Freunde, Feinde & Geschwister von Idris (One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 4: Wolken [Joey, Tea] ----------------------------- Charaktere: Joey Wheeler, Anzu Mazaki Genre: gen, (möglicherweise hints auf het oder slash) Entstanden: Juni 2006 Was Joey am meisten an ihr mag, ist das man mit Tea ganz still sein kann. Wenn er mit Tristan hier wäre, würden sie vermutlich hier herumtoben, sich gegenseitig ärgern und miteinander rangeln. Und wenn es Yugi wäre, der grade neben ihm läge, dann hätten sie schon längst ihre Decks herausgekramt und die ersten Duelle bestritten. Das oder die Welt vor ein paar Psychopathen gerettet. Er wird rot, wenn er sich vorstellt, dass es Mai ist, die hier mit ihm ist und denkt diesen Gedanken lieber nicht zu Ende. Und er weiß, dass er die ganze Zeit reden und irgendetwas tun würde, wenn es Serenity wäre. Für seine Schwester will er immer ein Held sein. Aber es ist Tea, die neben ihm im Gras liegt. Bei Tea ist er entspannt. Er kann einfach daliegen, die Sonne auf seinem Gesicht spüren und Wolken betrachten, die nie ganz aussehen wie Schafe. „Eine Pizza“, sagt er und deutet nach links. „Vermutlich Peperoni.“ „Ein Radio“, erwidert Tea und schirmt ihre Augen mit einer Hand ab, um die Wolkenformation über ihrem Kopf besser sehen zu können. „Welches Lied?“ fragt er zurück und sie boxt ihm in die Rippen. Er grinst und schließt die Augen. Vor Tea muss er nichts beweisen und nicht den coolen Macker raushängen lassen. Dafür kennt sie ihn zu gut und hat ihn schon in zu vielen Momenten erlebt, die mehr als uncool waren. Sie weiß, dass er einen rosa Stoffhasen in seinem Bett hat (Geschenk von Serenity. Ehrlich!) und dass er Boxershorts besitzt auf den ‚World greatest Hunk!’ steht. Da ist nicht mehr viel, was ihm vor ihr peinlich wäre. „Das könnte eine Sonnenblume sein …“, rätselt Tea und er öffnet die Augen wieder, um ihrem ausgestreckten Zeigefinger zu folgen. „Die lange dünne da?“ „Ja.“ „Quatsch, das ist Kaiba“, stellt Joey fest. „Guck dir nur den arroganten Blick an!“ „Arroganter Blick?“ Sie klingt skeptisch. „Das nennt man Paranoia, Joey …“ „Doch, doch! Siehst du nicht, wie er das Gesicht verzieht und auf mich hinabblickt, mit seinem „Sitz oder stirb, Köter“-Ausdruck im Gesicht?!“ Sie wirft ein ausgerupftes Gänseblümchen nach ihm und verdreht die Augen. „Verschon mich bloß mit deiner Besessenheit.“ „Hey! ER ist doch derjenige, der immer …“ Ohne hinzusehen nimmt Tea den Arm vom Himmel und hält ihm kurzerhand damit den Mund zu. „Nicht jetzt“, befiehlt sie schläfrig. „Nicht hier. Ich mag dich lieber mit einem Blutdruck unter 200.“ Joey grummelt, aber nickt folgsam. Kaiba hat kein Recht ihm diesen perfekten Moment zu versauen. Teas Hand auf seinem Mund ist warm und riecht nach Gras und Sonnencreme. Sie hat schmale Finger und kurze, sorgfältig gefeilte Fingernägel, mit denen sie richtig fies zukneifen kann. Das weiß er von den seltenen Momenten, in denen er oder Tris wagemutig versucht haben, ihr den Rock hochzuziehen. Als sie ihre Hand wieder von seinem Mund nimmt, hält sie kurz inne und entfernt beiläufig ein paar Grashalme aus seinen viel zu langen Ponysträhnen. Eine Weile sind sie ganz still und starren in perfektem Einvernehmen hoch zu dem blauen Sommerhimmel. Joey hat die Arme im Nacken verschränkt und Tea eine Hand über ihre Augen gelegt. Sie liegen so dicht nebeneinander, dass er ihre ausgebreiteten Haare spüren kann, die über die bloße Haut seines Arms streifen. Normalerweise machen Mädchen ihn mit ihrer Anwesenheit nervös und unsicher und bringen ihn dazu, dass er noch mehr dummes Zeug redet als sonst. Joey kann nicht gut mit Mädchen. Aber er kann mit Tea. Es macht ihn traurig zu wissen, dass sie nicht mehr lange so nebeneinander liegen werden. Die Schule ist bald zu Ende, die meisten Prüfungen sind schon geschrieben und in weniger als zwei Monaten wird Tea endgültig nach New York verschwinden. Er hat ihr so gewünscht, dass es klappt und sämtliche Daumen für sie gedrückt, dass diese Tanzschule sie annimmt … aber jetzt wo es soweit ist, ist er nicht wirklich glücklich darüber. New York ist soweit weg. Und irgendwas stimmt einfach nicht in seinem Leben, wenn Tea nicht daneben steht, ihn streng ansieht und ihm moralische Vorträge hält. „Hey.“ Als hätte sie seine Gedanken gelesen, stupst sie ihn plötzlich an. Fragend wendet er ihr den Kopf zu. „Woran denkst du?“ fragt sie. Tea darf Dinge bei ihm, die andere nicht dürfen – wie sich ungefragt die Pilze von seiner Pizza klauen, weil sie weiß, dass er sowieso keine mag. Dafür kriegt er ihre Mathehausaufgaben. Deswegen darf sie ihn auch ungestraft mit so unangenehmen Frauenfragen terrorisieren. Was denkst du … also bitte. „Hm … nichts“, erwidert er, nach sorgfältiger Überlegung. „Jo~ey …!“ Niemand kann Joey so sagen, wie Tea das kann. Ihre Stimme wird in der zweiten Hälfte um mindestens drei Oktaven höher und sie dehnt seinen Namen, so dass es klingt wie Jo~EEY! „Nur Männer behaupten immerzu, dass sie an Nichts denken“, beklagt sie sich mit einem vorwurfsvollen Zungenschnalzen. „Woher weißt du, dass es nicht stimmt?“ „Mach keine Witze. Ich kann es bei dir rattern hören, wenn du so angestrengt nachdenkst, wie grade eben.“ Sie pflückt ein weiteres Gänseblümchen und spielt damit herum, ihr Blick unverwandt auf ihn gerichtet. Da wären eine Menge Dinge, die er ihr sagen könnte … eine Menge Dinge, die er an ihr vermissen wird. Aber Joey ist nicht gut mit Worten und noch schlechter darin, ernsthaft über seine Gefühle zu sprechen. Also fährt er sich verlegen durch die Haare und schenkt ihr eins seiner verpeilten, verlegenen Lächeln, die sie dazu bringen mit den Augen zu rollen. Sie versucht streng auszusehen, aber er sieht, wie sie mittendrin ihre Augen verzieht und die Nase kraus zieht, als sie erneut von der Sonne geblendet wird. Aus einer Stimmung heraus, greift er nach der Sonnebrille, die im Kragen seines T-Shirts hängt. Wortlos klappt er sie auseinander und setzt sie ihr auf. Ihr strenger Gesichtsausdruck weicht und sie sieht ihn ein wenig perplex an. „Danke.“ Er zuckt mit den Schultern. „Kannst sie behalten.“ Es soll in New York ja auch sehr heiß sein. Sie sind nicht immer nett zueinander. Oft genug zickt sie herum, er ist ein Chaot, sie ist anstrengend, er ist vorlaut, sie kann kratzen und er kann beißen. Er gibt es nicht zu, sondern bezeichnet sie lieber als Zicke, aber er mag das an ihr. Sie kann austeilen und einstecken und ist nicht nachtragend, wenn er mal wieder was versemmelt hat. Aber so richtig nett zueinander sind sie nur ganz selten und nur versteckt, um zehn Ecken herum und nur wenn keiner hinsieht. Außer Yugi vielleicht. Deswegen kann Joey auch jetzt nicht nett sein. Nicht wirklich nett zumindest, sondern nur ein ganz, ganz kleines bisschen nett. „Siehst du die da?“, sagt er und zeigt auf eine kreiselförmige Wolke. Tea nickt und Joey fährt fort. „Das bist du, schätze ich. Du drehst da grade eine Piourette in New York.“ „Pirouette“, korrigiert sie aus Gewohnheit. „Mein ich ja.“ „Hab ich ein wenigstens ein schickes Kostüm an, in dem meine Hüften nicht so breit aussehen?“ fragt sie interessiert und legt den Kopf schief. „Hey, das ist nur ein Kostüm, ja? Erwarte keine Wunder …!“ grinst er. Yep, ihre Fingernägel sind immer noch verdammt scharf gefeilt. „Mistkerl“, sagt sie. „Hey!“ sagt er. „Also, du siehst natürlich einfach fabelhaft aus“, fährt Joey fort und reibt sich vorwurfsvoll über den misshandelten Arm. „Oh wow, seh ich da etwa den Broadway …?“ Sie liegen nebeneinander im Gras und spinnen Luftschlösser zusammen, die nur sie sehen können. Joey sieht Wolken und Teas Kornblumenaugen, und er denkt ausnahmsweise nicht ans Duellieren und nicht an Kaiba und nicht an Psychopathen, die die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Er ist ganz friedlich und fühlt sich entspannt – ein Stadium, von dem sämtliche seiner Lehrer schon längst aufgegeben haben, es jemals erreichen zu wollen. Und er vermisst sie … Denn wer wird noch so mit ihm im Gras liegen, wenn sie erst einmal weg ist? „Und was ist das?“ fragt sie und deutet auf ein unförmiges, zusammengekrümmtes Wolkegebilde über seinem Kopf. „Das bin ich“, erwidert Joey impulsiv und ohne nachzudenken. „Joey, allein und verlassen in Domino.“ Diesmal kneift Tea ihn nicht in den Arm und wirft keine Blumen nach ihm. Einen Moment lang ist sie ganz still. Er sieht sie nicht an und seine Finger sind eifrig damit beschäftigt Grashalme auszurupfen. „Weißt du, was das ist?“ fragt sie schließlich und deutet auf einen kleinen unscheinbaren Wolkenfetzen, direkt neben dem zusammen gekrümmten Joey. Er schüttelte den Kopf. „Was?“ Tea stützt sich auf den Ellenbogen und dreht sich zu ihm. „Ein Billigflug nach New York. Nur 68 $. Ne Sonderaktion. Gibt’s im Reisebüro neben Burgerworld.“ Joey wendet den Kopf und erwidert ihren Blick. Er lächelt. „Cool …“ Sie lehnt sich zurück und dann schweigen sie wieder gemeinsam. Ihre Haare streifen seinen Arm, und sie liegt nicht zu dicht und nicht zu weit weg, aber berührt ihn immer fast. Das ist noch was, was er an Tea mag. Dass sie nicht viele Worte braucht, um ihn zu verstehen. ^Fin^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)