Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Kapitel 8: Aufbruch ------------------- „Warum hast du so darauf bestanden, dass wir mitkommen?“, fragt Kagome ihren Hanyoufreund während sie dem Waldweg folgen, „Ich dachte schon Sesshomaru bekommt einen Anfall.“ Schweigsam trottet Inu Yasha hinter seinem Bruder her, der in einigem Abstand an der Spitze der kleinen Reisegruppe marschiert und sich nicht ein einziges Mal umdreht. „Ist doch egal“, brummt der Halbdämon, „ Immerhin dürft ihr jetzt doch mitkommen.“ „Warum musst du eigentlich so ein Dickkopf sein? Du hast doch Sesshomaru heute schon genug herausgefordert.“ „Er brauch sich gar nicht einbilden, immer im Recht zu sein nur weil er ein bisschen älter ist“, brummt Inu Yasha. „Außerdem hab ich euch so besser im Auge“, fügt er hinzu, „Wenn das stimmt was Sesshomaru sagt und es wirklich Krieg gibt, dann möchte ich lieber wissen wo ihr euch aufhaltet.“ „Du brauchst dir um uns keine Sorgen machen“, mischt sich jetzt Sango ein. Neben ihr läuft Kirara in ihrer Dämonengestalt. Auf ihrem Rücken sitzen Shippo und die kleine Rin und amüsieren sich über den bequemen Ritt. „Wir passen schon auf uns auf“, fährt Sango fort, „Wir sind durchaus in der Lage uns zu verteidigen falls es Ärger gibt.“ „Wir haben aber Sesshomaru versprochen solange auf Rin aufzupassen während er sich um die Regierungsgeschäfte kümmert“, wendet Miroku ein, „Nur deshalb hat er uns überhaupt erlaubt mitzukommen. Normalerweise macht das wohl Jaken, aber den hat er ja irgendwohin geschickt. Also blieb wohl niemand außer uns übrig.“ „Er macht sich eben auch Gedanken um das Mädchen“, nickt Kagome, „Bestimmt will er sie auch sicherheitshalber im Auge behalten.“ „Ich glaube trotzdem, dass es ihn stört, dass wir mitkommen“, meint Sango. „Pah, davon kannst du mal ausgehen“, mosert Inu Yasha, „Ich bin auch nicht scharf darauf, mich mit ihm abzugeben, aber es hilft wohl nichts.“ Aus den Augenwinkeln wirft Inu Yasha einen Blick nach hinten. Ganz am Ende der kleinen Reisegruppe folgt mit gesenktem Kopf der fremde Youkai namens Tenmaru und gibt keinen Ton von sich. Inu Yasha seufzt. Dieser Streuner gibt ihm Rätsel auf. Der fremde Youkai ist ohne Frage in der Lage, zu kämpfen. Warum hat er dann nicht mal den Versuch unternommen, sich gegen Sesshomarus Angriff zu wehren? Stattdessen hat er ihn nun am Hals, wie es scheint. Sesshomaru meinte, er wäre jetzt sein Herr. Was genau mag das bedeuten? Irgendwie wird ihm unbehaglich bei dem Gedanken. Auch Kagome scheint sich Gedanken zu machen. „Findest du nicht auch, dass er sehr nachdenklich aussieht?“, wendet sie sich an Inu Yasha mit einem Blick auf Tenmaru. „Wen kümmerts.“ Inu Yasha ist kurz angebunden. Doch das Mädchen gibt keine Ruhe. „Bestimmt hat er sich auch etwas Schöneres vorgestellt, als mit uns direkt in das Reich seiner Verfolger zu gehen.“ „Woher soll ich das wissen?“, meckert Inu Yasha, „Ich weiß nicht was er denkt. Wenn du das unbedingt wissen willst, dann frag ihn doch!“ „Du brauchst mich gar nicht so anzupflaumen!“, beschwert Kagome sich, „Ich hab dich nur was gefragt.“ „Und ich habe keine Lust zu antworten, basta!“ Das junge Mädchen verzieht den Mund, doch sie kann ihren Freund verstehen. Die ganze Situation ist ziemlich angespannt. Kein Wunder, dass ihm der Sinn nicht nach plaudern steht. Aber sie wüsste zu gerne was das mit diesem „Herr“ auf sich hat. Inu Yasha hat offenbar auch keine genauen Vorstellungen davon und Sesshomaru wird es ihr bestimmt nicht erzählen. Vielleicht hat sie mehr Glück bei dem grauhaarigen Youkai hinter ihnen und kurzentschlossen lässt sie sich zurückfallen. Tenmaru hängt seinen eigenen Gedanken nach. Seine Miene ist ausdruckslos, doch was ihn vielleicht bedrückt, behält er für sich. Nun sieht er das junge Mädchen mit der seltsamen Kleidung auf ihn zukommen. Was kann sie wollen? Warum gibt sie sich immer wieder mit ihm ab? Sie ist doch ein Mensch. Er kann sich nicht helfen, aber in ihrer Gegenwart fühlt er sich immer unwohl. Zu lange wurde ihm eingetrichtert, was man von Menschen zu halten hat. Nun richtet sie das Wort an ihn: „Sag mal, kann es sein, dass du dir Sorgen machst, weil wir zum Ostclan der Hundeyoukais gehen?“ Irritiert schaut er sie an. Dann meint er: „Das spielt keine Rolle.“ „Dass wir da hingehen, oder dass du dir Sorgen machst?“, fragt sie zurück. „Weder noch! Ich werde dort hingehen, wo mein Herr hingeht. Was ich will, spielt keine Rolle.“ Hier sieht Kagome ihre Chance: „Du nennst Inu Yasha deinen Herren. Was genau bedeutet das?“ „Ich habe der Fürstenfamilie Treue geschworen“, erklärt Tenmaru emotionslos, „Ich lebe und sterbe für sie. Das ist mein einziger Lebensinhalt. Inu Yasha-sama hat diese Loyalität angenommen und mich als seinen Diener akzeptiert. Dass ich jetzt in seinem Dienst stehe, bedeutet ich stehe auch unter seinem Schutz. Kein Youkai wird es mehr wagen, mich ohne seine Erlaubnis zu töten. Dafür hat er aber auch das absolute Verfügungsrecht über mich. Was immer er von mir verlangt, werde ich tun. Wenn er will, kann er mich jederzeit töten. Doch auch das spielt keine Rolle. Es ist mir gleich, ob ich lebe oder sterbe, solange ich nur einen Platz habe... wo ich hingehöre.“ Tenmaru verstummt. Bei diesen Worten hat er Kagome kein einziges Mal angesehen. „Du solltest so etwas nicht sagen!“, bricht Kagome das Schweigen. Tenmaru schaut auf. „Weißt du warum Inu Yasha dich beschützt hat, ohne an die Konsequenzen zu denken? Er gibt es vielleicht nicht zu, aber du erinnerst ihn an ihn selbst. Auch er war lange Zeit ohne Heimat, ohne Anerkennung und Perspektive. Doch dann lernte er uns kennen. Ich merke dir an, dass du nicht viel von ihm hältst. Aber er ist im Grunde ein feiner Kerl. Er kann es einfach nicht ertragen, wenn andere das gleiche erleiden müssen wie er. Aber er ist zu stolz um das zuzugeben. Er hat dir geholfen, weil er versteht was in dir vorgeht und dir helfen möchte.“ Tenmaru ballt eine Faust und seine Kiefer werden hart bei diesen Worten. „Nein“, flüstert er, „Er hat keine Ahnung was in mir vorgeht!“ Damit beschleunigt er den Schritt. Schweigend hat Sesshomaru das Gespräch der beiden verfolgt. Es gibt nicht viel, was den sensiblen Ohren des Youkaifürsten entgeht. Obwohl sie fast fünfzig Meter trennen, hat er jedes Wort vernommen. Lästige, kleine Menschenfrau! Das Mädchen muss sich wirklich in alles einmischen. Was kann Inu Yasha bloß an so einer finden? Offenbar muss er einmal ein ernstes Wort mit seinem Bruder reden. Warum bloß wollte er die alle dabei haben? Wenn ich schon dieses Pack mit mir herumschleppe, können sie auch gefälligst ihren Mund halten. Das ständige Geplappert dieser Bande ist so nervtötend wie eine juckende Stelle an der man sich nicht kratzen kann. Mit düsterer Stimmung setzt er seinen Weg fort. Ohne dieses Anhängsel wären sie sicher schneller am Ziel. So wird es viele Tage dauern. Schon jetzt bereut Sesshomaru seine Entscheidung, Inu Yashas Freunde mitzunehmen. Um sich abzulenken, lässt er seine Gedanken schweifen; zurück zu der Zeit als er diesen Weg zum ersten Mal gegangen ist. * * * Damals... Die Sonne ist gerade erst hinter dem Horizont verschwunden und es legt sich allmählich Dämmerung über das Land. Die ersten Sterne sind am Firmament zu sehen, doch der Himmel ist recht verhangen. Die dunklen Bäume rauschen leicht im kühler werdenden Wind. Eine leichte Briese verfängt sich für einen kurzen Moment in langem, seidigweißen Haar; zieht aber schnell weiter als sie auf die angespannte Aura des schlanken, spitzohrigen Youkais trifft, der mit festem Schritt durch den abendlichen Wald marschiert und mit klaren Augen wie aus flüssigem Gold, aufmerksam die Umgebung durchfunkelt. Wie lange ist es jetzt her, dass er die östliche Grenze überschritten hat? Eine Stunde? Zwei? Er ist sich nicht sicher. Er spürt nur mit jedem Schritt, wie seine Anspannung wächst. Schon vor einer ganzen Weile hat er mit einem ‚Begrüßungskomitee’ gerechnet, doch bisher ist alles ruhig geblieben. Der junge Youkai lässt es sich nicht anmerken, aber innerlich ist er ziemlich nervös. Nie zuvor hat er alleine das östliche Territorium betreten und seine Gefühle deswegen sind sehr zwiespältig. Einerseits ist unmöglich abzusehen wie diese ganze Sache ablaufen wird und das bereitet ihm Unbehagen, aber andererseits ist er fest entschlossen sich keinerlei Blöße zu geben. Er ist nun der Fürst des Westens. Niemand soll durch sein Beispiel zu dem Schluss kommen, dass der Westen schwach geworden ist. Doch ob Sesshomaru es wahrhaben will oder nicht, sein Herz pocht ihm bis zum Hals. Seine empfindlichen Sinne vernehmen noch das kleinste Geräusch und jede auffällige Bewegung im Unterholz wird sofort registriert. So läuft er weiter und vertraut dabei seinem gut ausgeprägten Richtungssinn auf dem Weg zur Residenz des Fürsten des Ostens. Ob mein Vater sich ähnlich gefühlt hat, als er damals diesen Weg ging?, überlegt Sesshomaru bei sich. Doch dann verzieht er ein wenig das Gesicht. Sicher nicht! Inu Taisho kannte weder Furcht noch Zweifel. Was immer ihm in den Sinn kam, das tat er auch. Und bis kurz vor seinem Tod ging er mit dieser Haltung niemals fehl. Was mag bloß in ihn gefahren sein, als er diese Menschenfrau zu seiner Geliebten machte und mit ihr diesen Bastard zeugte? Mit einem Schlag war sein ganzer Sinn für Verantwortung fort, als er beschloss ihr in seinem geschwächten Zustand zu Hilfe zu eilen und dafür den Tod in Kauf nahm. Inu Taisho, größter Fürst des Westens! Letztendlich wurden ihm die Gefühle zu einer Menschenfrau zum Verhängnis. Menschen! Seine Stirn legt sich in Falten. Sie mögen schwach aussehen aber sie sind tückisch. Mit ihren Verführungskünsten haben sie den mächtigsten Youkaifürsten aller Zeiten zu Fall gebracht. Welche Tragik und vor allem welche Demütigung! Diesen Gesichtsverlust werde ich nicht bestehen lassen! Ich werde dem Ruf meines Vaters gerecht werden und ihn noch übertreffen. Ich werde mir einen Namen schaffen der niemals von Schwäche besudelt wird! Doch weiter kommt Sesshomaru nicht. Innerhalb eines Sekundenbruchteils springen seine Reflexe an und lassen ihn ein Stück zurückspringen. Fast im gleichen Moment fallen zwei Gestalten vor ihm auf den Weg herab, genau an die Stelle an der er gerade noch gestanden hat. Lauernd betrachtet Sesshomaru die dreisten Neuankömmlinge. Es sind zwei Youkai; Hundeyoukai unverkennbar. Die beiden sind recht groß und schlank, doch unter ihren lumpenähnlichen Pelzgewändern zeichnen sich beträchtliche Muskeln ab. Ihre schneeweißen Haare sind zu einem kurzen Zopf fest am Hinterkopf zusammengebunden. In ihren Händen halten sie jeder einen schmalen Spieß und zwei eisblaue Augenpaare funkeln Sesshomaru herausfordernd an. Nein, diese beiden gehören eindeutig nicht zum Ostclan. Wenn es die Haar- und Augenfarbe nicht verrät dann auf jeden Fall ihre Wangezeichnung, die aus dunkelblauen Sprenkeln besteht. Diese zwei sind ohne Zweifel vom Nordclan, stellt Sesshomaru fest. Nur die türkise, eiskristallförmige Stirnzeichnung fehlt, also sind es nur gewöhnliche Youkai und keine Daiyoukai. Welche Dreistigkeit! „Was fällt euch ein, mich anzugreifen?“, beschließt Sesshomaru die Initiative zu ergreifen. Die beiden lassen ihn nicht aus den Augen. Ein unbeeindruckter Blick trifft ihn. Nun richtet sich der eine auf: „Tu dich nicht so wichtig, Chibi-san. Wäre das ein Angriff gewesen, wärst du jetzt tot.“ Sesshomaru beißt die Zähne hart aufeinander. Kleiner? Bei diesem Wort fühlt er sich schmerzlich in seiner Ehre gekränkt. Diese Beleidigung wird er nicht hinnehmen. „Was glaubst du eigentlich, wen du vor dir hast, Kita-aitsu (Nordler)?“, grollt er und sein Körper geht in Angriffsposition. Die beiden Youkai nehmen es wohl zur Kenntnis, doch noch immer zeigen sie sich nicht sonderlich beeindruckt davon. Nun richtet sich auch der andere auf und fasst seinen Speer fester. „Scheißegal, wer du bist, Nishi-aitsu, aber du bist hier in unserem Revier und das werden wir nicht durchgehen lassen!“ Diese Bemerkung irritiert den jungen Youkaifürsten nun doch ein wenig. „Lächerlich!“, gibt er zurück, „Das hier soll euer Revier sein? Eine bessere Lüge ist euch nicht eingefallen? Dies ist das Reich des Ostens und kein Kita-aitsu betritt dieses Land unbestraft.“ Mit diesen Worten beginnen seine Finger grün zu schimmern und ein grünlicher Nebel umzüngelt seine rechte Hand. Dabei lässt er die beiden nicht eine Sekunde aus den Augen. Das jedoch scheint Wirkung zu zeigen. Die beiden Youkai entblößen ihre Fangzähne und funkeln ihn wütend an. „Was hat dich das zu kümmern, Nishi-aitsu?“, in der Stimme des Youkais liegt tiefe Verachtung, „Dies ist genau so wenig dein Revier, was geht dich das also an?“ Der andere Youkai spuckt verächtlich aus: „Wie ich die westliche Arroganz hasse! Schon immer habt ihr euch für etwas besseres gehalten. Was gibt euch das Recht euch in alles einzumischen? Ihr seid nichts besonderes, Nishi-aitsu!“ Nun hebt der erste der beiden seinen Speer zum Angriff. Wütende, rote Augen funkeln Sesshomaru an. „Soll ich dir was sagen, Chibi-san? Es ist mir scheißegal ob du ein Nishi-aitsu...“, und mit einem verächtlichen Blick auf seinen blauen Sichelmond, „...oder vielleicht ein Daiyoukai bist. Arrogante Typen wie du verursachen mir Krätze! Deshalb mach ich sofort kurzen Prozess mit ihnen, wenn sie so blöd sind, sich mir entgegenzustellen.“ Sesshomarus Gesicht ist steinern. Keine Sekunde lässt er die beiden aus den Augen. Sie scheinen es wirklich ernst zu meinen. Er kann es nicht verhindern aber sein Herz pocht heftiger als er sich eingestehen will. Verdammt! Er wollte sich doch Respekt verschaffen, aber das ist mal wieder nach hinten losgegangen. Nicht mal diese beiden fremden, dahergelaufenen, niederrangigen Nord-youkai bringen ihm Achtung entgegen. Wie soll das dann erst beim Fürst des Ostens persönlich werden... vom Fürsten des Nordens ganz zu schweigen? Nein!, ruft er sich selbst entschieden zur Ordnung, Ich darf nicht schon hier kneifen! Ich darf einfach nicht jetzt schon an Boden verlieren! Das darf ich nicht zulassen! Diese beiden anmaßenden Kita-aitsu werden mir den Respekt erweisen, der mir zusteht! Dafür werde ich sorgen! Koste es was es wolle! Wütend fletscht der junge Fürst die Zähne. „Wenn das deine Einstellung ist, musst du wahrhaft lebensmüde sein, Köter! Ich werde dich lehren, eine Daiyoukai herauszufordern! Wenn ich mit dir fertig bin, wird dir das Niederknien leichter fallen. Ich reiß dir die Beine raus!“ Gefährliche Reißzähne schieben sich unter Sesshomarus Lippen hervor und seine Augen glühen bedrohlich rot. Die beiden Nord-Youkai tun es ihm gleich. Mit festem Griff um die Waffen und erhobener, giftversprühender Klaue belauern die drei sich. Jeder wartet nur auf den geeigneten Augenblick um anzugreifen. Die Anspannung, die in der Luft liegt ist praktisch greifbar. Niemand wagt eine unbedachte Bewegung; schon das kleinste Zucken könnte einen Angriff provozieren. Sesshomaru ist so sehr angespannt, dass er innerlich zittert. Es wird ernst! Hier wird sich nun zum ersten Mal erweisen, was er als Fürst taugt. Jetzt nur keinen Fehler machen. Dieses Belauern zehrt an seinen Nerven. Das ist doch lächerlich! Das zögert das Ganze doch nur unnötig hinaus. Er hätte schon längst kurzen Prozess mit diesen größenwahnsinnigen Spinnern machen sollen. Als Fürst des Westens, kann er es sich nicht erlauben, nur zu reagieren. Er muss die Initiative ergreifen. Und das wird er auch! Diese beiden wertlosen Idioten, werden den nächsten Tag nicht mehr erleben! Sein Entschluss ist gefasst. Seine Sehnen spannen sich um sich im nächsten Sekundenbruchteil von der Stelle loszukatapultieren und auf die beiden Youkai zuzustürmen. Doch im allerletzten Moment vernimmt er plötzlich ein Rascheln über sich und nur einen Augenblick später rauscht vor ihm eine weitere Person zu Boden, direkt neben den beiden fremden Youkais. Aber noch ehe Sesshomaru sich auch nur eine Meinung bilden kann, wirbelt der Neuankömmling herum und mit weitausholenden Bewegungen hat er jedem der beiden einen solch deftigen Schlag mit der Faust ins Gesicht verpasst, dass sie äußerst unsanft zu Boden geschmettert werden und ziemlich verdattert zu ihm hochschauen, als könnten sie gar nicht fassen was da gerade passiert ist. Sesshomaru hat mitten in der Bewegung innegehalten. Ob er will oder nicht, er starrt den Fremden mindestens eben so überrumpelt an wie die beiden streitsüchtigen Youkai, bis er sich dessen gewahr wird und sich auch rasch wieder zur Ordnung ruft. Erstaunt beobachtet er den gerade Eingetroffenen. Unverkennbar ein Youkai, auch wenn er ihm den Rücken zugewandt hat. Er ist nur geringfügig kleiner als Sesshomaru aber dafür ein wenig muskulöser. Über dem kräftigem Brustkorb trägt er einen zweckdienlichen Harnisch aus Leder und Metall. Die restliche knielange Kleidung und die Stiefel bestehen aus Pelz, jedoch werden die kraftvollen Unterschenkel von Beinschienen aus Leder und Holz geschützt. Sein dunkelgraues Haupthaar wird von einem straffen Lederband am Hinterkopf zusammen gehalten und reicht ihm knapp in den Nacken. Diese Person bietet einen imposanten Eindruck, trotz der schlichten Bekleidung. Gerade jetzt steht er schwer atmend und äußerst angespannt da, doch nur für einen kurzen Moment. Nun fährt er ruckartig herum, starrt die beiden am Boden Liegenden mit grimmig funkelnden Augen an und im selben Moment bricht das Unwetter über sie hinein. „Ihr hirnlosen Vollidioten! Was sollte das hier werden, häh? Habt ihr vollkommen den Verstand verloren?“ Mit einer Hand packt er einen der beiden am Kragen und zieht ihn auf die Füße. Eine klauenbewehrte Hand, verkrallt sich zornig in der Kleidung des Störenfrieds. „Hey, Yaeba, beruhig dich!“, versucht der sichtlich eingeschüchterte Hundedämon, den aufgebrachten Youkai vor sich zu besänftigen, „Wir haben gar nichts gemacht.“ Der Griff an seiner Kleidung wird fester. „Lüg mich nicht an, Kegawa! Ihr wart nur wieder auf Kampf aus.“ „Stimmt gar nicht!“, verteidigt sich Kegawa, doch eine gehörige Backpfeife schickt ihn erneut zu Boden. „Ganz genau!“, mischt sich jetzt der andere Youkai ein, „Wir sind nur n bisschen rumgezogen und plötzlich ist dieser Kerl da aufgetaucht und macht uns dumm an.“ Nur eine Sekunde später ist der wütende Youkai bei ihm und reißt ihn mit beiden Händen an der Kleidung in die Höhe. „Fang bloß nicht so mit mir an, Samushi! Ich kenne euch beiden Holzköpfe besser als du denkst. Wenn du versuchst, mir etwas vorzumachen, wirst du deines Lebens nicht mehr froh, verstanden?“ Mit diesen Worten lässt er ihn auf die Füße zurückplumpsen. „Lausiger Köter!“, zischt Samushi den verärgerten Youkai an und reibt sich den Hals. Doch die Strafe folgt auf den Fuß als ihn ein wohlgezielter Schlag in die Magengrube erneut zu Boden schickt. „Ihr kennt die Regeln ganz genau!“, schreit Yaeba wütend auf die beiden hinab, „Niemand fängt einen Kampf mit einem der anderen Clans an, ohne die ausdrückliche Erlaubnis unseres Hauptmanns! Ist das so schwer in eure Köpfe zu kriegen? Wie blöd seid ihr eigentlich? Wollt ihr euch wirklich unbedingt mit dem Hauptmann anlegen? Was meint ihr, was mit euch passiert, wenn ich über das hier Bericht erstatte?“ Die beiden gescholtenen Youkai schauen sich unbehaglich an. „Ähm, du wirst uns doch nicht verraten oder, Yaeba?“, meint nun der eine. Der Angesprochene verdreht die Augen: „Da könnt ihr aber Gift drauf nehmen! Euch ist wirklich nicht zu helfen. Immer bringt ihr euch und uns in Schwierigkeiten und jetzt seht zu, dass ihr zum Lager kommt. Wir werden das später noch mal erörtern. Verschwindet!“ Einen kurzen Moment zögern die beiden noch, doch dann rappeln sie sich rasch auf, sammeln hastig ihre Waffen ein und sind wenige Sekunden später in den Büschen verschwunden. Währenddessen hat Sesshomaru die ganze Szene aufmerksam aber schweigend verfolgt. Dieser Yaeba scheint ein interessanter Bursche zu sein. Seine Wangenzeichnung weist ihn ganz klar als Youkai des Ostens aus; das zackige Muster und die violetten Augen sind unverkennbar. Trotzdem scheint er über diese beiden Youkai vom Nordclan befehlen zu können und das verwirrt Sesshomaru ein wenig. Niemals würde sich ein Kita-aitsu von einem Higashi-aitsu Befehle erteilen lassen. Was mag es nur damit auf sich haben? Möglicherweise sind die beiden aus irgendeinem Grund Diener des Ostfürsten und unterstehen nun seinem Befehlshaber. Vermutlich halten sie sich deshalb nur ungern an die Regeln und offenbar hat er sie hier nur durch Zufall entdeckt. Wahrscheinlich gehört dieser Yaeba zu den Wachposten, die mich schon mal in Augenschein nehmen sollen bevor ich zum Fürsten komme. Ich muss mich also von meiner besten Seite zeigen. Der Mann versteht sein Handwerk. Er hat Autorität und kann sich durchsetzen. Wirklich beeindruckend! Der Ostfürst hat mir bestimmt seinen besten Mann geschickt. Aber wenn das die Latte ist, an der ich mich messen muss, liegt noch eine Menge Arbeit vor mir, Chichi-ue. Es wird Zeit, mich zu bewehren. Sich dessen voll bewusst, richtet Sesshomaru sich zu seiner vollen Größe auf. Nicht für eine Sekunde darf er hinter irgendeinem Untergebenen zurückstehen. So geringschätzig wie möglich mustert er schweigend den Youkai vom Ostclan. Dieser taxiert ihn indessen mit einem höchst kritischen Blick. Schließlich sagt er: „Die beiden Unruhestifter hatten kein Recht Euch anzugreifen. Sie werden um eine gehörige Strafe nicht herumkommen. Ihr solltet jedoch besser nicht alleine durch diese Gegend wandern, Nishi-aitsu. Das könnte unangenehme Konsequenzen für Euch haben.“ Sesshomaru hebt das Kinn. „Willst du mich beleidigen? Unterstellst du mir, ich wüsste mich nicht zu verteidigen? Ich werde meinen Weg ganz sicher fortsetzen. Ich brauche keine Hilfe, schon gar nicht die eines Higashi-aitsu. Dein Eingreifen war völlig überflüssig, diese beiden Trottel waren keine Gegner für mich.“ Der Fremde schaut ihn unbeeindruckt an. Dann sagt er: „Mag sein. Ihr seid ein Daiyoukai. Mit Sicherheit hättet Ihr sie besiegt. Doch nicht Euretwegen hab ich eingegriffen, sondern ich wollte verhindern, dass diese beiden Blödmänner ihr Leben verlieren, weil sie es einfach nicht lassen können, sich in irgendwelche Schwierigkeiten zu manövrieren. Es passt mir nicht, aber ich habe eine Verantwortung ihnen gegenüber. Wie ist Euer Name, Nishi-aitsu?“ Der junge Prinz hält seinem forschenden Blick stand. Selbstbewusst richtet er sich auf. „Mein Name ist Sesshomaru, Sohn des Inu Taisho! Seit dem Tod meines Vaters herrsche ich über das Reich des Westens. Es wird Zeit einige neue Abkommen zu treffen. Richte deinem Fürsten aus, dass ich auf dem Weg zu ihm bin!“ Nun werden Yaebas Augen schmal und seine Stirn legt sich in Ärgerfalten. Dann sagt er abfällig: „Ich diene nicht dem Fürsten des Ostens. Wenn Ihr zu ihm wollt, seid Ihr besser Euer eigener Bote. Ich will ehrlich zu Euch sein, Sesshomaru-sama, die Hierarchie der Clans ist mir vollkommen egal. Ich begegne Euch lediglich mit Respekt weil es die Sitte verlangt. Ich halte nichts vom Osten und noch weniger vom Westen und es bedarf weit mehr als das arrogante Gehabe eines halbwüchsigen Knaben mit edelblütiger Abstammung um mich zu beeindrucken. Aus diesem Grund gebe ich Euch einen Rat: Kehrt in Eure Heimat zurück und vergesst die Idee, jemals hierher gekommen zu sein.“ In Sesshomaru brodelt es. Seine Augen glühen gefährlich rot und seine Muskeln verkrampfen sich. „Du wagst es, in diesem Ton mit mir zu sprechen, Köter?“, schnaubt er, „Ich werde dich Manieren lehren!“ All die aufgestaute Spannung entlädt sich nun in einem mächtigen Satz nach vorne. Keine Sekunde später hat er seinen Gegner erreicht, doch noch ehe er zuschlagen kann, ist der andere blitzartig ausgewichen und hat sogleich wieder einige Schritte Abstand zwischen sich und den aufgebrachten Prinzen gebracht. „Ein feiner Fürst seid ihr!“, ruft der Ost-Youkai verächtlich, „Lasst Eure Wut an einem viel Schwächeren aus, der zudem noch unbewaffnet ist und Euch kein Leid getan hat.“ In Sesshomaru brodelt es vor Ärger und er fletscht die Zähne. „Spar dir deine Belehrungen, Köter!“, grollt er, „Das ist doch nur ein Zeichen der Feigheit[, wie es bei einem Higashi-aitsu nicht anders zu erwarten war. Und halt mich nicht zum Narren, denn so schwach bist du gar nicht, das spüre ich!“ Yaeba hebt überrascht eine Braue: „Ein Lob aus Eurem Munde ehrt mich, Sesshomaru-sama, aber glaubt nicht, dass ich Euch respektlos behandle, weil ich Euch für minderwertig halte. Ich behandele Euch respektlos, weil Ihr es nicht anders verdient. Respekt klagt man nicht ein, man verdient ihn sich! Wenn Ihr das beherzigt, kann aus Euch vielleicht einmal ein Fürst werden. Bis dahin gibt es nur eine einzige Person, die ich respektiere. Ich diene alleine meinem Hauptmann und keinem anderen Fürsten und ihm allein bin ich Rechenschaft schuldig. Klärt die Sache mit ihm.“ Mit diesen Worten dreht der kräftige Youkai sich um und mit wenigen raschen Sprüngen ist er im Unterholz verschwunden. Entgeistert und ein wenig überrumpelt starrt Sesshomaru ihm hinterher. Zwar wäre es ein leichtes für ihn, die Verfolgung aufzunehmen, doch er sieht davon ab. Die Worte des fremden Youkais haben ihn zum Nachdenken gebracht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)