Aër von abgemeldet ================================================================================ Prolog: -------- „Wie viel, Weib?“ „Kein Geld, Sir.“ „Brot? „Einen Laib.“ „Billig… Wie deine Leistung?“ „Natürlich nicht, Sir.“ Die beiden düsteren Gestalten schlichen durch das Dunkel der Nacht von dannen. Ein säuselnder Wind trug die Glockenschläge der Kathedrale selbst in jene verwinkelten Gassen, in denen die grau gekleideten Unbekannten miteinander gesprochen hatten. Dong, Dong, siebenmal konnte man das dumpfe Geräusch zunächst zählen. In einem kleinen, alten Haus nur wenige Schritte weiter wurde von einer Frau eine Kerze entzündet. Die Glocken verstummten nun, es war zwölf Uhr, Mitternacht. Durch die Stille nach dem Kirchengeläut hörte man in dem Haus Stoff zerreißen, dem folgte ein leises Quietschen. Dieses wurde immer lauter und bald setzte das leise Wimmern einer Frau ein. Das Quietschen endete, und alsbald wurde die Tür geöffnet. Die größere der Gestalten entfernte sich nun rasch. Als sie auf die Hauptstrasse einbog konnte im schwachen Schein des Mondes flüchtig ihr Gesicht ausgemacht werden. Es war ein Mann, dessen Antlitz auf zirka 35 Lenze schließen ließ. Es sah sehr Ernst aus und die Augen glitzerten, nach Blut dürstend, als wäre er fest entschlossen dem nächsten der das Pech hatte ihm zu begegnen das Herz herauszureißen oder ihm die Haut vom lebendigen Körper abzuziehen. Sein Mund jedoch sah so aus, das man meinen könnte er sei überaus erleichtert und rundum zufrieden, es wirkte, als hätte er sich soeben einer schweren Last befreit, die er schon zu lange mit sich hatte herumschleppen müssen. Der sanfte Wind strich über die Flamme und ließ sie flackern. Das Kerzenlicht rang um Luft und es war, als ob es versuchte durch tänzelnde Bewegungen der leichten Böe zu entgehen. Vom Bett her kam ein leises Weinen, die zweite Gestalt war eingeschlafen, einen großen Laib Brot mit beiden Händen umschlungen. Nach wenigen Minuten des Ringens verlor das wärmeausstrahlende Licht den Kampf gegen die Düsternis. Die Schwärze verhinderte, dass man die geisterähnliche Rauchfahne sah, die vom Docht empor fuhr wie die Seele aus einem ersterbenden Körper. Für einen Augenblick ließ ein glühen im Docht sogar noch den Gedanken aufkommen, er könnte sich wieder entzünden, das Feuer neu entfacht von demselben Wind, der es zuvor noch zu löschen drohte. Doch das Glühen verschwand, und mit ihm die Hoffnung. Dong! Der Schall der gewaltigen Glocken wanderte durch jede Gasse und drang in jeden Winkel der Stadt ein, nichts ungewöhnliches für ihre Bewohner, doch diesmal war der Klang der Glocken ein Anderer, obwohl es der selbe war; Er war leise und doch kaum zu überhören, dumpf, doch so schrill das es in den Ohren hätte schmerzen müssen; Es war das Geläut einer Hochzeit zugleich mit dem eines Begräbnisses, doch: Keiner schien es zu merken! Nur ein Säugling erwachte in einer kleinen Behausung und begann, seiner Mutter gleich, zu Weinen. Die Mutter erhob sich von ihrem Schlafgemach um zärtlich schützend die Arme um ihr Kind zu legen und beendete ihr Weinen. Sie machte ihre Brust frei und begann mit einem leisen, traurigen Gesang das Baby zu stillen. „Die Sonne versinkt am Horizont, der Mond erhebt sich an ihrer statt, Und mit dem Licht des Mondes fällt auch der Schlaf über die Stadt. Er bleibt, und lässt sich nicht vertreiben, Nur die Sonne vermag zu vermeiden Dass die Stadt für immer im Schlafe verweilt, Kein Vieh mehr schreit, keine Wunde verheilt, Kein Arbeiter seinen Lohn erwirbt, Und keiner mehr lebt, da keiner stirbt. Doch sollte die Sonne einst nicht wiederkehren, Wird sich das Dunkel in der Welt vermehren, Der Schlaf wird kommen, für immer bleiben, Bis das Sonnenkind ihn wird vertreiben.“ Einige Monate nach diesen Ereignissen wurde mitten in der Nacht die Tür zu jener Behausung in der sie Stattgefunden hatten von einigen Männern in braunen Kutten aufgebrochen. Im selben Moment begann ein Neugeborenes in den Armen seiner Mutter lauthals zu schreien. Die Eindringlinge hatten die Frau schnell umringt, so dass an Flucht nicht einmal mehr zu denken war. Ihr verzweifelter Blick strich von Einem zum Anderem, doch die Gesichter der Männer waren alle hinter grotesken, weinroten Masken verborgen, und unmöglich zu identifizieren. „Was… Was wollt ihr?“ Die Stimme der Frau war zittrig und von Angst erfüllt, doch schienen die Maskierten es nicht zu hören. „Seid ihr… von der Sekte? Himmel, Nein!“ In ihrer Erkenntnis schrie sie laut auf, dennoch wurde ihr Schrei von den einsetzenden Gongs der Kathedrale überdeckt und verschlungen. Dem Wahnsinn nahe stand die Frau da, ihr Kind so fest umschlungen das sie ihm fast die Luft raubte, und schrie wie eine Verrückte. „Weib! Her mit dem Kleinen!“ Durch eine plötzlich erschienene Schneise in den Reihen der Maskierten schritt rasch und stolz der scheinbare Anführer der Gruppe, in güldener Maske und schimmernder Kleidung in leichten Pastelltönen von grün und violett. „Her mit dem Balg!“ wiederholte er mit scharfer Zunge, nachdem er vor der Frau zu stehen kam. Als diese noch immer keine Anstalten machte ihm das Kind zu übergeben rastete er aus, er riss sich die Maske vom Kopf, unter der ein völlig verblichenes, weißes Antlitz zum Vorschein kam. Jedoch nur ein halbes, denn anstatt des rechten Auges und der Nase klaffte ein schwarzes Loch, in dem man mit Mühe sogar das Gehirn ausmachen konnte. Er zog sein leichtes Kurzschwert und schlug zu, sein Hieb kam nur ein bis zwei Finger breit Oberhalb des Kopfes der jungen Mutter zum Stillstand. „Gib… mir… das… K I N D !“ Er war außer sich vor Zorn, doch die Frau, die sich aus lauter Angst nicht mehr rühren konnte, während sich unter ihren Füßen eine Lache bildete, schüttelte nur leicht den Kopf. Da begann ihr zweites Kind zu flennen. Ihr Gegenüber nutzte den darauf folgenden Moment ihrer Unachtsamkeit aus, um blitzschnell sein Schwert zu drehen und mit der Breitseite zuzuschlagen – die Frau kippte sogleich nach hinten. Als sie morgens in ihrer Schlafstelle aufwachte war sie erleichtert, sie hatte wohl nur wieder einmal denselben Traum geträumt, der ihr schon seit der Geburt ihres Sohnes den Schlaf raubte. Sie ging zum Bettchen ihres Sohnes um sich durch seinen Anblick selbst von seiner Anwesenheit zu überzeugen. In dem Moment merkte sie: Es war kein Traum! Ihr Sohn war weg. Fort! Futsch! Dahin! Auf und davon – Nein, so konnte sie die gesamte Tragweite nicht erfassen, denn so war es noch nicht so schlimm, aber er war nicht mehr da! Und dieses nicht mehr da sein war Schlimm, nicht das fort sein. Sie fiel in Ohnmacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)