Die Blutfehde der Youkaifürsten von Weissquell ================================================================================ Kapitel 34: Kossoridoku ----------------------- „Wer ist das denn?“, Shippos irritierter Ausruf klingt durch den kleinen Raum. Gerade noch haben er und seine Freunde mit wachsamem Interesse auf die Tür geschaut, in der Hoffnung, dass es einer der Streuner ist, der sich dort über den holzvertäfelten Boden nähert, doch als die Tür aufging, war es keiner der drei grauhaarigen Ostyoukais, sondern ein völlig fremder Youkai in einem eleganten Kimono, an dessen linker Seite sich ein dunkelroter Fleck abzeichnet, mit langen, blaustichig weiße Haaren, und leicht verwirrt dreinblickenden, goldenen Augen. „Das ist jedenfalls nicht Sesshomaru!“, stellt der kleine Kitsune fest. „Und Inu Yasha auch nicht“, bemerkt Miroku überflüssigerweise. Verblüfft starren sie in das jugendliche Antlitz des Fremden mit den waagerechten, roten Wangenstreifen. „Wer bist du und was willst du hier?“, fragt nun Sango. Der fremde Youkai steht noch immer etwas unschlüssig in der Tür. Schließlich fragt er zögernd: „Ihr kennt Inu Yasha-ouji?“ „Du bist ein Inuyoukai vom Westclan, nicht wahr?“, fragt Shippo jetzt ungeniert. Der Angesprochene nickt leicht, dabei behält er die sonderbare Gruppe aufmerksam im Auge. „Was willst du denn von Inu Yasha?“, fragt nun Kagome. Nun endlich scheint sich die Starre des Fremden etwas zu lösen. „Verzeiht meine Unhöflichkeit!“, sagt er, „Ich bin etwas überrascht euch statt Tenmaru hier anzutreffen.“ „Ach, du kennst Tenmaru?“, fragt Kagome erstaunt, „Kann es sein, dass du auch ein Streuner bist?“ Er nickt. „Mein Name ist Kossoridoku. Yaeba schickte mich hierher, um Tenmaru zu treffen. Der pure Zufall hat mich hier in diesen Palast geführt und Tenmaru sollte mir die Sachlage erklären, solange Yaeba versucht, Raiuko zurückzuholen.“ „Zurückzuholen?“, fragt Miroku, „Er ist weg? Hat er irgendwas angestellt?“ Nun betritt Kossoridoku das Quartier und schließt die Tür hinter sich. Abschätzend mustert er die Gruppe. Dann meint er: „Ihr scheint ziemlich gut über uns Bescheid zu wissen. Woher?“ „Wir reisen zusammen mit Inu Yasha“, erklärt Miroku, „Auf die Streuner sind wir unterwegs gestoßen. Und jetzt reisen wir gemeinsam.“ Kossoridokus Augen werden schmal. „Gemeinsam? Wie kommt das?“ "Das ist eine lange Geschichte“, meint Kagome. „Hmm“, meint der Westyoukai, „Wenn Tenmaru nicht hier ist, kann ich sie sicher auch von euch erfahren.“ Mit geschmeidigen Bewegungen hockt er sich zwischen sie und blickt dann Kagome mit aufmerksamen, goldenen Augen an. Ein wenig irritiert ist sie schon, diese Augen vor sich zu sehen, ohne, dass eine ihr bekannte Person zu ihnen gehört. Doch scheinbar hat der Westyoukai aufrichtiges Interesse an den Sachverhalten. Ist er tatsächlich auch ein Streuner? Und wenn nicht, was hat er dann hier im Schloss verloren? Immerhin kennt er die anderen drei Streuner und woher sollte er sie kennen, wenn er nicht selbst einer ist. Zu gerne möchte sie wissen, was er sich zu Schulden kommen lassen hat. Von den anderen kennt sie in etwa die Vorgeschichte, doch dieser Westyoukai ist noch ein Buch mit sieben Siegeln. Nun ja, sie wird einmal über die vergangenen Ereignisse berichten und dabei auf seine Reaktion achten. „Tja, also das Ganze begann vor etwa zehn Tagen“, erzählt Kagome. Mit knappen Worten schildert sie ihr Treffen mit Tenmaru, das Aufeinandertreffen mit den beiden Ostyoukais, Sessomarus Befehl an Inu Yasha, ihm zu folgen und die Umstände, die Tenmaru in Inu Yashas Dienst verschlagen hat. Sie berichtet von ihrem Treffen mit Yaeba und Raiuko und ihrer Ankunft im Schloss. Schließlich endet sie mit den Worten: „Und nun müssen wir nur noch die Entscheidung, des hohen Rates abwarten. Im Augenblick seid ihr noch sicher, weil Inu Yasha für euch gebürgt hat, aber wer weiß, was passiert, wenn Sesshomaru ihn doch noch für schuldig erklärt. Ich fürchte uns bleibt nicht viel mehr übrig, als abzuwarten und uns so gut wie möglich zu benehmen.“ Schweigend hat der Westyoukai zugehört. Dann sagt er: „Das sind wirklich interessante und ungewöhnliche Neuigkeiten. Mir scheint, ich habe einiges verpasst. Aber was mir zu denken gibt, ist etwas was du gerade sagtest. Nämlich, dass Inu Yasha-ouji für uns gebürgt hat. Das könnte ein Problem werden.“ „Mach dir mal keine Sorgen!“, meint Kagome, „Inu Yasha weiß schon was er tut. Yaeba hat ihn darum gebeten und er wird zu seinem Wort stehen.“ Leicht schüttelt Kossoridoku den Kopf: „Das meine ich nicht. Inu Yasha-oujis Ansichten mögen ehrenhaft und lauter sein, doch gerade in diesem Moment befindet sich Raiuko auf der Suche nach den Nordyoukais, die seinen Bruder getötet haben. Inu Yasha-ouji hat für ihn gebürgt. Wenn Raiuko auch nur eine Hand an einen Nordyoukai legt, wird das als kriegerischer, aggressiver Akt gedeutet, für den Inu Yasha-ouji die Verantwortung tragen muss. Er gab sein Wort, dass die Streuner, die sich in seinem Dienst befinden, sich friedlich verhalten würden. Wenn sie nun einen Kampf vom Zaun brechen, wird Sesshomaru-sama, das nicht mehr tolerieren können und wäre gezwungen, zu handeln und Inu Yasha-ouji schuldig zu sprechen.“ Fassungslos starren die anderen ihn an. „Ist das dein Ernst?“, fragt Kagome schockiert. „Es klingt plausibel“, meint auch Miroku, „Vielleicht bleibt nun Sesshomaru keine andere Wahl mehr, als ihn zu verurteilen.“ „Aber das müssen wir doch irgendwie verhindern können!“, meint Kagome besorgt. „Yaeba folgt ihm bereits“, bemerkt Kossoridoku, „Ich hoffe allerdings, dass er ihn findet, ohne in Kämpfe verwickelt zu werden. Auch das könnte als kriegerischer Akt ausgelegt werden.“ „Wir müssen Inu Yasha warnen!“, kräht Shippo beunruhigt, „Er muss doch wenigstens Bescheid wissen.“ „Vielleicht keine schlechte Idee“, meint Kossoridoku, „Inu Yasha-ouji hat noch bis zur Verurteilung den Rang eines Fürsten inne. Wahrscheinlich ist er der Einzige, der die beiden zurückholen kann, ohne dass es zu einem Zwischenfall kommt.“ „Was sitzen wir dann noch hier rum?“, ruft Shippo, „Wir müssen zu Inu Yasha!“ Kagome und die anderen springen auf. Sango schnappt sich ihre Waffen. „Wenn Inu Yasha die beiden zurückholen muss, dann werden wir ihm helfen. Ich habe ohnehin genug vom Rumsitzen hier! Den ganzen Tag, konnten wir noch nichts Produktives machen. Aber jetzt werden wir auch mal unseren Beitrag leisten!“ „Du hast recht, Sango!“, bestätigt Miroku, „Wenn wir die Möglichkeit haben, müssen wir ihn unterstützen und die bietet sich jetzt hier.“ Fest entschlossen verlässt die kleine Gruppe das Quartier. Zögerlich schließt sich Kossoridoku ihnen an. Da die kleine Rin bereits erschöpft eingeschlafen ist, haben sie beschlossen, sie lieber schlafen zu lassen. Diesmal finden sie Sesshomarus Quartier ohne größere Probleme. Ein wenig unwohl ist Kagome doch zumute. Was ist, wenn Sesshomaru ebenfalls dort ist? Sollen sie Inu Yasha wirklich direkt vor dem Fürsten des Westens über die Sachlage informieren. Oh, hoffentlich ist er nicht da! Unterwegs begegnen ihnen einige Bedienstete, die sie nur mit unsicheren und missgünstigen Blicken ansehen, sie aber nicht aufhalten. Schließlich stehen sie vor der Tür zu Sesshomarus Quartier. Mit klopfendem Herzen öffnet Kagome die Tür. Dort unter dem Fenster lehnt mit verschränkten Armen Inu Yasha und nun beim Eintreffen seiner Freunde hebt er irritiert den Blick. Erleichtert stellt Kagome fest, dass er alleine ist. „Inu Yasha!“, ruft sie und läuft zu ihm. „Kagome?“, kommt es verblüfft von ihm, „Was habt ihr denn hier alle verloren? Sag nicht, du hast dir schon wieder Sorgen um mich gemacht. Dabei habe ich Myoga extra gesagt, dass...“ „Halt den Mund und hört zu!“, meint Kagome ernst. Inu Yasha zögert zunächst, doch dann erhebt er sich. „Was ist jetzt wieder so wichtig, dass du doch wieder hergekommen bist?“ „Es gibt ein Problem!“, erklärt Sango an Kagomes statt, „Raiuko ist zu den Nordyoukais draußen gegangen, um seinen Bruder zu rächen und Yaeba verfolgt ihn.“ „Und das Problem dabei ist?“, fragt Inu Yasha mit verschränkten Armen. „Das Problem ist, dass Ihr für sie gebürgt habt“, sagt nun Kossoridoku. Kritisch mustert Inu Yasha den Westyoukai. „Wer bist du eigentlich?“ Unverzüglich sinkt nun Kossoridoku vor Inu Yasha auf die Knie. Der Hanyou verzieht das Gesicht. „Hört doch verdammt noch mal auf, euch ständig vor mir zu verbeugen! Das ist ja nicht zum aushalten! Also schön, noch mal! Wer bist du?“ Kossoridoku kommt langsam wieder hoch. „Mein Name ist Kossoridoku. Ich gehöre zu Yaebas Rudel.“ „Ach, noch ein Streuner!“, hebt Inu Yasha die Brauen, „Du stammst aus dem Westen, nicht wahr?“ Kossoridoku nickt. „Und wo kommst du nun wieder so plötzlich her?“, fragt der Hanyou. „Das erzählen wir dir später, Inu Yasha!“, meint Sango hastig, „Erstmal müssen wir Raiuko und Yaeba zurückholen!“ „Und warum das?“ „Du hast für sie gebürgt“, versucht Miroku zu erklären, „Wenn sie die Nordyoukais angreifen, giltst du als wortbrüchig und Sesshomaru muss dich doch noch verurteilen!“ „Was?“, ungläubig reißt Inu Yasha die Augen auf, „Davon hat mir keiner was gesagt! Das hätte Yaeba vielleicht mal erwähnen sollen! Und nun?“ „Ihr solltet sie zurückholen, noch bevor es zu einem Zwischenfall kommt“, meint Kossoridoku. „Und warum gerade ich?“, fragt Inu Yasha ärgerlich. „Weil es erstens Eure Aufgabe ist, da Ihr für sie gebürgt und damit die Verantwortung für sie übernommen habt und zum anderen weil nur Ihr im Moment einen Rang besitzt, der es Euch erlaubt, Euch unbehelligt zwischen den Nordyoukais zu bewegen.“ „Na prima!“, brummt Inu Yasha, „Diese Streuner machen wirklich nur Schwierigkeiten!“ „Was ist nun?“, fragt Sango, „Willst du sie nun zurückholen, oder nicht? Wir kommen auch mit, du wirst jede Unterstützung benötigen, die du kriegen kannst!“ Inu Yasha senkt den Kopf: „Ich... kann nicht!“ „Was? Was soll das heißen?“, meint Sango empört. Er schaut auf und blickt die Dämonenjägerin direkt an: „Ich habe versprochen, in diesem Quartier zu bleiben!“ „Das ist nicht dein Ernst, oder?“, meint Sango ungläubig, „Was für eine Ausrede soll das denn sein?“ Inu Yasha ballt die Fäuste: „Ich habe es Sesshomaru versprochen! Einmal im Leben ist er auf meiner Seite und offenbar weiß er ganz gut was er tut. Ich kann nur ahnen, welche Überwindung es ihn gekostet hat, gemeinsame Sache mit mir zu machen. Aber im Moment versucht er, einen Krieg zu vermeiden und dafür benötigt er zum ersten Mal meine Hilfe. Ich möchte nicht gezwungen sein, sein schwaches Vertrauen in mich zu missbrauchen, indem ich plötzlich als wortbrüchig dastehe!“ Sango nickt langsam: „Ja, du hast recht! Ich war auch überrascht, dass er dich in Schutz genommen hat. Wenn du ihn jetzt enttäuschst, wird er dir das wahrscheinlich niemals verzeihen!“ Auch die anderen blicken etwas ratlos drein. „Ich zerstöre eure Illusionen zwar nur ungern“, meldet sich nun Kossoridoku zu Wort, „aber ihr redet, als würde sich schon alles zum Guten wenden, als gäbe es eine Zeit nach dieser Verhandlung! Wenn es darum geht, einen Krieg zu verhindern, ist Nichtstun wahrscheinlich genau so falsch. Wenn Raiuko auch nur einen der Nordyoukais tötet, wird es egal sein, ob sich Inu Yasha-ouji in seinem Quartier befindet oder nicht. Da er für sie gebürgt hat, ist er für sie verantwortlich und wenn er nicht versucht, sie aufzuhalten ist das ein Versäumnis, das Sesshomaru nicht ignorieren kann!“ „Meinst du?“, fragt Kagome besorgt. „Ich meine, dass der Vorsprung, den die beiden haben mit jeder Sekunde, die verstreicht, größer wird“, stellt Kossoridoku fest. Inu Yasha beißt die Zähne aufeinander. „Verdammt! Diese blöden Kerle! Ich schätze, es hilft wohl nichts! Ich werde sie suchen gehen. Und wenn ich sie gefunden habe, dann bekommen die von mir ne Abreibung verpasst, die sich gewaschen hat!“ Er blickt zu seinen Freunden: „Ihr bleibt besser hier! Das regele ich schon alleine!“ „ Kommt nicht in Frage!“, meint Sango ernst, „Draußen wimmelt es nur so von Nordyoukais. Ich werde hier nicht tatenlos rumsitzen, während du dich mit einer ganzen Armee anlegst! Da würde ich meiner Familie ja Schande machen!“ „Sieh es ein, Inu Yasha!“, meint nun auch Miroku, „Wir sind deine Freunde und wir kämpfen gemeinsam!“ Auch Kagome schaut ihren Freund unverwandt an: „Ich lasse nicht zu, dass sie dir noch mal wehtun!“, sie greift ihren Bogen fester, „Die werden mich kennen lernen!“ Doch Inu Yasha legt seine Hand auf ihren Arm: „Das hier sind Youkaikrieger und keine Energiefesseln. Was willst du gegen die ausrichten?“ Trotzig blickt sie ihn an: „Das wirst du schon sehen!“ „Blödsinn, du bleibst hier!“, bestimmt Inu Yasha fest. „Ich bleibe auch hier!“, sagt Kossoridoku nun, „Ich wäre da draußen keine Hilfe. Schließlich bin auch ich ein Streuner und im Moment kann ich nicht so kämpfen, wie ich möchte. Außerdem kenne ich Sesshomaru-sama. Ich denke, ich weiß wie ich seinem Zorn entgehen kann, wenn er entdeckt, dass Ihr fort seid, Inu Yasha-ouji.“ Inu Yasha beißt die Kiefer aufeinander: „Stimmt, er wird bestimmt sauer wenn er es merkt. Ich glaube, du bleibst doch besser bei mir, Kagome. Diesmal werde ich dich beschützen! Myoga kann ihn über die Sachlage aufklären. Da fällt mir ein, wo steckt der überhaupt? Bestimmt, hat er wieder heimlich die Flucht ergriffen.“ „Macht Euch keine Sorgen, ich werde es Sesshomaru-sama erklären!“, bietet Kossoridoku an. „Pass bloß auf!“, warnt Sango, „Sesshomaru ist nicht besonders gut auf Streuner zu sprechen.“ Der Westyoukai lächelt schwach: „Ich passe schon auf mich auf. Aber ihr solltet besser zusehen, dass ihr loskommt! Vielleicht haben die beiden sich schon mit den Nordyoukais angelegt.“ „Er hat recht, wir haben keine Zeit zu verlieren!“, meint Miroku und ohne weitere Diskussionen verlässt die kleine Gruppe das Quartier. Schweigend blickt Kossoridoku ihnen hinterher, doch dann begibt er sich in die Mitte des Raumes und sinkt hinunter in den Kniesitz, bereit, Sesshomaru zu begegnen. Tief in Gedanken versunken nähert sich Sesshomaru seinem Quartier. Bis zu dem traditionellen Abendessen dürfte es nicht mehr lang hin sein. Hunger verspürt er im Moment allerdings nicht, auch wenn er den ganzen Tag noch nichts hatte. Das alles macht einfach keinen Sinn! Er hatte angenommen, die Motive dieses Streuners klar einschätzen zu können und nun hat er sich die Befreiung aus seinem Schwur erbeten. Wie passt das alles zusammen? Hat er eingesehen, dass es vergeblich ist und wendet sich nun anderen Zielen zu? Doch was kann er damit bezwecken? Sonderbar, er hatte ihm schon fast seine Loyalität abgekauft. Doch vermutlich ist er, genau wie seine Mutter damals, ein guter Schauspieler. Sie wird ihn gut vorbereitet haben. Fast hatte man den Eindruck, dass es ihm tatsächlich leid tat, dass er nun nicht mehr der Fürstenfamilie des Westens zur Treue verpflichtet war. Der Geruch von Angst und Trauer war fast schon zu überzeugend. Ein wirklich begnadeter Schauspieler! Zugegeben, hätte er das Ganze tatsächlich ernst gemeint, dann wäre das wirklich sehr beeindruckend gewesen. Nie hätte er gedacht, dass der Streuner das tun würde. Und wofür? Zum Wohl des Reiches? Damit kein Krieg beginnt? Für... Ihn? Sesshomaru beißt die Kiefer aufeinander. Das ist Unsinn! Es muss eine Täuschung sein! Es kann gar nichts anderes sein! Das würde gegen alles sprechen, was er glaubt! Nein, im Grunde will dieser Streuner sich doch nur bei ihm einschmeicheln. Das versucht er doch schon die ganze Zeit! Warum, zum Teufel, will er sich dann jetzt in den Dienst der Nordfürstin begeben? Sesshomaru ballt die Faust. Der dumme, kleine Köter! Yarinuyuki wird ihn zu Grunde richten. Dieser Witterung entgeht niemand! Er weiß wovon er spricht. Sie wird ihn zerstören mit ihrer Leidenschaft, daran besteht kein Zweifel. Wahrscheinlich geschieht es ihm ganz recht so! Warum bereitet ihm dieser Gedanke dann Unbehagen? Warum ist dann da dieser eiserne Knoten in seinem Magen wieder? Das ist doch völlig irrational! Sesshomaru schüttelt sich. Das fehlte wirklich noch, das er jetzt auf einmal Gewissensbisse bekommt. Doch nicht wegen einem Streuner! Nicht wegen ihm! Der Junge muss irgendwas anderes im Schilde führen, wenn er nur wüsste was! Urplötzlich werden seine Gedankengänge unterbrochen und er hebt verärgert den Kopf. Irgendetwas stimmt hier nicht! Dort vorne liegt sein Quartier. Doch die Witterung seines Bruders dringt nicht von da zu ihm. Inu Yasha ist fort! Doch dafür nimmt er eine ganz andere Witterung wahr und unwillkürlich fletscht er die Zähne. Das gibt es doch nicht! Er ist es! Er ist hier! Mit zwei Schritten ist Sesshomaru vor der Tür und reißt sie auf. Sofort geht sein hasserfüllter Blick hinüber zu dem schlanken Westyoukai, der mit gesenktem Kopf in der Mitte des Raumes sitzt und sich nicht rührt. „Kossoridoku!“, grollt Sesshomaru mit einem wütenden Knurren in der Stimme. Nun blickt der Westyoukai auf. „Ich grüße Euch, Sesshomaru-sama!“, sagt er. Dann verbeugt er sich. Sesshomaru atmet heftig ein und aus und man sieht, dass er schwer um seine Fassung ringt. Gleich mehrere Fragen schießen ihm durch den Kopf. Schließlich fragt er wütend: „Warum bist du hier und nicht mein Bruder?“ Kossoridoku setzt sich wieder aufrecht hin. „Ich floh vor den Nordyoukais und landete hier. Als er aufbrach, bot ich mich an, hier auf Euch zu warten.“ „Er ist aufgebrochen?“, fragt Sesshomaru gefährlich, „Wohin?“ „Er hat mit seinen Freunden und den anderen Streunern das Schloss verlassen. Er wollte zu den Nordyoukais.“ „Was?“, zischt Sesshomaru aufgebracht, „Was wollte er da?“ Kossoridoku weicht seinem Blick nicht aus: „Offenbar... haben einige meiner Gefährten den Wunsch verspürt, an den Nordyoukais Rache, für den Tod unserer Kameraden, zu üben. Ich schätze, er wollte dafür sorgen, dass sie dabei nicht getötet werden.“ Nun tritt Sesshomaru dicht an den Youkai heran: „Du lügst! So dumm kann er einfach nicht sein!“ „Welchen Grund hätte ich, Euch anzulügen?“, fragt Kossoridoku. Sesshomarus Gesicht wird finster: „Welchen Grund hattest du, meinen Vater zu verraten?“ Nun senkt der Westyoukai beschämt den Kopf: „Ich bedaure zutiefst, was damals vorgefallen ist, mein Fürst! Ich tat nur, was ich für richtig hielt!“ „Was du für richtig hieltst?“, grollt Sesshomaru bitter, „Mein Vater hat dir vertraut und doch hast du ihn verraten! Die Hintergründe spielen keine Rolle! Du hattest kein Recht dazu, meiner Mutter zu erzählen, was du über ihn und diese Menschenfrau weißt! „Du verdankst es nur den Schuldgefühlen meines Vaters, dass du noch lebst! Wenn ich damals etwas zu sagen gehabt hätte, wärst du nicht einmal bis zur Grenze des Reiches gekommen, nachdem zu fortgelaufen bist! Ich hätte dafür gesorgt, dass unsere Soldaten dich noch am selben Tag zur Strecke bringen! Aber er wollte deinen Vater nicht noch mehr beschämen! Du hast ihm auch so schon genug Schande bereitet!“ „Haltet meinen Vater da raus!“, grollt Kossoridoku nun. Seine Miene ist nicht länger teilnahmslos sondern offen verärgert. Schmal und mit eisiger Miene schaut Sesshomaru auf ihn herunter: „Soll das eine Anweisung sein? Darüber sind wir längst hinaus! Ich werde jetzt gehen und meinen Bruder zurückholen und nachdem ich ihn für seine Dummheit und seine Gehorsamsverweigerung bestraft habe, komme ich zurück und dann, rechnen wir beide ab!“ Mit diesen Worten dreht sich der Westfürst um und mit tödlich entschlossenem Blick verlässt er das Zimmer. Rasch entfernen sich die leichten Schritte auf dem Flur. Langsam kommt wieder Bewegung in den Westyoukai und er erhebt sich. Er atmet einmal tief durch und dann schüttelt er leicht den Kopf. Ein dünnes Lächeln stiehlt sich auf sein Gesicht. „Das war fast schon zu leicht!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)