Wenn Engel hassen... von LadyArgentum (Subway To Sally) ================================================================================ Kapitel 1: Wenn Engel hassen... ------------------------------- Wenn Engel hassen... ~Als er aufstand an dem Morgen der sein letzter war, schien die Sonne und die Vögel kreischten laut. Eine Woge von Verlangen stürzte über ihn und klebriger Tau bedeckte die Haut.~ Mit einem Ruck setzte sich Seamus im Bett auf, Mund und Augen vor Schreck geweitet. Schnell und laut rang er nach Atem als wäre er soeben um sein Leben gerannt. Kalter Schweiß bedeckte seinen gesamten Körper, sodass ihm sein T-Shirt und seine kurze Hose unangenehm am Körper klebten. Das dünne Laken, das er zum Schlafen über die Beine und den Oberkörper gelegt hatte, hatte sich wie ein Kokon um seinen Körper gewickelt. Langsam fuhr er sich mit einer Hand durch seine etwas längeren dunkelbraunen Haare, die ihm nass im Gesicht hingen, und versuchte sich wieder zu beruhigen. Wie es auch schon in den letzten zwei Nächten der Fall gewesen war, hatte er auch in dieser einen Albtraum gehabt. Jede Nacht war es der gleiche, doch schien er sich mit jedem Mal zu intensivieren, als würde der Tag des Untergangs immer näher kommen. Um auf andere Gedanken zu kommen machte er sich auf ins Badezimmer, wobei er sich zuerst mühselig aus dem Laken pellen musste. Nach einer kalten Dusche, die sehr wohltuend für seinen gestressten Körper war, ging er zurück ins Schlafzimmer, zog die Vorhänge zurück, öffnete die Terrassentür und ging hinaus. Es war ein wunderschöner Morgen eines jetzt schon recht schwülen Sommertages. Keine Wolke bedeckte den Himmel, sodass die Sonne mit ihrer ganzen Pracht auf die Erde nieder strahlen konnte. Diese kurz genossen, dann begab Seamus sich mit einem leisen Seufzer wieder nach drinnen, um sich sein tägliches Frühstück zu machen. In kurzer Zeit war der Tisch gedeckt, der Fernseher für die tägliche Morgensendung eingeschaltet und nur noch der Kaffee, der in der Maschine vor sich hin brodelte, fehlte noch. Wartend und dabei unbewusst mit den Finger auf der Theke herumtrommelnd stand er daneben und dachte über seinen Traum nach. Da ihn seine Gedanken jedoch reichlich abschreckten, überlegte er lieber, ob er fürs Frühstück nicht doch noch etwas vergessen hätte. Und dann fiel es ihm ein: Ein Frühstück ohne eine Zeitung, einfach undenkbar. Somit öffnete er die Eingangstür und ging ein weiteres Mal hinaus. ~Durch den aderblauen Himmel ging ein breiter Riss, dunkle Wasser brachen über ihn herein. Eine unbekannte Macht erhob sich tief in ihm, und mit einem Mal war ihm alles klar, dass nichts mehr so wie gestern war.~ Und wieder stach die Sonne auf ihn hinab, blendete ihn im ersten Moment. Einmal geblinzelt, dann schaute er sich nach dem gesuchten Gegenstand um. Er lag, wie fast jeden Tag, wenn die Hunde der Nachbarn nicht Auslauf hatten, neben seinem Briefkasten, welcher vorne am Fußweg neben der Straße stand. Langsam ging Seamus auf die Zeitung zu, hob sie auf und fing an in ihr herumzublättern. Währenddessen drehte er sich um, um zum Haus zurückzukehren, doch er kam nicht weit. Ein Geräusch hatte seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es klang wie ein Rauschen, welches von Sekunde zu Sekunde immer lauter wurde. Verwirrt schaute Seamus sich um, doch die Quelle dessen konnte er nicht ausmachen. Mit einem Schulterzucken wollte er die Sache eigentlich abtun, als plötzlich ein Schatten über ihn geworfen wurde. Wind kam auf, tänzelte wild durch seine Haare, ließ ihn leicht frösteln. Wie in Zeitlupe wanderte der Blick des jungen Mannes gen Himmel. Es dauerte zwei, drei Sekunden bis das Entsetzen ihn packte. Mit weit aufgerissenem Mund und Augen stand er da, bewegungslos, wie eine Statue an einem Sockel befestigt. Es konnte nicht wahr sein! Es kam ihm vor, als läge er wieder in seinem Bett in den schlimmsten aller Albträume verwickelt. Das Rauschen war nun schon zu einem unerträglichen Dröhnen angeschwollen, während eine schwarze, wogende Masse immer näher auf die Erde zusteuerte. Sie schien aus dem Himmel gekommen zu sein, doch war die Vorstellung dessen einfach zu absurd. Laut, unübersehbar kam sie näher, wobei sie sich irgendwann in viele Teile aufteilte, welche alle in verschiedene Richtungen flogen. Scheinbar wurde dies alles jedoch von keinem anderen außer Seamus wahrgenommen, wie nicht bestimmt für ihre Augen. Wenige Meter trennten ihn nur noch von einem der fallenden Materieteile. Dann traf es mit einer gewaltigen Wucht auf ihn. Ein hysterisches Kreischen erklang, begleitet von einem stummen Schrei seitens des Getroffenen. Um ihn herum wurde alles schwarz, die Ohnmacht übermannte ihn. Er spürte jedoch, wie ein ihm unbekanntes Wesen in seinen Körper eindrang, die Kontrolle über ihn an sich riss. Überrumpelt, geschockt und verwirrt, nicht wissend, was gerade passiert war, fehlte ihm die Zeit, sich zu wehren. ~Als er aufbrach ließ er alles hinter sich zurück, seine Schritte waren federleicht und frei. Unterm Mantel trug er einen kalten schwarzen Stahl, er lächelte leis und summte dabei.~ Dann wachte er plötzlich wieder auf. Einige Leute hatten sich um ihn herum versammelt, darunter auch zwei Polizisten, die zufällig in der Nähe waren, um zu schauen, was mit ihm los sei. Ob es ihm nicht gut ginge, fragte eine etwas rundlichere Frau mit besorgter und zugleich wissbegierigen Miene. „Nein, es ist alles in Ordnung“, kam es aus dem Mund des sich nun wieder Aufrichtenden. Es war Seamus’ Stimme und dieser bemerkte auch, wie sich sein Mund beim Sprechen bewegte, dennoch war es ein anderer, der die Worte formte und ihm auf die Zunge legte. Von nun an war der eigentliche Besitzer jenes Körpers nur noch ein armseliger Zuschauer, der Wirt eines unbekannten Wesens. Nie wieder sollte es so werden, wie es ganz zu Anfang war, das hatte Seamus im Gefühl, auch wenn er nicht genau wusste, warum. Schnell hatte sich der kleine Kreis von Schaulustigen verzogen, hatten sie doch etwas Interessanteres erwartet, das sich gelohnt hätte, weiter erzählt zu werden. Nur noch die beiden Polizisten waren in der Nähe, hantierten gerade an ihrem Wagen herum. Mit gezielten Schritten marschierte die ferngesteuerte Menschenhülle auf sie zu. Ein Handgriff schon war dem einen seine Dienstwaffe abgenommen worden, ein weiterer Handgriff und da lag er auf dem aufgeheizten Steinboden, Blut lief aus einer Wunde an dessen Stirn. Die Kugel war vorne durch diese eingedrungen, am Hinterkopf wieder herausgetreten und in einem Baum dahinter stecken geblieben. Langsam breitete sich eine Lache auf dem Boden um den Kopf der Leiche aus. Erschrocken, doch noch nicht ganz begriffsstutzig zog sein Partner nun seinerseits eine Waffe, doch zu einem Schuss aus dieser kam es nicht. Zu Seamus’ Entsetzen breitete sich auf seinem eigenen Gesicht ein Lächeln aus, was wohl nichts anderes bedeuten konnte, als dass sich sein Untermieter über die Ermordungen freute. Ja, ihn freute dies ungemein, denn nun kam auch noch ein leises Summen über seine Lippen geschlichen. Er wollte es nicht, hatte jedoch keine Chance sich dagegen zu wehren. ~Seine Hand gab sieben Menschen einen schnellen Tod, bis ihn selber eine Kugel niederwarf. Wer ihn kannte sagte, dass es seltsam war, denn glücklicher hat man ihn nie gesehn. Der Glanz eines Engels war auf ihm zu sehn.~ Von den Schussgeräuschen aufmerksam geworden blieben ein paar Spaziergänger stehen. Seamus, welcher erst mit dem Rücken zu ihnen stand, drehte sich nun langsam um immer noch die Pistole in der Hand haltend. Unter den Schaulustigen befanden sich auch ein paar von des Wirtes Freunden, die diesen eigentlich hatten begrüßen wollen, als sie ihn entdeckten, man jedoch nur noch Entsetzen und Ratlosigkeit auf ihren nun sehr bleichen Gesichtern lesen konnte, als ihnen bewusst wurde, in welcher Situation und in welchem Zustand sich ihr Gegenüber befand, dessen Lächeln immer breiter wurde, je mehr Passanten fragend stehen blieben. Auf das Grinsen folgte nun ein leises hysterisches Kichern, während sich die Hand mit der Schusswaffe Stück für Stück hob bis sie genau auf die Menge vor ihm zielte. Die vorher noch halbwegs ruhige Stimmung schlug prompt in Panik um. Ein Schuss... Blut... Panisches Kreischen... Gedränge... Die Kugel hatte sich sein Opfer gesucht. Eine Mutter aus der vordersten Reihe hatte krampfhaft versucht ihr Kind zu schützen, doch hatte die Patrone sich durch ihren Arm und dann weiter durch die Brust des Kindes gebohrt, welches nun nur noch leblos in ihren zitternden Armen lag. Ein einsames Lachen... Alle versuchten sie nun weg zu kommen, von dem Ort des Schreckens zu fliehen, ohne dass sie selbst durchschossen auf dem Boden liegen blieben. Jeder war nur noch auf sein eigenes Wohl aus, wobei das Gedränge und Geschubse immer größer wurde. Dies hielt Seamus jedoch nicht davon ab seine sich selbst aufgegebene Aufgabe zu beenden. Mit einem Funkeln in den Augen, einem breiten Grinsen auf den Lippen machte er sich auf den Weg. Seine Freunde, welche ihn so gut kannten, wie niemand anders, konnten sich sein Verhalten auch nicht erklären. Diese Freude... Diese unbändige Freude, welche von ihm ausging. Der junge Mann war zwar ein fröhlicher Mensch, doch diese extreme Intensität dieses Gefühls war ihnen bei ihm wahrlich fremd. Er hatte sich so plötzlich verändert... Und wieder blieb jemand regungslos auf dem harten Gehweg liegen, die Augen schreckgeweitet. Es war ein Mädchen, der ein älterer Mann in den Tod folgte. Langsam ging der um sich Schießende auf diesen zu... und schoss noch einmal... und noch einmal auf ihn ein. Obwohl jener schon nach der ersten Kugel tot war, rammte ihm der ferngelenkte Wirt auch noch seinen Fuß in die Magenkuhle. Wieder erklang dieses Lachen aus seinem Munde, ein irres Lachen in einem nun mehr angstverzerrten Gesicht. Er wollte nicht mehr, hatte Angst vor dem, was er tat, vor dem, was er zu werden schien... Doch plötzlich ließ er von seinem Opfer ab und lauschte. Ein Mann hatte es tatsächlich geschafft mit seinem Handy die Polizei zu benachrichtigen, die auch sogleich reagiert hatte und vier ihrer Wagen losschickte, welche kurze Zeit später am Ort des Geschehens eintrafen und einen Halbkreis um Seamus bildeten, der auf dem Gehweg vor den beiden Leichen stand und eine Augenbraue hochgezogen hatte. In Sekundeschnelle waren die Polizisten aus ihren Wagen gestürmt, hatten sich hinter diese postiert und ihre Waffen gezückt. Einer von ihnen hatte sich ein Megafon geschnappt und rief, dass Seamus langsam die Pistole senken, sie auf den Boden legen und danach die leeren Handflächen noch oben halten sollte. Als hätte der Angesprochenen die Aufforderung überhaupt nicht wahrgenommen, hob er den Fuß ein letztes Mal. Doch dies wollten einige Beamte nicht zulassen und feuerten. Schnell hatte Seamus sich eine verschreckte, orientierungslos umherlaufende Frau geschnappt und wie ein Schutzschild vor sich postiert, die Pistole an ihre Schläfe gedrückt, was die Beamten sofort aufhören ließ. Breit grinsend stand er da... und drückte ein weiteres Mal ab. Blut spritzte ihm ins Gesicht, über Hand und T-Shirt. Es war so plötzlich über ihn gekommen, dieser Trieb alles und jeden auszulöschen. Die Suche nach Schutz war nur noch ein kleines Aufbäumen des wahren Seamus’ gewesen, den das Wesen jedoch in ein Blutbad enden ließ. Langsam leckte er mit der Zunge das Blut von seinen Lippen ab, während er die Frau losließ, die daraufhin langsam zu Boden sackte. Die letzte Kugel, die er verbrauchen sollte an diesem sonnigen Tag, an seinem letzten Tag, galt dem Kommissar mit seinem Megafon, welcher immer noch versuchte den Amoklaufenden mit nichtsnutzenden Kommentaren zu beruhigen. Plötzlich durchzog ein gleißender Schmerz Seamus' gesamten Körper, angefangen in seiner Brust. Er war für eine Sekunde nicht vollkommen aufmerksam gewesen, sodass ihn eine Kugel mitten ins Herz treffen konnte. Das Blut sprudelte aus seinem Mund und aus der Wunde und besudelte nun auch den Rest seiner Kleidung. Überrascht ließ er seinen Blick nach unten wandern, ließ die Dienstwaffe fallen und befühlte die getroffene Stelle mit seinen nun auch vollends rotgefärbten Händen. Auf einmal ertönte wieder dieses hysterische Kreischen. Etwas passierte mit Seamus. Sein Körper starb. Nur noch das himmlische Ungetüm in ihm blieb. Jedoch konnte es ohne menschliche Hülle nicht länger auf der Erde walten und eine zweite Chance würde es nie wieder bekommen. Es war, als ob ein Lichtstrahl den in sich zusammensackenden Körper bestrahlen würde und zwei Flügel aus seinem Rücken brächen. Zwei Sekunden später war alles vorbei. Eine Leiche mehr lag auf dem erhitzten Asphalt und etwas schwarzes unförmiges flog hoch in den Himmel, jedoch unbemerkt für die Augen der Menschen, dessen Schicksal nicht so enden sollte, wie das des jungen Mannes. Dann war alles still. Die Sirenen der gerufenen Krankenwagen waren leise vernehmbar. ~Wenn Engel hassen, stürzen sie wie Steine aus dem Himmelszelt; wenn Engel hassen, fliegen sie als dunkle Vögel in die Welt; wenn Engel hassen, landen sie als schwarzer Schatten, der uns quält, und nehmen Rache an den Menschen, die gefallen sind wie sie.~ Ein verlorener Tropfen des heißen Kaffees tropfte einsam in die sich direkt darunter befindliche Kanne. Eine kühle Brise wehte durch die immer noch offen stehende Eingangstür, ließ die Vorhänge im Wohnzimmer und der Küche sanft unter sich erzittern und umschmeichelte liebevoll die auf den Fensterbrettern, auf dem Boden und auf den Tischen stehenden Blumen. Etwas idyllisches und friedliches lag in der Luft. Im Fernsehen liefen nun die morgendlichen Nachrichten, die sich jedoch bereits dem Ende näherten. „... Grausame Dinge spielten sich vor ca. einer halben Stunde auf fast der gesamten Welt ab. Von überall her wird von Augenzeugen berichtet, gesehen zu haben, wie sich der Himmel für kurze Zeit verdunkelt hatte. Daraufhin liefen einige Menschen aus unerklärlichen Gründen plötzlich Amok, wobei zahlreiche Menschen, darunter auch die Amokläufer selber, getötet wurden. Spezialisten vermuten, dass die kurze Verdunkelung der Sonne etwas in den Köpfen der Menschen ausgelöst hatte, was zu einer extremen Verwirrung des realistischen Denkens geführt haben könnte, doch genaueres wissen auch sie noch nicht. Weitere Untersuchungen werden bereits eingeleitet und man hofft in ein paar Stunden mehr dazu sagen zu können. Bis dahin einen schönen Tag noch und auf wiedersehen.“ Langsam öffnete Seamus die Augen. Gleißendes Licht drang in diese und ließ ihn für kurze Zeit erblinden. Doch auch als er sich daran gewöhnt hatte, konnte er nichts um sich herum erkennen. Alles war hell und von Licht umströmt. Es war wie das Nichts, in dem er gefangen war. Trotz der Helligkeit fröstelte er. Ja, es war sogar eiskalt. Und etwas Dunkles regte sich langsam in ihm, erwachte aus seinem tiefen Schlaf, in dem es seit scheinbar langer Zeit gelegen hatte. Wie lange Seamus wohl weggetreten war? Es hätten Sekunden, Wochen, wenn nicht sogar Jahre vergangen sein können. Gab es dort, wo er war, überhaupt so etwas wie Zeit? Das Dunkle in ihm breitete sich immer weiter aus. Und plötzlich empfand er so etwas wie Ärger. Nein, sogar Wut. Warum hatte man ihm dies angetan? Er war unschuldig gewesen, dennoch hatte man ihn kaltblütig erschossen. War ihnen nicht klar gewesen, dass er nicht er selbst gewesen war? Seine Freunde und Bekannten waren doch dabei gewesen. Warum sind sie nicht eingegriffen? Warum haben sie den Polizisten nicht erklärt, dass etwas nicht mit ihm stimmen konnte? Im Stich hatten sie ihn gelassen, dem Tode ausgeliefert. Die Kälte wurde, falls das überhaupt noch möglich war, noch eisiger, nahm jeden Winkel seines Körper ein. Auch die Wut nahm immer weiter zu, staute sich zu einem gewaltigen Hass an, der in ihm zu explodieren drohte. Warum hat man ihm das angetan?! Warum?! Ein Rachedurst bildete sich... Doch plötzlich wusste er, dass bald alles ein Ende finden würde, dass er bald versuchen konnte den brennenden Hass zu erlischen. Denn bald war es ihm erlaubt auf die Erde zurückzukehren als Bote der Verdammten... Ein allerletztes Mal... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)