Lost Boys resurrected von Angie_Cortez (Every me and every you) ================================================================================ Kapitel 14: You are never coming home ------------------------------------- You are never coming home Kapitel 4 continued Alexej starrte hinunter, senkrecht hinunter und spürte eine Flut von Adrenalin durch seine Adern rasen. So war es gut, so spürte er sich, spürte seinen Körper, seine Seele. Toveys zitternder Körper in seinen Armen machte ihm klar, da war noch Leben in ihm. Leben, das danach schrie freigelassen zu werden. Es wollte wieder zurück ans Licht. Die Dunkelheit des letzten Jahres, hatte an seinem Leben gezerrt, es vergewaltigt, es weggesperrt. Es war das Opfer seiner selbst. Raphaels Tod, der Umzug ins Internat, sein erstes Treffen mit Tovey… all das hatte ihn viele Nerven gekostet. Und dann die Trennung, die Prüfungen, die Rückkehr nach Moskau und die Gewissheit, dass er sich der Verantwortung für Raphaels Grab entzogen hatte. Alles war so furchtbar schief gelaufen. Und Juri hatte dafür gesorgt, Juri hatte alles zerstört und sichergestellt, dass Alexejs Seele nie wieder Frieden finden würde. „Lass und springen. Du wirst nie mehr fühlen wie sehr du lebst, als kurz bevor du stirbst.“ „Alex …“, Toveys Stimme brach in regelrechter Panik. Er weinte. Der Wind zerrte an ihrer Kleidung. „Alex … hör doch … auf … wieso…?“ Der Himmel zog sich zu, fast unnatürlich schnell. Die ersten Tropfen begannen zu fallen und mischten sich mit der salzigen Flüssigkeit auf Tovey Wangen. Ein Wolkenbruch ging auf sie nieder, der den beiden Jungen die Sicht nahm und ein Wind kam auf, dem Alexej kaum noch standhalten konnte. Eine kräftige Böe und sie würden wirklich stürzen. Tief hinab ins Nichts, bis ihre leblosen Hüllen auf grauem Alphalt zerbarsten. In dem Moment, als Alexej mit hastig klopfendem Herzen über ihr Ende sinnierte sank Tovey in seinen Armen in sich zusammen. Er hatte es zu weit getrieben. In Alexejs Armen wurde Tovey zu schwer und beide fielen zur Seite. Zurück auf das Dach. Alexej keuchte beim Aufprall. Tovey landete neben ihm, das Gesicht dem Boden zugewandt. Alexej erschrak und drehte Tovey ängstlich herum. Nasses Haar klebte in seinem Gesicht wie Algen und in das kühle Nass des Regen mischte sich etwas Rotes. Blut. „Was habt ihr denn angestellt?“ fragte Aron empört und reinigte Sanft die Wunde an Toveys Stirn. Sie war nicht lebensbedrohlich, eigentlich nur eine Hautabschürfung, aber sie blutete wie wild. „Ich weiß es nicht mehr“, sagte Tovey leise und verzog das Gesicht. Er hatte Kopfschmerzen. Sie würden ihn gleich zum Arzt fahren. Aron wollte sicher gehen, dass Tovey sich keine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Der Filmriss, die Kopfschmerzen … das waren bedenkliche Symptome. Alexej saß neben seinem Freund und hielt dessen Hand. Auch er hatte einige Kratzer, allerdings ausschließlich an seinen Händen. So als wäre er gefallen und hatte sich dabei mit den Händen abgefangen. „Erzählt doch keine Märchen! Ihr müsst doch irgendetwas angestellt haben!“ fauchte Aron beinahe. Was waren das für wüste Geschichten? Keiner der beiden wollte sich erinnern und beide waren klitschnass gewesen, als er mit Brian von Billy zurückgekehrt war. Alexej rührte dieser kleinere Ausbruch überhaupt nicht. Er sah hinüber zu Brian, der am Fenster lehnte und den heftigen Wolkenausbruch draußen beobachtete, der zu einem enormen Gewitter geworden war. Blitze zuckten über den Himmel und schon zwei Mal hatte die Deckenbeleuchtung geflackert. Ein Grollen rollte über sie hinweg. Alexej sah, wie Brian Gänsehaut bekam. „Ich hoffe das hört bald auf“, sagte Aron und seufzte ob der Ignoranz, die ihm entgegengebracht wurde. „Bei diesem Unwetter bekommen wir Tovey bestimmt nicht lebendig ins Krankenhaus. Und wenn doch müssen wir gleich mit da bleiben.“ „Im Radio haben sie gesagt, man soll nicht mehr auf die Straße gehen, sobald es angefangen hat“, murmelte Brian und drehte sich zu seinen Freunden um. Der Ausdruck in seinen Augen war unergründlich. Alexej fand, dass er geschockt wirkte. Aron meinte Überforderung zu erkennen. Doch das war längst nicht alles. Tovey seufzte und Aron verdrehte die Augen. „Wir wissen es, es tu furchtbar weh, aber rumheulen bringt gar nichts“, meckerte Aron und verschwand mit seinem feuchten Tuch im Badezimmer. Tovey sah ihm giftig hinterher. Der alte große Streit. Wahrscheinlich würden sie niemals wirklich miteinander auskommen können. Selbst jetzt nicht, wo die Fronten geklärt waren: Brian gehörte Aron, Alexej gehörte Tovey. Ihre Feindschaft lag tiefer, als die beiden selbst es für möglich hielten. Doch Tovey hatte nicht lange Zeit darüber nachzudenken. Schon begann die Beleuchtung wieder zu flackern und erlosch dann mit einem Mal. Er hörte Brian zischend Luft einatmen und erinnerte sich belustigt daran, dass sein Freund an Gewitterphobie litt. Besonders schlimm wurde diese, wenn der Strom ausfiel. All das war jetzt der Fall. „Schon gut, Brian. Es passiert ja nichts“, sagte er laut in den Raum und lauschte auf Brians Antwort. Dabei bemerkte er kaum, wie Alexej sich neben ihm erhob. „Jaja, nichts dabei, ich komm klar“, stammelte Brian. Er trat an die Anbauwand. Tovey hörte wie er eine Schublade aufzog. Bestimmt suchte er Kerzen. Tovey wusste, dass keine Kerzen mehr da waren, nur noch einige wenige Teelichter. Das teilte er Brian auch mit. „Wir sollten einfach ins Bett gehen“, fügte er noch hinzu und lehnte sich auf der Couch zurück. „Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus.“ „Wenn sie morgen noch steht“, fügte Brian seltsam pessimistisch hinzu. „Wir sollten nicht hier sein“, sagte Sonny und beobachtete den Regen, der von draußen gegen die Frontscheibe knallte, ja wirklich knallte. Das war kein normaler Wolkenbruch mehr, das war ein richtiges Unwetter erster Klasse. Es war so laut im Auto, dass man sein eigenes Wort kaum verstand. „Was hast du gesagt?“ fragte Ronald Blecket laut über den donnernden Regen hinweg. „Wir sollten nicht hier sein!“ brüllte Sonny fast zurück. Bleckets Blick war konzentriert auf die Straße gerichtet. Sonny wurde übel bei den Gedanken, was ihnen hier draußen, in diesem Blechhaufen von Auto passieren könnte, doch genau genommen war kaum jemand auf den Straßen heute Nacht. „Das lass meine Sorge sein!“ konterte Blecket, ohne Sonny anzusehen, der in seinem Sitz zusammengesunken dasaß, so tief, dass der Sicherheitsgurt ihm fast im Gesicht hing. Sein Gesicht war sehr blass und die Schatten der Regentropfen, die Straßenlaternen auf sein Antlitz malten, ließen ihn irgendwie krank aussehen. Auch Blecket war das aufgefallen, doch um Sonnys Gesundheit machte er sich im Moment so viele Sorgen wie um die Waljagd in Japan, nämlich gar keine. „Wozu sind wir hier?“ fragte Sonny, als sie auf die Autobahn abbogen. Auch diese war nahezu geisterhaft verlassen und ein starker Wind zerrte an dem Blechhaufen von Auto. Blecket lenkte ständig dagegen. Bald würde es sie wegfegen. Sonny schluckte schwer. Die Übelkeit wollte nicht weniger werden. „Wir machen einen kleinen Ausflug. Und jetzt halt den Mund.“ Einen kleinen Ausflug, dachte Sonny mürrisch, sehr schön. Er wollte wissen wohin dieser angeblich Ausflug ging! Das war im Moment seine größte Sorge. Seit ungefähr einer halben Stunde waren sie unterwegs, pünktlich mit dem Beginn des Sturms hatte Blecket Sonny aus ihrer kleinen verkommenen Wohnung gezerrt und in sein Auto gesetzt. Ein Wagen, den er zum Schleuderpreis von einem schmierigen Perversen erworben hatte, der seinerzeit mit Begeisterung Ronald Bleckets privater Schulpornosammlung seinen Zuspruch gegeben hatte. Der Perverse konnte sich sogar noch an Sonny erinnern und machte ihm ein anzügliches Angebot nach dem anderen, bis Blecket damit drohte den Wagen nicht zu nehmen. Und dann das. Sonny seufzte leise und schloss die Augen. Langsam begann er sich in seiner legeren Kleidung fast wohl zu fühlen, irgendwie jung, denn jetzt, da er selbst auf die 25 zuging kam er sich alt vor. Manchmal hasste er sich selbst dafür, dass er seine Jugend mit Dingen wie Mathematik und Physik verschwendet hatte, ganz abgesehen von der Tageszeitung und dem Wirtschaftsmagazin. Heute hatte er keinen Bezug mehr zu diesen Dingen, fand sie höchstens noch abgehoben und Politiker waren so wie so das Letzte. Sicherlich hätte er mit Abitur einen guten Job, oder einen Studienplatz bekommen, aber wer wollte schon ein versnobbter Spießer werden? Er auf keinen Fall. „Was machen die anderen Jungs eigentlich? Die leben bestimmt nicht von Sozialhilfe“, setzte Blecket plötzlich an, als hätte er Sonnys Gedanken erraten. Sonny schnaubte beleidigt. „Aron studiert Kunstpädagogik. Er hat es echt drauf, das wusste ich gar nicht. Brian studiert irgendwas mit Soziologie oder son Kram, vielleicht ist es auch Psychologie. Tovey, kein Plan, der macht auch irgendwas. Englisch glaube ich, was er damit will weiß ich nicht. Und Alexej macht eigentlich gar nichts. Vielleicht geht er anschaffen.“ „Wäre nichts Neues“, murmelte Blecket und verließ die Autobahn wieder. Sonny fragte sich nun mehr denn je, was sein Freund vorhatte. Er kannte die Strecke, die Blecket eingeschlagen hatte, doch er wollte und konnte sich einfach nicht erinnern wohin sie führte. Brian entfernte sich vom Fenster. „Nicht erschrecken“, sagte er dabei laut. „Ich trampel hier rum auf der Suche nach meinem Bett. Also alles im Grünen.“ Tovey lächelte über die beruhigenden Worte. Er hatte keine Angst, es war Brian, der seine eigene überspielte. Der Regen, durch eine heftige Windbö gelenkt, prasselte laut gegen das Wohnzimmerfenster. Tovey seufzte und beobachtete die glitzernden Tropfen, die in Strömen am Fensterglas hinunter rannen. Wie auf der Flucht, auf der Flucht vor dem Sturm. „Ich hoffe der Strom ist bald wieder da“, murmelte er, unsicher, ob Brian schon weg war, oder ihn noch hörte. In seinem Kopf pochte noch immer ein dumpfer Schmerz und etwas schien hervorkommen zu wollen. Die Erinnerung. Es war, als hielte der Schmerz sie zurück. Tovey schloss die Augen. Was war passiert? Wie eine Welle überkam ihn die Antwort, ein Stich aus Angst, nein aus purer Panik erfüllte seinen ganzen Körper. Er schluchzte leise auf. „Alex?“ Keine Antwort. Und erst jetzt wurde ihm klar, dass er ganz allein war in diesem Raum. Allein mit seinen Gedanken. Allein im Dunklen. Und plötzlich konnte er auch Brians Angst verstehen. Er sollte sein Bett suchen. Dort würde er vielleicht auch Alexej wieder finden. Eine weitere halbe Stunde später wurde Sonny plötzlich klar, wohin die Reise ging und es ließ ihn kerzengerade im Beifahrersitz hochfahren. „Was hast du vor?“ fragte er eine Spur panisch. Blecket lächelte undurchdringlich. „Alte Freunde besuchen“, sagte er und lachte dabei fast. Sonny wollte nicht wissen, was das zu bedeuten hatte, aber andererseits wollte er auch nicht weiterhin den dummen Jungen spielen. „Ronald, was hast du vor? Halt sofort an!“ „Ich denke gar nicht dran!“ Sonny sah sich panisch um. „Was willst du bei der verdammten Schule? Was gibt es denn da noch für dich?“ Eine Weile lang war nur das Prasseln des Regens zu hören und Sonny dachte gerade, dass er wieder keine Antwort bekommen würde, als Blecket etwas weiter ausholte. „Als deine kleinen Freunde mich damals in den Knast gebracht haben, da habe ich das Schulgebäude verkauft. Ich wollte damit sichergehen, dass niemand es wagen würde die Schule zu schließen. Damit wären mir alle viel zu leicht entkommen. Diese Schule soll nicht friedlich dahinvegetieren, Sonny, sie soll mit einem Knall untergehen und dafür werde ich sorgen. Ich habe sie also verkauft, an diesen Spinner, seinen Namen habe ich vergessen. Und wie du vielleicht weißt, gibt es dort jetzt eine nette Homophile Schule mit lauter kleinen Lesben und Schwulen. Süß, nicht wahr? So habe ich mir das wirklich nicht gedacht, Sonny und das weißt du. Jetzt werde ich dafür sorgen, dass dieses Haus, das mir gehört hat, von mir aufgebaut wurde, auch von mir zerstört wird. Und diese Zweckentfremder gleich mit ihm.“ Sonny sah seinen Freund mit großen Augen an. „Das heißt?“ fragte er verunsichert. „Was soll das schon heißen?! Wo hast du deinen Verstand gelassen? Ich sprenge es!“ brüllte Blecket fast und machte einen unangenehmen Schlenker mit dem Auto dabei. Sonny zitterte. „Warum nimmst du mich dazu mit?“ fragte er so leise, dass man ihn kaum noch verstand, doch Blecket erriet die Frage praktisch. „Du musst mir helfen, Sonny“, sagte er eine Spur ruhiger. „Allein schaffe ich es nicht.“ „Aber das ist …“ fiel Sonny ihm ins Wort, hielt sich dann aber zurück. „Willst du mir helfen, oder lässt du mich im Stich?“ Blecket warf einen zornigen Blick in den Rückspiegel. Noch eine Viertel Stunde und sie waren da. „Du hast mir versprochen mir beizustehen, weißt du noch? Du wolltest alles für mich tun.“ „Ja …“, gab Sonny zu und senkte den Blick. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)