Edward - Bis(s) der Tag anbrach von Ricchan ================================================================================ Kapitel 11: Nochmal von vorne ----------------------------- Kapitel 11 Noch mal von vorne Und als ich rannte, überlegte ich. Ich brauchte einen Plan…einen, durch den Mr Berties Verdacht sofort zerstreute! Aber es gab keinen. Die einzige sinnvolle Lösung die mir einfiel, war von hier zu verschwinden. Einfach ohne Spuren den Ort wechseln, als hätte es uns nie gegeben. Viel zu früh erreichte ich unsere kleine Wohnung. Lautlos öffnete ich die knorrige Holztür und betrat das kalte – zumindest für Menschen kalte – Treppenhaus. Innerhalb von wenigen Sekunden stand ich vor der Wohnungstür. Bevor ich jedoch öffnen konnte, tat sich die Tür geräuschlos vor mir auf. Esme und Carlisle standen in ihre und blickten mich traurig an. Hinter ihnen sah ich die gepackten Umzug Kartons. „Nein…“ Es war nichts wie ein Flüstern. Ein Wort das mit dem Ausatmen heraus rutschte. Doch Carlisle schüttelte nur den Kopf. „Warum?“, fragte ich nun, völlig verzweifelt. Esme kam auf mich zu und nahm ich liebevoll in ihre Arme. Wenn ich konnte, hätte ich geweint. Aber in diesem Leben gab es keine Tränen mehr. So standen wir eine ganze Weile, bis ich mich etwas beruhigt hatte und sie mich durch die Tür und ins Wohnzimmer schieben konnte. Sie platzierte mich auf dem Hocker des Flügels und kniete sich selbst vor mich. Carlisle kam hinter mir her. „Es geht nicht anders Edward. Selbst wenn dieser Lehrer nicht verdacht geschöpft hätte… Wir müssen fort.“, sagte er mit monotoner Tonlage. Ich schaute noch einmal an Esme vorbei in den Flur. Dort standen fiel zu wenig Kisten! Mein Blick ging weiter durch das Zimmer. Nichts. Alles was je in den kleinen, alten Schränken gestanden hatte war fort. Als hätte da nie etwas gestanden. Als hätten wir nie hier gewohnt. „Aber…wo wollen wir denn jetzt überhaupt hin?“ „Wir ziehen nach Fort Frances. Dort haben wir schon ein Haus gekauft.“, meinte jetzt Esme, um mich zu beruhigen. „Liegt das nicht in Kanada?“ Ich zog eine Augenbraue hoch und betrachtete sie misstrauisch. „Ja, genau.“, stimmte sie begeistert zu, „Es wird dir dort gefallen. Viele Wolken, wenig Sonne und eine Schule mit angebundenen Collage haben die da auch.“ „Wenn es euch nur ums Wetter gehen würde, dann würde ich Washington empfehlen. Da scheint die Sonne nur vier Tage im Jahr.“, widersprach ich missmutig. „Edward.“ Jetzt kam auch mein Vater auf mich zu und legte seine Hand auf meine Schulter. Ich senkte den Blick und nickte. Seine Gedanken hatten schon alles offenbart, was ich wissen wollte. Es lag nur wenig an mir. Hauptsächlich ging es um Esme. Sie wollte gerne wieder raus können, ohne dass die Menschen schrieen Wah! Eine Leiche!. Und Carlisle arbeitete auch schon zu lange hier. Wir hätten eh weg gemusst, dass wusste ich ja. Aber das es jetzt alles so schnell ging, lag doch an mir, könnte sie denken was sie wollten. Carlisle zog seine Hand weg und verlies den Raum. Im Flur schnappte er sich die letzten paar Kisten, klemmte sie sich unter den Arm, warf noch einen letzten Blick auf mich und Esme – wir hatten uns seit eben keinen Millimeter gerührt – und verschwand dann durch die immer noch offene Haustür. „Edward“, Esme sah mich an, „Kommst du?“ Anstatt einer Antwort stand ich auf. „Bin wieder da“, sagte ich, wie jeden Nachmittag, wenn die Schule aus war und ich nach unserem neuem zu Hause lief. Es war Winter – mal wieder – und der Kniehohe Schnee machte allen zu schaffen. Außer uns, natürlich. Ich konnte mich trotz der riesigern weißen Maßen unbehindert fortbewegen. Gleichzeitig musste ich es aber auch so aussehen lassen, als ob es auch für mich eine Anstrengung wäre. Ich wollte ja keinen Verdacht erregen. In dieser Jahreszeit fiel es mir immer am schwersten, mich zu verstellen. Wenn die anderen Jungs auf den Schulhof eine Schneeballschlacht machten, wäre ich zu gerne dabei gewesen. Dummerweise hatte ich im letzten Winter einem Jungen dabei am Kopf getroffen und er musste wegen einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus. Es hätte ihn schlimmer treffen können, aber dieser Umstand verbat es mir nun, mit zu machen. Ich durfte an der Seite stehen und zuschauen, wie sich alle mit nassem, weißen Zeug beworfen. Manchmal schummelte ich und verschwand vor den Augen aller, nur um mir auch schnell eine Kugel aus matschigen Schnee zu machen. Das geschah innerhalb von ein paar Sekunden – es konnte keiner mitbekommen. Nur manche, die in meiner Nähe standen und mich dann auch zufällig ansahen, dachten sich dann erschreckt Woher hat Cullen denn den Schneeball? ... Warte, das darf er doch gar nicht! Ich rufe lieber mal den Lehrer!. In diesen Situationen warf man dem vermeidlichen Schüler, das Ding lieber gleich direkt in den Magen, sodass er unter Schmerzen sich krümmend ins Krankenzimmer gebracht werden musste. Meinen Eltern durfte ich davon natürlich nichts erzählen, obwohl es Carlisle durch die Schüler in der Notaufnahme sowieso heraus bekam. Manchmal war es wirklich ärgerlich einen Arzt in der Familie zu haben. Ich stellte meine Tasche im Flur ab und ging zu Esme ins Wohnzimmer. Auch hier stand wieder mein Piano am offenen Fenster und glitzerte, wie unsere Haut, in den paar Sonnenstrahlen die sich gerade durch die Wolkendecke gebohrt hatten. Meine Mutter saß auf dem weißen Sofa und strickte – ihre Lieblingsbeschäftigung. Sie hat jetzt eine Möglichkeit gefunden, ihre Fähigkeiten voll auszunutzen ohne dabei aufsehen zu erregen. Ich war mehr oder weniger begeistert von ihrem Hobby. Wenn ich meinen großen, schwarz geholzten Kleiderschrank öffnete, dann fielen mir die ganzen Strickpullover schon entgegen. Aber in ihrem unaufhaltsamen „Strick-Trieb“ wollte ich sie wiederum auch nicht aufhalten. Anfangs war Carlisle vollkommen begeistert gewesen, doch irgendwann wurde es auch ihm zu fiel – wie mir seine Gedanken netter Weise verrieten – und tat die Sache damit ab, dass er im OP-Saal ja keine Sachen tragen durfte, die nicht aus reinsten Leinenstoff bestanden. Vielleicht, hoffte ich, würde ja irgendwann eine Zeit kommen, in der es Stoffe gab, die wir selbst erfanden. Malsehen was uns die Chemie noch alles bringt. Das hieß aber gleichzeitig, dass ich umso mehr Stricksachen bekam. Bald könnte ich einen ganzen Basar damit aufmachen! Ich setzte mich auf den mit dunklem Leder bezogenem Schemel und schaute Esme bei ihrer „Arbeit“ zu. „Wie war die Schule?“, fragte sie, ohne auf zuschauen. „Ganz gut“, log ich. Schule ist nie gut. Eine Zeit wo man sich wünscht, schlafen zu können, mehr nicht. Jetzt schaute sie doch auf und zog runzelte die Stirn. „Wirklich?“ „Mom! Könntest du mich bitte nicht immer wie ein kleines Kind behandeln!“, murkste ich. Sie fing an zu lachen. Warum verdammt noch mal lachten immer alle, wenn ich auf zickig tat?! „Wie sieht es eigentlich mit dem Konzert aus?“, fragte sie, nachdem sie sich wieder einiger Maßen gefangen hatte. „Naja…es soll nächste Sonntag sein, aber ich glaube mal, das es ausfallen wird oder ich ein Solo spielen muss. Die anderen sind einfach noch viel zu schlecht.“ Zumindest für meine Ohren. „Ein Solo ist doch gar nicht so schlecht,“ versuchte sie mich zu ermuntern, „Da kannst du wenigstens zeigen was du drauf hast.“ Seit dem Umzug bin ich in der Orchester Gruppe unserer Schule. Ich spielte, was auch sonst, das Klavier. Meinen Lehrer hatte es damals umgehauen, als ich in die Gruppe kam und zur Einweihung ein Stück spielen sollte. Wenn ich am Piano saß konnte ich meine Kräften freien lauf lassen. Und angeben, dass macht in dieser Gesellschaft besonders viel Spaß. „Mal sehen.“, antwortete ich nur und ging dann ich mein Zimmer hoch. Unser Haus war zweistöckig. Es hatte jeweils oben und unten ein Bad und eigentlich viel zu viele Zimmer. Carlisle wollte wahrscheinlich vorsorgen, für den Fall, das bald ein neues Familienmitglied dazu kommen könnte. Die Küche, die an das Wohnzimmer grenzte, benutzten wir nie. Warum auch? Wir konnten uns ja nichts nach Hause bestellen? Außer wir würden so leben, wie Carlisles Freunde aus Italien, von denen er oftmals sprach. Das Wohnzimmer wurde von drei Wänden aus gelbem Stein und einer Glaswand, die zum Garten heraus führte geziert. An diesen hingen Vorhänge, die Esme eigenhändig genäht hatte und vor den Wänden standen niedrige Schränkchen, auf denen jede Menge antiker Vasen und anderes Zeug einstaubte. Obwohl, ich glaube in diesem Haus gab es überhaupt kein Staubkorn, Esme hielt alles immer schön sauber. Sie putzte bestimmt zweimal am Tag. Im oberen Stock befand sich mein Zimmer, das meiner Eltern und das Arbeitszimmer von Carlisle. Jeder hatte es individuell eingerichtet. Ich betrat das meine und ließ mich dann auf die Coach fallen. Sie war tief blau und bestand ebenfall aus Leder, sowie das Sofa im Wohnzimmer. An mein Zimmer grenzte ein weiteres, zu dem wir die Wand etwas aufgemacht und eine Tür eingebaut hatten. Darin stand ein wuchtiger alter Kleiderschrank. Mein Anziehzimmer. Wobei ich mir immer noch fragte wofür ich es brauchte. Aber wenigstens musste der Schrank dann nicht hier rum stehen. Stattdessen zierten 3 Regale die Wand gegenüber der Coach. In ihnen standen ein paar Bücher und jede Menge Schaltplatten. Auf einem kleinen Podest darunter stand der dazu gehörige Spieler. Ich lies meinen Blick durch den Raum schweifen und hielt bei dem Kalender inne. Ich sah auf das Datum und plötzlich fiel es mir wieder ein. Heute sollte das neue Album von Gene Austin heraus kommen! Ich sprang auf und rannte die Treppen herunter. Unten schnappte ich mir meine Tasche, warf sie mir über die Schulter und rief noch ins Wohnzimmer, das ich kurz weg bin, bevor ich fluchtartig das Haus verlies. Ich rannte und lies dabei meinen Kräften freien lauf. In mir freute sich das Tier über seine kurze Freiheit und ich musste mich etwas bremsen. Ich erreichte die Stadt in weniger als drei Minuten. Für die Strecke bräuchte man eigentlich mindestens fünfzehn - wenn man als Mensch rannte – und als Vampir eigentlich auch mindestens fünf, aber die Vorfreude trieb mich an. Unser Haus stand in einem der Vororte von Fort Frances, daher musste ich erst langsam werden, als ich die innen Stadt erreichte. Ich warf einen schnellen Blick auf die Turmuhr deren Spitze die Dächer weit überragte. Kurz vor vier Uhr. Ich hatte also nicht mehr viel Zeit. Der Laden hatte donnerstags immer nur von zehn bis zwölf und sechzehn bis achtzehn Uhr auf. Da vormittags alle in der Schule waren, konnten die Jugendlichen alle erst nachmittags am Schaltplattenladen antanzen. Und so war es auch. Es hatte sich bereits eine ewig lange Schlange vor dem Geschäft gebildet als ich um fünf Minuten vor vier dort ankam – in der Stadt musste ich mich mit menschlicher Geschwindigkeit fortbewegen. Das war echt lästig. Ich wusste, wenn ich mich jetzt hinten anstellen würde, dann brauchte ich erst gar nicht mehr auf ein Exemplar zu hoffen. Es waren einfach zu viele, die dort standen und warteten. Der Schnee lag immer noch Meter hoch und von oben kam ständig neuer. Da kam mir eine Idee. Es musste ja nicht viel sein, nur ein bisschen, damit ich etwas nach vorne kam. Ich versteckte mich in einer schmalen Seitengasse, von der man einen guten Blick auf das Geschäft hatte. Dann ging es ganz schnell. In Windeseile hatte ich einen riesen Berg Schneebälle vor mir liegen. Ich nahm einen davon und warf ihn ein paar Mal mit der rechten Hand hoch. Dann schnellte meine Hand nach vorne und die Kugel traf das Dach des Gebäudes. Das löste eine Schwingung in den Wellblechen aus und der Schnee kam von oben runter und begrub die ahnungslosen Wartenden unter sich. Ich musste mir ein Lachen verkneifen, nahm den nächsten Ball, zielte und warf. Die Mütze eines Jungen flog mit dem Ball gegen das Fenster. Und dann fing die Meute an zu schreien. Sie hoben das weiße Nass auf, formten es und bewarfen sich gegenseitig. Das war meine Chance. Schnell lief ich hinter den Häusern herum, um auf der anderen Straßen Seite wieder aufzutauchen und mich an der wütenden Menge vorbei zu stehlen. Dabei immer darauf bedacht den Schneebällen, die jetzt flogen, aus dem Weg zu gehen und gleichzeitig nicht zu lachen. In den Gedanken beschuldigten sie sich alle gegenseitig und das freute mich zutiefst. Dann ertönte die Glocken und von drinnen hörte man – zumindest ich – wie jemand zur Tür ging und sie aufschloss. Der Mann drehte das Schild an der außen Seite auf Open, schob den Stopper vor diese und ging zurück in den Laden. Ich folgte ihm, sowie einige, die sich lieber davon gestohlen hatten, als an der Schlacht teilzunehmen. Im rechten Teil des Ladens, auf der großen Ablage, standen die Schaltplatten, die ich suchte. Es waren nur zirka einhundert Stück, also viel zu wenig für die ganzen Fans in dieser Stadt. Ich schnappte mir eine der großen, bunt bedruckten Hüllen und ging zur Kasse. „Hallo, Edward.“, grüßte mich der Besitzer, als er den Wert in die Kasse eintippte und diese sich dann mit einem Bing öffnete. „Hallo, Mr Jordan.“ „Na, wieder mal zu spät gekommen und doch als erster im Laden.“, scherzte er. Mr Jordan war einer der einzigen, der mich versteht ohne dabei von meinem Geheimnis zu wissen. Ich könnte schon behaupten, dass er ein Freund von mir war. Er war auch einer der einzigen, der sich nie Gedanken um meine abnormale – sprich viel zu schöne – Gestalt machte, sondern es einfach als gegebene Tatsache hinnahm und er hatte nie Hintergedanken. Ich zwinkerte nur zurück. „Da hat wohl irgendjemand mit Schneebällen auf die da draußen geworfen…“ Er runzelte die Stirn und funkelte mich an. „Wer könnte das wohl gewesen sein?“, überlegte ich laut, verlor dabei aber mein Grinsen nicht. „Mmh…irgendwer, der wohl keine Lust hatte sich anzustellen.“, meinte er verdrießlich. „Wie viel?“, fragte ich, um etwas vom Thema abzulenken. Inzwischen Zeit hatte sich eine kurze Schlange hinter mir gebildet, die mich alle dafür in Gedanken verfluchten, dass ich hier stand und mit dem Verkäufer redete, anstatt endlich zu bezahlen und sie dran zu lassen. „22 Dollar.“ Ich zog einen 50 Dollar schein aus meiner Geldbörse und reichte ihn ihm. Er wechselte und gab mir den Rest wieder, zusammen mit der Platte, die er inzwischen Zeit in eine Tüte gepackt hatte. „Da, bitte sehr.“ „Danke schön.“ „Komm bald mal wieder, Edward.“ „Mach ich. Bis dann, Mr Jordan.“ Ich winkte zum Abschied und verließ den Laden. Draußen flogen immer noch die Schneebälle durch die Luft und ich musste mich ducken um nicht erwischt zu werden. Ein paar von denen wurde langsam bewusst, dass sie lieber schnell die Platte kaufen sollten, anstatt Rache zu nehmen. Ein Glück das alle abgelenkt waren, sonst hätten sie noch gesehen, wie schnell ich mich bewegte, als eine ganze Reihe nasses weiß auf mich zuflog. Ich verschwand lieber etwas schneller aus den sich prügelnden Maße und die Hauptstraße hinunter. Ich konnte es gar nicht erst abwarten zu Hause zu sein und die Platte mir anzuhören. Ich war voll in meinen Gedanken vertieft und sah mich schon in meinem Zimmer sitzen, dass ich meine Umwelt völlig ausblendete. Rums. Jemand prallte gegen mich und fiel Rückwärts zu Boden. Ich blieb stehen. Ich schaute das kleine Mädchen an, das jetzt weinend am Boden saß. Ich ging in die Hocke. „Hey, tut mir Leid. Ich habe nicht aufgepasst.“, sagte ich und stellte meine Stimme dabei auf eine Frequenz, mit der ich sonst immer auf Frauen einredete. Die Kleine blickte auf und ich strahlte sie an. „Komm“, sagte ich und hielt ihr meine Hand hin, „Ich kauf die als Entschädigung etwas Süßes.“ Jetzt lächelte sie, ergriff zaghaft meine Hand und lies sich von mir hoch helfen. Ich ging mit ihr zum nächsten Süßwarengeschäft. Gemeinsam betraten wir dieses und sie ließ ihren Blick über die vielen Zuckerwaren schweifen. Wie toll das alles aussieht! Ob ich mir wirklich irgendetwas aussuchen darf? Mami will nicht, dass ich Süßes esse, dabei schmeckt es doch so gut! Oh! Ich lächelte. „Such dir ruhig irgendetwas aus. Egal was und wie teuer.“ Ich blickte zu ihr hinab und nun strahlten ihre Augen. Ihr Blut zirkulierte unter ihrer kalten Haut. Da war es wieder, das heftige Knurren in meinem Magen. Ich hatte es zwar ziemlich gut unter Kontrolle, aber manchmal war es schwerer als sonst. Ich würde heute Abend wieder jagen müssen, dass war sicher. Das Mädchen lies meine Hand los und lief zur Anrichte. Ihr Blick schweifte einmal über diese und dann zeigte sie auf ein rosernes Stück Zuckertorte. „Zwei Stücken hier davon.“, sagte ich zu dem Mann hinter der Anrichte. „Zum mitnehmen.“, ergänzte ich, als sich gerade die Frage in seinem Kopf bildete. Er holte ein mit einem Schieber die Torte von der Anrichte und packte sie sorgfältig ein. Als er mir den Preis nannte, schluckte die Kleine einmal heftig, wurde rot und brachte so ihr Blut zum kochen. Ich biss mir auf die Unterlippe. Sie dachte, es wäre zu teuer. Momentan sah die Wirtschaftslage nicht sehr gut aus und alle Lebensmittelpreise waren extrem gestiegen. Doch ich gab dem Mann das Geld und nahm den Kuchen entgegen. Die Kleine wieder an der Hand ging ich mit ihr nach draußen. „Wo wohnst du denn?“, fragte ich sie. „Am Kürbisweg 7.“, antwortete sie schüchtern. „Dann bring ich dich noch nach Hause, ok?“ Ich lächelte sie an und nickte freudig zurück. Es war nicht weit, bis zu ihrer Wohnung. Sie lag nur zehn Minuten von dem Geschäft entfernt. Sie musste also jeden Morgen, wenn sie zur Schule ging, daran vorbei. Ihre Mutter öffnete die Tür und blickte erst wütend und dann - nach dem sie mich gesehen hatte - verlegen drein. „Mama“ Lachte das Mädchen. „Guten Tag, Madam.“, sagte ich höfflich und lächelte. Ich hatte schon viel zu oft diese Gedanken, die jetzt folgten gehört, als dass ich ihnen noch Beachtung schenkte. Ich reichte der Kleinen den Kuchen und ging noch einmal in die Hocke. „Und das nächste Mal passen wir beide besser auf beim laufen, ja.“ „Ja“, kicherte sie. Ich streichelte kurz über ihren Kopf und stand wieder auf. „Seien sie bitte nicht immer zu streng zu der Kleinen, sie ist doch so ein liebes und wohlerzogenes Mädchen.“, wandte ich zu der Mutter und verabschiedete mich. Das Mädchen winkte mir hinterher. „Tschüs, Mister“ Und danke!“, rief sie und in ihren Gedanken machte sie Freudensprünge. Und sich Hoffnungen, mich wieder zu sehen, wenn sie erstmal älter war. Das ignorierte ich lieber. Ich wusste immer noch nicht, warum ich das eigentlich getan hatte. Na ja… vielleicht würde Gott es mir ja irgendwann einmal anrechnen. Mit einem guten Gewissen und einer tollen Schaltplatte in der Tasche rannte ich nach Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)