You And Me von abgemeldet (Ruf doch mal an) ================================================================================ Kapitel 1: The Picture ---------------------- Autor: Ju-chan Teile: 1/11 abgeschlossen: ja Bemerkung: Okay, hier der Anfang einer Story, die ich vor einer Ewigkeit begonnen habe. Da mir ein Computer-Crash dann die Hälfte des bis dahin entstandenen Textes gefressen hatte, ist die Story leider liegen geblieben... bis gestern ;) Ein Dank geht an die Wise Guys, die zwar nix von ihrem Glück wissen, aber mit ihren Liedern "Sonnencremeküsse" (ursprünglich der Arbeitstitel der Story) und "Ruf doch mal an" eine riesige Inspiration waren und an Ki-Lin, die mir eines ihrer toller Bilder als Charakterbild geliehen hat! Danke! Für Kommentare bin ich immer offen! Viel Spaß! The Picture Mit raschen Schritten eilte ich die fünf Treppen zu meiner Wohnung hoch – das waren insgesamt sechzig Stufen, die ich fast schon automatisch mitzählte. Oben angekommen rammte ich den Schlüssel in das Schloss und öffnete die Tür, um in meine eigenen vier Wände zu schlüpfen. Geräuschvoll schmiss ich die Tür hinter mir zu und bemühte mich zu Atem zu kommen. Ich lief nun schon über fünf Jahre Tag für Tag diese Treppen rauf und runter, doch trotzdem keuchte ich jedes Mal wie nach einem Marathonlauf. Erleichtert zu Hause zu sein, kickte ich die Schuhe in eine Ecke des Raumes und ließ meinen Schlüsselbund auf das kleine Schränkchen im Flur fallen – das, wie mir flüchtig auffiel, mal wieder aufgeräumt werden wollte. Kurz blickte ich in den Spiegel darüber und zupfte einige Strähnen meiner kurzen braunen Haare zurecht. Meine braunen Augen prüften mein Erscheinungsbild und wieder einmal fielen mir die dunklen Schatten unter meinen Augen auf, aber das sollte bald ein Ende haben. Mein Name ist Felix und ich bin 25 Jahre alt. Ich studiere Wirtschaftsmathematik im letzten Semester und habe gerade meine vorletzte Abschlussprüfung hinter mich gebracht – jubelnd machte ich ein weiteres Häkchen auf meine imaginiäre Geschafft-Liste. Müde aber zufrieden mit mir selbst, zog es mich schon fast automatisch in mein Schlafzimmer, wo ich ziemlich platt auf mein Bett sank und seufzend dem Bedürfnis nachgab, die Augen zu schließen – nur für einen klitzekleinen Moment, wie ich mir sagte. Mein Leben bestand zurzeit nur aus lernen, schlafen und Kaffee trinken, alles andere ging so mehr oder weniger unter. Da ich im Moment nur von einer Prüfung zur nächsten Prüfung lebte, hatte ich noch nicht einmal Zeit gehabt ernsthaft zu überlegen, was ich nach dem Studium machen würde. Das stand also noch weitestgehend in den Sternen, aber ich wusste genau, ich wollte mir erstmal etwas Ruhe gönnen. Irgendwie würde sich später schon irgendetwas ergeben - das war das Motto, dass ich zurzeit hinsichtlich meiner Zukunft vertrat. Mit einem weiteren Seufzen öffnete ich die Augen wieder und setzte mich auf. „Na los, Felix! Einen starken Kaffee und dann die Vorbereitungen für die letzten Prüfungen!“, spornte ich mich selber an, denn wenn ich es nicht jetzt tat, dann tat ich es heute gar nicht mehr. Enthusiastischer als ich mich fühlte sprang ich vom Bett, um in meine kleine Mini-Küche zu traben. Meine besten Freunde, der Wasserkocher und die Kaffeedosen, schienen mich schon erwartet zu haben. Mit traumwandlerischer Sicherheit angelte ich nach einer großen Tasse, gab den Kaffee hinein und setzte Wasser auf. Während ein leises Zischen und Brodeln mir signalisierte, dass das Wasser dabei war sich zu erhitzen, beschloss ich aus dem Wohnzimmer noch ein Buch zu holen, um mich dann in der Küche und somit in sicherer Nähe zur „Kaffeequelle“ meinen Studien hinzugeben. Ich vermutete das gesuchte Werk in meinem Rucksack, doch ich wurde enttäuscht. Etwas ratlos sah ich mich im Raum um, bis mein Blick auf eine Schublade fiel, in der es eventuell auch sein konnte. Doch in dieser Schublade konnte vermutlich alles sein. Sie war voll mit Papierkrams und Kleinzeug, das ich irgendwann mal irgendwie hatte loswerden wollen und „zur sicheren Aufbewahrung“ dort hineingetan hatte. Ich trat zu ihr herüber und zog sie vorsichtig auf - ein Meer aus Zetteln und anderen Dingen quoll mir entgegen. Mit einem leisen Fluch begann ich in ihr zu wühlen, doch die ersten paar Zentimeter Tiefe brachten nichts Brauchbares zu Tage. Grummelnd zog ich die Lade ganz heraus, ließ mich zu Boden gleiten und kippte sie vor mir auf den Teppich. Verblüfft fragte ich mich, wie dieser Berg an Unterlagen jemals in sie hinein gepasst hatte. Ziellos durchwühlte ich die Papierschichten. Alte Rechnungen, die ich - hoffentlich - schon überwiesen hatte, Teilnahmebescheinigungen, die eigentlich in einem extra Ordner sein sollten - der vermutlich leer war -, alte Notiz- und Einkaufszettel, Broschüren, die ich, wie mir einfiel, Mia - einer aus meinem Jahrgang - mal hatte mitbringen sollen, ein altes Foto, Ausdrucke aus dem Internet, die ich für ein wichtiges Referat gebraucht hatte - und seit dem nie wieder -, doch immer noch kein Buch. Verwirrt glitt mein Blick ein weiteres Mal über den Haufen, der vor mir lag, und ich stockte... Mein Herz begann mit einem Mal laut zu pochen und als ich meine Hand nach dem Stück Papier ausstreckte, das meine Aufmerksamkeit erregt hatte, fiel mir auf, dass sie leicht zitterte. Vorsichtig zog ich das alte Foto, das ich bei meiner Suche einfach achtlos beiseite gelegt hatte, hervor - und ich konnte nichts dagegen tun, dass sich ein leises Lächeln auf meine Lippen schlich. Ich blickte in die schönsten blauen Augen, die ich in meinem ganzen Leben gesehen hatte und das umwerfenste Lächeln, das es gab. Beides gehörte einem gut aussehenden Jungen, der mit freiem Oberkörper und nur mit bunten Badeshorts bekleidet in einem Straßencafé saß und frech in die Kamera lächelte. Seine Augen leuchteten ebenso hell wie der Sonnenschein, der ihn umgab. Ein sanftes Kribbeln durchzog meinen Bauch. „Basti...“, hauchte ich leise. Der Klang dieses Namens in meinen Ohren ließ mich irgendwie traurig werden. Basti, eigentlich Sebastian, war mein bester Freund gewesen. Wir kannten uns, so lange ich denken konnte und es gab nichts, was wir ohne den anderen getan hatten. Aber irgendwie... hatte sich diese Freundschaft verlaufen. Einfach so. Eine leise Stimme in meinem Kopf zischte mir zu, das ich daran ein gutes Stück Schuld war, doch ich befahl ihr zu schweigen... Dass Basti und ich uns zum letzten Mal gesehen hatten, war schon eine Ewigkeit her. Ich rechnete kurz und kam auf sieben Jahre. Wieder betrachtete ich das Foto. Es stammte aus unserem letzten gemeinsamen Urlaub. Wir waren beide 18 Jahre alt gewesen und hatten unser Abi gerade hinter uns gehabt. Ich glaube, es war der Sommer meines Lebens gewesen... damals, gemeinsam mit Basti... Kapitel 2: Summer ----------------- Autor: Ju-chan Teile: 2/11 abgeschlossen: ja Für Kommentare bin ich immer offen! Summer « Flashback » Sommer, vor sieben Jahren. Mein Blick hing interessiert an dem Prospekt, den ich vor mir liegen hatte. Spanien. Sommer, Sonne, Sonnenschein, Strand und Meer. Das war genau das, wonach ich mich nach der stressigen Abizeit sehnte. Die Schule war geschafft und bevor ich begann hier in Hamburg zu studieren - eingeschrieben war ich schon - , wollte ich noch meinen freien Sommer genießen. Was eignete sich besser dazu, als ein Urlaub in einem warmen Land am Meer?! Okay, vielleicht kostete es etwas Geld, doch das war mir mein Erspartes locker wert. Denn immerhin... Das Geräusch der Haustürklingel riss mich aus meinen Gedanken. Grummelnd erhob ich mich, denn meine Eltern waren ausgeflogen und so musste wohl notgedrungen ich die Tür öffnen. Schwungvoll polterte ich die Treppe ins Erdgeschoss hinunter und kam schlitternd vor der Haustür zum Stehen. Etwas genervt dreinblickend riss ich diese auf... und stutzte. Ich sah direkt in die blauen Augen von meinem besten Freund Basti. „Hi!“, stieß ich überrascht hervor. „Was gibt’s?“ Ich war etwas verwirrt, denn mit Basti hatte ich heute nicht mehr gerechnet. So stand ich auch etwas bedöppelt in der Tür als Sebastian sich an mir vorbei zwängte, seine Schuhe in die dafür vorgesehene Ecke trat und sich wortlos auf den Weg hoch in mein Zimmer machte. Irritiert sah ich ihm hinter her. Es dauerte einen Augenblick bis ich es schaffte, die Tür zu schließen, Bastis Schuhe ordentlich hinzustellen - meine Mutter bekam sonst wieder einen Anfall - und ihm zu folgen. Als ich mein Zimmer betrat, hatte Basti es sich schon auf meinem Bett gemütlich gemacht und starrte wortlos an die Decke. Ich blieb schmunzelnd in der Tür stehen und beobachtete meinen besten Freund, wie er da so selbstverständlich lag. Basti war hier quasi zu Hause. Ich glaube, es gab Zeiten, da waren meine Eltern überraschter mich hier zu sehen als ihn. Basti kam und ging, wie es ihm beliebte, aber das störte mich nicht. Ich schätze, es gab generell nicht viel, was mich ernsthaft an ihm störte. Basti war irgendwie... unglaublich. Ein anderes Wort fiel mir einfach nicht ein. Es war herrlich, wie er da so lag, das kurze blonde Haar hing ihm wie immer frech in die Augen und der muskulöse Körper steckte in einer kurzen Jeanshose und einem karierten Hemd, das nicht zugeknöpft war - wie ich feststellen musste - und das einen ungenierten Blick auf Bastis bloße Brust freigab. Und dann die himmelblauen Augen, die immer noch die Zimmerdecke im Visier hatten. Mit Mühe riss ich mich von dem Anblick, den Basti bot, los und schlurfte zu meinem Schreibtischstuhl hinüber, um mich auf ihm niederzulassen. Immer noch herrschte Schweigen. „Ähm, Basti? Alles klar? Hast du kein eigenes Bett, auf dem du liegen kannst?“, stichelte ich - denn Bastis Bett bestand nur aus einer Matratze, die auf dem Boden lag. „Haha!“, kam es recht unamüsiert von meinem Freund zurück, welcher sich nun aufsetzte. „Ich muss mit dir reden!“ „Oha, klingt ja gefährlich!“, schmunzelte ich über Bastis Grabesstimme. „Aber trifft sich gut, ich muss auch mit dir reden!“ Energisch griff ich nach dem Spanien-Prospekt, der auf meinem Schreibtisch lag. Basti folgte meiner Bewegung mit den Augen. „Also, schieß los, was gibt’s!“, forderte ich ihn zum Sprechen auf. Bastis Blick, der eben noch ein wenig neugierig an meinen Händen gehangen hatte, wurde ernst und traurig. „Also...“, begann er müde. „Ich weiß nicht genau, wie ich es sagen soll...“ „So wie’s ist!“, versuchte ich ihn zu ermutigen und trat zu ihm hinüber. Schwungvoll ließ ich mich neben ihm aufs Bett fallen und sah ihn direkt an. Doch Basti wich meinem Blick aus. „Ähm... Also, es hat sich was ergeben...“ Er verstummte erneut und als nach einigen Augenblicken immer noch nichts kam, versuchte ich ihm zu helfen. „Hat’s was mit deinen Eltern zu tun?“ Kopfschütteln. „Haben sie dir das Abi für ungültig erklärt?“ Ein ungläubiger Gesichtsausdruck, aber ein Kopfschütteln. „Hat’s was mit mir zu tun?“ Ich bildete mir ein, eine Veränderung in Bastis Blick zu sehen, doch er schüttelte abermals zögerlich den Kopf. „Mit Marie?“ Das war seine Freundin. Bastis Blick wurde verzweifelt und er schloss die Augen. Ich grübelte, was es noch sein konnte, als er sie wieder aufschlug. Er sah mich unsicher und etwas traurig an, begann dann aber zu sprechen. „Na ja, also mit Marie ist Schluss.“ „Oh!“, war das Einzige, was ich spontan hervorbrachte und es war sicher nicht das, was Basti von seinem besten Freund in solch einem Moment hören wollte. Doch in mir begannen sich Engelchen und Teufelchen zu kloppen. Das Engelchen wetterte irgendetwas von „Mitleid“, „Trost“, „Aufheitern“ und das Teufelchen sang ein Lied von „Glück“, „Freude“ und „Erleichterung“. Auf gut Deutsch, ich fands in keinster Weise Schade, dass Marie weg war. Aber ich wollte auch nicht, dass Basti deswegen so deprimiert war. „Hey, nun lass den Kopf nicht hängen!“ Ich legte meinem Freund einen Arm um die Schultern und drückte ihn sanft. „Ich weiß zwar nicht, wie das passiert ist, aber glaub mir, sie hatte dich eh nicht verdient.“ Basti blickte mir traurig ins Gesicht und fast schien es mir so, als wenn das nicht alles gewesen wäre, was er mir hatte sagen wollen. Doch ehe ich nachhaken konnte, hatte er sich mit einem stumpfen „Da hast du wohl Recht!“ gegen meine Schulter sinken lassen und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Erschrocken erstarrte ich. Es war ja nicht das erste Mal, das Basti und ich uns so nah waren, doch seine Nähe schaffte es immer wieder, mich aus der Bahn zu werfen. Zögerlich legte ich auch den anderen Arm tröstend um ihn herum und konnte spüren, wie er sich nun vollends gegen mich lehnte. Es kam selten vor, dass Basti so traurig war und ich glaube, ich war der Einzige, bei dem er es auch so offen zeigte und Trost suchte. Ich wusste nicht, ob es in einer Jungenfreundschaft ungewöhnlich war sich gegenseitig zu umarmen, aber bei Basti und mir war es auf jeden Fall ganz normal... und ich genoss es. „Sei nicht traurig! So wie ich dich kenne, meldet sich schon bald eine Bessere, die dich vielleicht eher verdient hat!“ Ich weiß nicht, ob es die Worte waren, die Basti hören wollte, und ich war mir auch nicht ganz sicher, ob der zweite Teil durchgängig aufrichtig von mir gemeint war, aber ich hatte das Gefühl irgendetwas sagen zu müssen. Bastis Umarmung wurde einen Tick fester und ich erwiderte sie einfach. Ich weiß nicht, wie lange wir in dieser Stellung verharrten, doch als Basti sich schließlich von mir löste, sah er unglaublich müde aus. Trotzdem zwang er ein Lächeln auf seine Lippen. „Und was wolltest du mir sagen?“ Nach einem kurzen Zögern griff ich nach dem Reise-Prospekt, den ich neben mir hatte fallen lassen, und hielt ihn Basti unter die Nase. „Urlaub in Spanien! Nur du und ich! Was hältst du davon?“ Überrascht riss Basti die Augen auf, doch dann schlich sich ein ehrliches Lächeln in sein Gesicht. „Klingt klasse! Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht!“ Er griff nach der Broschüre und begann sie durchzublättern. „Was hast du dir vorgestellt?“, fragte er mit leuchtenden Augen, als er die letzte Seite betrachtete hatte. „Nun ja...“, begann ich und erhob mich, um im Zimmer ein paar Bahnen zu laufen. „Irgendwo ’ne Woche zelten, in einem gemütlichen Ort am Meer, der aber nicht so weit von einer größeren Stadt weg ist. Und dann Spaß haben und den Sommer nutzen, bevor dann der Ernst des Lebens losgeht.“, erklärte ich wild mit den Armen fuchtelnd. Basti musste aufgrund meines Benehmens offenbar schmunzeln, was mich zu noch größerer Hochstimmung verleitete. Bastis Lächeln war die beste Droge, die es für mich gab. „Aha, und da ist deine Wahl also auf Spanien gefallen?“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Japp...“, nickte ich. „Nicht sooo weit weg und trotzdem warm. Nicht ganz so teuer, glaub ich und überhaupt... warum nicht?“ „Stimmt, warum nicht. Also, wann soll’s losgehen?“ Auch Basti erhob sich und es wirkte fast so, als wollte er sofort losmarschieren. „So bald wie möglich!“, lachte ich. „ Ich versuch das mal bis nächste Woche zu organisieren. Zugverbindung raussuchen, Campingplatz mieten und so weiter. Dürfte ja nicht so schwer sein! Welcher Ort würde dich denn ansprechen?“, fragte ich begeistert ob Bastis Zustimmung. „Also...“, begann er nun besser gelaunt und schlug den Prospekt wieder auf. Ich hockte mich neugierig neben ihn und beugte mich mit über das Heftchen. Und so begann unsere Planung für den Sommer... Kapitel 3: Addicted ------------------- Autor: Ju-chan Teile: 3/11 abgeschlossen: ja Viel Spaß! Addicted Ich ließ meinen Blick ein letztes Mal prüfend über meinen am Boden stehenden Rucksack gleiten und hakte in Gedanken meine „Dinge-die-ich-mitnehmen-muss“-Liste ab. Als ich mir relativ sicher war, nichts vergessen zu haben - man hat eigentlich immer etwas vergessen - schnürte ich ihn fest zu und hob ihn probeweise an. Recht schwer, ging es mir durch den Kopf. Aber da konnte man nichts machen. Ich stellte ihn zu dem Schlafsack und dem Bündel mit dem Zelt, das Basti und ich uns teilen würden - vorausgesetzt, wir bekamen es aufgebaut. Ich musste nämlich zu meiner Schande zugeben, in solchen Dingen eine absolute Niete zu sein. Ich hoffte darauf, dass Bastis Allroundtalent uns auch dieses Mal nicht im Stich lassen würde. Ich trat ein letztes Mal vor den Spiegel, um meine Erscheinung zu prüfen. Meine braunen Haare waren zerzaust wie immer und ich stellte fest, dass sie schon wieder etwas zu lang waren. Ich hatte meine Lieblingscordhose an und einen schwarzen Pullover. Meine braunen Augen huschten meinen Körper hinab und wieder herauf und sahen mich danach direkt an. Ich streckte ihnen die Zunge raus und zog eine Grimasse. Dann griff ich nach meinem Gepäck und wagte den Versuch, alles auf ein Mal die Treppe hinunter in den Flur zu befördern. Mit etwas Getaumel und Geächze schaffte ich das dann auch unversehrt. Ich ließ alles laut zu Boden gleiten. Mein Blick huschte zur Wanduhr und ich musste feststellen, dass Basti zu spät war. Gerade wollte ich in Gedanken eine spitze Bemerkung machen, als es auch schon an der Tür klingelte. Ich trat hinüber und öffnete sie langsam. „Liebling, du bist zu spät!“, flötete ich meinen besten Freund gespielt an und versuchte genervt zu klingen. Doch es schien mir nicht wirklich zu glücken, denn Basti grinste nur und schob sich an mir vorbei. „Das bin ich doch immer, wie du weißt!“, schmunzelte er und sah mich dann mit schief gelegtem Kopf an. „Ähm, Felix? Dir ist aber schon bewusst, das wir dorthin fahren, wo’s warm ist?“ Für einen Moment war ich irritiert, doch dann begriff ich, dass Basti sich anscheinend an meiner langen Kleidung störte. Erst jetzt fiel mir auf, was mein Freund anhatte. Seine Beine steckten in einer von seinen kurzen Jeanshosen und sein Oberkörper wurde von einem quietschbunten Hawaiihemd geziert. In seinen Haaren bemerkte ich eine hochgeschobene Sonnenbrille, die ich gar nicht von ihm kannte. Ich hob zweifelnd eine Augenbraue. „Und du siehst aus, als wenn...“, mir fehlten die Worte. „... als wenn ich in den Süden fahre.“, vollendete Basti meinen Satz. „Und das tu ich doch auch!“ Schwungvoll griff er nach dem neben mir stehenden Zeltbündel. „Können wir los?“ Ich nickte, packte meine Sachen an, rief einen letzten Gruß an meine Eltern und zog dann die Tür hinter uns ins Schloss. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zur Straßenbahn, die uns zum Hauptbahnhof bringen würde... „Zu welchem Gleis müssen wir?“, fragte Basti und wirkte etwas verloren in dem Getümmel von Menschen, in dem wir uns befanden. Ich ließ meinen Blick zur die Anzeigetafel über uns gleiten, sah dann auf unsere Fahrkarten und wieder zurück zur Tafel. „Aaalso, wir müssen zu Gleis... 9b.“, beantwortete ich die Frage etwas verspätet und deutete in die Richtung, in der ich das Gleis vermutete. Schleppend setzte Basti sich in Bewegung und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmengen. Anscheinend hatte die ganze Welt beschlossen, gerade heute in den Urlaub zu fahren - und ich hoffte inständig, dass sie nicht alle unseren Zug nahmen. Hinter ihm herlaufend betrachtete ich fasziniert die Vielzahl an Personen - kleine, große, dicke, dünne, bunte, graue... - als ich plötzlich mit jemandem vor mir zusammen stieß. Ich hörte Basti getreten aufbrummen. Bevor er meckern konnte, schoss ich zuerst: „Warum bleibst du auch stehen?“ Er drehte sich kopfschüttelnd zu mir um und blickte mich verständnislos an. „Weil wir da sind, du Träumer!“ Ich erntete noch einen schwachen Knuff in die Seite, ehe er sein Gepäck abstellte und sich umsah. Ich tat es ihm gleich. Es dauerte nicht lange und eine kaum zu verstehende Lautsprecherdurchsage ertönte, welche mir förmlich in den Ohren wehtat. Ich hatte zwar kein einziges Wort verstanden, aber an der Menge um uns, die unruhig wurde und an den lauten Geräuschen eines einfahrenden Zuges, konnte ich erkennen, dass sie wohl unsere Bahn angesagt hatten. Genauso wie Basti griff ich nach unserem Gepäck und ließ mich dann einfach von dem Menschenstrom mitreißen, der dem anhaltenden Zug entgegenströmte. Nach einigen Tritten und Quetschungen sowie unfreundlichen Bemerkungen von anderen Fahrgästen stand ich endlich im Zug und hatte Zeit aufzuatmen. Erst da fiel mir Basti wieder ein und ich sah mich erschrocken nach meinem Freund um - doch der war weg. Ich rang mit mir, ihn zu suchen, doch dann erklärte ich diese Idee für hirnrissig und beschloss zu unseren reservierten Plätzen zu gehen. Basti wusste ja, wo wir saßen... Und so war es dann auch. Ich drängelte mich mit meinem schweren Rucksack und meinem Schlafsack durch den engen Mittelgang zu unseren Plätzen, als ich schon von weitem Basti sah, wie er einer älteren Frau einen Koffer nach oben stellte. Charmant wie immer, ging es mir durch den Kopf und ich beeilte mich, zu ihm zu gelangen. Als ich ihn erreichte, saß er schon wieder auf seinem Platz und grinste mich verschmitzt an. „Da bist du ja wieder!“ Ich zog eine Grimasse. „Freu dich, ich bin nicht von den Massen erdrückt worden!“ Mit diesen Worten setzte ich meinen Rucksack ab und machte mich daran, ihn auf die Gepäckablage zu verfrachten. „Du musstest dich ja auch da reindrängeln, wo es am vollsten ist! Ich hab einfach die nächste Tür genommen.“, erklärte Basti besserwisserisch und sah mir dabei zu, wie ich mich mit meinem schweren Rucksack abquälte. Von wegen charmant... Mich über mich selbst ärgernd, weil ich so viel mitschleppen musste, geriet ich sichtlich ins Taumeln, als ich meinen Rucksack über den Kopf hievte und hatte schon einen dumpfes Aufstöhnen auf den Lippen, weil ich nach hinten zu fallen drohte, als eine starke Hand mir zu Hilfe eilte. Mit Leichtigkeit schob Basti meinen Rucksack nach oben, packte meinen Schlafsack gleich daneben und zog mich dann neben sich auf den Sitz. „Das kann man ja nicht mit ansehen!“, grinste er belustigt und wuschelte mir durch die Haare. Irritiert blickte ich meinen Freund an, denn diese Geste war recht selten bei ihm. Doch ich beschloss nichts zu sagen, da ich es mochte, wenn Basti mich berührte. So zuckte ich nur mit den Schultern und gönnte mir einen Moment Ruhe. Die ganzen Menschen und die Hektik, die sie verbreiteten, waren ja grausam. Jeden Tag könnte ich so was nicht über mich ergehen lassen. Basti neben mir friemelte seinen Mp3-Player aus seiner Tasche und stöpselte sich einen der Kopfhörer ins Ohr, den anderen bot er mir an. Doch ich schüttelte nur den Kopf, da mir gerade nicht nach Musik war. Basti hob nur die Schultern und kapselte sich dann ganz von seiner Umwelt ab. Leise konnte ich die Bässe und Beats hören, mit denen er sich beschallen ließ. Ich ließ meinen Blick über die langsam zur Ruhe kommenden Menschen gleiten und lauschte ihren Gesprächen... Ich fing den ein oder anderen interessanten Gesprächsfetzen auf, doch als es mir zu langweilig wurde, blickte ich gähnend aus dem Fenster. An uns huschte grüne Landschaft vorbei und der blaue Himmel kämpfte gegen die weißen Wattewolken an, die ihn vertreiben wollten. Ich sah kleine Häuser in Dörfern und Straßen, auf denen Autos fuhren, sowie Weiden mit Tieren... Es dauerte nicht lange und ich ließ mich von der Landschaft und dem summenden Lärm um mich herum einlullen und ehe ich mich versah, nahm ich alles wie in Watte verpackt wahr und dämmerte weg... Ich weiß nicht, ob es das Abbremsen des Zugs oder der etwas lauter werdende Lärmpegel um mich herum war, doch irgendwann wurde ich wieder wach. Völlig verpennt schlug ich die Augen auf und stellte fest, dass mein Kopf an der Schulter neben mir ruhte. Überrascht befreite ich Basti von meiner Nähe und rieb mir den schmerzenden Nacken. Ich blickte ihn entschuldigend an. „Sorry, ich muss eingeschlafen sein!“ Doch Basti lachte nur leise. „Das hab ich gemerkt, du Schlafmütze!“ Ich stutzte wegen seiner Wortwahl, doch meinte dann nur brummelig: „Hättest mich ja wegschieben können, wenn ich dich gestört hab!“ Irgendwie war ich mit einem Mal verstimmt. Aber Basti stupste mir nur beschwichtigend gegen den Oberschenkel. „Ich hab doch gar nichts gesagt. Von mir aus kannst du dich gerne wieder an mich lehnen.“ Er grinste mich offen an und schob, wie um seine Worte zu bestätigen und mir mehr Platz zu machen, die Armlehne zwischen uns nach oben. Ich konnte spüren, wie ich rot wurde. Irgendwie erfüllte mich dieser eigentlich harmlose Gedanke mit einem Kribbeln und ich hatte spontan Lust dieses Angebot anzunehmen. So ließ ich vorsichtig meinen Kopf wieder zur Seite sinken und schloss zufrieden die Augen. Bastis unglaubliche Wärme und der vertraute Geruch nach seinem Duschgel umfingen mich und führten mich in Versuchung noch dichter an ihn heran zu rutschen - doch ich hielt mich zurück. Ich wusste nicht, wie oft ich der Versuchung, Bastis Nähe offen zu suchen, schon getrotzt hatte, ich hatte irgendwann aufgehört zu zählen. Ich nutzte einfach jede Chance, die sich unbewusst bot und genoss sie wortlos. Basti war überraschend warm, roch verdammt gut und seine Nähe hatte immer zur Folge, dass ich leicht kribbelig und nervös wurde. Es schien fast so, als wenn Basti mich elektrisieren würde... Alle, die sich jetzt fragen, warum in Gottes Namen ich „so“ über meinen besten Freund sprach, konnten wirklich nur schwer von Begriff sein. Sebastian war toll und ich wusste nicht wann und wie es gekommen war, aber irgendwann hatte ich festgestellt, dass ich diesem Jungen einfach verfallen war. Seine Nähe machte mich verrückt und ich fühlte mich zu ihm hingezogen - kurzum ich hatte mich in ihn verknallt. Ich war damals, als mich diese Erkenntnis getroffen hatte, etwas überrascht über mich selber gewesen, doch ich hatte es einfach so hingenommen. Es änderte nicht wirklich etwas an unserer Freundschaft und ich hatte auch nicht vor, Basti irgendetwas davon zu sagen. Nachher war es noch etwas, das zwischen uns stand, darauf konnte ich gut und gerne verzichten. Mir genügte es, in Bastis Nähe zu sein und mich in der wohligen Wärme zu aalen, die er ausstrahlte. Warum etwas ändern? Eine Hand, die mir sanft durchs Haar strich, ließ mich zusammenzucken. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich nochmals eingedöst war. „Hey, wach bitte auf! Wir müssen gleich umsteigen!“, waren die Worte, welche die vorsichtigen Streicheleinheiten an meinem Kopf begleiteten und mir wurde klar, dass ich immer noch an Basti gekuschelt dasaß. Röte schoss mir ins Gesicht und ich löste mich ruckartig von meinem Nebenmann. Unter Bastis überraschten Blick wischte ich mir übers Gesicht und versuchte meine Verschlafenheit in den Griff zu bekommen, ehe ich mich erhob. „Felix, manchmal bist du seltsam!“, seufzte Sebastian, stand dann aber ebenfalls auf. Gemeinsam machten wir uns für den Umstieg bereit... Kapitel 4: Trouble ------------------ Autor: Ju-chan Teile: 4/11 abgeschlossen: ja Viel Spaß! Trouble Die weitere Fahrt war recht ereignislos, wenn man von den urlaubslustigen Menschenmassen und ihrer großen Bereitschaft zum Quetschen und Schieben von Mitreisenden mal absah. Wir hatten noch vier Umstiege zu bewältigen und waren letztendlich über vierundzwanzig Stunden unterwegs, davon am Ende eine mit einem klapprigen spanischen Bus und eine halbe zu Fuß, ehe wir unseren Campingplatz erreichten. Ich hatte einige Zeit gebraucht, um meine unbedachte Annährung an Basti zu verkraften, doch danach hatten wir wie immer rumgeblödelt und gelacht. Basti schien sich sehr auf die gemeinsame Woche in Spanien zu freuen. Ich vermutete, er suchte etwas Abstand von dem hinter uns gelassenen Schulstress und dem Beziehungsaus mit Marie - von dem ich übrigens immer noch nichts Genaueres wusste. Ich beschloss, ihn in einem geeigneten Augenblick mal darauf anzusprechen, um meine Neugier zu befriedigen. Doch im Augenblick hatten wir andere Sorgen. Gemeinsam standen wir vor dem leicht rostigen Tor unseres Campingplatzes - das zu unserem Erstaunen verschlossen war. Ich musste zugeben, dass wir auf dem Weg von Bahnhof hierher länger als gedacht gebraucht hatten und es schon weit in die Nacht hinein war, aber wer hatte ahnen können, dass sie hier so früh die Bürgersteige hochklappten. Etwas verzweifelt blickte ich Basti an. „Was nun?“, fragte ich matt, da ich leider zugeben musste, dass ich ratlos war. Wo sollten wir jetzt schlafen? Basti blickte sich suchend um und ich fragte mich, wie er immer noch so wach sein konnte?! Wir waren schon so verdammt lange unterwegs und ich war quasi platt. Doch Sebastian konnte man keine Müdigkeit anmerken. Rasch schritt er zu dem kleinen Kontrollhäuschen, blickte durch das Fenster, musterte die Umgebung und den Zaun vor uns. Danach kehrte er wieder zu mir zurück. „Und wir haben hier echt ab heut Abend gebucht?“ Ich nickte erschlagen, worauf er seinen Rucksack vom Rücken nahm und ihn im hohen Bogen über das Tor warf. Ich quietschte erschrocken auf. „Was machst du denn?“ Entsetzt sah ich ihm zu, wie er auch noch seinen Schlafsack hinüber warf. „Ich klettere da jetzt rüber!“ „Aber...“, stammelte ich mit einem Mal hellwach. „... hältst du das für ’ne gute Idee?“ Er zuckte die Schultern. „Es ist die beste, die ich habe!“ Und somit machte er sich daran, über das gusseiserne Tor zu klettern. Nervös und mit dem Gefühl, dass diese Aktion Ärger geben würde, beobachtete ich, wie er mit einer unglaublichen Leichtigkeit über das Tor kletterte. Das metallene Geräusch, das er dabei verursachte, schien die Nacht zu zerreißen. Mit angehaltenem Atem verfolgte ich, wie er auf der anderen Seite wieder hinab sprang. Auffordernd sah er nun mich an. „Jetzt mach schon! Oder willst du draußen schlafen?“, zischte er leise. Ich rang mit mir. Irgendwie hatte ich das dumme Gefühl, ich würde dort nicht so einfach rüber kommen wie er! Trotzdem zwang ich mich dazu, tief Luft zu holen und meinen Rucksack, Schlafsack sowie das Zeltbündel hinüber zu werfen. Basti fing alles nahezu lautlos auf. Ein stummes Stoßgebet an Gott - an den ich sowieso nicht glaubte - schickend, versuchte ich das Tor nun genauso zu erklimmen wie Basti. Es gelang mir... fast zumindest. Zwei Mal wäre ich fast wieder abgerutscht und als ich oben angekommen war, verlor ich endgültig das Gleichgewicht. Mit einem dumpfen Schrei rutschte ich ab und flog nach unten - wenigstens auf der richtigen Seite. Mit einem Plumpsen kam ich auf dem Boden auf und wurde von einer Schmerzexplosion in meinem Bein überrollt. Stöhnend rührte ich mich erstmal nicht. Basti stürzte erschrocken zu mir und redete mit gedämpfter Stimme auf mich ein. „Felix? Alles okay? Tut dir was weh?“ Ich nickte und schüttelte den Kopf gleichseitig und ließ mich einige Momente später von Basti hochziehen. „Geht schon. Ich leb noch!“, brummte ich halbherzig, etwas verstimmt wegen meines „eleganten“ Abgangs. Doch Basti schien nicht wie erwartet amüsiert über diesen zu sein. Im Gegenteil, er schien ernsthaft besorgt. „Sicher, dass alles klar ist? Tut dir auch echt nix weh?“ „Lass uns bitte bald schlafen!“, wehrte ich die fragte ab, ohne sie zu beantworten - denn wenn ich ehrlich sein sollte, tat mir alles weh. Aber Basti schien sich mit diesen Worten zufrieden zu geben und griff nach seinem Gepäck. Ich tat es ihm gleich und folgte ihm leise. Relativ zielsicher, obwohl er sicher nicht wusste, wo es lang ging, streifte er durch die Reihen von Wohnwagen und Zelten. Ab und an hörte man noch Geräusche und vor einem Zelt saßen sogar noch Gestalten im Dunkeln, die uns jedoch nicht zu beachten schienen. Dem ungeachtet lief er solange durch die Reihen, bis er einen anscheinend leeren Platz gefunden hatte. „Lass uns erstmal diesen hier nehmen! Morgen können wir dann immer noch umziehen!“ Ich nickte wortlos - was er aber nicht sehen konnte. Wie Basti es schaffte, innerhalb von kurzer Zeit und quasi ohne meine Hilfe – mir taten die Knochen jetzt richtig weh und meine Stimmung sank immer weiter – das Zelt aufzubauen und das auch noch im Dunkeln, war mir im Nachhinein schleierhaft. Doch ich beschloss nicht weiter darüber nachzudenken und war einfach nur froh, dass Basti da war. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich – eher unfreiwillig als freiwillig – die Nacht unter freiem Himmel verbracht. Doch so dauerte es gar nicht lange und Basti und ich lagen nebeneinander in Schlafsäcken im Zelt und die Stille der Nacht begann sich auch über uns zu senken. „Alles klar bei dir, Felix?“, hörte ich Basti leise wispern. Ich nickte zur Antwort und brauchte eine Weile um zu merken, dass er dies ja nicht sehen konnte. So brummte ich müde, was Basti wohl als „ja“ auffasste und glitt langsam in einen traumlosen Schlaf… Eine aufdringliche Stimme, die schnell und laut auf jemanden einzureden schien, riss mich aus dem Schlaf. Müde schlug ich die Augen auf und stellte überrascht fest, dass es um mich herum schon wieder hell geworden war. Als ich beim Aufsetzen meinen schmerzenden Körper und die bleierne Müdigkeit in meinem Kopf spürte, wurde mir klar, dass an der Nacht wohl nicht mehr viel dran gewesen war. Erst bei einem zweiten Blick durch das Zelt, in dem ich mich befand, fiel mir auf, dass ich alleine war. Basti war verschwunden. Dafür war die Zelttür einen Spalt weit offen und vor dem Eingang schienen sich zwei Personen aufzuhalten. Etwas verspätet bemerkte ich, dass die Stimme, die mich geweckt hatte, in einer mir vertrauten aber unverständlichen Sprache redete und dabei sehr aufgeregt klang. Als der Redeschwall endlich verstummte, hörte ich draußen Basti, der ruhiger und gelassener aber ebenfalls in der fremden Sprache, die ich als Spanisch identifizierte – was auch sonst?! –, antwortete. Ich beschloss mich lieber nicht zu rühren und lauschte mit pochendem Herzen dem Wortwechsel, natürlich ohne etwas zu verstehen. Still dankte ich Gott dafür, dass Basti in der Schule Spanisch gehabt hatte und so kapierte, was dieser fremde Kerl von ihm wollte. Mich hätte er in Grund und Boden geredet, da ich kein Wort von dem verstand, was er sagte. Ich hatte mich viele Jahre mit Latein rumgequält, was vielleicht später fürs Studium mal ganz praktisch sein konnte, aber mir in der Konversation wohl eher weniger brachte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern bis die Stimme ruhiger wurde und nicht mehr wie eine Sirene klang. Dann verstummte sie ganz und ich hörte Basti geschlagen aufseufzen. Es raschelte im Eingang und zusammen mit ein paar Sonnenstrahlen kam er wieder ins Zelt gekrabbelt. Überrascht blickte er mich an. „Oh, du bist ja schon wach?!“ Ich verzog das Gesicht. „Bei dem Geschrei kann man wohl schlecht weiter schlafen.“, gab ich zurück. „Was war das denn da draußen?“ Basti kratzte sich verlegen am Kopf. „Das war wohl der Zeltplatzbesitzer oder Wächter oder was-weiß-ich. So genau hab ich ihn auch nicht verstanden.“ Mein Herz begann zu klopfen. Wächter? Was wollte der denn? Hoffentlich gab es keinen Ärger wegen unserer nächtlichen Einbruchsaktion. Ich hatte gehört, dass Gefängnisse im Ausland nicht so komfortabel waren, wie man es von den deutschen Pendants kannte. „Oh oh, gibt’s Ärger?“, fragte ich nervös, doch Basti lächelte bloß. „Nein, nicht wirklich zumindest. Wir blockieren nur gerade den Platz einer anderen Familie, die sich daraufhin natürlich beschwert hat. Ich habe dem Typen aber erklärt, wie das gestern Abend war und gesagt, dass wir eigentlich einen Platz reserviert haben und dann gerne umziehen würden, wenn das möglich wäre.“, erklärte Basti in ruhigem Tonfall und ich wunderte mich, wie er bei dieser Aufregung so gelassen bleiben konnte. Ich hätte schon längst einen Nervenzusammenbruch bekommen. „Und jetzt?“, fragte ich unsicher. Doch Basti lächelte nur erneut. „Jetzt checkt er gerade unsere Reservierung und kommt dann wieder her, um uns unseren Platz zuzuweisen. Und dann ziehen wir um.“ Erleichtert ob Bastis diplomatischer Fähigkeiten atmete ich auf und ließ mich zurück auf den Schlafsack gleiten. „Basti, du bist echt unglaublich. Zum Glück habe ich dich dabei!“, fasste ich meine Erleichterung in Worte und streckte mich quietschend, um die restliche Müdigkeit loszuwerden. Erneut spürte ich das Pochen in einigen Knochen, die immer noch wegen meines Sturzes protestierten, beschloss es aber so gut es ging zu ignorieren. „So, nun erheb dich mal langsam und hilf mir beim Zeltabbau. Dann haben wir das schon fertig, bevor der Typ mit unserer Platznummer wiederkommt.“, scheuchte Basti mich hoch, indem er rücksichtslos im Zelt zu wühlen begann und achtlos meine herumliegenden Sachen auf mich schmiss. Ich war in der Versuchung dies nicht zu beachten und liegen zu bleiben, doch als er auch noch begann Licht in das Zelt zu lassen und draußen dann die Heringe aus den Spannseilen zu ziehen, konnte ich es wohl nicht mehr ignorieren. Brummelnd packte ich meinen Kram und erhob mich. Etwa eine Stunde später waren wir dann umgezogen und dieses Mal versuchte ich Basti mehr zur Hand zu gehen. Als das Zelt endlich auf dem anderen Platz stand und unsere Sachen sicher verstaut waren, setzte ich mich müde vor dem Eingang nieder und ließ meinen Blick über die anderen Zelte um uns herum gleiten. Ein munteres Treiben herrschte in der Stadt aus bunten Dächern und das fröhliche Gebrabbel von Jung und Alt ließ Urlaubsstimmung in mir aufkeimen. Zum ersten Mal an diesem Tag nahm ich die Sonne, die hoch am Himmel über uns stand und ihre heißen Strahlen auf uns nieder schickte, wirklich wahr. Der Himmel war wolkenlos blau und versprach einen himmlischen Sommertag. Ich bildete mir sogar ein, von weitem das Meer rauschen zu hören und den salzigen Duft des Wassers wahrzunehmen. Übermütig zog ich mir das T-Shirt über den Kopf, um die sanften Strahlen auf meiner Haut zu spüren, welche ein wohliges Gefühl von Heiterkeit und Freiheit in mir aufkommen ließen. Seufzend ließ ich mich ganz in den Rasen sinken. Basti, der bis eben noch im Zelt herumgeräumt hatte, stolperte fast über mich als er dieses verließ, da ich quer vor dem Zelteingang lag. Ich hatte die Augen geschlossen und konnte ihn so nicht sehen, wusste aber ob des überraschten Lautes, den er ausgestoßen hatte, dass er da war. Das Gefühl von Fingern auf meiner Seite ließ ein Kribbeln in mir aufkommen und ich verbot mir, die Augen aufzuschlagen, da ich befürchtete, dass diese kühlen Fingerspitzen auf meiner erhitzten Haut dann wieder verschwinden würden. Doch es dauerte trotzdem nur ein oder zwei Augenblicke, dann zogen sie sich wortlos zurück. Ich unterdrückte einen enttäuschten Laut, da ich die Berührung genossen hatte, auch wenn in einem Hinterkopf die Frage aufkam, was Basti veranlasste, mich so sanft zu streicheln. Ein Räuspern ließ mich die Augen öffnen. „Du bist ganz heiß, wollen wir an den Strand gehen und uns etwas abkühlen?“ Täuschte ich mich oder klang mein Freund etwas heiser? Überrascht suchte ich in Bastis blauen Augen nach einer Antwort, doch braun traf nur kurz auf blau, dann wich Basti meinem Blick aus und kletterte umständlich über mich hinüber. Ich setzte mich auf und zuckte mit den Schultern. „Von mir aus können wir gerne an den Strand gehen.“, meinte ich verwirrt und beobachtete dann, wie Basti mit einem leisen „okay“ wieder im Zelt verschwand, um seine Sachen zu holen. Warum war der heute nur so nervös, fragte ich mich, schob es jedoch auf die kurze Nacht, die wir gehabt hatten und auf die Aufregung, die der beginnende Urlaub mit sich brachte. Stumm folgte ich Basti ins Zelt. Ich kam gerade noch rechtzeitig, um einen Blick auf Bastis einladende Kehrseite zu erhaschen, als er schnell in seine geblümten Badeshorts schlüpfte. Mein Herz machte meinen Hüpfer ob dieses Anblickes und ich konnte spüren, wie sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen legte. Basti war einfach göttlich… Doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und packte meinen Kram ebenfalls zusammen. Als Basti das Zelt verließ, zog auch ich mich um und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Strand. Das Meer war so blau wie der Himmel und der Strand so weiß, wie ich ihn nur von Bildern kannte. Begeistert blieb ich stehen, als sich dieser Anblick vor unseren Augen auftat, und sog alles in mich hinein, um auch nichts von dieser Schönheit zu verpassen. Ich war nahezu geblendet. Sanfte Wellen rollten rauschend auf den Strand zu und jauchzende Kinder tollten aufgeregt zwischen ihren Eltern umher, die auf großen bunten Handtüchern lagen und sich die warme Sonne auf Rücken und Bauch scheinen ließen. Der Duft des Meeres wurde von einer lauen Brise herüber getragen und ich konnte das Meer beinahe schmecken. Basti, dem erst nach einigen Schritten auffiel, dass ich stehen geblieben war, hielt ebenfalls an und warf mir einen fragenden Blick über die Schulter zu. Seine blonden Haare wehten im Wind und fielen ihm – wie immer - frech in die Augen. In diesen glitzerte die Sonne und gab ihnen einen kecken Blick. Zum ersten Mal dieses Jahr fiel mir auf, dass Bastis Haut schon einen bronzefarbenen Ton angenommen hatte, welcher jetzt matt zu strahlen schien. Mit dem Meer und dem blauen Himmel im Hintergrund war dies ein Bild für die Götter und ein wahrer Schmetterlingsschwarm begann auf einmal in meinem Bauch mit seinen Flügeln zu schlagen. Überrascht von diesen plötzlichen Gefühlen senkte ich verlegen den Blick und murmelte ein leises „Ich komm schon“, um dann wieder zu Basti aufzuschließen und ihm stumm zu folgen. Kurz keimte in mir die Befürchtung auf, dass dieser Urlaub ungeahntes Chaos in meine eh schon konfuse Gefühlswelt bringen würde, doch ich schob dieses Vorgefühl weit von mir. Es dauerte eine Weile bis Basti einen „geeigneten“ Liegeplatz gefunden hatte – dicht am Wasser, aber nicht zu dicht, wegen der dort spielenden Kinder, und nicht allzu sehr im Gedrängel, aber auch nicht zu weit am Rand. Als wir nach schier endlosem auf und ab Gerenne endlich unsere Handtücher ausbreiten konnten, ließ ich mich ächzend darauf nieder. Die Sonne brannte heiß auf meiner Haut und ich drehte mich seufzend auf den Bauch, um meinen Rücken zu sonnen. Basti begann neben mir gut gelaunt von dem Meer und dem Wetter zu schwärmen und wühlte nebenbei in seinem Rucksack. Ich lauschte seinen Worten mit einem Schmunzeln auf den Lippen, welches er aber nicht sehen konnte, da ich mein Gesicht in meinen Armen vergraben hatte. Es freute mich, dass es Basti gefiel und dessen aufgeregte Stimme ließ meine Stimmung steigen. Basti hatte eine angenehme Stimme. Sie war tief, aber nicht brummelig, sondern eher sanft und weich. Dazu kam, dass sie sich leicht überschlug, wenn er aufgeregt war oder sanft in ein Seufzen übergehen konnte, wenn er mal wieder spät in der Nacht mitten im Satz einschlief. So war Basti nun einmal und seine Eigenarten zauberten immer wieder ein Lächeln auf meine Lippen und sorgten dafür, dass sich meine Gefühle für ihn noch zu vertiefen schienen. „Oder was meinst du? Felix?“ Basti knuffte mir leicht in die Seite und ich erkannte, dass er eine Antwort von mir erwartete. Nur worauf? Müde hob ich den Kopf und nuschelte ein „Hm?“. Ein Seufzen von Basti. „Ich wollte wissen, ob du mit ins Wasser kommst, du Schlafmütze!“, meinte er kopfschüttelnd und sah mich mit seinem Typisch-Felix-Blick an. Ich wälzte mich wieder auf den Rücken und legte schützend einen Arm über meine Augen. „Jetzt schon? Aber okay, wenn du versprichst, mich nicht nass zu machen!“, forderte ich ernst. Ein Glitzern in Bastis Augen ließ mich erkennen, dass ich seinen nächsten Worten besser kein Vertrauen schenken sollte. „Ist in Ordnung! Wenn du nicht willst, dann lass ich das natürlich.“ Nicht das sich irgendwer wunderte und behauptete, ich stellte mich wie ein Mädchen an, aber wenn ich eines war dann temperaturempfindlich. Und ich konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn ich vom Warmen ins Kalte gestoßen wurde. Und so war es nun mal, wenn man sich mit einem von der Sonne aufgeheizten Körper in das kühle Nass des Meeres begab. Basti wusste dies ganz genau, doch trotzdem konnte er es oft genug nicht lassen, mich zu ärgern. Ich war mir sehr sicher, dass er sein Wort auch dieses Mal nicht halten würde und da er ganz genau wusste, dass ich ihm nie ernsthaft böse war, hatte er wohl auch keinen Grund es zu tun. So erhoben wir uns gemeinsam und überwanden die wenigen Meter zum Wasser. Während Basti ohne zu Zögern in die kalten Fluten watete, ließ ich erst zaghaft meine Zehen umspülen und schauderte bei der Kühle des Wassers. Mein Verstand sagte mir, dass das Wasser sicher nicht so kalt war, wie es sich anfühlte - immerhin hatten wir über 30° Celsius - aber trotzdem breitete sich eine Gänsehaut auf meiner Haut aus. Mutig setzte ich meinen Weg fort und hoffte, dass sich mein Körper schnell an den Temperaturwechsel gewöhnen würde. Basti, der schon von oben bis unten nass war, kam wieder zu mir zurück. Ich war schon bis zur Mitte der Oberschenkel im Wasser und wusste genau, dass jetzt die schwierigste Stelle von allen kam, doch ehe ich mich versah, hatte ich einen kalten Schwall Wasser im Gesicht und auf dem Oberkörper. Mein erschrockener Schrei vermischte sich mit Bastis amüsiertem Lachen und wurde von weiteren Wassersalven wieder beendet. Es dauerte nicht lange bis ich meinen Schock überwunden hatte und mich angestachelt auf den überraschten Basti schmiss und ihn so zu Boden riss. Da das Wasser hier noch nicht tief war, hatte ich den Kopf noch im Trockenen, als ich Basti auf den weichen Meeresboden drückte und ihn so auf ihm hockend einen Moment festhielt. Die Strafe für angemessen haltend, entließ ich ihn wieder und er kam keuchend und hustend an die Oberfläche. Ein triumphierendes Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, da ich Basti sonst nie so überrumpeln konnte und es heute geschafft hatte, ihn unter Wasser zu drücken. Ich wollte gerade beginnen ihn auszulachen, als sich sein kampfeslustiger Blick empört auf mich richtete und ich begriff, dass ich einen großen Fehler begannen hatte. Basti hatte mich gerade für Freiwild erklärt und ich ahnte, dass ich heute keine ruhige Minute mehr haben würde. Von dieser Vorahnung ergriffen, erhob ich mich so schnell es ging und begann vor ihm ins tiefere Wasser zu fliehen. Es dauerte aber nicht lange bis er mich eingeholt hatte und ich verzweifelt kämpfte, um an der Wasseroberfläche zu bleiben… Basti zeigte keine Gnade. Ich wusste nicht, wie oft er mich in den letzten Minuten schon untergetaucht hatte und dafür, dass ich mich zu Beginn unserer Rangelei tapfer geschlagen hatte, verließen mich nun doch nach und nach meine Kräfte. Müde und mit schweren Knochen, die ab und an immer noch von meinem Sturz schmerzten, ergab ich mich meinem Feind und ließ mich willenlos ein weiteres Mal unter Wasser ziehen. Resignierend klammerte ich mich an Bastis Körper fest und es dauerte nicht lange bis dieser meine Kapitulation spürte und mich wieder hochzog. Kaputt hing ich in seinen Armen und hustete Wasser, das ich eben eingeatmet hatte. Meine zittrigen Arme hatte ich immer noch um Bastis Hals geschlungen und sein starker Griff hielt mich an den Hüften, sodass ich mit dem Kopf über Wasser blieb. Das Meer war hier so tief, dass ich eventuell auf Zehenspitzen gerade noch so das Kinn über Wasser halten konnte, Basti aber auf Grund seiner minimal größeren Größe noch sicher stand. Das waren ja auch unfaire Kampfbedingungen. Als ich ihm das keuchend sagte, lachte er nur leise und ich spürte seinen Oberkörper an meiner Brust vibrieren. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir uns immer noch in den Armen lagen und ich Bastis Haut an meiner spüren konnte. Seine Nähe war angenehm und kurz drückte ich meine Wange an seine. Doch dann bekam ich Angst, dass meine Annährung zu offensichtlich war, und löste mich sanft von ihm. Kurz hatte ich den Eindruck, dass Basti mich gar nicht loslassen wollte, doch dann war der Körperkontakt unterbrochen und ich watete auf Zehenspitzen und paddelnd zugleich in flacheres Wasser, wo ich ohne Probleme stehen konnte. „Na, hast du genug?“, höhnte Basti munter als er mir folgte und ich erwartete jeden Augenblick, dass er mir erneut ins Kreuz sprang, um mich unter Wasser zu reißen. Doch dies geschah nicht. Stattdessen hielt er neben mir an und blickte mir forschend ins Gesicht. „Ist alles okay? Hab ich dir wehgetan?“ Die Aufrichtigkeit der Frage versetzte mir einen unangenehmen Stich in den Magen, da sie in mir ein Gefühl von Schwäche auslöste. Ich war doch kein Mädchen. Warum sollte mir so eine Rangelei wehtun? Genau das sagte ich Basti auch, der darauf hin versuchte sich damit rauszureden, dass seine Frage ja nicht böse sondern ernst gemeint war. Meine Laune sackte von einem Moment zum anderen auf den Null-Punkt. Aus unerfindlichen Gründen enttäuscht, sauer und gereizt watete ich wortlos zum Ufer zurück und ließ mich matt und erledigt auf meinem Handtuch nieder, um mich von der Sonne trocknen zu lassen. Mein Gesicht vergrub ich in meinen verschränkten Armen. Es dauerte eine Weile bis ich Basti neben mir ankommen hörte, doch auch er ließ sich stumm auf sein Handtuch fallen. Ich hatte das Gefühl seinen fragenden Blick auf meinem Rücken zu spüren, doch ich ärgerte mich inzwischen weniger über ihn, sondern viel mehr über mich selber, da meine Launenhaftigkeit es mal wieder geschafft hatte mich zu überrollen. Und so beschloss ich, dass es besser war, gar nichts zu sagen. Nach einer Weile vernahm ich noch ein niedergeschlagenes Seufzen von meinem Freund, dann war nur noch der Lärm der anderen Menschen um uns herum zu hören. Doch bald verschwamm auch dieser zu einem dumpfen Ton und ich schlief ein… Kapitel 5: At Night ------------------- Autor: Ju-chan Teile: 5/11 abgeschlossen: ja Viel Spaß! At Night Ich träumte. Sanfte Finger zogen langsame Kreise auf meinem Rücken und ich konnte nicht ausmachen, ob meine Haut so heiß war oder die Finger so kühl, doch die gestreichelten Stellen begannen sanft zu prickeln. Ich hatte fast das Gefühl, dass die Fingerspitzen Muster auf meinen Rücken malten und fasziniert verfolgte ich ihre Bahnen. Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus und ich seufzte leise ob der Wohligkeit, die Besitz von mir ergriff. Ich wusste, ich könnte eine Ewigkeit hier liegen und mich streicheln lassen und ich wünschte, dass dieser Traum nie enden würde. Nun begann sich das Kribbeln in meinem gesamten Körper auszubreiten und Wärme sammelte sich auch in meiner tieferen Körperregion. Doch ehe sich dort ernsthaft etwas rühren konnte, hörte ich eine leise Stimme, die etwas murmelte, und die sanften Finger verschwanden. Zusammen mit einem undeutlichen und weit entfernten „Tut mir leid, Felix…“ lief plötzlich eine kalte, zähe Flüssigkeit über meinen Rücken und ich riss erschrocken die Augen auf. Mit einem Fluch versuchte ich aufzustehen, doch ich wurde sanft wieder auf mein Handtuch gedrückt. „Bleib liegen… Ich tu dir doch nichts!“ Basti. Ich spürte, wie mein hämmerndes Herz versuchte, sich wieder zu beruhigen und atmete tief ein und aus, um meinen Schreck abzubauen. Was zum Teufel tat der Kerl da? Als ich jedoch warme Hände spürte, die in kreisenden Bewegungen die Flüssigkeit auf meinem Rücken verteilten, wusste ich, was Basti dort tat. „Ich hab versucht dich zu wecken, aber du wachst ja nicht so einfach auf. Da wollte ich dich halt so eincremen. Du bist schon viel zu lange in der Sonne.“, erklärte mein Freund leise und zog weiter seine Bahnen. Ein giftiges „Ja, Mama!“ lag mir auf der Zunge und ich spürte den Groll, den ich immer verspürte, wenn man mich plötzlich – vor allem aus schönen Träumen – weckte. Doch ich schluckte beides runter, da ich deutlich spürte, dass meine Haut auf dem Rücken schon spannte und eine Stimme in meinem Kopf wisperte, dass Basti wohl Recht hatte. So lag ich reglos auf meinem Handtuch und ließ mich von dem Sonnencremegeruch einlullen. Lautlos seufzend schloss ich die Augen und verfolgte die geschickten Hände, die mich einrieben und denen aus meinem Traum so ähnlich waren. Viel zu kurz war dieser Augenblick und auch als Basti schon einige Momente fertig war, rührte ich mich immer noch nicht in der Hoffnung, dass die sanften Berührungen wieder kommen würden. Doch nichts geschah. „Du kannst dich bewegen, ich bin fertig! Oder bist du schon wieder eingeschlafen?“, neckte Basti, worauf ich nur leise brummte. Dies entlockte ihm ein leises Lachen und ich konnte es gar nicht fassen, als die sanften Hände wieder ihre Tätigkeit aufnahmen und mich weiter streichelten. Sofort begann mein Herz zu wummern und ich spürte, wie mein Gesicht heißer wurde als es schon war. Kribbeln bereitete sich vom Rücken ausgehend in meinem ganzen Körper aus und nach kurzer Zeit begann es sich in einer gefährlichen Gegend zu sammeln, in der sich auch sofort etwas regte. Ich hoffte, dass Basti nichts davon merkte und ließ mich einfach weiter streicheln. Ich hatte ihn schließlich nicht darum gebeten und wenn er es von sich aus tat, dann konnte ich diese Geste auch einfach still genießen, solange ich die Chance dazu hatte. Ich weiß nicht, wie lange wir so dalagen – die Zeit schien stehen geblieben zu sein, so kam es mir vor - und noch viel weniger wusste ich, was in Bastis Kopf los war. Es kam bisher nie vor, dass er mich so gestreichelt hat. Natürlich massierten wir einander ab und an, wenn der andere mal wieder zu verspannt war, doch das geschah aus rein praktischen Gründen. Dies hier war anders. Die Sonnencreme war schon lange verteilt und trotzdem hörte Basti nicht auf. Ich beruhigte mich langsam wieder und auch wenn es mir schwer fiel, wälzte ich mich irgendwann wieder auf den Rücken – nachdem ich mich natürlich versichert hatte, dass sich alle meine Körperteile so verhielten, wie sie sollten – und blickte Basti fragend an. Dessen Augen waren auf mich gerichtet, hatten aber, so kam es mir vor, einen traurigen Ausdruck. Dieser verschwand jedoch schnell als Basti spürte, wie meine braunen Augen in seinen blauen zu lesen versuchten. Flüchtig tätschelte er mir den Bauch und meinte heiser „Du liegst hier wie ein dicker Kater, der sich sonnt, und lässt dich streicheln…“, ehe er sich von mir abwendete und geschäftig in seinem Rucksack wühlte. Ich wog ab, etwas zu erwidern, merkte aber, dass Basti die Situation unangenehm war und ließ es besser. Ich fragte mich, was in ihm vorging, doch ich kam zu keinem Ergebnis. Nachdem Basti eine geraume Weile seine Tasche umgepflügt hatte ohne im Endeffekt etwas heraus zu nehmen, schaffte er es auch wieder mir in die Augen zu gucken. „Wir sollten vielleicht besser wieder zum Zelt zurück. Du hast fast zwei Stunden gepennt und langsam wird mir die Sonne hier echt zu viel.“, wandte er sich leise an mich. Zwei Stunden? Anscheinend war meine Nacht kürzer und ich müder als gedacht gewesen, sodass ich so lange geschlafen hatte. Da Basti aber auch recht fertig und vor allem schon rot auf der Nasenspitze aussah, nickte ich einfach. „Ja, lass uns zurückgehen. Ich bekomm außerdem langsam Hunger.“ Mit diesen Worten packten wir unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Weg zurück zum Campingplatz. Die Stimmung entspannte sich wieder und als wir unser Ziel erreichten, quatschte Basti wieder wie immer auf mich ein und berichtete mir von peinlichen Strandaktionen, die ich verpasst hatte während ich schlief. Manche waren echt zum Wegschmeißen und mir fiel mal wieder auf, wie verrückt Touristen doch manchmal waren. Am Zelt angekommen, zogen wir uns frische Klamotten an und durchforsteten unsere spärlichen Essensvorräte, um dann festzustellen, dass „spärlich“ noch ein sehr optimistischer Ausdruck war. Gemeinsam beschlossen wir eine Gaststätte zu suchen und fanden auch eine direkt auf dem Campingplatz, die aus dem Meer aus bunten Zeltdächern hervor stach. Ich ließ mir die Speisekarte von Basti übersetzen und entschied mich für irgendetwas Seltsames mit exotischem Namen. Es schmeckte dann auch sehr ungewöhnlich, war aber durchaus essbar und machte satt. Basti hatte sich lieber an etwas Klassisches gehalten und beobachtete mich die ganze Zeit misstrauisch. Wahrscheinlich dachte er, dass mir jeden Augenblick ein Bissen im Hals stecken bleiben, ich grün anlaufen und schon gar nicht meine Portion runterkriegen würde. Doch da musste ich ihn enttäuschen. Nachdem er merkte, dass er falsch lag, warf er mir nur einen Typisch-Felix-Blick zu und schüttelte den Kopf. Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile und als die Nacht begann hereinzubrechen, machten wir uns auf den Rückweg zum Zelt. Basti schien nach dem Tag am Strand auch relativ geschafft zu sein. Mir ging es da besser, aber ich hatte ja auch den halben Tag verpennt und war somit außer Konkurrenz. So kuschelten wir uns schon recht früh nebeneinander in unsere Schlafsäcke und setzten unsere Unterhaltung – wenn man es trotz geringem Sinnhalt so nennen konnte - fort. Ich erwartete jeden Augenblick, dass Basti mitten im Satz verstummen und einschlafen würde, doch das tat er nicht. Nach einer Weile kam mir wieder in den Sinn, dass ich ihn nach Marie hatte fragen wollen, und nach einigen Überlegungen raffte ich mich auf, dies jetzt zu tun. Ich fragte Basti, warum sie sich getrennt hatten und es dauerte einige Augenblicke bis eine Antwort kam. Ich hatte schon fast nicht mehr damit gerechnet. „Ich weiß auch nicht… Ich glaube, es hat nicht gepasst…“ „Wie meinst du das, nicht gepasst?“ Basti schien zu überlegen. „Ich kann dir das nicht erklären, ich kann es mir ja nicht mal selbst erklären. Es ging irgendwie nicht und außerdem…“ Er verstummte. „Außerdem…?“, hakte ich vorsichtig nach, als er nicht weiter sprach. „Außerdem…“ Stille, dann ein resignierendes Seufzen. „Vergiss es… Ich kann dir das jetzt nicht sagen.“ Bastis todernste Stimme ließ mich schlucken und ich rutschte näher zu meinem Freund heran. „Basti, du bist irgendwie seltsam zur Zeit. Was ist denn los?“ Das Rascheln von Bastis Schlafsack war das einzige, was ertönte, dann lag er wieder still und die Ruhe der Nacht hüllte uns ein. Mein Herz hatte unbemerkt zu pochen angefangen und ich spürte die Spannung, die in der Luft lag. Doch nichts geschah. Ich wollte Basti gerade fragen, ob er eingeschlafen sei, doch da hauchte er urplötzlich ganz leise: „Felix, halt mich bitte nicht für verrückt oder so, aber darf ich in deinen Arm…?“ Ich erstarrte und mein Herz schlug mir nun endgültig bis zum Hals. Ich schluckte unsicher und meinte dann ebenso wispernd: „Natürlich, komm her!“ Ein kurzes Zögern, dann raschelte wieder Bastis Schlafsack und ich fühlte wie er mir immer näher kam. Ich öffnete meinen und machte ihm Platz, sodass er ganz nah an mich heran rücken konnte – wenn er denn wollte. Ich wusste nicht, was mit meinem Freund los war, doch ich spürte eine gewisse Traurigkeit, die von ihm ausging und den Wunsch in mir weckte, ihn zu trösten. Dieses Gefühl überdeckte sogar jegliche zweideutigen Gedanken, die ich sonst auf jeden Fall in dieser Situation gehabt hätte, denn immerhin kuschelte Basti sich dicht an mich. Ich legt meinen einen Arm um seine Schultern und der andere ruhte auf seiner Hüpfte. Bastis warmer Atem war deutlich in meiner Halsbeuge zu spüren und ein starkes Gefühl der Zuneigung durchflutete meinen Körper. Es war eine schöne Empfindung und instinktiv zog ich Basti näher an mich heran, was ihn dazu veranlasste noch dichter zu mir zu rutschten und sich regelrecht an mich zu pressen. Sein eines Bein lag warm und schwer zwischen meinen Oberschenkeln und ich wusste, so nah war ich meinem Freund noch nie gekommen. Sanft begann ich seinen Rücken zu streicheln und nach und nach fiel die Spannung von ihm ab. Sein Körper wurde schwerer und seine Atemzüge langsamer und tiefer. Als ich mir sicher war, dass er eingeschlafen war, schloss auch ich die Augen und ergab mich der Nacht… « Flashback Ende >> Kapitel 6: The Beginning Of The End ----------------------------------- Autor: Ju-chan Teile: 6/11 abgeschlossen: ja Viel Spaß! The Beginning Of The End Mein Herz fühlte sich mit einem Mal so schwer an. Das Foto in meiner Hand weckte Erinnerungen, die ich lange versucht hatte zu verdrängen und schließlich wirklich vergessen hatte. Diese Nacht, damals vor sieben Jahren, war nur der Beginn des Endes, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ich hatte mich nur gewundert, warum Basti sich so seltsam benahm, hatte mich aber damit begnügt, ihn zu trösten. Basti hatte bisher immer mit mir geredet, wenn es etwas Wichtiges gab und er würde es auch dieses Mal tun, das hatte ich mir gesagt. Es ist ja nicht so, dass ich damit falsch lag… Ich atmete tief ein und ließ mich mit dem Rücken gegen das Schränkchen sinken, in dessen Schublade ich das Foto gefunden hatte. Ich fühlte mich kraftlos und traurig. Der Urlaub war eigentlich klasse gewesen. Basti war klasse gewesen, das war wohl zu guter Letzt der ausschlaggebende Punkt gewesen. Als ich am nächsten Morgen erwacht war, hatte Basti immer noch in meinem Arm gelegen und geschlafen wie ein Murmeltier. Ich hatte beschlossen ihn nicht zu wecken und ihn einfach noch weiter zu halten. Wer wusste, ob sich für mich noch mal eine Gelegenheit ergab, meinem Freund so nah zu sein – und wir waren uns wirklich nah, wie mir auffiel, als ich bewusst versuchte das Knäuel aus Armen und Beinen nachzuvollziehen, das wir bildeten. Irgendwann war Basti dann langsam erwacht und hatte sich wortlos aus meinen Armen gedreht und noch wenige Minuten einfach nur so dagelegen. Als er sich später erhob, benahm er sich wie immer, als wenn nichts geschehen wäre – aber das war es ja auch nicht, oder? Die restlichen Tage verbrachten wir gammelnd in der Sonne, am Meer, in kleinen Touristeneinkaufsstraßen und in Eisdielen. Es war ein schöner Urlaub und mit Basti machte einfach alles Spaß. Er war irgendwie anhänglicher als sonst und ich genoss es, wenn er meine Nähe suchte. Ich war verblüfft, wie genau ich mich noch an diesen Sommerurlaub erinnern konnte, hatte ich doch schon mehrere Jahre gar nicht mehr an ihn gedacht. Wieder musterte ich das Bild in meinen Händen. Dieses Lächeln hatte ich an Basti geliebt. Ich dachte an den Tag zurück, an dem das Foto entstanden war, es war der vorletzte Urlaubstag gewesen… « Flashback » Aufgeregt saß ich neben Basti in einem kleinen spanischen Gammelzug, der uns in die nächst größere Stadt bringen sollte, wo wir unseren vorletzten Tag hier verbringen wollten. Das Meer und der Strand waren ja gut und schön, doch wir wollten noch mehr von dem Land sehen als unseren kleinen Ferienort. Und so warteten wir quatschend, dass der Zug sein Ziel erreichte. Als es endlich so weit war, stürzten wir uns in die Menschenmenge der Stadt, die sich durch die engen Gassen und großen Einkaufsstraßen schob. Wir kamen an unendlich vielen Souvenirshops und Restaurants vorbei, die mit ihren horrenden Preisen Touristen gleichermaßen anlockten wie abschreckten. „Oh man, ist das hier voll!“, stöhnte Basti lachend auf und griff plötzlich nach meiner Hand. Verwirrt blickte ich ihn an, doch er nickte nur nach vorne. Dann sah auch ich die riesige Menschentraube einer Reisegruppe, die uns just in diesem Moment erreichte und an uns vorbeizwängte ohne Rücksicht auf Verletzte oder Verluste. Als Basti mich an der Hand durch die Masse hindurch manövriert hatte, zog er mich lachend auf ein kleines Eiscafé zu und ließ sich auf einen Stuhl am letzten freien Tisch nieder. „Hier bleib ich die nächsten Stunden bis wir zurück fahren. Das ist ja mörderisch hier!“, erklärte er kopfschüttelend aber munter zugleich. Also ließ auch ich mich an diesem Tischchen nieder und ergriff die Speisekarte. „Wie du meinst. Dann will ich aber auch Eis!“, meinte ich fordernd, worauf er nur die Augen verdrehte. „Dann kauf dir welches, du Vielfraß!“ Ich zog einen Schmollmund und meinte gespielt säuerlich. „Nö, kauf du mir welches!“ Wieder ein Kopfschütteln von Basti. „Na gut… wie viele Kugeln dürfen es denn sein? Reichen fünf oder doch eher fünfzehn?“, neckte er mich, doch ich erwiderte nur ernst: „Fünfzehn.“ „Du spinnst doch!“, grinste er mich an und entriss mir die Eiskarte. Doch ich meinte es ernst. „Ich mein das so. Ich möchte gern fünfzehn Kugeln Eis haben.“ Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust und Bastis Augen wurden immer größer. „Du bist doch verrückt. Wo willst du die denn alle hinschaufeln?“ Ich lehnte mich zurück und ließ meine Hand über meinen Bauch streichen. „Da ist viel Platz, das kannst du mir glauben!“ Herausfordernd blickte ich ihm in die schönen Augen. Basti klappte die Eiskarte zu und legte sie betont gerade vor sich auf den Tisch. Dann erwiderte er meinen Blick und ich sah das Glitzern in seinen blauen Augen, die ich so liebte. Das nur zu gut bekannte Lächeln ließ auch nicht lange auf sich warten und es war das Umwerfendste, was es meiner Meinung nach gab. „Okay, du Vielfraß. Du bekommst deine fünfzehn Kugeln Eis. Aber nur, wenn du zu den Leuten an den Nachbartisch dort gehst…“, er nickte nach links, „… und ihnen erklärst, dass du gerne ein Bild mit ihrer Kamera machen willst. Das ist eine Polaroid-Kamera und du musst sie davon überzeugen, dass wir das Bild behalten dürfen.“ Er grinste überheblich… und ich war verdutzt. Vorsichtig blickte ich zu den Leuten herüber und auch zu der großen Kamera, die neben dem Mann auf dem Tisch lag. Es war eine Familie mit zwei Kindern, die gerade dabei waren ihre Eisbecher zu verspeisen – oder genauer das Eis darin, wobei der Mann den Anschein machte, als würde er auch kein Problem mit dem Becher an sich haben. Ich schluckte. Noch dazu schien es so, als wenn es eine einheimische Familie war und die sprach sicher kein Deutsch… und ich kein Spanisch. Da hatte Basti sich ja was Tolles einfallen lassen, um mich um meine fünfzehn Kugeln Eis zu bringen. Sicher dachte er, dass die mir den Aufstand nicht wert wären. Aber fünfzehn Kugeln Eis, gab eine Stimme in meinem Inneren zu bedenken. Und der Gesichtsausdruck von Basti, wenn ich es echt schaffen sollte, war sicher auch unbezahlbar, fügte ich stumm hinzu. Wenn er mich herausfordern wollte, kniff ich bestimmt nicht, also nickte ich. „In Ordnung, ich mach das!“, meinte ich großspurig und erhob mich. Basti folgte meinen Bewegungen mit den Augen und schon jetzt lag ein amüsiertes Grinsen auf seinen Lippen. Es dauerte einige Minuten, die ich damit beschäftigt war auf Englisch und mit Händen und Füßen meinem Gegenüber zu erklären, was ich von ihnen wollte. Erst dachten sie wohl, ich will ihnen die Kamera wegnehmen und ich entging nur knapp einem Wutausbruch des Mannes, dann dachten sie Gott weiß was, denn ihr Blicke wurde sehr empört und die spanischen Worte sprudelten nur so aus ihnen heraus. Aber letztendlich schaffte ich es – ich weiß bis heute nicht wie genau – sie davon zu überzeugen, dass ich nur ein Foto machen wollte und sie ihre Kamera dann zurück bekämen. Das leise Lachen der Kinder, die mich anscheinend sehr unterhaltsam fanden, schaffte ich zu ignorieren, doch als ich Basti fast unter dem Tisch liegend vorfand und mit Lachtränen in den Augenwinkeln, wurde ich doch etwas rot. „Du bist blöd!“, meinte ich ernst und zog einen Schmollmund. „Hör auf mich auszulachen, ich hab’s immerhin geschafft!“ „Und wie!“, brachte mein Freund hervor, immer noch von Lachattacken geschüttelt und sich den Bauch haltend. „Los, setz dich ordentlich hin! Zur Strafe mach ich ein Bild von dir!“, forderte ich bockig, doch zu meiner Überraschung gehorchte Basti ohne zu mosern. Er setzte sich gerade hin und schenkte der Kamera – oder mir? - das strahlenste Lächeln, das ich je bei ihm gesehen hatte. Knips und ich hatte es festgehalten. Vorsichtig löste ich das Foto, das sich unten aus der Kamera heraus schob und brachte dann unter erneutem Gekicher von Basti die Kamera zurück zu den Spaniern. Diese hatten uns die ganze Zeit anscheinend kritisch beäugt, doch jetzt wo sie ihren Apparat wieder hatten, lächelte mich sogar der Vater an. Ich bedankte mich ein letztes Mal und setzte mich dann wieder zu Basti. „Okay, du hast dir dein Eis wirklich verdient. Zeig mal das Foto!“ Doch ich schüttelte den Kopf, denn immerhin hatte ich es selbst noch nicht gesehen. „Erst ich!“ Neugierig betrachtete ich das kleine quadratische Stück Papier, von dem mir nun mein Freund Basti entgegen blickte. Die blonden Haare strahlten in der Sonne, die Augen glitzerten frech und er lächelte mich an. Das Bild war unglaublich gut geworden. Das sagte ich Basti auch, welcher darauf hin errötete und es mir förmlich aus der Hand riss, um es selbst zu betrachten. Mit einem leisen Brummen und immer noch rot im Gesicht, gab er es mir zurück und ich ließ es in meine Hosentasche gleiten. Dann bestellten wir fünfzehn Kugeln Eis für mich… Der Abend brach langsam herein und Basti und ich machten uns auf den Rückweg zum Bahnhof. Wir hatten den Rest des Nachmittags damit verbracht in dem Straßencafé zu sitzen, über andere Leute herzuziehen, Eis zu Essen und einfach nur rumzublödeln. Jetzt wo es langsam Abend wurde, war die Sonne hinter dicken Wolken verschwunden, welche immer dunkler wurden und langsam bedrohlich wirkten. „Quatsch, wir sind hier im Süden. Da gibt es keinen Regen!“, meinte Basti überzeugt, doch ich traute den grauen Ungetümen nicht über den Weg. Am Bahnhof angekommen überflogen wir die Abfahrtstafel, doch irgendwie wurden wir nicht fündig. „Basti? Meintest du nicht, da fährt noch ein Zug?“ Ich sah Bastis Blick die Tafel rauf und runter huschen. „Ja, eigentlich schon… Warte…“ Damit verschwand er zu dem kleinen Ticketschalter und ich hörte, wie er in ruhigem Schulspanisch der Kassiererin versuchte etwas mitzuteilen. Nach einigen Minuten kam er etwas niedergeschlagen zurück. „Also, sie meint, dass es keinen Zug bis zu uns in den Ort mehr gibt, wenn ich sie richtig verstanden habe.“ „Und nun?“ Meine Alarmglocken begannen zu läuten. Ich hatte keine Lust die Nacht im Freien zu verbringen. „Na ja, es gibt einen Zug, doch der hat seine Endstation zwei Orte vor unserem. Von dort aus müssten wir dann zu Fuß weiter.“ Meine Augen wurden groß. „Zu Fuß?“, keuchte ich. „Wie weit?“ „So sechs oder sieben Kilometer.“ „Sechs oder sieben?“ Das konnte doch nicht Bastis Ernst sein! Doch der grummelte mich nur an. „Nun stell dich nicht so an. Das wirst du doch wohl zu Fuß schaffen! Du kannst auch gerne hier im Freien übernachten!“ Ich schluckte. „Okay okay. Nun sei nicht gleich so zickig…“ „Ich bin nicht zickig…“, murrte Basti und ließ die Schultern hängen. Aus einem plötzlichen Impuls heraus schritt ich zu ihm hinüber und zog ihn sanft in meine Arme. „Dann laufen wir halt den Rest. Ich glaube bloß, ich bin dir beim Wegfinden keine Hilfe. Du kennst meinen Orientierungssinn…“ Basti erwiderte meine Umarmung zaghaft. „Es tut mir Leid…“ „Das ist doch nicht deine Schuld. Wir kommen schon zurück!“ Ich spürte ihn an meiner Wange nicken und drückte ihn ein letztes Mal an mich, ehe ich ihn losließ. Mit einem aufmunternden Lächeln lotste ich ihn zum Schalter. Schnell kauften wir Fahrkarten und stiegen dann in den besagten Zug. Er war relativ leer und wir suchten uns zwei Plätze. Basti schien immer noch etwas bedrückt zu sein, doch auf eine dementsprechende Frage winkte er nur ab. „Ich bin müde, das ist alles…“, gab er zurück und es dauerte auch gar nicht lange bis sein Kopf langsam gegen meine Schulter sackte und ich seinen ruhigen tiefen Atem an meinem Hals spürte. Ein leises Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Basti war schön warm und er roch nach Sonne. Zufrieden schloss auch ich die Augen und genoss seine Nähe. Ich musste ebenfalls für kurze Zeit eingenickt sein, denn als ich die Augen öffnete, war der graue Himmel draußen in ein dunkles Schwarz übergegangen und dicke Regentropfen prasselten gegen die Scheibe. Ich zog überrascht die Luft ein und dachte kurz an unseren bevorstehenden Fußmarsch. Basti schlief immer noch mit dem Kopf an meiner Schulter, doch da wir bald da sein mussten, beschloss ich ihn zu wecken. Sanft legte ich meine Hand auf seine freie Wange und streichelte sie. „Basti, wach mal bitte auf. Wir müssten bald da sein.“ Ein müdes Seufzen ertönte und an Bastis unregelmäßigem Atem merkte ich, dass er aufgewacht war. Träge hob er seinen Kopf von meiner Schulter und blickte mich aus kleinen müden Augen an. „Schon da?“ „Ja fast und draußen regnet es leider…“ Basti, der seinen Kopf gerade wieder ablegen wollte, blickte bei dem Wort „Regen“ schnell zum Fenster und hielt ebenfalls überrascht die Luft an. „Regen? Da draußen ist ja Weltuntergangsstimmung!“ Ich knuffte ihn in die Seite. „Dann schwimmen wir halt zum Campingplatz!“ „Haha, du oller Scherzkeks!“ Ich knuffte ihn erneut. „Nun hab dich mal nicht so, du bist vielleicht süß, aber nicht aus Zucker!“, ermahnte ich ihn. Erst als ich seinen verwunderten Blick sah, fiel mir auf, was ich gerade gesagt hatte und ich spürte meine Wangen rot werden. Schnell guckte ich aus dem Fenster. Ich spürte, wie Basti seine Hand auf meinen Oberschenkel legte. „Dann werden wir halt nass, nicht wahr?!“, meinte er sanft aber zuversichtlicher. Von dieser Zuversicht spürten wir aber beide nicht mehr viel, als der Zug an seiner Endstation hielt und uns in die feuchte Dämmerung entließ. Kapitel 7: Changes ------------------ Autor: Ju-chan Teile: 7/11 abgeschlossen: ja Für Kommentare bin ich immer offen, dann weiß ich wenigstens, dass irgendwer dies hier liest. :( Viel Spaß! Changes Unser Fußmarsch zum Campingplatz dauerte länger als erwartet und als wir das Eingangstor des Platzes erreichten, war es schon vollkommen dunkel geworden. Dafür hatte der Regen aufgehört – was uns auch nicht viel brachte, da wir beide so oder so bis auf die Haut durchnässt waren. Nun ergab sich uns ein anderes Problem. Wieder einmal war das Tor verschlossen. Ich ließ den Kopf hängen. „Müssen wir da wieder rüberklettern?“ „Ich glaub schon…“, meinte Basti, klang aber auch nicht begeistert. „Ich fang dich dieses Mal auf, falls du fällst…“, fügte er leise hinzu, schwang sich dann aber ohne meine Reaktion abzuwarten über das Tor. Dieses Mal kam auch ich heil rüber, auch wenn ich mehrere Mal fast abgerutscht wäre. Tropfnass trottete ich neben Basti zu unserem Zelt und fragte mich stumm, wie er es in dieser Dunkelheit auf Anhieb hatte finden können. Ich wäre sicher drei Runden um den Platz geirrt, ehe ich es entdeckt hätte. Etwas unschlüssig und durchnässt stand ich vor dem Zelt, doch Basti neben mir blickte mich nur von der Seite an. „Mit den nassen Klamotten sollten wir nicht ins Zelt.“ Mit diesen Worten begann er sich aus seinen Anziehsachen zu schälen und warf alles nach und nach auf einen Haufen vor den Eingang. Fasziniert beobachtete ich ihn dabei und allein das, was mir das fahle Mondlicht offenbarte, ließ mein Herz höher schlagen. Bastis sehniger Körper glänzte im Licht und seine geschmeidigen Bewegungen hielten meinen Blick so lange gefangen, bis er nur noch mit Boxershorts bekleidet neben mir stand. Er wusste gar nicht, was für eine Wirkung er auf mich hatte und das sein Anblick eine Hitze in meinem Körper auslöste, die sich in einem gewissen Punkt fokussierte. Als er fertig war, merkte er wohl, dass ich ihn anstarrte und sein Blick wurde fragend. Verlegen drehte ich mich ein wenig weg von ihm und begann nun meinerseits die nassen Klamotten loszuwerden. Mich gerade jetzt vor ihm auszuziehen, war auch nicht das, was ich mir am meisten wünschte, aber immerhin musste ich ihm so nicht in die Augen gucken. Sicher hätte er in ihnen gelesen, dass ich jetzt am liebsten über ihn hergefallen und seinen schönen Körper an allen Stellen berührt hätte. Bei diesem Gedanken konnte ich spüren, wie ich hart wurde. Da ich gerade dabei war, meine kurze Hose auszuziehen, hielt ich erschrocken inne. Hoffentlich merkt er nichts, betete ich stumm. Sanfte Finger, die meine Wirbelsäule nachfuhren ließen mich aufkeuchen und ein Zittern durch meinen Körper fahren. Basti musste dies gemerkt haben, doch trotzdem hörten die Streicheleinheiten nicht auf. Gequält und genießend zugleich schloss ich die Augen und fragte mich verzweifelt, ob er wusste, was er gerade in mir anrichtete, und warum er dies tat. Die sanften Finger wanderten nun über meine Seiten hin zu meinem Bauch und blieben auf ihm liegen. Basti stand nun direkt hinter mir und sein Kinn ruhte auf meiner Schulter. „Ich möchte jetzt noch duschen gehen. Kommst du mit?“, fragte er leise dich an meinem Ohr. Überrascht drehte ich meinen Kopf, um ihm in die Augen sehen zu können und wurde von dem lüsternen Glitzern, das in ihnen lag, schier erschlagen. Ich brauchte einen Moment, um zu antworten. „Ja, ich komm gleich nach. Geh schon mal vor…“ Seine Finger zogen einen letzten Kreis auf meinem Bauch, dann löste sich Basti von mir. Bildete ich mir das leise „Beeil dich…“ ein, als er ging? Mit pochendem Herzen und einer schon jetzt viel zu großen Erregung stand ich in der Dunkelheit und wusste nicht, was eben geschehen war. Hatte ich mir das gerade nur eingebildet oder war das wirklich Lust in Bastis Augen gewesen. Wenn ja, woher kam sie auf einmal und vor allem seit wann hatte ich damit etwas zu tun? Hatte er in dieser Woche gemerkt, wie es in mir aussah? Ich musste zugeben, ich hatte wenig unternommen, um meine Gefühle zu verbergen. Im Gegensatz, ich hatte sie eher frei ausgelebt, aber was sollte das mit Bastis lasziven Blicken und Worten von eben zu tun haben. Oder bildete ich mir das ganze Zweideutige nur ein? Ich war komplett verwirrt und erwog es sogar, doch nicht zu ihm zu gehen. Was, wenn er nur eine spontane Laune auslebte? Was, wenn wir etwas taten, was wir später bereuten? Ich war mir meiner Gefühle zu ihm bewusst, aber was, wenn er auf diese Weise von ihnen erfuhr? Konnte ich damit leben, wenn wirklich etwas geschah und es bei diesem einen Mal bleiben würde und er vielleicht so tun wollen würde, als wenn es nicht geschehen war? Ich stieß einen Seufzer aus und beschloss mir nicht so viele Gedanken zu machen. Sicher wollte er nur duschen und dann schlafen. Mir weitere Grübeleien verbietend, fischte ich die Badehandtücher aus dem Zelt und folgte meinem Freund… Als ich das kleine schlicht gehaltene öffentliche Duschhaus betrat, hörte ich schon das Rauschen von Wasser. Warmer Wasserdampf kam mir entgegen, doch es brannte kein Licht. Dämmriges Mondlicht ließ nur undeutlich die Wände und Türen erkennen. Ich schmiss unsere Handtücher auf eine Bank im Vorraum und betrat dann den Raum mit den Duschen. Der Wasserdampf wurde immer dichter und kurz war ich überrascht, dass es hier mitten in der Nacht noch warmes Wasser gab. Dann sah ich aber die Gestalt, die sich im Mondlicht unter der einen Dusche abzeichnete und von der man deutlich sah, dass sie unbekleidet war. Ich lachte lautlos auf, warum sollte man auch bekleidet duschen? Ich streifte meine kurze Hose endlich von den Beinen, zögerte jedoch bei den Boxershorts und beschloss sie anzulassen. Innerlich schüttelte ich den Kopf über mich selbst. Zaghaft trat ich an die Dusche neben Bastis, stellte sie auf warm und schaltete sie ein. Warmes Wasser floss über meinen vom Regen ausgekühlten Körper und entlockte mir ein wohliges Stöhnen. Ich schloss die Augen und versuchte Basti neben mir nicht zu beachten. Vielleicht ließ er mich ja in Ruhe… doch wollte ich das denn? Ich verbat mir zu denken. Es dauerte einige stille Momente, ehe ich deutlich die Nähe von meinem Freund spürte. Basti war lautlos zu mir herüber getreten und mein Gefühl sagte mir, dass er nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt stehen musste. Zögerlich öffnete ich die Augen und blickte direkt in die seinigen, die in der Dunkelheit geheimnisvoll glitzerten. Ich rührte mich nicht, sondern starrte ihn einfach nur an, worauf, Basti noch ein Stück dichter kam. Haut traf auf Haut, es war als würde ein Stromschlag mich treffen und ich gab einen leisen stöhnenden Laut von mir. Überrascht über mich selbst, kniff ich die Lippen zusammen und versuchte in Bastis Augen zu lesen, was er von mir dachte, ob er auf etwas Bestimmtes wartete. Bastis Arme schlangen sich wortlos um meine Hüften und er presste sich an mich, den Kopf auf meine Schulter gebettet, Wange an Wange. Ich erstarrte zur Salzsäule, da mir plötzlich seine Nacktheit umso bewusster wurde und ich nicht mehr atmen konnte. Wie oft hatte ich schon von solch einer Situation geträumt und warum konnte ich sie jetzt, wo sie Wirklichkeit wurde, nicht einfach ergreifen? Süße Lippen legten sich vorsichtig auf die empfindliche Haut meines Halses über dem Schlüsselbein und ich hielt die Luft an. Ich wollte etwas sagen, doch meine Kehle war wie zugeschnürt. Eine weiche warme Zunge glitt sanft über die Stelle, wo eben noch die Lippen gelegen hatten… und schaltete meine Fähigkeit zu denken aus. Ich stöhnte ungehalten auf und spürte wie ich hart wurde. Ausgehungert schlossen sich meine Arme um die Hüften meines Freundes und zogen ihn enger an mich heran, ruhten erst auf seinem Rücken und rutschten dann auf seinen Hintern hinunter. Ich konnte spüren, dass auch Basti erregt war und drückte mich noch enger an ihn. Die Zunge verschwand und ich merkte, wie sein Kopf sich zu mir drehte. Dunkle Augen trafen auf dunkle Augen und die Zeit schien für einen Moment still zu stehen. Wollte er mir die Chance geben, das ganze zu beenden? Ich wollte sie ihm auf jeden Fall geben… zumindest für den Bruchteil einer Sekunde, dann konnte ich den Lippen, die meinen so nah waren, nicht mehr widerstehen, ihren samtenen Anblick nicht länger ignorieren. Fordernd presste ich meine Lippen auf sie, raubte Basti unseren ersten Kuss. Er ließ ihn keuchen und für einen Moment wollte ich mich zurückziehen, dann ging Basti jedoch darauf ein und erwiderte ihn leidenschaftlich. Eine vorwitzige Zunge bettelte förmlich um Einlass, den ich ihr nur zu gerne gewährte. Begierig saugte ich an ihr und biss Basti sanft auf die Unterlippen. Dieser Kuss schien Ewigkeiten zu dauern und keiner von uns konnte sich lösen. Ich hatte schon so lange davon geträumt, genau dies zu tun und da es nun endlich so weit war, wollte ich den Augenblick niemals mehr verstreichen lassen. Ich spürte wie Bastis Hände sich auf Wanderschaft begaben und meinen Rücken und meine Seiten erkundeten. Auch über meinen Hintern strichen sie, doch ich bemerkte wie er zögerte. Wünschte er sich die Boxershorts weg? Ich jedenfalls tat es, denn langsam wurden sie ziemlich eng. Kurz löste ich mich von meinem Freund und befreite mich von dem Stück Stoff. Sofort fanden Bastis Hände ihren Weg auf die freigelegte Haut und setzten auch hier ihre Erkundungstour fort. Bastis Küsse wurden immer leidenschaftlicher, forscher und wilder. Als er mir unsanft auf die Lippe biss und ich Blut schmeckte, stockte ich. Das wirkte jetzt schon verzweifelt. Mit Mühe löste ich mich von meinem Freund, welcher sein Gesicht abwandte. Vorsichtig drehte ich seinen Kopf in meine Richtung und suchte in seinen Augen nach einer Antwort, auf die stumme Frage was los war. Als ich in ihnen nichts als Traurigkeit lesen konnte, hielt ich den Atem an. „Basti?“, hauchte ich leise. „Was ist los?“ Bereute er es, dass er mich an sich rangelassen hatte? „Küsst du mich?“, war seine einzige Antwort und ich verstand nicht, was los war. Trotzdem tat ich ihm den Gefallen und legte unendlich vorsichtig meine Lippen auf seine. Dieser Kuss war anders als die vorigen. Er war zärtlich und gefühlvoll und veranlasste Basti, der mit einem Mal so zerbrechlich wirkte, sich wieder enger an mich zu drücken. Ich spürte immer noch, dass er erregt war und schickte nun meinerseits meine Hände auf Wanderschaft. Sanft und behutsam streichelte und küsste ich ihn und war bemüht, in jede Berührung so viel Liebe zu legen, wie es nur irgend ging. Es dauerte nicht lange bis Basti das Streicheln erwiderte und wir beide nach einer schier endlosen Zeit in einem Meer aus Wärme und Zärtlichkeit den Höhepunkt fanden… Nachdem wir noch eine geraume Weile Arm in Arm unter dem Wasserstrahl gestanden hatten, hüllten wir uns wortlos in unsere Handtücher und machten uns auf den Weg ins Zelt. Keiner sprach ein Wort, aber die Stille war vertraut, nicht unangenehm. Stumm glitten wir in unsere Schlafsäcke und für einen Moment rührte sich keiner von uns. Dann kam Basti jedoch schüchtern zu mir herübergerückt und ich öffnete einladend die Arme für ihn. Seufzend kuschelte er sich nackt, wie er war, an mich und die Wärme, die er ausstrahlte, war unbeschreiblich. Still hielt ich ihn im Arm und war mir fast sicher, dass er eingeschlafen war, als ich das Zittern seines Körpers spürte. Kühle Tropfen trafen auf meine Halsbeuge, in der er sein Gesicht gebettet hatte, und ich erschrak innerlich. „Basti, weinst du?“ Wie als Antwort konnte er sein Schluchzen nicht mehr zurückhalten und seine Tränen begannen hemmungslos zu fließen. Ich konnte nichts weiter tun, als ihn wortlos in meinen Armen halten, beruhigend über seinen Rücken streicheln und ihm Trost spenden. Nach einer geraumen Zeit beruhigte er sich wieder und das Zittern ließ nach. In mir herrschte ein Gefühlschaos, das von Angst dominiert wurde. Hatte ich etwas Falsches gemacht? „Bereust du es?“, fragte ich leise in die Dunkelheit der Nacht und ich konnte spüren, wie Basti überrascht seinen Kopf hob, doch es war zu dunkel, um seine Augen zu erkennen. „Ich bereue alles, Felix… nur das nicht…“ waren die letzten Worte, ehe er an mich gekuschelt einschlief. Ich lag noch lange wach und dachte über seine Erwiderung nach. Eigentlich sollte ich mich über sie freuen, doch irgendwas begriff ich noch nicht… und ich kam nicht dahinter was es war… Doch das sollte sich am folgenden Tag ändern… Kapitel 8: Over The Edge ------------------------ Autor: Ju-chan Teile: 8/11 abgeschlossen: ja Für Kommentare bin ich immer offen, dann weiß ich wenigstens, dass irgendwer dies hier liest. :( Viel Spaß! Over The Edge Das dumpfe Geräusch von Regen, der unerbittlich auf unser Zelt prasselte, wecke mich am nächsten Morgen. Draußen schien es schon hell zu sein, wenn auch nur trübes Licht durch das Zeltdach hereinfiel. Basti lag immer noch in meinem Arm und schien tief zu schlummern. Die Tatsache, dass wir beide nackt waren, ließ mich an die letzte Nacht denken, aber auch an Bastis schmerzhafte Traurigkeit danach. Ich grübelte schon eine ganze Weile und versuchte die Puzzelteile zu ordnen, als mein Freund sich langsam zu regen begann. Forschend blickte ich in sein Gesicht bis sich die schönen blauen Augen, die ich so liebte, endlich öffneten und mich überrascht ansahen. Fast erwartete ich, dass Basti aufspringen würde, doch das tat er nicht. Stattdessen schlossen sich seine Augen wieder und er drückte sein Gesicht in meine Halsbeuge. Warme Lippen auf meiner Haut. Für einen kurzen Moment verharrten wir so, dann löste Basti sich doch von mir und rollte sich ungeschickt zu seinem Schlafsack hinüber. Ich erhaschte einen Blick auf seinen nackten Körper, ehe er ihn verhüllen konnte. Er drehte sich auf den Rücken und starrte aus müden Augen die Zeltdecke an. „Alles okay bei dir?“, durchbrach ich die Stille. Erst reagierte er gar nicht, doch dann drehte sich sein Kopf langsam und sein Blick fiel auf mich. „Nein… nicht wirklich…“ Ich musste ob dieser Antwort schlucken. „Magst du mir sagen, was los ist?“ Jetzt wich er meinem forschenden Blick aus, sprach aber leise. „Also, ich… eigentlich wollte ich es dir damals schon sagen…“ Er verstummte und eine unglaubliche Spannung erfüllte die Luft. „Was?“, hauchte ich atemlos. Doch er schüttelte nur den Kopf, griff nach seiner Boxershorts und verschwand mit den Worten „Ich bin gleich wieder da“ aus dem Zelt. Ich fühlte mich vor den Kopf geschlagen. Warum sprach dieser Idiot nicht endlich mit mir? Was gab es denn so schlimmes? Es schien eine Ewigkeit zu dauern bis er wieder zurück kam und ich nutze die Zeit, um mich anzuziehen. Als er ins Zelt kroch, waren seine Haare feucht vom Regen und sein Gesicht ziemlich blass. Er ließ sich im Schneidersitz auf seinem Schlafsack nieder und blickte mich wartend an. Seufzend wiederholte ich meine Frage. „Was?“ Wortlos blickte er mir ins Gesicht, dann holte er tief Luft. „In zwei Wochen bin ich weg.“ Ich blinzelte. „Wie weg?“ „Ich ziehe um.“ Ich war verwirrt. „Wie? Du ziehst um?“ „Na ja, ich zieh halt um.“ „Wohin?“, ich spürte den schrillen Unterton, den meine Stimme immer bekam, wenn ich in Panik geriet. „Nach Boston.“ Mein Kiefer klappte nach unten – zumindest fühlte es sich so an. „Das Boston in Amerika?“ Er nickte zögerlich und stieß mich damit in einen tiefen Abgrund. „Wie lang weißt du das schon?“, hörte ich mich sagen. Er blickte betreten auf seinen Schlafsack. „Lange.“ „Aha… und ich erfahr das natürlich erst jetzt. Warum hast du es mir nicht schon früher gesagt?“ Ich spürte Wut in mir aufkochen. Wer war ich denn für ihn, dass er mir so kurz vor seinem Verschwinden mitteilte, dass er bald weg wäre. Ich dachte, ich wäre sein bester Freund. Hätte er nicht mit mir zuerst solch einen Schritt besprechen müssen? „Ich konnte es dir nicht sagen…“ „Warum nicht?“, schnappte ich böse. „Weil ich wusste, dass du es nicht verstehst.“ „Ach, das tu ich also nicht?“, meinte ich giftig und sein viel sagender Blick ob meines Tones sprach Bände. „Okay, dann versteh ich es halt nicht, aber trotzdem hättest du mit mir reden müssen!“ Er seufzte geschlagen. „Für mich ist das auch nicht so einfach!“ „Und warum tust du’s dann? Warum ziehst du weg?“ „Ich hab ein Stipendium an einer sehr guten und eigentlich teuren Uni bekommen und das muss ich einfach annehmen.“ Ich spürte Tränen in meinen Augen. Natürlich verstand ich, dass er es annehmen musste, aber ich verstand nicht, warum er erst jetzt mit mir redete. Das war doch nicht fair. Wieder wuchs mein Groll. „Hast du deswegen mit Marie Schluss gemacht. Damit ihr während der Trennung frei seid?“, fragte ich vorwurfsvoll und verletzt zu gleich, da nun viele Puzzelteile ein Gesamtbild ergaben und ich mich darüber ärgerte, dass Marie sicherlich schon besser bescheid wusste als ich. Nun wurde auch seine Stimme lauter. „Nein, hab ich nicht!“ „Warum dann? Und was sollte das gestern?“ Basti stutzte. Anscheinend überraschte ihn die Frage, denn er öffnete und schloss den Mund mehrere Mal ohne etwas gesagt zu haben. „Lass mich raten, das diente nur deiner eigenen Belustigung, oder? Mir noch mal ordentlich eins reinwürgen, bevor du aus meinem Leben verschwindest, nicht wahr?“ Basti quietschte empört auf als wenn ich ihn getreten hätte – was ich mental ja auch hatten, wie mir später klar wurde. „Hör auf solchen Scheiß zu labern! Wie kommst du darauf? Warum sollte ich dir eins reinwürgen?“ Ich war so wütend, dass ich nur noch auf Schmerz verursachen aus war, um meinen eigenen Schmerz zu überdecken. „Weil du ein Arschloch bist. Du hast genau gemerkt, wie viel du mir bedeutest und das hast du für deinen eigenen Spaß ausgenutzt, ohne daran zu denken, wie ich mich dabei fühle! Oder hast du dir gedacht, machen wir Felix noch ein letztes Mal richtig scharf und wecken Hoffnung in ihm, um sie dann mit einem heiteren Lachen zu zertreten und auf Wiedersehen zu sagen!?“ Ich warf mit Vorwürfen um mich und ignorierte dabei auch die Stimme in meinem Kopf, die mir zu bedenken gab, dass Basti ganz und gar nicht heiter lachte. Im Gegenteil, nun quollen dickte Tränen aus seinen Augen. Anscheinend hatte ich ihn tiefer getroffen als erwartet. „So denkst du also von mir? Du bist ein richtiger Bastard! Geht mal etwas nicht nach deinen Wünschen, dann trittst du auf anderen Leuten herum. Ich weiß nicht, warum ich es dir jetzt noch sagen sollte, aber ich mache es trotzdem. Felix, ich mag dich wirklich, sehr sogar. Ich hab mich von Marie getrennt, da ich gemerkt hab, dass nicht sie der Mensch ist, für den mein Herz schlägt, sondern du. Und wenn mir das früher klar geworden wäre, hätte ich dieses scheiß Stipendium vielleicht doch nicht angenommen und wäre hier geblieben. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Ich wünschte auch ich hätte nicht so lange gebraucht um es zu merken. Und eigentlich wollte ich es auch für mich behalten, dass ich dich mag, da ich dachte, es könnte zwischen uns stehen. Aber nach diesem Urlaub… ich weiß nicht, du hast so gesprüht vor Zuneigung, dass ich nicht gehen konnte ohne zu wissen, was du für mich fühlst, was ich wirklich fühle… und ich weiß, dass es egoistisch von mir war, aber es kam so über mich. Ich liebe dich, du Scheißkerl, und du denkst nur daran, wie es für dich ist. Denk mal bitte darüber nach, was du mir gerade alles an den Kopf geworfen hast, das tat verdammt weh!“ Bastis Stimme war von Satz zu Satz lauter geworden und sein Tränenfluss war versiegt. In seinen Augen konnte ich nichts weiter als Wut und Groll erkennen und eine gehörige Portion Stolz. Doch damit war er bei mir an der falschen Adresse. Auch ich sprühte vor Wut und ließ seine Worte von mir abprallen. Wenn er früher mit mir geredet hätte, wäre das Ganze nicht passiert, schallte es in meinem Kopf. Und anstatt über seine Worte nachzudenken, schob ich jegliche Schuld auf ihn. Er hatte alles falsch gemacht und meine Gefühle nur ausgenutzt. Dadurch, dass er wegging, machte er alles kaputt, ehe es überhaupt beginnen konnte. Genau das sagte ich ihm direkt ins Gesicht, worauf ich mir eine kräftige Ohrfeige einfing. Das Geräusch seiner bloßen Hand auf meiner Wange hallte noch lange in meinen Ohren und nun brach auch der Damm meiner Tränen. Wütend wandte ich mich von ihm ab. „Ich hasse dich!“, zischte ich leise und stürmte aus dem Zelt. Sein verzweifeltes „Felix!“ ignorierte ich und verließ ohne Worte den Campingplatz… « Flashback Ende >> Kapitel 9: Memories ------------------- Autor: Ju-chan Teile: 9/11 abgeschlossen: ja Danke für die lieben Kommentare! Für weitere bin ich immer offen, dann weiß ich wenigstens, dass irgendwer dies hier liest. Viel Spaß! Memories Tränen der Wut liefen über meine Wangen und ich schluchzte ungehalten auf. Wie glasklare Perlen fielen sie auf das Foto in meinen Händen und auf Bastis fröhliches Gesicht. Der Schmerz von damals keimte erneut in mir auf und auch die Wut. Doch dieses Mal war es Wut auf mich selbst und nicht auf Basti. Ich hatte viele Wochen nachdem er umgezogen war, begriffen, dass ich alles falsch gemacht hatte und nicht er. Seine Worte hatten damals so viel Bedeutung, doch ich hatte sie ignoriert. Warum war ich damals so stolz gewesen und hatte ihm alleine die Schuld zugeschoben? Warum hatte ich es zugelassen, dass wir im Streit auseinander gingen? Als ich damals nach vielen Stunden zum Campingplatz zurückgekehrt war, hatte Basti das Zelt schon abgebaut und verstaut. Unsere Sachen waren gepackt, da am Nachmittag die geplante Abreise stattfinden sollte. Wortlos hatte ich mein Gepäck genommen und wir waren stumm nebeneinander nach Hause gefahren. Keiner hatte noch etwas zu sagen gehabt, doch im Nachhinein hatte ich das Gefühl, dass Basti nur auf ein klitzekleines Wörtchen meinerseits gewartet hatte. Doch ich war zu hochmütig gewesen, den Anfang zu machen. So hatten wir nie wieder über das Thema gesprochen. Ich hatte mir die ganze Zeit gesagt, dass es seine Schuld gewesen war und auch als ich eines Tages – es muss ein oder zwei Tage vor seiner Abreise gewesen sein – einen Anruf in Abwesenheit von ihm hatte, hatte ich nicht den Mumm und nicht die Einsicht zurückzurufen. Sonst wäre vieles in meinem Leben anders gelaufen, das ist mir heute klar. Nachdem er weg war, konnte ich mir eingestehen, dass ich es versaut hatte, trotzdem konnte ich keinen Kontakt zu ihm herstellen. Ich redete mich damit raus, dass ich nicht seine Nummer hätte… Heute weiß ich, dass ich feige war und ich überraschte mich gerade selber damit, dass mein Herz bei dem Gedanken an diesen Tag so schmerzte. Ich hatte lange gebraucht um Basti zu vergessen. Er war mein bester Freund und meine erste und einzig wahre Liebe gewesen, das wusste ich heute und ich hatte damals erst spät gemerkt, was mir an ihm eigentlich verloren gegangen war. So hockte ich nun an meinen Schrank gelehnt, das Foto von Basti dicht an meine Brust gepresst und heulend wie ein kleiner Junge in meiner Wohnung und wünschte mir nichts sehnlicher, als die Zeit zurückzudrehen. Doch ich wusste, dass man Vergangenes nicht ungeschehen machen konnte. Bis spät in die Nacht hatte ich mich immer noch nicht gerührt, aber mein Kopf war wieder etwas klarer. Das tiefe Gefühl von Schuld brannte auf meiner Seele und ich fasste einen Entschluss… Ich glaubte, ich hockte nun schon Stunden auf dieser kleinen rostigen Schaukel, die leise quietschte, wenn ich mit ihr vor und zurück schwang. Auf diesem Spielplatz hatte ich als Kind sehr oft mit Basti gespielt. Er lag in meinem Heimatort und war nur eine Straße von Bastis Elternhaus entfernt. Und genau diese Entfernung war es nun, mich noch von der Wahrheit trennte, ob er oder wenigstens seine Eltern noch in dem kleinen Reihenhaus dort wohnten. Ich hatte in der letzten Nacht nicht mehr viel Schlaf gefunden und war schon früh aufgebrochen, da ich es zu Hause nicht mehr ausgehalten hatte. Die Wände meiner Wohnung schienen mich zu erdrücken und so war ich ins Freie geflüchtet. Doch weiter als bis hier hatte ich es nicht geschafft. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, wenn ich vor dem Haus stand. Sollte ich nur einen flüchtigen Blick auf den Namen auf der Klingel werfen? Oder sollte ich sie benutzen und gucken, ob jemand zu Hause war? Vielleicht war Basti ja sogar selbst zu Hause? Oder konnte ich seine Eltern einfach fragen, wie es ihm ging? Wo er war? Was er machte? Ich war am verzweifeln, doch ich hatte das Gefühl etwas tun zu müssen. So erhob ich mich schweren Herzens von der kleinen Schaukel, die mit einem erneuten Quietschen von mir weg schwang. Zögerlich setzte ich einen Fuß vor den anderen und noch nie war mir der Weg so lang vorgekommen. Sollte ich dafür dankbar sein oder es eher verfluchen? Ich bekam nicht viel Zeit über diese bedeutungsschwere Frage nachzudenken, dann bog ich nämlich um die Straßenecke und hatte nun freien Blick auf eine Häuserreihe mit kleinen grünen Vorgärten. Ich zählte die Hauseingänge ab während ich dichter trat. Der dritte von links war es, das wusste ich noch genau. Vorsichtig näherte ich mich… und erschrak fast zu Tode, als plötzlich eine Gestalt hinter einer Hecke in Bastis Vorgarten auftauchte. Verdutzt blieb ich stehen und auch ich wurde bemerkt. Es war eine Frau mittleren Alters, deren Gesichtszüge ich nur zu gut kannte. Bastis Mutter. Auch sie schien zu zögern und ich war schon kurz davor, mich mit dieser Entdeckung zufrieden zu geben und schnell die Flucht zu ergreifen, als ich Erkennung in ihren Augen aufblitzen sah. Nun konnte ich nicht mehr gehen, ich war gefangen. Unschlüssig trat ich von einem Fuß auf den anderen, ehe ich grüßend nickte. Sie strich sich eine im Wind wehende Haarsträhne aus der Stirn und hinterließ mit den grünen Gartenhandschuhen, die sie trug, eine sandige Spur dort. Sie war älter geworden, doch immer noch eine schöne Frau, so wie damals. Basti hatte ihre Augen und das blonde Haar geerbt, auch wenn ihres langsam graue Strähnen aufwies. Ich bekam keinen Ton heraus, da ich mich fragte, wie viel sie von der Sache zwischen Basti und mir wusste. „Du bist Felix, nicht wahr?“, durchbrach sie die gespannte Stille zwischen uns und ich nickte scheu. „Guten Tag, Frau Sievert.“ „Du hast dich ganz schön verändert.“ Ihre Augen musterten mich von unten bis oben. „Du warst lange nicht mehr hier.“ Ein unergründlicher Unterton in diesen Worten ließ mich aufhorchen und ich sah ihr an, dass sie zumindest etwas wusste. „Ja…“, gab ich zu. „Das stimmt.“ Ich holte tief Luft und brachte die Frage hervor, die mir die ganze Zeit auf der Zunge lag. „Ist Sebastian da?“ Wie ungewohnt sein voller Name doch klang, da ich ihn nur selten so genannt hatte. Ich hatte nur vor seiner Mutter das Gefühl, das Recht seinen Kosenamen zu benutzen, verwirkt zu haben. Überraschung trat in ihr Gesicht, jedoch nicht so viel, wie erwartet. „Nein, der ist nicht da… Der ist in Boston.“ Mein Herz sackte zu Boden. War es Erleichterung oder Enttäuschung? Ich wusste es nicht, ich merkte nur, wie es an mir nagte. „Aha…“, brachte ich hervor. „Da kann man nichts machen. Dann geh ich wieder.“ „Soll ich ihm etwas ausrichten?“, bot sie an und schenkte mir einen schwer zu deutenden Blick. „Nein!“, rief ich energischer als erwartet und wurde rot. „Nein, danke, das brauchen Sie nicht!“, fügte ich hinzu, um meine Antwort zu entschärfen. Ich wollte mich gerade mit einem „Tschüß“ zum Gehen wenden, als sie meinte: „Aber nächstes Wochenende ist er da.“ Ich erstarrte und mein Herz begann laut zu pochen. Damit, dass er nach Hause kommen könnte, hatte ich nicht mehr gerechnet. In Boston hieß für mich weg und unerreichbar… doch nun war es etwas anderes. Ich spürte Angst in mir aufkeimen, zwang mich aber trotzdem zu einem Lächeln. „Danke, wenn ich es schaffe, schaue ich dann noch mal vorbei!“ Schnell verabschiedete ich mich und floh zurück nach Hause, in meine eigenen vier Wände, von denen ich mir nun wünschte, dass sie mich erdrückten, solange bis ich keine Luft mehr bekam. Denn Luft bedeutet Sauerstoff für das Gehirn und das hieß denken. Als ich die Tür hinter mir zuwarf, lauschte ich einige Augenblicke in die Stille, welche nur von meinem eigenen Herzklopfen durchbrochen wurde. Laut dröhnte es in meinen Ohren. Eilig entledigte ich mich meiner Schuhe und trat ins Wohnzimmer. Hier war noch alles so, wie ich es gestern verlassen hatte, als ich ins Bett getaumelt war. Der Berg von Schreibpapier lag auf dem Boden neben der leeren Schublade, nur Bastis Foto befand sich sicher in meiner Hosentasche. Plötzlich wütend begann ich die ganzen Unterlagen zurück in die Schublade zu stopfen und als es nicht hinein zu passen schien, hämmerte ich mit den Fäusten darauf ein. Mit Wucht schob ich sie zurück in das Schränkchen und ignorierte die hervorquellenden Papierzipfel. Ich ärgerte mich. Darüber, dass ich diese blöde Schublade überhaupt aufgemacht hatte. Darüber, dass ich dieses Foto gefunden hatte. Darüber, dass ich das Foto überhaupt aufgehoben hatte… und andererseits war ich froh darüber. Ich hatte die Chance etwas wieder gut zu machen. Wenigstens zu sagen, dass es mir Leid tat, auch wenn er meine Entschuldigung vielleicht gar nicht annahm. Doch ich hatte auch Angst, dass seine Ablehnung mir gegenüber zu groß sein könnte… so groß, dass ich sie nicht ertragen konnte. Kapitel 10: Recurrence ---------------------- Autor: Ju-chan Teile: 10/11 abgeschlossen: ja Danke für die lieben Kommentare! Für weitere bin ich immer offen, dann weiß ich wenigstens, dass irgendwer dies hier liest. Viel Spaß! Recurrence Die ganze Woche über hatte ich nichts anderes im Kopf als Basti und das mir bevorstehende Wochenende. Ich schwankte stündlich zwischen dem Entschluss hinzugehen und es lieber zu lassen. Für die Prüfung, die ich in wenigen Tagen noch vor mir hatte, war kein Platz in meinen Gedanken und so sehr ich es auch versuchte, ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich begann mich zu fragen, wie ich es so viele Jahre geschafft hatte, nicht an Basti zu denken… nicht einmal einen kleinen Gedanken an ihn zu verschwenden. Doch ich konnte es nicht nachvollziehen. Basti füllte meinen Kopf aus. Selbst wenn ich versuchte mich in den Schlaf zu flüchten, begegnete er mir in meinen Träumen. Leider träumte ich in den letzten Tagen fast ausschließlich von unserem Streit. Als es nun endlich Samstag und das Wochenende somit offiziell gekommen war, war mir speiübel. Den ganzen Vormittag traute ich mich nicht aus dem Haus. Als es dann Nachmittag wurde, raffte ich mich auf. So konnte das schließlich nicht weitergehen. Was ich Basti sagen würde, wusste ich jedoch noch nicht genau, obwohl ich sicher zwanzig verschiedene Abläufe eines Treffens durchgegangen war. Und so kam ich schließlich in die Straße, in der Bastis Elternhaus stand. Nach einigem Zögern ging ich an den Eingängen der Reihenhäuser entlang und zählte stumm mit. Eins, zwei, drei… Hier war es. Doch ich konnte nicht stehen bleiben. Schnellen Schrittes ging ich die Straße bis zum Ende durch. Vier, fünf, sechs, sieben, acht… dann hielt ich an. Mein Atem ging so schwer als wenn ich gerannt wäre. Ich war kurz davor, wieder nach Hause zu fahren, hielt mich dann aber mit Mühe und Not zurück. Ich versuchte einen weiteren Anlauf, und noch ein und noch einen… da öffnete sich plötzlich die Tür, gerade als ich schon wieder an ihr vorbeigehen wollte. Der Reflex davonzurennen und die Flucht zu ergreifen war übermächtig, doch als ich Basti in der Tür stehen sah, erstarrte ich in der Bewegung. Er hatte sich nicht viel verändert. Seine Haare waren etwas länger geworden, dafür waren sie immer noch so blond und wild wie früher, seine Gesichtszüge waren die gleichen, auch wenn sie etwas reifer wirkten und seine Augen glitzerten immer noch in ihrem aufregenden Blau, das einen automatisch gefangen hielt. Ich hielt den Atem an und spürte wie sich Tränen in meinen Augen sammelten. Ich wollte mich ihm in die Arme werfen, dafür entschuldigen, was ich doch kaputt gemacht hatte und ihm sagen, was für ein Hammel ich doch gewesen war, da ich mich nicht gemeldet hatte. Doch ich konnte nicht. Ich schaffte es nicht, mich zu rühren. Bastis kühler Blick hielt mich auf Distanz, doch auch er schien mich zu mustern. Dann sprach er. „Wir haben auch eine Klingel.“ Er muss die Verwunderung in meinem Gesicht gesehen haben, denn er meinte: „Meine Mutter hat dich zwei mal an der Tür vorbeilaufen gesehen und beim dritten Mal wollte ich dir nur sagen, dass du auch klingeln kannst.“ Sollte auf solche Worte nicht eigentlich ein Lächeln folgen? Bastis Gesichtsausdruck blieb kühl wie er war und ich musste schlucken. Es war keine gute Idee gewesen, hier her zu kommen, das wusste ich jetzt. Ich hatte schon eine Ausrede und Verabschiedung auf den Lippen, als er etwas zur Seite trat. „Willst du reinkommen?“ Instinktiv schüttelte ich den Kopf, doch als ich die Verwunderung in seinen Augen sah, seufzte ich leise. „Warum nicht?!“ Deshalb war ich schließ hier, fügte ich stumm hinzu und betrat vorsichtig das Haus. Auch hier hatte sich einiges verändert, doch Basti führte mich nur wortlos in sein altes Zimmer. Hier hatte sich nur wenig getan und alte Erinnerungen kamen wieder in mir hoch. Unschlüssig stand ich mitten im Raum, während mein Blick von einem erinnerungsschweren Gegenstand zum nächsten huschte. Erst nach einigen Augenblicken fiel mir auf, dass er mich leise beobachtete. „Setz dich doch!“, kam es dünn von ihm. „Willst du Kaffee?“ Automatisch nickte ich und Basti verließ den Raum. Oh mein Gott, ging es mir durch den Kopf. Wo hatte ich mich da nur rein gebracht? Hätte ich die alte Sache nicht auf sich beruhen lassen können? Was sollte ich nun zu ihm sagen? Verzweifelt ließ ich mich auf der Kante seines Bettes nieder und griff nach dem Teddybären, der einsam und verlassen auf dem Kopfkissen saß. Ich kannte ihn von früher und war mir sicher, dass er mir noch einen Gefallen schuldete. Ich brauchte etwas zum daran festhalten. Eilig versuchte ich meine Gedanken zu ordnen und mir Worte zurecht zu legen, doch keine Wortwahl schien mir angemessen für das, was ich verbockt hatte. Schritte auf der Treppe signalisierten mir, dass Basti auf dem Weg zurück war. Kurz darauf schlüpfte er in das Zimmer… und hielt in seiner Bewegung inne, den Blick auf mich gerichtet. Ich fragte mich, was er sah. Den Freund aus Kindestagen? Den Jungen, für den er einmal Gefühle gehabt hatte? Denjenigen, der ihn vor den Kopf geschlagen und enttäuscht hatte? Oder einfach nur einen Fremden? In seinen Augen spiegelte sich ein Wirrwarr aus allem und ich fasste automatisch den Teddy fester. Dann fing er sich wieder und stellte eine Kaffeetasse zu mir auf den Nachttisch und eine andere zu sich auf den Schreibtisch. Sich niederlassend sah er mich fragend an. „Was willst du?“ Die Luft zwischen uns gefror förmlich bei seinen Worten. Ich öffnete und schloss mehrmals den Mund ehe ich das hervorbrachte, weswegen ich hier war. „Mich entschuldigen…“ Ich blickte ihm direkt in die Augen und hatte das Gefühl, dass seine Fassade kurz ins Wanken geriet. Doch dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. „Wofür?“ Ich überlegte kurz. „Für alles. Dafür, dass ich dich an dem einen Morgen so angeschrieen habe, dich verletzt habe, zu stolz war über deine Worte nachzudenken und meine Fehler zu erkennen und dafür, dass ich später zu feige war, um mich zu melden und vor allem dafür, dass ich dich so enttäuscht habe, denn das habe ich auf jeden Fall getan.“ Ich sah Basti schlucken und seine Lippen aufeinander pressen. Dann blickte er mir jedoch wieder kühl in die Augen. „War es das?“ Ich überlegte und nickte dann. „Gut, dann kannst du ja wieder gehen.“, schmiss er mich förmlich raus. Ich spürte deutlich wie mein Herz zu schmerzen begann und sich Tränen in meinen Augen sammelten, versuchte sie aber zurück zu halten, was mir auch gut gelang. Zittrig erhob ich mich und Basti geleitete mich zur Tür. „Wie lange bist du noch hier?“, fragte ich aus ehrlichem Interesse, auch wenn ich verstanden hatte, dass ich besser gehen sollte. „Zwei Wochen.“ „Darf ich wiederkommen?“ Täuschte ich mich oder klang meine Stimme piepsig? Ein deutliches Zeichen dafür, dass meine Tränen den Kampf über mich gleich gewonnen hatten. Als er kühl „nein“ antwortete brach der Damm und salzige Perlen rannen über meine Wangen. Ohne ein Wort zu erwidern, drehte ich mich um. Dann fiel mir jedoch noch etwas ein. „Doch, es ist noch etwas. Ich hab dich vermisst.“ Meine Sicht verschwamm und ich wollte nicht, dass er meine Tränen sah. Ich war der Letzte, der das Recht zu weinen hatte. So ging ich davon. Kapitel 11: Deep Down Inside ---------------------------- Autor: Ju-chan Teile: 11/11 abgeschlossen: ja So, hier ist dann der letzte Teil dieser Story! Danke an alle, die bis hier hin gelesen haben (und auch noch Spaß dabei hatten ^_- ) und danke auch für die vielen lieben Kommentare! Vielleicht schaffe ich es irgendwann demnächst noch etwas hochzuladen, wenn ich es denn mal zu Ende bringe... ^_^; Falls wer Interesse hat und eine ENS möchte, wenn etwas neues von mir kommt, dann schreibe er das bitte in einen Kommi (*höhö*) oder eine ENS! Und nun viel Spaß! Deep Down Inside Wie ich heil nach Hause in meine Wohnung gekommen war, konnte ich später nicht mehr sagen. Es grenzte an ein Wunder, dass ich nicht überfahren worden war oder selbst mit dem Auto einen Unfall gebaut hatte. Unglaublich müde und mit schmerzendem Herzen vergrub ich mich im Bett und erhob mich das ganze weitere Wochenende nicht wirklich, außer für das Nötigste. Montag schwänze ich sogar die Uni und Dienstagmorgen beschloss ich, dass es reichte. Mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch erhob ich mich aus dem Bett, duschte, zog mich an, frühstückte und verließ dann die Wohnung. Ich würde heute nicht noch mal eine Vorlesung ausfallen lassen und nach der Uni würde ich erneut bei Basti vorbeischauen, ob er wollte oder nicht. Er konnte mir schließlich schlecht verbieten, an seiner Haustür zu klingeln. So verbrachte ich einen quälend langen Unitag, den ich mich aber zwang zu überstehen, und stand dann gegen Nachmittag wieder vor Bastis Elternhaus. Ich wusste zwar wieder nicht, was ich sagen wollte, aber ich musste einfach noch ein weiteres Mal mit ihm reden. So brauchte ich an diesem Tag nur einen Anlauf und betätigte tatsächlich die Klingel. Mit pochendem Herzen wartete ich, dass etwas geschah. Es dauerte eine Weile, dann öffnete sich die Tür und Frau Sievert stand vor mir. Ihr Blick wurde erstaunt, dann etwas ratlos. „Guten Tag.“, grüßte ich höflich. „Ist Sebastian zuhause?“ Doch zu meiner Enttäuschung schüttelte sie den Kopf und verneinte. Für einen Moment dachte ich, dass sie mich anlog, doch ihr Blick war aufrichtig. „Darf ich…“, ich räusperte mich. „Darf ich auf ihn warten?“ Sie schien zu zögern, dann meinte sie aber: „Ist in Ordnung, du kannst oben in seinem Zimmer warten. Ich weiß aber nicht, wann er zurückkommt.“ Ich bedankte mich überschwänglich und begab mich dann in Bastis Zimmer. Nachdem ich mich unschlüssig eine Weile umgesehen hatte, ließ ich mich wieder auf seinem Bett nieder, den Teddybären im Arm und den Kopf voller Gedanken… So merkte ich auch erst, dass Basti zurückkam, als er plötzlich im Zimmer stand und sein völlig überrumpelter Blick auf mich fiel. Anscheinend hatte seine Mutter ihm nicht gesagt, dass er ungebetenen Besuch hatte. Dass er nicht sehr erfreut war, mich zu sehen, merkte ich deutlich an der kühlen Maske, die er nach dem Überraschungsmoment aufsetzte. „Was willst du denn hier?“, maulte er unfreundlich. „Mit dir reden.“ „Hast du das nicht schon getan?“ Seine kühle Fassade bröckelte und er wirkte leicht verzweifelt. Ich nickte. „Ja, entschuldigt habe ich mich. Ich möchte jetzt nur noch wissen, ob du mir eine zweite Chance gibst?“ Basti stutzte. „Zweite Chance? Was erwartest du von mir? Dass ich dich in die Arme schließe und sage, wie toll, dass du endlich den Arsch in der Hose hattest dich mal zu melden?“ „Nein, aber dass wir in Ruhe über das von damals reden und du mir vielleicht die Möglichkeit gibst, mich zu erklären.“ „Dich rauszureden?“ „Und dass du mit deinen giftigen und trotzigen Kommentaren aufhörst! Du hast dich wirklich nicht viel verändert!“, meine Stimme wurde etwas energischer… und veranlasste Basti mich mit großen Augen anzugucken. „Dann rede!“, forderte er mich auf und ich seufzte wortlos. Vielleicht hätte ich doch nicht kommen sollen. Da ich nun aber einmal hier war, konnte ich schlecht gehen, ohne die Chance zu nutzen. Und so erklärte ich ihm die Situation von damals aus meiner Sicht. Mein Erschrecken und meine Enttäuschung darüber, dass er wegging und es mir erst so spät erzählte und meine Verletztheit darüber, dass er mir Hoffnung gemacht hatte, wo ich doch in den Monaten davor versucht hatte, jegliche Hoffnung im Keim zu ersticken, und sie dann gleich wieder zerschlug, indem er mich verließ. Ich schilderte aber auch meine Fehler. Meine Unbedachtheit an dem Morgen, meine Feigheit und immer wieder meinen falschen Stolz, der es verhindert hatte, dass ich einsichtig war, und als ich es dann war, verhindert hatte mich zu melden und mich zu entschuldigen. Ich weiß nicht, wie lange ich redete, aber es kam mir unendlich lange vor. Mit den Worten „Ich war ein richtiger Idiot…“ verstummte ich dann. „Da hast du Recht.“, meinte er leise und blickte mich nachdenklich an. Ein großer Teil der Kühle war aus seinem Blick gewichen, doch von Freundlichkeit war noch keine Spur. „Würdest du bitte gehen?“, beförderte er mich ein weiteres Mal vor die Tür und ich nickte geschlagen. „Ungern, aber ja.“ An der Tür stand ich unschlüssig vor ihm. „Es tut gut dich mal wieder zu sehen.“ „Mensch Felix, jetzt geh bitte einfach, ja?“, bat er mich verzweifelt und presste seine Lippen aufeinander. Stumm nickte ich und tat ihm den Gefallen… … nichts konnte mich jedoch daran hindern, am nächsten Nachmittag wieder vor seiner Tür zu stehen. Ich musste ihn einfach wieder sehen, da mein Herz pochte und schmerzte, wenn ich an ihn dachte. Ich sagte mir, dass es das letzte Mal sei. Wenn er mich wieder vor die Tür setzte, dann hatte ich es zu akzeptieren, schließlich wollte ich ihm nicht noch mehr wehtun. Also klingelte ich erneut. Dieses Mal öffnete Basti mir persönlich und staunte nicht schlecht, als er mich erblickte. Mit einem Knall war die Tür wieder zu. Ich schluckte überrascht und klingelte abermals. Eine Weile passierte nichts, dann ging die Tür einen kleinen Spalt weit auf und Basti lugte daraus hervor. Als er mich jedoch sah, wollte er sie wieder schließen, doch ich hatte meinen Fuß schon in die Lücke geschoben. Empört wurde die Tür aufgerissen und ein wütender Basti blickte mich an. „Verdammt noch mal, willst du mich terrorisieren? Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“, schrie er mich an. Eingeschüchtert schüttelte ich den Kopf. Er gab ein Fauchen von sich. „Los, komm rein. Aber nur kurz.“ Er trat beiseite. Ich trat ein und begab mich in sein Zimmer. Geräuschvoll schloss er die Tür hinter mir. „So, was willst du von mir?“ „Ich möchte wissen, ob du mich vergessen hast…“ Basti schien überrascht zu sein, doch dann funkelten seine Augen wütend. „Ob ich dich vergessen habe? Ja, verdammt, dass hatte ich und es hat verteufelt lange gedauert bis ich es geschafft hatte! Und jetzt tauchst du einfach wieder auf!“ Grollend kam er bedrohlich nah. „Musste das sein? Hättest du nicht einfach wegbleiben können?“ „Bei mir hat es mindestens genauso lange gebraucht, bis ich über dich hinweg war, also tu mal nicht so, als wenn du der Einzige wärst, der gelitten hat!“ Ich spürte wie auch ich wütend wurde. Eisiges Blau traf auf grollendes Braun. Dann wandte Basti den Blick ab. „Warum hast du dich dann nicht gemeldet? Warum bist du so einfach aus meinem Leben verschwunden?“ „Weil ich ein Idiot war, verdammt. Ich war stur und stolz und habe damals nicht gewusst, wie wertvoll der Mensch ist, den ich gehen lasse. Jetzt weiß ich es. Und jetzt melde ich mich…“, ich war am Verzweifeln und Hilflosigkeit breitete sich in mir aus. Feine Tränen sammelten sich in meinen Augenwinkeln, da mir bewusst wurde, was ich damals kaputt gemacht hatte. Als Basti nichts erwiderte und nur stumm aus dem Fenster blickte, erhob ich mich müde. Wortlos ging ich an ihm vorbei und hatte schon die Hand auf der Türklinke, als er sich doch zu mir umdrehte. „Hast du mich denn vergessen?“, fragte er leise. Wie romantisch es doch klingen würde, „nein“ zu sagen und zu behaupten, dass ich immer an ihn gedacht hatte, doch das wäre gelogen. Also meinte ich ernst: „Ja, hatte ich. Bis mir dieses bescheuerte Urlaubsbild in die Finger gefallen ist, das ich von dir gemacht habe. Dann warst du wieder da - hier und hier.“ Ich deutete auf meinen Kopf und meine Brust. „Du hast es aufgehoben?“ „Ja, habe ich wohl. Ich hätte es besser wegwerfen sollen, oder? Dann hättest du deine Ruhe…“ Doch Basti schüttelte den Kopf. „Es ist ja nicht so, dass ich Ruhe von dir will.“, meint er heftig und war wohl selbst von seinen Worten überrascht. „Es kann bloß nicht so einfach sein. Du kannst nicht aus meinem Leben verschwinden und dann wieder darin auftauchen. Das geht nicht so einfach!“ Es klang fast wie ein Mantra. „Warum wehrst du dich dagegen?“, fragte ich traurig. Er überlegte, ob er antworten sollte, dann seufzte er. „Ich möchte nicht, dass jemand so viel Macht über mein Leben hat und mir dann wieder wehtut.“ Offen und ehrlich, kalt und scharf wie ein Messer… und ich stürzte mich hinein. Ohne zu Zögern überwand ich die Spanne zwischen uns warf mich in Bastis Arme. Dieser erstarrte und rührte sich eine ganze Weile nicht, bis er dann letztendlich doch seine Arme um mich legte. „Es tut mir Leid, wirklich schrecklich Leid. Ich tu dir nicht mehr weh. Stoß mich bitte, bitte nicht von dir!“ Es war so weit, ich bettelte. Aber das war mir in diesem Moment, wo ich erahnte, wie viel ich in Basti kaputt gemacht hatte, so was von egal, ich hätte mich auch vor ihm im Dreck gewälzt. Ich spürte, wie er mich stärker festhielt und drückte mich ganz eng an ihn. Wie hatte ich ihn doch vermisst, das spürte ich jetzt. Kein anderer Körper, der sich in den letzten Jahren so an mich gepresst hatte, hatte sich so gut angefühlt, so richtig. Ich wollte Basti am liebsten nicht mehr loslassen. „Ich stoße dich nicht weg, okay?“, hauchte er leise an mein Ohr und schob mich sanft soweit von sich, dass er mir in die Augen blicken konnte. „Aber gib mir Zeit, ja? Ich kann nichts versprechen…“ Erleichtert nickte ich. Als ich an diesem Tag das Haus verließ, ging es mir besser, was nicht zu wenig daran lag, dass Basti mir zum Abschied ein zaghaftes Lächeln geschenkt hatte. In den folgenden zwei Wochen, die Basti hier war, sahen wir uns fast jeden Tag. Wir gingen etwas Essen oder Trinken oder saßen nur in seinem Zimmer und unterhielten uns. Ich versuchte in dieser Zeit so viel wie möglich aus den vergangenen sieben Jahren von Basti zu erfahren und ihm zu berichten, was ich getan hatte. Es war als wenn ich die Lücke, die bestand, füllen wollte. Nach und nach wurde Basti auch wieder wärmer und wir merkten beide, dass wir uns im innersten Kern kaum verändert hatten. Ich war so froh, dass Basti wieder mit mir sprach, dass ich auch damit leben konnte, nicht mehr als ein Freund für ihn zu sein. Ich sagte mir, dass es dieses mal reichen würde und ignorierte das Kribbeln in meinem Bauch, das die beklemmende Verlegenheit der ersten Tage ersetzt hatte. Dann waren die zwei Wochen jedoch um und der Tag an dem ich Basti zum Flughafen bringen musste, war da. Etwas unschlüssig standen wir in der riesigen Wartehalle vor einander und ich wusste nicht woran es lag, aber ich spürte Tränen in meinen Augen brennen. Auch Basti bemerkte sie und war ganz erschrocken. Sanft zog er mich in seine Arme und streichelte meinen Rücken. „Nicht weinen… Was ist denn los?“ Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, als ich fragte: „Kommst du wieder…?“, doch gleichzeitig spürte ich, dass meine größte Angst war, dass er es nicht tat. Überrascht rückte er von mir ab, um mir in die Augen zu gucken. „Natürlich komm ich wieder. Jetzt wo ich dich wieder getroffen habe, verschwinde ich doch nicht so einfach!“ Und da geschah es, dass er federleicht mit seinen Lippen über meine strich. Mir stockte der Atem und ein Kribbeln explodierte in meinem Bauch. Auch Basti schien erstaunt über sich selbst, näherte sich dann aber ein zweites Mal und drückte seine Lippen vorsichtig auf meine. Sanft erwiderte ich den Kuss und lehnte dann meine Stirn gegen seine. So verharrten wir bis seine Maschine ausgerufen wurde und nur widerwillig löste ich mich von ihm. Doch Basti schenkte mir ein liebevolles Lächeln und küsste mich ein letztes Mal. „In vier Wochen sehen wir weiter, in Ordnung?“, meinte er zuversichtlich und ich nickte. „Ich warte auf dich!“ Ich drückte ihn ein letztes Mal an mich und beobachtete dann schweren Herzens wie er in der bunten Menschenmasse des Flughafens verschwand. Ich wusste, dass ich ewig auf ihn warten würde… doch das brauchte ich gar nicht… The End Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)