Im Schatten der Nacht von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 17: Die hohe Mauer -------------------------- Im Schatten der Nacht Teil 3 Kapitel 17 - Die hohe Mauer Nystala Dymaris nippte an ihrem Drink, das Gesicht verzogen, und fixierte den Händler auf der anderen Seite des Tisches mit einem Raubtierblick, der dem Dar Khels um nichts nachstand. „Und Sie denken wirklich, dass diese Notrationen zweihundert Credits wert sind? Ich nämlich nicht.“ Die Finger des Zabrak gaben einen unruhigen Rhythmus vor, trappelten über die Tischplatte, und er grinste spöttisch. „Geht mir genauso.“ „Nun gut, einhundertfünfzig.“ „Wirklich?“ Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und musterte den Mann abschätzend, während Dar unter seinem schwarzen Kopftuch die Stirn runzelte und ihr eine blasse Hand auf die Schulter legte. „Ruhig, Liebes, sonst tust du ihm noch weh, und das wollen wir ja doch nicht.“ „Hundert.“ „Angenehm, mit Ihnen Geschäfte zu machen.“ Nystala fischte zwei Creditchips aus der Innentasche ihrer Jacke und schob sie über die Tischplatte, als Dar die Notrationen schon in seinen Rucksack packte. „Einen wunderbaren Abend noch.“ Sie traten aus dem Hinterzimmer der Bar hinaus in den Schankraum, legale und illegale Drogen, deren Rauch in der Luft lag, ließen sie Husten, und mit einem Creditchip bezahlte sie ihre Getränke. „Ich denke, wir haben alles, was wir brauchen.“ Nystala nickte auf seine Feststellung hin, ihre Unruhe war nicht zu übersehen – nachdem sie in der letzten Nacht nicht alle Ausrüstungsgegenstände, die sie benötigten, erhalten hatten, befanden sie sich merklich im Verzug mit ihrem Zeitplan. „Gehen wir.“ Sie quetschten sich zwischen den anderen Gästen der Bar hindurch, und die Jedi-Meisterin zog einige neugierige Blicke von männlichen Humanoiden auf sich, denn ihre knappe Kleidung betonte ihre weiblichen Attribute. Ein zufälliger Beobachter hätte sie eher für eine Tänzerin oder Kopfgeldjägerin gehalten denn für ein Mitglied des Ordens, und auch ihr Begleiter sah nicht wie ein Hüter des Friedens und der Gerechtigkeit aus, sondern eher wie ein notorischer Unruhestifter. Trotzdem machte Nystala sich keine Illusionen darüber, wie lange ihre Tarnung gegen die moderne Überwachungstechnik Bestand haben würde, und Schnelligkeit war ihr bester Schutz gegen eine zu frühe Entdeckung. Irgendwie schafften sie es, den drängenden Massen zu entkommen und in die Nacht hinauszutreten, und Dar schüttelte heftig den Kopf. „Faszinierend, wie viele illegale Drogen man kombinieren kann...“ Nystala lachte leise, trotzdem hallte das Geräusch in der fast leeren Straße wider. „Angst um deine Gehirnzellen?“ „Ich hab genug Reserve.“ Trotzdem schien er erpicht, das Thema zu wechseln, und sie spürte, dass ihr kleiner Aufheiterungsversuch nicht wirklich geholfen hatte. Sie erreichten ihren neu gekauften Speeder, ein altes, klappriges Modell, das eher aussah wie aus der Werkstatt eines schlampigen Bastlers als wie etwas, das noch flugtüchtig war, und der Zabrak lud seinen Rucksack auf den Rücksitz. „Kommst du?“ Sie nickte und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen, während er im Versuch, ihn zu starten, den Motor zum Husten brachte. Doch schließlich sprang das Gefährt an, erhob sich auf seinen Repulsorkissen über den Boden, und Dar brachte sie auf ihren Weg in die Berge. Langsam ließen sie die Hauptstadt hinter sich und der rötliche Schein, den ihre Lichter am Himmel hinterließen, verschwand ebenfalls, gab den Platz frei für Tausende von Sternen, die wie kleine Augen am Himmel hingen und weich auf sie herabblickten. Das Fehlen eines Mondes ließ die Szenerie ungewohnt wirken, doch die fernen Sonnen leuchteten nur noch heller, und Nystala lehnte sich in ihrem Sitz zurück, spürte fast nicht, wie ihr die Augen zufielen. Doch sie hatte noch nicht lange gedöst, da rüttelte ihr Begleiter an ihrer Schulter, und sie fuhr nun, während Dar sich eine Portion Schlaf holte. Mittlerweile hatte sich die Landschaft verändert, hügeliges Gelände hatte die weiten Ebenen in der Nähe des Regierungssitzes abgelöst, und im langsam einsickernden, grauen Licht des frühen Morgens zeigten sich die Berge in der Ferne als hohe, schroffe Schatten. Der Zwang, ein trotz allen Fortschritten noch bodengebundenes Fahrzeug zu verwenden, um nicht entdeckt zu werden, zerrte an ihren Nerven, und während sie beobachtete, wie ihr Ziel mit quälender Langsamkeit näherrückte, begann auch der Himmel, heller zu werden, und schließlich schob sich die rötliche Sonne dieser Welt als feurige Scheibe über den Horizont. „Dar.“ Ihre Stimme wurde fast davongetragen vom Heulen des Fahrtwindes, und sie wagte es, kurz eine Hand vom Steuer des Speeders zu nehmen, um seine Schulter zu rütteln. Der Zabrak schreckte hoch und blickte sich um, die hellen Augen voller Verwirrung, doch dann besann er sich darauf, wo er war, und entspannte sich sichtlich. „Einen guten Morgen.“ „Für dich ebenfalls.“ Sie lächelte und spürte die Müdigkeit ihres Körpers, doch zwang sie sie mit einer Jedi-Technik zurück und nickte kurz nach vorne. „Ich denke, das ist die Stadt, die wir suchen.“ Die schroffen, bewaldeten Hänge der Berge waren merklich nähergerückt, und schon konnte man mit bloßem Auge die Streifen kahlen Landes auf den Flanken entdecken, die die Grenze zu den Reservaten markierten. Sie drosselte die Geschwindigkeit, um sich in den morgendlichen Verkehr einzureihen, der mit jedem Klick dichter wurde, und ihre Augen fuhren suchend über die zahllosen Hinweisschilder, die ihnen von neben der Straße entgegenleuchteten. Doch trotzdem war es der Zabrak, der entdeckte, was sie suchten, und der auf ein Schild mit der Aufschrift „Schrotthandel“ deutete. Sie folgte den Hinweisen in immer kleinere Seitengasse am Rande der Stadt, wo sich Fabriksareale aneinander reihten und schwere Lastentransporter Frachten aufnahmen oder abluden. Sie erreichten den Schrottplatz und sahen zu, wie der Besitzer, ein großer, dunkelhaariger Mensch, ihnen das schwere Tor aus Durastahl öffnete und sie mit einer unwirschen Handbewegung hereinwinkte. „Kann ich Euch helfen?“ Er ignorierte Dar und blickte nur Nystala an, die noch immer ihre knappe Kleidung trug und sich unter seinen wandernden Augen ausgesprochen unwohl fühlte. „Wir würden gerne diesen Speeder verkaufen.“ Der Mann zog die Augenbrauen hoch und unterdrückte ein Lachen, das sich in ein bemühtes Hüsteln verwandelte. „Nun, da werdet Ihr nicht viel Glück haben. Wenn er in so schlechtem Zustand ist, wie er aussieht...“ Ihre kühlen, dunklen Augen fixierten ihn, und sie stieg langsam aus, machte einen Schritt auf ihn zu. „Ich bin hier, um Geld zu bekommen, nicht, um mich mit Euch zu unterhalten.“ Er schien nun plötzlich der Ansicht, dass die Jedi doch kein so erstrebenswertes Ziel seiner Flirtfähigkeiten sei, und so zog er eine Handvoll Credits aus der Tasche seines abgewetzten Overalls. „Wärt Ihr mit dreihundert zufrieden?“ „Nein.“ Eigentlich war sie froh, den Speeder los zu sein, aber nicht zu feilschen hätte sie verdächtig gemacht. „Eher nicht. Wie wäre es mit tausend?“ „Seid Ihr verrückt? Vierhundert, und nicht mehr.“ „Achthundert Credits, und keinen weniger. Ihr wollt nicht wissen, was ich für dieses Modell gezahlt habe.“ „Und Ihr wollt nicht wissen, wie viel ich dafür bezahlt habe. Fünfhundert, mein letztes Gebot.“ Sie nickte und scheuchte Dar mit einer Handbewegung aus dem Speeder, er zog ihre beiden schweren Rucksäcke mit sich und reichte ihr mit einer schnellen Handbewegung die Zugangskarte. „Hier.“ Das Misstrauen des Mannes war erwacht, als er ihr schweres Gepäck sah, und Nystala tauschte mit einem eindeutigen Blick zu ihrem Begleiter ihr Fahrzeug gegen die Creditchips ein. „Ihr werdet vergessen, dass wir hier waren.“ Der Zabrak schulterte seinen Rucksack, und die Jedi tat es ihm gleich. „Ich werde vergessen, dass Ihr hier wart.“ „Ihr werdet alle Aufzeichnungen von uns löschen.“ Eine erneute, subtile Handbewegung. „Ich werde alle Aufzeichnungen von Euch löschen.“ Ohne weitere Aufmerksamkeit zu erregen verließen sie das Gelände über den Hinterausgang, der direkt auf einen Feldweg hinausführte. Neben ihnen wogten Getreideähren im Wind, doch die Gegend wirkte verlassen, und Dar fischte eine kleine Holokarte aus der Tasche seiner Pilotenmontur. „Dorthin.“ Er wies in Richtung der Berge, den Feldweg entlang, und Nystala entledigte sich hastig ihrer unbequemen, hochhackigen Schuhe, schlüpfte stattdessen in ein Paar Jedi-Stiefel. „Wir müssen unsere Verkleidung loswerden“, gab sie zu bedenken, und er nickte. „Wenn unsere Karte stimmt, dann liegt dort drüben ein kleiner Moorsee. Meist du, es wäre den Umweg wert?“ „Hm... wie weit?“ „Zwei, vielleicht drei Klicks.“ „Ich würde sagen, es zahlt sich aus – so wirken wir wohl doch ein wenig merkwürdig.“ Er grinste, ihre Rucksäcke waren zu groß und zu unhandlich, um als Teil ihrer Raumfahrerkleidung durchzugehen, und so wirkte ihr Aussehen unpassend genug, um sie auf den ersten Blick zumindest als ungewöhnlich abzustempeln – und Aufmerksamkeit war das letzte, was sie in ihrer Situation brauchen konnten. Sie spürte in sich den Wunsch, schneller zu gehen, die Phase der Verwundbarkeit zu verkürzen, doch Eile hätte den verdächtigen Eindruck nur verstärkt, und so zwang sie sich, ihre Schritte gemessen zu halten, so als ob sie nicht mehr als einen Morgenspaziergang vorhatte. Dar schien es allerdings weitaus schwerer zu fallen, seine rastlose Energie zu zähmen, und während ihres Weges hatte sie das Gefühl, dass er am liebsten vorausgestürmt wäre, um sich mit seiner gesamten Kraft der Lösung ihres Problems zu widmen. Noch immer konnte sie nicht verstehen, wieso der Jedi-Rat ausgerechnet diesen rastlosen Mann auf eine diplomatische Mission geschickt hatte, schon in ihrer Zeit als Padawane hatten sie sich gekannt, und er war nie derjenige gewesen, der Schwierigkeiten durch Geduld und Gespräche meisterte. Doch wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann bestand für ihn auch nicht besonders viel Grund dazu – talentiert und geschickt, wie er war, zog er den direkten Weg jenem der Verhandlung vor, ganz im Gegensatz zu ihr. Allerdings hatte Nystala auch kaum eine Wahl, außer, sich auf List und Tücke zu verlegen – weder der offene Kampf noch die Benutzung der Macht waren ihre Stärken, vielmehr erfühlte sie instinktiv die Absichten ihrer Gegner und versuchte, danach zu handeln. Bereits vor vielen Jahren, während ihrer ersten gemeinsamen Mission, und auch danach, hatten diese konträren Eigenschaften aneinander gerieben, während sich gleichzeitig ihre Fähigkeiten ergänzten, und vielleicht hatte das... nein, machte das die Anziehung zwischen ihnen... Der Waldrand erstickte den Rest ihres Gedankenganges, schlanke Baumstämme reckten sich nun links und rechts des Weges empor, ihr Blätterdach bildete eine Kuppel, durch die das grünlich getönte Licht des Vormittages schimmerte, und sie war froh, die Vergangenheit aus ihrem Geist verbannt zu haben. „Wir sind gleich da.“ Sie lächelte und bog um die nächste Ecke, dichtes Gebüsch hatte ihnen den Ausblick versperrt, und ein kleiner See mit schlammig braunem Wasser schmiegte sich in die Senke zwischen zwei kleinen Anhöhen. Zu ihrer Überraschung war die Gegend vollkommen verlassen, obwohl das warme Wetter sicherlich zum Baden einlud, doch keiner der beiden Jedi war in der Stimmung, sich Fragen über nützliche Zufälle zu stellen. Aufmerksam umrundeten sie den See, bis sie eine Bucht entdeckten, die ihnen geeignet erschien, da sie auf beiden Seiten von hohem Schilf vor neugierigen Blicken geschützt wurde. Nystala setzte ihren Rucksack ab und streckte sich, genoss das Gefühl der Sonnenstrahlen, die ihre Haut streichelten, doch Dar zog eine finstere Miene. „Wir sollten uns beeilen.“ Sie nickte und beide entledigten sich ihrer Kleidung, Nystala schlüpfte hastig in die robuste Tunika, die sie mitgebracht hatte, obwohl sie den anderen Jedi eigentlich gut genug kannte, dass es keinen Unterschied machen sollte, was er sah und was nicht. Ihn schienen keine Bedenken in diese Richtung zu plagen, denn er fischte seelenruhig ein Atemgerät aus seinem Rucksack und sammelte alle Überreste ihrer Verkleidung ein, die er in einem Stoffsack deponierte. Dann watete er mit langsamen, behäbigen Bewegungen hinaus in den See, und Nystala blickte ihm gedankenverloren hinterher, sie bemerkte erst jetzt die breite Narbe, die sich über seine rechte Schulter zog und dann weiter seine Wirbelsäule hinunterwanderte. Er musste die Verletzung nach ihrer letzten Begegnung erlitten haben, und unwillkürlich fragte sie sich, wie er verwundet worden war, denn irgendwie... irgendwie hatte sie das Gefühl gehabt, die einzige gewesen zu sein, die in den letzten Jahren gelitten hatte. Vor ihr tauchte der Beweis ins Wasser, dass dem nicht so war, und sie schüttelte mit einem leisen Seufzen den Kopf. Ihr eigener Schmerz hatte sie blind gemacht für den der Anderen, und sie nahm sich vor, später mit ihm darüber zu sprechen. Doch im Moment begnügte sie sich damit, sich im noch ein wenig feuchten, duftenden Gras auszustrecken, die Augen zu schließen und sich von der Vormittagssonne wärmen zu lassen. Der lange Aufenthalt im Königspalast und in ihrer Suite hatte sie noch blasser werden lassen, als sie ohnehin schon war, und nun genoss sie die Natur, das Leben, das in der Macht um sie herum pulsierte. Kalte Wassertropfen trafen ihr Gesicht und sie schreckt hoch, neben ihr schlüpfte der tropfnasse Zabrak in seine Tunika, und sie schreckte mit einem Geräusch hoch, das einem Quieken nicht unähnlich war. „Hey!“ Er lachte leise über sie und strich sich das Wasser von seinem kahlen Schädel, dann griff er in seinen nun erleichterten Rucksack und zog einen der Notrationswürfel heraus. „Ich denke, es ist Zeit für Frühstück.“ Sie nickte und tat es ihm gleich, ließ sich mit überkreuzten Beinen ins Gras fallen und musterte Dar, dann lächelte sie. „Und?“ Er zuckte die Schultern. „Trübe Suppe dort unten, ich konnte fast nichts sehen – aber das gilt dann wohl auch für alle, die nach unseren Sachen suchen.“ Sie kaute weiter an ihrem Konzentratwürfel, der schmeckte wie gekochte Raumschiffisolierung, während sie mit sich selbst rang, nicht wusste, ob sie ihn auf ihre Gedanken ansprechen sollte, doch auf gewisse Weise nahm er ihr die Entscheidung ab, indem er sich erhob und seinen Rucksack packte. „Gehen wir?“ „Ja.“ Sie stopfte sich den letzten Rest ihres wenig ansprechenden Frühstücks in den Mund und sprang kauend auf, griff nach ihrem Gepäck und schulterte es. Gemeinsam marschierten sie weiter, nun in schnellerem Tempo, allerdings führte keiner der Waldwege zur Grenze zu den Gebieten der Bergnomaden, und so waren sie gezwungen, querfeldein durch den Wald zu laufen. Dies verlangsamte ihr Fortkommen sehr, besonders, weil die Gegend zunehmend verwilderte, trotzdem belebte die freie Natur um sie herum ihre Sinne und ließ beide Jedi freier atmen, je weiter sie sich von den feindselig gesinnten Laanari entfernten. Während des Tages begann die Steigung, ihnen zu schaffen zu machen, immer schroffer zogen sich die Hänge in die Höhe, nur um danach in eine Senke abzufallen, von der aus man den nächsten, höheren Hügelkamm erklimmen musste. Mittags machten sie eine Pause, verzehrten, auf einem umgestürzten Baumstamm sitzend, einige Notrationen, und Nystala musste sich eingestehen, dass ihre Ausdauer gegen die unbändige Energie und Kondition des Zabraks nicht ankam. Immer öfter blieb sie hinter ihm zurück, und die Tatsache, dass nur Geschwindigkeit die Erfolgschancen ihrer Mission erhöhen konnte, nagte zusätzlich an ihr. Falls ihre Abwesenheit im Palast bemerkt wurde, würde der König sicherlich nach ihnen suchen lassen – und wenn sie sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht im unwegsamen, unkontrollierbaren Gebiet der Nomaden befanden, würde man sie entdecken. Und danach standen ihre Chancen, noch einmal entkommen zu können, schlechter als die eines Schiffes, das den Hyperraum im Herzen einer Sonne verließ. Schweigend sah sie zu, wie Dar einen Teil ihrer Ausrüstung in seinen Rucksack packte, sie spürte, wie die Situation an ihrem Stolz kratzte, und wusste genau, dass sie ihn bei nur einem Wort von ihm wütend angefaucht hätte. Doch so hielt sie den Mund, auch, weil sie feststellen musste, dass der Zabrak sie noch immer gut genug kannte, um sie zu den Reaktionen zu bringen, die er sich wünschte. Sie unterdrückte ein erschöpftes Seufzen und knabberte weiter an ihrem Mittagessen, eigentlich war sie auch viel zu müde, um sich mit ihm zu streiten, und so ließ sie ihn gewähren, irgendwie doch erleichtert, nicht mehr so viel Gewicht schleppen zu müssen. „Gehen wir weiter?“ Dar sah von ihrem Rucksack, den er gerade zugeschnürt hatte, auf, und sein schräges Grinsen blitzte zu ihr hoch; sie lächelte zurück, nickte. „Ja.“ Die nächsten Stunden verschwanden in einem Wirbel aus Schmerz und Steigung, sie schleppte sich Hang um Hang hinauf, ohne zu bemerken, wie Dunkelheit sich zwischen den Stämmen und im Unterholz des Waldes breit machte. Für die Abenddämmerung war es noch zu früh, und erst, als der Zabrak stehen blieb und misstrauisch den viel zu dunklen Himmel musterte, blickte sie vom Boden auf und starrte Dar an. Sie fühlte die Erschöpfung in jedem einzelnen ihrer Knochen, und ihre Augen waren schwer, obwohl sie es erst jetzt bemerkte – zuvor war sie viel zu sehr darauf fixiert gewesen, nicht einfach stehen zu bleiben. Er bemerkte ihre Verwirrung, noch bevor sie Zeit fand, sie zu kaschieren. „Laut Karte ist es nicht mehr weit bis zur Absperrung. Und wenn das Unwetter uns wirklich erreicht, dann stört es sicherlich die Sensoren.“ Offensichtlich war er auch erschöpft, und so beschränkte sie ihre Reaktion auf ein knappes Nicken, dann kämpfte sie sich weiter den Hang hoch, und er folgte ihrem Beispiel. Jeder einzelne ihrer Muskeln schmerzte, und zwischen ihren düsteren Gedanken flog der Vorsatz mit, sobald sie wieder im Jedi-Tempel war, ihr Training zu intensivieren. Nicht einmal ihr Padawan hatte es geschafft, sie so ans Ende ihrer Kräfte zu bringen, aber das sprach eigentlich nicht für ihre Kondition... Zwischen den Bäumen vor ihnen tauchten graue Schemen in der fallenden Dunkelheit auf, eine Mauer, mehr als doppelt so hoch wie der Zabrak groß war ragte auf, und wie auf ein stummes Signal hin blieben sie beide stehen. „Eine Mauer. Warum hab ich mir das nicht gedacht?“ Nystala grinste matt auf seinen Kommentar hin, und sie bewegten sich weiter vorwärts, nun leiser und darauf bedacht, möglichst wenig Geräusche zu machen, bis sie kurz vor der weiten, gerodeten Fläche Halt machten, die sich vor der Absperrung erstreckte. Schon mit freiem Auge konnte sie allerlei Holocams und Sensoren entdecken, die die Grenze überwachten, und sie schüttelte leicht den Kopf. „Wird auch mit Sturm nicht einfach, dort hinüberzukommen. Immerhin ist es kein Gewitter, und die Entladungen der Blitze hätten vielleicht die Elektronik gestört.“ Dar zuckte die Schultern. „Reden wir nicht über Dinge, die wir nicht haben. Ruhen wir uns lieber aus.“ Sie spürte seinen Blick auf ihrem Gesicht ruhen, die Erschöpfung hatte die ersten, schwachen Linien des Alters um Augen und Mund noch vertieft, und sie nickte schwach. Doch auch der Zabrak schien erschöpft zu sein, denn mit müden Bewegungen zog er ihre beiden Decken aus seinem Rucksack und ließ sich unter einem großen Baum mit ausladenden Ästen und purpurn getönten Blättern auf den Boden sinken. Altes Laub der vergangen Jahre raschelte, als Nystala sich neben ihm niederließ. „Du schläfst zuerst.“ Ohne zu antworten streckte sie sich auf dem harten Boden aus, zog ihre Decke über sich und konzentrierte sich noch ein letztes Mal, um Jedi-Trance über ihren erschöpften Geist zu legen, dann verschwand sie in der Tiefe. Das Prasseln von Regen weckte sie, der Baum über ihnen gab das Wasser in kleinen Schwallen auf sie ab, und trotz ihrer warmen Tunika und der beiden starken Arme, die sich um sie geschlungen hatten, fror sie. Für einen Moment sandte ihr schlaftrunkenes Unterbewusstsein Bilder an die Oberfläche, helle, weiche Lippen, die sich an die ihren schmiegten, der Mann neben ihr, starke Hände, die über ihren Rücken strichen, tiefer, tiefer... Sie schrak hoch, schüttelte den Zabrak, der neben ihr lag und sie festhielt, grob ab, blickte um sich, in eine Dunkelheit, die nun wirklich von der hereinbrechenden Nacht herrührte und nicht nur von den Sturmwolken. Sie war nass, so schrecklich nass, und der Wind zerrte an ihren Haaren, ihren an ihr klebenden Kleidern, ließ sie noch mehr frösteln. „Du hast mich nicht geweckt.“ Ihr rauer, vorwurfsvoller Ton tat ihr im Nachhinein leid, doch sie konnte es nicht mehr ändern, und Dar richtete sich auf. „Du hast den Schlaf gebraucht.“ „Du auch.“ Ihr störrischer Teil machte sich breit, jener, der sich dagegen wehrte, beschützt zu werden, doch wieder einmal zeigte sich, dass der andere Jedi sie viel zu gut kannte. „Beim nächsten Mal übernimmst du die Wache.“ Sie beschloss, seine Reaktion zu ignorieren und blickte sich um, Böen trieben Blätter und Äste über den Boden hinweg, und die Bewegungsmelder an der Mauer waren jetzt sicherlich nutzlos. „Wir sollten gehen.“ Er nickte und rollte seine durchnässte Decke zusammen, Wasser lief von seinem haarlosen Kopf mit den kleinen Hörnern weiter über sein Gesicht bis in seine Tunika, und sie spürte, dass es ihr nicht viel besser erging. Blinzelnd packte sie ihre Sachen in ihren Rucksack, während sie hastig einen Notrationswürfel zerkaute, dann erhob sie sich und spürte, welchen Unterschied jene zwei oder drei Stunden Jedi-Trance ausgemacht hatten. Sie fühlte sich erfrischt wie nach einer durchgeschlafenen Nacht, doch ein Blick auf Dar verriet ihr, dass es ihm nicht besonders gut ging – sobald sie die Grenze hinter ihnen hatten, musste sie ihm unbedingt eine Pause gönnen. Vorsichtig krochen sie durchs Unterholz, behindert durch die nasse Vegetation und die schweren Tropfen, die fast wie Hagelkörner auf ihren Rücken schlugen, bis sie einen klaren Blick auf die Mauer und ihre Schutzeinrichtungen hatten. Die meisten von ihnen waren durch das Unwetter nutzlos, aber die Holocams filmten unbeirrt weiter, und eine von ihnen zeigte in ihre Richtung. Nystala schloss ihre Augen, ließ sich in die Macht fallen, gestärkt von dem freien Leben um sie herum, und mit einem Gedanken drehte sich die Kamera in eine andere Richtung, sodass sie unbeobachtet hervortreten konnten. Sofort schloss der Sturm seinen Griff um die beiden Jedi, ließ sie einige Schritte zur Seite taumeln, bevor die heftigste Böe abgeflaut war und sie es schafften, nach vorne zu hasten, auf die Mauer zu. Beide schossen sie ihre Seilkatapulte ab, die Magnetköpfe hefteten sich an das kalte Metall der Brüstung, und für einen Moment hielten sie beide inne, warteten, ob ein Alarm ausgelöst wurde. Bei all den Stöckchen und Blättern, die gegen die breite Fläche prasselten, sollte man sie eigentlich nicht bemerken, aber trotzdem... Doch alles blieb ruhig, und sie ließen sich nach oben ziehen, überwanden vorsichtig die mit Stacheln versehene Kante, nur um sich auf der anderen Seite vier Meter in die Tiefe fallen zu lassen. Die Macht bremste Nystalas Aufprall, doch Dar stürzte, und mit einer hastigen Bewegung zog sie sein Gewicht hoch, so gut sie es vermochte. Er stolperte weiter, ein Windstoß trieb ihn zur Seite, Regen schlug auf sie ein wie Tausende kleine Steinchen, und dann waren sie unter dem schützenden Blätterdach des Waldes. Der Zabrak wirkte erschöpft, ausgelaugt, und trotzdem hatten sie keine Wahl, als weiterzugehen, weg von der Grenze, weiter ins Dickicht der Wildnis, wo man sie nicht so einfach finden konnte. Trotz allem hatte sie noch immer Bedenken, dass man sie nicht vielleicht doch entdeckt haben könnte, die moderne Überwachungstechnik sorgte immer wieder für Überraschungen, auch für jene, die sie normalerweise verwendeten. Die Dunkelheit intensivierte sich, während sie weitergingen, und durch das Rauschen des Windes und das Trommelfeuer des Regens drang manchmal schwach der Ruf eines Waldtieres. Langsam wurde es schwer, auf dem unebenen Waldboden nicht zu stolpern, und Wurzeln und kleine Löcher machten es zusätzlich schwer, nicht umzuknicken, während es zunehmend schwieriger wurde, zu sehen, wohin man seinen Fuß setzte. Und dann stolperte Dar in der nun fast absoluten Schwärze, und Nystala schüttelte den Kopf. „Hat keinen Zweck mehr, weiterzugehen.“ „Nein“, murmelte er zur Antwort und sie hörte, wie seine Tunika raschelte, als er seinen Rucksack abnahm, doch... da war noch etwas anderes. „Shht.“ Der Zabrak erstarrte, gab kein Geräusch mehr von sich, doch außer dem allgegenwärtigen Hintergrundrauschen des nun schwächer gewordenen Regens vermochte sie kein Geräusch zu erkennen. Und trotzdem wusste sie, dass dort draußen jemand war, der sie beobachtete, der... sie ließ sich in die Macht fallen, lauschte mit ihrem sechsten Sinn, und ein Schemen tauchte vor ihrem geistigen Auge auf, wurde klarer, nachdem sie ihn nun erfasst hatte. Helligkeit färbte ihre geschlossenen Lider rötlich, und sie riss die Augen auf, erhaschte gerade noch den letzten, verblassenden Rest eines bläulichen Blasterschusses, und ihr Lichtschwert kam hoch, die violette Klinge zündete und prasselte im Regen. Doch ihre Reaktion erfolgte einen Herzschlag zu spät, und ohne Chance auf Abwehr wurde auch sie getroffen, sank in die Dunkelheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)