Seelensplitter von Hrafna (Rufe aus der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 15: "Eindrücke" [I] --------------------------- "Eindrücke" (Kyouran - Ísvængur: Szenario 1) Es ist das erste Mal, dass das Oberhaupt der Luftdrachen seinen verbliebenen Sohn und seine Enkel mit in den Drachenpalast Ryûgu bringt. Das Vertrauen zwischen den beiden Clans festigt sich – langsam, aber beständig. Ísvængur begleitet sie als Vertreter des Westclans, und obwohl man es dem Kind, das sich seit ihrer Abreise dicht neben ihm hält, nicht ansieht, freut es sich über diesen überraschenden Besuch ungemein. Bis jetzt haben sich die Halbbrüder nur selten zu Gesicht bekommen und kennen sich nicht gut – dem Jugendlichen ist der Kleine bisweilen suspekt. Die Wände des Palastes, der in den Untiefen des Ozeans erbaut wurde, sind aus bunten Korallen gefertigt, der dunkelgrün schimmernde Fußboden wirkt wie ein zugefrorener See. Mit einem säuerlichen Blick fokussiert das weißhaarige Kind sein Spiegelbild auf dem Flurgrund, und es irritiert ihn. Glockenhelle Stimmen schallen durch die langen Gänge, und den Gästen ist unlängst aufgefallen, dass ihnen die Sprösslinge des Meeres folgen, kichernd und feixend. Es ist schlichtweg unmöglich, sie zu überhören. Einzig der älteste Sohn des Wasserdrachenfürsten, Kyouran, erwartet sie in der Empfangshalle, so wie es sich gehört. Während sich die Erwachsenen in formellen Begrüßungen ergehen und sich bald zurückziehen, um über politische Angelegenheiten zu diskutieren, verbleibt die junge Generation in dem großen Saal. Dass Ísvængur der Zutritt zu den Besprechungen zunächst verwehrt wird, macht ihn stutzig und ärgerlich zugleich. Abwesend postiert er sich vor der riesigen Panoramafront, die einen atemberaubenden Ausblick auf das Meer ringsum zulässt, blickt abwesend in die Ferne. Nicht weit von ihm entfernt kniet Kyouran auf einem der ausgelegten Sitzkissen, eine Schale Tee in den Händen haltend, und beobachtet das Treiben seiner Geschwister. Die Zwillinge, Shiosai und Suika, hecken etwas aus, er kann es in ihren schadenfrohen Mienen lesen als wäre es ihnen mitten auf die Stirn geschrieben. Hoffentlich arten ihre unsinnigen Spielchen nicht wieder in Streitereien aus. Bei Rakuchou und Irie braucht er sich darum nicht zu sorgen, die zwei lösen ihre Konflikte mit Worten. Meistens zumindest. Dann wendet er den Kopf nach rechts, mustert den jugendlichen Luftdrachen sorgfältig von oben bis unten. Der Altersunterschied zwischen ihnen ist gering. Kyouran stellt die Teeschale vor sich ab und steht auf, nähert sich mit vorsichtigen Schritten; absichtlich bewahrt er eine Distanz, er will den Luftdrachen nicht einengen. „Darf ich dich nach deinem Namen fragen?“ Höflich und leise löst sich die Frage von seinen Lippen, was den tendenziell rauchigen Klang seiner Stimme verstärkt. Es hört sich selbst für ihn etwas merkwürdig an. Beabsichtigt hat er das nicht. „Ísvængur.“ An Manieren scheint es ihm zu mangeln, denn er rührt keinen Muskel – Kyouran schluckt seinen Unmut darüber hinunter. Ihm fällt auf, dass der etwas taktlose Jungdrache größer ist als er, obgleich es nicht von Bedeutung ist. „Was willst du?“ Sein Akzent ist stark, und der kalte Ton jagt dem Wasserdrachen einen wechselwarmen Schauer über den Rücken. Schlecht gelaunt, der Gute. „Entschuldige bitte. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“ In diesem Moment hallt ein Schrei durch den Raum, woraufhin er ein genervtes Seufzen ausstößt und herumfährt. Damit hat er nicht gerechnet. Der kleine Luftdrache hat Suika am Kragen gepackt, das Youki in seinem Körper zirkuliert schneller durch seinen Körper, drohend, kampfbereit; sein feindseliger Blick bohrt sich derweil in Shiosais Augen. Zu perplex um seiner Schwester zu helfen stiert dieser einfach zurück. Das hat er nicht in Betracht gezogen. „Flúgar.“ Offenbar ist es eine Mahnung, vielleicht sogar eine Drohung, denn das Kind lockert seinen Griff und strebt den Kontakt zu den Augen seines Halbbruders an, der sich leicht zur Seite gedreht hat und ihn fixiert. Die Gedanken des Jungen kreisen noch einen Moment lang weiter um das Verhalten der Wasserdrachenkinder. Seiner Meinung nach benehmen sie sich allesamt wie Mädchen. Nicht, dass er auf dem Gebiet viel Erfahrung hätte, zu einer differenzierteren Beschreibung ist er jedoch nicht fähig. Ísvængurs Körpersprache ist Maßregelung genug, er wagt keinen offenen Protest. Insgeheim bewundert Kyouran jene Art von stiller Autorität – würde der Luftdrache nicht so kalt und distanziert auftreten, wäre er mit Sicherheit ein interessanter Gesprächspartner. Schweigen senkt sich über die Situation. Die eisige Präsenz der Luftdrachenbrüder flaut in regelmäßigen Schüben ab, und die übrigen Personen atmen hörbar auf. Niemand will sich auch nur vorstellen, zu was die Lage hätte eskalieren können. Indes realisiert Kyouran, dass er unschlüssig ist, vor wem er mehr Angst hegen soll – dem finster dreinblickenden, unheimlichen Kind oder seinem kühlen, Furcht einflößenden Bruder - und ob das ein akzeptabler Grund für ernsthafte Antipathien gegen den artfremden Clan ist. Schlau wird er aus seinen Überlegungen nicht, allerdings belaufen sich seine Empfindungen fernab von Hass oder Verachtung. In Zukunft wird er sich in asketischer Schweigsamkeit üben, wenn sie zu Besuch hier sind. Es wäre fatal, es sich mit ihnen zu verscherzen. Unter Umständen bringt ihm das Glück auf seinem weiteren Lebensweg – und damit soll er nicht einmal Unrecht haben, wie er später lernen wird. ***---***---*** [Anm. der Autorin] Ich konnte einfach die Finger nicht von diesen beiden lassen; ich weiß nicht, inwiefern es euch interessiert, aber ich hab an Kyouran und Ísvængur einen Narren gefressen, und da ich das in SA wohl nicht ausleben können werde (ihr Auftritt wird vergleichsweise kurz ausfallen, jedenfalls plane ich das so ^-^°), mache ich das hier. Dieser One-Shot ist dreiteilig! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)