Christmas Carol von maykei ((eine TRC-Weihnachtsgeschichte)) ================================================================================ Strophe 16 bis 31 ----------------- Strophe 16 Sie parkten den Wagen genau vor der Haustür und sie hatten wirklich Glück, dass die Tür noch kaputt war. Der Große hatte nämlich schon wieder seinen Schlüssel verloren. Ein reinstes Wunder, dass überhaupt noch was in der Wohnung stand, als sie völlig fertig (3. Stock) dort ankamen. Aber heute hatten selbst die Einbrecher wohl besseres zu tun. Kritisch und innerlich total aufgedreht vor Freude besah sich der nun nicht mehr kleinste Mann ihrer illustren Runde, seine Abendgesellschaft. Ein Kurzer und ein Großer. Der Kleine hatte schöne braune Augen und nur wenige asiatische Züge, der Große sah finster wie immer drein. War es nicht seltsam mit denen zwei sein Weihnachten zu verbringen? Feierte man in Asien überhaupt Weihnachten? Er sah auf die Uhr. 11:12. Tatsache war jedenfalls, das die beiden gerade den Teppich vollbluteten. „Ich lass Wasser in die Badewanne~ ihr solltet eure Wunden verarzten. So was aber auch, ihr hattet wirklich Glück, dass ihr noch lebt. So ein schwerer Unfall hätte auch ins Auge gehen können.“ Kurogane sah ihn kritisch, aber ohne viel Elan an. „Erinnere dich bitte daran, dass du den Unfall verursacht hast.“ Er bemühte sich um eine leger wegwerfende Handbewegung. „Is mir noch klar in der Birne gehaftet, aber das war nur der Beweis!“ „Was für ein Beweis?“, fragte der Junge, immer noch von dem Japaner gestützt. „Na, der Beweis, dass es Schicksal ist, dass wir heute zusammen den Abend verbringen!“ „Joah, den Gedanken hatte ich auch schon“, gab der Junge zu. Sein nicht-ganz-sicher-wie-lang-night-stand verdrehte nur die Augen, ließ den Jungen los und bewegte sich Richtung Küche. Eilig sprang Fye vor, um den Jungen zu stützen, der beinahe sein Gleichgewicht verloren hätte. Aus der Küche hörte er das Öffnen des Kühlschranks, danach ein Klacken und dann Zischen. Das erleichterte „ahh“, das danach zu den zwei Lauschenden klang, machte dem Franzosen unmissverständlich klar, dass er sich um die Wunden des Jungen kümmern sollte, während der Japaner die Getränke auftischte. Strophe 17 „HEY! Geh mir nicht an die Wäsche!!“ „Aber willst du denn mit Klamotten baden?“ „Ich kann das allein!“ „Sicher?“ „Ja!“ „Okay.“ Ein Klirren vermittelte Kurogane, dass gerade sein Aftershave vom Badewannenrand gefallen war. Er hätte es wegräumen sollen. „Jetzt bist du hingefallen...“ „Verdammter Fickmist! Ich hab mir den Knöchel gebrochen, alles die Schuld von euch Irren.“ „Eigentlich meine Schuld, ich bin vorsätzlich in den Großen reingefahren. Lass mal schaun.“ „AUA!“ „Ach, is nicht gebrochen, nur verstaucht, mach dir n Verbrand rum.“ „Sag mal, wo schaust du eigentlich die ganze Zeit hin?“ „Auf deinen Fuß.“ „Echt?“ „Jap, ich steh nicht auf Kinder.“ „Ich bin 17!“ „Ich steh nicht auf Kinder. Erst mit 18 ist man erwachsen und darf mit anderen Erwachsenen dreckige Dinger tun, Kleiner. Davor sollten in der Hinsicht Kinder unter sich bleiben.“ „Ist das dein Lover da draußen?“ „So was wie mein Weihnachts-one-night-stand, nur länger.“ „Ah.“ „So, besser? Soll ich dir den Rücken schrubben?“ „Lass stecken. Also, du bist vorsätzlich in ihn reingefahren? Habt ihr euch gezofft?“ Der schwarzhaarige Mann lehnte sich mehr an die Badezimmertür und lauschte mit geschlossen Augen. „War n' Test.“ „Test?“ „Jap. Ich dachte, wenn er stirbt, dann hat mich wenigstens niemand vorsätzlich allein gelassen. Wenn er überlebt, war es Schicksal.“ „Ich hätt' dir was gebrochen, wenn du versuchst hättest mich umzubringen.“ „Ich hab versucht dich umzubringen, schon vergessen?“ „War ja n' Versehen.“ „Stimmt. Kuro-chan droht's mir dauernd, aber er hat mich noch kein einziges Mal geschlagen. Guter Kerl, ne?“ „Voll cool, dass wir jetzt in seiner Wohnung sind.“ Die Badezimmertür ging auf und Kurogane öffnete die Augen. Himmelblaue sahen in seine. Ein leichtes Lächeln umspielten die schmalen Lippen des Blonden und seine Wangen waren ganz rot von der heißen Luft im Raum. Ruhig sah Kurogane ihn an. „Vorsätzlich?“ „Würdest du mir von oben das Shampoo runterholen? Können ja nicht alle so groß sein.“ Strophe 18 Halb 12. Nach dem Bad ging es dem Jungen schon um einiges besser und er musste sagen, jetzt wo er sich vergewissert hatte, dass ihm niemand hier an die Wäsche wollte, fühlte er sich richtig wohl hier. Seine Rippe tat was weh und der Fuß war verknackst, sonst nur blaue Flecken. Kaum zu glauben, dass er tatsächlich aus dem dritten Stock geflogen war. Sein Schutzengel machte wohl heute Überstunden. Die Wohnung war klein und etwas kalt und sehr unordentlich, aber duftete herrlich nach Kakao. Er hatte jahrelang diesen Geruch nicht mehr in der Nase gehabt, früher hatte die Frau, die sich seine Mutter schimpfte, das mal zu Weihnachten gemacht, aber selbst das war ne Fertigpackung gewesen. Und nun stand der blonde Kerl, der ihn vorhin fast totgefahren hätte, tatsächlich in der Küche und schmolz Schokolade und vermischte sie mit Milch, die er gerade bei der Tanke gekauft hatte. Richtig cool. Er war wohl Franzose, hatte jedenfalls n' leichten Akzent, die konnten wirklich alle gut kochen. Der Riese saß neben ihm auf dem durchgesessenen Sofa, schwieg und starrte Löcher in die Luft. War wohl eher von der schweigsamen Sorte. „Weihnachten is wohl nicht so dein Fall, oder?“ „Ich hasse Weihnachten.“ „Ich auch, zu viel los. Ich feier' mit meiner Freundin auch immer erst am 28ten.“ In dem Moment kam der Blonde rein und stellte drei Tassen mit duftenden Kakao vor sie auf den Glastisch. Er summte ein Weihnachtslied. „Rudolf, the rednosed rendeer“. In der Küche war es noch „Santa Baby“ gewesen. „Wenn du ne Freundin hast, ist es aber nicht anständig sich umbringen zu wollen.“ Er zuckte nur mit den Schultern. „Sie hat so ne Art spontane Demenz, oder so. Sie erkennt niemanden.“ „Oh.“ Der Schwarzhaarige zuckte zusammen. „Vor drei Jahren haben n paar Kerle ihr echt übel mitgespielt, seit dem...“, seine Stimme stockte etwas. Warum fiel es ihm leichter Wildfremden das zu erzählen, was sonst kaum einer wusste. „Seit dem....“ Von den Tassen stieg Rauch aus wie von einer Zigarette. Der schwarzhaarige Japaner starrte immer noch irgendwo ins Nichts, der Franzose sah ihn geduldig aber mitfühlend an. „Ach, vergiss es.“ „Ignoriert sie dich“, mischte sich plötzlich die tiefe Stimme des Japsen ein. Sie klang seltsam belegt, als hätte der Kerl n genau so dicken Kloß im Hals wie er selbst. „Ja. Weil ich n' Junge bin und sie Jungen hasst. Sie sieht mich nie an, egal was ich mach... und jetzt darf ich sie dieses Jahr nicht einmal mehr besuchen, weil ich mich mit der Schwester angelegt habe.“ „Merkt sie ja doch nicht.“ Kurogane. „Sie merkt es ganz sicher!“ Fye. „Sie merkt es wirklich nicht, glaube ich..“, murmelte Shaolan. „Sie muss einfach nur mal raus, glaube ich“, bestand Fye auf seinen Punkt und kramte unter dem Tisch ein Päckchen Zigaretten hervor und steckte sich eine an. Der Schwarzhaarige sah ihn angepisst an, doch er ließ sich nicht beirren. „Ich finde wir sollten alle einen Weihnachtswunsch äußern und versuchen ihn bis Silvester zu erfüllen! Du willst doch sicher n schönes Weihnachtsfest mit deiner Freundin haben, ne Shaolan?“, schlug er vor. Der Junge glaubte nicht wirklich daran, dass das klappen könnte. Aber es machte Spaß so zu planen, auch wenn die Verzweiflung ihn nur noch um so breiter grinsen ließ. Er nahm sich auch eine Zigarette von dem Japaner und zog betont gelassen daran. „Klar!“ Ihm war schon wieder übel. „Ich find das ne tolle Idee! Kurogane? Was hältst du davon?“ Shaolan sah zu dem Japaner. Er verdrehte die Augen. Der Franzose grinste nur breit. „Also, ich bin dafür“, bemerkte er einfach mal. Triumphierend stieß Fye die Luft aus und ließ sich in den Sessel fallen. „Juchuu!“ „Ohne mich.“ Der große Mann neben ihm stand ächzend auf und zischte etwas. Seine Arme waren mittlerweile bandagiert wie ne Mumie, aber in dem Alter verrenkte man sich ja eh öfter mal was. Shaolan schätzte ihn so auf 26. „Aber Kuro-pon.“ „Kurogane ist mein Name, Idiot.“ Und dann passierte etwas, was er nicht ganz kapierte, aber na ja, die beiden kannten sich ja schon länger. Und mit ner Freundin wie Sakura vergaß man irgendwann, was normal war. Ganz plötzlich sprang der Franzose auf und stellte sich vor Kurogane. Der hob die Hand als wollte er ihn schlagen, doch der Blonde zuckte nicht zurück. Gebannt sah Shaolan auf die Szene. Ein Klatschen und der kleiner Mann taumelte zurück. Oh je, wenn die beiden sich jetzt zofften, würde ihr verrücktes, improvisiertes Fest wohl in die Hose fallen. Er fand die Idee doch so cool. Die Ohrfeige war eher schwach gewesen, nicht mal die Faust hatte die Lusche benutzt. Shaolan konnte sich nicht ganz entscheiden, ob er das unmännlich oder cool finden sollte. Die ziemlich arg blauen Augen sahen direkt in das Gesicht des Asiaten und dann umarmte er ihn einfach. Wie durch n Volltreffer aus ner Strahlenpistole versteinert, erstarrte der Größere fast. Doch der Franzose klebte. Er klebte sicher gut 2 Minuten da und er selbst starrte sie an als wäre er bekifft. Irgendwann traute er sich zu regen. Die Stimmung war bombig, so ungefähr 20 Sekunden vor der Explosion allerdings. „Ehm...“ In dem Moment erschollen die Kirchturmglocken. Shaolan kapierte erst gar nicht, woher das kam, aber klar, an Weihnachten wurden auch um Mitternacht die Glocken geläutet. Endlich löste sich der Blonde von dem Felsen in dem kleinen Wohnzimmer. „Danke“, sagte er leise. Der große Mann schloss langsam die Augen. „Okay. Wir holen die Kleine.“ Strophe 19 Das Auto sprang nicht an. Er hatte dem Gebrauchtwagen wohl etwas zu viel zugemutet, als er Kurogane mit seiner Kühlerhaube ein wenig angestupst hatte. Also kurzerhand den Weihnachtsbaum aus dem Kofferraum gefischt und mehr schlecht als recht durch klirrende Kälte zur Bushaltestelle gelatscht. Der Große trug den Kleinen und sie bekamen sogar noch Kinderrabatt! Weihnachten war einfach wunderbar, sogar die Busfahrer, die heute Dienst hatten, waren festlich drauf! Zufrieden ließ er sich in einen der gepolsterten Sitze fallen. Außer ihnen waren nur noch ein paar Punks ganz hinten im Bus. Sein Herz klopfte wie wild und es klopfe noch mehr, als sich der Asiate neben ihn setzte. Er konnte sich nicht erinnern, sich die letzten 4 Jahre an diesem Tag so gut gefühlt hatte. Es war der 25te und nun musste er nur noch bis zum 26ten aushalten, dann war es geschafft! Vorhin im Wohnzimmer hatte er wirklich geglaubt, jetzt wäre es vorbei. Der Japaner schien ziemlich angepisst wegen dem Autounfall gewesen zu sein, aber Fye de Flourite hatte es mal wieder mit seiner Hartnäckigkeit und unvergleichlichen Charme geschafft seinen Willen zu bekommen! „Schon ne Idee, was wir mit ihr machen können?“, fragte er Shaolan, der ihm gegenüber saß und nun schon dir dritte Kopfwehtablette schluckte. Der Franzose hatte ihm vorsichtshalber die ganze Packung gegeben. Die konnte man ganz killen, ohne dass man starb. „Sie liebt Eislaufen. Die Eislaufbahn vor dem Rathaus hat doch noch offen, oder?“ „Au ja! Das is ne super Idee! Ich liebe Schlittschuhlaufen! Wie isses mit dir, Kuro-sama?“ Der Größte ihrer Runde reagierte erst überhaupt nicht, dann sah er erst entnervt zu dem Jungen, dann -als hätte er eine sich langsam einstellende Geisteserleuchtung – blickten die rot-braunen Augen direkt in sein Gesicht. Irgendwie gruselig, wenn dieser Mann ihn ansah, hatte Fye stets das Gefühl von oben bis unten durchleuchtet zu werden. Zum Glück war er sich mit 100% Wahrscheinlichkeit sicher, dass diesem Mann schnuppe sein würde, egal was er sah. Er würde ihn verachten, sich aufregen und bei dem Temperament war die Wut sicher nicht bis Silvester verklungen und da war er ja weg. „Was veranstaltest du da eigentlich mit meinem Namen? Weißt du überhaupt, was du da sagst?“ „Ehm... nennt man hier Spitznamen. Gibt's das in Japan nicht?“ „Ich bin nicht erst seit ein paar Jahren in Amerika.“ „Oh wirklich, wie lange denn?“ „21 Jahre.“ „Oh, ich bin hier geboren. Aber du hast so gar keinen Akzent!“ „Echt nicht, Mann“, mischte sich auch nun Shaolan in ihre hirnrissige Unterhaltung ein. „Nich' wahr, Shaolan-kun?“ „Eh?“ Kurogane fischte in den Taschen seiner Lederjacke nach Kippen, aber fand sie nicht. Sie lagen sicher noch im Wohnzimmer. Frustriert schmiss er das unbrauchbare Feuerzeug auf den freien Vierer. „“-kun“ benutzt man glaube ich für Jungen, oder so.“ „Woher weißt n' das? Is das Japanisch?“ „Jap, hab mal in nem japanischen Restaurant gearbeitet.“ „Da sagt man aber nicht „Ni-hao“. „Ach, is doch schnuppe. Ich kann keinen Vietnamesen von nem Chinesen unterscheiden und keinen Japaner von nem Philippino. Hab da einfach keinen Blick für“, theatralisch zuckte Fye mit den Schultern und bemerkte dabei, dass er wohl doch beim Crash ein leichtes Schleudertrauma davon getragen hatte. Kurogane sah ihn an. Undeutbar. Dann beugte er sich vor und Fye blieb echt die Luft weg, als sich die raue, große Hand hob und sich seiner Wange näherte. Diesmal nicht für eine Ohrfeige, er konnte schon die Wärme auf seiner Haut spüren. Der Bus bog scharf um eine Kurve und Kurognes Körper wurde von der Fliehkraft etwas mehr zu ihm befördert. Von ihrem Lauf war ihm immer noch ganz kalt und daher spürte er die Wärme des größeren Körpers um so deutlicher. Der Junge starrte einfach und der Blonde war heilfroh, dass die Haltestelle „Eisenhower-Central-Krankenhaus“ durchgesagt wurde und er eine Entschuldigung hatte, aufzustehen. Strophe 20 Es war mal wieder die Aufgabe seines blonden Stalkers sie ins Krankenhaus zu lotsen. Und verrückterweise klappte alles. Normalerweise, so erklärte ihnen der Franzosen, hatten hier viel mehr Schwestern Aufsicht, aber da an Weihnachten so viel Fälle reinkamen, waren sie fast alle auf der Intensiv- oder Beobachtungsstation. Das Zimmer der Kleinen war das Vorletzte im Gang. Von dem kleinen Fenster aus, unter dem ein hässliches Wartesofa stand, konnte man den erfrischend abwechslungsreichen Krankenhausvorplatz sehen. Warum mussten Krankenhäuser stets so deprimierend sein, das nahm einem ja jede Luft zum atmen. Außer der Kleinen lagen noch zwei weitere Frauen in dem Raum, doch diese schliefen tief und fest. Er würdigte sie keines Blickes. Das Mädchen hatte hellbraune Haare mit einem leicht rötlichen Stich und als sie näher kamen, bemerkte Kurogane, dass ihre Augen einen schönen grasgrünen Ton hatten. Sie war wach, doch eben in diesen schönen Augen tat sich gar nichts, als sie in ihr Blickfeld gerieten. Wie hypnotisiert starrte sie aus dem Fenstern, selbst als es durch ihre Körper verdeckt war. Genau so gut hätte sie schlafen können, so weit weg war sie. Der Junge setzte sich neben sie auf's Bett und flüsterte leise „Sakura, hey, Sakura. Hast du Lust auf einen Weihnachtsausflug?“ Er konnte das nicht mit ansehen und stellte sich an das Fenster, während Fye und der Kurze dem Mädchen Turnschuhe und einen Anorak anzogen. Der Junge nahm sie vorsichtig an die Hand und lotste sie zur Tür. Was taten Sie eigentlich hier? Sie war tot und selbst wenn ihr Körper es nicht war, ihr Geist war meilenweit fort, erreichbar für niemanden. War doch eh alles das selbe. Und dazu waren ihre Schritte noch unerträglich langsam und unsicher! In solch einem Tempo waren sie im Frühling noch nicht hier raus! Mit energischen Schritten trat Kurogane in den Gang und suchte. Nicht nur die beiden anderen hatten die letzten Jahre regelmäßig in diesem Krankenhaus verbracht, auch er, er kannte es in- und auswendig. Und da fand er ja auch schon was er suchte, ein silber-schwarzer Klapprollstuhl. Allerdings war er dann mit seinem Latein auch schon Ende. Wie bekam man dieses verdammte Ding denn auf? „Das ist ja ne super Idee, Kuro-chan!“, rief der Franzose begeistert und ging ihm zur Hand. Kurz darauf war der Rollstuhl einsatzbereit, das Mädchen hineingehievt worden und sie auf ihren Weg zur Tiefgarage. Sie fühlten sich wohl alle plötzlich gehetzt, kein Argument der Welt würde sie raushauen, wenn sie bei der Entführung einer Minderjährigen aus ihrem Zimmer erwischt würden. Da half auch die Ausrede, dass sie lediglich Schlittschuhlaufen gehen wollen so viel wie n neuer Reifen bei seinem geschrotteten Auto. Vom Krankenhaus bis zur Schlittschuhbahn war es zum Glück nicht weit und nachdem Kurogane den Kurzen einfach zu seiner Freundin auf den Rollstuhl befördert hatte, schafften sie die Strecke sogar rennend. Eine auf antik gemachte Uhr über der immer noch verschwenderisch hell und bunt erleuchteten Eislaufbahn zeigte halb 2 Uhr nachts an. Dennoch war die Bahn voll junger Leuchte, rockige Weihnachtsmusik dröhnte über das Eis, am Rand standen Glühwein trinkende Zuschauer oder pausierende Läufer. Sogar ein paar Kinder waren um diese Uhrzeit noch hier. Völlig außer Atem kamen sie am Rand der Eislaufbahn an. Eisige Luft jagte durch seine Lungen und die Wangen seiner Wegbegleiter waren ganz rot. „Ich hole uns Schlittschuhe!“, rief der Junge aufgedreht, nicht mehr der verstockte Teenie, sondern nun hatte er mehr Ähnlichkeit mit einer dieser weihnachtsbegeisterten Blagen, die noch an den Weihnachtsmann glaubten. Kurogane wollte fragen, ob alles in Ordnung war, der Kurze hatte doch ne Rippe gebrochen, oder? Die Fahrt über Bürgersteige und Treppen war ziemlich rabiat gewesen. Doch schon war er abgedüst und er war mit dem Blonden und dem apathisch vor sich hinstarrenden Mädchen allein. Ihm war scheiße kalt, trotz seiner Lederjacke. Vielleicht sollte er noch was trinken. Er starrte das Mädel an. Sie starrte durch ihn hindurch. „Hey, zeig mal etwas Regung. Dein Freund will mit ner gebrochenen Rippe und nem verknacksten Fuß mit dir Schlittschuhlaufen gehen“, versuchte er ungeschickt. „Mein Name ist Kurogane. Und der Irre da ist Fye.“ Sie starrte durch ihn hindurch. Er wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht . Keine Reaktion. Mit einem genervten Zusammenziehen der Brauen drehte er sich zu dem Franzosen um, der auch schon erstaunlich lange keine Reaktion gezeigt hatte. Doch dieser war plötzlich verschwunden. „Verdammte Scheiße!!!“ Jetzt ließ der Kerl ihn auch noch mit den zwei Blagen allein! Strophe 21 „Verdammte Scheiße!“, schrie er und seine Lungen schienen dabei zu zerbersten. Einige junge Leute sahen ihn verwirrt an, Frauen und Männer in seinen Alter, doch er drehte sich nur von ihnen weg. Die ganzen Tannenzweige und blaues Lametta, die am Rande der Eislaufbahn aufgehangen waren, stachen in seinen Rücken und er zog die Jacke mehr über seinen Hintern. Seine ganze Seite brannte wie die Hölle. Versuchend seinen schmerzenden Atem unter Kontrolle zu bekommen, atmete er dabei beinahe eine seiner Haarsträhnen ein. Ärgerlich schob er die blonde Zauserei wieder hinter die Ohren. Er hatte vor lauter Aufbruchsstimmung seine Mütze in der Wohnung vergessen. Er würde wohl nicht wieder kommen, um sie zu holen. Der riesige Weihnachtsbaum prangte vor ihm in die Höhe und glitzerte gold und silbern und blau und grün, als wollte er Aufmerksamkeit einfordern. Kleine Päckchen hingen an den Nadelzweigen und ein süßlicher Tannennadelduft wehte über die ganze Eisfläche, vermischte sich dort mit dem matten Hauch des Eises und dem schweren Stich des Glühweins. Gerade kam ihm dieser Baum genau so übermächtig und irgendwie sinnlos wie seine Weihnachtsidee vor. Fye schloss die Augen und versuchte seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Und sein klopfendes Herz, sein verflucht klopfendes Herz. Also so war das alles nicht geplant gewesen. Er war dankbar gewesen, dass der Asiate... Kurogane.. beim Glockenschlag der Kirchtürme bei ihm gewesen war, ihn diese Nacht nicht allein ließ, trotz ihres Streits. Aber das im Bus war zu weit gegangen. Der andere Mann hatte ihn nicht so anzufassen! Niemand hatte ihn so anzufassen... wirklich niemand... Er hatte ihm doch gesagt er war Silvester wieder weg... war der andere Mann denn verrückt sich auf ihn einzulassen? Wochenlang hatte er ihn beobachtet und alles abgewägt, ob er dieses finale Jahresende sein an sich selbst geschenktes Weihnachtsgeschenk sein sollte und dann kam so etwas dabei rum. Dieser Mann war doch verbittert, ständig schlecht drauf und seine Freundin behandelte er auch nicht gut, soweit er das hatte herausfinden können. Warum... warum verdammt noch mal, war es noch mal so verdammt schwer sich Leute emotional vom Hals zu halten, wenn man einmal eine Linie überschritten hatte? Gab es eigentlich immer nur ganz oder gar nicht? Keinen Zustand dazwischen, indem man sich ein bisschen nah sein konnte, aber nicht gleich versuchte sich aufzufressen? Verpflichtete? Vielleicht reagierte er ja über, vielleicht wollte der Japaner ihm wirklich nur über die Wange streicheln, weil er kein schlechter Kerl war und sich entschuldigen wollte, für das was er im Krankenhaus gesagt hatte. Fye atmete noch einmal durch, er war völlig aufgedreht, so aufgedreht, dass er beinahe hysterisch wurde. Vielleicht konnte er ja mal nett sein, vielleicht tat ihm auch die Ohrfeige Leid oder er hatte noch Kakao an der Wange kleben gehabt! Er musste sich entscheiden. Ging er jetzt und riskierte, dass hieraus eine Katastrophe wurde oder machte er sich aus dem Staub und verbrachte bis Silvester allein oder bei irgendeinem Fremden? Jedes andere Weihnachten wäre es ihm egal gewesen, da hätte ihm Körperwärme gereicht, aber dieses... dieses musste doch anders sein, oder? Etwas Besonderes, ein Finale... ein wenig... weihnachtlich eben... dafür waren sie doch jetzt zu viert hier? Kurogane, der Weihnachten irgendwie hasste, der chinesische Junge, der sich vor wenigen Stunden noch umbringen wollte und seine apathische Freundin, die im pinken Pyjama mit den anderen jetzt irgendwo auf der anderen Seite der Eisfläche auf ihn wartete... Vier Leute, die sich gar nicht kannten und nicht mehr miteinander zu tun hatten, als dass sie ab und an im selben Krankenhaus herumsaßen... das musste doch irgendwie Schicksal sein. Kurogane hielt ihn, Kurogane überlebte seinen Autounfall. Einen Autounfall wodurch sie Shaolan kennen gelernt hatten und auch Sakura-chan, ein hübsches Mädchen, er hatte Weihnachten sehr lange nicht mehr mit einem hübschen Mädchen verbracht. Eine skurrile Gruppe, aber sie waren doch eigentlich nur hier, weil sie doch irgendetwas an seinen verwegenen Plan mit den Wünsche erfüllen fanden, oder? Mit zitternden Händen fischte er die Geldbörse des Großen aus seiner Jacke und suchte nach einem 5 Dollarschein, um sich etwas Heißes zu Trinken zu holen. Doch in dem Moment tauchte schon der chinesische Junge vor ihm auf, er war wohl gerannt, denn weißer Atem bildete sich stoßweise vor seinem Gesicht. „Da bist du ja, Alter. Ich hab voll verplant, dass ich eure Schuhgröße nicht kenn'! Ach ja, und Kohle brauch ich auch, Kurogane meinte du hättest sein Portemonnaie.“ Strophe 22 Wie eine Erscheinung starrte der ziemlich magere Mann ihn an und Shaolan fragte sich schon, ob bei dem jetzt völlig ne Sicherung rausgeflogen war, doch dann passierte was Komisches. Er benahm sich genau so wie Sakura, als sie sich noch in irgendeiner Weise abwechslungsreich vor ihm benehmen konnte. Erst sah er ihn so seltsam entrückt an, so als wollte er etwas sagen, dann wand er das Gesicht zum Himmel und tat so, als würde er irgendetwas suchen. Doch Shaolan wusste, dass er das nur machte, um besser mit den Tränen zu kämpfen. Er kannte das. Außerdem war da oben so gar nichts Interessantes zu sehen, nur schwarz, nicht mal der Mond schien. „Hey, Fye.“ Das erste Schluchzen folgte auf dem Fuße und ein wenig unsicher sah Shaolan sich um. Der würde doch hier jetzt keine Szene machen, oder? Das passte nicht ganz zu der improvisiert weihnachtlichen Stimmung, die sie versuchten hier zu schaffen. Wenn er an Weihnachten Tränen und Geschrei gewollt hätte, dann... okay, dann hätte er es genossen, denn es hätte ihn an seine Eltern erinnert. „Hey~ komm schon. Gib mir das Geld und hör auf zu flennen, ihr beide bekommt euch auch schon wieder ein.“ Für eine Sekunde hatte der chinesische Junge das Gesicht des Blonden aus dem Blick gelassen und schon war der Ausdruck ganz anders. So als hätte der Franzose ne Clownsmaske aufgezogen, die genau so aussah wie sein eigenes Gesicht. Breit grinsend hielt er ihm die Geldbörse hin. „8 1/2.“ „Eh?“ „Meine Schuhgröße.“ „So große Füße hast du?“ „Das nehm' ich als Beleidigung“, doch der Mann lachte und wuschelte ihm über den schmerzenden Schädel, nahm sich 20 Dollar aus dem Portemonnaie und gab es ihm dann wieder. „Ich kaufe solange Kakao für uns alle.“ „Oh ja!“ Und schon schwang Shaolan die Hufe. Strophe 23 „Ich dachte schon du wärst' abgehauen.“ Der kleinere Mann lachte und fummelte an den Schnüren von Sakuras Schlittschuhen rum. Shaolan betätigte sich an ihrem anderen Fuß. „Nachdem ich mich so angestrengt habe, Kuro-pon-Asyl bis Silvester zu bekommen? Wäre ich ja blöd!“ Kurogane fixierte den Blonden, die Anwesenheit des Mädchens machte ihm noch schlechtere Laune, als bisher schon. Die drei kritisch beobachtend, nippte er an seinem Glühwein. Für die Kinder und sich selbst hatte sein Stalker Kakao mitgebracht, er dachte wohl er hätte Alkohol gerade nötig. „Ein Brand.“ „Hm?“, der Stalker sah ihn breit grinsend an. Sein Gesicht war ganz rot vor Aufregung. Endlich hatte er dem Mädchen die Schuhe angezogen und half ihr zusammen mit Shaolan aus dem Rollstuhl. Sie machte alles wie sie es wollten, doch sie sah immer noch aus wie eine Traumwandlerin. Eine Marionette. Sie erinnerte ihn an seine Mutter, obwohl sie sich gar nicht ähnlich sahen und er sich schon gar nicht mehr an ihre Augenfarbe erinnern konnte. „Es ist bei einem Brand passiert. Das mit meinen Eltern.“ Kurogane hatte seine Schlittschuhe schon an und bewegte sich auf das Eis, nahm das Mädchen entgegen, das der Kurze vorsichtig auf's Eis führte. Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf und sie kämpfte etwas mit dem Gleichgewicht. Allerdings spärlich erfolgreich, bevor sie hinflog hatte Kurogane sie schon wieder am Arm gepackt und dem Jungen entgegen gedrückt. Der Franzose sah den Kurzen besorgt an und wich einem schlitternden Pärchen aus. „Kannst du überhaupt laufen mit deinem Fuß?“ „Passt schon, hab weitaus lädierter schon andere Sachen gemacht!“ Die Rockmusik dröhnte über das kalte Eis. Er fror verdammt noch mal, nur n dünnes T-Shirt drunter, nicht einmal einen Schal. Sein Stalker bemerkte wohl sein Zittern. Lächelnd wickelte er den Zipfel seines Schals ein paar Mal von seinem Hals und dann um Kurogane. Aus den Lautsprechern jaulte irgendein Sänger, dass er auf so lange er lebte, auf sein Darling warten würde und solange er atmete, da wäre und so weiter und so ein Schwachsinn. „Ich mag das Lied“, flüsterte Fye. Kurogane sah ihn kritisch an. Sie standen mit diesem Monsterschal locker zusammengeschnürt auf einer Eisbahn. Wie sollten sie so laufen? //and as long as I'm livin', I'll be waiting//, klang es aus dem Lautsprechern. Fyes Augen schlossen sich kurz und funkelten ihn dann wieder an, sie waren für einen Mann wirklich außergewöhnlich schön. Undurchsichtig wie Eis, aber dennoch ein gefrorener Sommerhimmel. „as long as I'm breathing', I'll be there...“, sang seine weiche Stimme leise, „whenever you call me, I'll be waitin', whenever you need me... I'll be there...“ Kurogane seufzte innerlich - gut, dass er betrunken war. //I've seen ya cry, into the night, I feel your pain, can I make it right? I realize, there's no end in sight// Aus den Lautsprechern. Kuogane schloss die Augen. „yet still I wait...“, Fyes Stimme zitterte etwas, „for you to see the light...“ „Kann es sein...“, stellte Kurogane mit einem Seufzen fest, „dass du keine Ahnung hast, was du willst?“ Die blauen Augen öffneten sich wieder und Kurogane erinnerte sich an ihr erstes Treffen im Blumenladen. Ein Gedanke hatte sich in seinem Hirn breit gemacht, der wohl nur von zu viel weihnachtlichen Stress, dem Haufen Whiskey den er intus hatte und einer verkehrsunfallbedingten Gehirnerschütterung herführen konnte. „Bis Silvester nicht allein sein.“ „Und dann?“ „Dann sag ich bye.“ „....“, wieder einmal genervt wickelte Kurogane den Schal wieder von sich. „Und dann sag ich dir, wohin ich gehe...“ „Und wenn ich dann mitkomme?“ „Wenn du denn kannst.“ Ganz leise. Kurogane sah zu dem Jungen, er war damit beschäftigt mit seiner Freundin ein paar unsichere Schritte zu gehen, er hoffte nur, dass das Blag nicht über die ganzen Fetzen seiner Hose flog. „Das im Krankenhaus... war nur um mich zu provozieren, nicht wahr?“ „Klar! Ich bin nicht schwerkrank, mein Körper ist fit wie n Turnschuh, ein etwas ausgelatschter vielleicht, aber dennoch sterb' ich nicht an Aids oder Blutkrebs die nächsten Wochen, oder so.“ „Okay. Dann bin ich dran.“ „Womit?“, mit einem eleganten Schlenker zur Seite wich der Franzose einem betrunkenen Eisläufer aus, der sich in seinem delirierten Zustand nicht mal die Mühe gemacht hatte Schlittschuhe anzuziehen. „Du wünscht dir bis Silvester nicht allein zu sein, der Kurze n' Date mit seiner Freundin, ich bin dran.“ „Ach ja, die Wünsche!“ „Sing mir ein Lied.“ „Eh? Ich kann gar nicht singen. Falls du das grad nicht gemerkt hast.“ „Hab ich. Aber egal, ein Lied dass du ernst meinst.“ Seine Mutter hatte auch eine wunderschöne Singstimme gehabt. Der Japaner konnte nicht glauben, dass er sich wirklich gerade auf diesen ganzen Scheiß hier einließ, aber er hatte eine Ausrede. Er war betrunken. Und so lau wie es ihm gerade im Kopf war, konnte er unmöglich Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Und wenn schon, dieser Mann vor ihm war genau so allein wie er und wenn Kurogane etwas angefangen hatte, zog er es auch durch. Seine Gedanken machten für ihn übrigens auch keinen Sinn. Also hörte er auf mit sich selbst zu argumentieren und sah den Blonden möglichst desinteressiert an. „Okay...“, eine leichte Röte hatte sich auf den Wangen des Kleineren ausgebreitet. „Dann singe ich... kennst... kennnst du ... „all I wan't for christmas“?“ „Ich hasse Weihnachtslieder.“ „Das ist aber nun mal mein Lieblingslied!“, schmollte sein Stalker. „Also hör auf zu meckern und hör zu.“ „I don't want a lot for Christmas - There is just one thing I need--,and I don't care about the presents underneath the Christmas tree----- I don't need to hang my stocking, there upon the fireplace Santa Claus won't make me happy, with a toy on Christmas day--- I just want you for my own, more than you could ever know Make my wish come true All I want for Christmas is you, youuuuu..." Es klang gar nicht so schlecht und so wie es Fye sang klang es gar nicht so wie das Gedudel aus dem Kaufhauslautsprechern. Dennoch würde aus dem Mann wohl nie ein Popstar werden. "I won't ask for much this Christmas, I won't even wish for snow, I just want to keep on waiting underneath the mistletoe ---'Cuz I just want you here tonight Holding on to me so tight, what more can I do--- Oh, Baby all I want for Christmas is you, youuuuuuuuhuuuu." Mit einem breiten Grinsen schloss der Blonde sein Ständchen und blickte Kurogane direkt an. Strophe 24 Vorsichtig glitt er ein paar Schritte nach hinten, Sakuras Hände waren ganz weich und kühl in seinen eigenen. Er wünschte er könnte ihr seine Handschuhe geben, aber er hatte ja nicht mal ne Jacke dabei, nur den Pulli, den der Franzose ihm nach dem Baden gegeben hatte. Sie ließ sich mitziehen, eher ungeschickt, aber immerhin war sie wach genug, um auf ihr Gleichgewicht selbst zu achten. Auch wenn sie geistig nicht ganz da war, die jahrelang eingeübten Bewegungen lagen ihr immer noch im Blut. Er erinnerte sich noch wie sie stundenlang geübt hatte, über das Eis geglitten war wie ne Profieiskunstläuferin. Sogar Pirouetten konnte sie drehen und das Schlittschuhlaufen hatte sie ihm beigebracht. Er hätte nie gedacht, dass sie mal diejenige sein würde, der ihr übers Eis half und nicht umgekehrt. Und das auch noch nüchtern, aber Sakura konnte auch stockbesoffen normalerweise besser fahren als er. Na ja, normalerweise noch vor drei Jahren. Ein etwas rockiges Lied endete und ein langsames, romantisches begann. Die ganzen Lichter auf dem Eis und die Schmerztabletten ließen ihn etwas schwummrig werden. Klammeraffenblues.... aber ihm würde es im Leben nicht einfallen Sakura zu umarmen. Unauffällig schielte er zu den beiden Erwachsenen. Das nannten die Schlittschuhlaufen? Die hatten noch keinen Schritt getan, standen nur wie Statuen nah des Randes und redeten miteinander. Der weiß-blaue Schal war um beide Hälse geschlungen und ihre Gesichter beim Reden so nah, dass jeder in ihrer Umgebung merkte, dass sie n' schwules Pärchen waren. Die meisten drehten verlegen den Kopf weg oder starrten blöde, kaum zu glauben, dass es immer noch Leute gab, die das komisch fanden. „HEY! Passt auf ihr Idioten! Was steht ihr denn da rum?!“, rief ein kleiner Bengel und fuhr genau in sie rein! Verflucht! Hart kam er auf dem Eis auf, Sakura flog auf ihn und sie schlitterten über das Eis, bis sie hart mit der Absperrung kollidierten. Wenn das so weiter ging, war er Silvester tot! Hustend spuckte ein paar Haare seiner Freundin aus, die er fast geschluckt hätte und checkte, ob sie in Ordnung war. Der Kleine hatte sich schon wieder aufgerappelt und war weggedüst! Sakuras Körper war seinem ganz Nahe und er spürte sogar ihre kleinen Brüste durch den Anorak hindurch. Shaolan merkte, dass er rot wie eine Tomate wurde und wollte eilig aufstehen, doch dann bewegte sich Sakura und er erstarrte. Ganz langsam hob sich ihr Kopf von seiner Schulter zu seinen Hals und eine kalte Nase an seinem Nacken verpasste ihn ne echt Hammer Gänsehaut. Ihre Hände krallten sich etwas an seine Arme und dann war sie wieder still. Völlig fassungslos lag der chinesische Junge dort mit seiner Freundin auf der Eisbahn und die langsame Musik machte die ganze Situation nur noch verrückter. Für alle anderen musste das aussehen, als würde er stockbesoffen mit seiner Freundin schmusen, die wussten ja nicht, dass eben diese Freundin ihn hasste und allgemein grad keine klaren Funken Bewusstsein in ihrer Birne hatte. „Sakura...“, fragte er leise, doch sie bewegte sich nicht mehr. War sie eingeschlafen? Strophe 25 „Fuck.“ Fye endete gerade mit seinem kleinen, schiefen Ständchen und sah verwundert in die Richtung, in die sein Ein-Mann-Publikum starrte. „Ups. Sind das Polizeiwagen?“ „Sie haben vermutlich gemerkt, dass die Kleine verschwunden ist.“ Und mit einem Rollstuhl am Heilig Abend vom Central-Krankenhaus bis zum Rathaus zu rasen, hatte vermutlich das Interesse von genug Leuten erweckt, so dass rein statistisch auch ein guter Bürger dabei gewesen sein könnte, der vorsichtshalber einmal die Ordnungshüter verständigt hatte. „Na ja, im Eisenhower liegen doch nur Leute, die genug Kohle haben, oder? Da merken sie so was sicher schnell.“ Sein Gegenüber schwieg und Fye kapierte, dass er die Eisbahn nach den Kindern absuchte. Er selbst zitterte wie blöde und merkte, dass gerade jetzt nicht der passendste Moment war, um noch einen Sprint hinzulegen... „Kuro-sama...“ „Sei still und such lieber die Kinder.“ „Aber Kuro...“, die Welt schwankte vor seinen Augen, überall waren bunte Weihnachtslichter und blau leuchtende Polizeiwagen schwirrten zusammen mit Sternschnuppen um seinen Kopf. Das konnte nicht sein, oder? Er halluzinierte... Endlich schien auch der Japaner zu merken, dass irgendetwas über das abendliche Maß hinaus nicht stimmte. Rot-braune Augen fixierten ihn ärgerlich und auch ein klein wenig besorgt. „Hey.“ Doch in dem Moment gaben seine Beine schon nach und die Welt wurde schwarz bevor er auf dem harten Eis aufkam. Strophe 26 Kurogane flog – durch den Schal immer noch mit ihm verbunden - kurzerhand mit auf das Eis, genau auf den Bewusstlosen drauf. Auf was hatte er sich nur eingelassen? Jetzt definitiv ein kleines wenig besorgt fuhr er über das Gesicht des Blonden, es war ganz kalt und sein Puls raste. Aber sonst schien alles in Ordnung zu sein, er war kein Arzt, aber sterben tat er nicht, oder? Er hoffte es. Ein wenig beunruhigt sah er zu dem Polizeiwagen, der auch schon zwei Beamte ausgespuckt hatte. Er hatte irgendwie gehofft, dass es fette, donutmampfende Klischeebullen waren, aber die gab's wohl wirklich nur in der Flimmerkiste. Die würden Sie doch garantiert einholen, wenn er auch noch den Bewusstlosen tragen musste! Dennoch machte er sich mehr ungeschickt als alles andere von dem Schal um seinen Hals los, wickelte ihn lose um den Bewusstlose, nahm ihn Huckepack und schlitterte zu den Kindern, die glücklicherweise, aber aus unerfindlichen Gründen, aufeinander direkt vor dem Geländer auf dem Eis lagen und so noch nicht von den Ordnungshütern gesehen worden waren. „Oi!“, rief er schon von weiten, „Macht hinne, wir müssen uns aus dem Staub machen! Sofort.“ Zum Glück reagierte der Junge schnell, krabbelte unter dem Mädchen hervor und zog sie hoch. Aber die Kleine war noch weggetretener als sonst und wollte nicht einmal von sich aus stehen. Wenn das so weiter ging, wurden die Bullen auch noch auf sie aufmerksam, bevor sie von der Bahn runter waren. „Was ist denn los?“ „Polizei.“ Kurz entschlossen packte Kurogane das Mädchen um die Hüfte und schmiss sie auf seine andere Schulter und so beladen glitten sie über die Eisbahn, Richtung Weihnachtsbaum. Dahinter konnten sie sich vielleicht verstecken. „Verdammt, unsere Schuhe!“, rief der Kurze atemlos, als sie endlich über das Geländer geklettert waren. Mit den Schlittschuhen auf dem sandigen Boden zu laufen war echt n Kunststück und beinahe hätte sich Kurogane elegant auf die Fresse gelegt. „Du hättest eh mal neue gebrauchen können. Wir müssen hier weg.“ „Zu Fuß?“ „N' Flugzeug würde ich bevorzugen.“ „Da vorne stehen Autos!“ Nun nicht mehr die Adamsfamily, sondern eher die Roboterarmee staksten sie mit den Schlittschuhen unter ihren Füßen ungeschickt auf den Parkplatz zu. Der Kleine ließ sich vor einem etwas verbeulten Subaru auf die Erde sinken und der Japaner dachte schon er würde nun versuchen das Auto zu knacken, doch statt dessen schnürte er nur die verdammten Schlittschuhe auf. „Was tust du da verdammt noch mal!?“ „Hör auf rumzuschreien, ich weiß was ich tu!“ Hastig wurde der Schlittschuh von Shaolans Fuß gezogen und im nächsten Moment heulte auch schon die Alarmanlage hysterisch auf, als der chinesische Junge mit der Schneide das Beifahrerfenster einschlug. Geschickt streckte er seinen Arm durch die Fenstersplitter, stellte den Alarm ab und betätigte die Zentralverriegelung. „Schmeiß dich rein, Alter!“, er grinste über beide Ohren, während er sich auf den Sitz fallen ließ. Kurogane überging einfach mal, dass der Junge wohl besser nicht fahren sollte, schmiss den Blonden und das Mädchen auf den Rücksitz und stieg auf den Beifahrersitz. Ihre Verfolger hatten sie fast eingeholt! Hastig fummelte der Junge unter dem Lenkrad rum, dann sprang der Motor endlich an. „Nichts gegen dich, aber japanische Autos sind echt der letzte Schott.“ „Fahr endlich, verflucht!“ Strophe 27 Hart rammten sie das Auto hinter ihnen. Dann nahm er noch das Rücklicht ihres Vordermanns mit. Hoher Verschleiß an Autos dieses Weihnachten, dachte sich Shaolan. Aber warum parkten die auch so eng? Reifenquietschend bogen sie die Hauptstraße ein und düsten die Einkaufsstraße entlang. Zum Glück war um diese Uhrzeit nicht mehr viel los auf den Straßen. Allerdings konnte er sich auch nicht erinnern, wo Kuroganes Wohnung war. Er streckte sich etwas, um in den Rückspiegel zu sehen, Zeit den Wagen auf sich einzustellen hatte er freilich nicht gehabt. Mit Rückspiegeln konnte jeder fahren, aber es interessiert ihn schon, ob die Bullen ihnen jetzt hinterher kamen. „Hier rein!“, rief der Riese neben ihm und er riss das Lenkrad nach links. Von hinten war ein Plumpsen zu hören und ein Blick nach hinten sagte ihm, dass der Franzose hinter den Sitz gerutscht war. Sakura hatte sich aufgerichtet und starrte unbeteiligt aus dem Fenster, als würden sie lediglich eine Spazierfahrt machen. Mit 120 Sachen pretterten sie die schmale Straße entlang und schossen auf die Parallelstraße. Hier machte Shaolan eine Vollbremsung mitten im Halteverbot und stieg aus. „Da is ne Bushaltestelle.“ „Ja und?“ Der Asiate rückte schon auf den Fahrersitz. „Und da kommt der Bus! Komm schon.“ Mit nur einem Schlittschuh humpelte Shaolan auf die Beifahrerseite und zerrte Sakura heraus. Kurogane stieg endlich auch aus und warf sich den, aus irgendeinem Grund bewusstlosen, Franzosen über die Schulter. Sie kamen gerade mit dem Bus an der Haltestelle an, überrannten fast eine alte Dame und... bekamen wieder den Kinderpreis für Sakura und ihn. Glück musste man haben. Strophe 28 Als er erwachte donnerte etwas in seinem Schädel und seine Sinne fühlten sich leicht und schwer zugleich, als wäre er zulange in der heißen Badewanne gelegen. Decken und Wärme war um ihn herum. Sie schienen ihn zu ersticken, seine Kleider waren ganz feucht vor dem leichten, kalten Schweiß. Langsam öffnete er die Augen und erwartete schon das grelle Licht des Krankenhauses zu sehen, doch statt dessen sah er ins dunkle. Wo war er? Er kannte dieses Zimmer nicht. Aber die Tatsache, dass es unsagbar unordentlich war und er nur eine unordentliche Person kannte, die ihn in ihr Schlafzimmer legen würde, war es nicht schwer eins und eins zusammen zu zählen. Er war bei Kurogane. Überall lagen Kleider und Papier herum, keine Zeitschriften, aber eine Menge Bücher. Einen Fernseher fand er hier nicht. Teller mit Krümeln stapelten sich auf dem modisch dunkelholzigen Nachttisch, vertrocknete Käsereste lagen darauf und auch zwei Gläser mit einer Pfütze Wein konnte er darauf ausmachen. Für alles andere war sein Blick gerade zu verschwommen. Etwas bewegte sich neben ihm. Aus dem Wohnzimmer hörte er das überdrehte, musikunterlegte Dröhnen des Fernsehapparates. Ob der Junge noch da war? Ob es immer noch der 25te war? Es bewegte sich wieder und er wollte schon den Kopf zur Seite drehen, als ihn etwas Kaltes frontal im Gesicht erwischte. Er fuhr zusammen und sein Brustkorb tat dabei weh, als hätte sich ein Sumoringer drauf gehockt. „Kuro-chan...?“ „Du bist krank.“ Der kalte Waschlappen wurde wieder von seinem Gesicht genommen und fuhr diesmal etwas sanfter seine Schläfen entlang. Er konnte den Japaner nicht ganz ausmachen, er hatte solche Kopfschmerzen, nur ein dunkler Schatten, der neben ihm in dem großen, weichen Bett lag. Frauenparfum lag noch ganz leicht in der Luft, ob das das Parfum seiner Freundin war? „Antworte mir.“ „Das hast du doch von Anfang an gewusst... „ „Ich meine richtig. Es war keine Provokation, dass du sterben würdest. Es war die Wahrheit.“ Er schwieg. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. „Bekomme ich ne Kopfschmerztablette...?“ Er hörte den Asiaten schwer ausatmen und dann beugte er sich über ihn, riss die Schublade des Nachtschränkchen auf. Der große, starke Körper erdrückte ihn ein wenig, aber anderes als die Decken. Fye fühlte, wie gern er jetzt mit ihm schlafen würde. Es täte sicher gut, es wäre warm und sicher. Kurogane stockte, und Fye drehte den Kopf. Was konnte denn da in der Schublade so Seltsames sein? Seine Position war äußerst ungünstig, mit dem schweren Körper auf sich, aber dennoch konnte er erkennen, dass in der Schublade „Schlafzimmerobjekte“ waren. Neben den ersehnten Kopfschmerztabletten, diversen Tuben, Handschellen und Kondomen lag da allerdings auch ein kleines, schwarz mit einer edlen silbernen Schleife verpacktes Geschenk. Kurogane rührte sich immer noch nicht. „Von deiner Freundin?“, fragte Fye. „Ah.“ „Is aber bedenklich, dass sie denkt, ausgerechnet diese Schublade wirst du zur Weihnachtszeit aufmachen, wenn sie ihre Mutter besucht.“ „Wie lange beobachtetest du mich eigentlich schon?“ „2 Monate.“ „Ah.“ Das Vokabular des Asiaten war auch schon mal abwechslungsreicher. Ohne das Päckchen angefasst zu haben, fischte er die Kopfschmerztabletten hervor und schmiss sie ihm auf dem Schoß, die Schublade wurde wieder gut verschlossen. Mit einem Seufze brach Fye eine Tablette heraus und erspähte auch schon das benötigte Glas Wasser neben einem Weinglas auf dem Tisch stehen. „Willst du es nicht auf machen?“ Schweigen. „Weiß deine Freundin, dass du ihr fremdgehst?“ Immer noch schwieg der große Mann, saß neben ihm im Bett und starrte in das Dunkel seines Schlafzimmers, oder vielleicht auch ins Nichts, vielleicht auch nur Löcher in die Luft. „Wann.“ „Wann was?“ „Stirbst du?“ „Silvester.“ „Arschloch.“ „Warum?“ „ „Ich geh nicht ohne bye zu sagen und dann auch wohin“, Zitat Ende.“ „Ich hätte es dir gesagt.“ „Ach, ernsthaft?“ „Ja.“ „....“ „Willst du nicht wissen, was ich habe?“ „AIDS?“ „Nein.“ „Dann interessiert es mich nicht.“ „Okay... bleibst du dennoch bei mir?“ Wütend sprang der Asiate auf, packte ihm am Rollkragen, zerrte ihn vom Bett zu einem Schrank und riss ihn auf. Fye rang einen Moment um Luft, doch dann konnte ihm auch die vielen Punkte vor seinen Augen nicht vom Staunen abhalten. In dem recht unscheinbaren Schrank lag auf roten Samt, aufgebahrt auf ner schwarzen Holzkonstruktion, auf denen auch die Schwerter auf dem Weihnachtsmarkt aufgebahrt waren, ein langes, japanisches Schwert. Aber anderes als die billigen Dinger auf den Märkten strahlte es fast ein silberneres Licht aus. Auch ohne den geringsten Schimmer von Schwertern, war sich Fye auf einmal voll sicher, dass das Ding ein Vermögen wert war. Die Klinge war reichlich verziert, der Griff ein silberner Drachenkopf. Einen kurzen, abergläubischen Moment dachte er sogar, dass sich die Nüstern bewegten und das Ding jeden Moment vorspringen würde, um seine Kehle durchzubeißen. „Siehst du das?“, zischte der Mann, der ihn immer noch in einem brutalen Griff hielt. „ist ja schwer zu übersehen..“, hauchte er ehrfürchtig. Er hatte wirklich noch nie etwas Tolleres gesehen, nicht mal im Museum. „Das hat meinem Vater gehört. Er war Schwertkämpfer. In Japan ein angesehner Meister. Der Name des Katana ist „Ginryuu“, das bedeutet „Silberdrache“. Es steht für wahre Stärke, es ist zum Beschützen gemacht, alle die man liebt. Es nimmt niemand als seinen Meister an, der nicht wahre Stärke im Herzen trägt. Es sollte beschützen. Aber statt dessen war es das einzige, was von dem Brand übrig blieb. Nur dieses Schwert. Mein Vater überlebte knapp, doch auf ewig von den Flammen entstellt. Meine Mutter hatte zu viel Rauch eingeatmet und die Ärzte wussten nicht, warum sie nicht aufwachte. Sie schlafen seit sechs Jahren in diesem verdammten Krankenhaus, lebendig und gleichzeitig tot.“ Ein schwerer Kloß lag in Fyes Hals, aber egal wie sehr er schluckte, der ging nicht runter. Rot-braune Augen sahen ihn hart an, als erwarteten sie eine Erwiderung, aber er hielt nur weiter feige den Blick gesenkt. „Meinst du ernsthaft, ich habe Lust noch einmal jemanden sterben zu sehen? Ich habe schon genug getan als ich bei dir geblieben bin. Du bist genau wie sie, du bewegst dich, du atmest, aber hier“, hart tippte er mit den Fingern gegen Fye Stirn, dieser biss sich nur hart auf die Lippen, er wollte das alles nicht hören.. „bist du tot. Ich kann nicht noch mehr Tod sehen, ich kann mich nicht an etwas Lebendiges gewöhnen, nur dass es mir wieder unter den Händen wegstirbt.“ „Du hast es gesehen... den Brand, nicht wahr? Du konntest nichts tun... du warst hilflos“. Hilflos genau wie ich, genau wie ich. Fye wünschte auf einmal alles wäre anders, dass er nie diese Linie überschritten hätte und jemanden nahe kam, den er schon zu lange kannte, um ihn wieder zu vergessen. Die Zeit hatte ihn ein Schnippchen geschlagen, ihn verarscht sozusagen. Nein, er hatte sich selbst verarscht, er hätte von Anfang an die Finger von dem Asiaten lassen sollen. An der Eislaufbahn hätte er sich aus dem Staub machen sollen. Aber ihr Weihnachtsfest... „Ja, und ich habe keine Lust dich auch sterben zu sehen“, Kuroganes Stimme klang belegt. „Ich bin auch hilflos.“ „Dann sind wir schon mal zwei.“ Strophe 29 „Dann ist es doch egal!“, energisch machte sich der Blonde los und Kurogane konnte ihn nur wütend ansehen. „Dann ist es doch egal, was wir tun, was wir glauben, wofür wir uns anstrengen, dann ist doch alles egal.“ „Alles egal, ist es das was du glaubst?“ Er hatte Lust diesen Mann vor sich in den Boden zu stampfen, aber diesmal nicht, weil er ihm auf die Nerven ging, sondern weil sein Gegenüber einfach nicht einsehen wollte, wann es besser war aufzugeben und es sein zu lassen. „Dann ist es doch egal, was nach Silvester kommt! Lass uns doch einfach so TUN als wäre alles in Ordnung.“ Kurogane war fassungslos. Hoffentlich hatte er noch ein Bier im Kühlschrank. „So tun?“ „Genau!“ „Was um Himmels Willen geht nur in deinem durchgefickten Schädel vor?“ „Ich...“, der Blonde stützte sich etwas an der Schranktüre ab und starrte auf das Katana seines Vaters. Nun waren sie offen voreinander, aber was sie damit anfangen sollten, wusste Kurogane gerade nicht. „Ich wünsche mir einfach nur ein Wunder. Ein Weihnachtswunder.“ „Das hast du doch mit dem Kleinen gehabt. Er hat gestrahlt als wir zurück in der Wohnung waren. Das Mädchen hat auf ihn reagiert.“ „Ich will ein Weihnachtswunder... nur für mich.“ Stophe 30 Völlig erledigt schaltete Shaolan den Fernseher aus. Draußen wurde es schon langsam hell und die beiden Erwachsenen waren immer noch im Schlafzimmer. Sakura schlief an seine Seite gelehnt und im Fernsehen kam nur Schrott. Er sah auf die Digitaluhr neben dem DVD-Player. 5:57. Bald würde es hell werden, oder? Die im Heim würden ihm die Hölle heiß machen. Aber der Junge hatte gerade ganz andere, bedeutendere Sorgen. Nämlich Hunger bis unter die Knie. Vielleicht sollte er Pizza bestellen. Aber hatte kein Geld, nur blaue Flecken. Hatte der Franzose - Fye war doch sein Name, komischer Name, aber echt korrekter Kerl – nicht noch das Portemonnaie des Großen in der Jackentasche? Vorsichtig, als hätte er es mit Sprengstoff zu tun, löste er sich von seiner Freundin und tatsächlich, sie wachte nicht auf. Echt beneidenswert so n Schlaf und das obwohl sie so gut wie nichts anderes tat. Aber vielleicht hatte sie das Schlittschuhlaufen angestrengt? Wenn Shaolan nur daran dachte, wie sie sich auf der Eislaufbahn an ihn geschmust hatte, ballerten alle Glücks- und anderen Hormone wie wild los. Die Jacke lag achtlos auf dem Boden und er hob sie auf. Sie war ganz schwer und da war auch schon das Objekt seiner Begierde. Etwas ungeschickt - denn die neuste Lädierung seines jungen Körpers war ein angeknackstes Handgelenk, das er sich beim Sturz auf der Eisbahn geholt hatte – zog er die schwarze Börse aus der hellblauen Jackentasche. Doch noch etwas anderes fiel mit raus. Das kleine Plastikröhrchen sprang auf und verteilte ein paar Tabletten auf den flusigen Teppich. Ah, da war also der Mohn. In dem Moment klingelte das Telefon. Einmal, zweimal. Shaolan zuckte mit den Schultern und ging einfach ran. //„Ja, hier die Selbsthilfegruppe für psychisch labile Weihnachtsfans, wer spricht da?“// Am anderen Ende erklang eine Frauenstimme.// „Kurogane...?“// //„Eh.. der is grade im Schlafzimmer.“// //„Wer bist du?“// Sie sprach aufgebracht. Oh, oh, sicher dachte sie, er wäre sein One-night-stand oder so. //„Ehm.. nur der Nachbarsjunge, wir feiern hier ne kleine Weihnachtsfeier.“// //„Wer bist du?“// Noch ein Grad misstrauischer. Wenn das Kuroganes Freundin war, passten sie ja super zusammen. //„Kurogane hasst Weihnachten.“// //„Ehm...also.. boahr, hör zu, du störst grade voll. Alles in Ordnung hier, war ne lange Nacht, kannst du nicht um 9 noch mal anrufen? Ich hab Hunger bis unter die Knie und will ne Pizza bestellen. Also ich leg jetzt einfach auf, okay?“// //“Halt! Richte ihm vorher was aus.“// Shoalan war sich jetzt fast sicher, dass sie flennte, aber er war – wie gesagt – gerade zu hungrig für Mitgefühl. //“Joa.“// //“Ich werde noch eine Weile hier in Washington bleiben. Wenn er es nicht schon entdeckt hat, im Schlafzimmer ist ein Geschenk für ihn. Er soll sich sehr genau überlegen, ob er mir nicht doch nachkommt, ansonsten werde ich nach Silvester nur noch kommen, um meine Sache zu holen.“// klick In dem Moment kam der schwarzhaarige Mann auch gerade ins Wohnzimmer und sah ihn angepisst an. „Wen rufst du an?“ „Eigentlich den Pizzadienst.“ „Ich will ne Diavolo. Käse für den irren Blonden.“ „Ich glaube deine Freundin hat gerade mit dir Schluss gemacht.“ Kurogane zuckte mit den Schultern. Na ja, wenn das kein Problem war... Shaolan wand sich wieder dem Telefon zu und wählte die schon längst bis in sein Unterbewusstsein vorgedrungene Telefonnummer seines Lieblingspizzalieferanten. „Ach ja, und du sollst das Geschenk aufmachen. Das im Schlafzimmer.“ Aus der Küche war nur das Öffnen des Kühlschranks zu hören und ein Fluchen. //“Pizza Ronirandi, der leckerste und schnellste Pizzabäcker dieser Welt! Pizza Formidable heute im Angebot! Pizza mit Hirschstücken zur Weihnachtszeit, alle XXL für den Preis von XL!“// //“Hey hallo, hier ist Shao!“//, grüßte Shaolan am anderen Ende, „//schaffst du es in 20 Minuten ne XXL Pizza Diavolo, XXL Käse und ne Familienpizze mit Salami, Champions und 3 Fach Peperoni ins alte Hispaniviertel zu bringen? Kenn die Adresse nicht, aber wenn du hupst, komm ich runter.“// //“Ah, mein kleiner bello bruno!“//, schaffte es der Besitzer der Pizzaria einen italienischen Akzent perfekt nachzuahmen, dabei war er gar kein Italiener. //“Ach ja, und n' Sixpack Bier, bitte.“// Gerade hatte er aufgelegt, als auch schon der Franzose aus dem Schlafzimmer getaumelt kam. Er sah echt mitgenommen aus, sein Gesicht fast so weiß wie der Rolli, den er trug und die blonden Haare ganz zerwuschelt. Verwirrt sah Shaolan ihn an. „Magst du Käse?“ „Ja..“ „Hab Pizza bestellt.“ „Oh.“ Ein wenig verunsichert sah der chinesische Junge ihn an. Jetzt wo der Fernseher aus war, war alles ganz ruhig. So wie er vorher, sah der Mann nun auf die digitale Uhr neben dem Fernseher. 6:12. Zählten sie hier eigentlich alle die Minuten bis dieses bescheuerte Fest vorbei war? „Ich wollt nur sagen... danke...“ Verwundert sah der Blonde ihn an und Shaolan schnappte sich einfach seine eiskalte Hand und drückte sie. „Ich hab das echt genossen, das mit dem Schlittschuhlaufen und Sakura aus dem Krankenhaus rausholen. Dabei kennen wir uns nicht mal. Echt, hast was gut bei mir.“ Lange sah ihn Fye an. Er dachte schon er wäre völlig zugedröhnt oder so, aber dann erwiderte er den Druck seiner Hand und lächelte leicht, diesmal nicht so überdreht. „Gern geschehen, Shaolan.“ Es raschelte an der Tür und die beiden drehten sich Richtung Küche. Der Japaner namens Kurogane stand da, auch voll korrekter Kerl, und sah sie durchstechend an. Fye sah wieder zu dem Jungen. „Hast du schon einmal Eierlikör selbst gemacht?“ Shaolan bekam ganz große Augen. „Man kann Eierlikör selbst machen?“ Nun taute auch sein Gegenüber regelrecht auf. „Ja, klar! Kuro-sama, hilfst du uns?“ Der Asiate sah sie immer noch so undeutbar an, doch dann nickte er, ein ganz leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. Shaolan fiel das ganz besonders auf, weil es irgendwie nicht zu seinem coolen Image passte. Doch der Franzose strahle über das ganze Gesicht, lief auf den anderen Mann zu und fiel ihm um den Hals. 15 Minuten später hupte es draußen. Gott sei Dank, die Pizza! Strophe 31 Während der Zwerg nach draußen rannte, verblieben die beiden Erwachsenen in der Küche. Kurogane war sich gar nicht bewusst gewesen, dass er gut 10 Eier im Kühlschrank hatte. Allgemein war sein Kühl- und Gefrierschrank ungewöhnlich voll seit der Blonde in seine Wohnung eingebrochen war. Sein Stalker sah ihn von der Seite an, während er das Eigelb vom Eiweiß trennte. Die Umarmung von vorhin haftete noch ganz warm an seinem Körper. „Wir brauchen noch starken Alkohol, oder besser noch Ethanol? Eines davon in der Wohnung? Gibst du mir mal den Zucker?“ Wortlos holte Kurogane den Zucker vom obersten Regal. Diese Küche war für kleine Personen wie Fye denkbar ungünstig eingerichtet. „Hast du Kondensmilch? Du trinkst deinen Kaffee schwarz, nicht wahr?“ Kurogane konnte nicht genau sagen, wann der Idiot zum duzen übergegangen war. „Ah... du?“ „Gar nicht, ich trink lieber Kakao.“ Schwer seufze der hochgewachsene Japaner und sah den Blonden an. „Dein Bruder, Yuui, so hieß er doch, oder?“ Der kleiner Mann erstarrte regelrecht und warf ihm einen gequälten Blick zu. Kurogane hatte keine Zeit sich schuldig zu fühlen. „Der Kerl, bei dem ihr aufgewachsen seid, lebt der noch?“ Draußen gingen auf einmal Sirenen an und bevor sie aus der Küche kamen, kam schon der Kurze durch die kaputte Eingangstür gewetzt. Er hatte Kuroganes Schuhe beim Rausgehen angezogen und flog jetzt beinahe über seine eigenen Füße. Völlig atemlos sah er erst zu Fye, der mit klebrigen Fingern und der Schüssel neben dem grimmig dreinblickenden Asiaten stand, dann zu Kurogane selbst. Nach Shaolans Blick zu Folge, sahen sie beide aus wie Kinder, die auf den Weihnachtsmann gewartet hatten, aber statt dessen stand die Zahnfee vor ihnen. „Wo ist die Pizza?“, fragte Kurogane und ahnte schon Schlimmes. Sirenen. Keine Pizza. Panischer Kurzer. Warum wirkte Alkohol bei ihm erst Stunden später? „Da unten sind die Bullen! Sie wollen sicher Sakura zurück holen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)