Schatten Engel II von Amideyla (2/3 ~*You've got to live*~) ================================================================================ Kapitel 1: ~*Tränen*~ --------------------- ~*~ ~*~*~ Versprichst du mir, nicht zu weinen, wenn mir etwas passiert? ~*~*~ Ich möchte, dass du weiter lebst, dass du heiratest und Kinder bekommst. ~*~*~ Jetzt zum letzten Mal: Schwöre, dass du ihn lieben wirst, wie keinen andern und dass du glücklich wirst. Keiner verlangt, dass du das von heute auf morgen schaffen sollst! Das braucht Zeit… aber… ich will nicht gehen und wissen, dass ich dich zum Schluss doch noch unglücklich gemacht habe. ~*~*~ ~*~ Sie lag in ihrem Bett. Taub für die Aktivitäten, die außerhalb ihres Zimmers stattfanden, taub für die die Worte ihres Vaters. Alles was sie hörte war das sanfte Trommeln der Regentropfen auf ihrem Fenster. Es war so monoton und angenehm einschläfernd. Vier Monate waren vergangen, seitdem eine berühmte Gruppe von Rebellen geschnappt wurde. Jahrelang hatte sie die Oberschicht der Bevölkerung mit Schrecken erfüllt. Aber nun waren sie verhaftet worden. Bald schon sollen sie für ihre Missetaten gehängt werden. Sie nannten sich "Schatten Engel"… Die Prinzessin Romanow, die Tochter von König Carel Romanow, befand sich über anderthalb Jahre lang in Gefangenschaft dieser Barbaren. Doch nun war sie wieder in Sicherheit. Aber noch war sie verstört und unansprechbar. Keiner konnte zu ihr durchdringen, so sehr war sie in sich selbst zurückgezogen. War es denn ein Wunder? Jeder der über ein Jahr bei solchen Mördern verbringen musste, würde verstört sein und unter Schock stehen. Hauptsache die Prinzessin war wieder zurück! Dank Lord du Rémy, der alles daran gesetzt hatte, sie zu befreien, war sie heil zu Hause angekommen. So in etwa wurde im ganzen Land getuschelt und als Damiana dies hörte, konnte sie nur den Kopf schütteln. Mörder… Barbaren… Rebellen… Obwohl… Rebellen, das passte doch ganz gut. Wie aus weiter Ferne und aus einem anderen Leben, erinnerte sie sich an etwas… ~*~*~ "…Kennst du den alten Spruch: Man muss Feuer mit Feuer bekämpfen? Ich bin kein Friedensstifter, sondern eine Rebellin, die sich gegen diese ungerechte Regierung wehrt. Was ich will ist kein Frieden, sondern mehr Freiheit und Verständnis für seine Gegenüber!" ~*~*~ Zerplatzte Träume… leere Worte… geblieben ist nichts. Damiana schloss die Augen und zwang sich an nichts mehr zu denken. Wenn sie an nichts dachte, dann war auch ihr Herz ruhig. Dann tat es nicht mehr so weh… Wenn gar nichts mehr half, dann konzentrierte sie sich auf ihr Bein, dass man ihr in Gips gelegt hatte, nachdem man ihren Knochen wieder zusammen geflickt hatte. Das stetige Pochen in ihrer Wade half ihr ruhig zu bleiben. Eigentlich war der Knochen fast wieder ganz verheilt, zumindest konnte sie ohne Krücken laufen, aber ein gewisser Schmerz war geblieben. Vielleicht war es auch nur die Erinnerung, an den Schmerz, den sie immer noch zu spüren glaubte? Etwas Chronisches, das nicht verging. Heute aber wollte es ihr nicht recht gelingen. Sie konnte ihre Gedanken nicht vor den Erinnerungen verschießen, die sie gnadenlos heimsuchten. "Versprichst du mir, nicht zu weinen, wenn mir etwas passiert?" Ja, sie hatte es versprochen und sie musste das Versprechen einhalten. Müde, so müde war sie. Konnte mit niemanden reden, konnte sich niemandem anvertrauen, denn keiner hätte sie verstanden. Cerubim hatte ihrem Vater nichts von ihren Gefühlen zu Saphira erzählt, um ihren Ruf nicht zu gefährden. Nun, obwohl niemand etwas durchsickern lassen hatte, wussten dennoch alle bescheid. Sie konnte manchmal hören, wie man über sie tuschelte, konnte förmlich spüren, wie die Frauen angeekelt das Gesicht verzogen und die Männer einen glasigen Blick bekamen. Hure… Schlampe… Manche hatten Mitleid und meinten, dass sie sicherlich dazu gezwungen worden war mit einer Frau… man konnte es gar nicht aussprechen! Unter der Niedersten und dreckigsten Sünde war dies immer noch eine der schlimmsten. Gott würde sie strafen… Ein Teil ihres Bewusstseins beschwor ein Bild herauf, das sie zu verdrängen versucht hatte. Eine angenehm kühle Nacht… Eine Wiese und ein Wasserfall… neben ihr, im Gras, lag Saphira… eine der wenigen Momente in denen sie glücklich gewesen war. "Gott wird uns nicht verzeihen", hatte sie leise gemurmelt. Saphiras Antwort hatte sie erschreckt. "Gott ist tot." Ja, für mich ist Gott gestorben, dachte sie. Nun war sie allein. Cerubim… ihre Lippen formten lautlos seinen Namen. Sie hatte ihn nicht mehr wieder gesehen. Ihr Vater hatte es ihm verboten. Wütend war er gewesen… und er hatte ihren Vater übel beschimpft. Er wollte bei ihr bleiben, wollte ihr noch soviel sagen, aber ihm war keine Zeit geblieben. Er musste gehen. Abkommandiert… Was hatte er einmal vor einiger Zeit zu ihr gesagt? Ich liebe dich? Waren das nicht seine Worte gewesen? Ihre Lippen verzogen sich gequält. Sie wollte doch an nichts mehr denken… Es klopfte an ihrer Zimmertür. Wer wollte sie denn jetzt schon wieder belästigen? Als sie nicht antwortete wurde die Tür einfach geöffnet und ihr Vater stand im abgedunkelten Zimmer. Carel: Damiana, willst du nicht zum Essen kommen? Vage erinnerte sie sich daran, dass vor etwa einer halben Stunde ein Dienstmädchen sie zum Essen gerufen hatte. Stumm neigte sie den Kopf von einer, dann zur anderen Seite, was ein Kopfschütteln in Zeitlupentempo darstellen sollte. Carel: Liebes… Er setzte sich neben sie auf das Bett. Sie fühlte, wie es unter seinem Gewicht nachgab, aber sie sah ihn nicht an. Nichts war mehr von ihrer aufrichtigen Bewunderung und Liebe zu ihrem Vater übrig geblieben. Er war ein Fremder für sie. Carel: Wenn du nicht isst, wirst du noch ganz krank… Sie starrte weiterhin die Decke an und schien ihm nicht zu zuhören. Zögerlich hob er die Hand und strich seiner Tochter über die Stirn. Carel: Ich bin so glücklich, dass du wieder bei mir bist… ich habe mir solche Sorgen gemacht, aber jetzt ist es fast noch schlimmer. Du isst kaum etwas, redest nicht mit mir… Was ist denn nur passiert? Was hat dir die Freude am Leben genommen? Sie drehte den Kopf dem Fenster zu, das sich auf der anderen Seite ihres Zimmers befand. Der Regen war stärker geworden. Jetzt war Sommer. Sicher fühlte sich der Regen wie warme Seide auf der Haut an… Auf einmal musste sie wieder an Cerubim denken. Wo war er denn nun? Damiana: Wo… ist er…? Wo ist Cerubim? Carel zuckte zusammen. Wie kam sie denn auf Cerubim? War sie ihm vielleicht deswegen böse? Carel: Er- Sie unterbrach ihn einfach. Damiana: Ich möchte ihn sehen… Carel: Das wird nicht möglich sein. Er ist Außerlandes. Ich habe ihn geschickt- Damiana: Ich will ihn sehen. Er starrte sie an. Kleiner Sturkopf. Plötzlich hielt er es nicht mehr aus. Er griff nach ihren Armen und zog sie in die Höhe, um sie umarmen zu können. Ihr Körper fühlte sich steif und kalt an, aber er wollte seine kleine Tochter wieder im Arm halten. Carel: Wirst du wieder mit mir reden, wenn du ihn siehst? Damiana: … Sie gab ihm keine Antwort und sprach den restlichen Abend nicht mehr mit ihm. Sie lag einfach weiterhin im Bett und starrte vor sich hin. Vielleicht sollte sie hinausgehen? Sich den seidigen Regen auf den Kopf tröpfeln lassen? Sie liebte Regen… Er erinnerte sie an ein feuchtes, sumpfiges Land, in dem nur selten die Sonne scheint und tiefe graue Wolken am Himmel hingen… ~*~ Fluchend stemmte er sich in die Höhe und wollte sich über den Zaun hieven, aber wegen dem Regen war das Gitter glitschig und so rutschte er ab, verlor den Halt und segelte wenig elegant mit der Nase voran in einen Rosenstrauch. "Au!" Wenn das seine Männer gesehen hätten, währe er für den Rest seines Lebens verspottet worden! Cerubim du Rémy popelte sich schimpfend und unter Schmerzen aus dem Strauch. Dornen zerrissen seine Kleidung; er hätte Heulen mögen. Aber er war drinnen! Im Garten von Prinzessin Damiana, den ihr Vater eigens für sie angelegt hatte und in den man nur durch die Terrassentür gelangen konnte, welche an ihrem Zimmer angebracht war. Er musste sie sehen, obgleich der König es ihm verboten hatte. Das war also der Dank dafür, dass er seine Tochter nach all den Strapazen wieder nach Hause gebracht hatte. Immer noch hatte er ihr Gesicht vor Augen, wie sie geweint hatte und wie sie… seine Schwester geküsst hatte. Als er das gesehen hatte, war er aus allen Wolken gefallen! Jetzt war ihm auch klar, weshalb sie plötzlich bei den Schatten Engeln bleiben wollte. Aber seine Schwester war tot… Es erfüllte sein Herz mit Trauer, wenn er daran dachte. Bis zu Letzt war sie ihm ein Rätsel geblieben. Nun aber half es nichts an der Vergangenheit zu hängen. Er musste nach vorne sehen. Im Moment konnte er nur noch an Damiana denken, die allein und verloren in diesem riesigen Schloss versauern würde, wenn er sie nicht rausholte! Und bei Gott, er würde sie da rausholen! Sie gehörte an seine Seite, dessen war er sich sicher! Nur wusste er nicht, wie er ihr Herz wieder gewinnen konnte. Sie hatte Saphira offensichtlich sehr geliebt… Liebe unter zwei Frauen… er hatte sich immer geweigert zu akzeptieren, dass es sowas gab, aber da er nun direkt damit konfrontiert wurde, war das anders. Seine Gedanken kreisten weiterhin um die Geschehnisse der vergangenen Wochen und Monaten, während er sich die restlichen Dornen aus den Kleidern zupfte und sich langsam Schritt für Schritt der Terrasse der Prinzessin näherte. Der Regen hatte seine Kleider völlig durchweicht, aber ihm war nicht kalt. Es war ein angenehmer Sommerregen, der sich auf der Haut anfühlte wie… "…wie Seide…" Abrupt blieb er stehen und sah sich um. War das nicht Damianas Stimme gewesen…? Und wenn… wie konnte sie wissen, was er dachte?! "Deine Kleider sind zerrissen. Bist du in einen Rosenstrauch gefallen?" Erschrocken fuhr er herum, konnte niemanden sehen und zwang sich dann ruhig zu atmen. Sie war hier irgendwo… er musste sie nur finden… Und da kam sie hinter einer hohen Hecke hervor und sah ihn, mit schräg gelegtem Kopf, an. Damiana: Cerubim… Das Herz blieb ihm stehen! Sie sah aus wie ein Geist, mit eingefallenen Wangen, in einem weißen Nachthemd, das durchnässt an ihrer Haut klebte. Das Haar war in einem lockeren Zopf geflochten, der sich aber löste und einzelne Strähnen hingen ihr ins Gesicht. Ihr Anblick schnitt im ins Herz und er musste zweimal tief Luft holen, ehe er etwas sagen konnte. Cerubim: Prinzessin! Ihr werdet euch erkälten! Sie ging nicht darauf ein, sah ihn einfach nur an. Der Regen hinterließ kleine Rinnsale auf ihrem grauen Gesicht. Ihre Augen erschienen ihm unnatürlich groß, vielleicht hatte sie sie auch einfach nur weit aufgerissen. Und dann fiel sein Blick auf das am Körper klebende Nachthemd, dass nichts mehr verbarg. Dünn war sie geworden… Cerubims Kehle schnürte sich zu. Was sollte er tun? Was sollte er sagen? Aber dann brach es einfach aus ihm heraus. Cerubim: Damiana! Oh Gott, ich musste dich sehen! Ich… Mit zwei langen Schritten war er bei ihr und riss sie in seine Arme. Sie fühlte seinen warmen Körper an dem ihren und roch seinen herben, männlichen Duft. Gut fühlte es sich an in seinen Armen zu liegen. Sie lehnte ihre Stirn an seine Schulter und schloss die Augen, konnte fühlen wie etwas von seiner Wärme in ihren Körper über ging und ganz langsam wurde sie weicher, nachgiebiger… Damiana: Ich habe gewusst, dass du kommen würdest… Mehr sagte sie nicht, aber es war ihm genug. Solange er sie nur im Arm halten konnte, solange sie sich warm und weich anfühlte und nicht so steif und abweisend, wie vorhin noch, solange verlangte er nichts vorn ihr, war glücklich bei ihr sein zu dürfen… Wie sie wieder in ihr Zimmer und ins Bett gekommen war, daran konnte sie sich am nächsten Tag nicht mehr erinnern. Überhaupt kam es ihr wie ein Traum vor. War er wirklich da gewesen, oder hatte sie sich das nur eingebildet? Aber irgendwie hatte sie diesmal die ganze Nacht durchgeschlafen. Als sie am nächsten Morgen in den Spiegel sah, waren ihre Augenringe nicht mehr so tief und sie verspürte einen Anflug von Hunger. Cerubim hingegen hatte es nur allzu genau im Gedächtnis. Lange hatte er sie umarmt, bis er gemerkt hatte, dass sie müde wurde. Ihre Augen fielen ihr zu und außerdem begann der Wind aufzufrischen. Kurzerhand hatte er sie auf die Arme gehoben und sie ins Bett getragen. Unschlüssig hatte er sie angesehen, wusste nicht, ob er ihr die nassen Sachen ausziehen sollte, oder ob er einen Diener rufen sollte. Damiana hatte die Augen geschlossen, seine Nähe auf sich wirken lassen und dann hatte sie seine warme Hand auf ihrem Gesicht gespürt, seine Finger, die die scharfen Konturen ihres eingefallen Gesichts nachgefahren haben und dann waren seine Finger auf ihren Lippen gewesen, rau und aufgesprungen waren sie. Es hatte ihm wehgetan sie so zu sehen. Zerbrechlich und völlig am Ende. Schließlich hatte er ihre Hände genommen und sie an seine Lippen geführt, hatte die Klingel betätig, mit welcher man einen Diener herbei rufen konnte und war wieder verschwunden. Undeutlich waren ihre Erinnerungen daran. Sie dachte am Ende auch nicht mehr darüber nach, sondern machte sich auf den Weg in die Küche. Gerade, als sie vom Frühstück kam, durch die Flure in Richtung ihres Zimmers lief, konnte sie ihm Empfangssaal laute Stimmen hören. Ihr Vater stritt mit einem Besucher? Es interessierte sie nicht wirklich und so ging sie weiter, aber da vernahm sie die Stimme des anderen, laut und deutlich. "Ist das der Dank, eure Majestät?! Darf ich sie nicht einmal sehen?" Cerubim! Sie drehte sie um und öffnete die Tür zum Empfangsaal. Also war es doch kein Traum gewesen? Als sie eintrat herrschte augenblickliche Stille. Sie hatte sich nicht getäuscht! Cerubim stand ihrem Vater gegenüber, dem Zornesröte ins Gesicht gestiegen war. Sie sagte nichts, aber ihr Blick wurde weicher, als er auf Cerubim fiel, der sich tief vor ihr verbeugte und Worte des Grußes murmelte. Sie betrachtete ihn, ohne den Gruß zu erwidern. Ihr Blick fiel auf seine Wange und sie stutzte. Kratzer… Damiana: Also doch der Rosenstrauch, Lord? Irritiert hob er die Augenbrauen, bis er bemerkte, was sie meinte und begann zu lachen. Der König hätte ihm am liebsten sein Grinsen aus dem Gesicht gewischt. Cerubim: Naja… ein kleiner Sturzflug… Der Hauch eines Lächelns glitt über ihr Gesicht und war auch sofort wieder verschwunden, aber der König hatte es bemerk. Verdutzt und erfreut sah er seine Tochter an. Da bemerkte er auch, dass sie nicht mehr so grau im Gesicht war, wie noch am Tag davor. Hatte sie etwas gegessen? Er wollte etwas diesbezüglich sagen, als Cerubim wie selbstverständlich auf sie zukam und ihre Hand ergriff. Das brachte ihn kurzerhand wieder zur Weißglut und seine Stimme klang gepresst, als er das Wort an ihn richtete. Carel: Lord, ich habe euch einen Befehl gegeben! Ihr solltet nach König Joshua schauen…! Cerubim: Das habe ich doch und er ist noch in Untersuchungshaft. Nun liegt es nicht mehr in meiner Macht, was mit ihm noch geschehen wird. Damiana sah ihren Vater seltsam an. War das nicht der Mann gewesen, von dem Titus Hilfe bekommen hatte, wenn ihr das Geld ausgegangen war? Ein Schaudern erfasste sie und sie zog ihre Hand zurück, drehte sich auf dem Absatz um und ging. Verdutzt sahen die beiden Männer ihr nach. Cerubim: Es ist nicht leicht für sie… ständig an die Schatten Engel erinnert zu werden… Carel: Gerade deswegen will ich alles vernichten, was mit ihnen zu tun hat! Jeder von ihnen wird sterben. Wie ich euch schon sagte, will ich sie hängen lassen und das öffentlich. Damit niemand mehr auf die Idee kommt sich gegen den König auf zulehnen. Meine Tochter wir ebenfalls erleichtert sein, wenn keiner mehr von ihnen am Leben ist. Da war Cerubim sich nicht ganz so sicher, aber er schwieg. Ihm graute davor noch mehr Blut zu vergießen, aber er hatte keine Wahl. Wenn das endgültig vorbei war, dann würde er ganz sicher kein Offizier und kein Kommandant mehr sein wollen. Im Übrigen hatte er andere Pläne. Damiana schritt auf ihr Zimmer zu, beißende Erinnerungen, Bilder und Wortfetzen peinigten sie. Vergessen… muss vergessen… Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen. Jemand war ihr eingefallen… ihn hatte sie in den letzten Monaten ganz vergessen! Lebte er überhaupt noch? Ihr letzter Freund! Eigentlich war er immer ihr einziger Freund gewesen. Sie war von sich selbst entsetzt. Wie konnte sie nur so egozentrisch sein und nur an ihr eigenes Leid denken? An Kilian hatte sie keinen Gedanken mehr verschwendet! Sie schämte sich. Sie musste zurück, musste Cerubim fragen. Konnte es sein, dass Kilian noch lebte? Sie machte auf dem Absatz kehrt. Ihn noch einmal wieder zu sehen… ja das würde ihr sicher gut tun. Er fand immer die richtigen Worte, um sie zu trösten, um ihr Mut zu machen und außerdem musste sie reden, musste ihre quälenden Gedanken loswerden. Und das konnte sie nur mit ihm. Nur er konnte nachvollziehen, was sie durchmachte, welcher Schmerz es war Saphira verloren zu haben… Sie wollte die Tür zum Empfangssaal wieder aufstoßen, als sie etwas aufschnappte, was ihr Vater zu Cerubim sagte. Ihr Herz gefror. Carel: Da ihr nun schon mal hier seid, könnt ihr die Hinrichtung leiten. Ich möchte jeden einzelnen hängen sehen, von diesen Mördern, die sich Schatten Engel nannten. Damiana hörte das Blut in ihren Ohren rauschen. Carel: Meine Tochter wird dem beiwohnen, damit sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen kann, dass der Albtraum vorbei ist. Cerubim presste vor unterdrückter Abscheu die Lippen aufeinander. Dieser Narr! Plötzlich war ein leiser Ausruf hinter der Tür zu hören und leichte eilige Schritte, die sich entfernten. Es wurde ihm schlagartig klar, dass das nur Damiana gewesen sein konnte. Oh ja sie würde sehr erleichtert sein! Cerubim musterte den König, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank und wandte sich dann zum Gehen. Er musste ihm Folge leisten, sonst würde er vielleicht nie mehr an Damiana rankommen. Diese rannte nun völlig aufgelöst in ihr Zimmer, knallte die Tür hinter sich zu und warf sich auf das Bett. Den stechenden Schmerz in ihrem Bein ignorierte sie genauso wie die erschrockenen Ausrufe der Bediensteten. Sie sollte mit ansehen, wie ihre Leute starben? Konnte ihr Vater wirklich so ein Barbar sein?! Sie gab sich die Antwort selbst. Oh ja er konnte! Wer Menschen für sein Geld in Mienen streben ließ, der konnte auch Störenfriede auf unmenschliche Art und Weise hinrichten lassen! Was sollte sie nur tun? Was konnte sie tun? Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass der Traum von der neuen Regierung wirklich zerplatzt war. Alle die etwas ausrichten konnten waren tot! Und die letzten Rebellen würden nun ermordet werden. Alle tot! Heiße Tränen brannten in ihren Augen, schnürten ihre Kehle zu, nahmen ihr den Atem. "Versprichst du mir, nicht zu weinen, wenn mir etwas passiert?" Ihre Verzweiflung machte es ihr unmöglich klar zu denken und dann verschwamm alles vor ihren Augen. Nicht weinen ja? Sie sollte doch nicht weinen und hatte es sogar versprochen, aber die Gefühle, die Angst, die Hilflosigkeit und ihre Einsamkeit war stärker. Der Damm in ihr, der ihre Tränen zurückgehalten hatte, brach und sie begann herzzerreisen zu schluchzen. In ihrem Herzen pochte eine Wut, eine Wut auf alles und jeden. Warum konnte man sie nicht in Frieden leben lassen?! Sie war allein! Nein, sie würde nicht aufhören zu weinen, sie konnte nicht! Die Tränen stürzten aus ihr heraus und dann begann sie einen Namen immer wieder und wieder zu rufen… Saphira… ~*~ Ich bin zum ewigen Leid verflucht. Ohne dich kann ich nicht sein. Hörst du mein Rufen? Ich schreie, aber keiner hört mich. Mein Körper windet sich und zuckt gequält unter dem Schmerz, den du mir zugefügt hast. Allein zurück gelassen hast du mich in dieser abscheulichen Welt. Grausam und kalt umhüllt sie mich. Keiner versteht, was mich bedrückt. Ich höre, wie sie hinter meinem Rücken lästern und sich die Mäuler zerreisen. Sie war die Hure dieses Dämons, sagen sie und zeigen mit dem Finger auf mich. Die Hure eines Dämons? Ja, vielleicht warst du ja ein Dämon, denn das Loch, das du in meine Seele gerissen hast, kann doch nicht von menschlicher Hand sein. Du bist gegangen und hast auch noch dafür gesorgt, dass ich dir nicht hinterher komme. Du zwingst mich dieses Leben weiter zu führen. Ein Leben, das du erst beflügelt hast und nun in den Abgrund stößt. Aber du weißt, ich werde warten, bis du zu mir zurückkommst. Bis in alle Ewigkeiten werde ich dein Bild in meinem Herzen tragen und ich bin stolz darauf, dein gewesen zu sein. Selbst wenn die anderen mich als Hure und dreckige Schlampe beschimpfen, du weißt, ich habe dich geliebt. Und ich liebe dich noch immer. Ich werde warten, bis wir eines Tages in der Hölle wieder vereint sind... ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)