Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Kapitel 33: Unvermeidlich ------------------------- Damals an der Grenze zum Nordreich... „Da drüben ist sie!“, Hanakis schlanke Hand zeigt in die entsprechende Richtung, „Das ist die Grenze zum Norden.“ Sesshomarus Blick folgt ihrem Finger. Sie weist auf eine karge Felsenkette ein Stück entfernt. „Das weiß ich“, sagt er ruhig, „Ich kenne den Weg.“ „Natürlich, wie dumm von mir!“, meint sie pikiert. Ohne ein Wort geht Sesshomaru weiter und sie folgt ihm. Je näher sie den Felsen kommen, desto unruhiger wird Yaeba. Sein Nacken ist angespannt und er lässt den Blick ständig über die Gegend streifen. Schließlich haben sie die Felsformation erreicht. Ein schmaler Trampelpfad führt hinauf, doch Sesshomaru beachtet ihn erst gar nicht. Mit einem sanften Tritt stößt er sich vom Boden ab und ohne einen größeren Gedanken daran zu verschwenden, schwebt er elegant an der Felswand empor. Es ist für ihn beinah so selbstverständlich wie Atmen. Ärgerlich blickt Yaeba ihm hinterher, doch Hanaki schmunzelt nur nachsichtig und mit einem geschmeidigen Schwung tut sie es ihm gleich. „Warte bitte hier, Yaeba!“, wendet sie sich noch einmal an ihren Befehlshaber, „Ich verbiete dir auch nur einen Fuß auf nördlichen Boden zu setzen, ist das klar?“ Zerknirscht schaut Yaeba sie an. Dann nickt er, doch man merkt, dass er es nur äußerst widerwillig tut. Leicht wie eine Feder schwebt die Anführerin der Streuner die Klippe hinauf und setzt kurze Zeit später ein paar Schritte von Sesshomaru entfernt wieder auf. „Glaubst du, er gehorcht dir?“, kommt die Frage von Sesshomaru. „Ich will es hoffen, für ihn“, erwidert Hanaki ironisch. Der junge Fürst des Westens beschließt, darauf nichts zu erwidern und setzt ohne Umschweife seinen Weg fort. „Habt Ihr Euch inzwischen überlegt, wie Ihr Inu Taihyouga gegenübertreten wollt?“ Sesshomaru beißt die Kiefer aufeinander. Seit Tagen nervt sie ihn nun schon damit. „Das ist meine Sache!“, stellt er einmal mehr klar. Sie zuckt mit den Achseln: „Es war lediglich eine Frage.“ „Wie ich meine Regierungsgeschäfte führe, musst du bitteschön mir überlassen“, meint er gereizt, „Misch dich nicht ein!“ Ihre Schritte hinter ihm verstummen. Sie ist stehengeblieben. „Kann es sein, dass du noch gar keine klare Vorstellung hast?“ Augenblicklich bleibt Sesshomaru wie angewurzelt stehen. Langsam dreht er sich um. „Was hast du gerade gesagt?“, fragt er und seine Stimme zittert vor unterdrückter Wut. Ihre Augen werden schmal, doch sie wiederholt den Satz nicht noch einmal. Nun kommt er auf sie zu. Seine Schritte sind leicht und geschmeidig. Er wirkt wie ein Raubtier auf der Jagd. Nur wenige Zentimeter vor ihr kommt er zum Stehen. Er überragt sie um fast eine halbe Kopflänge und seine Augen glühen gefährlich. „Ich will hoffen, dass ich mich verhört habe!“ Seine Stimme ist leise, doch ein bedrohliches Grollen schwingt in ihr mit, „Hast du mich wirklich gerade geduzt?“ Trotzig reckt sie das Kinn: „Und wenn es so wäre?“ Ein bedrohliches Knurren dringt aus seiner Kehle. „Ich habe lange Zeit Geduld mit dir und Deinesgleichen gehabt, Streunerin! Ich habe dir deine Eskapaden lange genug durchgehen lassen. Ziehe bloß keine falschen Schlüsse! Nur weil ich nicht mit dir umgegangen bin, wie man es erwartet hätte, bedeutet das nicht, dass ich dir alles durchgehen lasse. Ich bin Sesshomaru, Sohn des Inu Taishou, Fürst des Westens und du bist nur ein Streuner, also erwarte ich gefälligst auch, dass du mir den angebrachten Respekt entgegenbringst!“ Zunächst hat sie ihm nur trotzig in sein wütendes Gesicht geblickt, doch nun verfinstert sich ihre Miene und sie richtet sich zu ihrer vollen Größe auf. Nur wenige Zentimeter trennen die beiden noch und die eisige Spannung die sich plötzlich zwischen ihnen aufgebaut hat, ist beinah greifbar. „Spiel dich bloß nicht so auf!“, sagt sie ärgerlich und ein eisiger Blick trifft Sesshomaru, „Du solltest dich mal hören! Du redest schon genau so wie Arashitsume! Dein Rang, deine Abstammung, Respekt! Ist das alles woran du denken kannst? Glaubst du, wir sollten dir auf Knien danken, weil der große Sesshomaru sich dazu herabgelassen hat, uns mit seiner Anwesenheit zu beehren?“, ihre Worte triefen vor Sarkasmus, „Ich sag dir mal was, so funktioniert das nicht! Man kann Respekt nicht einfach einfordern, man muss ihn sich verdienen! Wenn du das nicht begreifst, wirst du immer ein Knabe bleiben!“ Kaum sind die giftigen Worte verhallt, fällt Hanakis Blick auf Sesshomaru und unwillkürlich verpufft ihr Zorn. Der junge Youkaifürst starrt sie wie vom Donner gerührt an. Seine Miene ist von Fassungslosigkeit gezeichnet. Sesshomaru schluckt innerlich schwer. Etwas schnürt ihm gerade schmerzhaft die Luft ab und diesmal ist es nicht allein ihre betörende Ausstrahlung. Ihre Worte gerade haben ihn wie gnadenlose Schläge getroffen und irgendetwas ist dabei wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Er findet keine Worte für all das, was ihm gerade durch den Sinn geht. Wie kann sie so etwas nur sagen? Er hat ihr doch überhaupt nichts getan, obwohl es sicher jedermann erwartet hätte. Besonders Arashitsume. Warum, zum Teufel, vergleicht sie ihn mit Ihm? Allein der Gedanke, er könnte etwas mit dem Fürsten des Ostens gemeinsam haben, lässt seinen Magen aufbegehren. Er hat Besseres verdient als das! Weder hat er sie angegriffen, noch einen ihrer Leute. Er ließ ihr die Verfügungsgewalt über ihr Rudel und akzeptierte ihre Autorität. Er hat sich nicht in ihren Führungsstil eingemischt oder ihr irgendwelche Ultimaten gestellt. Er hat viel mehr Zeit als nötig mit den Streunern verbracht und dafür seine Pflichten vernachlässigt. Ja, verdammt, er hat sich sogar mit ihr ausgiebig unterhalten und er hat sogar Interesse an ihren Ansichten gezeigt. Er hat sie beinah schon als Gleichrangige behandelt! Ist es da wirklich zu viel verlangt, auf das höfliche „Ihr“ zu bestehen? Ihre Worte treffen ihn härter, als er es für möglich gehalten hat. Einen Knaben sieht sie in ihm? Mehr nicht? Er hat völlig versagt und zwar auf ganzer Linie! Das alles war ein riesiger Fehler! Schon Arashitsume hat ihn nicht ernst genommen und seine größte Sorge war Inu Taihyouga. Doch noch nicht einmal die ranglosen Streuner respektieren ihn. Mit Hass hätte er gerechnet, doch mit solcher Geringschätzigkeit nicht. Soll das bedeuten, dass er nicht in der Lage ist, seine Aufgabe als Fürst des Westens zu erfüllen? Wird er sein Reich im Stich lassen und seinen Schwur brechen? War das alles hier umsonst? Oh, Chichi-ue, wie sehr könnte ich jetzt Euren Rat gebrauchen und Euren Beistand. Warum musstet Ihr sterben? Warum habt Ihr euer Reich im Stich gelassen? Warum habt Ihr mich mit dieser erdrückenden Bürde im Stich gelassen? Sagt mir, was ich tun soll! Doch da ist keine Antwort und er spürt, dass er alleine ist. Nun ist er der Fürst und er wird die Entscheidungen treffen müssen. Niemand kann ihm das abnehmen. Eine eisige Kälte greift nach seinem heftig pochenden Herz und eine urplötzliche Traurigkeit überkommt ihn. Ratlos schaut er die Streunerin an und dann weicht er ein paar Schritte zurück. Das Leid in seinem Gesicht ist nicht zu übersehen. Verständnislos mustert Hanaki ihn. Seine Miene ist schwer zu deuten, doch Ärger zeigt sie nicht länger und das überrascht sie. Schweigend blickt er sie an. Nach einer ganzen Weile sagt er leise: „Was soll ich denn noch tun?“ Er scheint schwer mit den Worten zu kämpfen. „Bist du eigentlich niemals zufrieden? Was verlangst du denn noch? Deine Leute sind auf dich angewiesen, ihr Respekt ist dir sicher. Aber glaubst du wirklich, irgendjemand hätte dir in den vergangenen Tagen mehr Respekt entgegengebracht, als ich? Sag mir, wer spielt sich hier auf?“ Hanakis Gesichtszüge entgleisen. Sprachlos schaut sie ihn an. Nie hätte sie erwartet, dass er sich diese Worte so sehr zu Herzen nehmen würde, so sehr ist sie daran gewöhnt, ihren Standpunkt verteidigen zu müssen. Doch nun wo sie darüber nachdenkt, wird ihr klar, dass der Fürst des Westens von Anfang an, Nachsicht mit ihr hatte. Ihr wird nur zu schmerzlich bewusst, dass ihre Ansichten eine extreme Ausnahme darstellen, und sein Verhalten ihr gegenüber bei weitem keine Selbstverständlichkeit ist. Betreten senkt sie den Blick. Sie und ihre verfluchte Impulsivität! Warum musste sie gerade den Einzigen verärgern, der für sie Verständnis gezeigt hat? Irgendwie muss sie das wieder gut machen. Vor Sesshomarus Augen sinkt sie nun auf die Knie hinunter und neigt den Kopf. „Bitte, verzeiht mir, Sesshomaru-sama. Mein Verhalten war ungebührlich. Ich habe mir mehr herausgenommen, als mir zustand!“ Schweigend blickt Sesshomaru auf sie herab. Dann wendet er sich müde ab: „Komm wieder hoch! Jetzt brauchst du das auch nicht mehr zu tun!“ Mit bekümmerter Miene schaut sie ihm hinterher. Sie hat ihn verletzt! Das hat sie nicht gewollt. Langsam kommt sie wieder auf die Füße. „Sesshomaru-sama, ich...“ Doch weiter kommt sie nicht. Schlagartig hält sie inne und prüft angespannt die Luft. Auch Sesshomaru ist erstarrt. Wachsam sieht er sich um. Doch nur Sekundenbruchteile später springt er geschickt zur Seite, denn dort wo er gerade stand, bohrt sich ein gewaltiger Eiskegel in den Boden und friert das Gras in zwei Meter Umkreis ein. „Kita-aitsu!“, grollt er. Da sind sie auch schon! Aus den umliegenden Bäumen und zwischen den Büschen hervor kommen jetzt eine große Anzahl grimmig dreinblickender Youkais hervor. Alle sind sie gut gerüstet und bewaffnet. Einer von ihnen tritt nun hervor, offenbar ist er der Befehlshaber. Ärgerlich schaut er Sesshomaru an und ohne weitere Umschweife kommt er zum Thema: „Fürst Sesshomaru, was wollt Ihr hier? Wieso kommt Ihr ohne Ankündigung in Fürst Inu Taihyougas Revier und warum ist Sie auch hier? Was hat diese dreckige Verräterin hier verloren?“ Wut köchelt in dem Youkai und Sesshomaru erkennt, dass er vor Wut fast bebt. Seine Miene verfinstert sich nun ebenfalls. Diese Kita-aitsu kommen ihm gerade gelegen! Irgendwie braucht er ein Ventil für diese ganzen verwirrenden Gefühle und er ist irgendwie froh darüber, dass er hier nicht willkommen geheißen wird. „Geh mir sofort aus dem Weg, Kita-aitsu!“, grollt er und seine Reißzähne schieben sich unter seinen Lippen hervor, „Was ich hier will, geht dich nicht das Geringste an! Wenn du nicht den Weg freigibst, werde ich jeden einzelnen von euch töten und es wird mir ein Vergnügen sein.“ Nun bleckt der Youkai unverhohlen die Zähne. „Wenn Ihr es so wollt!“, ruft er grimmig und dann wendet er sich an seine Leute, „Macht sie nieder! Reist sie in Stücke!“ Darauf hat Sesshomaru nur gewartet. Seine Augen beginnen gefährlich rot zu leuchten und nun bleckt auch er die Zähne. Von einem Moment auf den anderen stößt er sich ab und stürmt den angreifenden Youkais entgegen, die sich mit wütendem Kampfschrei auf ihn stürzen. Die meisten von ihnen tragen lange Speere oder mächtige Kettenwaffen mit scharfen Klingen. Mit lautem Schrei greifen sie den Westfürsten an. Schon haben die ersten drei ihn erreicht und mit grimmiger Wut schießen die drei Speere auf seine empfindlichen Punkte zu. Doch Sesshomaru braucht sich nur ein wenig zur Seite drehen um den Waffen auszuweichen. Blitzartig geht seine erhobene Klaue nieder und fällt gleich die ersten drei auf einen Schlag. Sofort dreht er sich um, denn schon sind die nächsten fünf an ihm dran. Mit einer geschmeidigen Wendung springt er aus dem Weg und die Waffen treffen ins Leere. Nur zwei Hiebe später, liegen auch diese fünf schmerzhaft entstellt am Boden. Grüner Nebel dringt aus Sesshomarus Klauenspitzen und sein Gesicht mit den purpurnen Streifen ist grimmig verzerrt. Ruckartig geht sein Kopf herum als er eine Bewegung wahrnimmt. Dort drüben kämpfen vier Youkais mit Hanaki. Jedes Mal wenn ihre Waffen die Erde berühren, schießen gigantische Eiskegel aus dem Boden und versuchen alles was sich über ihnen befindet, aufzuspießen. Zwar kann die Streunerin ihnen mit Leichtigkeit ausweichen, doch ihre Angreifer sind hartnäckig. Sie lassen sich weder abschütteln noch vertreiben. Mit der Grimmigkeit eines Bluthundes hängen sie an ihren Fersen und versuchen mit allen Mitteln, sie fest zunageln. Doch gerade im Augenblick, kann Sesshomaru ihr nicht seine volle Aufmerksamkeit widmen, denn nun tritt ihm der Befehlshaber entgegen, zusammen mit weiteren sechs Nordyoukais. Mit Kraft schwingt er einen gewaltigen Kettenkreisel über seinem Kopf und von einer Sekunde zur nächsten springt er mit wildem Kampfschrei auf Sesshomaru zu. Unter ohrenbetäubendem Krachen schlägt das Metallrad mit den tödlichen Spitzen daran auf dem Boden auf, genau dort wo Sesshomaru gerade noch gestanden hat. Der Westfürst mustert seinen Angreifer wachsam. Dieser Youkai hat schon etwas mehr drauf. Hinter dieser Waffe steht eine enorme Zerstörungskraft, sollte sie treffen. Dort wo sich das Rad in den Boden gegraben hat, ist nun eine tiefe Furche und fast die gesamte Ebene hat sich nun in eine spiegelglatte Fläche verwandelt. Mit einem geschickten Zug an der Kette springt die Waffe wieder zurück in die Hand des Befehlshaber. Sesshomaru bemerkt, dass seine Untergebenen sich ein wenig zurückziehen. Sofort packt der Nordyoukai seine Waffe mit beiden Händen und nun beginnt sie in grellem blau zu leuchten. Er lässt eine Hand fahren und mit der anderen schleudert er sie mit aller Kraft direkt auf Sesshomaru. „Kourimori!“, schreit er und im selben Moment als die rasiermesserscharfen Klingen den Boden berühren, platzen die Zacken davon ab und werden über das gesamte Feld geschleudert. Ein geschickter Sprung von Sesshomaru lässt ihm den scharfen Klingen ausweichen. Doch damit nicht genug. Das Leuchten der Spitzen nimmt zu und kaum treffen sie auf dem Boden auf, schießen auf der gesamten Eisfläche, unzählige dünne Eissäulen mit tödlichen Spitzen aus dem Boden und durchbohren alles was nicht schnell genug aus dem Weg springen kann. Offenbar haben die meisten Nordyoukais diese Technik kommen gesehen, denn sie haben sich rasch in Sicherheit gebracht. Nur ein paar wenige sind nicht mehr schnell genug weggekommen und so entfaltet dieser Wald aus Eisspeeren an ihnen seine tödliche Wirkung. Rasch hat Sesshomaru die Situation erfasst und kaum, dass er diese Eisklingen auf sich zurasen sieht, reagiert er. Aus jeder seiner Hände strömt nun ein grünliches Energieband. Nur wenige Schläge mit den Energiepeitschen genügen und die Eissäulen werden unter heftigem Klirren zertrümmert. Hoch aufgerichtet lässt er sich nun wieder auf den Boden herab. Bedrohlich funkelt er seinen Gegner an. „Ist das etwa alles? Weißt du eigentlich, mit wem du dich anlegst? So eine lächerliche Technik hat keine Wirkung auf mich!“ Der Nordyoukai fletscht die Zähne: „Na warte! Das war noch längst nicht alles!“ Er vollführt eine Handbewegung und die verstreuten Kristallspitzen sammeln sich wieder. Mit fast spielerischer Leichtigkeit beginnt er nun seine Waffe über dem Kopf kreisen zu lassen. Das Leuchten der schwebenden Klingen nimmt wider zu. Doch nicht nur das, auch sämtliche Eissplitter die hier verstreut liegen erheben sich vom Boden und fangen an zu funkeln. „Ihr habt einen einen schweren Fehler gemacht, als ihr meinen Eiswald zerschlagen habt“, grinst er nun, „Das wird Euch nun teuer zu stehen kommen. Haka no Kesshou(Kristalsarg)!“ Mit diesen Worten schickt er seine Waffe auf den Weg und im selben Moment blitzen sämtliche Splitter auf und schießen direkt auf Sesshomaru zu. Alarmiert geht der Westfürst in Verteidigungsposition. Doch noch bevor er weiter reagiert, schiebt sich eine andere Gestalt zwischen ihn und die heranfliegenden Kristallsplitter. Hoch aufgerichtet steht Hanaki da. In ihren Händen liegen zwei kurze Schwerter aus gleißendem Licht. Eine enorme Energie geht von den Klingen aus und ihr flackerndes Licht taucht die eisüberzogene Ebene in ein schauriges Licht. Doch nun kommt wieder Bewegung in sie. Mit fließenden Bewegungen und einer atemberaubenden Geschwindigkeit lässt sie die Schwerter vor sich tanzen. „Yushu Nibai no Kamikizu!“, sagt sie und in eben dem Moment als die Splitter auf sie einstürzen wollen, reißt sie die Arme auseinander und eine gewaltige Energiewelle walzt alles nieder was sich in der Umgebung befindet. Von dem Kristallregen ist schon nach wenigen Augenblicken nichts mehr übrig. Erstaunt schaut Sesshomaru sie an. Eine wirklich beeindruckende Stärke! Und geschickt ist sie außerdem, denn wie er feststellt hat diese mächtige Energieentladung ihn selbst nur um wenige Zentimeter verfehlt und erst hinter ihm ihre tödliche Gewalt entfesselt. Die Nordyoukais sind ebenfalls überrascht, doch man muss ihnen zu Gute halten, dass sie über ausgezeichnete Reflexe verfügen. Die meisten von ihnen sind der Energiewelle gerade noch entgangen. Es sind wohl noch etwa dreißig von ihnen übrig. Ein wenig vorsichtiger umkreisen sie nun die beiden Daiyoukais die sich in ihrer Mitte befinden. „Glaubt ihr, damit werdet ihr durchkommen?“, ruft der Befehlshaber nun, „Ich gebe zu, ihr versteht es zu kämpfen. Aber was wäre das Leben ohne eine kleine Herausforderung von Zeit zu Zeit!“, er grinst, „Ich sollte mich vielleicht vorstellen. Mein Name ist Himoku und ich wache über die Grenze zum Norden. Ohne meine Erlaubnis betritt niemand unser Revier, auch keiner der anderen Fürsten und schon gar keiner dieser dreckigen Streuner!“ „Was du nicht sagst!“, erwidert Sesshomaru nun kühl, „Wenn das so ist, dann werde ich nicht länger Rücksicht auf dich nehmen.“ „Versucht es doch!“, ruft Himoku zurück, „Na los, nehmt sie alle beide auseinander!“ Sesshomaru lächelt leicht: „Arme Irre!“ Die Youkais um sie her rücken nun näher. Grimmige Entschlossenheit liegt in ihrem Blick. Plötzlich spürt Sesshomaru etwas in seinem Rücken. Hinter ihm steht Hanaki und ihre Schulterblätter berühren sich kurz. Erneut erscheint es Sesshomaru als würde ihn ein elektrischer Schlag durchzucken. Doch diesmal versetzt ihn dieses Gefühl eher noch mehr in Kampflaune. Sein Herz pocht als wollte es zerspringen. Alle seine Sinne sind geschärft und wieder steigt ihm ihr atemberaubender Duft in die Nase, diesmal gepaart mit dem Geruch von Blut und Schweiß. Diese entzückende Mischung berauscht ihn geradezu. Er grinst gefährlich. Ein flüchtiger Blick zu ihr und ihre Augen treffen sich. Auch sie lächelt kampfbereit. Wie auf ein unsichtbares Zeichen stoßen sie sich beide gleichzeitig von der Stelle ab und stürmen auf ihre Angreifer zu. Was dann passiert, nimmt Sesshomaru nur noch beiläufig wahr. Unbarmherzig und mit tödlicher Präzision gehen seine Klauen auf die Krieger nieder, keiner von ihnen hat ihm etwas entgegenzusetzen. Fast wie im Traum weicht er Klingen und Ketten aus, pariert Eisdolche und umgeht Hagel aus blitzenden Kristallen. Das Blut rennt heiß durch seine Adern und er empfindet tödliches Vergnügen daran, diese dreisten Nordyoukais in ihre Schranken zu weisen. Gelegentlich geht sein Blick hinüber zu Hanaki. Ihre geschmeidigen Bewegungen sind so schnell, dass man sie kaum mit dem Auge sehen kann und so präzise, dass es schon fast erschreckend ist. Wie in einem grausigen Tanz bewegt sie sich mit ihren Klingen durch die Reihen der Youkais, doch nicht einmal ein einziger Tropfen Youkaiblut trifft ihre Gewänder, so geschickt bewegt sie sich. Es ist ein wahrhaft beeindruckendes Schauspiel und Sesshomaru wird klar, dass er es hier trotz ihrer Verbannung mit einer wahren Daiyoukai zu tun hat. Es ist in keinster Weise verwunderlich, dass die Streuner derartig von ihr eingeschüchtert sind. Doch in diesem Moment wird seine Aufmerksamkeit von Himoku in Anspruch genommen. Entschlossen stellt der Nordyoukai sich ihm entgegen. Sein Gesicht ist eine Fratze der Wut: „Dafür stirbst du Nishi-aitsu!“ Mit kontrollierten Bewegungen kommt er auf ihn zu und hebt seine Waffe. „Du wirst mich noch nicht mal berühren!“, gibt Sesshomaru finster zurück und dann treffen die beiden aufeinander. Blauschimmernde Stacheln ragen nun an jeder Stelle des Rades heraus und mit tödlicher Präzision saust die Waffe auf den Westfürsten hernieder. Nur wenige Handbreit vor ihrem Ziel leuchten die Spitzen erneut auf und unzählige Nadeln fahren daraus hervor und strecken sich blutdurstig nach Sesshomaru aus. Doch mit atemberaubender Geschwindigkeit reagiert der Fürst des Westens und streckt seine Klaue nach der Waffe aus. Urplötzlich zucken um seine Finger grelle, gelbe Blitze und treffen mit ohrenbetäubendem Knirschen auf das Metall der Waffe auf. Nur Zentimeter vor Sesshomarus Schulter bleibt die Klinge in der Luft hängen. Himokus Augen fliegen auf. Tödliche Entschlossenheit steht dem Fürst des Westens ins Gesicht geschrieben. „Du hättest dich niemals mit mir anlegen dürfen, törichter Köter!“, seine Stimme hat Grabeskälte und dann bohrt sich seine linke, von grünem Dunst umwaberte Klaue durch den Brustkorb des Nordyoukais samt seinem Brustpanzer. Ächzend krümmt Himoku sich zusammen. Seine Waffe fällt scheppernd zu Boden und jegliches Leuchten ist verschwunden. Sein Gesicht spiegelt Fassungslosigkeit wieder, dann brechen seine Augen und leblos gleitet er zu Boden und rührt sich nicht mehr. Auch wenn er es nach außen hin nicht zeigt, so pulsiert doch in Sesshomaru gerade die pure Euphorie. Dies war genau die richtige Ablenkung, um ihn wieder auf andere Gedanken zu bringen. Es ist einfach unglaublich befreiend. Er wendet sich zu Hanaki um, doch in eben diesem Moment packt ihn irgendetwas am Fuß. Er hält inne und blickt hinab. Mit rötlichem Schaum vor dem Mund und kreidebleichem Gesicht starrt Himoku zu ihm hoch. „Glaubst du... du hättest so einfach gewonnen... Nishi-aitsu?“, keucht er röchelnd, „Nun... habe ich dich doch berührt...und das nächste Mal mach ich dir... ganz den Gar aus!“ Er lacht gurgelnd und seine Miene ist voller Triumph. Doch noch ehe Sesshomaru darauf reagieren kann, landet auf einmal ein harter Tritt auf dem Hals des Youkais und bringt ihn ein für allemal zum verstummen. „Für dich gibt es kein nächstes Mal mehr!“, sagt Hanaki verächtlich. Dann schaut sie auf. Fasziniert starrt Sesshomaru sie an. Ihre Brust hebt und senkt sich rasch und er kann hören wie aufgeregt ihr Herz pocht, gleichmäßig und stark. Ihre Haut schimmert durch die Aufregung rosig und in ihren tiefpurpurnen Augen liegt ein fast schon ekstatisches Strahlen. Ohne Zweifel hat der Kampfrausch auch sie mitgerissen. Ein begeistertes Lächeln spielt um ihre Lippen als sie ihn anschaut. Wie versteinert steht Sesshomaru da. Er kann es nicht fassen, wie ihn ihre Erscheinung gerade mitreißt. Wie gebannt starrt er sie an und nichts vermag es, seine Konzentration in diesem Moment zu brechen. All seine Sinne sind auf sie gerichtet und er muss unwillkürlich schlucken. Alles was er tun muss, ist die Hand ausstrecken und dieses bezaubernde Wesen zu berühren, doch er vermag es nicht. Er kann sich nicht rühren. Alle Rationalität wurde von irgendetwas anderem weggewischt und alles was er tun kann ist, sich an diesem Anblick zu betrinken wie an süßem Gift. Auch sie schaut ihn an, wortlos, gefangen. Für ein paar lange Augenblicke hängt dieses seltsame Prickeln zwischen ihnen in der Luft. Da plötzlich sinken ihre Mundwinkel und ihr Gesicht wird ernst. Zwei Herzschläge hält das an und dann plötzlich schlingt sie ihre Arme um ihn und presst ihre Lippen auf die Seinen. In Sesshomarus Kopf explodieren unzählige Feuerwerke. Völlig überrumpelt lässt er es geschehen, noch immer unfähig sich zu rühren. Er spürt die weiche Haut ihrer Lippen, und darunter die nadelspitzen Reißzähne. Ihr Duft hüllt ihn ein und raubt ihm den Atem. Ja, er schmeckt ihn sogar nun in seinem Mund. Diese exquisite Witterung wirft seinen Herzschlag völlig aus der Bahn und bringt ihn zum Stolpern. Zur gleichen Zeit fühlt er sich, als würde sein Körper von Wogen aus Adrenalin überspült. Es schmerzt, es erfüllt ihn mit Freude, es setzt ihn außer Gefecht! All das auf einmal. Wie soll er das bloß ertragen? Es wäre so einfach, sich fallen zu lassen, so einfach! Alles was er tun muss, ist, seinen verzweifelten Widerstand aufzugeben und diesen leidenschaftlichen Kuss zu erwidern. Er möchte es. Er möchte es mehr als alles andere! Alles in ihm schreit nach ihr und er versteht es nicht. Nie zuvor hat er sich so hilflos und ausgeliefert gefühlt. Unwillkürlich kriecht ihm einen schreckliche Angst den Rücken hoch. Was tut er hier bloß? Wie kann er das bloß in Erwägung ziehen? Mit aller Selbstkontrolle, die er noch aufzubringen vermag, stößt er sie so heftig von sich, dass sie zu Boden geschleudert wird. Er keucht auf und dreht sich weg. Alles in seinem Kopf wirbelt durcheinander und er kann keinen klaren Gedanken fassen. „Mach das... nicht noch einmal!“, presst er mühsam um seine Fassung ringend hervor. Verstört blickt sie zu Boden. „Es... tut mir leid! Verzeih mir! Es ist... einfach so über mich gekommen.“ „Du duzt mich ja schon wieder“, noch immer hat er ihr den Rücken zugewandt doch seine Stimme klingt seltsam schwach. Sie schaut auf. „Ich befolge nur deine Anweisungen, du sagtest schließlich, das wäre jetzt auch nicht mehr wichtig.“ Sie kann sehen, wie er einmal tief ein und ausatmet. Dann dreht er sich zu ihr um. „Was denkst du dir dabei?“, empört blickt er sie an, „Du spielst nach Belieben mit den Gefühlen anderer und dabei ist dir offenbar kein Mittel zu schmutzig. Du... bringst mich ganz durcheinander. Hör auf damit!“ Es klingt fast verzweifelt. Langsam erhebt sie sich. Ein wenig betrübt blickt sie zu Boden. „Ich... kann verstehen, dass du wütend bist“, sagt sie leise, „Doch ich versichere dir, es liegt nicht in meiner Absicht, dich zu kränken, oder zu verwirren. Es ist nur... ich kann es nicht ändern!“ Verständnislos schaut er sie an: „Was soll das heißen?“ „Ganz einfach!“, erklärt sie schlicht, „Mein Geruch macht Männer verrückt, ich kann es nicht verhindern. Das war schon immer so.“ „Und so nutzt du das aus?“, kommt die missbilligende Frage. „Nein, das ist...“, sie bricht ab. Schweigsam mustert Sesshomaru sie. Sein Blick spiegelt Traurigkeit wieder. „Wenn das alles ist, was du dazu zu sagen hast, dann sollten wir weitergehen!“ Langsam dreht er sich herum und setzt sich in Bewegung. Irgendwie fühlt er sich um Jahre gealtert. Nur beiläufig nimmt er wahr, dass sie ihm folgt. Irgendwo in seinem Inneren breitet sich ein tiefes, schwarzes Loch aus. Auch wenn er nun eine Erklärung für seine Reaktion auf sie hat, stellt ihn das in keinster Weise zufrieden, im Gegenteil! Grenzenloses Bedauern überschwemmt ihn. Mehr ist es nicht? Nur ein paar Lockstoffe in der Luft? Eine natürliche Veranlagung? Nun wo er es weiß, sollte es nicht schwer sein, dagegen anzukämpfen. Techniken anderer Youkais haben ihn noch nie endgültig in Verlegenheit gebracht. Mit der Zeit wird diese Fähigkeit keinen Effekt mehr auf ihn haben, da ist er sich sicher. Warum tut ihm diese Tatsache dann so furchtbar weh? Warum nur wünscht er sich so sehnlich, es möge anhalten? Ist denn da vielleicht doch... mehr? Vor seinem inneren Auge steht sie vor ihm in ihrer ganzen Pracht. Einmal mehr erinnert er sich an die Begegnung am See. Ihr makelloser Körper vor der untergehenden Sonne, die kraftvollen und doch so geschmeidigen Bewegungen. Ihre feingliedrigen Finger die die Flügel eines Schmetterlings streicheln könnten, ohne dass er es merkt und eine Sekunde später spielend einem Youkai das Herz aus dem Leib reißen. Ihre duftenden, schwarzen Haare die so geheimnisvoll unter dem Mond schimmern wenn sein Licht darauf fällt. Und ihr Lächeln, dass die Sonne heraufbeschwört und ihn alles andere um ihn her vergessen lässt. Innerlich seufzt Sesshomaru aus vollem Herzen. Es hat keinen Sinn, sich länger etwas vorzumachen. Da ist eindeutig mehr! Wie, um alles in der Welt, konnte es bloß passieren, dass er sich so bedingungslos und unsterblich in sie verliebt hat? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)