Der Drachenkrieg von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Die Stadt der Erinnerungen ------------------------------------- An den Webmaster: Ich habe möchte diesen Fanfic unter dem Pseudonym "El Jugador" veröffentlichen. Danke. Wie gefällt euch die Geschichte bisher? Kann man was verbessern oder sollte ich etwas ändern? Ach ja: VoE ist nicht meiner Feder entsprungen und nur dieser Plot und ein paar neue Charaktere gehören mir. Leider. Der Drachenkrieg Folge 6 - Die Stadt der Erinnerungen Ist es nur ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Nachdem ich von Serena erfahren habe, dass die neuen Herrscher von Zaibach die Hexer sind, welche die junge Frau vor Jahren in Dilandau verwandelten, hat Allen entschieden, nach Farnelia aufzubrechen. Während der Crusado Kurs auf die neuerbaute Stadt nimmt, erzählt mir Allen viel über die Geschichte Gaias, unter anderem, dass Atlantis durch abtrünnige Bewohner der Stadt zerstört wurde und die Drachen, Morphe und Katzenmenschen ihre Schöpfungen für den Krieg waren. Als wir in Farnelia landen, werden wir sehr stürmisch von Merle empfangen. Aber wo ist Van? "Weißt du, er muss grade ein paar Idioten aus der Stadt Verstand einprügeln", antwortete Merle auf Hitomis wichtigste Frage, bevor sie sie gestellt hatte. "Die wollten ihm Escaflowne wegnehmen und damit Zaibach angreifen, kannst du dir das vorstellen?" "Und da haben sie bis jetzt überlebt?" Allen war überrascht. "Er hat mehr Selbstkontrolle, als ich dachte." "Denken die Menschen denn wirklich nur an den Krieg?", fragte Hitomi traurig und sah auf die Stadt hinunter. Fünf Jahre lang hatte Frieden geherrscht. So lange hatte es gedauert, das aufzubauen, was vorher an einem einzigen Tag zerstört worden war. Und jetzt suchten die Menschen schon wieder den Kampf? "Nur jugendliche Rabauken", schnaubte Merle abfällig. "Sie haben im Großen Krieg nicht kämpfen können und glauben jetzt, sie hätten was verpasst! Van wird ihnen zeigen, was Kampf wirklich bedeutet!" Dann hellte sich ihr grimmig verzogenes Gesicht wieder auf und sie hakte sich bei Hitomi unter. "Aber jetzt komm! Ich will dir zeigen, wie alles aussieht!" "Ich dachte, alles wäre so wie vorher aufgebaut worden?", bemerkte Hitomi mit einem schwachen Grinsen, während sie sich von Merle mitzerren ließ. Die Aufregung ihrer Freundin schien ansteckend zu sein. "Na und? Hast du etwa noch alles im Kopf?" "Geh schon, Hitomi", sagte Allen und stupste sie noch zusätzlich an. "Sie gibt ja doch keine Ruhe, bevor sie dich nicht durch den ganzen Palast geführt hat. Ich hole unseren Gast, suche Van und bringe ihn zu euch." "Aber verrate ihm nichts!", verlangte Merle und grinste verschwörerisch. "Das soll eine Überraschung werden!" "Überraschung?" Hitomi runzelte die Stirn und sah Allen an, der aber bereits in den Crusado zurückging. "Haben wir denn keine Nachricht geschickt?" "Doch, doch", antwortete Merle. "Aber die kam erst heute früh an, als Van bereits zum Kampf unterwegs war. Ich will unbedingt sein Gesicht sehen, wenn du ihm plötzlich gegenüberstehst, Hitomi!" "Ja, ich auch." Allerdings zeigte Hitomis Gesicht Spuren der Anspannung. "He, keine Angst!" Merle knuffte sie an. "Das wird echt romantisch werden, du wirst schon sehen. Nachdem es ihre Majestät umgeworfen hat, selbstverständlich." Merle kicherte und zerrte an Hitomis Arm. "Los, komm jetzt! Ich will dir noch etwas zeigen, bevor Van dich voll in Beschlag legt!" "Ja doch, ich komme ja! Du musst mir nicht gleich das Kleid vom Leibe reißen, Merle!" Die nächste Stunde verging wie im Fluge. Merle ließ Hitomi kaum Zeit, die Stadt selbst in Augenschein zu nehmen, da hatte sie sie schon in den Palast geschleppt und zeigte ihr mit kaum verhohlenem Stolz ihr Zimmer, das von Van, Hitomis alten Raum, die Beratungsräume, die Küche... Hitomi wurde ganz schwummrig im Kopf von der Bilderflut, denn Merle schien stets noch etwas anderes einzufallen, das Hitomi unbedingt sehen musste. Schließlich gelangten sie auch zum Thronsaal. Diesen Raum hatte Hitomi auch im alten Palast nie gesehen und er beeindruckte sie, obwohl er bei weitem nicht so prächtig war wie der von Asturia oder auch nur der von Freid. Die Wände waren mit kunstvollen Malereien aus der Geschichte Gaias versehen worden und der Große Krieg nahm allein eine ganze Wand ein. Hitomi entdeckte sich sogar selbst an den Wänden und fragte sich, ob sie damals wirklich so jung ausgesehen hatte. Ansonsten gab es aber kaum Verzierungen, bis auf ein paar Vorhänge aus Samt. Der Thron selbst war eigentlich nicht viel mehr als ein normaler Stuhl, der mit einigen Edelsteinen und Polstern aufgeplustert worden war. Die Herrscher von Farnelia hatten anscheinend nie viel für Luxus übrig gehabt. Dennoch strahlte der Raum Stolz aus, Stolz auf die Vergangenheit. "Sehen hübsch aus, die Bilder, nicht wahr?", fragte Merle und sprach damit die Untertreibung des Jahres aus. "Eins davon hat Van sogar selbst gemalt, weißt du?" Auf Hitomis neugierigen Blick hin deutete sie an die Wand, die den Großen Krieg darstellte. Ziemlich am unteren Ende der Wand, dort, wo die letzten Ereignisse dargestellt waren, fiel ihr sofort eine Zeichnung ins Auge, die nicht so perfekt wirkte wie die anderen. Sie wirkte grob und hölzern im Vergleich zu den anmutigen Figuren der anderen Bilder, aber Hitomi erkannte sofort, worum es sich handelte. Und es traf sie ins Herz. Ein kleiner Van stand neben einem kantigen, aber unverkennbaren Escaflowne und hatte den Kopf erhoben. Seine Hand war nach einem Ziel ausgestreckt, dass sich immer weiter von ihm entfernte und selbst der Blick des gemalten Jungen schien Sehnsucht auszudrücken. Man merkte, dass Van sich mit den Augen besonders viel Mühe gegeben hatte, denn sie wirkten richtig lebendig. Die andere Figur schwebte in einem blau-weißen Strahl und hielt Van ebenfalls eine Hand hin. Hitomi erkannte sich sofort wieder. Auch hier schien in das sanfte Lächeln und die glänzenden Augen die tiefsten Gefühle des Zeichners eingeflossen zu sein. "Schön", flüsterte sie. "Wie lange hat er daran gearbeitet?" "Oh, mit den Körpern war er recht schnell fertig", antwortete Merle fröhlich. Ihr schien zu gefallen, dass Hitomi beeindruckt war. "Aber die Gesichter hat er bei euch beiden mindestens zehnmal übermalen lassen. Sie schienen ihm nie perfekt genug zu sein." Plötzlich spitzte sie die Ohren und sah sich hektisch um. Dann bildete sich ein so breites Grinsen auf ihrem Gesicht, dass sie Gefahr lief, ihr Kopf würde abfallen. Hastig packte sie Hitomis Arm und schob sie auf einen der Vorhänge zu. "Schnell!", flüsterte sie ihr aufgeregt zu. "Ich hab grade Allen gehört! Er kommt mit Van! Versteck dich!" Hitomi kam das langsam etwas lächerlich vor, aber entweder war Merles Enthusiasmus ansteckend oder, was wahrscheinlicher war, sie wollte Van selbst überraschen. Sie verschob den Vorhang so, dass sie durch eine kleine Spalte hinaussehen konnte, aber dennoch unauffällig blieb. Merle saß vor dem Thron und hatte ihre strahlendste Miene aufgesetzt. Nun konnte auch Hitomi die beiden Stimmen hören, die durch die Größe des Zimmers zwar etwas verzerrt, aber unverkennbar waren. "... Gefangenen hätten wir auch später verhören können, Allen!", beschwerte sich Van gerade. "Ich hätte mich wohler gefühlt, wenn ich alle Kämpfe hätte beenden können. Es waren doch nur noch fünf." "Van, selbst du brauchst irgendwann eine Pause", erklärte Allen geduldig. "Nach dem, was ich gesehen habe, hast du gut einem Dutzend dieser Burschen Todesangst beschert und den anderen war auch nicht mehr wohl, bei dem Gedanken, gegen dich anzutreten. Ich glaube, sie werden in den nächsten Jahren dreimal überlegen, bevor sie wieder vorschnell ein Schwert anfassen. Du wirst sie in ihren Träumen verfolgen." "Hoffen wir's." Nun kamen die beiden in den Thronsaal geschritten. Allen trug noch immer den Katzenmann auf der Schulter, was ihn zwar langsam zu ermüden schien, aber die Vorfreude auf Vans Gesicht hielt ihn offensichtlich aufrecht. Und Van... Hitomi ertappte sich dabei, beinahe zu ersticken. Sie bekam kaum mit, wie Merle Van mit der unschuldigsten Miene begrüßte und fragte, wie die Kämpfe gewesen waren. Sie konnte nicht anders, als den jungen König anzustarren, der gerade mit den Schultern zuckte und sich auf dem Thron niederließ. Natürlich hatte sie sich vorgestellt, wie Van wohl inzwischen aussehen würde, aber sie hätte niemals gedacht, dass er ihren Idealvorstellungen so sehr gerecht werden würde. Sein Körperbau war etwas kräftiger als früher, aber nicht übertrieben muskulös und zeichnete sich unter dem leichten roten Hemd und der braunen Hose ab, die fast so aussahen wie die Kleidung, die er bei ihrer ersten Begegnung getragen hatte. Seine Hände wurden von weißen Handschuhen verdeckt, die sie vor dem harten Schwertgriff schützen sollten. Als er sie auszog und achtlos zur Seite warf, kamen kräftige Finger zum Vorschein. Das schwarze Haar war etwas länger als früher, erreichte allerdings die Schultern noch nicht und wirkte noch immer so unbändig wie damals. Und das Gesicht... es wirkte, als wäre kein Tag vergangen, vom bläulichen Bartansatz auf der Oberlippe abgesehen. Derselbe missmutige Ausdruck, weil er unterbrochen worden war, derselbe schmale Mund, dieselben braunroten Augen, die so voller Sehnsucht gewesen waren, als sie beide sich getrennt hatten... Hitomi merkte, dass ihr heiß wurde und das nicht wegen dem Vorhang. "Und du bist dir sicher, dass Hitomi außer Gefahr ist?", fragte er Allen, der den Gefangenen inzwischen abgelegt hatte. Hitomi schluckte, als ihr Mund trocken wurde. Die vertraute, wenn auch etwas tiefere Stimme... sie sprach von ihr. "Ja, Van", antwortete Allen geduldig, während er sich die Stirn abwischte. "Sie war gesund, nachdem ich den Drachen getötet hatte." Merle riss die Augen auf und sah den Ritter ungläubig an. "Ein Drache?", fragte sie. "Hat er Hitomi angegriffen? Schon wieder?" Nachdem der Ritter genickt hatte, warf das Katzenmädchen dem Vorhang einen vorwurfsvollen Blick zu, der "Davon hast du mir nichts erzählt!" auszudrücken schien. Van bemerkte nichts davon. "Und wo ist sie jetzt?" Sein Blick war starr auf Allen gerichtet, der Merles Blick kurz gefolgt war und ein schwaches Lächeln zeigte. "Am sichersten Ort, den du dir vorstellen kannst, Van", sagte er hintergründig. "Mach dir keine Sorgen um sie." "Das ist es nicht", murmelte der König. "Aber ich hatte gehofft, dass du..." "Ja?" Hitomi spürte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg, als sie die Luft anhielt. "... dass du sie hierher bringen würdest", beendete Van den Satz und sank etwas zusammen. "Ach ja?" "Van", warf Merle ein, die spürte, dass Allen sich nicht mehr lange an der Wahrheit vorbeimogeln konnte. "Da ist jemand, der dich gerne sprechen möchte." "Er soll morgen kommen", entgegnete Van, der sich die Stirn rieb, mürrisch. "Ich bin nicht in Stimmung für eine Anhörung." "Es ist sehr dringend, Majestät", beharrte Merle und ihre Stimme schwankte, als sie sich das Lachen verbeißen musste. "Diese Person möchte Farnelia um Schutz bitten." Van stöhnte und sah Merle an. "Muss es jetzt sein?", fragte er genervt. Als seine Freundin eifrig nickte, seufzte er und setzte sich gerade hin. "Na schön, dann führ ihn herein." "SIE ist bereits hier, Majestät", sagte Merle und versuchte, ihre Stimme neutral klingen zu lassen. Es gelang ihr nicht. "Dreh dich mal nach rechts." Hitomis Herz raste, als Vans misstrauischer Blick den Vorhang traf, hinter dem sie sich versteckte. Im ersten Augenblick war sie wie gelähmt. Sie wollte hervortreten, wollte sich ihm zeigen, aber sie konnte es nicht. Dann, als sich seine Augen zusammenzogen, ballte sie die Fäuste und der Schmerz, als sich ihre Fingernägel in die Handflächen bohrten, brachte sie wieder zur Besinnung. Sie griff nach dem Vorhang und zog ihn mit einer langsamen Bewegung zur Seite. Obwohl ihr Herz ihr Kinn zu rammen drohte, lächelte sie. "Hallo, Van", flüsterte sie, weil sie fürchtete, ihre Stimme würde sich überschlagen. Das war es. So oft hatte sie von diesem Moment geträumt und jetzt zitterte sie vor Anspannung. Die Augen des jungen Mannes waren so weit aufgerissen, dass sie ihm aus dem Kopf zu fallen drohten und sein Mund stand ungläubig offen. Bis er diese beiden Worte hörte, hatte er sich offenbar geweigert, das Bild zu glauben, das er sah. Seine Hände umschlossen die Lehnen des Throns so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. "Hitomi?" Seine Stimme klang rau, aber das bemerkte er nicht einmal. Sein gesamtes Sein wurde momentan von der Gestalt beansprucht, die hinter dem Vorhang hervorgetreten war und ihn mit einem furchtsam-freudigen Ausdruck musterte. Obwohl er ernsthaft damit rechnete, den Verstand zu verlieren, konnte er seine Augen nicht von ihr losreißen. Hier stand er, der Grund so vieler schlafloser Nächte... und seine Fantasie gestand ihre Niederlage ein und hisste die weiße Flagge. Sie konnte sich nicht mit der Realität messen. Das braune Haar, noch immer kurz, aber zur Seite gekämmt, zum Schnitt des orangenfarbenen Kleides passend, welches ihre langen Beine verdeckte... die schlanken Arme, zur Hälfte davon verdeckt, die sich nervös vor ihrer enggeschnürten Taille kreuzten... der früher eher flache Oberkörper, der sie nun unverkennbar als erwachsene Frau auswies... und die großen, grasfarbenen Augen, welche die seinen noch immer nicht losgelassen hatten... die Augen... "Bist du...?" "Es war eine lange Zeit, Van", sagte sie leise und setzte sich zögernd in Bewegung. Er fühlte, wie sein Körper die Kontrolle seines momentan überlasteten Gehirns abstreifte und eigenständig aufstand, seine Augen nicht von Hitomi nehmend. Mit langsamen Schritten ging er ihr entgegen. Sie trafen in der Mitte des Wegs zusammen und einige Augenblicke lang konnten sie nichts anderes tun als sich hilflos ansehen. Jeden Moment mussten Blitze vom einen zum anderen überspringen, so angespannt war die Situation. Selbst Merle und Allen klebten förmlich mit den Augen an diesem Bild und wagten nicht, sich zu rühren. Schließlich war es nicht mehr auszuhalten. Van streckte vorsichtig seine Hand und sie tat es ihm gleich. Sie verschränkten sich, fühlten die schweißnasse Haut des anderen, genossen die Wärme, die davon ausging. Noch immer sahen sie sich an. Merle stöhnte. Das war ja nicht auszuhalten! Wenn sie noch länger so herumtrödelten, würden sie einen Herzinfarkt kriegen, bevor sie ein Wort gewechselt hatten! Dann berührte Van Hitomis Wange, erzwungen sanft. Sie fühlte an der verspannten Haltung, wie sehr er sich zusammenreißen musste, um sie nicht auf der Stelle an sich zu reißen, mit beiden Händen zu umschlingen und seine Lippen fest auf die ihren zu pressen... sie hielt die Spannung nicht mehr aus! "Van!" "Hitomi!" Er reagierte sofort, als sie sich ihm an den Hals warf, umfasste ihren Rücken mit beiden Händen, legte seine Wange auf ihre weichen Haare, schloss die Augen und genoss das bloße Gefühl ihrer Nähe. Sie presste ihren Kopf an seine Schulter, hielt ihre Arme so fest hinter seinem Rücken verschränkt, als wollte sie ihn nie wieder gehen lassen. Keiner von ihnen hörte Merles triumphierendes Schnurren und Allens Stoßseufzer, beide lauschten einzig und allein dem Rhythmus, in dem das Blut durch den Körper des anderen pulsierte. Beide spürten, dass ihnen die Arme des anderen weh taten, aber es war ihnen egal. Hitomi begrüßte ihn als Gelegenheit, um ungeniert Tränen zu vergießen. Jedoch spürte auch sie, wie sich kleine feuchte Flecken in ihrem Haar ausbreiteten. "Du bist wieder da." Vans Stimme klang gepresst. "Endlich... endlich..." "Van..." Hitomi brachte nur noch ein Schluchzen zustande. "Ich..." "Sag nichts." Van rieb seine Wange an ihrem Kopf und streichelte mit der linken Hand ihren Rücken. Sie genoss die Berührung, auch wenn sich ihre Haare aufstellten. Sein Körper roch intensiv nach Schweiß wegen der Kämpfe, aber sie dachte nicht daran, sich deswegen zu stören. In diesem Moment wünschte sie sich, die Zeit möge anhalten. "Ist das schön", hauchte Merle, die noch immer wie gebannt zusah. Sie sah dadurch fast wie früher aus - allerdings hätte sie früher vermutlich gefaucht und die beiden auseinander gerissen. Auch in ihren Augen standen große Tränen. "Wir sollten sie allein lassen, Merle", flüsterte ihr Allen zu, jedoch nahm auch er die Blicke nicht von den vereinten Liebenden. In ihm tobten widerstrebende Gefühle. Ein kleiner Teil von ihm schrie gequält auf, als er Hitomi in Vans Armen sah, aber der Rest fühlte das Glück, das sie ausstrahlten und freute sich darüber. "Komm." Merle drehte sich um und sah ihn vorwurfsvoll an, sagte aber nichts und nickte. Dann erst schien ihr die Gestalt aufzufallen, die Allen leise wieder hochhob und über seine Schulter legte. Diesmal lag das Gesicht des Katzenmannes vorn. Nachdem sie fünf Sekunden lang das Gesicht ihres Rassenmitglieds angestarrt hatte, runzelte Allen die Stirn. Er winkte mit der Hand vor ihrem Gesicht und das brachte sie wieder zur Besinnung. "Was ist?", fragte er amüsiert. "Gefällt er dir, Merle?" Es überraschte ihn wirklich, aber Merle, die so oft über die Beziehungen von anderen scherzte (sie brachte sogar ihn und Serena in Verlegenheit und sie waren Geschwister!), tatsächlich errötete. "Nein!", stieß sie schnell hervor und verriet alles. "Er wollte Hitomi umbringen! Ich wollte nur wissen... ob er sich im Kampf mit dir verletzt hat, das ist alles." "Ah, ja", meinte Allen diplomatisch, gestattete sich aber ein Grinsen. DAS zumindest war er dem Katzenmädchen schuldig und es dankte ihm, indem sie ihn wütend ansah. Bevor sie ihn jedoch anfauchen konnte, legte er den Finger seiner freien Hand vor den Mund und deutete auf Van und Hitomi, die von all dem nichts mitbekommen hatten. Merle schluckte ihren Ärger hinunter und deutete mit dem Kopf ruckartig Richtung Ausgang. Als die beiden nebeneinander hinausgingen, bemerkte Allen dennoch die kurzen, verstohlenen Blicke, die Merle in seine Richtung warf, wenn sie glaubte, er merke es nicht. Diesmal lächelte er aber nicht. Schließlich wusste er, was diesem Gefangenen bevorstand. Er hoffte, dass Merle den Katzenmann über Hitomis Anwesenheit schnell wieder vergaß, sonst würde sie ebenso unglücklich werden wie Van bisher. Vermutlich war es ohnehin nur eine kleine Schwärmerei, weil der Kerl der erste männliche Vertreter ihrer Rasse war, den sie sah. Und außerdem ein Killer, wie sie selbst gesagt hatte. Aber warum hatte er dann ein so schlechtes Gefühl? Von alldem merkten Van und Hitomi nichts. Als sich Minuten später wieder voneinander lösten, waren sie erstaunt, allein im Thronsaal zu sein, aber im Grunde war es egal. Den Rest des Nachmittags verbrachten sie damit, ihre Geschichten zu erzählen. Aber es verging keine Minute, in der sie sich nicht in die Augen sahen. Prinzessin Eries fühlte, dass dieses Gespräch unerfreulich werden würde. Aber es war nötig, sagte sie sich selbst, um sich Mut zu machen. Als daher jemand an ihre Tür klopfte, atmete sie tief ein und aus und sagte deutlich: "Herein." Wie sie erwartet hatte, war Millerna es, welche die Tür öffnete. Ihr Gesichtsausdruck war völlig undeutbar, aber sie schien nicht unbedingt begeistert zu sein, wieder mit ihrer Schwester zu reden. An der Hand führte sie Dryden, der offenbar geschlafen zu haben schien, denn er gähnte hinter vorgehaltener Hand. Nun, er hatte in den letzten Tagen viel gearbeitet. Eries gefiel es jedoch, dass Millerna so selbstverständlich Drydens Hand anfasste. In den ersten Monaten ihrer gemeinsamen Regentschaft hatte sie aus Trotz nicht einmal das zugelassen. "Danke, dass ihr gekommen seid", verkündete sie ohne Umschweife und deutete auf die zwei Stühle, die am anderen Ende des Tisches standen. "Bitte setzt euch." "Wieso hast du uns rufen lassen, Eries?", kam Millerna ohne Umschweife zur Sache. "Dryden wollte sich gerade ausruhen und ich musste meinen Ausritt wegen dir absagen! Du solltest uns wegen etwas Wichtigem gerufen haben!" "Das habe ich", bestätigte Eries ruhig und ließ die sprühenden Blicke ihrer Schwester an sich abgleiten. Sie fragte sich manchmal, warum Millerna immer so... impulsiv war. Schließlich hatte sie die gleiche Ausbildung durchlaufen wie Marlene und Eries selbst. Vielleicht trug sie es ihr nur noch immer nach, dass sie ihr Arztstudium hatte abbrechen müssen. "Wenn Dryden wirklich so müde ist, solltet ihr euch endlich setzen." "Also, was gibt's?", fragte Dryden und wischte sich die Müdigkeit aus den Augen. Ganz gelang es ihm nicht. Herrschen war ein Full-time-job, im Gegensatz zum Handel, bei dem man immerhin hie und da Pausen machen konnte. Zumindest kam es ihm so vor. "Hat es vielleicht jemand auf unser Leben abgesehen?", wollte Millerna schnippisch wissen. "So ist es", stimmte Eries völlig gelassen zu. "Deshalb möchte ich euch beiden vorschlagen, für einige Zeit aus Pallas zu verschwinden, bis die Hintermänner dieser Verschwörung enttarnt sind." "Willst du mich auf den Arm nehmen, Eries?", brauste Millerna auf. "Hier im Palast sind wir sicher vor Attentaten! Außerdem ist es gerade jetzt wichtig, in der Stadt zu bleiben, um die Kontrolle über die Menschen zu behalten!" "Millerna hat Recht, Eries", mischte sich nun auch Dryden ein. Er sah zwar gefasster aus als seine Mitregentin, aber er schien auch nicht erfreut über Eries' Vorschlag zu sein. "Einige Asturier sind nicht gerade glücklich darüber, dass wir die Armee dieses Kayd abgewiesen haben. Wenn wir jetzt gehen, sähe das für sie wie Flucht aus... und dann könnten sie vielleicht eine Revolte anzetteln." "Dessen bin ich mir bewusst", entgegnete Eries. Sie hatte fast geahnt, dass die beiden so reagieren würden. Sie seufzte innerlich. Warum konnte im Leben eigentlich nichts einfach sein. "Und deshalb werde ich auch hier bleiben und die Dinge überwachen. Aber ihr müsst aus Pallas... eigentlich aus Asturia weg, sonst kann niemand für euer Leben garantieren." "Monarchen sind immer in Gefahr", warf Millerna abfällig ein. "Warum sollte das jetzt schlimmer sein? Einige Leute waren auch nicht begeistert davon, dass wir nicht geheiratet haben, aber sie trachten uns nicht nach dem Leben." "Diese Leute sind aber auch keine Händler, die Waffen an unsere Armee liefern", versetzte Eries scharf. Allmählich verlor selbst sie die Geduld. Millernas beharrliche Weigerung war schon kindisch! "Und keine Fürsten, die durch den Frieden die Möglichkeit verloren haben, die Zaibachdörfer an ihrer Grenze zu überfallen! Ich sauge mir das nicht aus den Fingern, Millerna, sondern weil ich wirklich Angst um euch habe!" "Händler? Fürsten?" Dryden horchte auf. "Das hört sich sehr nach einer Gruppe an, die ich momentan im Auge habe. Sie haben ein Kartell gegründet, oder?" Eries war etwas überrascht, aber sie nickte. "Ja, aber das ist nur Tarnung. Ich habe einen Spion unter ihren Helfershelfern und sie haben vor, dich und Millerna abzusetzen - oder Schlimmeres - um den Krieg mit Zaibach wieder aufnehmen zu können." "Hast du Beweise dafür, dass wir umgebracht werden sollen, Eries?", wollte Millerna immer noch misstrauisch wissen. Aber offenbar schien sie ihr nun doch etwas Glauben zu schenken. "Dieser Spion, von dem ich euch erzählte, hat eine Sitzung dieses Kartells belauscht", erklärte Eries. "Dabei hat er von einem Plan erfahren, mit dem diese Verräter Pallas übernehmen wollen. Sie haben zwei Morphe angeheuert, die euch töten und euren Platz einnehmen und Zaibach den Krieg erklären sollen." "Morphe?" Dryden riss die Augen auf. "Die sind doch unglaublich teuer! Und hat dein Spion diese Morphe auch gesehen?" "Ja", bestätigte Eries. "Zwei der Diener im Raum verwandelten sich plötzlich, als einer der Kaufleute ein Zeichen gab. Es waren Morphe. Und sie können jederzeit in Gestalt eines unserer Bediensteten in den Palast eindringen." "Ist dieser Spion auch vertrauenswert?" Langsam wurde Millernas Misstrauen fast krankhaft. Eries warf wütend die Arme hoch. "Beim Drachenvolk, ja!", rief sie aus. "Was muss ich eigentlich noch tun, damit du mir vertraust, Millerna? Ich verbürge mich mit meinem Leben dafür, dass das eure in Gefahr ist, wenn ihr nicht schnellstens abreist!" "Wenn diese Verräter Morphe haben, sind sie tatsächlich gefährlich, Millerna", überlegte nun auch Dryden. Er rieb sich sein wie immer schlechtrasiertes Kinn. "Bevor diese beiden nicht unschädlich gemacht sind, hat Eries Recht. Wir müssen abreisen." "Dryden!", rief Millerna wütend. Sie funkelte ihn an. "Du auch noch? Wenn wir jetzt aus Pallas verschwinden, wird es aussehen wie eine Flucht! Wir müssen hier bleiben, damit das Volk weiß, dass wir keine Angst haben! Nur dann wird es uns unterstützen!" "Was nützt uns die Unterstützung des Volkes, wenn wir tot sind?", entgegnete er ungewöhnlich heftig. Millerna zuckte zurück. Normalerweise war Dryden in ihrer Gegenwart ausgesucht höflich und zurückhaltend, seit er ihr gestanden hatte, dass er sie liebte. Jetzt allerdings wirkte er fast wie der aufbrausende Van. "Gegen Morphe können wir nichts ausrichten, Millerna! Sie können jederzeit zuschlagen und sind praktisch nicht aufzuspüren! Und ich will nicht, dass du... dass wir sterben nur wegen eines Throns!" Millerna war der Versprecher im letzten Satz natürlich aufgefallen, denn sie sah Dryden sehr nachdenklich an. Aber sie sagte nichts mehr. Der ehemalige Händler verfluchte sich. Natürlich wollte er, dass sich Millerna in ihn verliebte... aber mit solch tölpelhaften Versprechern sah er aus wie ein liebeskranker Idiot! "Hast du auch schon ein Ziel ausgewählt, in das wir reisen sollen?", fragte er Eries, um das peinliche Schweigen zu überbrücken. "Ja", antwortete diese. "Selbstverständlich. Ich glaube, ihr solltet sofort einen Staatsbesuch bei König Van in Farnelia machen." "Wieso gerade Van?", fragte Millerna verwundert. "Wäre Chid nicht viel naheliegender? Schließlich wäre die Reise kürzer und er ist außerdem ein naher Verwandter." "Aber in Farnelia ist gerade jemand angekommen, der euren Besuch rechtfertigt", wandte Eries ein und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Ich vermute sogar, dass es beleidigend wäre, wenn ihr nicht auf der Stelle aufbrecht." "Von wem zum Teufel sprichst du?", wollte Millerna wissen und sie funkelte ihre Schwester an. "Raus mit der Sprache! Geheimnisse krämen kannst du später!" "Gestern kam eine Brieftaube von Herzog Chid persönlich hier an", teilte Eries den beiden mit. Sie genoss die angespannten Gesichter. "Darin unterrichtet er König Van, dass in Kürze Hitomi Kanzaki in Farnelia eintreffen wird." "Hitomi?", riefen Millerna und Dryden simultan. "Was macht sie denn hier?" "Das weiß ich nicht", teilte Eries bedauernd mit. "Aber es ist die perfekte Gelegenheit abzureisen, ohne das Vertrauen im Volk zu verlieren. Und während ihr die beiden besucht, kann ich aus Freid einen Mönch kommen lassen, der die Morphe aufspürt." "Das klingt gut", stimmte Dryden zu. "Also gut, ich bin einverstanden." "Hitomi", murmelte Millerna. "Endlich ist sie wieder da." Dann erst bemerkte sie, dass Eries und Dryden sie erwartungsvoll ansahen. "Natürlich reisen wir! Das hättest du uns ruhig gleich sagen können, Eries!" "Aber dann wäre die Diskussion nicht so spannend geworden", entgegnete die ältere Frau lächelnd. "Lass mir doch meinen Spaß." "Komm jetzt, Millerna", beeilte sich Dryden zu sagen, als er sah, dass sich das Gesicht der jungen Frau schon wieder verfinsterte. "Wir sollten sehr bald abreisen, damit Eries mit ihren Vorbereitungen beginnen kann. Gehen wir." "Gute Reise, ihr beiden", rief Eries ihnen hinterher, als die beiden zur Tür gingen. Bevor Millerna sie allerdings schloss, drehte sie sich noch einmal um und widerstrebende Gefühle kämpften auf ihrem Gesicht. Schließlich rang sie sich dazu durch. "Sei vorsichtig, Eries", sagte sie. "Geh keine unnötigen Risiken ein." Die Prinzessin sah überrascht hoch, aber Millerna war bereits durch die Tür geschlüpft und hatte sie lautstark geschlossen. Dann lächelte sie und wandte sich wieder ihren Papieren zu. Manchmal überraschte ihre kleine Schwester sie noch immer. "Ausgezeichnet, Van", beglückwünschte Allen den König von Farnelia. "Mein Kompliment an deinen Koch." Er schob seinen Teller zur Seite und grinste, als er bemerkt hatte, dass Van nur halb auf seine Worte geachtet hatte. Sein Blick ruhte noch immer auf - nun, das war wohl offensichtlich. "Ja, ich bin ganz zufrieden mit ihm", stimmte der junge Monarch abwesend zu. Er hatte Hitomi noch einmal im Palast herumgeführt, diesmal aber in aller Ruhe und war schließlich mit ihr zusammen beim Abendessen erschienen. Viel gegessen hatten beide nicht. Merle, die neben den beiden Turteltäubchen saß, übrigens auch nicht. Allen betrachtete das junge Katzenmädchen sorgenvoll. Merle sah zwar immer wieder zu Van und Hitomi hinüber und grinste über deren Abwesenheit. Auch hatte sie während des Essens hie und da mit den beiden oder Allen selbst geplaudert. Dennoch war kein einziges ihrer scherzhaften Kommentare gefallen, die bei einem solchen Ereignis eigentlich unvermeidbar sein sollten. Und auch beim Essen hatte sie einige Male einen entrückten Blick gehabt, so wie Van, wenn er manchmal auf dem Dach des Palastes gelegen war. Es bestand nun leider kein Zweifel mehr: Merle hatte sich verliebt. Allen fluchte innerlich. Es konnte nicht gut gehen. Der Katzenmann hätte Hitomi kaltblütig ermordet, wenn er nicht eingeschritten wäre. Er stand auf Seiten von jemand, der zu ihren Feinden zählte. Und selbst wenn er alles gestand, durfte er bestenfalls damit rechnen, mehrere Jahre, wenn nicht sein ganzes Leben im Gefängnis zu verbringen. Aber er hatte ja selbst schon viele Male erfahren müssen, dass die Liebe sich nicht um Logik oder gar Vernunft scherte. Er musste mit Merle reden. Aber sollte er ihr nicht zumindest noch eine Nacht Zeit lassen, um sich über ihre Gefühle klar zu werden? Manchmal merkten die Leute es selbst als letzter, wenn sie verliebt waren. "Van, hast du Hitomi eigentlich schon den "Grünen Drachen" gezeigt?", fragte er. "Den Grünen Drachen?", fragte Hitomi verwirrt. "Was ist das denn?" "So nennen die Leute aus Farnelia Escaflowne", erklärte Merle, während sie einen weiteren Bissen nahm. Offenbar merkte ihr Körper, dass ihm die gewohnte Nahrungsmenge vorenthalten wurde, auch wenn ihr Kopf es als unwichtig schimpfte. "Er ist in den letzten Jahren nämlich fast völlig von Pflanzen überwuchert worden. Die Leute denken, dass er so viel schöner aussieht als vorher." Sie kicherte mit einem Seitenblick auf Van und Hitomi. "Außerdem ist der Platz dort oben oft besucht. Nachts scheint der Mond dort nämlich sehr hell. Anscheinend treffen dort immer wieder völlig zufällig zur gleichen Zeit Jungen und Mädchen zusammen, um die Sterne zu bewundern." Hitomi sah Van erwartungsvoll an. "Van, ich habe plötzlich Heimweh nach der Erde", teilte sie dem Jungen mit. "Ich muss sie unbedingt ansehen, sonst kann ich heute bestimmt nicht schlafen." "Ist das heute denn nötig?", schnurrte Merle leise und Allen grinste, als Hitomi etwas errötete. Vielleicht hatte er sich in Merle doch getäuscht. Van allerdings blieb ruhig. "Ich erinnere mich da an ein Mädchen, dass sehr oft aufs Dach kam, um sich die Sterne anzusehen", teilte er dem Katzenmädchen mit. "Und zwar genau dann, wenn ich auch draußen war. Nur dann, um genau zu sein. Ist das nicht seltsam?" Allen verbarg ein kurzes Lachen hinter der Hand, als Merle kurz fauchte. Ihre braune Haut schien etwas dunkler zu werden. Irgendwie war dieses Mädchen nie ganz erwachsen geworden. Aber vielleicht war das gar nichts Schlechtes. "Nun, ich kann es nicht verantworten, wenn du deine erste Nacht im neuen Farnelia nicht in guter Erinnerung behältst", wandte sich Van an Hitomi, hob ihre Hand an seine Lippen und küsste sie. "Wir werden heute noch den Grünen Drachen besuchen." "Warum geht ihr nicht gleich?", schlug Allen vor. "Es wird ohnehin ziemlich spät werden, bis ihr wieder hier seid." "Gute Idee", stimmte Hitomi unternehmungslustig zu. "Los, Van, komm." Die beiden verließen Hand in Hand den Raum. Merle sah ihnen nach, während Allen sie beobachtete. Vielleicht sollte er trotzdem einige Dinge andeuten, nur für alle Fälle. Vielleicht mussten sie ein wirklich ernstes Gespräch dann gar nicht halten. Als Merle sich wieder dem inzwischen kalten Essen zuwandte, entdeckte sie sein Starren. "Was ist?", fragte sie misstrauisch. "Du hast heute ziemlich wenig gegessen, Merle", bemerkte er ernst. "Ich mache mir ein bisschen Sorgen um dich." "Ich habe nur Van und Hitomi beobachtet", behauptete sie scharf und schob einen Bissen in den Mund. "Ist das verboten?" "Dann hätten die beiden aber außerhalb des Fensters in der Luft sitzen müssen", stellte Allen trocken fest. "Dorthin hast du nämlich oft gesehen." "Na und?", fauchte das Mädchen feindselig. "Was willst du damit sagen?" "Nur, dass du dir über deine Gefühle klar werden solltest, Merle", teilte er ihr mit. Er schloss die Augen und stand auf. "Bitte denk daran, auf was du dich einlassen würdest." "Von wem redest du?" Nun klang auch Schmerz in ihrer Stimme mit. Sie wusste, dass er kaum Chancen hatte, jemals wieder die Sonne zu sehen. O je. "Das weißt du genau", sagte er und wandte sich zur Tür. "Bitte überlege dir genau, ob du deinen Gefühlen nachgeben solltest. Manchmal entstehen dadurch mehr Probleme, als du ahnst. Glaub mir, ich weiß Bescheid." Damit verließ er den Raum. Merle starrte auf ihr Essen. Plötzlich war ihr der ganze Hunger vergangen. "Van", fragte Hitomi schüchtern, als sie vor die Tore des Palastes traten. Als der König von Farnelia sie erwartungsvoll ansah, redete sie weiter: "Ich möchte Farnelia gerne einmal bei Nacht sehen. Meinst du, es wäre möglich, dass wir... zu Escaflowne fliegen?" Einen Moment lang legte sich ein Schatten über sein Gesicht. Natürlich wusste sie, dass er seine Flügel nicht gern zeigte. Seine Mutter hatte ihn gebeten, sie vor den Menschen zu verbergen. Aber dann wischte er die Zweifel beiseite, als er ihrem Blick begegnete. "Na schön", beschied er und legte auch seine zweite Hand auf die ihre. "Das soll mein Willkommensgeschenk an dich sein. Aber ich hoffe, das ist nicht nur ein Trick von dir, um mich nackt zu sehen. Dadurch könnten Gerüchte in der Stadt entstehen." Er lächelte, als Hitomi errötete und ihn knuffte. "Van!", rief sie empört. Nun lachte er und knöpfte sein Hemd auf. Als er es abnahm, drehte sich Hitomi rasch weg. Es war ja nicht so, dass sein Körper es nicht wert wäre, um ihn anzusehen. Auch nicht, dass sie ihn nicht sehen wollte, aber... nun ja... Plötzlich fühlte sie sich von hinten umarmt. "Wenn du nicht hinunterfallen willst, musst du dich schon umdrehen und dich festhalten", flüsterte ihr Van ins Ohr. "Oder ist dir das peinlich?" Das regte allerdings ihren Zorn an. Sie reckte das Kinn hoch und drehte sich bewusst langsam um. Sie sah Van fest in die Augen und schloss ihre Arme um seinen Hals. "Von wegen! Wir können los." Van nickte, spannte kurz seine Muskeln an und fuhr seine Flügel aus. Es war beeindruckend, selbst wenn Hitomi es nicht zum ersten Mal sah. Diesmal wirkte es allerdings noch besser als all die anderen Male, was zum einen daran lag, dass es Nacht war und die weißen Federn im Licht der zwei Monde besonders hell schienen. Und zum anderen, dass sie nun viel näher an ihnen war als die anderen Male zuvor. Sie zog sich enger an Van heran, als er mit einem kräftigen Schwung einige Zentimeter in die Höhe stieg und er festigte seinen Griff um ihren Rücken. Sie fühlte, wie ihr Herz lauter zu pochen begann. "Keine Angst", flüsterte er. "Ich lasse dich schon nicht fallen." "Ich weiß", entgegnete sie und entspannte sich, während Van höher und höher stieg, bis Farnelia nur noch als Lichtermeer unter ihnen sichtbar war. Sie drehte den Kopf, um die Silhouetten der Häuser genauer sehen zu können und war erfreut, dass es anders aussah als die kalten Lichter einer Großstadt wie Tokio. Diese Lichter wirkten lebendiger, auch wenn die Straßen verlassen waren. Sie ließ den Blick nicht von der Stadt, während sich Van mit ihr immer schneller von ihr entfernte. "Gefällt es dir?", fragte Van. Man merkte an seiner etwas angestrengten Stimme, dass ihn Hitomis Gewicht nicht unberührt ließ, aber er versuchte, es nicht durchklingen zu lassen. "Es sieht aus wie das Farnelia, das ich kennen gelernt habe", antwortete Hitomi. "Aber da hatte ich nie Gelegenheit, es bei Nacht zu bewundern. Es ist eine sehr schöne Stadt, Van. Aber kann es sein, dass die Stadtmauern dicker sind als früher?" "Ja", antwortete er. "Ich will nicht noch einmal so überrascht werden wie damals." Hitomi schauderte, als sie an den Angriff der unsichtbaren Zaibacher Guymelefs zurückdachte. Die Verteidiger der Stadt hatten keine Chance gehabt und waren gnadenlos niedergemacht worden. In den ersten Nächten danach hatte sie Alpträume deswegen gehabt. "Die Guymelefs waren unsichtbar, Van", entgegnete sie behutsam. "Ihr konntet nichts dagegen tun, um es zu verhindern." "Ich weiß", entgegnete er. "Aber es schmerzt trotzdem." Sie sah ihn überrascht an. Ein solches Eingeständnis hatte sie nicht von ihm erwartet, eher einen kleinen Ausbruch von Wut, so wie früher. Van schien wirklich weiser geworden zu sein. Sie fühlte, dass tief in ihm noch der Zorn brodelte, aber er ließ nicht mehr zu, dass er sein Urteilsvermögen beeinträchtigte. Er war erwachsen geworden. Hitomi legte ihre Wange an die seine. "Kein Wutausbruch, Van?", fragte sie amüsiert. "Nicht mal ein ganz kleiner? Ich frage mich, ob ich nicht in den falschen Armen liege. Bist du wirklich sicher, ob du Van Farnel bist?" Er schnaubte leise. "Du hast Recht", erwiderte er. "Ich bin nicht der Van Farnel, der damals aus Farnelia floh, als die Zaibacher angriffen. Ich habe nur seinen Platz eingenommen, als es galt, ein Königreich neu aufzubauen und hatte eigentlich gehofft, du merkst den Unterschied nicht." "Nun, würdest du mich dann beim Grünen Drachen absetzen, damit ich auf den richtigen Van warten kann?", fragte sie zuckersüß. "Wir sind dort verabredet, weißt du?" "Ach, tatsächlich?", fragte er ironisch. "Darf ich mit dir warten? Wir sind übrigens fast da. Ich muss ihm unbedingt sagen, dass man einem impulsiven Kind wie ihm niemals ein Königreich anvertrauen sollte!" "Ach, so schlecht war er gar nicht", neckte Hitomi, während sie Ausschau hielt, Tatsächlich, dort kam eine Lichtung im Wald in Sicht, auf der ein sehr großes Objekt an einigen Stellen das Mondlicht metallisch widerspiegelte. "Wenn man davon absah, dass er keine Manieren hatte, wenn es um hilflose Frauen ging, die er gegen ihren Willen in fremde Welten entführt hatte." "Sehr witzig", brummte Van. "Achtung, ich lande jetzt." Sie setzten sanft auf und Van nahm den einen Arm von ihrem Rücken, damit sie sich umdrehen und Escaflowne, den Drachenguymelef und Schutzgott von Farnelia bewundern konnte. Den anderen Arm ließ er allerdings an ihrem Rücken und auch sie tat dasselbe. Der Drache war noch immer sehr beeindruckend, auch wenn das rosa Licht des dritten Energisten, in dem das Herz des Erddrachen ruhte, nun erloschen war. Es barg die Kraft eines Drachen vereint mit dem Blut Vans und der Junge hatte dadurch die damals noch in die Schule gehende Hitomi kennen gelernt, als er buchstäblich aus dem Nichts erschienen war und sie damit um einen Kuss von Amano brachte. Hitomi lehnte ihren Kopf an Vans Schulter. Nun war sie froh, dass es so gekommen war. "Er sieht tatsächlich wie ein toter Drache aus, der von der Natur zurückgeholt wurde", bestätigte sie, während sie die unzähligen Pflanzenarten betrachtet, welchen den Guymelef aus Ispano in fünf Jahren überwuchert hatten. Vermutlich hatten einige Gärtner aus Farnelia auch Anteil daran, aber Van hatte offensichtlich nichts dagegen, dass die stärkste Waffe seines Landes nun der Treffpunkt für Pärchen war. "Aber er ist ständig bereit, das Land aufs Neue zu verteidigen", entgegnete Van und wie aufs Stichwort erstrahlte der erloschene Energist auf der Brust des Guymelefs. Er war der einzige Teil auf der Brust des Kampfroboters, auf dem keine einzige Pflanze Fuß gefasst hatte. "Aber wolltest du nicht eigentlich den Mond der Illusionen bewundern? Der ist da oben." Hitomi drehte den Kopf, als Van mit der freien Hand zum Himmel deutete. Neben dem Mond, der auch von der Erde sichtbar war, lag noch eine weitere leuchtende Kugel, die Erde, ihre Heimat. Aber nun war sie wieder hier auf Gaia. Und im Gegensatz zu ihrem ersten Besuch verspürte sie kaum Heimweh. Eine Weile lang standen sie einfach da und blickten in wortloser Eintracht zu den Gestirnen auf. Dann regte sich Van wieder. "Hitomi?" Sie konnte es nicht beschwören, aber klang er nicht unsicher. "Darf ich dich etwas fragen?" "Natürlich, Van." Er zögerte etwas. So kannte sie den selbstsicheren Van gar nicht. "Wärst... wärst du auch dann wieder nach Gaia zurückgekehrt, wenn du nicht in Gefahr gewesen wärst?" Hitomi biss sich auf die Lippe. Diese Frage hatte sie sich selbst schon gestellt, auf dem Weg von Freid hierher. "Ich weiß es nicht, Van", gestand sie leise und legte ihre Hand auf die seine. "Ich weiß es nicht. Aber... ich bin deswegen nicht unglücklich." Wieder sagte er eine Weile lang nichts, aber er stellte sich wortlos hinter sie und legte seine Arme um sie. Sanft zog er Hitomi an sich heran. Ihm musste etwas kalt sein, denn seine Flügel, schneeweiß leuchtend wie die beiden Monde, zitterten in Abendwind. Aber er zeigte nichts davon. Hitomi schloss die Augen und lehnte sich an ihn. Wenn Mutter mich jetzt so sehen konnte, dachte sie belustigt. In den Armen eines Engels. Sie würde vermutlich in Ohnmacht fallen. "Dann muss ich diesem Drachen und seinem Herrn also dankbar sein", verkündete Van schließlich. "Auch wenn sie meine Feinde sind, haben sie mir etwas zurückgegeben, was fünf Jahre Frieden nicht vermochten." Sanft drehte er Hitomi zu sich herum und sag sie mit einem verklärten Lächeln an. Hitomi konnte sich nicht aus dem Blick des jungen Gottes, den er momentan darzustellen schien, nicht entziehen - nicht, dass sie es überhaupt wollte. So lange habe ich gewartet, schien das Funkeln in seinen auszudrücken. Und ich bin mir noch immer genauso sicher wie damals. "Ich liebe dich, Hitomi", flüsterte der König von Farnelia, als fürchtete er, ein lautes Wort würde sie verschrecken. "Van..." Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch. "Ich liebe dich auch. Ich..." An diesem Punkt wurde sie unterbrochen, weil Van sanft ihr Kinn anhob. Seine Stimme klang nun viel sicherer und das Glänzen seiner Augen stand dem der Monde in nichts nach. "Schhhhh", machte er. "Kein Wort mehr." Dann küsste er sie. Kein zarter, schüchterner Kuss, wie sie beinahe erwartet hatte, sondern mit aller Sicherheit, dass er nun tat, was er schon seit Jahren wollte. Seine ausgebreiteten Flügel schlangen sich um sie beide, hüllten sie ein und zogen sie noch näher an ihn. Anfangs war Hitomi etwas verschreckt durch seine Zielstrebigkeit, aber schließlich war sie es, deren Zunge als erste durch seine Lippen brach, seine Zähne streifte, ihr Gegenstück fand, sich an ihr rieb - Die weite, verbrannte Ebene. Die schwarzverfärbten Häuser. Der Gestank verkohltem Fleisches und geschmolzener Erde. Das schwache Glitzern der beiden Monde am Himmel. Hitomi erschrak bis ins Mark, als hinter Van plötzlich eine zweite Gestalt stand, die ihn von hinten umarmte. Van ließ es willig geschehen, dass seine Flügel an denen der Frau seines Volkes streiften. Sein Blick, den er Hitomi zuwarf, war ausdruckslos. Keine Liebe. Keine Gefühle angesichts des Mädchens vom Mond der Illusionen. Nur Teilnahmslosigkeit. Kalte Leere in seinen Augen. "Nein!", schrie sie. "Das ist nicht wirklich!" Sie hielt sich den Kopf. "Aber bald wird es wirklich sein, Seherin!" Die Stimme der Frau vom Drachenvolk klang hämisch und triumphierend. Ihre Arme zogen Van an sich heran, während ihr Kopf an seiner Schulter lag. "Bald wird Van zu mir kommen, wie es sein sollte und du kannst nichts dagegen tun! Du wirst mit deiner verfluchten Rasse untergehen!" Hitomi hörte das Grollen des Drachen hinter sich, aber sie war von diesem Anblick vor ihr viel zu gefangen, um sich danach umzusehen. Sie achtete auch nicht auf das Geräusch, als der Drache Luft für seinen Angriff einsog, weil sie entsetzt beobachten musste, wie die Unbekannte ihren Van, ihren Liebsten auf die Wange küsste - und er es böse grinsend zuließ. Sie konnte die Augen gerade noch unter den Händen verbergen, als das tödliche Feuer sie von hinten traf. "Hitomi!" Vans überbesorgte Stimme und sein beharrliches Schütteln sorgte dafür, dass sie schließlich die Augen wieder aufschlug. Verwirrt blickte sie ihn einige Sekunden lang an. "Hitomi! Was ist mit dir?" Van war der Panik nahe. "Du bist plötzlich steif geworden und zu Boden gefallen." "Mit mir ist... alles in Ordnung, Van", behauptete sie und setzte sich auf. Sie konnte ihm nicht erzählen, was sie gerade gesehen hatte. Nicht, bevor sie wusste, wer diese Frau war. "Du hattest wieder eine Vision?", vermutete er und half ihr beim Aufstehen. "Ja", gab sie zu und sah weg. "Bitte, Van... frag mich jetzt nicht. Flieg uns bitte wieder zurück in den Palast." Einen Moment lang sah es so aus, als wollte der Herrscher von Farnelia widersprechen, aber dann nickte er und nahm sie wortlos in die Arme. Während des Heimflugs sprachen sie kein Wort mehr, aber Vans bloße Gegenwart tröstete Hitomi etwas. Wer auch immer diese Draconierin war... sie würde dafür bezahlen, dass sie Vans und ihren ersten Kuss gestört hatte! In der nächsten Folge... Van, Merle, Hitomi und Allen führen das erste Verhör mit dem Katzenmann... er beschimpft Merle als Verräterin an ihrem Volk... die Botschafter melden ihrer Herrin ihre Erfolge... Van ringt sich dazu durch, mit Hitomi zu sprechen... er belauscht ein Gespräch zwischen ihr und Allen und hält sie daraufhin für schwanger... voller Zorn fliegt er davon... Titel: Fatales Missverständnis Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)