Zugfahrt ins Licht von WhiteFighter ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Gedanken sind Schall und Rauch. Sie tauchen in uns auf und verschwinden ebenso schnell, wie sie aufgetaucht sind. Sie sind gleichzusetzen mit Nebelschwaden, die laut- und formlos über den Grund ziehen und sich nach kurzer Zeit wieder auflösen, als wären sie nie existent gewesen. Aber gibt es immer die Gedanken, die erhalten bleiben, weil sie einem bestimmten Moment eine Bedeutung gegeben haben. Eine Bedeutung, eine Besonderheit, die sich über lange Zeit einprägt und nicht ausgelöscht wird. Es ist warm. Eine geraume Menschenmasse drängt in das kleine Zugabteil und drückt sich gegenseitig gegen Stangen, Fensterscheiben und andere Menschen, die bereits ihren Platz gefunden hatten. Ein schrilles Piepen signalisiert, dass der Zug nun die Haltestelle verlassen würde und sich einen weiteren Platz aussuchen würde, an dem er halten würde. Mein Blick scheint nach außen hin völlig leer. Das Gefühl für meinen eigenen Körper ist für unzählige Minuten gänzlich verloren gegangen, nur die kurzzeitigen und ruckartigen Bewegungen die ich vollführe geben mir das schwache Gefühl, wirklich etwas zu tun. Wenn ich in die Gesichter der Menschen blickte erkenne ich nicht viel mehr als Langeweile, Genervtheit und teilweise Aggression gegenüber ihren Mitmenschen. Nicht ein einziges Gespräch ist zu hören, nur beklemmende Stille, die durch das Quietschen der Bahn unterbrochen wird. Müdigkeit hat Besitz von mir ergriffen, wie ich sie lange nicht mehr erlebt hatte. Nicht ein einziger Gedanke durchströmt meinen Kopf, nur das Bewusstsein, dass der Tag ein rasches Ende finden würde, sobald meine Fahrt beendet war, trotz dessen, dass es einer der wenigen Tage war, die ich wirklich genießen konnte. Das Leben war in bester Ordnung, wenn auch nur für wenige Stunden. Stunden mit jemandem, der mir wichtig geworden ist, mehr, als sie es sich wohl bewusst war. Sachte lasse ich meinen Kopf in den Nacken fallen und richte meinen Blick zur Seite, um aus dem Fenster zu sehen. Wir haben den Untergrund bereits verlassen, was eindeutig durch das in die Bahn einfallende Licht verdeutlicht wird. Der gesamte Wagen wird durch ein mit Rot verschmelzendes Gelb eingetaucht und so wie der Innenraum seine Farbe wechselte, so schienen sich die Gemüter der Menschen zu verändern. Den ein oder anderen zaubert das Licht ein Lächeln auf die Lippen, wo hingegen andere versuchen, sich nicht blenden zu lassen. Mir macht das gesamte Licht nichts aus, mein Blick ist noch immer starr und von Müdigkeit geprägt. Doch veränderte sich die Situation, als ich in das Gesicht des Mädchens sah, mit dem ich den Großteil des Tages verbracht hatte. Sie schien ebenso müde wie ich, nein, noch mehr sogar. Ihre sonst grünen Augen waren geschlossen, während sie ihren Kopf an das kalte Fensterglas gelegt hatte und ihn mit der rechten Hand stützte. Würde ich es nicht besser wissen, so könnte man meinen, dass dies einer dieser „perfekten“ Augenblicke, ausgedacht von Regisseuren und Autoren sei. Ein Augenblick der Ruhe und des illusionären Friedens, wie er so selten existierte. Und selbst wenn es nur eine simple Illusion war, so machte es Spaß, diese zu genießen. Die Lichtstrahlen tanzen auf ihrem nachtschwarzen Haar, gleichzusetzen mit züngelnden Flammen eines Lagerfeuers. Etwas in mir versucht zu erklären, dass ich Nähe bevorzugen würde, Geborgenheit. Vielleicht ist es auch nur das Gefühl von Freude, nach einiger Zeit des Missmutes, des Schmerzes und der Trauer jemanden neben mir zu sehen, dem ich vollends vertrauen konnte, wie es schien. Es ist angenehm. Angenehm, die Ruhe zu bemerken in der man sich befindet. Doch selbst diese Ruhe wurde unterbrochen, als sich die verschlafenen Augen öffneten und sich der Außenwelt zu erkennen gaben. Nun auch in ihren Augen spiegelte sich das wärmende Licht der untergehenden Sonne. Das, was man in ihren Augen sehen konnte war nichts anderes als Wärme. Beinahe schon Faszination für die Bruchteile von Sekunden, in denen ich ihr in die Augen sah. Wenn Faszination einen Namen tragen würde, dann wäre es in diesen Momenten der ihrige. Und selbst mir zwingt sich ein verhaltenes Lächeln auf, als ich mich selbst dabei erwische, wie ich scheinbar gebannt in ihre Augen sehe. Langsam wendet sie ihren Kopf, sieht mich an und lächelt mich an, bevor sie ein weiteres Mal ihre Augen schließt. Der Tag konnte ruhig enden wann er wollte. Vergessen würde ich diesen Augenblick jedoch für lange Zeit nicht. Er würde nicht verschwinden wie der Morgennebel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)