Edward - Bis(s) der Tag anbrach von Ricchan ================================================================================ Kapitel 12: Das Konzert ----------------------- Kapitel 12 Das Konzert Ich erreichte zeitgleich mit Carlisle das Haus. „Hallo, Edward. War die Schule erst so spät aus oder wo hast du dich rumgetrieben?“, tadelte er mich. Ich grinste ihn an. „Heute ist doch das neue Album von Gene Austin erschienen.“ „Ach, wirklich? Da habe ich ja überhaupt nicht mehr dran gedacht.“, er tat auf überrascht. Ich spielte mit. „Du solltest nicht so viel Arbeiten, Dad, das verschleißt das Gehirn! Oder bist du doch langsam in die Jahre gekommen?“, scherzte ich. Batsch., da hatte ich auch schon seine Tasche an meinem Kopf kleben. „Aua“ Es hatte eigentlich überhaupt nicht wehgetan, aber für die neugierigen Nachbarn spielte man ja gerne mal etwas vor. „Du solltest besser aufpassen was du sagst, Edward. Sonst verfehle ich nachher noch das Rind!“, drohte er mir. Dann fingen wir beide schallend an zu lachen. „Was treibt ihr beiden da?“ Esme kam aus dem Haus gelaufen und direkt auf uns zu. So wie sie sich bewegte, würde jeder glauben Hilfe! Jetzt gibt es Prügel!, aber nicht wir. Wir kannten ihre Art, ihr mütterliches Verhalten hatte nie nachgelassen. Sie trat vor uns und musterte uns einem nach dem anderen. Dann lächelte auch sie. „Hallo Carlisle“, grüßte sie, ging auf ihn zu und küsste ihn. „Hallo, Liebes. Da bin ich wieder.“, erwiderte er liebvoll. Ich tat auf beleidigt. „Und wer begrüßt mich?!“ Beide drehten sich lachend zu mir um. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zu Seite. Esme legte nun auch ihre langen, schlanken Arme um mich und gab mir einen Kuss auf die Wange. „Sei gegrüßt, Edward.“, flüsterte sie mir ins Ohr. Carlisle lachte immer noch, als sie uns beide ins Haus schob. Ich rannte direkt zum Schaltplattenspieler und legte voller Vorfreude die Platte ein, drehte die Lautstärke hoch und wartete. Langsam erfüllte die ruhige Musik den Raum und wog sich in ihm, wie Wellen. Wenn man es genau betrachtet, waren es ja auch Wellen…Schalwellen. Meine Eltern kuschelten sich auf Sofa und setzte mich auf den Schemel vor meinem Piano, ließ die Finger kurz über den Tasten schweben um bewegte sie mit der Melodie. Ich versuchte die verwobene Melodie zu entschlüsseln und nachzuspielen. Das war meine Art von Entspannung geworden. Und es machte Spaß, neue Kompositionen zu erlernen. Vielleicht könnte ich ja dieses Stück als Zugabe am Samstag spielen? Das Konzert. Mir graute jetzt schon davor, und das nicht weil ich Lampenfieber oder so hatte, sondern weil ich der festen Überzeugung war, alle anderen Orchestermitglieder würden es vermasseln, in dem sie falsche Noten spielen. Das wäre wirklich ärgerlich! Besonders weil ich mich so bemühte, die Gruppe auf Fordermann zu bringen. Ich hätte in dem Moment eh kaum noch etwas ändern können, aber mein Instinkt spielte da nicht mit. Es musste einfach laufen! Komme was da wolle! „Seit ihr soweit?“, fragte Mr Radcliffe, als wir gerade mit dem Einstimmen fertig waren. „Ja.“, riefen alle im Chor. Sofort waren alle sichtlich nervös. Sie zupften weiter an den Seiten ihre Geiger und unser Bassist trat dauernd mit seinem Fuß das Schlagpedel runter. Unser Lehrer kam auf mich zu. „Edward, ich würde gerne noch einmal kurz mit dir reden.“ Ich fragte mich immer, ob er früher auch den Bass gespielt hatte. Denn seine Stimme war genauso tief und bedrohlich. Doch nicht gefährlicher als es meine zu gewissen Zeitpunkten sein konnte. Ich stand vom Flügel auf und folgte ihm in eine der Ecken. „Was gibt es denn?“, fragte ich, obwohl ich es schon wusste. Seine Gedanken hatten mich netterweise schon aufgeklärt. „Bitte, bitte, versuch die Situation zuretten, wenn etwas schief laufen sollte. Spiel ein paar Noten der anderen zwischen oder so. Mach irgendetwas, nur lass nicht zu, dass dieses Konzert ein Reinfall wird, bitte!“ „Kein Problem, Mr Radcliffe, ich mach das schon.“, versicherte ich ihm. „Ich danke dir.“ Ich wollte mich gerade umdrehen als er mir seine Hand auf die Schulter legte um mich zurück zu halten. Just in dem Augenblick zog er sie auch schon wieder weg und wich einige Schritte von mir zurück. Seine Gedanken waren daraufhin in voller aufruhe. Er verstand seine plötzliche, ungewollte Reaktion nicht. Er erkannte im Bewusstsein nicht, dass es gefährlich für ihn werden könnte, mir zu Nahe zu kommen. Ich schaute ihn mit einer Mischung aus Erhabenheit und Mitgefühl an. Kurz schüttelte er seinen Kopf um seine Gedanken zu ordnen. „Ich wollte dir nur noch sagen, dass dein Solo als Zugabe von der Schulleitung gestattet wurde. Du darfst sogar eine eigen Komposition spielen.“, stotterte er, immer noch erschreckt. „Danke schön.“ Ich lächelte ihn leicht an, damit seine Nervosität verschwand. Es half kaum. Also ging ich lieber schnell zurück zu den anderen, um sie noch mit ein paar Sprüchen anzuheizen. Dann ertönte der Gong. „Also Leute: Los geht’s!“, flüsterte ich ihnen zu und sie nickten nur, unfähig noch irgendeinen Ton aus ihrem Mund zubringen. Der Vorhang öffnete sich und ich sah die vielen Menschen, wie auf einem Haufen dort unten auf ihren Stühlen sitzen. Im Gemenge erkannte ich auch Carlisle und Esme, doch auf die achtete ich momentan kaum. Es war mehr der warme Raum, die Lüftung und der Geruch von zirkulierendem Blut, überall. Ich versuchte meine Atmung zu verlangsamen und blickte auf meine Tasten. Das ganze hatte noch nicht einmal eine Sekunde gedauert. Niemand hätte etwas bemerken können. Ich gab den Akkord an. Und nach drei Noten setzten die Geigen ein. Soweit lief alles. Nur dann kam der Bass zu spät dazu und dem Jungen glühte vor Scham darüber der Kopf. Ich stellte das atmen lieber gleich ganz ein. Sofort traf kein Geruch mehr meine ausgehungerten Lungen. Es war eine sichtliche Erleichterung. Ich zwinkerte unserem Bassist zu und gehieß ihn, mit den Augen, weiter zu machen. Hinterm Vorhang stand Mr Radcliffe und biss sich auf die Finger. Hoffentlich geht das gut, schoss es mir und dem Rest des Orchesters durch den Kopf. Wir spielten weiter. Und nachdem das erste Stück mit ein paar Fehlern hinter sich gebracht war, ging es bergauf. Fast kein Fehler mehr und ein laut Beifall rufendes Publikum. Das spornte die Gruppe so richtig an und mich machte es wahnsinnig. Ich sah wie das Blut immer schneller durch ihre Adern gepumpt wurde und das Adrenalin nur so sprühte. Ich fühlte die Wärme, die von ihrer Haut ausstrahlte und merkte wie die Lüftung den Geruch zu mir blies. Gleichzeitig rauschten ihre Gedanken in meinem Kopf, wie ein nie ermüdender Strom aus Geräuschen. Doch hatte ich die Atmung seit Beginn voll und ganz eingestellt. Mein Magen krampfte sich trotzdem schmerzhaft zusammen. Es gab keine erlösende Pause. Doch mit jeder Note, die ich spielte, kam ich dem Ende etwas näher. Und dann setzten wir zum letzten Stück an. Es war eins meiner Lieblingsmelodien, also versuchte ich mich besonders gut zu konzentrieren. Ich spielte beidhändig und verfehlte nicht einen Ton. Auch alle anderen schafften es, das letzte Stück ohne Fehler zu meistern. Mit der letzten Note, kam der ersehnte Applaus. Das Publikum erhob sich von ihren Plätzen und klatschte und klatschte und klatschte. Einer nach dem anderen erhob sich und ging nach vorne, um sich zu verbeugen. Mr Radcliffe fing an zu heulen und meine Eltern grinsten über beide Ohren. Andere Eltern wären jetzt wahrscheinlich so stolz gewesen, dass sie allen erzählen mussten, dass da ihr Kind oben sitzt. Das taten auch ein paar der anderen, aber nicht meine. Carlisle zwinkerte mir unbemerkt zu und ich grinste zurück. Dann kam das, worauf ich schon gewartet hatte. Die Solozugabe. Ich hatte mich total darauf gefreut, eine eigene Komposition einmal vor großem Publikum zu spielen, und jetzt durfte ich endlich. Wir setzten uns alle wieder hin und zuerst begannen die Geigen. Sie spielten „eine kleine Nachtmusik“ und erfüllten mit den Klängen den dunklen Raum. Der Bass und die Ziehgitarre spielten gemeinsam, für sie war ein Solo nichts. Die Klarinetten und Panflöten. Das Cello. Alle spielten ihre kleinen selbst geschriebenen Kompositionen ohne Fehler. Und dann kam ich. Sofort war mein Umfeld vergessen, als ich die Finger auf die Tasten des großen Flügels legte. Ich holte zum ersten Mal, seit Beginn des Konzertes, tief Luft und ließ meine Finger über die Tasten fliegen. Erst leise und dann immer lauter und schneller werdend, ertönte die Musik. Es war ein neues Stück. Eins, das nicht einmal meine Eltern kannten. Ich hatte es nie zu Hause gespielt, um die Überraschung nicht zu verderben. Die Melodie handelte über mein Leben, oder besser dass, was ich einst einmal gehabt hatte. Glück, Freude und ein Hauch von Trauer, hatte ich in die hohen Noten verwoben. Alle lauschten gespannt und mit der Zeit begannen immer mehr der Zuhörer an zu weinen. Ich wusste gar nicht, dass dieses Stück so traurig war? Ein zufriedenes Lächeln legte sie auf meine Lippen, als ich die letzte Note ausklingen ließ. Und dann kam der Applaus. Wie eine Wucht prallte er auf mir und den anderen Mitgliedern nieder. Wieder erhoben wir uns, traten alle gemeinsam nach vorne und verbeugten uns. Dann sprangen einige von der Bühne und ließen sich von ihren Eltern und Freunden gratulieren. Ich wollte lieber nach hinten und mich umziehen, doch Mr Radcliffe hielt mich auf. „Edward, kommst du bitte einmal mit?“, fragte er und drängte mich gleichzeitig schon in eine Richtung – diesmal ohne mich zu berühren. Als ich stehen blieb und aufblickte, stand da ein Mann. Er war groß, hatte tief schwarzes Haar und einen Schnauzer. Ich starrte ihn an und las gleichzeitig unbemerkt seine Gedanken. So viel wie ich hörte, war er Musikproduzent und an mich interessiert. „Edward, dass ist Mr Bloom. Er ist Produzent der Klassic-Company.“ „Sehr erfreut“, sagte ich und blickte ihn etwas misstrauisch an. „Und Sie sind also Mr Edward Cullen“, stellte Mr Bloom fest und reichte mir seine Hand. Ich nahm sie und achtete dabei darauf, ihn kaum zu berühren, was ihm nicht zu gefallen zu schien. „Nicht so schüchtern.“, lächelte er und packte meine Hand richtig fest, um sie im selben Moment auch schon wieder erschreckt los zu lassen. Was war das?, fragte er sich und ich musste mir ein Grinsen unterbinden. „Was kann ich für Sie tun, Mr Bloom?“ Ich zog meine Hand zurück. „Tja…also…“, zögerte er, „Ich bin von Ihnen sehr begeistert, Mr Cullen, ihr Stück da gerade, oder auch die anderen. Sie haben mit einer solchen Präzision und Leidenschaft gespielt, dass es mit kalt den Rück runter lief.“ „Danke“ „Deshalb würde ich dir gerne einen Vertrag anbieten.“ „Einen Vertrag?“ Ich tat so, als wüsste ich von nichts. „Ja. Einen Vertrag, der sie zu einem Komponisten machen könnte. Wie alt sind sie?“ „Siebzehn.“, antwortete ich ohne zu zögern. Als wir hier her gezogen sind, hatte ich darauf bestanden, mich als sechzehn ausgeben zu dürfen um eine Stufe niedriger zu kommen. Ich wollte nicht mitten im letzten Schuljahr Schwierigkeiten bekommen, wegen des ständigen Umziehens. „Dann sind sie jetzt im letzten Jahr, nehme ich an?“ „Ja“ „Gut“, er reichte mir eine Karte, „Es gibt da ein sehr gutes Musik-Kollege, das von meiner Firma unterstützt wird. Ich würde mich sehr freuen, sie dort begrüßen zu dürfen, Mr Cullen. Natürlich mit Stipendium.“, zwinkerte er mir zu. Ich nahm die Karte. „Ich werde es mir überlegen.“ In dem Moment hörte ich meine Eltern von hinten kommend. Für meine beiden Begleiter waren sie noch nicht zu sehen. Dann traten sie aus der Menge und Carlisle legte eine Hand auf meine Schulter. „Wir haben dich schon gesucht, Edward.“ Wer sind diese Männer? Sie waren beide weniger besorgt, als es ihre Stimme vorgab. „Mum, Dad, darf ich vorstellen, dass sind mein Lehrer Mr Radcliffe und Mr Bloom, der Produzent von Klassic-Company.“, erklärte ich schnell. „Sehr erfreut.“, meinte Carlisle und reichte ihnen die Hand. Esme sagte nichts. In ihren Gedanken hörte ich den Abschaum. Anscheinend waren ihre beide sofort unsympathisch. „Sie sind also der Vater, dieses Talentes?“, fragte Mr Bloom. Nein, ich bin sein Mentor., erwiderte Carlisle. Ich musste mir das Lachen verkneifen. „Ja, so ist es.“ „Ihr Sohn hätte wirklich eine große Zukunft vor sich, wenn er zu uns aufs College kommen würde.“, versprach er. „Er wird es sich überlegen“, wiederholte Carlisle meine Worte und nickte dann zum Abschied. Er legte eine Hand auf meinen Rücke und führte mich durch die Menge. Als wir an der frischen Luft waren, streckte ich mich einmal. Es war angenehm endlich aus dem stickigen Saal zu kommen und wieder atmen zu können, ohne Angst zu haben, ein Massaker zu begehen. „Du warst wirklich toll, Edward!“ Esme umarmte mich von hinten. „Gut gemacht, mein Sohn.“ „Danke“, lächelte ich. „Und? Worauf hast du jetzt Lust?“ „Ich wäre für Essen! Das war einfach nur schrecklich in diesem Raum. Fandest du das nicht auch, Mum?“ Sie nickte. „Na dann, los!“ Wir stiegen ins Auto, das direkt gegenüber geparkt war und rasten den Highway hinab zum Waldrand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)