Der Drachenkrieg von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 18: Zeit der Schmerzen ------------------------------ An den Webmaster: Ich möchte diese Fanfic unter dem Pseudonym "El Jugador" veröffentlichen. Danke. Nuuuun... haben wir also wieder eins geschafft. Bin gespannt, was nach DIESEM Kapitel in den Reviews stehen wird. Nun, genießt es und sagt mir, wie's euch gefallen hat. Escaflowne und alles was dazugehört ist nicht mein. Der Drachenkrieg Folge 18 - Zeit der Schmerzen Ist es nur ein Traum oder ist es Wirklichkeit? Wir haben es tatsächlich geschafft! Wir haben einen neuen Krieg mit Zaibach verhindert! Allerdings nur sehr knapp. Ich konnte mit Escaflowne kraft meines Wunsches erst im letzten Augenblick verhindern, dass Van zu Tode stürzte, während Allen mit Serena, Merle und Llorin oftmals nur durch Glück Kämpfe vermeiden konnte. Dann jedoch schalteten sich Millerna und Dryden ein und boten den Zaibachern den Frieden an - den sie annahmen! Einige Tage später waren wir alle dann bei Herzog Chid zu Gast, der keine Ahnung von den Geschehnissen hatte, weil wir alle viel mit unseren Liebsten zu bereden hatten. Für mich allerdings verlief dieses Gespräch mit Van nicht gut - ich habe mich entschlossen, Gaia abermals zu verlassen... Zum Glück merkte kaum jemand, dass die Stimmung am Tisch nicht die beste war. Die meisten Gäste waren entweder wie Vicozar, Chids Berater, und Bejim, sein Lehrer, glücklich darüber, dass Freid endlich wieder frei war oder wie Millerna, Dryden, Allen, Serena und Merle in Gedanken bei anderen Leuten. Aber Chid, der Herzog von Freid, wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Die anderen schoben die Blässe von Lady Hitomi und die kurzen, flehenden Blicke von König Van vermutlich auf Übermüdung, doch er wusste es besser. Die beiden konnten nicht völlig vertuschen, dass ihre Herzen zersprungen waren. Gern hätte er sofort mit ihnen gesprochen, aber er wollte die ansonsten ausgelassene Stimmung nicht vermiesen. Die anderen würden schon noch früh genug merken, dass etwas nicht in Ordnung war. Warum sie jetzt schon damit belasten? Also blieb er höflich und fragte mal hier und da nach einigen Details des Krieges und erzählte seinerseits, was in Freid passiert war. Nur dass es ihn bei weitem nicht mehr so brennend interessierte wie gestern. Sorgenvoll registrierte er, dass Hitomi bisher ihr Essen eigentlich nur auf dem Teller herumgeschoben hatte, während Van zwar aß, damit aber nur seinen Zustand verschleiern wollte. Chid wettete, dass die beiden jetzt am liebsten ganz woanders gewesen wären... aber wie hätte er erklären sollen, warum sie nichts essen wollten? "Wie geht es Eurem Freund, Lady Merle?", erkundigte er sich mechanisch, als eine Pause zwischen zwei Gesprächen erschien. "Wie war noch sein Name?" Die Katzendame schreckte aus ihren Gedanken hoch. "Wie? Uh... Llorin." Sie senkte den Kopf, um ihr Erröten zu verbergen. "Es geht ihm gut... den Umständen entsprechend. Er hat schon darum gebeten, aufstehen und trainieren zu dürfen. Er glaubt, er muss jetzt auf der Stelle lernen, mit einem Arm zu kämpfen." "Diese Sturheit erinnert mich an jemanden", bemerkte Allen in das allgemeine Gekicher hinein. "Stimmt's, Van?" Der Angesprochene lächelte pflichtschuldigst, aber in Chids Augen wirkte es wie eine erschreckende Grimasse. Wie konnte der sonst so scharfsinnige Ritter des Himmels das nur übersehen? Nun, vermutlich dachte er, dass das die Folgen der Schmerzen des Königs von Farnelia waren. "Tja, manchmal bin ich vielleicht etwas impulsiv", antwortete Van, aber der scherzhafte Ton wollte ihm nicht recht gelingen. "Nicht wahr, Merle?" Er sah das Katzenmädchen tieftraurig an. "Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich dich aus Farnelia rausgeschmissen habe... wegen Verrats!" Zögernd streckte er die Hand aus und berührte Merle an der Wange, immer noch mit vor Qualen lodernden Augen. "Ich könnte es verstehen, wenn du mit... Llorin wegziehen möchtest." "Rede keinen Unsinn, Van", fiel Hitomi nun leise ein. Sie sah den König allerdings nicht dabei an. Vermutlich, weil dann wirklich alle bemerkt hätten, wie es um sie stand. "Merle weiß, was du damals durchlitten hast. Sie trägt es dir nicht nach. Oder, Merle?" Einen Moment lang maß Lady Merle die beiden mit einem sehr nachdenklichen Blick. Chid glaubte schon, sie hätte herausgefunden, dass etwas nicht stimmte, als sie antwortete: "Natürlich nicht!" Sie schnaubte. "Wofür hältst du mich, Van? Eine gute Hauskatze muss auch den einen oder anderen Tritt einstecken können." Plötzlich hängte sie sich bei Vans Arm ein und blickte ihn mit ihrem treuherzigsten Blick an. "Nicht wahr, Majestät?" Das zauberte sogar auf die steinernen Gesichter von Van und Hitomi ein leises Lächeln, während alle anderen in schallendes Gelächter ausbrachen. So konnte Chid nichts verstehen, als Farnelias König Merle "Ich danke dir... kleine Schwester" zuflüsterte. Ihren überraschten Blick bemerkte er hingegen sehr wohl. "Na wunderbar", bemerkte Millerna strahlend. "Dann hätten wir ja ein Problem gelöst." "Problem?" Allen runzelte die Stirn. "Welches Problem, Prinzessin?" "Na, das Problem mit Hitomis Brautjungfern", erklärte Dryden breit grinsend. "Ich und Millerna haben uns nämlich schon Gedanken darüber gemacht, wen wir dazu einspannen könnten, wenn Merle nicht mehr nach Farnelia will." "Ich würde ja gerne die zweite sein", gestand Millerna, "aber ich fürchte, als Königin verstößt das gegen die Etikette... zumindest die von Asturia. Aber vielleicht möchte ja..." Sie warf einen Blick zur Seite. "... Serena gerne Brautjungfer sein?" "Eine wunderbare Idee", rief Allen begeistert und legte seinen Arm und seine Schwester. "Was hältst du davon, Serena?" "Ich... würde mich sehr darüber freuen", sagte die junge Frau leise. "Aber... ich glaube, Hitomi ist nicht glücklich deswegen." Alle Blicke wandten sich Van und Hitomi zu. Chid, der schon geahnt hatte, was dieses Thema anrichten würde, richtete seine Augen flehend himmelwärts. Oh nein! Jetzt konnten die Anwesenden gar nicht anders, als den Schock zu bemerken, der den beiden ins Gesicht geschrieben stand, andere Gedanken hin oder her. Van hatte seine Hände verkrampft, sodass die Knöchel weiß hervortraten und atmete schnell ein und aus. Er wirkte wie jemand, der den Tod gesehen hatte... und dem dieser höhnisch mit der Sense zugewinkt hatte. Hitomi war zusammengezuckt, als das Wort "Brautjungfer" gefallen war und starrte nun schon sekundenlang ins Leere. Sie sah so aus, als hätte sie den Untergang der Welt gesehen... wieder mal. "Hitomi?", fragte Millerna besorgt. "Was ist los?" Mit der Reaktion hatte sie allerdings nicht gerechnet. Wie von der Tarantel gestochen stand Hitomi auf, so schnell, dass beinahe ihr Stuhl umflog, drehte sich wortlos um und verließ im Laufschritt den Raum. Einige Sekunden lang saßen alle wie vom Donner gerührt da. Hätte jemand die Gabel fallen lassen, es hätte wie Kanonendonner geklungen. Dann wandten sich alle Blicke wie auf Kommando Van zu, der mit zusammengebissenen Zähnen dasaß. Chid konnte es nicht genau sehen, aber er vermutete, dass Van Farnel, der unbeugsame Krieger, nur noch mit größter Mühe die Tränen zurückhielt. "Fragt nichts!", stieß Van hervor. "Ich bitte euch... fragt nichts. Ich... ich kann es euch jetzt nicht erklären." Damit stand er ebenfalls auf und verließ den Raum, allerdings etwas langsamer und würdevoller als Hitomi vor ihm. Nicht, dass die anderen deshalb weniger geschockt gewesen wären. Als sich die Türen des großen Saales mit einem lauten Geräusch schlossen, brach das Schweigen schließlich. "Allen?" Serenas Stimme klang äußerst unsicher. "Ist Hitomi etwa... böse auf mich?" "Nein", antwortete dieser automatisch. "Das... galt mit Sicherheit nicht dir, Serena. Das war etwas sehr Persönliches." "Haben sich die beiden etwa gestritten?", murmelte Vicozar, der bisher fast nichts gesprochen hatte. "Habt Ihr derartiges bemerkt?" "Nein", bekannte Dryden, der immer noch die Tür anstarrte. "Sie schienen beide glücklich zu sein, als wir herkamen. Ich weiß beim besten Willen nicht, was zwischen den beiden vorgefallen sein könnte." "Vielleicht möchte uns seine Hoheit, der Herzog, ja mitteilen, was er weiß", erklang plötzlich die ein bisschen aufreizende Stimme von Bejim. Alle Blicke wanderten auf der Stelle zu Chid, der sich auf die Lippe biss. "Glaubt Ihr, niemand hätte bemerkt, wie Ihr König Van und Lady Hitomi die ganze Zeit beobachtet habt? Ihr habt bereits gewusst, dass etwas zwischen den beiden passiert war, nicht?" Zuerst wollte Chid gar nicht antworten, aber als die erwartungsvollen Blicke unerträglich wurden, gab er nach. "Ja", gestand er. "Ich habe die beiden gestern im Garten gesehen und zufällig ein sehr... wichtiges Gespräch mitbekommen. Die beiden haben sich nicht gestritten." "Aber was ist dann passiert?", wollte Merle wissen und beugte sich weit vor. Ihre Augen schienen Chid verschlingen zu wollen. "Wieso sind sie jetzt so außer sich?" Chid öffnete schon automatisch den Mund, um zu antworten, schloss ihn dann aber wieder und ballte die Fäuste. "Tut mir Leid", entgegnete er. "Aber ich glaube, es wäre besser, wenn sie es euch selbst sagen. Es ist nichts, das man aus zweiter Hand erfahren sollte." Er ließ einen Augenblick verstreichen, dann hob er den Kopf und sah die Anwesenden mit einem Blick an, der sein junges Alter Lügen strafte. "Jedoch bitte ich Euch... drängt sie nicht. Glaubt mir, diese Sache ist schon schwer genug für sie. Gebt ihnen noch etwas Zeit, dann werden sie sich euch mitteilen." Er stand auf. "Obwohl ich glaube, dass ihr es gar nicht wissen möchtet." Damit verließ auch er den Saal. Und ließ einige ziemlich überrumpelte Erwachsene zurück. Das Zimmer war noch immer so wunderschön wie vor... ja, erst wenige Tage war es her, dass Hitomi hier in Farnelia übernachtet hatte. Und doch kam es ihr momentan trister vor, fast schon düster. Nun, das war in ihrer Stimmung wohl verständlich, dachte Hitomi und schnitt eine Grimasse. Sie hatte nicht einmal viel geweint, seit sie ihren Entschluss gefasst hatte, das wunderte sie ein bisschen. Eigentlich hatte sie sich die Trennung von Van viel schmerzvoller vorgestellt, aber momentan fühlte sie... nichts. Und das war fast schlimmer als Schmerz. Den hätte sie zumindest verstanden. Aber diese gefühllose Kälte in ihrem Inneren nicht. In manchen Momenten ertappte sie sich dabei, wie sie sich selbst fragte, ob Van ihr denn nichts bedeutete. Doch sie wusste, dass das nicht stimmte. Der junge König war ein Teil ihres Lebens, seit sie mit ihm das erste Mal auf Gaia angekommen war, erst als starker Beschützer, später als ihr Liebster. Niemals zuvor oder danach hatte sie je so für jemanden empfunden. Und warum verlässt du ihn dann? Nun geschah es doch, dass eine einzelne Träne sich aus ihrem Auge schmuggelte. Sie biss die Lippen zusammen und drängte die anderen zurück. Nein, sie musste jetzt stark sein! Ihr Entschluss war richtig, daran zweifelte sie nicht. Dies war nicht die richtige Welt für Van und sie. Sie wusste nicht, ob das auf der Erde anders sein würde - schließlich war Farnelia für Van mehr als nur sein Königreich. Er regierte es mit seinem ganzen Herzen. Vermutlich würde er auf dem Mond der Illusionen ebenso unglücklich sein wie sie hier. Sie, die sie diesem Planeten immer Unglück brachte. Sie hatte Van nicht belogen. Sie hatte tatsächlich ihr Vertrauen in ihn verloren. Vielleicht würde es eines Tages wiederkommen, aber diese leise, nagende Angst, dass all diese Kriege nur wegen ihr ausbrachen, würde sie wohl immer verfolgen. Deshalb musste sie gehen. Denn diese Zweifel würden sie unglücklicher machen, als wenn sie hier einen Schlussstrich zog, so schmerzhaft er auch war. Sie war beinahe froh, als diese düsteren Gedanken von einem Klopfen an der Tür unterbrochen wurden. Hastig wischte sie sich die Tränenspuren aus dem Gesicht, dann rief sie: "Herein!" "Hallo, Hitomi", grüßte Merle sie leise, als das Katzenmädchen eintrat. Es wirkte sehr ernst, mit einem Ausdruck im Gesicht, den Hitomi noch nie bei ihr gesehen hatte. Sie wirkte dadurch erwachsener denn je. Das wurde noch unterstrichen durch das Schweigen, mit dem sie sich nach Hitomis Erwiderung an den Bettrand setzte und Hitomi ansah. Dieser wurde unwohl. Von Millerna hätte sie diesen Blick erwartet... von Dryden und Allen ebenso. Aber dass Merle sie so ansah, mit diesem traurigen, aber gefassten Blick mit einer Prise von Verletztheit, weil Hitomi sie nicht ins Vertrauen gezogen hatte... das war zuviel. "Was starrst du mich so an, Merle?", fragte sie ruppiger, als sie eigentlich wollte. Das Katzenmädchen schwieg noch einen Augenblick, dann antwortete es: "Ich frage mich nur, warum du Van das antust. Und dir selbst. Ich verstehe es einfach nicht, Hitomi. Wieso willst du Gaia wieder verlassen?" Reflexartig wollte Hitomi den Mund öffnen, um zu fragen, woher Merle das wissen wollte, aber dann verstummte sie. Seit ihrem Auftritt in Freid war mehr als klar, dass etwas zwischen ihr und Van nicht stimmte. "Wie hast du es herausgefunden?", fragte sie statt dessen und richtete ihren Blick nach oben. Sie ertrug die forschenden Augen des Katzenmädchens nicht. "Ich habe mir meine Gedanken gemacht", behauptete Merle, die sich nicht vom Fleck rührte. "Die anderen auch, darf ich dir versichern. Ich glaube, sie vermuten es ebenfalls. Aber nur ich habe Chid gedroht, ihm die Augen auszukratzen, wenn er mir nicht von eurem Gespräch erzählt, das er belauscht hat." Hitomis Augen weiteten sich, als sie das hörte. Chid hatte sie belauscht? Einen Moment lang empfand sie unermesslichen Zorn darüber, dass der Junge ein so intimes Gespräch einfach mitangehört hatte, aber er legte sich gleich wieder. Das spielte einfach keine Rolle mehr. Nichts spielte mehr eine Rolle. "Das hat ihn zwar nicht sehr beeindruckt", fuhr Merle fort, "aber als ich ihm meine Vermutung ins Gesicht schleuderte, hat er doch bestätigt, dass ich Recht habe." Sie machte eine kleine Pause. "Wieso, Hitomi?" "Ich möchte es dir nicht sagen, Merle, bitte", bat Hitomi und schloss die Augen. "Wenn ich es tue, dann wirst du nur versuchen, mich von meinem Entschluss abzubringen." "Und hab ich etwa keinen Grund dazu?", explodierte das Katzenmädchen plötzlich. "Als du nach fünf Jahren hier ankommst, seid ihr beide so miteinander beschäftigt, dass ihr Dinge wie Essen und Schlafen vergesst! Dann treibt ihr auseinander, nur um später noch stärker miteinander verbunden zu sein als vorher! Und plötzlich beschließt du so mir nichts dir nichts, wieder zum Mond der Illusionen zurückzukehren!" Hitomi seufzte. "Merle, es liegt nicht an dir, dass ich es nicht mitteilen will. Ich will einfach nicht darüber sprechen. Es ist schon schwer genug zu ertragen, ohne dass ich es auch noch aussprechen muss." Sie drehte sich um, bis sie auf dem Bauch lag und stützte den Kopf auf den Händen. "Du warst selbst unglücklich wegen Llorin. Du weißt, wie weh das tut." "Aber du hast mir damals geholfen, Hitomi", widersprach das Katzenmädchen. "Und zwar, indem du mir zugehört und mir einen Rat gegeben hast. Vielleicht kann ich jetzt dasselbe tun." "Das war etwas anderes, Merle, und du weißt das", entgegnete Hitomi. "Lass mich bitte alleine. Ich möchte nichts mehr zu diesem Thema sagen." Diesmal dauerte das Schweigen ziemlich lange. "Dann sag mir wenigstens eins, Hitomi. Liebst du Van noch immer?" "Ja." Sogar durch den Schmerz hindurch, den sie fühlte, war das sanfte und wohltuende Gefühl dieser Wahrheit zu spüren. Ja, sie liebte ihn noch immer. Es würde nie einen anderen Mann in ihrem Leben geben. Aber sie konnten nicht glücklich werden. "Dann habe ich wenigstens die Hoffnung, dass du eines Tages zu uns zurückkehrst." Damit stand das Katzenmädchen auf. Allerdings verließ Merle nicht das Zimmer, wie Hitomi angenommen hatte. Statt dessen stand sie mit einem Mal neben ihrem Gesicht und beugte sich hinunter. Hitomi war viel zu überrascht, um etwas gegen den Kuss zu unternehmen, den Merle ihr auf die Wange gab. Perplex sah sie hoch. Merle weinte. Aber mit der sonderbaren Entschlossenheit, die sie hier zur Schau stellte, zeigte sich das nicht in ihrer Stimme. "Zum Abschied, Hitomi", erklärte sie. "Ich möchte nicht dabei sein, wenn Van verkündet, dass du gehen willst. Ich will die Gesichter der Leute nicht sehen. Llorin und ich werden eine Weile zu unserem Volk gehen, damit ich das Leben dort kennen lerne. Er glaubt, dass es mir gefallen könnte. Vielleicht bleiben wir auch dort... denn Farnelia wird ohne dich ein trauriger Ort sein." Damit drehte sie sich um und ging langsam zur Tür, wobei Hitomis Blick ihr folgte. Als sie die Tür geöffnet hatte, hielt sie aber noch einmal inne und drehte sich um. "Bevor ich es noch vergesse: Hast du schon ein Kleid für heute Abend ausgewählt?" "Ein Kleid?", wunderte sich Hitomi. "Wozu?" "Für den Ball, den Van heute zu deinen Ehren gibt", antwortete Merle, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt. "Dein Abschiedsball, auch wenn alle Leute glauben, es wäre eure Verlobungsfeier." Merle verzog die Lippen, aber es wirkte kein bisschen amüsiert. "Deswegen möchte ich nicht dort sein... wegen der bösen Überraschung für die Leute. Aber lass dir nicht einfallen, nicht zu kommen, Hitomi." Merles Gesicht verfinsterte sich. "Van muss öffentlich bekannt geben, dass du gehst, denn wenn du es still und heimlich tust, wird es unzählige Gerüchte über dein Verschwinden geben. Und er wird es in nächster Zeit schwer genug haben. Also, welches Kleid?" Einen Augenblick lang wollte Hitomi beinahe sagen, dass sie auf keinen Fall kommen würde, aber dann ließ sie es bleiben. Wenn Van diesen Ball für sie vorbereitet hatte, sozusagen als Abschiedsgeschenk, dann durfte sie es nicht ablehnen. Dann würde sie seine Gefühle ebenso schwer verletzen, wie er ihre mit seinen falschen Verdächtigungen verletzt hatte. Aber er hatte sich geirrt. Sie würde es aus Absicht tun... das durfte sie nicht. Auch wenn es vermutlich der längste Abend ihres Lebens werden würde. "Das blau-grüne von Serena", antwortete sie leise und wandte den Kopf ab. "Mit dem goldenen Gürtel. Serena meinte, es würde mir wegen meinen Augen gut stehen." "Gute Wahl", pflichtete Merle bei. Sie drehte sich wieder um. "Also dann... ich habe Vans Frage ausgerichtet. Er konnte dich nicht selbst fragen, ob du schon von dem Ball wusstest, das verstehst du sicher. Ich hoffe, dass ich dich eines Tages hier wiedersehe, Hitomi. Du würdest ansonsten Vans Herz brechen, das weißt du doch?" Und meins etwa nicht, fragte sich Hitomi im Stillen. Aber statt dessen antwortete sie einfach nur mit: "Ja." Als nächstes hörte sie das Schnappen des Türschlosses. Und sie war endlich wieder allein. Um den Gefühlsstrudel, den Merle in ihr entfacht hatte, in einem Meer aus Tränen verschwinden zu lassen. Perfekt. Das Wort brannte sich in Hitomis Gedächtnis ein und ließ nur Schmerz zurück. Wo immer sie auch hinsah, alles war so, wie sie es sich unzählige Male vorgestellt hatte. Genauso... genauso hatte sie sich den Abend gewünscht, an dem sie Vans Antrag annahm und seine Königin wurde. Nur dass sie das heute nicht tun würde. Von alldem ahnten die Leute, die auf den Ball gekommen waren, nichts. Man konnte suchen, wo man wollte, überall sah man nur lachende und fröhliche Gesichter. Fast alle Bewohner Farnelias waren zu diesem Ball gekommen, bis auf die Alten und Kranken. In Asturia wäre es wohl undenkbar gewesen, gewöhnliche Bauern und Handwerker auf eine derart noble Veranstaltung einzuladen. Hier in Vans Königreich wurde niemand wegen seines Standes ausgesperrt. Auch wenn die einfachen Leute eher unter sich blieben und die Tanzfläche weitgehend den Vornehmen überließen - es wäre auch unrealistisch gewesen, wenn es gar keine Standesunterschiede gäbe - durfte doch niemandem der Zutritt zum Schloss verweigert werden. Alles schien vollkommen. Nein, nicht alles. Zuerst war es nur ein flüchtiger, trauriger Blick, den Hitomi aus der Masse der Tanzenden bemerkte. Sie sah sich genauer um und erkannte mit einer Mischung aus Erschrecken und Erleichterung, dass es Allen war, der sie mit demselben Blick musterte wie Merle heute. Also hatte das Katzenmädchen alles weitergegeben. Altes Plappermaul! Andererseits blieb ihren Freunden dann heute die böse Überraschung erspart. Insgeheim hatte Hitomi sich schon davor gefürchtet, es ihnen mitzuteilen. "Darf ich um diesen Tanz bitten, schöne Dame?", fragte Allen und ergriff ihre Hand. Sein Tonfall war neckend, aber das war nur für die Leute gedacht. Seine Augen spiegelten die Wahrheit wider. Hitomi zwang sich zu einem Lächeln. "Ich... tanze nicht besonders gut, Allen", gestand sie. Das stimmte sogar. Natürlich hatte sie schon Discos besucht, aber diese Arten von Tänzen waren wohl nicht zu vergleichen. Einen Moment lang erhellte der Gedanke, hier auf der Tanzfläche wie zuhause herumzuhüpfen, ihren trüben Geist, aber er verflog schnell wieder. "Es ist nicht schwer", behauptete Allen. "Ich helfe dir." Leiser, sodass nur sie es hören konnte, flüsterte er ihr zu: "Bitte, Hitomi. Ich muss mit dir reden." Hitomi seufzte und machte artig einen Knicks, um ihr Einverständnis kundzutun. Sie und Allen gingen auf die Tanzfläche, wo ihnen alle Paare wie von Geisterhand bewegt Platz machten. Natürlich. Sie schnitt eine Grimasse. Mit der vermeintlichen zukünftigen Königin wollte es sich niemand vertun. Sie legte ihre Hände auf Allens Schulter und seine Hand, dann begann er, sie in langsamen Kreisen zu führen. "Wieso hast du es uns nicht gesagt?" Diese Frage überraschte sie ein bisschen. Sicher hatte sie von Allen mehr Taktgefühl erwartet als von Merle, aber sie hätte geschworen, dass er sie fragen würde, warum sie gehen wollte. Sie senkte den Kopf. "Ich... es... es war auch so schon schwer genug zu ertragen, Allen", flüsterte sie mit bebender Stimme. "Wenn ich es... euch auch noch gesagt hätte, hätte ich vielleicht gezweifelt." "Und was wäre so schlimm daran?", wollte Allen wissen, nahm seine Hand von ihrer Taille und glitt auf zwei Armlängen von ihr davon. Dann zog er sie wieder heran und begann ohne Stocken wieder herumzukreisen. Er war ein guter Tänzer, aber das war bei Asturiern wohl zu erwarten. "Was ist so schlimm an Gaia, dass du nicht bleiben willst? Ist es wegen Van?" "Schluss, Allen!", zischte sie mit zusammengebissenen Zähnen. "Sonst gehe ich sofort! Ich will nicht darüber sprechen, ist das klar?" "Schon gut", beruhigte Allen sie. "Dieses Thema wollte ich im Grunde vermeiden, entschuldige. Merle hat uns erzählt, was sie von dir erfahren hat." "Dieses Klatschmaul!", murmelte Hitomi. "Wenn ich sie das nächste Mal sehe, fessle ich ihr die Hände mit ihrem eigenen Schwanz!" Das rief sogar den Anflug eines Lächelns auf Allens steinerner Miene hervor. "Nein, das wirst du nicht", entgegnete er. "Dafür liebst du sie zu sehr." Er blieb stehen und hielt ihre Hände zum Abschluss des Tanzes hoch. "Komm jetzt, bitte. Auch die anderen haben ein Recht darauf, sich von dir zu verabschieden." Mit gemischten Gefühlen ging Hitomi von der Tanzfläche herunter. Einerseits war sie froh, dass nun nicht mehr alle Blicke auf ihr und Allen lagen. Inzwischen musste schon einigen Leuten aufgefallen sein, dass sie beide nicht so fröhlich waren, wie sie eigentlich sein sollten. Andererseits bedeutete das, dass sie nun Serena, Dryden und Millerna, vielleicht auch noch anderen, gegenübertreten musste. Und das hatte sie eigentlich bis zum letzten Moment aufschieben wollen, wenn nur noch Zeit für ein schnelles "Lebewohl" blieb. "Hitomi", drang plötzlich eine leise Frauenstimme an ihr Ohr. Verwirrt wachte Hitomi wieder aus ihren Gedanken auf. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie so abgeschweift war. Inzwischen hatte Allen sie zu einer kleinen Nische geführt, in die sich außer ihren Freunden anscheinend keiner verirrt hatte. Vermutlich verstanden die Bewohner der Stadt, dass die Helden des Krieges auch etwas Privatsphäre brauchten. Sie war sehr froh darüber. "Millerna", murmelte Hitomi und sah zu Boden. Plötzlich schien es ihr unmöglich, ihre Freunde auch nur anzusehen. Nach einer Weile des Schweigens fühlte sie, wie jemand seine Arme auf ihre Schultern legte. "Hast du dir das auch gut überlegt, Hitomi?", fragte Millerna mit trauriger Stimme. "Als du das letzte Mal auf den Mond der Illusionen zurückgekehrt bist, hast du aus Angst den Kontakt abgebrochen. Vielleicht findest du dieses Mal nie wieder den Mut zurückzukommen." "Oder willst du das etwa gar nicht?", fiel Dryden sehr leise ein. "Ich... weiß es nicht." Hitomi schlang ihre Arme um sich selbst und hob ruckartig den Kopf. Das, was sie befürchtet hatte, trat ein. Ihre Augen tränten bereits. "Millerna... Dryden... ich habe länger darüber nachgedacht, als ihr vielleicht denkt... aber ich weiß nicht, ob ich jemals zurückkehren werde." "Willst du es?", fragte Allen, der neben eine ungewöhnlich stille Serena getreten war und in gewohnter Manier den Arm um sie gelegt hatte. "Möchtest du zurückkommen, Hitomi?" "Ja!", rief sie lauter, als sie eigentlich wollte. "Ja", wiederholte sie etwas leiser, als einige verwunderte Blicke sich auf sie richteten. Sie schluckte und sah ihre Freunde an. "Aber... ich weiß nicht, ob ich es schaffe, meine Ängste zu überwinden, bevor mir Gaia wieder fremd geworden ist." In diesem Augenblick wurde sie von einem Schluchzen unterbrochen. Im nächsten Augenblick fühlte sie sich fest von Serena umarmt, die anscheinend nicht vorhatte, sie je wieder loszulassen. "Bitte verlass uns nicht, Hitomi", bat die junge Frau zum Glück so leise, dass nur ihre kleine Gruppe es hören konnte. Nicht auszudenken, wenn Serena das hier in den Saal hinausgeschrieen hätte. "Merle hat gesagt, dass sie mit ihrem Freund weggehen will. Wenn du auch noch weggehst, dann habe ich fast keine Freundinnen mehr." Sie rieb ihren Kopf an Hitomis Hals. "Ich muss auch nicht deine Brautjungfer sein, wenn du nicht willst. Wenn du..." "Hör auf, Serena", unterbracht Hitomi die junge Frau forsch, obwohl ihr gleichzeitig eine Träne die Wange herunterrollte. "Dass ich gehen will... muss, hat nichts mit dir zu tun, glaub mir." "Aber womit dann?", drängte Serena todunglücklich. "Etwa...?" "Das reicht, Serena", unterbrach Allen sie ungewohnt bestimmt. Normalerweise schlug er diesen festen Tonfall seiner Schwester gegenüber nicht an, was einiges über den Willen hinter diesem Befehl aussagte. "Hitomi möchte nicht darüber reden. Lass sie." "Aber wie sollen wir ihr helfen, wenn sie nicht mit uns redet?", entgegnete das silberhaarige Mädchen energisch und starrte ihren Bruder fast feindselig an. "Wenn Hitomi glaubt, ohne unsere Hilfe besser leben zu können", antwortete Dryden klar, "dann darfst du sie nicht drängen. Wer weiß, vielleicht kann sie diese Situation wirklich nur allein meistern." "Danke, Dryden", murmelte Hitomi aus tiefstem Herzen. "Ich möchte... euch noch etwas sagen... besonders dir, Serena. Ihr seid die besten Freunde, die man sich nur wünschen kann." Sie schluckte noch einmal und schloss die Augen, als sie vom Wasser getrübt wurden. "Wenn ich auch nur die kleinste Chance sähe, dass ich hier glücklich werden könnte... dann würde ich ohne zu zögern bleiben. Aber momentan geht das einfach nicht." "Das verstehen wir, Hitomi", fiel Millerna sanft ein, als Hitomis Körper von stummen Schluchzern geschüttelt wurde. "Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Und komm dann zu uns zurück. Wir werden jeden Tag an dich denken, das verspreche ich dir." Hitomi wagte ein tapferes Lächeln, obwohl ihre Augen noch immer nass waren. Bevor sie allerdings etwas sagen konnte, wurde sie von Allen angestupst. Sie sah sich um. "Es wird ernst, Hitomi", erklärte der Ritter des Himmels ernst und deutete auf die große Eingangstür. "Auch ich wünsche dir noch einmal alles Glück dieser Welt. Und jetzt geh zu ihm." Damit meinte er Van, der, nur von zwei zeremoniell gekleideten Wachen begleitet, in der Tür erschienen war. Hitomi blieb beinahe die Luft weg, als sie ihn sah, so wie damals, als sie ihn im Thronsaal überrascht hatte. Der junge König hatte sich offenbar extra für diesen Ball eine Uniform schneidern lassen. Er trug eine rubinrote Weste mit kurzem Kragen, in der mit goldenen und silbernen Fäden Drachen, das Wahrzeichen von Farnelia, eingestickt worden waren. Darunter hatte er ein makellos weißes Hemd angezogen - das erste Mal überhaupt, seit Hitomi ihn kannte. Vervollkommnet wurde das Gewand von der nachtschwarzen Hose, die bis zu den ebenfalls schwarzen Schuhen hinabreichte und die ebenfalls funkelnde, allerdings kleinere Echsen aufwies und dem Königsschwert von Farnelia, das er an der Hüfte trug. Seinen Bart hatte er wieder sorgsam gestutzt. Hitomi fühlte, wie gegen ihren Willen die Umwelt verblasste. Van sah hinreißend aus! Sie bekam nicht mit, wie alle Gespräche verstummten. Sie bekam auch nicht mit, dass Van offiziell angekündigt wurde. Auch die Blicke, welche ihm und ihr zugeworfen wurden, nahm sie nicht zur Kenntnis. Allein sein qualvoller Blick, mit dem er sie musterte, füllte ihre Welt aus. Offenbar hatte auch sie Eindruck auf ihn gemacht, denn seine Lippen zuckten und er blinzelte kurz, wie um lästige Flüssigkeit aus dem Auge zu bekommen. Dann holte er Luft und streckte fordernd (oder eher... bittend?) seine Hand nach ihr aus. Mechanisch, wie eine Aufziehpuppe, ging Hitomi auf ihn zu und legte ihre Hand in seine. Nicht einen einzigen Augenblick lang nahm sie dabei ihren Blick von seinen rostroten Augen. Zum Glück beherrschte sich Van etwas besser als sie, denn er riss sich nach einigen Sekunden sichtlich zusammen und führte sie auf die Tanzfläche, auf der eilends alle anderen Paare zur Seite drängten. Allerdings schien auch er dabei seinen Blick nicht von ihr wenden zu können. Als sie angekommen waren, traten sie aufeinander zu und nahmen langsam die Grundstellung ein. Hitomi lehnte sich an seinen Körper, bis sie sein Herz pochen hörte. Dann legte sie ihre rechte Hand auf seine Schulter und ihre linke in seine rechte. Seltsam, dachte sie sonderbar losgelöst, dass sich diese romantischen Tänze auf der Erde wie auf Gaia beinahe gleich entwickelt hatten. Vielleicht lag es daran, dass die beiden Partner so glauben konnten, nie wieder loslassen zu müssen. Die Musik begann sehr leise. Dennoch hörte man sogar den ersten Ton davon, weil es im Saal so still war, dass man beinahe das Knistern der Spannung in der Luft hören konnte. Hitomi kümmerte sich nicht darum, ob sie nun richtig tanzte oder nicht. In diesem Augenblick schien es ihr einfach nur richtig, immer so nahe wie möglich bei Van zu bleiben. Er schien auch nichts dagegen zu haben und so verbrachten sie die ersten Takte eng umschlungen, fernab vom Rest der Welt mit den Gedanken. Irgendwann allerdings begann die Musik doch auf sie einzuwirken. Hitomi wusste nicht, wann, jedenfalls stellte sie nach einiger Zeit erstaunt fest, dass sie inzwischen viel schneller als am Anfang um Van herumwirbelte. Das Grün-Blau ihres Kleides tanzte wahllos über das Gleißen der Drachen auf Vans Hose und das silberne Gold eben jener harmonierte mit dem goldfarbenen Gürtel und ihrer echt goldenen Brosche, welche sie trug. Farben flossen ineinander und ihre Bewegungen passten sich wie in Trance perfekt der Musik an. Sie konnte später nicht sagen, wie lange sie getanzt hatten, jedenfalls war es ihr nicht lange genug vorgekommen. Aber irgendwann wurde das Orchester wieder langsamer und die Musik klang leise aus, vermutlich, weil einige der Musikanten bereits Krämpfe in den Fingern und Lippen hatten. Doch erst der tobende Applaus, in den alle Bürger im Saal begeistert einstimmten, holte die beiden aus ihrer Starre. Fast unmerklich zuckten beide zusammen und wurden sich wieder der Umstehenden bewusst. Als Hitomi leise etwas sagen wollte, legte Van seinen Finger auf die Lippen und deutete dann auf den Balkon, von dem aus man in den Schlosshof blicken konnte, auf dem der Rest der Feiernden stand. Zwar hatte sich niemand diesen Tanz entgehen lassen wollen, aber die Gesetze der Physik ließen nun mal nur eine begrenzte Anzahl von Leuten in einem Gebäude zu, so groß es auch war. Hitomi nickte und ging mit ihm zum Balkon hin, ihre Hand immer noch in seiner. Sie hielt ihren Blick gesenkt, um die Gesichter ihrer Freunde nicht ansehen zu müssen. Vermutlich hatten sie einen noch traurigeren Anblick angenommen als Van und sie. Es dauerte nur wenige Sekunden, um den Balkon zu erreichen, aber diese Zeit schien im Gegensatz zum Tanz vorhin endlos lange zu sein. Als der tosende Beifall auch aus dem Schlosshof ertönte, als Signal, dass man sie sehen konnte, drehten sie sich beide zueinander um. Vans Gesicht drückte nun äußerste Konzentration aus, aber Hitomi wusste, dass darunter wahnsinniger Schmerz brodelte. Wie immer bewunderte sie die schier unendliche Willenskraft des jungen Königs, mit der er das hier durchstand. "Bürger von Farnelia!", rief Van mit voller, lauter Stimme aus, was den Applaus noch einmal um ein paar Sekunden verlängerte. "Dieses Fest heute wird aus vielen Gründen gefeiert", fuhr Van schließlich fort. "Zunächst einmal wegen der Tatsache, dass ein weiterer Großer Krieg verhindert werden konnte. Zaibach hat nun erneut mit den anderen Ländern einen Friedensvertrag geschlossen und die Drachen wurden mitsamt der Königin des Drachenvolkes vernichtet." Nachdem der Beifall geendet hatte, sprach er weiter: "Ein weiterer Grund für dieses Fest ist meine persönliche Entschuldigung." Er schwieg einen genau einstudierten Augenblick. "Vor meinem Verschwinden aus Farnelia war ich hart zu einigen von euch. Ich kümmerte mich nicht um Bittsteller, forderte einige junge Männer zu Kämpfen auf und schickte sie danach beinahe in den sicheren Tod. Nichts kann ich tun, um das ungeschehen zu machen... ich kann euch nur deswegen um Verzeihung bitten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich unter großen Schmerzen zu leiden, weshalb ich euch bitte, dieses Fest als Entschädigung anzunehmen." Dieser Applaus war sogar noch herzlicher, weil die Bürger nun wussten, dass Van nun wieder ganz der alte war. In den Sekunden, in denen der Beifall verebbte, drückte Hitomi Vans Hand. Egal, wie sehr dir die nächsten Sätze fallen werden, dachte sie stumm, sie sind auch für mich schmerzhaft. Du bist nicht allein. Van räusperte sich. "Und der dritte Grund für diese Feier steht hier vor mir. Wir feiern heute Hitomi Kanzaki, die Seherin vom Mond der Illusionen." Diesmal schienen sogar die Mauern des Palastes unter der akustischen Schockwelle zu wanken. Hüte wurden in die Luft geworfen, schrille Pfiffe ausgestoßen und aus allen Kehlen gellte nahezu ekstatisches Geschrei. "Wisst ihr... ich habe mir diesen Augenblick schon lange herbeigewünscht", fuhr Van fort. Komisch. Hitomi war nie zuvor aufgefallen, wie gut er reden konnte. Selbst sie hatte er in den Bann gezogen. "Genau hier, wo mich alle von euch sehen können, wollte ich stehen. Genau diese Stimmung sollte hier herrschen. Und vor dieser Frau hier wollte ich niederknien und die euch allen wohlbekannte Frage zu stellen." Diesmal herrschte erstaunlicherweise fast Ruhe. Die Ehrfurcht hatte von den Leuten Besitz ergriffen. Hitomi wunderte sich, warum nicht schon die ersten Leute mit Herzversagen umfielen. Aber dieser Gedanke kam ihr nur am Rande. Ihr Blick war noch immer auf Van gerichtet und ein bitteres Gefühl keimte in ihrer Magengegend auf. Sie wusste, was jetzt kam. Und es gefiel ihr nicht. "Und doch", machte Van weiter, obwohl es ihm immer schwerer zu fallen schien, "kann ich diese Frage nicht stellen. Denn dies ist nicht die Verlobungsfeier für Hitomi und mich... es ist ihre Abschiedsfeier. Denn sie wird auf den Mond der Illusionen zurückkehren." Wäre ein feindliches Heer vor den Toren Farnelias erschienen, die Betroffenheit hätte nicht größer sein können. An einigen Stellen erhob sich Gemurmel, aber meistens sah man nur absolute Fassungslosigkeit in den Gesichtern der Leute. Van nutzte die allgemeine Unsicherheit, um seine Hand aus Hitomis zu lösen und seine Weste aufzuknöpfen. Hitomi runzelte die Stirn. Trotz der Situation um sie herum fragte sie sich, was er vorhatte. Vereinzelt hörte man jetzt Schreie herauf, Frage um Frage. Ob Van das ernst meinte, warum Hitomi nicht hier bleiben wollte, wann sie abreisen wollte. Hitomi wagte es nicht, den Leuten ins Gesicht zu sehen, deshalb behielt sie weiterhin Van im Auge, der nun auch sein Hemd aufknöpfte. Er schien nervös zu sein. Vermutlich, weil es nicht mehr lange dauern konnte, bis sich einige Bürger an den Wachen vorbeidrängten, um eine Erklärung zu verlangen, für die sie beide jetzt nicht die Kraft hatten. Dann war er fertig. Hitomi ahnte es im letzten Augenblick, als sie die Anspannung an seinem Körper bemerkte und trat einen Schritt zurück. In der Menge brachen Tumulte aus, als Van mit einem lauten, intensiven Schrei seine Flügel öffnete. Weste und Hemd lagen auf dem Boden und er stand mit nacktem Oberkörper vor ihr. Sein schmerzgeprägter Gesichtsausdruck ließ jedoch jeden Funken Leidenschaft im Keim ersticken. Er streckte die Hand aus, ohne sich um die Bürger zu kümmern. "Komm mit mir, Hitomi", bat er, nein, flehte er. "Ein letztes Mal... bevor du mich verlässt." Sie konnte ihm nichts entgegensetzen. Wenn sie ihn jetzt zurückwies, dann würde er sich in den Tod stürzen, dessen war sie sich sicher. Nicht, dass sie wirklich hier bleiben wollte. Also warf sie sich ungestüm nach vorn und umfasste seinen Hals. Er packte sie an der Taille und zog sie fest an sich, während er seine Flügel weit spannte. Sie drückte sich an ihn, nicht wissend, ob ihre Tränen von ihrer Trauer oder ihrem hilflosen Lachen ob seiner Showeinlage herrührten. "Du Narr", flüsterte sie ihm ins Ohr, aber mit aller Liebe, die sie aufbrachte. "Du dummer Clown! Warum hast du mich nicht eingeweiht?" "Weil es eine Überraschung sein sollte", antwortete er gepresst, während er höher und höher stieg. "Für die Leute dort unten ebenso wie für dich. Denn bevor du gehst, möchte ich noch einmal mit dir allein sein." Das fühlte sich seltsam richtig an. Hitomi seufzte. "Dann bring uns hier weg, Van. Mein Engel." Der kleine Hügel, auf dem sie gelandet waren, war nicht sehr weit von Farnelia entfernt. Man konnte die Stadt immer noch erkennen und wenn man darauf achtete sogar den Lärm hören, der in der Stadt herrschte. Andererseits würde es einige Zeit dauern, bis Vans treue Untertanen hier eintrafen, wenn sie überhaupt herfanden. Als sie aufgesetzt hatten, hatte Hitomi bestimmt, dass Van sich ins Gras legte. Immerhin war er erschöpft, weil er das Gewicht zweier Personen hatte tragen müssen. Anfangs hatte er in seinem Stolz behauptet, es ginge ihm gut, aber unter ihrem drohenden Blick befand er sich nur wenige Sekunden später in der Horizontale. Hitomi hatte sich neben ihn gelegt, so nahe, dass er sie mit seinem Arm berühren konnte, aber so fern, dass er sie nicht zu sich heranziehen konnte (oder was habt ihr denn gedacht, hä?). Das würde die Sache nur noch schmerzlicher machen. Einige Zeit starrten sie beide in den Himmel, wo die beiden Monde hoch über ihnen standen und auf sie herabschienen. Es war angenehm, einfach nur dazuliegen und an nichts zu denken. Angenehm, einfach den Moment genießen zu können, ohne an das Kommende erinnert zu werden. Schließlich jedoch brach Hitomi das Schweigen. "Van?", fragte sie zögernd. "Hat es dir sehr weggetan... das vor deinem Volk zu sagen?" Er schwieg einen Moment, wobei sein Blick starr nach oben gerichtet blieb. Als er sprach, klang seine Stimme monoton, so als käme sie von weit her. "Nicht sehr", behauptete er. "Der wirklich schwere Teil kommt erst noch. Wenn ich Farnelia ohne dich regieren muss." "Aber du... verstehst es doch, oder?", fragte Hitomi zögernd. "Warum ich gehen muss?" "Nein", entgegnete er. "Ich kann einfach nicht glauben, dass dieses Missverständnis für immer zwischen uns stehen bleiben soll, Hitomi. Ich habe einen Fehler gemacht, einen schrecklich dummen Fehler. Und er tut mir Leid. Ich werde ihn für den Rest meines Lebens bereuen." Nun wandte er ihr den Blick zu. "Warum gibst du mir keine Chance mehr?" Hitomi wurde unbehaglich unter diesem Blick. "Ich habe es dir doch gesagt, Van, es ist nicht so einfach zu erklären. Es ist nur... ich fühle, dass wir nicht glücklich werden würden, solange ich nicht über diese Sache hinweg bin." "Und was ist, wenn du nicht darüber hinweg kommst? Ich weiß, dass ich nicht ewig auf dich warten kann, Hitomi." Hitomi schluckte. Auch daran hatte sie bereits gedacht. Es kam ihr zwar unwahrscheinlich vor, dass sie Van für immer misstrauen würde... aber vielleicht hielt dieser Schatten, der sich über sie beide gelegt hatte, lange genug an, um ihre Liebe zu zerstören. Denn das hatte sie von ihrer Mutter gelernt: Liebe mochte in schweren Zeiten stark werden... aber wenn sie nicht gehegt und gepflegt wurde, dann erlosch sie irgendwann. "Ich komme darüber hinweg", log sie. Dann stand sie ruckartig auf. "Ich sollte nicht mehr länger hier bleiben, Van, sonst fällt mir der Abschied nur noch schwerer. Bitte gib mir meinen Anhänger." "Warte", entgegnete Van und ergriff ihre Hand. Er zog sich daran hoch und umfasste ihre Schultern. "Bevor ich das tue", sagte er leise, "habe ich eine letzte Bitte an dich, Hitomi." "Welche?" "Küss mich, Hitomi", bat er mit flehenden Augen. "Gib mir die Kraft, auf dich zu warten. Bitte." "Das ist das erste Mal, dass ich dich um etwas bitten höre, Van", verkündete Hitomi nachdenklich und legte ihre Arme um seinen Hals. Sanft zog sie seine Stirn an die ihre und schloss die Augen. "Und dann verschwendest du es an etwas, das ohnehin unvermeidlich war." Sie öffnete die Augen und sah ihn an. Vans Gesicht spiegelte grenzenlose Sehnsucht wider, während er mit seinen Armen ihren Rücken umfasste und sie an sich zog. Eine Sekunde lang sahen sich die beiden noch an, so als ob sie sich vergewissern wollten, dass der andere nicht auf einmal kniff. Natürlich geschah das nicht. Im gleichen Augenblick neigten sich ihre Köpfe nach vorn und ihre Lippen berührten sich. Dieser Kuss war nicht wild und leidenschaftlich. Van und Hitomi hielten einfach nur die Lippen aneinandergedrückt, nichts weiter. Es wäre ihnen wie ein Sakrileg vorgekommen, diesen heiligen Moment mit der Zunge zu zerstören. Dies war nicht irgendein Kuss, sondern die Quelle der Kraft, die sie in nächster Zeit beide dringend brauchen würden. Einzig und allein die vereinzelten Tränen aus allen vier Augen störten dieses idyllische Bild. Als sie sich schließlich voneinander lösten, sagte keiner von ihnen ein Wort. Van reichte Hitomi wortlos ihren Anhänger, den sie ihm vor fünf Jahren geschenkt hatte und sie trat einen Schritt zurück. "Es tut mir Leid, dass es so gekommen ist, Van", flüsterte sie mit zittriger Stimme. Sie neigte den Kopf und schloss die Augen, woraufhin der Anhänger in sanftem rosa Licht zu glühen begann. "Ich liebe dich." Van verfolgte mit steinernem Gesicht, wie sich innerhalb einer Sekunde ein Energiestrahl aufbaute und das Mädchen langsam abhob. Sein Blick folgte jeder ihrer Bewegungen. "Ich liebe dich auch", sagte er leise. Drei Sekunden später war Hitomi verschwunden und die Lichtsäule mit ihr. Und Van, der König von Farnelia, sank langsam zu Boden und starrte so lange in den Himmel, bis er vor Müdigkeit in einen unruhigen Schlaf fiel. Er fragte sich in seinem letzten wachen Augenblick, wie oft ein Mensch den Sinn seines Lebens verlieren konnte, bis er vor Kummer starb. In der nächsten Folge... Hitomi erlebt die Geburt von Amanos und Yukaris Kind mit... sie führt mit ihrer Mutter ein Gespräch über Van... Merle besucht Van nach einiger Zeit und erkennt ihn nicht wieder... Hitomi fährt aus dem Schlaf hoch, weil sie weiß, dass Van verschwunden ist... sie fährt zu ihrem Elternhaus... dort angekommen wird sie schon erwartet... Titel: Für immer und ewig Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)