Fighting Dreamers von Imogen (Oneshot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Darauf kannst du wetten... ------------------------------------- Hermine hasste Wetten. Sie würde nicht so weit gehen, zu sagen, dass ihr nichts mehr zuwider war – das wäre eine bodenlose Übertreibung gewesen, und für derartige Stilmittel sah sie im praktischen Sprachgebrauch einfach keinen Sinn – aber trotzdem standen Wetten bei ihr sehr in Missgunst. Sie hatte noch nie verstanden, was manche Leute daran fanden. Man denke nur an die Quidditch-Weltmeisterschaft. Voller Begeisterung hatten Fred und George Weasley auf den Sieg Irlands gesetzt – und dann auch noch unter praktisch lächerlichen Bedingungen. Hermine war keine Expertin für Quidditch, und sie würde mit Sicherheit nie eine werden, aber sie kannte die Regeln und ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, dass es absolut lächerlich war zu erwarten, dass ein Sucher den Schnatz fing, ohne damit den Sieg für seine Mannschaft zu erringen. Würde ein wirklich guter Sucher nicht eher warten, bis der Punkteunterschied geringer als 150 war? Im Endspiel im dritten Jahr hatte Harry doch sogar gewartet, bis die Punktzahl ausreichte, um nicht nur das Spiel sondern auch den Pokal zu gewinnen! Sicherlich würden Profispieler eine so simple Taktik anwenden können. Aber letztendlich war das Problem ja nicht mal die Idiotie hinter der Wette sondern die Wette selbst. Was dachten die Brüder sich dabei, so viel Geld zu riskieren? Und vor allem – warum waren die anderen von dieser Idee auch noch begeistert? Ron hatte sie nur in einer Mischung aus Verwirrung und Verärgerung angesehen, als sie diese Frage gestellt hatte, und noch gemeint, dass sie das einfach nicht verstehe. Harry hatte versucht, ihr zu erklären, was diese Faszination bewirkte – dass die Zwillinge auf noch mehr Geld hofften, dass sie doch relativ sicher waren in ihrer Voraussage des Ergebnisses, und vor allem der Nervenkitzel. Die ersten beiden Punkte hatte Hermine einfach zerschlagen können – der Verlust war a) wahrscheinlicher und b) schmerzhafter als der mögliche Gewinn, außerdem war ihre Voraussage so unwahrscheinlich, dass sie immer noch nicht begreifen konnte, was die beiden Wahnsinnigen geritten haben musste, sie überhaupt anzustellen – aber der letzte Punkt hatte ihr den Wind aus den Segeln genommen. Der Nervenkitzel. Der Kick. Wie auch immer man es nennen wollte. Sie verstand es nicht. So sehr es ihr gegen den Strich ging, dass sich irgendetwas ihrer Auffassung verschloss – sie konnte es nicht verstehen. Aber das war wohl von jeher eines ihrer Probleme. Der Wunsch nach Nervenkitzel war ihr genauso fremd wie die Lust auf Abenteuer. Harry meinte, irgendwann würde sie das bestimmt auch verstehen und hatte aufmunternd gelächelt, woraufhin Ron noch hinzugefügt hatte: „Darauf kannst du wetten!“ Unnötig zu sagen, dass ihm das einen wütenden Blick von ihr eingehandelt hatte, und noch unnötiger zu erwähnen, dass ihn das in keiner Weise beeindruckt hatte. Aber warum fiel es ihr so schwer, das nachzuvollziehen? Was stimmte nicht mit ihr, dass sie diesen Nervenkitzel, oder was auch immer es war, einfach nicht verstehen konnte? Hermine wusste es nicht, aber sie würde das mit Sicherheit nicht auf sich sitzen lassen. Es ließ ihr einfach keine Ruhe, und daher tat sie das, was sie immer in solchen Situationen tat – sie suchte die Bibliothek auf und forschte nach. Unglücklicherweise waren ihre Recherchen nicht mal annähernd so ergiebig, wie sie sich erhofft hatte. Gut, sie hatte in einigen Büchern Zauber gefunden, die diesen Nervenkitzel angeblich hervorriefen. In einem anderen stand, dass er durch Adrenalin einen Adrenalinschub entstand, zusammen mit einem Zauber, der eben das verhinderte. Ein weiteres Buch sprach vom Nervenkitzel als Motiv dafür, schwierige Tränke oder Sprüche auszuprobieren. In einem anderen wurde davor gewarnt, unter Einfluss davon gewisse Verwandlungen zu vollführen. Aber nichts davon half ihr auch nur im Geringsten bei der eigentlichen Frage. Vermutlich war es dasselbe wie mit dem Fliegen. Im Gegensatz zu ihren Freunden konnte Hermine sich einfach nicht damit anfreunden. So begeistert Harry auch vom Fliegen war, und so sehr sie ihn bei seinen Quidditch-Spielen auch anfeuerte – sie selbst hasste das Fliegen. Aber eigentlich… Eigentlich war das nicht der einzige Punkt, bei dem es ihr so ging. Es ging vom fast harmlosen Zaubererschach – das sie im Übrigen immer noch für viel zu barbarisch für ein so intellektuelles Spiel hielt – über das Fliegen und Quidditch bis hin zu all den gemeinsamen Abenteuern. Denn auch wenn sie es niemals zugeben würde – Hermine hasste Abenteuer. Was würde sie dafür geben, nicht jedes Jahr in eine neue Katastrophe hineingezogen zu werden? Einfach ruhige Schuljahre – so ruhig sie denn in Hogwarts sein konnten – ohne immer wieder ihr Leben zu riskieren, um gegen die Dunklen Mächte zu kämpfen… Aber Hermine wusste, dass das unmöglich war. Die Abenteuer und Schwierigkeiten schienen von Harry wie von einem Magneten angezogen zu werden, es war praktisch unmöglich mit ihm befreundet zu sein, ohne sich auf all das einzulassen. Das war wohl der Grund, warum Hermine ihre Klassenkameradinnen nie ernsthaft beneidet hatte – gut, sie mussten nicht andauernd kämpfen, aber für Hermine war die Freundschaft zu Harry und natürlich auch Ron wichtiger. Sie war der Grund, warum sie sich immer wieder all dem stellte. Es käme ihr nie in den Sinn, die beiden im Stich zu lassen. Darauf konnten sie sich verlassen! Konnten sie darauf… wetten? Was für ein dummer Spruch war das überhaupt? Darauf wetten… Darauf wetten hieß, dass man keinen Einfluss mehr darauf nehmen durfte, alles andere wäre ein Verstoß gegen das Prinzip der Sache! Verpflichtete man sich dadurch nicht, einfach nur zuzusehen, egal was passierte? Hermine hasste es, wenn sie auf eine Situation keinen Einfluss nehmen sollte. Sie brauchte diese Möglichkeit… warum sonst nahm sie zu jedem Quidditch-Spiel der Gryffindors einen Zauberstab mit, falls jemand wie im ersten Jahr versuchen würde Harrys Besen zu verhexen, oder wieder ein Sturm wie im dritten Jahr herrschte? Nein, Hermine brauchte immer eine Absicherung, wollte immer eingreifen können, sie war nicht bereit, sich einfach darauf zu verlassen, dass schon alles glatt gehen würde! Sie… Sie konnte sich nicht darauf verlassen? Was bedeutete das? Konnte sie sich wirklich nicht auf andere verlassen? Konnte sie nicht darauf vertrauen, dass Harry auf sich selbst aufpasste? Damals, als sie vom Basilisken versteinert worden war, hatte er es doch auch geschafft… hatten sie es geschafft, ja, Harry und Ron. Vertraute sie ihnen einfach nicht genug? Es stimmte nicht ganz. Sie würde Harry jederzeit ihr Leben anvertrauen. Es waren die Zeiten, wenn es um sein eigenes Leben ging, zu denen sie es einfach nicht schaffte. Hermine atmete scharf ein – das war eine Erkenntnis, die sie nicht gesucht hatte. Sie hatte doch nur über Wetten nachgedacht, und nicht… „Was ist denn so schlimm an dem Buch?“ Beim Klang von Harrys Stimme, drehte Hermine ruckartig den Kopf. „Äh… was… w-was macht ihr hier?“, fragte sie überstürzt, als sie Harry und Ron hinter sich stehen sah. „Wir haben dich natürlich gesucht!“, erklärte Ron. „Wegen diesem Aufsatz für Zaubertränke…“ „Was liest du da?“, fragte Harry neugierig. „Unfälle beim Verwandeln? Ist ja eklig... Was liest du das auch? Kein Wunder, dass du so durch den Wind bist!“, bemerkte Ron. „Ich… ja, du hast Recht.“, antwortete Hermine etwas zu schnell und schlug das Buch schnell zu. „Also… wobei braucht ihr Hilfe?“ „Du schaffst das, Harry. Ich weiß, dass du es schaffst.“ Hermine versuchte, ihm aufmunternd zuzulächeln, aber ihr war klar, dass Besorgnis aus ihrem Gesicht sprach. Aber war das nicht verständlich? Er würde gegen einen Drachen antreten! Sie war sicher, dass er ungefähr genauso nervös war wie sie. Diesmal würde sie nicht eingreifen können! „Schon gut, Hermine.“, sagte Harry mit einem Lächeln, das so gezwungen aussah, wie ihr eigenes sich anfühlte. „Ich werde es schaffen. Darauf kannst du wetten.“ Sie zuckte zusammen, als sie diese Worte hörte, und Harry wusste wohl sofort, warum. „Entschuldige, ich meine… Ich… ich werde es schaffen, ganz bestimmt.“, verbesserte er sich schnell. Sie hörten Stimmen aus dem Zelt, jemand fragte nach Harry. „Ich muss los.“, sagte er, zögerte aber noch einen Moment. Den nutzte Hermine, um ihn schnell zu umarmen. „Ich… ich werde auf dich wetten, Harry.“ flüsterte sie, bevor sie sich umdrehte und schnell zu den Zuschauerrängen rannte. Harry blieb für ein paar Sekunden perplex stehen, dann schlich sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Und diesmal war es echt. Kapitel 2: Weigerung -------------------- Hanabi war ein Naturtalent. Das war wohl das Erste, das all jenen auffiel, die den Kampf beobachteten – ausschließlich Mitglieder des Clans Hyuuga, die den Geburtstag der jüngsten Tochter Hiashis feierten. Sie erkannte die Schwächen in der Verteidigung ihrer Gegnerin, wich geschickt und sicher aus, und war ganz klar die dominante Kämpferin. Sie beherrschte den Stil erstaunlich gut für eine Zwölfjährige, die gerade den Rang eines Genin erreicht hatte. Neji hörte, wie einige der Gäste Hiashi zu seiner jüngsten Tochter beglückwünschten. „Nur schade, dass sie deine Zweitgeborene ist.“ Er hatte nur darauf gewartet, diesen Satz zu hören. Natürlich, das war wohl der Fluch des Clans. Der stärkste Hyuuga der jüngsten Generation war Neji selbst, ein Mitglied der Zweigfamilie. Das talentierteste Mitglied der Hauptfamilie war Hanabi, die Zweitgeborene. Zu dumm, dass Hiashis Erbin ein Schwächling wie Hinata war. Keiner sagte es, aber Neji wusste, dass es fast alle dachten, schon seit Jahren gedacht hatten. War er denn der Einzige, der die Fehler in Hanabis Stil erkannte? Und sie hatte Fehler, einige sogar, die allerdings mit genug Training und Anstrengung zu meisten wären. War er denn der Einzige, der auch Hanabis Gegnerin beachtete? Der Einzige, der Hinata sah? Sie war gewachsen. Sie war nicht mehr das schüchterne Mädchen, das sich von allen herumschubsen ließ – das war sie schon lange nicht mehr. Wenn Neji ehrlich war, musste er zugeben, dass sie schon damals bei ihrem Kampf während der Chuunin-Prüfung stärker geworden war. Und heute? Hinata war nicht so talentiert wie er selbst oder Hanabi. Sie war kein Naturtalent, das den Kampfstil der Hyuugas spielend beherrschte. Aber sie hatte hart an sich gearbeitet, um damit umgehen zu können. Neji wusste, dass sie einen ganz eigenen Stil entwickelt hatte, und er wusste auch, dass sie in ihrem Team sehr gute Arbeit leistete. Sie hatte sogar versucht, ihre Schwäche im Kampstil der Hyuugas zu überwinden, hatte Neji um Training gebeten! Er hatte sich geweigert. War er tatsächlich der Einzige der Anwesenden, der sehen konnte, was Hinata erreicht hatte? Er, der sie doch eigentlich mehr als alle anderen hier verachtete? Sie hatte neue Techniken gesucht, um ihre Schwächen zu überdecken und auszugleichen. Sie hatte stundenlang trainiert, bis sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sie… sie war nicht mehr schwach, aber Neji würde das niemandem gegenüber zugeben. Hinata war eine Kunoichi Konohas, bereit alles zu geben, bis zum Äußersten zu gehen und ihre Talente in den Dienst ihres Dorfes zu stellen. Konnte denn außer ihm keiner sehen, dass Hinata hier nicht alles gab? Er war sich ganz sicher, dass sie sich zurückhielt, vermutlich weil es der Ehrentag ihrer Schwester war. Lächerlich! Neji an ihrer Stelle hätte mit voller Härte angegriffen. Würde jemand Hinatas Nachsicht erkennen, würde das dessen Meinung von Hanabis Fähigkeiten sicher beeinträchtigen. Aber natürlich sah es keiner. Sie erwarteten Schwäche von Hinata – sie sahen nur, was sie sehen wollten. Schwächlinge, mehr waren sie auch nicht! Da hatten sie schon das Byakugan, aber waren trotzdem blind. Das war wohl ihr Blinder Fleck… Dennoch war es irgendwie enttäuschend, dass Hinata nicht alles zeigte, was sie konnte. Neji war nicht neugierig. Er wusste es. Er hatte sie bei ihrem Training beobachtet. Gelegentlich, wenn es nichts für ihn zu tun gab, und er selbst gerade nicht trainierte… Sie trainierte oft nachts. In letzter Zeit konnte Neji sowieso nicht besonders gut schlafen, warum also nicht Hinatas Training beobachten? Sie bemerkte ihn nie. Dank des Byakugans konnte er genug Abstand wahren um nicht entdeckt zu werden. Und selbst wenn sie ihn entdecken sollte – sie besaß schließlich die gleichen Augen wie er – würde sie nicht auf den Gedanken kommen, dass er sie beobachtete. Und selbst wenn sie es bemerken sollte, was war schon schlimm daran? Warum sollte es ihn kümmern? Es war ja nicht so, dass er sich wirklich für sie interessierte – er sah ihr nur aus Mangel einer besseren Beschäftigung zu! Einmal hatte sie ihn erwischt. Nicht, dass erwischt es treffen würde… Jedenfalls hatte sie ihn bemerkt. „Neji Nii-san… hast du mir zugesehen?“ Sie hatte plötzlich angehalten und zu ihm gesehen. „Hn.“ „U-und… was sagst du?“ Ihre Wangen hatten sich leicht rot gefärbt. Neji konnte nicht glauben, dass er ihr gerade ein Kompliment hatte machen wollen… aber die Röte in ihrem Gesicht hatte ihn fast wie ein Schlag getroffen, auch wenn er selbst nicht wusste, warum. Er hatte sie einige Sekunden lang nur angestarrt – dank seiner pupillenlosen Augen war das jedoch kaum zu sehen. Ihm war heiß geworden… „N-Neji Nii-san?“, hatte sie gefragt und war mit einem besorgten Blick etwas näher gekommen. Neji Nii-san… Nii-san… Diese Worte hatten ihn wieder zur Besinnung gebracht. „Du musst noch viel lernen, Hinata-sama.“, hatte er knapp geantwortet und sich abgewandt um zu gehen. „Warte!“ Noch nie hatte sie ihn aufgefordert zu warten – und noch nie hatte er so dringend gehen wollen. Aber er war stehen geblieben. „Neji Nii-san…“ Er hasste diese Worte. „Würdest du… mit mir trainieren?“ Wieder hatte er sich gefühlt, als hätte er einen Schlag bekommen, aber er hatte sich sofort wieder gefasst. „Ich habe keine Zeit für jemanden wie dich.“, hatte er gesagt und dabei versucht so kalt wie möglich zu klingen. Er war gegangen, ohne auf Widerworte zu achten – es waren keine gekommen. Er hatte sich geweigert, mit ihr zu trainieren. Sie war in keiner Hinsicht seine Schülerin, und er war auch nicht für sie verantwortlich – wenn man mal davon absah, dass es offiziell seine Pflicht war, sie zu beschützen. Warum kam er sich dann vor wie ein Sensei, der einen Kampf seines wichtigsten Schülers betrachtete? Er wollte, dass Hinata endlich zeigte, was sie konnte – er hatte es so oft gesehen, hatte ihre geschmeidigen Bewegungen beobachtet, ihre schnellen Reflexe… und vor allem ihre Anstrengung, die Entschlossenheit in ihrem Gesicht, niemals aufzugeben, sondern immer ihr Bestes zu geben. Diese Entschlossenheit, wegen der er sich vielleicht… Warum gab sie jetzt nicht ihr Bestes?! Vielleicht hätte er doch mit ihr trainieren sollen… Aber dann würde er jetzt vermutlich noch wütender sein. Sie war eben eine Enttäuschung. Frustriert wandte Neji sich ab. Er wollte ihre Niederlage nicht sehen. Natürlich lobten alle Hanabi, nachdem Hiashi den Kampf endlich beendet hatte. Anscheinend war Hinata für eine Niederlage dann wohl doch zu stolz gewesen, aber für Neji war das nicht genug. Er war sich sicher, dass sie Hanabi hätte besiegen können, und die Tatsache, dass sie das nicht einmal versucht hatte, fühlte sich für Neji fast wie eine persönliche Beleidigung an – obwohl es ihm doch eigentlich egal war… „Meine Tochter ist eben eine wahre Hyuuga.“, sagte Hiashi und strich fast zärtlich über Hanabis Kopf, während Hinata unbeachtet neben ihm stand. „Was meinst du, Neji?“ Neji wandte sich höflich zu den Vertretern der Hauptfamilie. „Ein… interessanter Kampf.“, sagte er ruhig und vielleicht einen Hauch zu kühl. „Wirklich… Neji Nii-san?“, fragte Hinata. Er war sich sicher, dass mehr in dieser Frage war… dass Hinata wirklich wissen wollte, was er von ihrer persönlichen Leistung hielt… Ihre Weigerung, mit voller Kraft zu kämpfen, die herablassende Art, mit der Hiashi seine älteste Tochter ausschloss, und zuletzt diese Worte… Nii-san… „Deine Haltung zeigt noch zu viele Lücken auf, Hanabi.“, sagte er – laut, schneidend und vor allem kalt. „Hinata hätte deine Verteidigung leicht umgehen können. Du nutzt die Stärke des Byakugan nicht. Du musst besser zielen. In einem ernsthaften Kampf hättest du keinen ihrer Chakra-Punkte auch nur berühren können. Was sollten diese 62 Schläge? Hast du auf der Nina-Akademie nicht gelernt zu zählen? Ich an deiner Stelle würde nicht allzu stolz auf diese Leistung sein. Und vor allem würde ich mich dafür nicht von einem Haufen Heuchler feiern lassen!“ Hanabi verdiente seinen Zorn nicht, das war ihm bewusst, aber es tat gut, wenigstens einen Teil davon herauszulassen. Der Schock in Hanabis Gesicht versetzte Neji zwar einen leichten Stich, aber der Anblick von Hiashi, in dessen Gesicht sich eine Mischung aus Ungläubigkeit, Scham und Wut zeigte, war es mit Sicherheit wert gewesen. Mit einem Gefühl der Genugtuung wandte Neji sich um und ging. Erst, als er das Anwesen der Hyuugas schon verlassen hatte, hörte er ihre Stimme. „Neji Nii-san! Warte!“ „Was gibt es, Hinata-sama?“, fragte er scheinbar ungerührt. Er hörte, wie sie lief, um ihn einzuholen. „Warum hast du das gesagt?“, forderte sie zu wissen – ja, Hinata forderte. „Es ist die Wahrheit.“, erwiderte Neji tonlos und wollte weitergehen. „Neji Nii-san!“, rief Hinata, und wieder stieg Wut in Neji auf. Er wollte sie ignorieren, einfach nicht zuhören… da spürte er eine Hand auf seiner Schulter. „Neji Nii-san… warum warst du so zornig?“, fragte sie sanft. Als er sie ansah, war es wieder wie damals. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden, und wieder fühlte er sich, als würde er überschwemmt werden, von Dingen, die auszusprechen oder nur zu denken, er sich weigerte. „Neji Nii-san… du könntest mit Hanabi trainieren.“, schlug Hinata vor. Neji schüttelte automatisch den Kopf. „Sie ist… unwichtig.“ Er verspürte wieder einen Stich, als Hinata traurig zu Boden blickte, einen viel heftigeren. „Ich… ich bin auch unwichtig, nicht wahr?“, fragte sie. Fast unbewusst berührte Neji ihr Kinn und hob ihr Gesicht leicht an. „Das habe ich nie gesagt.“ Als sie ihn überrascht ansah und dabei leicht errötete, ließ Neji es für einen kurzen Moment zu, daran zu denken. Nur einen Augenblick an gestand er sich selbst ein, was er für sie empfand. Aber es durfte nicht sein. Und näher als in diesem Augenblick würde er ihr gegenüber der Wahrheit nie kommen. „Dann wirst du mich trainieren?“, unterbrach Hinata die Stille. Keiner von beiden hatte gemerkt, wie lange sie so gestanden waren. Kurz ließ Neji seine Maske fallen, und sie sah den Schmerz in seinen Augen, während er sanft ihre Wange streichelte. „Nein.“, sagte er ruhig und bestimmt. „Neji…“, begann Hinata und klang fast flehend. „Versprich mir etwas, Hinata.“, bat Neji, und zum ersten Mal war es kein Befehl. Sie nickte, ohne den Blick von seinen Augen zu lösen. „Hör niemals auf, mich Nii-san zu nennen – Hinata-sama.“ Er sah schnell weg und ging. Er wollte ihre Reaktion nicht sehen. … denn seine Weigerung, auch nur über sich und Hinata nachzudenken, war vielleicht das Einzige, das ihre Welt noch zusammenhielt. Kapitel 3: Fluss ---------------- „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich ihn vermisse.“ Seufzend lehnte Yukari sich gegen den Stamm der Weide und blickte auf den Fluss hinab. Es war einer dieser „goldenen“ Tage mit strahlendem Sonnenschein, der dafür sorgte, dass die kühlen Temperaturen gerade noch angenehm waren, blauem, wolkenlosen Himmel und Bäumen, deren rote oder gelbe Blätter bereits langsam zu Boden segelten. Manche von ihnen trafen die Wasseroberfläche und wurden flussabwärts getragen, während die Sonnenstrahlen im Wasser reflektiert wurden. Langsam entspannte Yukari sich und schloss die Augen. Amano. Sie fragte sich, wo er jetzt wohl war, was er tat… ob er an sie dachte… „Es ist so seltsam… Ich habe ja gewusst, dass er bald fort geht. Aber jetzt, wo er tatsächlich weg ist… Ich vermisse ihn.“ Seufzend blickte sie zu ihrer besten Freundin Hitomi, die neben ihr saß. „Was, wenn er mich vergisst?“ Sie war überrascht, auf dem Gesicht ihrer Freundin ein sanftes Lächeln zu sehen. „Er kann dich gar nicht vergessen.“, antwortete Hitomi. „Wie kannst du so sicher sein?“, fragte Yukari verwundert. „Es ist ganz einfach.“, begann Hitomi. „Weißt du, man wird so schnell von demjenigen getrennt, den man liebt. Und natürlich machst du dir jetzt Sorgen, du hast Angst, dass er dich aus den Augen verliert – oder du ihn. Aber weißt du, Yukari, es ist eigentlich nicht wichtig, dass man immer mit dem Geliebten zusammen ist. Nicht, wenn es wirklich Liebe ist.“ Yukari runzelte die Stirn, während sie ihre Freundin betrachtete. Hitomi lächelte immer noch, sie strahlte inzwischen fast. Yukari war nicht sicher, worauf das andere Mädchen gerade sah, aber sie wusste instinktiv, dass sie selbst es nicht sehen konnte. „Es ist… ja, eigentlich ist es wie mit diesem Fluss. Sieh dir die Ufer an. So wie du sie jetzt siehst, sind sie getrennt, sie können gar nicht zusammen kommen. Erst, wenn du zurückgehst, erkennst du, dass sie eigentlich ursprünglich zusammen waren, und erst durch den Fluss getrennt wurden. Diese Ufer, das sind die Liebenden.“ „Aber Hitomi… das klingt so, als würde ich Amano nie wieder sehen…“, sagte Yukari leise. „Sie sind nicht getrennt, Yukari.“, fuhr Hitomi fort. Vielleicht hatte sie dein Einwurf gar nicht bemerkt. „Das Wasser ist wie ihre Liebe. Dadurch sind sie immer verbunden, auch wenn sie voneinander getrennt sind. Der Fluss fließt immer weiter, so wie ihre Liebe weiterhin besteht – auch wenn nur noch Erinnerungen bleiben.“ Verwirrt beobachte Yukari wie Hitomi in den Himmel sah. Ihr verträumtes Lächeln wirkte auf einmal fast traurig und Yukari hätte schwören können, dass sie Tränen in den Augen ihrer Freundin gesehen hatte. „Hitomi… du magst Amano doch noch, oder?“, fragte Yukari leise – ihr war inzwischen klar, dass Hitomi nicht von ihr sondern viel eher von sich selbst gesprochen hatte. „Amano?“, wiederholte Hitomi. „Nein, Yukari. Aber ich… ich weiß trotzdem, wie du dich fühlst. Vermutlich besser, als du glaubst.“ „Ich verstehe dich nicht, Hitomi.“, seufzte Yukari. Ihre Freundin nickte. „Das ist vielleicht das Beste.“ Mit diesen Worten lehnte sie sich wieder gegen den Baum und schloss die Augen. Kapitel 4: Meteor ----------------- „Was wäre, wenn ein Meteor auf die Erde fallen würde?“ „Bitte, was?“ Etwas gereizt wandte Seto den Blick von seinem Monitor ab und auf seine Freundin, die im Moment auf seinem Bett lag und an die Decke starrte, während sie mehr oder weniger geduldig darauf wartete, dass er endlich aufhörte, sich mit den Aktien seiner Firma zu beschäftigen. „Was wäre, wenn ein Meteor auf die Erde fallen würde?“, wiederholte Anzu, die sich jetzt aufsetzte und ihn nachdenklich ansah. „Kommt auf die Größe an.“, antwortete Seto ungerührt. „Ein Globaler Killer natürlich!“, erwiderte Anzu und verdrehte die Augen, als wäre es das Offensichtlichste der Welt. „Wie kommst du überhaupt darauf?“, fragte Seto irritiert. „Beantworte einfach meine Frage!“, beharrte Anzu. „Was wäre, wenn uns ein Globaler Killer treffen würde?“ Seufzend wandte Seto sich nun völlig seiner Freundin zu. So albern das Gespräch auch war, je früher er es hinter sich brachte, umso früher würde er sich wieder der Überprüfung der Aktienentwicklung widmen können. „Das, was man als Globalen Killer bezeichnet, ist bereits zu groß, um von der Atmosphäre noch besonders abgebremst zu werden.“, begann er seinen Vortrag. „Das heißt, er trifft die Erde fast mit kompletter Wucht. Die Folge ist eine Explosion, der entstehende Staub wird in die Atmosphäre steigen und den Himmel verdunkeln. Natürlich wird alles in unmittelbarer Nähe des Einschlags schon durch die Hitze zersetzt. Wer das überlebt hat, wird vermutlich wegen der Verdunklung der Sonne sterben. Die Temperaturen würden so weit sinken, dass Leben für uns nicht mehr möglich ist.“ Er selbst war eigentlich recht zufrieden mit seiner Antwort – Anzu dagegen seufzte und verdrehte schon wieder die Augen. „Danke für den Vortrag, Professor.“, meinte sie sarkastisch. „Das meinte ich aber nicht.“ Offensichtlich erkannte sie seine Verwirrung, bevor er nachfragen musste, was sie denn bitte sonst mit „Globalem Killer“ gemeint hatte. „Ich meine – was würdest du tun, wenn du wüsstest, dass die Erde bald von so einem Meteor getroffen wird?“, fragte Anzu. Für einen Moment erwog Seto, einfach darauf zu verweisen, dass das nicht der Fall war, und er sich daher auch nicht mit dieser Frage beschäftigen musste. Aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass Anzu ihm das vermutlich nicht würde durchgehen lassen. „Ich würde investieren.“, sagte er nach kurzem Abwägen. „Investieren? In was bitte?!“, fragte Anzu. Mit einer solchen Antwort hatte sie nicht gerechnet. „Ich würde in das vielversprechendste Projekt zur Abwehr des Globalen Killers investieren.“, erklärte Seto. „Das wäre vermutlich die NASA, aber ich würde mich trotzdem vorher informieren ob es nicht irgendwo ein besseres Projekt gibt.“ „Es gibt keine Projekte!“, rief Anzu. „Was redest du da? Natürlich gibt es Projekte. Ich weiß nicht, wie fortgeschritten sie sind oder wie sie aussehen, aber es gibt sie mit Sicherheit.“, erwiderte Seto. „Nein, ich meine – stell dir vor, es gäbe keine Projekte. Stell dir vor, es gäbe überhaupt keine Möglichkeit, irgendetwas dagegen zu tun. Die Erde wird von einem Globalen Killer getroffen, und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst.“, verbesserte Anzu die Anweisungen. „Das ist lächerlich.“, bemerkte Seto. Langsam verlor er die Geduld. „Stell es dir einfach vor! So schwer kann das doch nicht sein! Eine rein hypothetische Frage!“, erwiderte Anzu, die wohl ein ähnliches Problem hatte. Jetzt war es an ihm zu seufzen. „Also schön, wenn es keinerlei Hoffnung gäbe, den Aufprall zu verhindern, würde ich sämtliche Ressourcen ausschöpfen, um zu denen zu gehören, die überleben.“ „Du sagtest doch selbst, dass Leben nicht mehr möglich wäre.“, bemerkte Anzu. „Es wird aber bestimmt Projekte geben, zumindest einen Teil der Menschheit durchzubringen. Vermutlich in einer unterirdischen Anlage.“, erwiderte Seto. Er wusste nicht genau, wie das funktionieren sollte, aber er war sich sicher, dass es möglich war. „So wie in der einen Superman-Folge!“, rief Anzu. „Was?“ Schon wieder verdrehte sie die Augen, diesmal wohl aufgrund seines Unwissens über das, was sie als Klassiker bezeichnete. „In der Superman-Folge, in der ein Meteor auf die Erde zurast und Superman beim ersten Versuch ihn aufzuhalten versagt. Lex Luthor bietet Lois an, mit ihm zusammen zu den Überlebenden zu gehören und in einem unterirdischen System zu leben. So etwas meinst du, richtig?“ „Ich hatte eher an Deep Impact gedacht, aber ja – vermutlich ist es das selbe Prinzip.“, stimmte Seto zu. Er wartete bereits auf die nächste Frage, die eigentlich bald kommen müsste. Sie kam nicht. Setos erster Impuls war, sich wieder mit den Aktien zu beschäftigen, aber er ignorierte ihn. „Sonst noch eine Frage?“ Dabei versuchte er seine Stimme möglichst desinteressiert klingen zu lassen. „Eine noch.“, gab Anzu zu. Seltsamerweise klang sie dabei fast schüchtern. „Was… was wäre mit mir? Ich meine… ich könnte mir das nicht leisten… zu diesen Überlebenden zu gehören…“ „Stimmt.“, bestätigte Seto ungerührt. „Und auch in deiner Familie könnte es sich keiner leisten.“ „Vielen Dank auch!“, erwiderte sie wütend. „Vergiss, dass ich gefragt habe!“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und starrte die Wand an. Auch als Seto aufstand und zu ihr ging, wandte sie sich ihm nicht wieder zu. „Ich könnte es mir leisten.“, sagte er ruhig, während er sich neben sie setzte. Bei diesen Worten wandte sie sich ihm tatsächlich wieder zu. „Eigentlich beruhigend, denn das heißt, das ich nicht nur Familienangehörige mitnehmen kann – für den Fall, dass du dann meinen Antrag ablehnen würdest.“ Ihre Augen weiteten sich. „Antrag?“, wiederholte sie leise und ungläubig. „Äh… Natürlich in… in einem rein hypothetischen Szenario.“, fügte Seto fast stotternd hinzu. Das Funkeln kehrte in Anzus Augen zurück, während sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete. „Gut zu wissen – theoretisch.“, fügte sie hinzu, bevor sie ihn umarmte. „Und weißt du… jetzt habe ich eigentlich gar keine Angst mehr vor einem Meteor.“ „In Anbetracht der Tatsache, dass ein Meteor eigentlich nur die Lichterscheinung des Fremdkörpers beim Eintritt in die Atmosphäre ist, und das eigentliche Gestein, das uns treffen würde, Meteorit heißt, ist Angst vor einem Meteor auch ziemlich lächerlich.“, stellte Seto völlig sachlich fest. Wieder seufzte Anzu und schüttelte leicht den Kopf. „Seto – halt einfach die Klappe.“ Kapitel 5: Eisbären ------------------- „Hey, Jii-chan, zwei mal Ramen Spezial!“, Diese sechs Worte reichten, um Ichiraku zu sagen, dass ihm eine sehr, sehr lange Nacht bevorstand. Denn vom wem außer Naruto sollten jene begeisterten Worte auch gekommen sein. Bevor er sich also daran machte, die Bestellung vorzubereiten, warf Ichiraku noch einen Blick auf seinen neu angekommenen Gast. Normalerweise bestellte Naruto nie Ramen Spezial – es war einfach zu teuer. Als er allerdings neben ihm Tsunades Assistentin sah, war ihm alles klar. „Also…“, begann Sakura nach einer und zwirbelte an einer Strähne ihres rosafarbenen Haares. Die Stille zwischen ihr und Naruto war einfach zu seltsam… Irgendwie musste sie die unterbrechen, und möglichst bevor ihr Essen kam und jegliche Unterhaltung verhindern würde. „Du hast nie von deinem Training mit Jiraiya erzählt. Wo wart ihr eigentlich?“ Insgeheim beglückwünschte sie sich dafür, doch noch auf ein Thema gekommen zu sein. Und Naruto schien auch damit einverstanden zu sein, denn er grinste, bevor er anfing zu sprechen. „Oh, wir waren in allen möglichen Ländern. Allerdings nie in irgendwelchen anderen Ninja-Dörfern, die darf man ja eigentlich nur während der Chuunin-Prüfung betreten.“ Kurz machte er eine Pause und Sakura erkannte, dass es ihm immer noch etwas zu schaffen machte, dass er als Einziger in ihrer Altersgruppe immer noch ein Genin war. Mit Ausnahme von Sasuke… Ja, mit Ausnahme von Sasuke, aber das war jetzt unwichtig. Dieser Abend war ein Naruto-und-Sakura-Abend, kein Wir-trauern-um-Sasuke-Abend! Zu ihrem Glück schien Naruto nicht auf denselben Gedanken zu kommen – ein Glück, sonst würde er wieder den ganzen Abend über grübeln und deprimiert auf seine Schüssel schauen – und redete weiter. „Zuerst waren wir im Land des Wassers. Ero-sennin hat mich die ganze Zeit neben ihm her laufen lassen, während er mit zwei Mädchen in einem Boot gesessen ist! Ein paar Mal bin ich reingefallen und er wollte, dass ich meine Kleider mit Chakra wieder trockne – aber ich habe es einfach nicht hinbekommen, also hat er mir diese Übung irgendwann erspart.“ „Dummkopf, man kann seine Kleider nicht mit Chakra trocknen.“, unterbrach Sakura ihn Kopf schüttelnd. „N-nicht?!“, entfuhr es Naruto. „Argh! ERO-SENNIN!“, schrie er so laut, dass alle anderen Kunden Ichirakus vor Schreck aufsprangen und Ayame fast eine Schüssel fallen ließ. Belohnt wurde er von Sakura mit einem Schlag auf den Kopf. „Benimm dich, Dummkopf!“, fauchte sie. „Äh… Hehe… Entschuldige, Sakura-chan!“, sagte Naruto schnell – es war deutlich zu erkennen, dass die Angst aus ihm sprach. „Naja… danach jedenfalls…“ „Zweimal Ramen Spezial.“, unterbrach Ayame ihn und stellte zwei Schüsseln und Stäbchen vor die beiden. „Guten Appetit.“ Dabei lächelte sie und zwinkerte Naruto zu – der natürlich nicht verstand, was sie meinte. Sakura seufzte. In manchen Bereichen war Naruto wirklich ein Dummkopf. „Also dann!“, rief Naruto und strahlte sie an. Sie musste einfach lächeln, als er sie so ansah… „Itadakimasu!“, sagten beide gleichzeitig und begannen zu essen. Mit einem Lächeln stellte der alte Mann vorsichtig und so unauffällig wie möglich die Schüsseln der beiden Shinobi weg. Ihr Inhalt war längst in den Mündern verschwunden, die jetzt so angeregt miteinander redeten. Okay, hauptsächlich redete Naruto von seinem Training und wurde dabei gelegentlich von seiner Verabredung unterbrochen… Außer den beiden war längst keiner mehr am Ramen-Stand, und eigentlich würde Ichiraku langsam gerne Feierabend machen… Aber gut, manchmal musste man auch für das Wohl anderer Opfer bringen, und so beschäftigte der alte Mann sich lieber mit dem Abwasch. „…also mussten wir schon wieder abhauen. Diesmal sind wir ins Land des Schnees gereist. Es war klasse, Sakura-chan! Wir waren in den nördlichsten Gebieten des Schneelandes. Ich schwör’s dir, ich habe sogar Eisbären gesehen!“ „Eisbären?“, wiederholte Sakura skeptisch und mit gerunzelter Stirn. So sehr sie den Abend auch genoss, ihre kritische Natur ließ sich einfach nicht in Zaum halten. „Was soll denn bitte ein Eisbär sein?“ „Naja, sie sehen aus wie normale Bären, wie sie bei uns im Wald leben – aber sie sind viel größer und weiß.“, erklärte Naruto. „Jedenfalls, wir waren gerade sicher, dass wir diese Gras-Ninja hinter uns gelassen hatten, da trafen wir auf einen Eisbären.“ „Red nicht so einen Unsinn, Naruto!“, unterbrach Sakura. „So weit im Norden leben gar keine Bären – mal abgesehen davon, dass Bären braun und nicht weiß sind.“ „Es waren aber keine Bären, es waren Eisbären! Und einer hätte mich fast gefressen!“, beharrte Naruto. „Wirklich, Sakura-chan! Und dann wollte ich noch Boss Gamabunta beschwören, aber es kamen nur seine Kinder, die sich über die Kälte beschwert haben und-“ „Und du redest nur noch mehr Unsinn.“, beendete Sakura den Satz für ihn. „Ernsthaft, Naruto, wenn ich gewusst hätte, wie du darauf reagierst, hätte ich dir nie erlaubt, Sake zu bestellen! Weiße Bären… das ist doch lächerlich.“ „Ist es nicht!“, protestierte Naruto, was ihm nur weiteres Lachen von Sakura einbrachte. „Ach ja? Und wie hast du das Biest dann besiegt, wenn die Kröten nicht kämpfen wollten?“, fragte die Kunoichi. „Das war einfach, es war doch nur ein Tier und kein Ninja. Ero-sennin wollte ja nur, dass ich lerne, auch mit fast abfrierenden Händen das Rasengan zu formen – und das habe ich dann gemacht.“, erklärte Naruto grinsend. Er hatte nicht damit gerechnet, dafür geschlagen zu werden – andererseits musste man in Sakuras Nähe eigentlich immer damit rechnen. „Das arme Tier!“, rief sie. „Du solltest dich schämen!“ „Gerade eben sagtest du doch noch, es gibt diese Tiere gar nicht!“, beschwerte Naruto sich. „Ehrlich, Sakura-chan, vielleicht bist du hier diejenige, die besser etwas weniger Sake getrunken hätte!“ „Was soll das heißen?!“, fuhr Sakura ihn an, auch wenn klar war, dass sie es nicht ernst meinte. „Hehe… gar nichts, Sakura-chan.“, sagte Naruto. „Gut zu wissen, dass sich manche Sachen nicht ändern.“ Dabei warf er ihr wieder diesen halb melancholischen und halb glücklichen Blick zu, der ihr Herz höher schlagen ließ. „Weißt du…“, begann sie und musste sich dabei zwingen, ihm weiterhin in die Augen zu sehen. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. „Es gibt auch eine ganze Menge Dinge, die sich verändert haben, Naruto. Ich habe mich geändert…“ Sie zögerte. Sollte sie es sagen? Sollte sie auch diesen letzten Satz sagen, der sämtliche Zweifel auslöschen müsste, der selbst einem Idioten wie Naruto klar machen würde… Meine Gefühle haben sich verändert… „Keine Sorge, Sakura-chan. Ich finde nicht, dass du dich verändert hast.“, antwortete Naruto und lächelte ihr aufmunternd zu. „Du bist immer noch dieselbe, warmherzige, aufopfernde und manchmal etwas gewalttätige Sakura-chan, und das wirst du für mich immer bleiben.“ Einen Moment überlegte Sakura, ob sie widersprechen sollte, aber dann schüttelte sie nur seufzend den Kopf, während sie ihre Stirn mit der Hand abstützte. „Manchmal kannst du so ein Dummkopf sein.“, sagte sie. „Wie meinst du das?“, fragte Naruto verwundert. Sakura seufzte wieder. Und schon wieder hatte sie ihre Chance verpasst… Sie konnte es ihm nicht mehr sagen. „Ach, vergiss es. Ehrlich gesagt… ich bin etwas müde. Und es ist schon spät, ich bin sicher, Ichiraku-san möchte bald schließen.“ Wenigstens wirkte Naruto etwas enttäuscht, bevor er den alten Mann rief, um zu bezahlen. „Da wären wir also.“, sagte Sakura schließlich. Der Weg bis zu ihrem Haus war ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen – so wie eigentlich jede Minute, die sie allein mit Naruto verbrachte, ohne zu reden. Verdammte Stille, die in letzter Zeit immer öfter zwischen ihnen entstand. Trotzdem, jetzt wo sie angekommen waren, wünschte Sakura fast, sie würde am anderen Ende des Dorfes wohnen. Oder noch besser, dass ihr noch irgendeine Ausrede dafür einfiel, warum sie nicht gleich ins Haus ging. Entgegen dieser Gedanken war sie schon dabei, ihren Schlüssel zu suchen. Wenigstens lenkte das von der Stille ab, aber u ihrer eigenen Frustration fand sie ihn nicht. Seufzend ging sie um das Haus herum, bis sie vor dem Fenster ihres Zimmers stand, das nur angelehnt war. Verwundert und ohne zu fragen war Naruto ihr gefolgt. Anscheinend war selbst ihm diese unangenehme Stille aufgefallen, und auch er wusste nicht, wie oder ob er sich jetzt von Sakura verabschieden sollte. „Weißt du…“, begann Naruto schließlich. „Sakura-chan… Ich hatte sehr viel Spaß heute. Vielleicht sollten wir das öfter machen?“ Er lachte verlegen und sie musste einfach lächeln. „Sehr gerne sogar.“, antwortete sie. Langsam musste er es doch verstehen, oder? Er mochte sie schon seit Ewigkeiten, langsam musste ihm doch klar werden, dass diese Gefühle nicht mehr unerwidert waren… „Wirklich?“ Naruto sah sie fast schon verwirrt an, als erwartete er noch etwas. Vielleicht sollte sie ihrem Image gerecht werden, ihm einen Schlag verpassen und ein „Nur solange ich nichts bezahlen muss!“ hinzufügen, aber sie fühlte sich wohler damit, einfach nur ehrlich zu sein, ohne ihre Gefühle hinter irgendeiner Fassade zu verstecken, mit der sie sich später entschuldigen konnte… „Ja, wirklich.“, sagte sie ernst, fast schon feierlich. Es fehlte doch nicht viel, noch etwas mehr hinzuzufügen… Du bedeutest mir sehr viel… Ich mag dich… sehr sogar… ich… liebe dich… Wie schwer konnte es sein? Diese Frage stellte sie sich aber schon seit Wochen. Sie wusste doch, dass Naruto sie mochte – seit Ewigkeiten! Wie konnte sie da Angst davor haben, ihm zu gestehen, dass sie… „Danke für heute Abend.“, sagte sie stattdessen, und wieder spürte sie sich selbst erröten. Gott sei Dank war es viel zu dunkel, als dass er es erkennen konnte. „Ich hatte auch sehr viel Spaß.“ Zaghaft drückte sie ihr Fenster auf und kletterte in ihr Zimmer. „Sakura-chan! Das hätte ich fast vergessen!“, rief Naruto. „Still, die Nachbarn.“, zischte sie, als sie sich ihm zuwandte, und sich mit den Armen auf dem Fensterbrett abstützte. „Was denn?“ „Das hier ist für dich – und jetzt musst du mir glauben.“, erklärte Naruto grinsend, als er ihr einen Schal überreichte. Einen Schal aus völlig weißem, weichem Fell. „Naruto… ist das…?“, fragte sie ungläubig. „Eisbären – ich habe es dir doch gesagt!“, antwortete Naruto triumphierend. Sakura streichelte vorsichtig über das Fell. In Konoha wurde es nicht oft kalt genug, um überhaupt einen Schal zu tragen – aber das war ihr egal, sie schwor sich, ihn bei der nächsten Gelegenheit zu tragen. „Naruto… er ist wunderschön.“, hauchte sie fast andächtig. „Ich… Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Danke.“ „Ach, kein Problem, Sakura-chan.“, erwiderte Naruto und kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf. „Ich… ich gehe dann mal. Gute Nacht, Sakura-chan.“ „Naruto!“, rief sie, als er sch abwandte, um zu gehen. „Ja?“, fragte er und drehte sich wieder zu ihr. Ohne weiter nachzudenken, beugte Sakura sich vor um ihn zu umarme. „Danke für alles – Naruto-kun.“, flüsterte sie in ein Ohr und küsste ihn kurz auf die Wange, bevor sie zurücktrat und schnell Fenster und Vorhänge schloss. Okay, sie hatte es ihm immer noch nicht gesagt. Aber vielleicht würde er es ja bald herausfinden. So wie sie Naruto kannte… Wohl eher nicht. Kapitel 6: Nur, damit du es weißt... ------------------------------------ „Es ist schon ziemlich lange her, dass ich dich das letzte Mal besucht habe, nicht wahr?“, fragte Asuka eine Weile, nachdem Sho das Krankenzimmer verlassen hatte. Ihr Blick ruhte dabei zum ersten Mal seit langem ruhig und sanft auf dem noch immer bewusstlosen Körper Ryos. „Eigentlich trifft es besuchen ja auch nicht richtig… vielleicht sollte ich eher sagen, es ist lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben. Nur, dass du mich natürlich nicht siehst.“, fügte sie mit einem leisen Lachen hinzu. „Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, aber mir fällt einfach kein passendes Wort ein. Vielleicht, dass wir schon lange nicht mehr geredet haben. Aber das passt auch nicht, denn du redest ja nichts. Aber… dass ich dir von meinen Problemen erzähle. Ja, das passt.“ Sie lächelte zufrieden, bevor sie wieder aufstand und die Blumenvase von seinem Nachttisch nahm. „Du hast uns allen einen ziemlichen Schrecken eingejagt.“, fuhr sie in einem fast erzwungenen Plauderton fort und nahm die verdorrten Blumen heraus, um sie wegzuwerfen. „Wir dachten schon, du wärst…“ Sie stockte kurz, schüttelte dann aber energisch den Kopf und redete weiter, auch wenn ihre Stimme jetzt etwas verkrampfter klang. „Wie auch immer, du bist hier, und bald wirst du wieder gesund sein. Und nur, damit du es weißt, diesmal lasse ich dich nicht einfach so davon kommen oder schaue zu, wie du dich selbst zu Grunde richtest.“ Sie versuchte dabei aufmunternd zu klingen, aber allein die Erinnerung an das, in das er sich verwandelt hatte, trieb einen Hauch von Bitterkeit in ihre Stimme. „Du weißt nicht, wie das für mich war.“, sagte sie leise, als immer mehr Erinnerungen hochkamen, die sie eigentlich verdrängen wollte. „Ich habe an dich geglaubt…“, flüsterte sie. „Ich wäre für dich da gewesen! Warum… warum hast du nicht mit mir gesprochen? Warum hast du niemanden um Hilfe gebeten? Nii-san, oder Sameshima-sama, oder vielleicht sogar Sho, oder… oder mich?! Aber nein, du musstest es alleine durchstehen. Du musstest doch immer alles alleine machen! Wie damals… Nie hast du mir erzählt, was dich bedrückt oder besorgt! Hast du mir nicht vertraut? Hast du keinem von uns vertraut? Wir wären für dich da gewesen! Aber du… du… verdammt!“ Sie stellte die Vase zu laut auf dem Nachttisch ab, sodass etwas Wasser überschwappte, und zwang sich selbst dazu, die Tränen wieder zurückzudrängen. „Weißt du, eigentlich ist es jetzt egal… Es ist vorbei. Aber damals, deinetwegen… deinetwegen habe ich auch den Glauben an mich selbst verloren. Und den Glauben an das Duellieren. Es war einfach weg. Kannst du dir vorstellen, dass ich überlegt habe, das Duellieren endgültig aufzugeben? Ich?!“ Sie schüttelte den Kopf. „Es klingt absurd, nicht wahr? Aber… aber das ist vorbei. Ich habe das hinter mir gelassen, Ryo. Ich… ich werde stärker. Ich werde nicht aufgeben. Ich werde auf die amerikanische Universität gehen, und ich werde stärker werden – sogar stärker als du es warst, und nichts wird mir je wieder mein Selbstvertrauen nehmen. Ich werde nicht in deine Fußspuren treten – und ich werde nicht deine Fehler wiederholen! Und vielleicht siehst du dann… vielleicht siehst du dann, dass ich stark sein kann. Du hättest mir vertrauen können…“ Wieder brach sie ab, diesmal um die Narzisse, die sie ihm gebracht hatte, in die jetzt leere Vase zu stellen. „Ich werde stark sein… für dich.“, sagte sie ruhig und bestimmt. „Damit du vielleicht auch irgendwann den Mut findest, zurückzukehren. Nur, damit du es weißt…“ Sie zögerte, unsicher, ob sie gehen sollte. Sie hatte gesagt, was sie hatte sagen wollen, und das Schiff würde bald ablegen… Langsam beugte sie sich vor und gab Ryo einen leichten Kuss auf die Stirn. „Auf Wiedersehen, Ryo.“, flüsterte sie, bevor sie die Krankenstation endgültig verließ. Ryo öffnete die Augen, als er hörte, wie sich die Tür schloss. „Auf Wiedersehen, Asuka.“, sagte er leise in das leere Zimmer. Kapitel 7: Kostbare Rose ------------------------ Drew seufzte, während er um die Ecke blickte, wo die laute Gruppe aus vier Pokemon-Trainern stand und legte eine Hand auf Roselias Kopf. Es war kein Zufall, dass er wieder einmal in derselben Stadt wie Maike war. Beide wollten an dem Wettbewerb teilnehmen. Er war nicht ihretwegen gekommen und ganz sicher versteckte er sich nicht vor ihr – er hatte einfach keine Lust dazu, sie jetzt zu treffen. Sie würden sich früh genug in der ersten Runde sehen, also warum irgendetwas übereilen? Und nein, es lag definitiv nicht daran, dass er in ihrer Nähe immer kurz davor war, seine perfekte Beherrschung zu verlieren. Es lag auch nicht daran, dass er – sonst immer so charmant und eloquent – immer öfter nach den richtigen Worten suchen musste, wenn er mit ihr redete. Seltsam, normalerweise würde er bestimmt wissen, wie man ein Mädchen mit Worten beeindruckte, umgarnte, mit ihr flirtete… aber jedes Mal, wenn er Maike gegenüber stand, vergaß er sämtliche Sprüche, die er sich noch in der schlaflosen Nacht zuvor zurecht gelegt hatte, nur um sie dann zu sticheln oder sogar zu beleidigen – das mochte vielleicht für Zwölfjährige eine passende Art sein, seine Zuneigung zu zeigen, aber inzwischen waren sie sechzehn und er konnte sich nicht vorstellen, dass Maike sehr begeistert darüber wäre, lächerlich gemacht zu werden. So gab er sich lieber damit zufrieden, sie unentdeckt zu beobachten – zumindest konnte er so nichts falsch machen. Maike lachte gerade, als sie ihren beiden Freunden begeistert von irgendetwas berichtete. Sie wirbelte im Kreis herum und selbst auf die Entfernung konnte Drew das Leuchten in ihren Augen erkennen, dieses Zeichen ihrer absoluten Hingabe, das ihm jedes Mal die Kehle zuschnürte. Mit einem weiteren Seufzen blickte Drew auf die rote Rose in seiner Hand. Als er sie gekauft hatte, war es ihm wie eine gute Idee vorgekommen – er würde einfach zu ihr gehen, sie ihr beiläufig mit irgendeinem passenden Spruch in die Hand drücken und gehen, bevor ihm wieder die Worte ausgingen und er etwas Falsches sagte. Jetzt, wo er Maike tatsächlich vor sich sah, erschien ihm der Plan irgendwie nicht mehr so passend. Stattdessen drehte er die Rose in seiner Hand und dachte darüber nach, wie ähnlich sie sich doch eigentlich waren – diese Blume und Maike. Zum einen war da natürlich die Farbe rot – ein weiterer Grund außer der offensichtlichen Symbolik, warum er sich für eine rote Rose entschieden hatte. Maike liebte rot, wie man schon an ihren Kleidern und ihrem Bandana sehen konnte. Es war passend, eine kräftige, energievolle Farbe, die ihr feuriges Temperament genauso gut beschrieb wie ihr Lieblingspokemon Junglut – natürlich auch ein Feuer-Typ. Eine rote Rose verkörperte wahre Liebe – aber auch Leidenschaft, und wenn Maike sich irgendeiner Sache oder Person widmete, dann immer mit vollem Einsatz, mit allem, was sie zu bieten hatte und voller Hingabe. Sogar der Aufbau der Blütenblätter erinnerte ihn an Maike. Schicht über Schicht, immer größer und auffälliger werdend, bis man die Inneren gar nicht mehr sehen konnte… wie sie, die ihr Selbstbewusstsein und ihre Energie allen präsentierte, und die ihre Unsicherheit immer dahinter verstecken wollte… Und natürlich zuletzt die Dornen, denn Maike war eine Kämpferin, die sich bis aufs Letzte verteidigen würde… und damit ihn auf Abstand hielt. Wieder sah Drew zu dem strahlenden Mädchen umringt von ihrem Bruder und ihren Freunden. Manchmal beneidete er Ash Ketchum, der so einfach mit ihr sprechen konnte, dem anscheinend nie die Worte fehlten und der vor allem immer in ihrer Nähe war. Wollte Drew das wirklich? Immer bei ihr sein? Ein Teil von ihm sehnte sich danach, konnte an gar nichts anderes mehr denken… seine rationale Hälfte war eigentlich froh darüber, dass er sie nur so selten sah. Je weniger er von ihr sah, umso weniger konnte er zwischen ihnen zerstören… Sanft streichelte er Roselia, während er sich zum Gehen wandte und blickte noch einmal auf die Blume in seiner Hand. Er war schon oft gefragt worden, warum er so an einem mädchenhaften Pokemon wie Roselia hing, oder weshalb er fast immer eine Rose zur Hand hatte. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er sich von der Gruppe entfernte und er über seinen Grund nachdachte. Maike war die kostbarste aller Rosen, aber sie war unerreichbar. Ein Symbol musste genügen. Kapitel 8: Halte meine Hand --------------------------- Judai wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Er hatte nicht die geringste Ahnung, seit wann er schon hier saß, in eine Ecke gekauert, und nichts anderes tat, als seine Hand zu betrachten. Sie zitterte. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie je so stark gezittert hatte. Wenn das so weiterging, würde er zu Sonnenaufgang nicht einmal in der Lage sein, seine Karten in der Hand zu halten. Wie sollte er so gewinnen? 24 Stunden Zeit hatte man ihm gegeben, um sich auf dieses Duell vorzubereiten. Ein Duell, bei dem wieder einmal alles auf dem Spiel stand. Sollte er verlieren… Jene, die dir am nächsten stehen, werden deine Niederlage mit ihrem Leben bezahlen, Yuki Judai. Warum?! Warum legte man immer wieder diese Verantwortung auf seine Schultern? Und warum immer auf seine? Warum mussten seine Freunde leiden, wenn er verlor? Es war nicht das erste Mal, dass Judai einem solchen Duell entgegen blickte. Aber nie zuvor hatte er die Verantwortung so schwer empfunden. Vielleicht, weil er nie zuvor so viel Zeit gehabt hatte, um darüber nachzudenken? Seine Freunde hatten versucht, ihn aufzumuntern. Kenzan war einfach davon ausgegangen, dass er gewinnen würde, Jun hatte ihm gedroht, er würde ihn persönlich wieder auf die richtige Bahn bringen, sollte er nicht endlich seine Nerven wieder finden, Asuka hatte ihm versichert, dass sie ihm vertrauten, dass er es einfach ruhig angehen könnte, Sho hatte versucht ihn zu ermutigen… Rei hatte daneben gestanden, sich alles angehört, und war schließlich mit Tränen in den Augen aus dem Zimmer gestürmt. Keiner verstand es. Natürlich, die einzige Person, die ihn verstanden hätte, war Tausende von Meilen entfernt! Judai wusste, dass seine Freunde ihm vertrauten. Er wusste, selbst wenn er verlieren würde, würden sie ihn nicht hassen. Aber… Jene, die dir am nächsten stehen… „Verdammt!“, fluchte Judai und ballte seine immer noch zitternde Rechte zur Faust. Die Knöchel traten weiß hervor und seine Fingernägel stachen brennend in seine Haut, aber es half nichts. „Verdammt…“, flüsterte er und versuchte, die Tränen zurückzudrängen. In diesem Moment begann das Klopfen an der Tür wieder. Hatten sie es nicht endlich aufgegeben? Er wusste nicht einmal mehr, wann er sie endlich rausgeworfen hatte. Ja, seine Freunde waren ihm wichtig, aber im Moment… im Moment trieben sie ihn in den Wahnsinn. Zu sehen, wie sie wussten, was vielleicht auf sie zukam, und wie sie ihm trotzdem vertrauten… Aber das war der Punkt, sie wussten es! Das Klopfen war verstummt und Judai öffnete seine Hand wieder. Das Zittern war stärker geworden… Die Tür wurde aufgerissen, und während Judai bemerkte, dass es draußen bereits dunkel war, stürmte eine Gestalt hinein und direkt auf ihn zu. „Judai!“ Er vergaß zu atmen, als er die Stimme erkannte. Unmöglich… Aber wahr. Johan fiel vor ihm auf die Knie und griff nach seinen Schultern. „Judai, ist alles in Ordnung?“ Seine Stimme und sein Gesicht waren voller Sorge, und für einen Moment konnte Judai ihn nur anstarren. Wie konnte er hier sein? Er war am anderen Ende der Welt… „Judai, sprich mit mir!“, bat Johan und verstärkte den Griff um die Schultern seines Freundes. Etwas in Judai brach zusammen. Er warf sich nach vorne, schlang die Arme um Johan und ließ zu, dass die Tränen flossen. Er ignorierte, dass Johan damit offensichtlich überfordert war und etwas hilflos die Umarmung erwiderte. Es war nicht wichtig. Johan war hier! „Ist es das Duell?“, fragte Johan nach einer Weile mit sanfter Stimme. „Rei-chan hat es mir erzählt und mich gebeten so schnell wie möglich herzukommen.“ Er lachte leise. „Das war ein Akt… aber ich habe es noch geschafft.“ Judai nickte. Er war dankbar – er konnte sich nicht daran erinnern, je so dankbar gewesen zu sein. Johan war hier. „Du musst keine Angst haben, Judai.“, tröstete Johan ihn. Unsicher strich er mit seiner Hand über Judais Rücken. „Wir vertrauen dir, das weißt du, oder? Du musst dich nicht unter Druck setzen. Gib dein Bestes, so wie sonst auch, dann kann es gar nicht schief gehen.“ So ähnlich hatte Asuka es auch ausgedrückt, aber es war anders, wenn es von Johan kam. „Ich weiß.“, sagte Judai leise und löste sich wieder von seinem Freund. „Es ist nur… seit der Herausforderung… meine Hand hört nicht auf zu zittern… ich weiß auch, warum.“ Etwas verlegen blickte er zu Boden. „Alle vertrauen mir… und sie wissen ja, was auf sie zukommt, und was auf dem Spiel steht. Aber… du warst so weit weg…“ Judai stockte, unsicher, ob er fortfahren sollte. „Die Leute, die mir am nächsten stehen… Sho, Kenzan und Asuka und Manjoume-kun, und auch Rei… sie wissen das. Aber du… du hättest es nicht gewusst, und wenn ich verliere…“ Er brach ab. „Ich verstehe.“, sagte Johan ruhig. „Aber ich weiß es doch, Judai. Also musst du keine Angst haben. Ich werde hinter dir stehen und dich unterstützen.“ Und zum ersten Mal lächelte Judai wieder. „Danke, Johan.“, flüsterte er, und fügte fast noch leiser hinzu: „Und dabei weißt du immer noch nicht alles…“ Johan lachte leise. „Ich weiß, Judai. Ich weiß.“ Er fuhr mit der Hand durch die braunen Haare seines besten Freundes. „Aber bevor du dein Duell startest, müssen wir erstmal das Zittern loswerden.“, fügte er mit einem Blick auf Judais Rechte hinzu. Judai lächelte, während leichte Röte in sein Gesicht stieg. „Halte meine Hand.“, bat er. Erst als sich Johans warme Finger um seine kalte Hand schlossen, erwachte sein alter Kampfgeist wieder zum Leben. Kapitel 9: Yin und Yang ----------------------- „Ich weiß nie ganz, ob Sie jetzt Yin oder Yang waren.“ Riza zog skeptisch eine Augenbraue hoch, als sie merkte, dass das erneute Lallen ihres Vorgesetzten an sie gerichtet war. Es war lange her, dass sie Roy Mustang betrunken gesehen hatte. Und mit betrunken meinte sie nicht die gelegentlichen Schwipse, die öfter bei ihm zu beobachten waren, oder gar die scheinbaren Vollrausche, mit denen er oft Ermittlungen tarnte. Mit betrunken meinte sie, unfähig aufrecht zu sitzen – sehr zur Begeisterung von Havoc und Breda, die ihn stützen durften – kaum fähig halbwegs verständlich zu sprechen und darüber hinaus noch viel unfähiger, seine Sätze mit irgendeiner Form von Sinn zu füllen, als das ohnehin schon der Fall war. „Eigentlich müssten Sie Yin sein…“, philosophierte Roy weiter. „Oder war es Yang? Verdammt, das ist knifflig…“ „Sie sind betrunken, Sir.“, wies Riza ihn geduldig auf das Offensichtliche hin. Aber wie zu erwarten gewesen war, ging er nicht darauf ein. Es war zweifelhaft, ob er es gehört hatte, und darüber hinaus war er immer noch mit dem Rätsel von „Yin“ und „Yang“ beschäftigt – was auch immer das sein mochte. „Jetzt hab ich’s!“, rief der Colonel plötzlich begeistert. „Heure-“ Riza bezweifelte, dass er gewusst hätte, wie das Wort endete – selbst wenn er nicht in Begeisterung mit den Fingern geschnipst und damit einen Feuerstrahl an die Decke geworfen hätte. „Ach, verdammt!“, lachte er. „Kommt alles auf die Rechnung – zusammen mit der zusätzlichen Runde, alles auf mich!“ Die Männer um sie herum johlten begeistert auf, genau wie der Junge, der etwas weiter zwischen den beiden einzigen Personen saß, die Rizas fehlenden Enthusiasmus völlig teilten. Es war jenseits ihres Verständnisses, was Roy sich dabei gedacht hatte, die Brüder Elric und Winry auf diese „Siegesfeier“ einzuladen, wenn es doch nur eine Sauftour war, aber zumindest Edward schien keinerlei Einwände zu haben. „Sie sind Yin, der weiße Teil, weil meine Haare schwarz sind und Ihre hell!“, erklärte Roy ihr mit einer Begeisterung als wäre er soeben zum Führer ernannt worden. Seine gute Laune wurde schnell durch noch lauteres Lachen quittiert. „Sie sind dämlich wie immer, Yin war die dunkle Seite!“ Riza wusste nicht mehr, wer Edward Alkohol gegeben hatte, aber sie würde denjenigen später garantiert zur Rechenschaft ziehen. Genau genommen hatte sie da schon so einen Verdacht… die direkte Strafe wurde ihr zum Glück von Winry abgenommen, die Edward einen Schraubenschlüssel auf den Kopf schlug und ihn anfuhr, dass er sofort aufhören sollte, sich lächerlich zu machen. Roy war aber anscheinend völlig aus dem Konzept gebracht worden. Während sie sich noch darüber Gedanken machte, ob sie dafür nicht doch dankbar sein sollte, mischte sich Alphonse ein. „Yin und Yang sind Symbole der xingesischen Alchemie. Sie symbolisieren, dass alles aus zwei komplementären Teilen besteht. Sie ergänzen sich vollständig. Es soll zeigen, dass die Gegensätze zueinander gehören und nur zusammen ein Ganzes ergeben.“ Er nahm ein Stück Kreide und begann auf den Tresen zu malen. Jetzt, wo sie es vor sich sah, erinnerte sich Riza daran, dieses Symbol schon einmal gesehen zu haben. „Das hier ist Yin, eigentlich ist die Seite schwarz. Sie steht für das Weibliche, Dunkle, Passive und Verzehrende. Yang ist die weiße Seite und steht für die jeweiligen Gegensätze, also das Männliche, Helle, Aktive und Erschaffende.“, fuhr Alphonse fort. „Ja, und der Colonel hat eben erklärt, dass er das Weibliche, Passive ist!“, erinnerte Edward. „Tolle Einschätzung!“ „Ed, benimm dich!“, zischte Winry und gab ihren Worten mit ihrem Schraubenschlüssel Nachdruck. „Huh? Das hab ich… irgendwie verwechselt.“, gab Roy zu und verfiel wieder in ein Grübeln. „Hm… aber Hawkeye erschafft nichts, oder?“ „Nun, dafür zerstöre ich nicht so viel wie Sie, Sir.“, gab Riza zu bedenken, in der berechtigten Hoffnung, dass Roy daraufhin wieder in sein Grübeln verfallen und den Mund halten würde. „Ich finde, ich sollte Yang sein…“, murmelte Roy. „Ich sollte definitiv Yang sein.“ „Aber von den Eigenschaften her passt Yang wirklich besser zu Hawkeye.“, kommentierte Havoc. „Sehen Sie es ein, Sir, Sie sind das Weibliche.“ Als Reaktion plusterte Roy sich auf und versuchte, seinen Untergebenen streng anzublicken. „Lieutenant Havoc, Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass ich das Weibliche durchaus verehre, aber das heißt nicht, dass ich es bin. Das überlasse ich Lieutenant Hawkeye, die trotz aller Versuche, es zu verstecken, durchaus und bewundernswert weiblich ist.“ Nach dieser Rede ließ er sich fallen und es war nur Rizas eigener schneller Reaktion zu verdanken, dass er nicht mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug – wobei das vielleicht bei genauerer Überlegung gar keine so schlechte Alternative gewesen wäre. „Ha! Ich wusste es!“, rief Roy, als ihn aufgefangen hatte. Anscheinend hatte er keinerlei Intention sich zu erheben, sondern sank sogar noch etwas tiefer. „Definitiv weiblich.“ Verdammte Loyalität, die sie davon abhielt, ihn wirklich fallen zu lassen! Stattdessen schob sie ihn auf den Stuhl zurück. Sollten doch Breda und Havoc zusehen, wie sie ihn dort stabil hielten. „Oder vielleicht sind Sie Yin und Yang und ich bin die Punkte?“, fragte Roy. „Die Punkte gehören in die Teile, Colonel.“, bemerkte Alphonse. „Aber Sie können nicht alleine Yin und Yang sein!“, protestierte Roy. „Sir, ich bin Scharfschützin, kein xingesisches Symbol.“, erklärte Riza nüchtern – und seltsamerweise schien er das sogar zu verstehen, denn er nickte abwesend. „Scharfschützin… Ja… Ja, das stimmt… Schützin… und scharf… und…“ „Sir, Sie haben eindeutig genug getrunken!“, sagte Riza bestimmt und mit Nachdruck. „Ich werde Sie sofort nach Hause bringen, bevor Sie sich noch lächerlicher machen, als es sowieso schon der Fall ist.“ Edward lachte, wurde aber sofort durch Winry zum Schweigen gebracht mit dem einfachen Satz „Das gilt auch für dich, Edward Elric!“ Den darauf folgenden Streit, den Winry vermutlich auch ohne Alphonse Hilfe mühelos gewonnen hätte, bekam Riza nur noch halb mit. Roy Mustang aus der Kneipe zu schleifen war in diesem Moment einfach wichtiger. Die Fahrt zu seinem Haus war überraschend still. Ab und zu hörte sie ihn immer noch etwas von Yin und Yang murmeln, aber er hielt sich mit langen Reden oder Ausbrüchen zurück. „Vielleicht sind Sie dann ja doch Yang…“, sagte er schließlich halbwegs verständlich, als sie ihn zu seiner Haustür begleitete. „Warum sind Sie so besessen von der Idee, dass wir beide Yin und Yang sind, Sir?“, fragte Riza schließlich entnervt, während sie aufschloss. „Sind wir das denn nicht?“, entgegnete Roy und sie spürte den Anflug einer Gänsehaut. Auf einmal klang er so… ernst. Als wäre er von einem Moment auf den anderen komplett nüchtern geworden. „Perfekte Ergänzung? Zwei Teile, die ein Ganzes ergeben? Die zusammen gehören?“ „Sie… Sie sind betrunken, Sir.“ Mehr fiel ihr nicht ein, nur dieser eine Satz. Zu ihrer Erleichterung – woher dann dieses Stechen? – bohrte er nicht weiter. Stattdessen lächelte er und antwortete: „Ja, Lieutenant, das bin ich.“ „Gehen Sie schlafen.“, wies Riza an und beförderte ihren Vorgesetzten unsanft durch die Tür ins Innere. Ihre Loyalität ließ leider nicht zu, ihn einfach auf dem Flur liegen zu lassen, sodass sie ihn wenigstens noch in sein Schlafzimmer brachte. „Lieutenant!“ Und das gerade, als sie schon fast in der Tür war… „Ja, Sir?“ „Hier, nehmen Sie das.“ Er drückte ihr etwas in die Hand, bevor er die Schlafzimmertür zwischen ihnen schloss. Verwundert blickte Riza auf das Geschenk. Eine Kette, an der das Symbol von Yin und Yang hing. Mit einem Lächeln auf den Lippen seufzte sie. Er schaffte es immer sie noch irgendwie zu überraschen. Kapitel 10: Ein etwas anderer Kampf ----------------------------------- Nervös drehte Yamato das Glas in seinen Händen, unsicher, wie er sich verhalten sollte. Die Bedienung hatte ihnen gerade etwas zu trinken gebracht, ließ sich aber mit der Essensbestellung noch Zeit. „Alles in Ordnung?“, fragte sein Gegenüber, Taichi. Yamato nickte nur und überlegte verzweifelt, was er sagen sollte. Er war nie ein Feigling gewesen. Er hatte sich selbst immer als mutigen, jedoch vernünftigen Menschen angesehen – im Gegensatz zu Taichi, seinem besten Freund und dem mutigsten, aber auch tollkühnsten Menschen, den er je getroffen hatte, und der erst über sein Handeln nachdachte, wenn es bereits in der Vergangenheit lag. Es war allgemeiner Konsens, Taichi war der Mutigste von ihnen – keine schöne Aussicht für Yamato, der gerade verzweifelt versuchte, genug Mut zusammenzukratzen, um eben diesem Taichi gegenüber zu treten. Sicher, sie hatten sich schon oft gestritten – der Großteil ihrer Gespräche artete in mehr oder weniger heftige Streitereien aus und nicht selten wurden die beiden dabei auch handgreiflich. Trotz allem waren sie jedoch Freunde – beste Freunde – was den bevorstehenden Kampf für Yamato sogar noch schwieriger machte. Sora. Hätte man Yamato noch vor zwei Jahren erzählt, er würde wegen eines Mädchens gegen seinen besten Freund antreten, hätte er denjenigen für verrückt erklärt. Aber natürlich hatte er sich geirrt. Er hätte wissen müssen, dass es gefährlich war, so viel Zeit mit Sora zu verbringen, sie so nahe an sich heran zu lassen wie sonst niemanden… Er hatte es ignoriert, und sich dadurch selbst einmal mehr in eine Situation gebracht, in der ihm schmerzhaft bewusst wurde, dass das Wappen der Freundschaft eine Bürde war, der er nicht gewachsen war. Sora. Er hatte nicht erwartet, sich in sie zu verlieben. Genauer gesagt, er hatte es so lange ignoriert, bis er darüber fast den Verstand verloren hätte. Er war sogar mit Jun ausgegangen, nur um Sora aus seinem Kopf zu vertreiben. Vergeblich, das einzige, was es ihm gebracht hatte, war, dass Daisukes Schwester nun noch mehr an ihm klebte als vorher schon. Es war nicht das Verlieben, mit dem er Probleme hatte – damit kam er überraschend gut klar. Es störte ihn auch nicht wirklich, dass es Sora war – welchem Mädchen hatte er je mehr vertraut als ihr? Sie war ihm schon immer wichtig gewesen, und dass sich diese Verbindung zwischen ihnen vertieft hatte, war eigentlich zu erwarten gewesen. Das Problem war Taichi. Seit Yamato die beiden kannte, waren Taichi und Sora unzertrennlich gewesen. Jeder war davon ausgegangen, dass die beiden früher oder später ein Paar sein würden. Keiner außer den beiden wusste, wie nahe sie sich wirklich standen, ob sie überhaupt noch „nur“ Freunde waren oder schon längst mehr – und dieser Gedanke trieb Yamato in den Wahnsinn. Um diese Fragen zu klären hatte er Taichi heute in den Burger-Palace eingeladen – er selbst hasste Fast Food, aber er hielt es für besser, Taichi in einer Umgebung mit seinen Gefühlen für Sora zu konfrontieren, in der er sich wohl fühlte – und in der er vermutlich keine Szene machen würde. Er musste nur noch auf den geeigneten Moment warten und die richtigen Worte finden… und zwar schnell, bevor Taichi noch Verdacht schöpfte. „Ich frage mich, wie groß dieser Monsterburger wirklich ist….“, warf eben dieser ein. Yamato hasste es, wenn seine Gedanken unterbrochen wurden – hauptsächlich, weil er dann zu Kurzschlussreaktionen neigte. „Ich liebe Sora.“ … so wie diese. Er starrte Taichi fast geschockt an. Er konnte nicht glauben, dass er das gerade wirklich gesagt hatte. Das waren nicht die „richtigen Worte“, nach denen er gesucht hatte. Zu seiner Überraschung legte Taichi nur den Kopf schief und saugte an seinem Strohhalm. Nach einer Weile hörte er damit auf und fragte: „Willst du noch etwas sagen? Ansonsten kannst du den Mund wirklich wieder zumachen.“ Yamato schluckte. „Tai… ich liebe sie.“, wiederholte er. Immer noch zeigte Taichi sich nicht besonders beeindruckt. „Und? Das solltest du vielleicht ihr sagen und nicht mir.“, meinte er völlig gelassen. Das verlief überhaupt nicht so, wie Yamato es sich vorgestellt hatte. Er hatte einen Kampf erwartet – eine physischen, ohne lange Worte davor. Aber Taichi wirkte, als hätte Yamato ihm gerade erzählt, welcher Gitarrist sein Vorbild sei – er nahm die Information auf ohne wirklich Interesse dafür zu zeigen oder etwas damit anfangen zu können. „Aber… du… du und Sora… ich dachte…“, stotterte Yamato. „Ah, ich verstehe.“, sagte Taichi und nickte bedächtig. „Natürlich, ich kann sie dir nicht einfach so überlassen. Ohne Kampf wird das wohl nicht über die Bühne gehen können.“ Yamato spannte unwillkürlich sämtliche Muskeln an und erwartete fast, dass Taichi einfach zuschlagen würde. „Bestellung?“ Ausgerechnet jetzt musste die Kellnerin wieder auftauchen! Aber Taichi schien das gar nicht zu stören. „Zwei Monsterburger.“, bestellte er gelassen. „Was… ich hasse Burger!“, zischte Yamato, als das Mädchen gegangen war. Das Grinsen auf Taichis Gesicht war eindeutig boshaft. „Das ist unser Kampf, Ishida.“, sagte er ruhig. Yamato zögerte einen Moment, fest davon überzeugt, dass er irgendetwas falsch verstanden haben musste. „Bitte, was?!“, fragte er, als Taichi nichts hinzufügte. „Jeder von uns bekommt einen Monsterburger. Wenn du ihn schneller isst als ich, überlasse ich sie dir – ganz einfach.“ Das Grinsen wurde breiter, als Yamato die Augen aufriss. „Das kann nicht dein Ernst sein!“, protestierte er. „Es ist mein voller Ernst. Oder hast du etwa… Angst?“, fragte Taichi provozierend. „Träum weiter!“, fauchte Yamato. „Ich fass es nicht! Meine Mom bringt mich um, wenn ich ihr dieses T-Shirt schon wieder in die Wäsche werfe!“ Taichis Proteste hätten vielleicht irgendjemanden überzeugen können, wäre er nicht lachend auf dem Tisch gelegen. Yamatos sonst so blasses Gesicht hatte inzwischen die Farbe der Tomaten angenommen, die er soeben mit dem Rest des Monsterburgers wieder ans Tageslicht und direkt auf seinen besten Freund befördert hatte. „Hör auf damit…“, zischte er, wenn auch mehr aus Gewohnheit, denn sehr viel mehr Aufmerksamkeit konnte auch Taichis brüllendes Gelächter nicht mehr auf die Szene ziehen. „Ich habe gewonnen…“, brachte Yamato schließlich hervor, wobei er den erneuten Würgreiz unterdrückte. Taichi beruhigte sich etwas und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Stimmt, du warst tatsächlich schneller als ich – wobei ich schon überrascht bin, dass du ihn überhaupt runter gebracht hast. Immerhin verträgst du Fast Food gar nicht…“ Er zog etwas an seinem T-Shirt und grinste wieder breit. „…wie man sieht.“ „Halt die Klappe.“, brummte Yamato. „Nein, ernsthaft – ich bin schwer beeindruckt. Du hast den Test bestanden.“, erklärte Taichi, ganz so, als ob diese Aussage irgendeinen Sinn ergeben würde. „Was für ein Test?!“, fragte Yamato wütend. „Hey, Sora ist meine beste Freundin – ich muss doch erst mal überprüfen, ob es dir überhaupt ernst ist. Aber wenn du für sie einen Monsterburger in dich reinstopfst und dich danach zum Gespött der ganzen Stadt machst – dann habe ich keinerlei Zweifel daran, dass sie dir wirklich wichtig ist. Ich habe nichts dagegen.“ „Beste… Freundin?“, wiederholte Yamato. Das durfte nicht wahr sein… „Richtig gehört – zwischen mir und Sora ist noch nie etwas gewesen. Gut, du hättest fragen können – aber so hatte ich viel mehr Spaß.“ Wieder begann Taichi zu lachen und Yamato wünschte sich, er könnte im Boden versinken. Konnte es noch schlimmer werden? “Hallo, Jungs! Was ist… Tai! Was ist mit deinem T-Shirt passiert?!“ Wie freundlich von Sora, diese Frage zu beantworten. „Hey, Sora!“, rief Tai. „Ich glaube, Yamato geht es nicht besonders gut – er hat sich wohl irgendwas eingefangen… kannst du ihn vielleicht nach Hause begleiten?“ Yamato spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann, und als er in Soras besorgtes Gesicht aufsah, glaubte er einen Hauch von Röte erkennen zu können. „Natürlich! Geht es, Yamato? Fühlst du dich sehr schlecht?“ Wortlos nickte er und stand langsam auf. Er fühlte sich wirklich etwas wacklig… „Oh, und denk dran, was ich dir vorhin gesagt habe Yamato – wem du was besser sagen solltest.“ Taichi zwinkerte ihm zu und lehnte sich im Sitz zurück, während die beiden den Burger-Palace verließen. „Vielleicht wird das ja noch was mit den beiden…“, murmelte er zu sich selbst. Seufzend blickte er auf sein ruiniertes T-Shirt. Die Opfer, die er für seine Freunde brachte… Kapitel 11: Tango für Anfänger ------------------------------ Ihre Beziehung war vom ersten Treffen an seltsam. Harmonisch und doch voller Streit. Im Einklang und doch dissonant. Eine Mischung aus rauer Leidenschaft, schnellen Wortgefechten, Sehnsucht, und irgendwo, tief vergraben und von außen kaum zu erkennen, ein instinktives, intuitives Vertrauen, das keiner von beiden je hätte beschreiben können. Keiner von beiden hätte es gewollt. Am ehesten war ihre Beziehung mit dem Tanz zu vergleichen, den sie gerade aufs Parkett legten. Tango. Ein einfaches Wort, das nur aus fünf Buchstaben besteht. Fünf Buchstaben, die sie so perfekt beschrieben wie sonst nichts. Tango, ein Wort, das zuerst an Leidenschaft denken ließ. Im Moment ist noch keine Leidenschaft zu sehen. Sie streichen aneinander vorbei, fast ohne sich zu berühren. Ein vorsichtiges Auskundschaften. Nur ihre Augen lassen nie voneinander, halten immer eine Verbindung zwischen ihnen aufrecht, die fast physisch zu spüren ist, die den Raum um einige Grad aufzuheizen scheint. So wie der Anfang ihrer Beziehung, in der kleinliche, unwichtige Streitereien zwar Abstand zwischen ihnen hielten, aber diese Spannung zwischen ihnen nie vollständig überdecken konnten. Je näher sie sich physisch kommen, desto mehr scheint diese Spannung zu verschwinden. Ihre Körper sind einander nahe, auch weniger Kundige können jetzt ein Grundmuster in den Schritten erkennen. Schritt. Schritt. Wiegeschritt. Abschlussschritt. Den Kopf vorbildlich nach links gerichtet, sodass kein Augenkontakt möglich ist. Es war nötig. Keiner von beiden wollte in dieser seltsamen Mittelphase ihrer Beziehung dem anderen in die Augen sehen. Er hatte andere Verpflichtungen, eine andere Person, der allein er in die Augen sehen musste. Sie wollte verbergen, was in ihren Augen zu sehen war – mehr als die alte Spannung, etwas viel Tieferes. Er hatte Angst, in ihre Augen zu sehen, weil er nicht wusste, was seine Augen ihr verraten konnten, weil er Angst hatte, in ihren Augen etwas zu sehen, das seine Selbstkontrolle völlig auflösen würde, weil er fürchtete, dass ein Blick in ihre Augen ihn alles andere vergessen lassen würde… Auch diese Phase des Tanzes endet. Ihre Augen treffen sich, und es ist, als ob ein Funken in ein Pulverfass fällt. Sofort ist das Feuer zu spüren, jedem Zuschauer stockt der Atem, als eine Drehung sie wieder zusammen bringt. Zum ersten Mal sehen sie sich lange in die Augen, versinken. Der letzte Teil hat begonnen. Ihre Hände treffen sich mit voller Wucht, das resultierende Klatschen wirkt wie das Abfeuern einer Pistole, an das sie beide so gewohnt sind. Es ist ein Test der Stärke, und doch ist klar, wie er enden wird. Sie ist stärker, dennoch lässt sie sich in einer Drehung in seine Arme fallen, und er fängt sie genau im richtigen Augenblick. Wieder ruhen ihre Augen aufeinander, und beide wissen, sie haben es geschafft. Endlich, endlich können sie diesen Moment erleben, genießen, das, worauf ihre seltsame, skurrile Beziehung hinausgelaufen war, seit dem ersten provozierenden Blick, dem ersten neckenden Wortwechsel… Er senkt sie weiter zu Boden, sie hält die Spannung perfekt. Nichts steht mehr im Weg, und dennoch, beide zögern das Unvermeidliche, das große Finale, auf das sie so lange gewartet haben, noch etwas heraus… die Spannung wächst ins Unerträgliche, und beide könnten sich nichts Schöneres vorstellen… nach allem, was sie hinter sich gebracht haben, schulden sie es diesem Moment, schulden sie es sich selbst, seine Perfektion nicht durch Hast zur falschen Zeit zu zerstören… Dann, endlich, zu den letzten Klängen der Cumparsita treffen ihre Lippen aufeinander, und alles Vorherige wird bedeutungslos. Kapitel 12: Valentinstag ------------------------ Das Wort Genie fiel oft, wenn sich das Gespräch um den ewigen Osiris Yuki Judai drehte – allerdings immer nur, um seine Fähigkeiten als Duellant zu beschreiben, oder als sarkastische Bemerkung seitens seines Rivalen Manjoume Jun. Er selbst hatte sich nie viel daraus gemacht. Gut, seine theoretischen Noten ließen mehr als zu wünschen übrig, aber solange er in der Praxis keine Probleme hatte, sah er nicht ein, warum ihn das stören sollte. Es war sein Herz, das ihn durch Duelle führte und nicht sein Kopf. Ironischerweise war aber auch eben dieses Herz einer seiner Schwachpunkte. Für Judai waren in erster Linie alle Freunde, bis sie sich als Feinde herausstellten. Und auch wenn es unter diesen Freunden immer eine Differenzierung gab, so hatte er nie darüber nachgedacht, dass ihm eine dieser Freunde auf eine völlig andere Art wichtig werden könnte. Das, was man im Allgemeinen unter „Herzensangelegenheiten“ zusammenfasste, war für Judai ein noch größeres Rätsel als die chemischen Formeln, von denen Daichi so begeistert war. Er hatte ja nicht einmal gewusst, was ein Verlobter war. Und auch Liebe, dieses Gefühl von Verliebtsein, kannte er nur aus der Beobachtung von Manjoumes Verhalten gegenüber Asuka – und das war ihm schon immer etwas komisch vorgekommen. Judai hatte beschlossen, sich am besten nie zu verlieben, um sich selbst vor einem so… peinlichen Verhalten zu beschützen. Damals war ihm das wie ein wunderbarer Plan vorgekommen, dessen Befolgung nicht allzu schwer werden dürfte. Immerhin war er bisher mit seinen Karten und Duellgeistern auch glücklich gewesen. Mit einem leisen Seufzen sah Judai von dem Rosenstrauß in seinen Händen auf zum Eingang des Mädchenhauses von Obelisk. Der Plan war gut gewesen – wer hätte denn auch ahnen können, dass sie auftauchen und alles durcheinander bringen würde? Sie war natürlich niemand anders als Saotome Rei. Judai wusste immer noch nicht, wann er begonnen hatte, sie anders zu behandeln als seine übrigen Freunde. Er hatte erst argumentiert, dass er jeden auf eine bestimmte Art „anders“ behandelte, aber auch diese Ausrede hatte nicht lange unter dem Kreuzverhör des selbsternannten Liebesmeisters Fubuki gehalten. Vielleicht hatte es erst nach seiner Fusion mit Yubel begonnen, aber selbst Judai konnte nicht leugnen, dass er Rei viel… sanfter, sorgsamer behandelte als irgendeine andere Person. Zum Glück hatte er sein erstes Argument – „Sie ist ein Mädchen.“ – verschluckt, als er sich daran erinnerte, dass sein Gegenüber auch der Bruder Asukas war, die unbestreitbar auch ein Mädchen war. Letztendlich hatte Fubuki ihm jedenfalls diesen Floh ins Ohr gesetzt, dass seine Gefühle für Rei über Freundschaft hinausgingen, und seitdem war er die Idee nicht mehr losgeworden. In einem späteren Verhör hatte er es schließlich vor sich selbst und Fubuki zugegeben – er hatte sich wirklich in Rei verliebt. Und als ob das noch nicht verwirrend genug wäre, hatte Fubuki ihn praktisch dazu gezwungen, das auch noch zu gestehen. Wieder seufzte Judai. Dieses Gespräch war der Grund, warum er jetzt mit einem Strauß roter Rosen vor der Mädchenunterkunft stand und grübelte, ob er das Ganze nicht doch lieber abblasen sollte. „Der Valentinstag ist die perfekte Gelegenheit, ihr deine Gefühle zu gestehen. Und nach allem, was ich beobachtet habe, wirst du mir noch dankbar für den kleinen Tritt sein.“ So ähnlich hatte Fubuki sich ausgedrückt. Trotzdem kam Judai sich irgendwie albern vor. „Judai-kun?“ „W-was?“ Erschrocken blickte er auf und spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. Vor ihm standen Asukas Freundinnen Junko und Momoe und sahen ihn verwundert an. „Judai-kun, was machst du hier?“, fragte Junko, während Momoe argwöhnisch die Rosen beäugte. „Willst du zu Asuka-sama?“ „Zu Asuka?“, wiederholte Judai ehrlich verwundert. „Wie kommst du darauf?“ „Nun, zu wem willst du denn dann mit einem Strauß roter Rosen, Symbol der wahren Liebe?“, fragte Momoe mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. Wenn möglich wurde Judai noch röter. Symbol der wahren Liebe? Er hatte die Farbe eigentlich gewählt, weil er fand, dass sie zu Rei passte… rot, wie die Osiris-Uniform, die sie immer noch trug, obwohl sie jetzt Schülerin von Obelisk war… „Nun, Judai-kun? Wen möchtest du besuchen?“, hakte Junko nach. „N-niemanden.“, behauptete Judai. Er war es nicht gewohnt, so zu stottern, aber die Mädchen waren offenbar amüsiert darüber. „Du kannst es uns sagen, Judai-kun!“, bat Momoe. „Und alleine findest du dich hier doch sowieso nicht zurecht.“ Da hatte sie eigentlich Recht… ein Grund mehr, sich umzudrehen und die ganze Sache sein zu lassen. Es war doch zu lächerlich… er verwandelte sich in einen zweiten Manjoume! Und wenn man bedachte, wie genervt Asuka sich durch dessen Annäherungsversuche fühlte… vielleicht sollte er Rei doch lieber in Ruhe lassen, nicht, dass er sie von sich stieß… „Sag schon, Judai-kun!“, rief Junko. „Ich… Niemand, wirklich.“, wiederholte Judai die offensichtliche Lüge. „Ist es Asuka-sama?“, fragte Momoe noch einmal. „Ich… ich muss noch was erledigen.“, murmelte Judai und ergriff die Flucht, die Proteste der beiden Mädchen ignorierend. Sein Gesicht war immer noch rot, als er die Osiris-Unterkunft erreichte. Was genau hatte er sich dabei gedacht? Als erstes würde er die verdammten Rosen ins Meer werfen, dann würde er Fubuki beschwören, das Ganze zu vergessen, und dann… Verärgert riss er die Tür seines Zimmers auf und stürmte blind hinein. Ein Aufprall und ein überraschter Aufschrei sagten ihm, dass er in jemanden hineingelaufen war. Er konnte sich gerade noch fangen, bevor er auf die andere Person gefallen wäre. „Alles in Ordnung?“, fragte Judai besorgt – und erstarrte, als er Rei erkannte, die sich gerade wieder aufsetzte. „Ja, Judai-sama. Alles in Ordnung.“, antwortete sie und lächelte ihn strahlend an. „Was machst du hier, Rei?!“, entfuhr es Judai etwas zu heftig, sodass sie leicht zusammenzuckte. „Du wolltest mich doch sehen.“, protestierte sie. Das entsprach zwar der Wahrheit, aber woher wusste sie das? „Fubuki-san hat gesagt…“, begann sie, brach aber ab, als Judai sich die freie Hand gegen die Stirn schlug. Fubuki! Er hätte es wissen müssen. „Was ist denn los, Judai-sama?“, fragte Rei besorgt. „Ich… nichts, Rei. Schon in Ordnung.“, beruhigte Judai sie schnell und schenkte ihr ein sanftes Lächeln. Er hatte sie nicht aufregen wollen. „Judai-sama… woher hast du denn diese Rosen?“, fragte Rei neugierig. „Äh… ich… die sind…“, begann Judai zu stottern. Fubuki hatte sie ihm besorgt, aber er war nicht naiv genug, das Rei so zu sagen. Vielleicht dachte sie am Ende noch, Fubuki und er… „Die sind ein Geschenk.“, erklärte er schließlich. „Von wem?“, bohrte Rei weiter. „Von mir.“, antwortete Judai. Reis Augen weiteten sich und sie atmete etwas heftiger ein als normalerweise, bevor sie den Kopf senkte und ein Lächeln aufsetzte, das seltsam gezwungen wirkte. „Ah, ich verstehe.“, sagte sie und lachte. „Judai-sama ist bestens gerüstet für den Valentinstag.“ „Rei…“, murmelte Judai besorgt. Was war los mit ihr? „Ich bin sicher, du hast noch viel zu tun. Ich… ich muss dann sowieso wieder zurück, ich habe Kenzan versprochen, ihm bei der Vorbereitung für die Schülerzeitung zu helfen.“ Immer noch mit diesem seltsamen Lächeln im Gesicht wollte Rei an Judai vorbei gehen. Jetzt! Judai wusste nicht, woher der Befehl kam, von seinem eigenen Unterbewusstsein, einer Erinnerung an Fubuki oder vielleicht auch Yubel… Jedenfalls streckte er schnell die Hand aus und legte sie auf Reis Schulter, um sie zurückzuhalten. Als sie ihn ansah, drückte er ihr schnell den Strauß Rosen in die Hände, bevor er es sich anders überlegen konnte, und rief etwas zu laut „Alles Gute zum Valentinstag, Rei.“ Egal, welche Reaktion er erwartet hätte – diese war es nicht. Rei sah ihn ungläubig mit noch größeren Augen und leicht geöffnetem Mund an, in ihren Händen der übertriebene Rosenstrauß. „J-Judai-sama…“, flüsterte sie schließlich. „Valentinstag?“ Er konnte nicht glauben, dass ihn etwas so Einfaches nervöser machte als ein Duell, das über das Schicksal der Menschheit entschied… „Fubuki-san sagte, es wäre eine gute Idee… dass man am Valentinstag zeigen kann, dass jemand einem sehr viel bedeutet.“, stammelte er. „Und das… das möchte ich dir zeigen, Rei.“ „Judai-sama…“, begann Rei. „Das… das soll man Leuten zeigen, die man… die man liebt.“ Judai musste den Blick senken. „Ich weiß.“, sagte er leise. „Und deswegen… alles Gute zum Valentinstag – Rei-chan.“ „Judai-sama…“ Ihre Stimme klang immer noch unsicher. „Ich meine es ernst, Rei!“, fuhr Judai sie an und packte dabei ihre Schultern. „Judai-sama… Valentinstag ist erst morgen.“, beendete Rei schließlich den Satz. „W-was?“, entfuhr es Judai und auf einmal kam er sich sehr dumm vor. Rei schien das nicht zu stören, denn langsam breitete sich das strahlendste Lächeln auf ihrem Gesicht aus, das er je gesehen hatte. „Danke, Judai-sama.“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Und… was meinst du, Rei?“, fragte er unsicher. Statt einer Antwort fiel sie ihm um den Hals. „Judai-sama no baka! Als ob du das fragen müsstest!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)