleich sicher wieder zu sich kommen.« warf Silver ein. Einige Minuten vergingen. Wir holten immer wieder nasse Lappen für die Stirn meiner Mom und fächerten ihr unentwegt Luft zu, bis sie zu sich kam. »Willkommen zurück!« sagte ich »Ist mir gestern auch schon passiert. Nur bin ich 'ne halbe Stunde später krepiert!« »Was?« meine Mom war sofort hellwach »Du bist was?« »Ich bin gestorben und wurde ein paar Sekunden später als Dragoon wiedergeboren. Entschuldige den Schock von eben, aber ich wollte es schnell hinter mir bringen. Wir stehen ab jetzt offen für Fragen aller Art.« »Dann sag uns mal lieber was das war!« fragte mein Dad »Ich denke, er meint mich. Ich bin ein leibhaftiger Drache und ihr Sohn ist der dazu gehörige sogenannte Dragoon. Das ist so etwas wie ein enger Vertrauter, mit dem ich noch mächtiger werde, aber auch er hat seine Vorteile dadurch.« »Ein Drache!« meine Mutter stand wohl immer noch unter Schock. Kann man ihr ja auch nicht verübeln. »Jupp, live und in Farbe!« »Das müsst ihr uns jetzt erstmal erklären!« forderte mein Vater. Also erzählte ich ihm die ganze Story, wie ich Silver und Obsidian kennen gelernt habe und wie Mike und ich schließlich Dragoons wurden. Sil hingegen erzählte alles, was so in Elantria vorgefallen ist. Die ganze Story über Bahamut und Tiamat und den Krieg, den es bald geben wird. Schließlich trumpfte ich damit auf, wie ich meinen Job losgeworden bin. »Aber ihr dürft keinem ein Wort sagen. Wenn die Zeit gekommen ist und wir euch grünes Licht geben, könnt ihr Daves Geschwister und den Rest der Familie einweihen. Aber bis dahin müsst ihr unbedingt Stillschweigen wahren! Es ist auch ganz wichtig, wenn der Krieg ausgebrochen ist, nicht an die große Glocke zu hängen, dass ihr die leiblichen Eltern eines Dragoons seid, denn dann könntet ihr als Geisel oder ähnlichem gegen uns eingesetzt werden.« »Und dein Chef?« wollte Mom wissen. »Der wird kein Wort glauben.« »Warum meinst du?« »Weil ich es so ausgesehen lassen hab, als suche ich nur einen Grund mir eine zu ballern.« »Und wie erklärt ihr, dass ihr praktisch immer zusammen seid?« »Er ist ein Mann, ich bin eine Frau. Was gibt es da noch zu erklären?« merkte Sil an. Meine Mutter wurde knallrot im Gesicht. Der Rest musste lachen. Sil und ich verbrachten den restlichen Tag bei meinen Eltern. Ich musste meiner Mutter versprechen auf jeden Fall vorsichtig zu sein und mich regelmäßig während meines Trainings melden. Mein Vater wollte noch einige Male die Verwandlung von Sil in einen Drachen sehen und ich genoss es jedes Mal, dass meine Mom den Kiefer weit nach unten geöffnet hatte. Abends verabschiedeten wir uns dann und flogen nach Hause. Dort angekommen rief ich Mike an. Auf seinem Handy konnte er scheinbar erkennen, dass ich anrief. »Nabend, Dave!« »Moin Mike! Na, alles wieder paletti?« »Mehr oder minder. Gabi ist am toben. Kommt ja nicht oft vor, dass ich ein Mädel mit nach Hause schleppe und sage, dass sie jetzt bei uns wohnen wird.« »Weiß sie die Wahrheit?« »Nein. Ich glaube, das würde sie nicht vertragen.« »Ich hab's meiner gesagt.« »Wie hat sie es aufgegriffen?« »Ohnmacht und Unglaube, was sonst?« wir lachten »Und? Schon einen Rundflug gemacht?« wollte ich wissen. »Nein, du etwa?« »Schon zwei! Einen gestern. Als wir dich gesucht haben und einen eben erst um schneller nach Hause zu kommen.« »Ist cool?« fragte Mike. »Mega!« »Muss ich unbedingt mal ausprobieren. Ich frag Dy gleich mal.« »Wie ich höre, habt ihr euch zusammen gerauft?« »Ja, mehr oder minder.« »Na gut, lass ich euch mal in Ruhe. Ich würde gerne schlafen gehen, mal schauen, ob ich es diese Nacht kann.« »Alles klar. Viel Spaß beim Warten.« »Jo! Ich ruf die Tage noch mal an. Ciao!« »Warte noch. Ich hatte vor die Clique am Samstag zusammen zu trommeln, hast du auch Lust zu kommen?« »Soll das ein Scherz sein? Na klar komm ich.« »Alles klar, dann bis Samstag spätestens!« »Ciaoi!« An diesem Abend legte ich mich wieder ins Bett. Ich wollte schlafen, konnte aber wieder nicht. Unruhig wälzte ich mich hin und her, bis schließlich, es muss so gegen zwei Uhr gewesen sein, Sil sich auch nachtfertig gemacht hat. Aber anstatt, wie ich erwartet hätte auf der Couch zu schlafen, kroch sie zu mir ins Bett, legte sich unter meine Decke und kuschelte sich an meinem Rücken liegend ein. Ich spürte ihren warmen Atem im Nacken und ihre warmen, sanften Brüste in meinem Rücken. Zögernd umschloss ich eine ihrer Hände mit meiner und konnte gerade eben so noch denken, was für ein genialer Neustart das für mein Leben war, bevor ich tief und fest einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)