Absinths Erinnerungen von Graeflicher-Trottel (Eine tragische Liebesgeschichte) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Die Sonne stand hoch am Himmel und versengte das trockene Gras der weiten Steppe. Das bräunliche Gras wuchs in dieser trostlosen Gegend fast überall – nur nicht dort, wo die kahlen Bäume standen. Die Stämme der großen dunkelbraunen Riesen spendeten den einzigen Schatten in der Umgebung. Ein weiterer Ort, an dem sich die wenigen Wanderer ausruhen konnten, waren die Dörfer und Städte – sofern sie sich hineintrauten. Äußerlich ähnelten sich die Dörfer, der Aufbau war gleich, genauso wie das Äußere der Häuser, nur kleine Unterschiede gab es, die aber auf den ersten Blick nicht auffielen, selbst wenn man schon oft in diesen Dörfern gewesen ist. Die meisten Häuser waren aus einem Gemisch aus Holz, Ton, Lehm und Stroh gebaut. Diese Gebäude mit höchstens zwei Zimmern waren allerdings sehr stabil und mussten nur sehr selten erneuert werden, da es in dem Land nur sehr selten regnete. Mittelpunkt eines jeden Dorfes war eine Statue vom Herrscher des Landes. Das Gesicht des hageren jungen Mannes zeigte in jedem Dorf in Richtung Schloss, auf dem der König wohnte. Auch die Stadtbewohner sahen jedes Mal, wenn sie ihre Steinhäuser verließen und zum Marktplatz gingen auf dessen Mitte eine Plastik ihres jungen Königs stehen. Man könnte meinen, dies sei ein ganz normales Land mit ganz normalen Einwohnern und einem ganz normalen König. Doch der Schein trügt. In dieser trostlosen Gegend lebten keine Menschen und auch der junge König war kein Mensch. Die Wesen, die dort lebten waren Dämonen. Es gab die unterschiedlichsten Arten von Dämonen. Solche, die ein menschliches Äußere und besondere Fähigkeiten hatte, solche, die den Menschen nicht im Entferntesten ähnelten und einige, die kein festes Äußeres hatten, die die Körper anderer Lebewesen besetzen mussten. Ein Beispiel für letzteres waren die so genannten „Steinkreisdämonen“. Diese Wesen lebten in Steinkreisen überall auf der Welt und nahmen die Körper von unachtsamen Wanderern, die in ihren Steinkreis traten, in Besitz und verdrängten nach einer bestimmten Zeitspanne die Seele des Besetzten. Sollte dies passieren hatte der Dämon ein festes Äußeres bekommen und das Ganz war nie mehr rückgängig zu machen. „Menschliche Dämonen“ fielen nur durch ihre besonderen Fähigkeiten auf. Viele von diesen waren physisch viel stärker als ein normaler Mensch, manche konnten zum Beispiel mit einem bloßen Faustschlag einen Stein zerschmettern. Auch beherrschten sie ausnahmslos bestimmte Dämonen- und Elementarzauber ohne diese groß erlernen zu müssen. Einer dieser Dämonenzauber waren zum Beispiel die „Dämonenflügel“. Ein Dämon, der diesen Zauber beherrschte, konnte, wann immer er mochte, lederne Flügel, die an die eine überdimensionale Fledermaus erinnerten, hervorrufen. Dämonen ohne ein menschliches Äußere sind diejenigen, die wohl jedes Kind kennt und die das Bild der Dämonen geprägt haben. Es gab sie in den verschiedensten Größen, Farben und Formen. Es gab sie mit menschlichem Körperbau, aber mit anderer Hautfarbe, wie zum Beispiel die Schattendämonen, deren Haut ausnahmslos mitternachtsblau war. Allerdings gab es auch Dämonen, die man eher mit Tieren als mit Menschen vergleichen wollte. Bestien wurden diese Wesen genannt. Monster. Eine dieser Bestien war die Medusa. Ihr Unterleib ähnelte dem einer Schlange. Auf ihrem Kopf trug sie statt einer Haarpracht ein Heer Schlangen, die fest mit der Kopfhaut verwachsen waren. Ein Mensch, der der Medusa in die orangeglühenden Augen sah, erstarrte augenblicklich zu Stein. Der Biss einer Medusa endete zumeist tödlich. Eine weitere Bestie waren die Zlurk, wie sie sich selbst bezeichneten. Die Zlurk waren eine Mischung aus Rate, Motte und Vogel. Der Rumpf der krähengroßen Dämonen war der eines nackten, also ungefiederten, Vogels und der Kopf ähnelte einer Ratte. Auch den langen rauen Schwanz fand sich bei einer Ratte wieder. Auf dem Rücken thronten, und darauf waren die Zlurk sehr stolz, zwei riesige weiche Mottenflüge. In der Burg auf einem hohen Hügel in der Landesmitte lebte der Dämonenkönig. Burg und Hügel waren so groß, dass man sie von jeden Ort des Landes aus erblicken konnte. Jedes normale Lebewesen wäre vor Angst erzittert, könnte es von überall aus auf diese Burg sehen, die Dämonen jedoch erfüllte dieser Anblick jedes Mal mit unbeschreiblichem Stolz. Schließlich hatten sie etwas vollkommen Zeitloses, dieses Monument für die Ewigkeit, geschaffen. Die Ältesten der Ältesten schwärmten ihren Nachfahren so oft sie konnten vor, wie sie geholfen hatten, den Palast für ihren König zu erbauen. Das Zentrum des pompösen Palastes bestand aus einem reichlich verzierten, großen, schwarzen Hauptgebäude. Dieses Hauptgebäude war Regierungssitz des Dämonenkönigs, hier befanden sich alle für die Regierung wichtigen Örtlichkeiten, so auch der Thronsaal. Von dem Thronsaal weg ging eine für das ungeschulte Auge unsichtbare Tür, die zu den Gemächern des Königs, in den ‚dunkeln Turm’, führte. Diese Räumlichkeiten lagen in einem der unzähligen, miteinander verbundenen Türme, dem dunkelsten. Auch diese Türme waren so pompös gebaut, dass man hätte glauben können, dass allein die Götter zu einem solchen Kunstwerk fähig gewesen seien. Kapitel 1: Begegnung -------------------- Der Dämonenkönig langweilte sich. Doch er musste in seinem Thronsaal bleiben und warten. Warten auf diesen kleinen Menschenkönig, der ihm heute sein erstgeborenes Kind vorstellen würde. Welches Geschlecht hatte dieses Menschenbalg eigentlich? Aber es konnte ihm ja egal sein, Mensch bleibt Mensch und dann auch noch mit so einem Vater… dagegen war der Dämonenkönig im Vergleich noch harmlos. Zwar führte er Millionen von Dämonen an, immer bereit zu kämpfen und für ihren König zu sterben, doch dieser Menschenkönig war zu allem fähig, ihm war es egal, ob Menschen, Dämonen oder Feen, Hauptsache, er hatte etwas, dem er seine Macht demonstrieren konnte. So litten die Menschenbauern unter zu hohen Steuern und wenn sie diese nicht bezahlen konnten, wurden sie eben Sklaven des Königs. Leibeigene nannte dieser sie. Absinth, so war der Name des Dämonenkönigs, spuckte vor Verachtung auf den Boden seines Thronsaales. Sofort kam eine Dienerin, eine kleine aschgraue Dämonin mit großen schwarzen Augen und Flügeln, die allerdings zu klein zum tragen ihres Gewichtes waren, mit einem Lappen angerannt und wischte die Spucke weg. Sofort, als könne allein der Anblick ihres Königs sie töten, purzelte sie wieder von dannen. Absinth seufzte. Nichts konnte er machen, ohne, dass gleich ein paar seiner Dämonen ankamen und hinter ihm aufräumten. Absinth war von hochgewachsener Statur. Sein schulterlanges goldschimmerndes weißes Haar glänzte, wenn es mit den wenigen Sonnenstrahlen, die in seinen Thronsaal gelassen wurden, in Berührung kam. Wie Absinth so dort auf seinem Thron lag und vor Langeweile in der Nase bohre, klopfte es auf einmal an der schwer verzierten Fichtentür. Daraufhin kam Yuki, Absinths erster Mann, hinein. Er war ein sehr großer Dämon, er überragte Absinth um etwa einen halben Kopf, und hatte genauso wie Absinth ein menschliches Äußeres. An seinem Gürtel hingen, wie immer, seine zwei Schwerter und Absinth musste bei seinem Anblick unwillkürlich lächeln. „Mein Herr“, Yuki stand nun auf dem Teppich, der die gleiche giftgrüne Farbe hatte, wie das Getränk, welchen der König so gerne trank. Er verbeugte sich tief. „Richte dich auf, mein Freund“, sagte Absinth mit einer Stimme, die schöner als die Chöre der Elfen und Feen klang, und Yuki gehorchte. „Der Menschenkönig und sein Kind stehen vor der Tür.“ Der Dämonenlord seufzte wieder. „Kannst du ihnen nicht sagen, dass ich nicht da bin?“ „Dafür ist es leider schon zu spät. Aber wenn Ihr meinen Rat hören wollt..“ Absinth lächelte. „Ja, ich vertraue deinem Rat.“ „Lasst die Menschen hinein und bringt es schnell hinter Euch. Dann können Sie heute noch etwas auf die Jagd gehen.“ Dabei zwinkerte er ihm zu. Absinth setzte sich auf und lehnte sich zurück. „Ja das wäre wohl das Beste… Lasse sie hinein…“ Yuki verbeugte sich leicht, dann drehte er sich um, ging aus dem Raum und schloss die Tür. Nach etwa einer Minute, trat ein prächtig gekleideter Mann ein. Ihm folgte ein kleines Kind, das für jeden Schritt des Mannes vier Schritte machen musste. Der Mann, es war der Menschenkönig, war sehr klein und untersetzt. Absinth fand das Wort ‚untersetzt’ noch untertrieben, er fand ihn eher fett, die goldenen Knöpfe seines strahlendweisen Hemdes hielten dem Bauch nur schwerlich stand. Die roten Haare, die das Balg sichtbar geerbt hatte, zeigten schon ersten Anzeichen Grau und von seinem Thron aus konnte Absinth mit Vergnügen den ersten Ansatz einer Halbglatze feststellen. Im Gegensatz zu ihm war das Balg fast mager. Nur am dem Kleidchen konnte Absinth erkennen, dass es ein Mädchen war, es war so zwei, drei Jahre alt und versuchte sich hinter seinem Vater, der mittlerweile auf dem grünen Teppich angekommen war, vor den Blicken Absinths zu verstecken. „Was findet Ihr nur an diesem seltsamen Grün?“ grüßte der Menschenkönig. „Ich hätte den Teppich schon längst rausgerissen, wenn Ich Sie wäre.“ Der Dämonenkönig stand auf. „Ich freue mich auch Euch zu sehen“, sagte er mit kalter Stimme. „Mir gefällt dieses Grün eben. Und wie ich meine Räume gestalte geht Euch einen feuchten Dreck an.“ Dann stellte er sich vor den Menschenkönig, die Hände in die Hüften gestemmt. „Ich bin auch froh, dass Ich nicht öfters in Euer Schloss muss. Aber nun kommen wir zu dem, weswegen Ich hier bin.“ Er bückte sich unter Anstrengungen und Absinth geriet wahrlich in die Versuchung ihn einfach umzuschubsen. Doch er ließ es. Der Menschenkönig nahm seine Tochter auf den Arm und wandte sich wieder Absinth zu. Dieser musterte das Mädchen. Glücklicher Weise sah sie ihrem Vater, abgesehen von der Haarfarbe, überhaupt nicht ähnlich. Wären die Haare nicht gewesen, hätte man meinen können, die Frau des Königs hätte mit einem anderen Mann geschlafen. Bei diesem Gedanken musste der Dämonenkönig grinsen. Das Mädchen versuchte sich im Arm ihres Vaters zu verstecken, doch dieser raunte ihr zu, sie solle dem Dämon ihre Hand reichen, ganz wie es sich für eine Prinzessin gezieme. Also nahm das kleine Gör all seinen Mut zusammen und reichte Absinth die Hand, welcher einen Kuss auf die weiche Kinderhaut hauchte. Wenn er ehrlich sein sollte, roch sie sogar gut. Dann sah er ihr in die großen violetten Augen. Auch diese musste sie von ihrer Mutter geerbt haben, denn ihr Vater hatte kleine wässrig-blaue Knopfaugen. Alles in Allem konnte er sagen, dass sich dieses Gör mal zu einer ansehnlichen Frau entwickeln würde... wenn er sie jetzt nicht auffraß. Auch dem Menschenkönig fiel wohl gerade ein, dass der Dämonenkönig für sein Leben gerne kleine Kinder fraß und er trat einen Schritt zurück. „Ihr Name ist Bridget und sie wird einmal Königin werden. Ich hoffe, dass Ihr mit ihr“, er fuhr ihr liebevoll über das Haar, „besser zusammenarbeiten werdet als mit mir.“ Damit drehte er sich um und schritt Richtung Tür. Das Mädchen aber schaute über die Schulter ihres Vaters und winkte Absinth fröhlich zu. Dieser winkte erstaunt zurück. Kinder! Als der König die Tür hinter sich geschlossen hatte, drehte er sich um. „Das war was“, seufzte er. „Ich hoffe, dieser alte Sack kommt nicht mehr oft hier her.“ Damit ging er aus dem Thronsaal und ging in seinen Umkleideraum zu. Kapitel 2: Versammlung ---------------------- 15 Jahre später Absinth lag auf dem Bett. Es war nicht so bequem wie sein eigenes, aber was sollte er schon erwarten? Er war bei den Elfen!! Diese Wesen scherten sich nicht um das Wohlergehen eines armen Dämonenkönigs, wenn dieser ihr Gast war. Dies war zwar selten der Fall, aber es passierte ab und an. So wie in diesen Tagen. Ganz freiwillig war Absinth allerdings nicht dort. Es gehörte zu den Pflichten der verschiedenen Herrscher, sich alle drei Jahre bei den Elfen zu treffen, wo sie sich berieten, oder, wie Absinth sagte, Kaffeekränzchen abhielten. Die Tür öffnete sich einen Spalt weit und etwas Kleines huschte ins Zimmer. Sofort erwachte Absinths Jagdinstinkt und er fasste das Fellknäuel. Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch das Knäuel, das sich als Bote der Elfenkönigin erwies, kam ihm zu vor. „Ich entschüldige misch aufs ’öchste, Eure Majestät, wenn isch Sie gestört ’abe, aber meine ’errin schickt misch, isch solle Sie ’olen. Die Versammlüng beginnt in Kürze.“ Das Tier schlüpfte aus Absinths Hand und jagte davon, um den anderen ‚Majestäten’ Bescheid zu sagen. Absinth trat auf den Flur hinaus. Dort sah er Meuric, der soeben aus seinem Zimmer trat. Meuric, war der König der Gestaltenwandler, einem seltsamen kleinen Völkchen. Sie waren in ihrer eigentlichen Form Tiere, jedoch konnten sie sich in einen Menschen verwandeln, umso besser an Beute, sie fraßen ausschließlich Menschenfleisch, zu kommen. Heute trug Meuric blutrote Augen und schulterlanges silbernes Haar, was seinem Körper gut stand, wie Absinth fand. Meuric wartete kurz, bis Absinth bei ihm angekommen war, dann gingen sie beide los, in Richtung Versammlungsraum. „Hast du schon gehört“, sagte Meuric, „Angeblich soll der alte Mensch krank sein und eine Vertretung geschickt haben. Ich denke, ich werde da gleich mal ein bisschen probieren, dass Fleisch, dass ich hier vorgesetzt bekomme, ist recht zäh und alt. Außerdem ist es von Tieren!!“ Ihm war seine Empörung anzusehen. „Ich denke nicht, dass du diese Vertretung anknabbern solltest, wenn der Alte das herausfindet, wird er auch noch die Letzten deiner Art suchen und töten“ erwiderte Absinth gelassen. „Aber sollte der trotzdem mal auf die Idee kommen, dies zu tun, du weißt, wo du mich findest. Du kannst bei mir immer unterkommen“ „Danke, ich bin mir deiner Freundschaft bewusst.“ Dann waren sie auch schon angekommen und traten ein. Dort mussten sie sich aber leider trennen, da der Platz des Dämons nicht in der Nähe des Gestaltenwandlers war. Seltsamer Weise aber war die Elfenkönigin, Aroha, noch nicht auf ihrem Platz, was er noch nie erlebt hatte, auf jeden Fall konnte er sich nicht daran entsinnen. Nun kam Zoja, die Fee, ein kleines zerbrechliches Ding, das eben so aussah, wie man sich Feen vorstellte, glitzernd, glänzend und so, angeflattert und ließ sich zu Absinths Linken nieder, nicht ohne ihm einen verächtlichen Blick zuzuwerfen. Als nächstes kamen Costel, der Werwolf, groß gewachsen und wie immer leicht unordentlich gekleidet, und Silver, der Vampir, der sich in seinem langen schwarzen Ledermantel verbarg, der wirklich gut zu den schwarzen Haaren und roten Augen aussah, und setzten sich auf ihre Plätze. Silver setzte sich neben Zoja und Costel gegenüber von Silver, wo er rechts neben Meuric saß. Jetzt wurde Wiremu, der Wassermann, Ekel erregend schuppig, mittelblau und verziert mit Wassergemüse, in seiner Badewanne herein geschoben, er kam direkt neben den Vampir. Eine Weile lang passierte nichts und Absinth fühlte sich schon leicht ausgeschlossen, als der Orkkönig Egil, verfolgt von einen Einhorn, herein gerannt kam. Egil war ein widerlich aussehender Zeitgenosse. Sein aufgequollener, vernarbter Kopf saß auf einem ebenso aufgequollenen Körper, der in einen Lederharnisch gezwängt war. Trotzdem war der kriegerische König ein guter Gesprächspartner und ein noch besserer Schachspieler, denn man konnte behaupten, was man wollte, gut Strategien konnte Egil in seinem Orkhirn planen. Das Einhorn hingegen war auf eine andere Art widerlich. Es war nämlich von strahlender Schönheit, was Absinth gar nicht behagte. Auf seiner Stirn thronte ein etwa ein Meter langes, ineinander verschlungenes, goldenes Horn. Absinth wusste zwar nicht, was Egil getan hatte, aber die Verfolgung sah so lächerlich aus, dass er grinsen musste. Egil warf ihm einen Blick zu und grinste mit seiner hässlichen Fratze die Fee, die ihm gegenüber saß, an. Diese blickte ihn nur mit angewidertem Gesicht an. Das Einhorn, strahlend weiß, stellte sich neben den Gestaltenwandler und unterhielt sich mit der rot-getigerten Katze, die mittlerweile hingekommen war. Die einzigen, die nun noch fehlten waren die Elfe, der Zwerg und der Mensch. Das Menschenwesen sollte Absinth gegenüber kommen und die Elfe zwischen die beiden, ans Tischende. Absinth bemerkte, dass ein Stuhl noch fehlte und so erkundigte er sich bei dem Orkkönig über den Zwerg, da dieser zumeist sehr gut über die Tätigkeiten der Völker informiert war. So erfuhr er, dass der Zwergenkönig dieses Mal nicht zu der Versammlung komme. Der kleine Mann mit den buschigen Augenbrauen und dem langen verfilzten Bart befand sich nämlich gerade im Krieg, besser gesagt, die verschiedenen Clane bekämpften sich gegenseitig, und da konnte und durfte der Zwerg nicht einfach für ein paar Tage verschwinden, um sich mit den anderen Königen zu treffen. Das würde zu noch mehr Chaos und Zerstörung in den Bergen führen, als es ohnehin schon gab. Kapitel 3: Wiedersehen ---------------------- Plötzlich unterbrach das Gemurmel und Absinth sah zur Tür, wo jedoch niemand war. Er runzelte die Stirn. Das Gekicher der Fee wies ihn darauf hin, dass der den Kopf wenden sollte, was er auch schnell tat. Es war ihm schon peinlich genug, dass diese überhaupt gekichert hatte. Dort sah er aus einem Hinterkämmerchen, dass er zuvor nie bemerkt hatte, Aroha, eine Elfe, wie sie im Buche stand und noch steht, makellos, glänzend, rein, mit einer Hautfarbe wie Gold und tiefblauen Augen, wie die größten und ältesten Seen, kommen. Bei Elfen konnte man nie wissen, was sie denken, sie verzogen selten eine Miene. Dafür sammelte sich der ganze Zorn der Jahre – und Elfen konnten lang leben – in ihnen und brach manchmal wegen einer kleinen Nichtigkeit heraus. Absinth hatte dies noch nie erlebt, aber er hatte dies aus verlässlicher Quelle, der Frau die ihn unterrichtet hatte, erfahren. Hinter der Elfe ging eine Menschenfrau her. Absinth verdrehte die Augen. Als ob nicht schon genug dieses Weibervolkes an diesem Tisch saß, nein, jetzt musste auch noch eine Menschenfrau dazu kommen. Er musterte die Frau, die ihm gegenüber Platz genommen hatte und leicht verlegen dreinblickte. Sie war schön, das konnte er nicht leugnen. Irgendwie kam sie ihm entfernt bekannt vor, er wusste nur nicht woher. Sie hatte langes rotes Haar, genauso wie der Menschenkönig in alten Zeiten, und violette Augen, die scheinbar auch Absinth musterten. Das Mädchen trug ein dunkles, violettes Gewand, das ihre Augen noch mehr betonten. Doch woher kannte er sie nur?? Durch ein Räuspern Arohas wurde er aus seinen Gedanken gerissen. „Willkommen liebe Freunde. Wir haben heute ein neues Mitglied in unserem Rat zu begrüßen. Ihr müsstet sie alle kennen, sie ist Bridget, die Tochter des Menschenkönigs. Da ihr Vater zu alt ist, um die Reise in mein Schloss auf sich zu nehmen, wurde sie entsandt um ihn zu vertreten. Weil sie auch die zukünftige Menschenkönigin sein wird, war diese Entscheidung von ihm zur Abwechslung mal gar nicht so dumm.“ Dabei sah sie Bridget an und lächelte. „Doch nun zu dem, weshalb wir hier sind. Wir wollen über die Probleme unter den Völkern reden und versuchen sie friedlich zu lösen.“ Die Fee stand auf. „Wir haben ein Problem“, kreischte sie. „Und zwar mit diesen widerlichen Orks, die unser Land durch ihre bloße Anwesenheit verpesten!!“ Egil sprang auf. „Das ist nicht wahr“, grunzte er, „Ihr Feen nehmt uns Land weg. Und dann …“ Doch der Dämonenlord hörte nicht mehr zu. Er erinnerte sich gerade an Bridget, das kleine magere Gör, das seinen ganzen Mut zusammengenommen hatte, um Absinth zu begrüßen. Dann erinnerte er sich an diese großen Augen. Diese großen Augen, die diese Bridget irgendwie immer noch hatte. Während die anderen über dieses langweilige, aussichtslose Thema diskutierten, beobachtete Absinth das Menschenmädchen verstohlen aus den Augenwinkeln und versuchte sie einzuschätzen. Ja, diese Bridget war trotz langweiliger Versammlung recht gut gelaunt... vielleicht war sie das sogar meistens. Wahrscheinlich war sie ein ganz anderer Charakter als ihr Vater, die Menschen mochten, nein, liebten sie, sie war immer nett zu ihrem künftigen Volk, gab dem Armen, würde vermutlich wenn sie an der Macht sei, die Steuern der Reichen erhöhen und die der Armen senken. Dann würde sie noch die Leibeigenen befreien und und und … Ja, das konnte er sich bei diesem Gesicht gut vorstellen. Die Leute liebten sie bestimmt, sie sah ja auch sympathisch aus. Ja, Bridget würde eine Königin, wie sie die Menschen brauchen… Dann bemerkte er zufällig, wie dieses Weib ihm in die Augen blickte und er wandte schell seinen Blick der Diskussion zu. Wieso musste sie das nur bemerkt haben? Musterte sie ihn etwa auch? Er schielte noch mal zu ihr. Ja, das tat sie wirklich. Absinth musste grinsen. So was geziemte sich aber nicht für eine Prinzessin, nein, das tat es wirklich nicht. Die Worte Arohas weckten Absinth aus seinen Gedanken. „Sonst noch irgendwelche Beschwerden? Nein? Gut, dann ist die Versammlung hiermit für dieses Jahr beendet, ich würde mich freuen, wenn ihr noch einige Tage bleiben würdet.“ Doch das hatte Absinth nicht vor. Er wollte so schnell wie möglich aus diesem Elfenpalast raus, zurück zu den Seinen. Wieder in seinem Raum, lag der Dämonenkönig auf seinem Bett, kraulte sich den Bauch und dachte noch etwas über diese Menschenfrau nach. Auf einmal klopfte es und vor Schreck kratze er sich. Die Tür öffnete sich vorsichtig, als er fluchte. Er schaute auch nicht auf, da er dachte, dass der Gestaltenwandler gekommen sei. Da meldete sich eine zarte Stimme. „Tut mir leid, wenn ich Euch erschreckt habe.“ Beim Klang dieser Stimme, süß wie Honig, schaute Absinth verwirrt auf, er dachte immer noch, dass Meuric eingetreten war, und er sah… Bridget! „Was willst du?“ knurrte Absinth, sauer wegen seiner Schusseligkeit und dass er nun einen Kratzer auf seinem schönen weißen Bauch hatte. „Habt ihr Euch weh getan?“ fragte das Mädchen. „Nein“ knurrte er und ging auf Bridget zu. Diese wich einen kleinen Schritt zurück und stand nun an der Wand, Absinth genau vor ihr. Er drückte die Hände gegen die Wand, Bridget stand dazwischen. „Mutiges Ding, ihr wisst, was Ich alles mit euch machen könnte, seid ja ein schlaues Weib. Aber was wollt Ihr in meinen Gemächern?“ fragte er sie grinsend. Absinth merkte, dass Bridget gut roch, genauso gut, wie das kleine Mädchen von damals und er spürte ihren Atem auf seiner Haut, als sie sprach. Irgendwie hatte dies etwas Vertrautes… doch er wusste nicht woher, irgendwie tat ihm der leicht aufgeregte Atmen auch gut. Doch wieso? Bridget, so fiel ihm auf, war davon unbeeindruckt geblieben, was ihn leicht aufregte. „Ich wollte“, sagte sie mit dieser Stimme, die Absinth sehr gefiel, „Ich wollte eigentlich nur gute Zusammenarbeit in der Zukunft wünschen. Schließlich sind Sie der Dämonenkönig und mein Vater ist der Menschenkönig. Dann wollte ich auch schon wieder gehen.“ Sie schlüpfte unter Absinth durch und verließ mit wehenden Röcken den Raum. Absinth atmete tief ein. Bridgets Duft lag immer noch im Raum. Doch schon nach wenigen Minuten verflüchtigte er sich. Absinth seufzte und legte sich auf sein Bett, er wollte versuchen etwas zu schlafen, doch er konnte es nicht. Er musste andauernd an dieses, wie er fand, recht freche Menschenweib denken. Kapitel 4: Trauer ----------------- Drei Jahre später Die Zeit verging. Menschen sind nicht unsterblich. Auch ihre Könige nicht. So starb an einem schönen Sommermorgen der Menschenkönig, nachdem er drei Jahre dahingesiecht war. Als Absinth diese Nachricht erhalten hatte, musste er lachen. Sogar der Himmel freute sich, dass der Menschenkönig gestorben war und nun seine Tochter auf den Thron kam. Zusammen mit der Nachricht für die Beerdigung kam auch die Einladung für die Krönung, wie immer, denn wenn man die Menschen zu lange ohne König oder Königin ließ, benahmen sie sich wie kopflose Hühner. Doch Absinth ging gerne zu der Beerdigung, drei Tage später sollte schon die Krönung stattfinden. Seltsamer Weise freute sich Absinth darauf, Bridget, die er seit drei Jahren nicht mehr gesehen hatte, wieder zutreffen. Er fragte sich, ob sie inzwischen geheiratet hatte und spürte ein Ziehen in der Brust. Was war das? War er etwa krank? Nein, das konnte nicht sein. Er war der Dämonenkönig, ein Dämonenkönig wird nicht krank! Oder doch? Nein, so was war noch nie vorgekommen und wird es auch nie, dachte er sich und schloss vorsichtshalber das Fenster. Trotzdem ging es ihm nicht besser, als er sich Bridget vorstellte, glücklich mit einem Menschenmann verheiratet, vielleicht hatte sie sogar schon Kinder. Doch er verwarf den Gedanken sofort. Nein! Bridget hatte noch nicht geheiratet und hatte auch noch keine Kinder, dann hätte er, der Dämonenkönig doch davon erfahren müssen. Und er hatte nichts Dergleichen von den Menschen erfahren. Bei diesem Gedanken beruhigte er sich ein wenig und das Ziehen in seiner Brust verschwand fast ganz. Doch bei dem Gedanken, dass sie vielleicht verliebt war, glücklich verliebt war, kam dieses Ziehen wieder. Und der Gedanke, dass sie unglücklich verliebt war, machte ihn rasend. Keiner hatte die zukünftige Menschenkönigin unglücklich zu machen. Absinth, alter Junge, dachte er sich. Beruhige dich. Keiner würde Bridget unglücklich machen wollen. Sie ist eine wunderbare Menschenfrau, die von allen geliebt wird. Ok, von fast allen. Von dir nicht, aber von den Menschen. Dann ging Absinth aus dem Zimmer, in dem er gerade stand hinaus und ging geradewegs in sein Arbeitszimmer, in dem er alles Mögliche für die Reise in das Schloss von Bridget veranlasste. Nein, Kutsche fuhr Absinth nicht wirklich gerne. Doch glücklicher Weise war die Kutschfahrt zu Ende und er hatte wieder festen Boden unter den Füßen. Wie sehr hätte er mit Yuki, der auf einem Dämonenpferd neben der Kutsche hergeritten war, getauscht, doch dafür war es jetzt auch zu spät. Außerdem war er der Dämonenkönig, da musste eine gewisse Standart bewahrt werden. Aber nun schritt er galant mit Yuki und seinen Wachen durch den Flur, auf dem Weg um der Noch-Prinzessin das ‚herzlichste’ Beileid auszurichten. Er wurde von einer alten Frau durch eine kleine Tür geführt, Yuki und seine Männer mussten draußen bleiben. Die Frau legte den Finger auf die spröden Lippen und machte ihm klar, dass er eintreten solle. Absinth sah sich um. Im ersten Moment konnte er vor Dunkelheit nichts erkennen, doch dann sah er Bridget, die auf ihrem Bett saß und sehnsüchtig aus dem Fenster schaute. Wie sie dort saß, in ihrem langen schwarzen Kleid und den zerzausten Haaren, sah sie fast noch schöner aus, als damals, als sie sich bei der Elfe getroffen hatten. Und irgendwie erinnerte sie ihn immer noch an das kleine Mädchen, das ihn mit seinen Vater besucht hatte. „Ähm,“ Absinth räusperte sich. Bridget drehte vor Schreck, sie hatte wohl sein Eintreten nicht bemerkt gehabt, den Kopf zu ihm und Absinth sah ihr Gesicht. Es sah fürchterlich aus. Der Verlust ihres Vaters hatte sie wohl schwer mitgenommen. Die Augen waren rot geweint und die Schminke, die noch ziemlich frisch aussah, war aufs heftigste verlaufen. Sie nickte ihm zu und sah sofort wieder aus dem Fenster hinaus. In ihren Augen konnte Absinth ein Glitzern erkennen, das eindeutig nicht vor Freude da war, es waren Tränen. Absinth vertrug zwar viel, aber er konnte keine schönen Frauen weinen sehen. Also ging er leise zu ihr und setzte sich. Bridget beachtete ihn nicht. „Es tut mir Leid, dass dein Vater gestorben ist“, sagte er leise. „Glaube ich nicht. Niemand mochte ihn, weil sie ihn widerlich fanden. Aber ich weiß, im Grunde seines Herzens war er gar nicht so… Ich bin vielleicht die einzige Person, die wirklich um ihn trauert.“ „Ja“, er fuhr ihr mit der Hand sanft über die Haare, „aber dein Vater war eine starke Persönlichkeit, auf jeden Fall in seiner Jugend. Da hatte er mehr Ähnlichkeit mit dir, als du denkst.“ Ganz unbewusst duzte er Bridget. Bridget drehte sich um, sodass sie nun ihm nun direkt ansah. „Aber..“ Sie hatte wieder Tränen in den Augen und die Verzweiflung und Angst waren ihr anzusehen. Angst, dass sie den Job der Königin nicht gut machen würde. Angst, dass sie alles falsch machen würde. Angst, dass die Menschen sie nicht akzeptieren würden. Angst… Dann ließ sie den Tränen freien Lauf und Absinth drückte sie sanft an seine Brust. „Weine ruhig, meine kleine Königin. Weine so lang, bis es dir besser geht.“ Und sie ließ den Tränen freien Lauf. Es kam Absinth vor, als ob sie Stunden dort gesessen hätten, Bridget geweint hatte und Absinth ihr sanft über das Haar gefahren war. Irgendwann waren die Tränen versiegt und Absinth wollte aufstehen und gehen. Doch Bridget hielt ihn fest. „Gehe nicht… bitte…“, flüsterte sie leise. Doch Absinth konnte nicht bleiben. Also hauchte er ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich muss, meine kleine Königin, aber morgen bin ich immer noch da. Soll ich morgen vor der Beerdigung noch mal vorbeikommen?“ fragte der Dämonenkönig sanft und Bridget nickte. Dann fuhr er ihr mit dem Handrücken nochmals über die Wange und ging langsam aus dem Raum hinaus. Kapitel 5: Beerdigung --------------------- Ein neuer Morgen war angebrochen. Absinth lag in seinem Bett, in dem ihm zugewiesenem Zimmer. Es war ein schönes Zimmer. Groß war es und schick eingerichtet. In einer Ecke stand ein großer dunkelbrauner Schrank, in einer anderen ein Bett. Es war schwarz-grün bezogen. Wer hatte nur gewusst, dass dies seine liebste Farbkombination war? In einer dritten Ecke stand ein eleganter Schreibtisch, gemacht aus dem gleichen Holz wie Schrank und Bett und sehr schön verziert. Ob der Meister noch lebte? Eher nicht. Über diesem Kunstwerk hing ein Weiteres. Ein alter Ölschinken. Eine Landschaft, in deren Mittelpunkt ein dunkelblauer See lag. Am Ufer weideten Schafe. Kitschig. Heute war der Morgen, an dem Bridgets Vater beerdigt werden sollte. Absinth war vollkommen wach, doch er wollte nicht aufstehen. Er hatte zwar Bridget versprochen heute Morgen sie noch mal zu besuchen, aber er wusste ja nicht, ob Bridget schon aufgewacht war. Aber, wenn sie schon wach war, wartete sie dann nicht auf ihn? Es war zum Verrückt werden mit diesen Weibern, dachte sich Absinth, als er dann doch die Decke zurück schlug und die schwarze Kleidung anzog. So trat er auf den Flur hinaus und schlich, glücklicher Weise wusste er noch den Weg, zu Bridgets Gemächern. Doch als er vor der Tür stand, wollte Absinth am Liebsten wieder in sein Bett. Er traute sich nicht anzuklopfen. Also lehnte er mit einem schweren Seufzer den Kopf an die Tür und ein ‚Herein’ ertönte, ganz zu Absinths Verwirrung. War sein Schädel etwa so hart? In seiner Verwirrung trat er ein. Das erste was er in dem Halbdunklen Zimmer sah waren Brüste. Aber es waren nicht Bridgets Brüste, nein. Es waren alte Brüste. Sein Blick wanderte höher und er wurde blass. Das war die Amme, die ihn schon zu Bridgets Gemächern geführt hatte. In Gedanken ging er noch mal den Weg zurück. Da war er doch tatsächlich zu früh abgebogen! Die alte Frau sah auf. Sie merkte zwar, dass jemand im Zimmer war, aber sie wusste nicht wer. Dies war Absinths Glück. Nach einem letzten, unfreiwilligen, Blick auf die Brüste der Frau, schlüpfte er wieder hinaus und erbrach sich in einen Blumenkübel. Schnell floh er aus dem Gang und ging in den Richtigen, in dem Bridgets Gemächer lagen. Ja. Dies waren die echten Räume. Schnell klopfte er an und hörte die wohlklingende Stimme Bridgets an der Tür. Absinth trat ein, auf das Schlimmste gefasst. Was er sah, war noch schlimmer, als das, was er vermutet hatte. Bridgets Haare standen in alle Richtungen ab, ihr Kleid war in einem schrecklichen Zustand, es sah aus, als ob sie es für die Nacht nicht abgelegt hatte. Und ihr Gesicht, ja ihr Gesicht war das schlimmste. Unter der verschmierten Schminke, die schon am Abend zuvor schrecklich aussah, jetzt aber getrocknet war, konnte man Augenringe sehen. Wahrscheinlich hatte das Mädchen in der Nacht nicht schlafen können. Bridget Absinth zugewankt. „Da bist du ja endlich, ich habe schon auf dich gewartet“, hauchte sie hervor, kurz bevor sie übermüdet in Absinths Arme fiel. Dieses war erstmal für einen kurzen Moment perplex, genauso perplex wie bei seinem ‚Abenteuer’ mit der Amme. Dann aber nahm er Bridget auf den Arm und trug sie in ihr Bett. „Du bist schon ein dummes Mädchen, kleine Königin“, sagte er zu ihr, als sie ihn schwach anlächelte. „Du hättest schlafen sollen!“ „Ich wollte doch, aber ich konnte nicht.“ Absinth strich ihr die Haare aus dem Gesicht. „Ich werde sehen, was ich für dich tun kann.“ Dann ging der Dämon Schminktisch in der Ecke und suchte Creme und Tücher hervor. Beladen mit diesen Sachen ging er zurück zum Bett. Dort suchte er eine bestimmt Flüssigkeit heraus, die zum Abschminken benutzt wurde, und entfernte vorsichtig Bridgets Make-up. Wie er so dort saß, merkte er, dass sie kurze Weile später eingeschlafen war. Ja, sie war ein wirklich seltsames Mädchen. Als das Gesicht der Trauernden wieder sauber war, betrachtete Absinth die Augenringe. Nein, diese ließen sich nicht so leicht entfernen, da musste Bridget einfach nur schlafen. Vorsichtig, dass die Königin ja nicht aufwachte, nahm er ihre Haare und eine Bürste und versuchte diese zu bändigen. Dieses dumme Mädchen. Hatte die Amme ihr denn nicht beigebracht, dass sie ihre Haare pflegen müsse? Es sah nicht so aus. Doch nach einem harten Kampf konnte man die Haare wieder mit den Fingern durchfahren, was Absinth sehr gerne tat. Gerade wollte Absinth aufstehen und leise gehen, als Bridget sich auf die Seite drehte, Absinths Schoß als Kopfkissen benutzte und sich auch noch an ihm festhielt. Absinth war begeistert. Jetzt spielte er Kopfkissen, für das Königsbalg. Aber er hatte sich diese Situation selber eingebrockt, also blieb er sitzen. Nachdem Bridget dann irgendwann aufgewacht war, schminkte er sie und sie zog sich um. Dann ging Absinth zurück in seine Gemächer und Bridget langsam runter zu der alten Kathedrale. Da sie die Tochter des Verstorbenen war, musste sie vor allen anderen Personen anwesend sein. Als es dann an der Zeit war, ging auch Absinth hinunter. Dort unten war es schon Recht voll, doch wegen seiner Position war ein Platz in einer der vorderen Reihen für ihn reserviert. Zufälliger Weise konnte er von diesem aus Bridget sehr gut beobachten. Wie er zufrieden beobachtete, weine sie während der Zeremonie nicht mehr, auch sah sie schon viel besser aus. Höchstwahrscheinlich hatte sie keine Tränen mehr. Dann endlich sollte der Leichnam begraben werden, doch dort durften nur Bridget, wenige Auserwählte und die Totengräber mit. Abgesehen davon, wollte Absinth auch nicht dort hin. Also ging er mit Yuki direkt zum Beerdigungsessen. Von dort aus, leider gab es nicht sein Lieblingsgetränk, der Wein war jedoch auch genießbar, ging Yuki irgendwann in dessen Kammer und Absinth ging auch in sein Gemach, da verbrachte er den weiteren Tag. So wurde es endlich Abend. Absinth hatte Bridget seit der Beerdigung nicht mehr gesehen und vermisste sie irgendwie. Er lag in seinem Bett und las ein Buch. Er trug ein schönes Samtnachthemd, es hatte die gleiche Farbe wie seine Augen, eisblau. Es war schon spät, doch plötzlich klopfte es. Wer konnte dies nur sein? Er erwartete keinen Besuch mehr. Dann öffnete sich die Tür. Absinth blickte von seinem Buch, ‚175 Arten einen Ork zu töten’ von Njorn Hunt, auf. Es wurde ein Kopf durch die Tür gesteckt. Es war Bridget. „Was willst du denn hier?“ fragte er sie staunend, als sie eintrat. „Tut mir Leid, wenn ich dich störe“, antwortete sei als sie an sein Bett tapste. Der Dämonenkönig musterte sie. In diesem moosgrünen Nachthemd sah sie einfach zu süß aus. Sein Blick blieb einen kurzen Moment an ihrem Ausschnitt hängen, dann sah er ihr ins Gesicht. „Nein, du störst nicht, wobei den auch?“ fragte er und lächelte. Bridget zeigte auf das Bett. „Darf ich zu dir kommen, ich kann nicht schlafen…“ Sie blickte zu Boden und kletterte dann, ohne eine Antwort abzuwarten, zu Absinth unter die Bettdecke. Dieser schaute zuerst überrascht, lächelte dann aber sanft. „Natürlich, kleine Königin. Warum bist du gerade zu mir gekommen? Ich meine...“ „Nun ja...“ sie zögerte. „Weil du heute morgen... und gestern Abend... und weil... na ja…“ Sie blickte weg, aber Absinth bemerkte jedoch trotzdem, dass sie rot wurde. „Das ist schon okay“, grinste er und gab ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. „Schenkst du mir deinen morgigen Tag?“ Die Frage kam unerwartet. Bridget schaute ihm tief in die Augen. „Morgen ist mein letzter Tag, an dem ich nicht durch die Königbürde gebunden bin, diesen möchte ich gerne in guter Erinnerung behalten.“ „Gerne doch, kleine Königin. Doch wir sollten schlafen, sonst haben wir keine Energie um den Tag durchzustehen.“ Bridget lächelte und kuschelte sich an den Dämon. So schlief sie ein. Absinth hingegen lag noch einige Zeit wach und dachte über das Mädchen das ihn immer wieder aufs Neuste überraschte nach. Dann schlief auch er ein. Kapitel 6: Verschwinden ----------------------- Absinth wachte auf, drehte sich um und sah direkt in Bridgets schlafendes Gesicht. Wie schön sie doch aussehen konnte, sie lächelte sogar, von was sie nur träumte? Er setzte sich auf und weckte sie sanft. „Wach auf, kleine Königin, die Zeit der Träume ist vorbei.“ Er küsste sie sanft auf die kleine Nase. Es sah witzig aus, wie diese sich danach kräuselte. Kurz darauf schlug Bridget die Augen auf. „Wo bin ich?“ gähnte sie. „In meinem Bett“, erwiderte Absinth grinsend. „Dann habe ich ja nichts Schlimmes zu befürchten, oder?“ „Nein, das hast du wirklich nicht“ Er streichelte ihr über das Haar. „Ich habe irgendwie leichte Kopfschmerzen, ich glaube, ich habe gestern Abend ein, zwei Gläser Wein zu viel getrunken“ Absinth schaute sie verwirrt an, Bridget aber grinste. „Nein, quatsch, mir geht es super.“ „Dann bin ich ja beruhigt.“ Er atmete hörbar erleichtert aus. „Keine Angst, ich trinke nicht viel.“ „Das will ich auch von einer Königin erwartet haben“, antwortete er vorwurfsvoll. „Selbst wenn es nur eine kleine Königin wie du ist.“ „Ich kann machen, was ich will“, sagte Bridget entrüstet. „Ich weiß“, er stupste gegen ihre kleine Nase. „Aber trotzdem solltest du das nicht tun. Du sollst doch ein Vorbild für dein Volk sein, glaube mir, ich habe Erfahrung in solchen Dingen.“ Absinth lächelte sanft. „Doch nun gehe und kleide dich an, ich habe dir zwar meinen heutigen Tag geschenkt, aber ich möchte ihn nicht im Bett verbringen und du sicher auch nicht.“ Er schubste sie mit sanfter Gewalt aus dem Bett und sprang hinterher. Dann schlüpfte Bridget aus dem Zimmer, Absinth schloss die Tür und lehnte sich gegen diese. Dort rutschte er dann auf den Boden und fasste sich an die Brust, in der sein Herz mit solch einer Intensität schlug, wie er es in seinem Leben noch nie erlebt hatte. Wieso? Was besagte dieses Herzklopfen? War es wegen Bridget? Nein, das konnte nicht sein, das war purer Zufall. Dass sein Herz so schlug, lag nur daran, dass er in diesem Menschenhaus war, diese verdammten Menschen waren Schuld. Ja, genau, diese Menschen unter dieser süßen Bridget waren Schuld. Bridget… Absinth musste seufzen. Bridget… „Nein, Absinth, reiß dich zusammen, alter Knabe…“ murmelte er, schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Doch er konnte es nicht, vor seinem geistigen Auge tauchte immer wieder dieses Gesicht mit dieser süßen Nase auf, Bridgets Gesicht. Absinth kniff sich in den Arm, dann ging es wieder, und er zog sich an. Der Dämonenkönig klopfte an die Tür – wieder einmal – und trat ein. Ein flüchtiger Blick und er ging wieder hinaus. Das, was er gesehen hatte, hatte ihm zwar gefallen, aber trotzdem wusste Absinth nicht, ob es Bridget recht war, wenn er beobachten würde, wie sie sich umzog. Also schloss er leise die Tür und wartete. Absinth fasste sich eher zufällig an die Wange und merkte, dass sein Gesicht glühte. Fieber? Oder konnte es wirklich sein, dass dieses Menschlein Schuld war? Nach einiger Zeit, er war sich sicher, dass sie nun komplett angezogen war, klopfte er abermals sanft an und trag hinein. Seine Vermutung hatte sich bestätigt, Bridget saß an ihrem Schminktischlein und Absinth trat hinter sie. „Soll ich dir wieder helfen?“ grinste er. „Nein, aber du kannst mir gleich die Haare bürsten, wenn du willst.“ „Aber mit Vergnügen, meine kleine Königin.“ Er machte eine leichte Verbeugung und löste Bridgets Zöpfe. Das lange Haar fiel ihr über die Schultern und Absinth musste es aus einem ihm unbekannten Trieb heraus in die Hand nehmen und küssen. „Du hast wunderschönes Haar, meine kleine Königin.“ „Danke“ Absinth konnte im Spiegel auf Bridgets Wangen eine leichte Rötung erkennen. Warum das denn? So heiß war es doch gar nicht in dem Zimmer?? Er nahm die Haarbürste, die Bridget ihm gab, und für einen kurzen – zu kurzen - Moment berührten sich ihre Fingerspitzen. Da merkte es Absinth, er wollte die kleine Königin nicht nur mal kurz an den Fingern berühren oder ihre Haare berühren, nein, das war ihm zu wenig, er wollte mehr, länger. Doch er spürte auch, dass die Zeit dazu noch nicht gekommen war, also seufzte er innerlich und kämmte das schöne rote Haar. Das Haar, dessen Farbe, er bei Bridgets Vater so verabscheut hatte… Ja, das Leben kann schon seltsam sein… „Dich bedrückt doch etwas. Sag es mir!“ Diese Worte rissen Absinth aus seinen Gedanken. „Nein, kleine Königin, es ist nichts. Auf jeden Fall nichts, dass sich geziemen würde, von dir gehört zu werden.“ Er versuchte zu lächeln, doch das, was er zustande brachte, sah sehr seltsam aus. Offensichtlich fand dies auch Bridget, denn sie musste kichern. „Halte bitte still, sonst kann ich dich nicht richtig kämmen.“ „Ja, gut… Absinth?“ „Ja?“ „Ach nichts…“ Bridget schaute nicht in den Spiegel, während sie dies sagte. Sie sind schon seltsam, diese Menschenweiber… Dann legte er die Haarbürste fort und half der jungen Königin auf. „Den Verlauf des Vormittages dürft Ihr bestimmen, meine kleine Königin. Ihr habt die vollkommene Macht über mich.“ Dabei verbeugte er sich tief und Bridget sagte ihm, er solle sich gerade hinstellen, so ein Verhalten wäre ihr peinlich. Dann schlichen die Beiden sich aus den Räumlichkeiten der Königin, wie Absinth erstaunt und doch begeistert bemerkt hatte, hatte Bridget seine Hand umfasst. Bridget legte einen Finger auf ihre süßen Lippen und Absinth ging schweigend hinter ihr her. Er hörte, dass einige Menschen im nächsten Gang marschierten und sich leise über ihre Königin unterhielten. Die Wachen konnten froh sein, dass Bridget sie nicht hören konnte, dieses Gespräch würden ihr gar nicht behagen. Absinth schwieg weiter, da Bridget ihm ja befohlen hatte, zu schweigen. Das Mädchen blickte um die Ecke, sah die Wachen und schlug einen anderen, unbewachten Weg ein. Nun standen sie vor einer Wand, an der ein Bild eines Absinth unbekannten Künstlers hing. „Was sollen wir hier? Hier geht es nicht weiter...“ „Das sagst du“, antwortete Bridget grinsend. Schon schob sie das Bild zur Seite und eine lange dunkle Treppe wurde freigelegt. Der Dämonenkönig hob eine Augenbraue. Bridget lachte. „Ich war auch einmal Kind, habe das Schloss erkundet und wollte raus.“ Sie trat vorsichtig auf die erste Stufe und zog Absinth hinter sich her. Damit hatte Absinth nicht gerechnet und er stolperte auf Bridget, die die Treppe hinunter gefallen wäre, hätte Absinth sie nicht festgehalten. Dann schob Absinth das Bild wieder vor das Loch und es wurde ganz dunkel um sie herum. „Kannst du was sehen?“ fragte Bridget, als sie sich an Absinths Arm klammerte. „Ja“, antwortete dieser, während er mit einem Lächeln bemerkte, dass Bridget leicht errötete. Er konnte dies zwar nicht sehen, aber er spürte die Wärme in ihrem schönen Gesicht. Dann gingen sie los. Wie lang diese Treppe wohl sein, fragte sich der Dämon. „250 Stufen“, murmelte die künftige Menschenkönigin ungefragt. Absinth hoffte, diese Treppe würde ewiglich dauern. Doch irgendwann war sie leider zu Ende und sie gingen ein Stück auf ein Licht zu. Vor einer runden Öffnung war ein rostig-braunes Eisengitter, welches ganz leicht von Absinth raus genommen wurde. Er ließ Bridget hinausgehen und folgte ihr auf eine Wiese. Wenn es nach Absinth gegangen wäre, hätten sie ruhig dort bleiben können, doch Bridget ging quer über die Wiese und schaute einige Male leicht verunsichert zum Schloss zurück. Vielleicht wollte sie nur sicher gehen, ob sie nicht verfolgt würden. Hinter der Wiese lag ein großer, recht alter Wald. Erst als sie einige Meter in diesem waren, fühlte sich das Mädchen richtig frei, ja, geradezu erleichtert, dass sie das Schloss hinter sich gelassen hatten. Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)