Go!Go!America!! von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 11: Chapter 11 ---------------------- In den nächsten Tagen war ich zu Nichts zu gebrauchen. Ich war einsilbig, lachte nicht und verschloss mich vor den anderen. Was bei dem Gespräch mit Jin herausgekommen war, verschwieg ich und die anderen waren so feinfühlig, auch nicht danach zu fragen. Meinen mp3-Player stopfte ich in die unterste Ecke meiner Reisetasche, um ja nicht seine Stimme zu hören. Jede freie Minute starrte ich das Display meines Handys an, in der Hoffnung, dass er sich melden würde. Ich wusste, dass es eigentlich sinnlos war, denn was hätte ein Anruf von ihm geändert? Nichts. Denn ich war es ja, die einen Schlussstrich gezogen hatte, was also erwartete ich von ihm?! Es war bereits eine Woche seit dem Unfall vergangen und ich beschloss, dass ich aufhören musste, mich so gehen zu lassen. Wir waren auf einem Ausflug in der Innenstadt und wollten den Tag mit Einkaufen zubringen, als ich schließlich anfing, auf die anderen wieder einen Schritt zuzugehen. „Wollen… Wollen wir vielleicht irgendwo etwas essen gehen? Ich habe Hunger…“, fragte ich zunächst kleinlaut, dann mit immer stärkerer Stimme. Erstaunt sahen die drei mich an. „Äh, ja… Klar! Warum nicht?!“ Sophie hakte sich bei mir unter. „Was willst du denn essen?“ „Hm… irgendeinen Salat. Es ist so warm, da braucht man nicht noch was Heißes…“ Sie nickte und lächelte mich unsicher an. Der Tag war wie immer sehr sonnig. Bis jetzt hatte es seit unserem Aufenthalt nur einmal geregnet. Das eine Mal, wo ich mit Jin im Aquarium gewesen war… Wo uns diese Petze aus der Parallelklasse verraten hatte. Bei dem Gedanken daran, stieg die Wut in mir hoch und ich ballte die Faust. Hoffentlich würde ich irgendwann dazu kommen, mich zu rächen. Doch ich wollte mich nicht jetzt darüber aufregen, dazu hatte ich in Deutschland noch genug Zeit. Wir saßen in einem kleinen Bistro, jeder mit einem kalten Getränk vor der Nase und warteten auf unsere Salate. „Ria, geht es dir gut?“, meinte Karmen und sah mich mit durchdringenden Augen an. Ich nickte. Sie tat es mir gleich. „Und… Was wollen wir danach machen?“ Chris seufzte, weil ihr die angespannte Stimmung wahrscheinlich auf die Nerven ging. „Ich weiß nicht… Wir könnten wieder baden gehen? Was haltet ihr davon? Die Einkäufe haben wir ja bereits erledigt.“ Ich blickte sie erwartungsvoll an. Sie strahlten und stimmten zu. Der Nachmittag war einer der schönsten seit langem. Ich kam nach und nach aus meiner Höhle heraus und lachte sogar. Es war schön, mal wieder glücklich zu sein und nach langer Zeit nicht nur trübsinnige Gedanken zu haben. Wir alberten den ganzen Nachmittag herum und schließlich wurde es Zeit, wieder ins Internat zu fahren. Wir fuhren mit der U-Bahn. Mittlerweile war es draußen kühler geworden und darum war es zur Abwechslung mal nicht ganz so unangenehm für mich. Wir waren fast allein im Abteil. Nur ein älterer Herr und eine junge Mutter mit Kind leisteten uns Gesellschaft. Ich wurde müde und so schlief ich mal wieder ein. Plötzlich krachte es hinter mir und ich wurde unsanft aus meinen Träumen gerissen. Ich sah mich um. Nirgends einer meiner Freunde zu sehen. Wo zum Teufel waren sie? Mein zweiter Gedanke: Was war das für ein Poltern? Ich stand auf und sah, dass mittlerweile weder meine Freunde, noch der Mann, noch die Frau mit ihrem Kind da waren. Dafür ein paar Betrunkene, die gerade auf jemanden einschlugen. Ich konnte nicht erkennen, wer da lag, es war nur ein Knäuel, das sich vor Schmerzen hin und her wand. Ich überlegte, was ich tun konnte. Zu meiner Verwunderung verspürte ich keine Angst. Eher war ich beruhigt, dass meine Freunde nicht hier waren, denn am Ende wäre ihnen noch etwas passiert. Ich schlich mich aus dem Abteil und rannte zum Schaffner. Vor Aufregung stotterte ich ein paar englische Sätze zusammen und bat ihn, sofort mit mir zu kommen. Er schien zu verstehen und hielt sofort. Als wir wieder ins Abteil kamen, schrie einer der Betrunkenen auf das Knäuel am Boden ein, welches nur noch zitterte. Der Schaffner schnauzte mit schnellem Englisch die Betrunkenen an und warf sie aus der Bahn. Erst wollten sich die Kerle mit ihm anlegen, doch nachdem er ihnen androhte, die Polizei zu verständigen, stolperten sie widerwillig aus der Bahn. Ich verstand von dem Gesagten vieles nicht und konnte mir das meiste nur zusammenreimen. Als sich die Situation beruhigte, knieten wir uns vor den Verprügelten und fragten ihn, ob es ihm gut ging. Der Verletzte nickte und nun richtete er sich auf. Mir stockte der Atem. Mit weit aufgerissenen Augen stolperte ich zurück und fiel fast auch noch zu Boden. Ich kam mir vor, wie in einem schlechten Film. Denn vor mir hockte Jin. Seine Augen waren blutunterlaufen, er hatte eine blutige Lippe und überall Schürfwunden. Als er mich sah, blickte er weg. Ein merkwürdiger Stich bohrte sich in mein Herzen. Der Schaffner fragte ihn noch einmal, ob alles in Ordnung sei, dann verließ er das Abteil, mit der Entschuldigung, er müsse nun wirklich weiter fahren. Jin erhob sich mühsam und nun standen wir uns gegenüber. Keiner traute sich, dem anderen in die Augen zu schauen. Ich räusperte mich. Ich wollte mich zum Gehen wenden und in ein anderes Abteil wechseln, da hielt er mich am Ellenbogen. „Ria… Please… Help m…“ Er sackte wieder auf die Knie. Sein Atem ging schwer. Die eine Hand noch an mich geklammert, hielt er sich mit der anderen seinen Bauch. Ich drückte blitzschnell auf den Halteknopf und es dauerte nicht lange, da hielt die Bahn. Ich stützte ihn aus der U-Bahn und blickte mich verwirrt um. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo wir waren. Auf jeden Fall nicht mehr in der Innenstadt. Es war mittlerweile stockduster und bis auf ein paar Laternen gab es hier nichts. Doch: Ein paar Reklameschilder, die mir leider auch nicht weiterhalfen. „Jin… Weißt du, wo wir hier sind?“ Er röchelte und schüttelte den Kopf. Er sackte noch ein Stück nach unten und ich konnte ihn nicht mehr halten. Er fiel zu Boden und zerrte mich mit sich, da er noch immer seinen Arm um mich gelegt hatte. Blitzschnell rappelte ich mich auf. „Jin! Jin!! Jin, bitte sag doch etwas!!! Kannst du mich hören? Jin, bitte wach auf.“ Ich schüttelte ihn leicht, doch er reagierte nicht. Ich zückte mein Handy, um den Krankenwagen zu rufen, doch dann fiel mir ein, dass ich dann wieder mit ihm in Zusammenhang gebracht werden würde und das wäre nicht sonderlich gut. Doch ich hatte keine weitere Nummer, nicht mal ein Taxi hätte ich rufen können. Verzweifelt überlegte ich, was ich tun könnte. Da fiel mir ein, dass Jin vielleicht eine Nummer in seinem Handy hatte. Ich tastete ihn vorsichtig ab und fand es schließlich in seiner Hosentasche. Mit zitternden Händen durchsuchte ich sein Telefonbuch. Es waren eine Menge Nummern eingespeichert. Fast alle Johnny’s waren darin vermerkt, doch ich dachte nicht weiter darüber nach. Schließlich fand ich eine Nummer für die englische Auskunft. Ich rief dort an und erklärte in meinem Englisch, dass ich die Nummer von einem Taxistand benötigte. Die Dame am anderen Ende war sehr freundlich und verband mich sogleich. Und ich schaffte es schließlich, dem Taxifahrer zu beschreiben, wo ich mich befand. Ich war dankbar, dass er mein schlechtes Englisch und meine noch schlechtere Beschreibung des unbekannten Ortes verstand. Nach dem Telefonat steckte ich das Handy in meine eigene Tasche, aus Angst, Jin noch mehr Schmerzen zuzufügen. Ich lehnte ihn an die Hauswand eines alten Backsteinhauses, welches sich genau gegenüber der U-Bahn Station befand. Sein Atem ging ungleichmäßig und er zuckte ständig mit seinen Händen. Beruhigend nahm ich sie in meine und begann, sie zu streicheln. Er sollte merken, dass er nicht allein war. Langsam wurde er ruhiger und nach einer Weile öffnete er auch die Augen wieder. Unsicher sah er mich an. „Ria…“ Er wollte noch viel mehr sagen doch ich legte ihm einen Finger auf die Lippen und schüttelte mit dem Kopf. Dann setzte ich mich neben ihn und hielt weiterhin seine Hand. Als wir schließlich vor seiner Wohnung angekommen waren stützte ich ihn wieder die Stufen der Treppe hinauf. Er hielt mir seinen Wohnungsschlüssel entgegen und ich öffnete leise. Die Tür sprang geräuschlos auf und ich atmete erleichtert auf. Endlich. Hier wusste ich wenigstens, wo ich war. Ich bugsierte ihn zu der ledernen Couch und ließ ihn vorsichtig hinab fallen. Er stöhnte. Ich legte meine Tasche ab und ging ins Badezimmer um einen kalten Waschlappen und eine Schüssel zu holen. Außerdem brauchte ich den Verbandskoffer. Bei meiner Rückkehr ins Wohnzimmer, hatte sich sein Atem reguliert, er lag ruhig und mit offenen Augen da. Sein Blick war starr zur Decke gerichtet, welcher sich auch nicht änderte, als ich mir einen Stuhl heranzog und mich neben ihn setzte. Stumm begann ich, seine Wunden mit dem kalten Waschlappen abzutupfen, worauf er versuchte, sich von mir wegzudrehen. Ruhig hielt ich mit der anderen Hand sein Gesicht davon ab und wusch weiter die Wunden. Als ich fertig war, sah er nicht mehr allzu schlimm aus. Das Blut war weg und nur das Veilchen, um das rechte Auge und ein paar blaue Flecken waren auf seinem, sonst so makellosen, Gesicht zurück geblieben. Erneut ging ich ins Bad und suchte nach ein paar Pflastern, die ich schließlich im Spiegelschrank unter seinen Kopfschmerztabletten fand. Diesmal trat ich zögerlich aus der Badtür. „Wollen wir uns jetzt die ganze Zeit anschweigen?“, fragte ich mich stumm. Ich schüttelte den Gedanken ab und schritt wieder zur Couch, auf der er noch immer bewegungslos lag. „Warum haben sie dich verprügelt?“ , fragte ich schließlich, nachdem ich das erste Pflaster auf seine weiche Wange geklebt hatte. Er versuchte zu reden, doch heraus kam nur ein Krächzen, worauf er sich räusperte. „Weiß nicht…“ „Aber sie müssen doch einen Grund gehabt haben!“ , beharrte ich. „Nun, vielleicht reicht es ja, Ausländer zu sein…“, meinte er nun. Überrascht ließ ich das Pflaster wieder sinken, welches ich ihm gerade auf die Platzwunde über seiner linken Braue kleben wollte. „Sie haben dich verprügelt, weil du Japaner bist?“ Er nickte stumm. Ich schüttelte den Kopf. „So etwas idiotisches. Ich meine…“ Ruckartig legte er seine Hand auf meinen Arm. „Ria, bitte…“ Ich biss mir auf die Lippen. Er sah mich noch immer nicht an. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen. Doch ich durfte jetzt nicht weinen, wie würde das denn aussehen? „Du hast mich sehr verletzt, weißt du das? Ich war ehrlich zu dir. Habe dir Dinge erzählt, die ich nicht so leicht hin sage. Es hat mich auch gewisse Überwindung gekostet. Hm, ich dachte eigentlich, dass es dir genauso gehen würde, aber nach dem, was du da das letzte Mal zu mir gesagt hast, scheint es nicht so…“ „Jin… Du weißt doch, dass ich das auch für dich getan habe. Es wäre viel zu kompliziert…“ Er richtete sich auf und sah mir wütend in die Augen. Ich erschrak vor seinem Blick und wich zurück. „Na und?!“ Jetzt schrie er. „Mir ist es verdammt noch mal egal, ob es kompliziert ist, oder nicht. Das habe ich dir schon einmal gesagt, Ria. Die Leute denken immer, was sie wollen! Warum zum Teufel, denkst du immer so viel? Warum?“ Ich wurde ebenfalls wütend. „Na, was soll ich denn deiner Meinung nach tun?! Jin, ich habe noch keine allzu sichere Zukunft vor mir, ich habe mir noch nichts aufgebaut. Wenn ich von der Schule fliege, wo sollte ich deiner Meinung nach hin? Nach Japan? Zu dir? Schön und gut, das würde ich wirklich gern tun, da gibt es nur ein Problem: Ich habe so etwas wie eine Familie, die auch gewisse Dinge von mir abverlangt. Ich kann nicht einfach in den Tag hinein leben, ohne mir im Klaren darüber zu sein, was das für Konsequenzen habe kann…“ Seine Augen blitzten. Meine ebenfalls. Ich war sauer, weil er einfach nicht verstehen wollte. „Gut, dann beantworte mir bitte eine Frage: Warum bist du jetzt, und genau jetzt, hier? Könnte das nicht ebenso Konsequenzen haben?“ Meine Schultern sackten zusammen. Und mit einem Male begriff ich, dass nicht er es war, der mir Probleme bereitete, sonder dass ich es selbst war. Er hatte Recht. Wenn ich ihn nicht sehen wollte, warum war ich dann hier? Ich hätte ihn doch genauso gut auch allein nach Hause schicken und dann zum Internat weitergehen können. Klar, es ging ihm nicht gut, doch er hätte es auch allein geschafft. Wie erstarrt, kauerte ich auf dem Stuhl. Meine Augen waren ins Nichts gerichtet und ein paar kleine Tränen kullerten aus meinen Augen. Er setzte sich mir gegenüber. Seine Arme stützte er auf seine Knie und seine Augen durchforschten mein Gesicht. Ich wusste genau, dass er mich beobachtete und dennoch erwiderte ich seinen Blick nicht. Ich konnte es nicht. Ich würde nur wieder schwach werden. Es war schon eine gewisse Abhängigkeit, die mich immer wieder zu ihm trieb. Mein Blick ging durch das Fenster. Es regnete. Stockdunkel war es draußen und man sah kein einziges Licht. Unendlich lang blieb ich so sitzen, bis ich seine Arme auf meinen Schultern spürte und er mich sachte umarmte. Er zog mich auf seinen Schoß, wo ich noch immer völlig erstarrt verharrte. Beruhigend schaukelte er mich hin und her. Schließlich gab ich den Versuch auf, mich ihm zu widersetzen und drückte mich an ihn. Ich begann zu schluchzen. Es durchzuckte meinen Körper und ich spürte, wir er mich fester umarmte. „Warum, warum nur?“ Ich konnte ein Lächeln auf seinem Gesicht erkennen. „Wer weiß das schon so genau?“ Er lachte laut auf und ich weiß noch, wie mir diese Lachen ewig im Gedächtnis blieb. Es war so frei und fröhlich, dass es einem leicht ums Herz wurde. Ich schloss die Augen. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben Angst vor einem Morgen. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass diese Nacht nicht enden würde. „Jin?“ , fragte ich, das Gesicht in seinem weißen Strickpulli verborgen. „Hm?“ „Danke!“ Er lachte wieder, aber diesmal war es leiser. „Ist schon merkwürdig, oder? Ich meine, da haben wir jetzt so oft versucht, uns voneinander loszueisen und trotzdem mag es nicht so recht gelingen… Wer weiß? Vielleicht sind wir Seelenverwandte? So wie Kame und ich?“ Es war merkwürdig, von ihm solche Dinge zu hören. Und ich war von ihm und mir überrascht, dass ich jedes Wort verstand, was er da von sich gab. Ich nickte stumm. „Und was…“ „Ria, hör auf!“ Ich lachte. Er hatte Recht. „Sorry… Das war wirklich keine Absicht!“ Er grinste verschmitzt und sah mir in die Augen. Ich betrachtete ihn. Er hatte die Kette um, die ich ihm geschenkt hatte. Das fiel mir erst jetzt auf. Sie stand ihm gut und ich nahm den Anhänger vorsichtig zwischen meine Finger. Mit einem Ruck schob er mich plötzlich von seinem Schoß. „Was ist?“ , fragte ich überrascht. „Erstens wirst du schwer und zweitens ist es besser, wenn du jetzt zum Internat gehst. Ich werde dich bringen.“ Bei der ersten Begründung lief ich rot an, wobei er mir sanft über die Wange strich. Draußen war es ungewohnt kalt. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört. Es musste schon nach Mitternacht sein, so viel stand fest. Ich zog meine Jacke enger um mich und fröstelte leicht. „Ist dir kalt?“ , fragte Jin und ich nickte. Einen kurzen Moment überlegte er, dann zog er ohne Bedenken seine Jacke aus und legte sie mir um die Schultern. „Äh… Das ist wirklich nicht nötig, Jin. Jetzt wird dir sicher kalt sein…“ Es war mir unangenehm, dass er sich wegen mir solche Umstände machte. Er winkte ab und wir liefen schweigend nebeneinander weiter. Als wir vor dem mächtigen Eingangstor des Internats standen, wusste keiner, was er noch sagen sollte. Wahrscheinlich, weil jeder vor der Reaktion des anderen Angst hatte. Er räusperte sich kurz, dann meinte er zögerlich: „Ich werd dann mal wieder… Wir sehen uns, Ria… Denk ich zumindest…“, das Letzte fügte er ganz leise an, bevor er verlegen lachte und sich am Kopf kratzte. Ich nickte und mein Herz begann bis zum Kopf zu schlagen. „Oyasumi, Ria.“, meinte er und gab mir einen Kuss auf die Wange. Dann lief er den Weg, den wir gekommen waren, wieder zurück. Ich wollte ihm etwas hinterher rufen, doch ich konnte nicht. Ich wollte ihm hinterlaufen, doch auch das, ging nicht. „Verdammt!“, schrie ich innerlich. „Warum wollen meine Beine sich bloß nie bewegen, wenn er sich verabschiedet?!“ Die Frage stellte ich lautlos und dennoch bekam ich eine Antwort von meinem Körper. Endlich bewegten sich meine Beine. Ich rannte ihm hinterher und kurz vor der Weggabelung holte ich ihn ein. Er bekam mich gar nicht mit und pfiff ein Lied vor sich hin. Ich streckte meine Hand nach ihm aus und hielt ihm am Ärmel. Erschrocken fuhr er zusammen und drehte sich zu mir um. Seine Augen drückten die pure Verwirrung aus. Mein Herz schlug immer schneller und ohne ein weiteres Zögern drückte ich meine Lippen auf seinen Mund. Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde zerspringen. Wieder dieser Strom durch meinen Körper. Ich konnte spüren, wie geschockt er war, bevor sich sein Körper entspannte und er mich in die Arme nahm. „Ich bin glücklich…“, meinte er, als er sich wieder von mir löste und mir fest in die Augen blickte. Er küsste mich ein weiteres Mal, ganz kurz nur, kaum merklich. Dann herrschte Schweigen. „Ich sollte jetzt gehen…“ Er ging ein paar Schritte rückwärts, als wolle er mein Bild in seinem Gedächtnis behalten, bevor er sich umdrehte und davon stolperte. Nachdenklich sah ich ihm nach. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Ich auch…“, kam es aus mir herausgebrochen. „Ich bin auch glücklich!“ Dann lachte ich leise. Ich lief in die entgegengesetzte Richtung die letzten Schritte zum Internat. Unfähig, etwas zu denken, lächelte ich die ganze Zeit vor mich hin. Ich war in diesem Moment glücklich und das war alles, was zählte. Denn was meinte Jin? „Lebe im Hier und Jetzt und nicht in der Zukunft.“ Ich beschloss, es wenigstens für ein paar Minuten zu tun… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)