Per aspera ad astra von Zwiesi ================================================================================ Kapitel 2: Ein Hauch von Schicksal ---------------------------------- Ich bin mal fleißig gewesen und hab gleich zwei Kapis geschrieben. hoffe, das geällt euch auch. ----------------------------------- „Sie schlägt sich ganz gut, meinst du nicht auch Zeus?“ „Nun, Apollon, da hat deine Schwester aber ziemlich gute Arbeit geleistet. Aber dennoch, sie ist nur ein Mensch und Thalia wird von grenzenlosem Hass geleitet.“ „Was deine Schuld ist!“ „Danke, Apollon! Die Erinnerung an meinen Fehler hätte ich nicht gebraucht! Aber gegen diesen Hass kann ein Kind doch nichts ausrichten.“ „Nun, wenn ich mich mal in dieses Männergespräch einmischen darf, das mag für ein gewöhnliches Kind gelten, aber dies ist kein normales Mädchen. Das kann ich euch als ihre langjährige Trainerin versichern. Sie besitzt etwas, was ihre Macht über Thalia verleiht, und außerdem ist es ihr Schicksal. Apollon hat den Mist verzapft mit seinem Spruch und er wird ihr schon zur Seite stehen. Nicht wahr Brüderchen?“ „Darauf kannst du Gift nehmen. Und außerdem: Wenn sie nicht etwas Besonderes wäre, hätte Hades keine Ausnahme gemacht, oder? Und das mit dem Mist will ich überhört haben. Wenn ihr nicht alle so ein Aufsehen darum gemacht hättet, wäre das alles nicht passiert.“ Es war hell, zu hell. Schnell schloss Dike ihre Augen wieder. Ihr Kopf dröhnte und jede Faser ihres Körpers machte sich schmerzlich bemerkbar. Sie hörte Stoff rascheln und etwas verdunkelte die Sonne. „Hier, trink das!“, wies sie jemand an und hielt ihr einen Becher aus Ton an die Lippen. Gierig trank sie und plötzlich wurde alles leichter. Die Schmerzen ließen nach, ihr Kopf beruhigte sich und auch das Licht schien nicht mehr so grell wie vorher, doch konnte sie immer noch nichts erkennen, außer schemenhaften Schatten. „Wo bin ich und was ist passiert?“, brachte sie schwach hervor. Eine sanfte, wenn auch etwas brüchige und raue Stimme antwortete ihr: „Du bist in Mephistoles, einem kleinen Dorf in der Nähe von Mykene. Einige Männer haben dich bewusstlos im Wald gefunden. Du bist vermutlich überfallen worden. Hattest eine ziemliche Beule am Hinterkopf. Ich habe dich aufgenommen und gepflegt.“ „Wie lange war ich ohnmächtig?“ „Nun, du bist seit 3 Tagen bei mir und wie lange du vorher im Wald warst, weiß ich nicht. Aber jetzt ruh‘ dich noch etwas aus. Du scheinst ziemlich benommen.“ Mephistoles, Mykene? Was war passiert. Wer zum Teufel war sie und wie war sie hierher gekommen. Wohnte sie hier oder war sie nur auf der Durchreise. Sie versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Eine Frage nach der anderen. Wer bin ich? ...Dike...das war glaubte sie ihr Name. Eine Insel im Meer der verlorenen Erinnerungen. Und was machte sie hier? ... Angestrengt grübelte sie nach, doch es wollte ihr nicht einfallen. Sie konnte sich an nichts aus ihrer Vergangenheit erinnern, nur ihren Namen wusste sie. Irgendwie musste sie bei all dem Denken dann doch eingeschlafen sein, denn als sie ihre Augen das nächste Mal aufschlug, war es dunkel. Sie setzte sich auf und schaute sich um. Sie lag auf einem Haufen Stroh, dass ihr als Bett diente und hatte einen dünnen Fetzen Stoff als Decke. Die Wände waren aus Holz gebaut und die Fugen mit Lehm verdichtet. Neben ihr lag noch eine alte Frau. Wahrscheinlich die Stimme von vorher. Das Haus bestand nur aus einem Raum. An der gegenüberliegenden Wand waren eine Feuerstelle und ein Regal mit Kräutern. Vielleicht die Medizinfrau von hier. Die Tür war aus grob behauenen Balken zusammengezimmert. Es gab nur ein Fenster das mit einem Fell verhangen war. Von draußen drangen die Geräusche von schlafenden Tieren und Menschen herein. Als sie leise aufstehen wollte, regte sich die Frau neben ihr. Geräuschlos verharrte Dike und wartete. Als sich die Frau nach einigen Momenten, die sich zu einer Ewigkeit hinzogen, nicht wieder bewegte, wagte sie es ganz auf zu stehen. So leise wie möglich schlich sie sich an der Schlafenden vorbei, doch kaum hatte sie ein paar Schritte getan, fing plötzlich neben ihr ein Hund an zu knurren. Nur leise, aber es erschreckte sie fast zu Tode. „Psst! Sei ruhig! Du weckst ja noch alle auf!“ „Nein!“, ertönte da plötzlich die Stimme wieder hinter ihr, „er weckt nur mich! Ruhig Zeros!“ Sofort war der Hund still. „Ich freue mich, dass es dir so gut geht, dass du wieder aufstehen kannst.“ Sie hörte wie die Frau aufstand und sah im Dämmerlicht die Silhouette einer hochgewachsenen Frau durch den Raum laufen. Dann hörte sie ein Scharren und Klicken und plötzlich erhellte eine kleine Kerze den Raum dürftig. Das Gesicht der Frau, welche die Kerze hielt, war von Leid und Trauer zerfurcht, doch strahlte es etwas autoritäres, erhabenes, aber auch gütiges, mildes aus. Zwei eisblaue Augen musterten sie durchdringend, doch war sich Dike nicht sicher, ob sie sich das nicht nur einbildete, denn schon Augenblicke später lächelte die Frau sie gütig an und ihre Augen blickten freundlich. Trotz ihres Alters, Dike schätzte sie auf Ende sechzig, ging sie aufrecht. Sie war groß und schlank, ihr Gesicht von langen, schneeweißen Haaren umrahmt, und zeugte von ehemaliger Schönheit. Sicher hatten sich die Jungen des Dorfes um sie gerissen. Zu ihren Füßen lag schwanzwedelnd ein großer schwarzer Hund mit seidigglänzendem Fell und buschigem Schwanz. Die Frau war ihrem Blick gefolgt. „Das ist Zeros. Keine Sorge, er beißt nicht, solange ich es ihm nicht befehle.“ Dike sah verwirrt auf, dann lächelte sie. „Keine Sorge, ich mag Hunde.“ Sie hatte keine Ahnung woher sie das wusste, aber sie war sich sicher, dass sie früher einmal einen Hund gehabt hatte. Ohne es zu merken, hatte sie sich neben dem Hund niedergelassen und kraulte ihn hinter den Ohren. Begeistert winselte der Hund und sein Schwanz peitschte heftig die Luft. „Er scheint dich zu mögen.“ „Ja, das scheint er.“ Versonne betrachtete sie den Hund. „Ach, wie dumm von mir! Du hast doch sicher Hunger.“ Die Frau drehte sich um und entfachte mit der Kerze das Holz unter einem Kessel. Erst jetzt bemerkte, dass sie wirklich einen Mords Hunger hatte. „Übrigens“, begann die Frau wieder, „ich heiße Amalthea, aber alle nennen mich nur Thea.“ „Ich heiße Dike.“ „Ich weiß!“ „Woher?“ „Du hast im Schlaf geredet.“ „Und was habe ich alles erzählt.“ „Nicht viel, du hast immer nur das eine Wort wiederholt. Dike!“ „Aha!“, war alles was Dike dazu einfiel. Die restliche Zeit bis das Essen fertig war, verbrachten sie schweigend. Dann reichte ihr Thea eine Schale mit einer dampfenden Flüssigkeit. „Willst du nichts essen?“ „Nein, Kind, ich habe schon gegessen.“ Mit Heißhunger machte Dike sich über die Suppe her, was sich als schwieriger herausstellte, als gedacht. Es gab weder Löffel oder sonst was, und so musste sie logischerweise die Suppe direkt aus der Schüssel schlürfen. Beim ersten Mal verbrannte sie sich fast die Zunge, doch dann wurde sie vorsichtiger und der Rest des Essens verlief schweigend und ohne weitere Zwischenfälle. Als sie ihre Suppe ausgetrunken hatte, fühlte sie sich schläfrig. „Ich glaube wir sollten uns wieder hinlegen und noch etwas schlafen. Ich denke nicht, dass man nach so einem Schlag auf den Kopf sich so anstrengen sollte.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, löschte Thea das Feuer und blies die Kerze aus. Die plötzliche Dunkelheit war Dike sehr willkommen und sie legte sich wieder schlafen. Als sie wieder erwachte, war die Sonne schon lange aufgegangen. Sie hörte das Wiehern von Pferden, das Blöken von Schafen und schnauben von Rindern. Darunter mischten sich das Gackern einiger aufgescheuchter Hühner, das Bellen der Hunde und das Geschrei der Kinder. Und dennoch schien es merkwürdig ruhig in der Hütte. Thea war nirgends zu sehen, nur Zeros beobachtete jede ihrer Bewegungen. Als sie sich erhob, trottete er zu ihr und stieß sie mit der Schnauze an. Sie strich ihm liebevoll über dem Kopf und kraulte ihn hinter den Ohren. „Na, Zeros, wo ist denn dein Frauchen?“ Als hätte Thea nur darauf gewartet, öffnete sie die Tür und trat ein. In der Hand hatte sie einen Korb, der mit frisch gepflückten Kräutern gefüllt war, auf denen ein paar Eier thronten. Sie lächelte, als sie die beiden so einträchtig nebeneinander stehen sah. „Ich habe uns zum Frühstück ein paar Eier besorg. Eine Frau hat mir noch einen Gefallen geschuldet für die Kuh, die ich ihr letzten Monat geheilt habe.“ Als sie den fragenden Blick Dikes sah fügte sie hinzu: „Ich bin die Heilerin dieses Dorfes. Ich heile Menschen und Tiere. Deshalb haben sie dich auch zu mir gebracht.“ „Aber bin ich ja wieder gesund. Was soll ich jetzt machen?“ „Ich werde ein paar Männer beauftragen, dich in die nächste Stadt oder so zu bringen von wo aus du nach Hause fahren kannst.“ Hörte sie da etwas wie Trauer? Nun, egal. Sie musste es ihr jedenfalls jetzt sagen. „Du, Thea, das ist ein wunderbarer Plan und auch bin dir dankbar, dass du das alles für mich tun möchtest,....“ „Aber?“ Thea sah sie erwartungsvoll an. „Aber, ich weiß leider nicht, wohin ich gehöre. Ich weiß meinen Namen, gut, aber ich habe keine Ahnung, wie meine Eltern heißen, wo ich wohne und was ich hier eigentlich mache. Ich habe meine ganze Erinnerung verloren.“ Sie hatte sehr schnell gesprochen, um ja nicht unterbrochen zu werden und senkte jetzt die Augen. Sie wollte nicht, dass Thea ihre Tränen sah. Tränen der Verzweiflung, der Angst und der Ohnmacht. All die aufgestauten Gefühle der letzten Tage brachen aus ihr heraus und sie musste schwer mit sich kämpfen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Thea hatte es geahnt, trotzdem war sie irgendwie erleichtert, aber das Kind tat ihr auch so unendlich leid. Sie sah wie die Kleine um Fassung rang und eilte an ihre Seite. Sie kniete sich neben ihr nieder und nahm sie in den Arm. „Es ist ja gut. Alles wird wieder gut. Du darfst bei mir bleiben solange du willst.“ Die beruhigende Stimme und die Nähe der Frau nahmen ihr den Rest ihrer Selbstbeherrschung und sie fing hemmungslos an zu schluchzen. Sie weinte, bis sie keine Tränen mehr hatte. Sie blieben noch eine Weile so sitzen, bis es an der Tür klopfte und ein junger Mann eintrat. Langsam lösten sie sich und Thea ging auf den Mann zu. Dem schien das ganze irgendwie peinlich. „Ähm, äh, Thea, ich wollte dir nur ...ähm... sagen...ähm... dass Ekatis jetzt soweit ist.“ „Gut Geros, ich komme mit!“, und zu Dike gewannt fügte sie hinzu, „Geros Frau bekommt ein Baby. Er sollte mich holen, wenn die Wehen einsetzten. Bleib du erst mal hier.“ Und schon war sie mit Geros zusammen aus der Hütte verschwunden. Gedankenversunken schaute Dike Thea nach. Sie durfte bleiben, hatte Thea gesagt, solange sie wollte, oder bis sie sich erinnerte. Ein weiteres Mal versuchte sie vergeblich sich an etwas zu erinnern. Wie so oft war da nichts als Leere, doch diesmal war irgendetwas anders. Diesmal spürte sie den Hauch einer Erinnerung, irgendetwas, an das sie sich erinnern wollte. Krampfhaft versuchte sie sich an diesen Fetzen zu klammern, doch je mehr sie sich anstrengte, desto mehr verblasste er. Sie versuchte lange, die Erinnerungsfetzen, die durch ihren Kopf spukten, zu fassen, doch schließlich gab sie es auf. Immer noch nicht schlauer als vorher, wandte sie sich Zeros zu und kraulte ihn hinter den Ohren. Erstaunt bemerkte sie am Stand der Sonne, dass sie wohl mehrere Stunden lang ihren Erinnerungen nach gehangen war. „So, jetzt sind wir alleine. Und was machen wir jetzt?“ Sie blickte sich suchend im Raum um. Hier musste doch irgendetwas zu tun sein. Sie seufzte. Thea war wirklich fleißig. Der Boden war gefegt, das Feuer brannte gut und auch sonst war hier alles sehr ordentlich. Ihr Blick verharrte auf der Tür. Ob sie wohl rausgehen dürfte? Warum sollte Thea etwas dagegen haben? Andererseits, sie kannte sich hier nicht aus und könnte etwas Falsches oder Verbotenes tun. Doch kaum hatte sie den Gedanken beendet, ging auch schon die Tür auf und Thea kam wieder herein. Dike sprang auf und eilte Thea freudig entgegen. „Das war Gott sei Dank nicht Ekatis erstes Kind. Sie wusste genau, was sie macht und da geht es eben schneller. Aber genug herumgestanden, ich habe Hunger. Ich werde uns etwas zu essen zubereiten und dann zeige ich dir das Dorf. Es wird sich sicher eine Arbeit für sich finden lassen. Kannst du schreiben?“ Fragend sah Thea sie an. „Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung.“, war Dikes verdutzte Antwort. Darüber hatte sie noch nie nachgedacht. „Das werden wir später mal versuchen. Aber jetzt lass uns essen.“ Dike half Thea das Brot zu schneiden und den Tisch, der in einer der Ecken direkt neben dem Feuer stand, zu decken. Bei Tageslicht sah die Hütte irgendwie größer aus, als in der Nacht. Die zwei Fellbetten waren in der Ecke, die der Tür gegenüberlag, ausgebreitet. Daneben war der Tisch mit zwei Stühlen. An der dritten Wand war ein großes Regal mit allerlei Kräutern und Säften. In der Wand zwischen Tür und Schlafplatz war das einzige Fenster, dass, wie Dike jetzt erkannte, nach Süden ging. In der Mitte der Hütte war die Feuerstelle mit dem großen Kessel du darüber ein Abzugsloch für den Rauch. Nachdem sie gegessen hatten, zeigte Thea Dike das Dorf. Aufmerksam versuchte Dike sich alle Namen und Regeln zu merken, die sie zu beachten hatte. Thea führte sie in die verschiedensten Berufe ein, doch keiner sagte ihr zu. Als sie am Rand des Dorfes auf ein paar Jungen trafen, die mit Pfeil und Bogen auf ein etwa 30m entferntes Ziel schossen oder sich mit Holzschwertern im Kampf übten, blieb Dike fasziniert stehen. Doch Thea zog sie sofort weiter und Dike meinte fast so etwas wie Sorge oder Angst in ihre Stimme zu hören, als sie meinte: „Das ist nichts für dich. Nur die Männer dürfen auf die Jagd. Das ist nichts für dich.“ Aufgeregt kam plötzlich ein Junge auf Thea zugelaufen. Nach Atem ringend blieb er vor ihr stehen und berichtete keuchend: „Thea, ihr müsst mitkommen. Schnell!“ Er zupfte an ihrem Rock und deutete Richtung Wald. „Was ist denn passiert?“ „Estos, er hat…da waren ein morscher Baum und er ist eingebrochen. Und jetzt kann er nicht mehr laufen.“ Thea folgte dem Jungen, doch nach einigen Schritten drehte sie sich wieder um. „Dike, bitte hol schnell meine Kräuter, eine Waschschüssel und einige Leinenbänder und dann komm bitte hinter uns her in den Wald.“ Dann verschwand sie auch schon. Einen Moment blickte Dike ihr verwirrt nach, dann eilte sie zur Hütte. Schnell raffte sie verlangte zusammen, dann rannte sie Richtung Wald. Als sie in die Hütte gestürzt war, war Zeros aufgesprungen und hatte aufgeregt gebellt. Dike hatte sich zu ihm umgedreht und ihn beruhigt. „Still jetzt! Dein Frauchen braucht das, denn da liegt ein verletzter Junge im Wald und dem muss sie helfen.“ Dann hatte sie ihm wieder den Rücken zugekehrt und die restlichen Kräuter vom Regal geholt. Sodann hatte sie die Hütte verlassen, dicht gefolgt von dem Hund. Sie hatte sich dem Wald zugewandt, doch schon bald erkannte sie, dass sie keine Ahnung hatte, wohin sie sich wenden sollte. Sie blieb stehen und drehte sich im Kreis. Alles sah hier so gleich aus. „Mist!“, fluchte sie laut und stampfte mit dem Fuß auf die Erde. Frustriert wollte sie wieder umdrehen, doch da zupfte sie etwas an ihrem Kleid. Verdutzt blickte sie nach unten. Da stand Zeros, wedelte mit dem Schwanz und blickte sie auffordernd an. Dike kniete sich neben das Tier und Kraulte ihn hinter dem Ohr. „Weißt du, wo dein Frauchen ist?“ Als Antwort bellte Zeros nur, wirbelte herum und sprang ein paar Sätze voraus. Erleichtert erhob sie sich und eilte ihm hinterher. Schon wenig später erblickte sie eine Gruppe von Menschen zwischen den Bäumen und hörte das Schluchzen eines kleinen Kindes. Ihre Schritte beschleunigten sich noch ein bisschen. Thea drehte sich um, als sie ihren Hund durchs Unterholz preschen hörte. Er blieb kurz vor ihr stehen und warf einen kurzen Blick über die Schulter wie um zu sagen: Da kommt noch jemand. „Das hast du gut gemacht, mein Süßer. Ich wusste, dass du Dike gut herbringen würdest, auf dich ist eben verlass.“ Dann wandte sie sich an das soeben erschienene Mädchen. „Gib Resos die Schüssel, er soll Wasser aus dem Bach bringen. Und gib mir die Kräuter.“ Dike tat wie ihr geheißen und sofort begann Thea vor sich hin murmelnd einige Kräuter zu vermischen und auf eines der Leinentücher zu legen. Jetzt erst bemerkte Dike den kleinen Jungen, der leise vor sich hin wimmernd auf einem umgefallenen Baumstumpf saß. Ein Bein war blutüberströmt und die Wade war seltsam verbogen. „Es ist gebrochen.“, stellte Thea trocken fest, als sie Dikes Blickt gefolgt war. Dann wandte sie sich wieder ihren Kräutern hin und schimpfte leise vor sich hin. „Dieser kleine Bengel, der braucht doch sonst auch nicht solange. Wo steckt er nur?“ Da erschien jedoch Resos schon. Mühsam balancierte er die Schüssel, sorgsam darauf bedacht ja nichts zu verschütten. Als er sie neben Thea abgestellt hatte, tauchte diese ein Tuch ein und tupfte das Bein vorsichtig ab. Doch schon bei der ersten Berührung zuckte der Junge und biss die Zähne zusammen. Thea blickte entschuldigend auf: „Ich kann dir leider nicht helfen. Es wird wehtun, aber das kann ich nicht ändern. Dein Bein muss sofort versorgt werden, sonst könnte es sich entzünden.“ Mitleidig strich Dike dem Jungen über den Kopf. Der Junge tat ihr so unendlich Leid. Sie wollte ihm so gerne helfen, wusste aber nicht wie. Da fiel ihr eine Geschichte ein und da sie nichts Besseres zu tun wusste, fing sie an die Geschichte zu erzählen. „Vor vielen Jahren lebte in einem fernen Land ein König Namens Ägeus. Der hatte einen Sohn, Theseus. Dieser war ein starker und kluger junger Mann. Doch auf dem Land herrschte ein schwerer Fluch…“ Thea hörte nur mit einem Ohr zu. Doch die beiden hingen gebannt an ihren Lippen und besonders Estos zuckte nicht ein einziges Mal, wenn sie sein Bein berührte. Aus den Augenwinkeln nahm sie war, dass Dike aufgestanden war und mit Händen und Füßen wild gestikulierend ihre Geschichte untermalte. Als sie das Bein fertig verbunden hatte, lehnte sie sich zurück und hörte nun dem Mädchen zu. Nach wenigen Sekunden war auch sie ganz von der Geschichte, der Dike Leben einhauchte, eingefangen. Dike hatte alles um sich herum vergessen. Für sie existierte nur noch die Geschichte. Anfangs war sie noch befangen gewesen, aber je länger sie erzählt hatte, desto lebendiger wurde sie und mit ihr auch ihre Geschichte. Erst als die Geschichte zu Ende war, fand Dike wieder in die Realität zurück. In den Gesichtern ihrer Zuhörer, auch dem Theas, spiegelte sich der Zauber wieder, den sie auf ihre Zuhörer ausgeübt hatte. Auch diese fanden erst nach einiger Zeit wieder in die Wirklichkeit zurück. Thea lächelte und stand auf, Estos blickte verwundert auf sein bereites verbundenes Bein, und Resos schüttelte verwundert den Kopf. Noch nie war im so etwas passiert. Selbst Zeros schien aus Trance aufzuwachen, schüttelte den Kopf, streckte sich und trottete dann Richtung Dorf. Thea reichte Estos eine Stock und dieser humpelte, von Resos gestützt, mehr schlecht als recht in Dorf. Dort wurden sie schon aufgeregt erwartet und Estos wurde sofort von seinem Vater ins Haus gebracht. Als sich der Aufruhr gelegt hatte, lächelte Thea Dike zu. „Jetzt weiß ich, was du tun kannst.“ Sie winkte dem Mädchen und obwohl Dike zu gerne gewusst hätte, worum es ging, folgte sie der Frau folgsam. Sie hatte gemerkt, dass man Thea zu nichts zwingen konnte und dass diese alles zur Rechten Zeit sagte. Zudem war sie immer noch von ihrem eigenen Märchen berauscht und alles drang wie durch einen Nebel zu ihr. Als sie wieder in Theas Haus standen, lies sich diese auf einen Stuhl sinken. Sie lies die vorherigen Geschehnisse noch ein Mal vor ihrem geistigen Auge vorbeiziehen. Dikes Vortrag hatte sie sowohl angezogen, als auch abgestoßen. Die glänzenden Augen, das schimmernde Haar, die weichen, fließenden Bewegungen, all das hatte sie an ihre Tochter erinnert. Sie hatte sie vor wenigen Jahren beobachtet, wie sie das Nachbardorf bestraft hatte, weil es sich weigerte Steuern zu zahlen, und was sie gesehen hatte, hatte sie erschreckt. Diese Eleganz, diese Perfektion der Bewegung, das fliegende Haar, das Strahlen der Augen während sie ihre Waffe mit tödlicher Präzision schwang und vor allem die Freude und vor allem die Befriedigung, als sie ihre Gegner entwaffnete und das kalte Stahl am Hals ihrer Gegner glitzerte. Sie hatte zwar keinen getötet, aber Thea zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie es ohne zu zweifeln tun würde. Als die Männer ihr Dike gebracht hatte, hatte sie sich irgendwie zu dem Mädchen hingezogen gefühlt. Doch dann hatte sie den Stock gesehen und sie hatte Angst bekommen, dass das Mädchen das gleiche Schicksal wie ihre Tochter erleiden könnte. Dike wartete ruhig auf eine Antwort, doch Thea schien alles um sich herum vergessen zu haben. Diese schien in nur wenigen Minuten um mehrere Jahre zu altern. Die Feinen Linien um Mund und Augen gruben sich tiefer ein, ihr Rücken verspannte sich und die Hände in ihrem Schoß waren verkrampft. Sie musste sehr viel Leid erlitten haben. Dike wollte ihr so gerne helfen, wusste aber nicht wie. Vorsichtig berührte sie Thea an der Schulter und diese schreckte aus ihren Tagträumen auf. Leicht verwirrt schüttelte sie den Kopf, dann lächelte sie und stand auf. „Vergib mir, ich war in Gedanken versunken. Wir wollten über deine Arbeit reden. Ich habe heute gemerkt, dass du sehr gut mit Kindern umgehen kannst. Du wärst sicher eine sehr große Hilfe für die Mütter. Ich möchte, dass du auf die kleinen Kinder des Dorfes aufpasst und ihren Müttern zur Hand gehst.“ Sie war aufgestanden und bereitete das Abendessen vor. Dann drehte sie sich noch ein Mal um und abends kannst du dir mit deinen Geschichten ein paar Dinar extra verdienen. Die Leute her hören nicht oft Geschichten und werden begeistert sein.“ Dike war überglücklich. Sie mochte Kinder, das hatte sie heute Nachmittag erkannt. Und eine Geschichte zu erzählen ließ sie ihr eigenes Schicksal vergessen. Schon am nächsten Tag fing sie mit ihren Aufgaben an und nach und nach lebte sie sich im Dorf ein. Bald schon bekam sie einen mehr oder weniger geregelten Tagesablauf. Sie stand bei Sonnenaufgang auf, fegte Theas Hütte und bereitete das Essen. Dann ging sie zu der Familie, bei der sie gerade aushalf und tat was anfiel. Und abends erzählte sie in der Versammlungshütte, in der sich die Leute nach der Arbeit zum Reden oder Feiern trafen, Geschichten. Obwohl Dike mittlerweile im Dorf akzeptiert war, dachte sie noch oft an ihre Vergangenheit. Sie wunderte sich, was sie früher gewesen war. Ob irgendwo eine Mutter weinend ihr Kind betrauerte? Der Sommer dieses Jahres war lang und warm und im Winter fanden sie genug Wild für das ganze Dorf. Die Götter schienen es gut mit ihnen zu meinen. Auch im folgenden Jahr hatten sie eine gute Ernte und einen fetten Winter. Das Dorf wuchs und bald schon war die Versammlungshütte zu klein und es wurde eine Gosse Schenke gebaut, in der alle Platz hatten. Diese wurde Dike und Thea, die mittlerweile Dike als ihre Tochter angenommen und von dieser Mutter genannt wurde. Auch hatte sie unter den Mädchen im Dorf einige Freundinnen gefunden und mit ihrer fröhlichen, offenen Art war sie bei allen beliebt. Eines Tages, es war ein wunderschöner Tag Anfang Frühling, der Schnee war gerade am Schmelzen und an eineigen Stellen reckten Blumen ihre Kelche gen Himmel, schlenderte Dike durch den Wald. Die ersten Vögel begannen schon mit dem Nesterbau und überall erwachte die Natur wieder zum Leben. Sie genoss die Sonnenstrahlen, die ab und an durch das dichte Laubdach blitzen, in vollen Zügen. Wie liebte sie doch den Frühlingsanfang. Mittlerweile war es genau zwei Jahre her, seit sie damals in diesem Dorf aufgetaucht war. Zur Feier dieses Tages hatte sie heute frei bekommen und musste einmal nicht irgendeiner Familie helfen, sonder war in den Wald geschickt worden, um für Thea Kräuter und Blumen zu sammeln. Ihr Korb war schon ziemlich voll und sie wollte sich gerade auf den Heimweg machen, als plötzlich vier riesige, dreckige, widerlich stinkende Kerle aus dem Unterholz brachen. „Na, was haben wir denn da?“ fragte der erste anzüglich grinsend und zeigte dabei ein sehr fehlerhaftes Gebiss. „Ein kleines Mädchen allein im Wald.“ meinte der nächste, „und noch dazu so ein hübsches.“ „Weißt du denn nicht, dass es hier draußen gefährlich ist?“ fragte der dritte scheinheilig. Dike wich immer weiter zurück, doch die vier hatten sie schon fast eingekreist. Panik wollte sich in ihr breit machen. Sie fühlte sich wie ein Kaninchen, das von einem Rudel Wölfe umzingelt war. „Dann seid ihr sicher nicht die richtigen, um sie zu beschützen“, mischte sich plötzlich eine weibliche Stimme ein. Alle, auch Dike, fuhren erschrocken herum. ----------------------------------- Wie gesagt, bitte immer schön viele KOmmis schreiben. Selbst wenn nur ein Wort oder so dran steht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)