Denn am Ende steht... von Leira ================================================================================ Kapitel 20: Versprochen ist versprochen... ------------------------------------------ Hello folks! Dankeschön für eure Kommentare zum letzten Kapitel! Nun… erinnert ihr euch noch an das Versprechen, das Shinichi Ran vor einigen Kapiteln abgerungen hat? Langsam ist die Zeit gekommen, um zu sehen, ob sie’s auch einhält… im Fall der Fälle. Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen, bis nächste Woche! Mit den allerfreundlichsten Grüßen, eure Leira :D _____________________________________________________________________ Conan seufze, marschierte mit Ran gedankenverloren auf dem Hauptweg des Tropical Land und versuchte, vergnügt auszusehen. Ein Vorhaben, an dem er kläglich zu scheitern drohte. Nachdem er und Heiji sich mit ihr und Kazuha getroffen hatten, hatten sie sich auch sogleich wieder getrennt- Kazuha, weil sie für kleine Mädchen musste, und Heiji angeblich, weil er was zu trinken und Sandwichs kaufen wollte. Sie beide sowie Kazuha und Ran wären schließlich schon den ganzen Vormittag auf Achse gewesen, hätten kaum etwas gegessen. Er sollte mit Ran schon mal vorgehen. Und sie hatten ihm den Gefallen getan. Conan wusste ganz genau, woher der Hase lief - schließlich hatte Heiji seit dem Ende ihrer Beschattungsschicht auf dem Weg hierher kein anderes Thema gekannt. Kazuha. Kazuha hier, Kazuha da… Schließlich war er zu dem Schluss gekommen, es ihr sagen zu wollen. Ihr seine Gefühle zu gestehen- und hatte Conan gefragt, ob er dafür kurz mit ihr verschwinden könnte. Ein amüsiertes Grinsen huschte kurz, ganz kurz, über das besorgte Gesicht des Grundschülers. Irgendwie war es ihm nicht Recht gewesen, dass sein Freund aus Osaka gerade jetzt seine amourösen Ambitionen gegenüber einer gewissen Oberschülerin nachverfolgen musste. Ausgerechnet jetzt, wo sie alle auf offenem Gelände waren, wussten, dass der Feind in nächster Nähe war - er hätte sie lieber alle auf einem Haufen gehabt, er hätte sich sicherer gefühlt, wären sie alle beieinander geblieben… denn mit Heiji und ihm selber waren es vier geübte Augen, die nach Gefahren Ausschau halten konnten. So waren es nur zwei, und dazu zwei, die aus einer ungewöhnlichen Perspektive versuchten, den Überblick zu bewahren. Nun… als guter Freund hatte er ihm von seinen Sorgen natürlich nichts erzählt, sondern ihm gesagt, er solle sich vom Acker machen, ihm viel Glück gewünscht… Conan seufzte resignierend, schüttelte den Kopf. Hoffentlich vermasselte er es wenigstens nicht. Heiji würde wohl gerade in diesen Minuten mit Kazuha Tacheles reden, wenn er nicht wieder die Hosen voll hatte, dieser elende Feigling… Conan verzog seine Lippen zu einen leicht schadenfrohen Grinsen, das ihm jedoch sofort wieder vom Gesicht glitt. Es fühlte sich ungut an, diese Situation hier. Er hoffte, Heiji beeilte sich. Vielleicht hatte er es ja schon hinter sich und genoss gerade mit seiner Angebeteten ein paar schöne Minuten seliger Zweisamkeit - und er wurde dafür von Minute zu Minute nervöser. Er hoffte, dass Ran, die seine Hand hielt, es nicht merkte. Wenn sie es tat - dann versteckte sie es gut. Momentan plapperte sie fröhlich vor sich hin. Was sie sagte ging ihm zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Er wusste nicht, warum er so unruhig war. Unverhohlen blickte er um sich. Er fühlte sich beobachtet. Ihm war nicht wohl bei der Sache. Ganz und gar nicht wohl. Seit er den Vergnügungspark betreten hatte, glaubte er, mit Blindheit geschlagen in sein Verderben zu rennen. Fröhlich pfeifend auf den Abgrund zuzumarschieren. Er hatte Angst. Conan atmete tief durch. Ran hielt inne, schaute ihn beunruhigt an. „Ist was? Geht’s dir nicht gut?“, fragte sie besorgt. Er schaute sie an, versuchte ein Lächeln, schüttelte den Kopf. „Nein. Nein, es ist nichts, mach dir keine Gedanken. Ich schätze, ich bin einfach nur überreizt, schließlich…“ Ran wurde bleich. „Es macht dir doch was aus… du hättest etwas sagen müssen…! Wir hätten nicht…“ Sie starrte ihn an. „Nur weil ich dich hierher gezogen habe, ist das eigentlich passiert, ich…“ Ihre Unterlippe bebte. Er zog sie näher, legte einen Zeigefinger sanft auf ihren Mund, schüttelte den Kopf. „Ich hätte ihnen nicht nachlaufen müssen, Ran. Gib dir nicht für meinen Fehler die Schuld, hörst du? Das lass ich nicht zu, das darfst du nicht…“ „Aber…“ „Kein aber.“ Er schüttelte bestimmt den Kopf. Sie nickte beklommen, schwieg eine Weile, bevor sie weiter sprach. „Willst du lieber gehen, woanders hin…? Ich hab gerade gar nicht mehr daran gedacht, es tut mir Leid… ich war mit den Gedanken grad bei Kazuha, sie wollte ja unbedingt hierher… nachdem das letzte Mal ja nix draus geworden ist… warum hast du nicht gesagt, dass du nicht her willst? Ich hätte selber drauf kommen können, schließlich weiß ich doch, was dir hier passiert ist. Ich hätte nicht auf deine scheinbare Gleichgültigkeit reinfallen dürfen… Wollen wir wirklich nicht woanders hingehen…?“ Sie schaute in ernst an. Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich sagte doch, es ist schon gut. Und eigentlich würdest du’s auch gar nicht wissen, hätte Ai ihre Klappe gehalten…“ Er seufzte. „Nein, wir bleiben. Das ist doch kindisch- sie werden kaum hier sein. Sie wissen ja gar nicht, wer wir sind… und wir wollen Heiji doch seinen großen Auftritt nicht verderben…“ Er lächelte erneut, drückte ihre Hand. Sie erwiderte den Händedruck, gab ihm einen Kuss auf die Wange, schaute sich das Riesenrad an. „Dann glaubst du auch, er sagt’s ihr endlich?“ „Na, das will ich doch schwer hoffen.“ Er schaute in den Himmel, ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Vermassel es nicht, Hattori… „Sag mal… über was redet ihr eigentlich immer, du und Heiji?“ Sie war stehen geblieben. Er warf ihr einen scheuen Blick zu. Das war eine Fangfrage, ganz klar. Er hatte einen siebten Sinn für so was. „Mord und Totschlag?“ Seine Antwort war eher eine Gegenfrage gewesen. Ran schaute ihn mürrisch an. „Aha. Da habt ihr ja ein weites Feld, über das ihr diskutieren könnt.“ „So ist es.“ Er seufzte. Ran dachte nicht mal daran, es dabei bewenden zu lassen. „Und wie kommt’s das ihr euch so gut vertragt? Solltet ihr nicht eigentlich einen ewigen Konkurrenzkampf ausfechten? Kazuha und ich fragen uns das oft, ihr benehmt euch fast wie Brüder, dabei seid ihr doch eigentlich Rivalen, solltet ihr euch nicht aufs Messer bekämpfen?“ Conan schaute sie verwirrt an. „Nein, warum denn? Verbrechen gibt’s doch genug. Und seit dem Giftmord damals hat er eingesehen, dass…“ „Dass was…?“ „Dass er gegen mich ohnehin nicht anstinken kann…“ Er grinste breit. Ran gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf, lachte ebenfalls. „Du bist ein Idiot, weißt du das?“ „Ja, doch. Man hat es mir mittlerweile oft genug gesagt, ich kann’s mir inzwischen merken.“ „Und, krieg ich jetzt eine anständige Antwort…?“ Sie schaute ihn mit ihren klaren blauen Augen fragend an. „Das beschäftigt dich ernsthaft?“, entgegnete er erstaunt. Sie nickte. „Nun…“, er seufzte. „Als du damals raus gerannt bist, nach der Lösung von diesem Giftmordfall, um einen Arzt zu holen, da hat er sich entschuldigt, bei mir - für sein arrogantes Verhalten. Und ich hab ihm nicht verziehen…“ „Hä?“ Er lächelte. „Ich hab ihm gesagt, dass es nichts zu verzeihen gäbe, weil es nicht wichtig ist, wer besser oder schlechter ist; es gibt kein besser oder schlechter. Einzig und allein eine Wahrheit gibt es, wer sie findet, ist doch egal. Wichtig ist nur, dass es einer tut. Und seitdem ist das Thema, bis auf gelegentliches Kräftemessen unter Freunden gegessen, Ran.“ Sie schaute ihn an. Dann stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. „Und ab und zu, wenn ihr mit den Leichen fertig seid, dann redet ihr auch über mich und Kazuha…?“ Er lachte. „Verrat ich nicht…“ Dann hielt er inne, drehte sich ruckartig um, ließ seinen Blick hektisch über den Platz schweifen. Ihm war gewesen, als hätte sich ein Blick in seinen Rücken gebohrt, aber er sah nichts. Eine Gruppe Grundschüler drängelte sich um das Parkmaskottchen um einen Luftballon zu ergattern, ihre Lehrer standen ein paar Schritte daneben… weiter entfernt stand ein verliebtes Pärchen. Nichts Auffälliges. Ran schaute ihn erschrocken an. „Shinichi?“ Er schüttelte den Kopf. „Nichts. Es ist wahrscheinlich wie ich sage- ich bin hier drin einfach überreizt. Schließlich war ich bis jetzt zweimal hier und zweimal wollte mich jemand umbringen- beim zweiten Mal dich auch noch, du erinnerst dich doch?“ Sie nickte nur. Ja, sie konnte sich daran erinnern. Als sie ihr Gedächtnis verloren hatte, vergessen hatte, wer sie war- wer er war… Sie seufzte, ließ ihre Stirn kurz gegen seine sinken. „Ich hab dich nie gefragt, wie’ s damals für dich war…“ Er schaute sie überrascht an. „Weil es nicht wichtig ist, Ran. Weil es keine Rolle mehr spielt, jetzt nicht, und damals nicht. Wichtig war und ist allein, dass du dich wieder erinnern kannst, nicht, dass du mal vergessen hast.“ Er bemerkte ihren bedrückten Gesichtsausdruck, warf einen Blick auf die Uhr, die neben dem Eingang an der Wand hing. „Wollen wir kucken, ob die Fontänen immer noch um diese Uhrzeit angestellt werden?“ Damit hatte er es geschafft - der betrübte Ausdruck in ihren saphirblauen Augen war verschwunden. Sie sah ihn an, nickte begeistert. Hand in Hand rannten sie los. Gin trat hinter der Losbude hervor. Schaute ihnen hinterher, grinste zufrieden und warf seine Zigarette achtlos auf den Boden. Dann folgte er ihnen. Ran starrte voller Faszination auf die glitzernden Wasserperlen, die von den Fontänen wegspritzten, funkelten wie Diamanten- jauchzte glücklich, als über ihren Köpfen ein Regenbogen erschien, zog ihn an der Hand, deutete nach oben. Conan schaute hoch, freute sich milde verwundert, wie sehr sie sich immer wieder dafür begeistern konnte- doch als er den Kopf drehte, erstarrte er. War da ein schwarzer Schatten gewesen? Schwer zu sagen hinter den Wasserwänden, die ihnen die Sicht nach Außen versperrten. Das war bestimmt nichts weiter als eine optische Täuschung gewesen. Eine Spiegelung, ein Wirbel, ein Schleier im Wasser. Er wurde paranoid. Das war es wohl. Er warf einen Blick auf Ran, die von seinen Sorgen momentan nichts mitzubekommen schien. Sie schaute immer noch mit einem Ausdruck höchster Begeisterung auf dem Gesicht nach oben, wo sich der Regenbogen von einer Wasserwand zur nächsten spannte, hatte die Arme ausgestreckt und lachte. Conan hingegen starrte ins Nichts, versuchte scheinbar, durch die Wassermassen durch zu blicken- und versuchte zu ergründen, warum sein Fluchtinstinkt in den letzten Minuten Ausmaße angenommen hatte, von denen er nie geahnt hatte, dass er sie hatte. Er wollte weg hier. Aber er würde bleiben. Bestimmt bildete er sich das alles nur ein- und indem er jetzt ging, würde er sie nur nervös machen. Verängstigen. Und das wollte er nicht. Die Fontänen gingen langsam zurück. Ran schaute ihn an. „Es ist immer wieder wunderschön…“, hauchte sie. Kleine Wassertröpfchen flimmerten wie Tau im Sonnenlicht in ihren Haaren. „Ja, das ist es.“, beeilte er sich zu sagen. „Glaubst du, Heiji und Kazuha kommen bald?“ Sie seufzte, schaute sich suchend um. „Sicher. Wenn sie sich nicht schon wieder streiten, sind sie bestimmt gleich da.“ „Dann geh ich noch schnell was zu trinken kaufen!“ Sie zeigte auf einen Imbissstand auf der anderen Seite des Platzes und lief los. „Warte! Ich komme-…“ Weg war sie. „…mit. Hm. Dann eben nicht.“ Er seufzte. Sie war ja nicht außer Sichtweite, also kein Grund, die Krise zu kriegen. Conan drehte sich einmal um die eigene Achse. Das Gefühl der Unruhe wurde immer stärker. Eigentlich wollte er wirklich weg hier. Er suchte mit seinen Augen Ran, und fand sie, wie sie zwei Getränkedosen bezahlte. Alles bestens. Kein Grund zur Aufregung. Was war nur los mit ihm? Er hörte wohl schon die Flöhe husten. Dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter, fuhr herum. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, sein Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei, als er erkannte, wer hinter ihm stand. Er hatte sich nicht getäuscht- er hätte seinen Fluchtinstinkt mal trauen sollen. Vor ihm stand… Gin. Er drehte sich um, wollte wegrennen - und da sah er sie. Ran. Sie kam gerade mit zwei Dosen Cola zurück. Er erstarrte mitten in der Bewegung - und diesen Moment der Schwäche nutzte Gin aus. Er packte ihn am Kragen, hob ihn hoch. Ran schien er nicht bemerkt zu haben. Shinichi hoffte, dass er sie nicht erkannt hatte - denn dass er ihn erkannt hatte, war nun… augenscheinlich. „Keinen Aufstand, oder jemand wird das bereuen.“ Conan merkte, wie ihm jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. Und er verhielt sich still. Drehte nur den Kopf, fand ihr Gesicht, sah in ihre Augen- und formte mit seinen Lippen nur ein Wort. Lauf. Ran stand da, war kreidebleich. Ihre Knie drohten nachzugeben, ihre Hände krampften sich um die Getränkedosen. Du hast es versprochen. Sie las es von seinen Lippen. Hörte seine Stimme in seinem Kopf. Du hast es versprochen. Lauf weg. Irgendeine Macht zwang sie, einen Schritt nach hinten zu machen. Sie wollte nicht. Sie wollte schreien, wollte zu ihm laufen, wollte ihm helfen… hier wurde ihr Freund entführt, Himmel, sah das denn keiner…? Sah das denn keiner?! Stattdessen blieb sie stumm. Ging noch ein Schritt nach hinten. Und fühlte sich machtlos. Hilflos. Zum ersten Mal, seit sie in diesem kleinen Körper steckte, wurde ihr wirklich bewusst, was sie war- ein kleines Kind. Ein hilfloses kleines Kind. Und zum ersten Mal wurde ihr gewahr, was es bedeutete, ein Kind zu sein. Machtlos zu sein. Nicht helfen zu können. Shinichi… Shinichi wurde vor ihren Augen entführt und sie konnte ihm nicht helfen. Und er konnte sich nicht wehren, denn auch er war nur ein Kind - und er hatte Angst um sie. Er wollte Gin wohl nicht auf sie aufmerksam machen, um keinen Preis, deshalb versuchte er nicht mal, sich zu wehren. Wäre sie jetzt groß, wäre sie Ran, nicht Kohana… dann hätte sie ein Chance ja… Aber so… Aber so! Warum war sie… warum hatte sie… sie konnte ihm nicht helfen! Nicht helfen…! Sie sah, wie Gin ihn zu Boden gleiten ließ, ihn auf die Füße stellte- sie sah seine Angst, spürte sie beinahe selbst. Er hatte den Kopf abgewandt, wollte wohl nicht zu auffällig in ihre Richtung schauen, damit er sie nicht bemerkte. Damit sie in Sicherheit war. Weil er sie immer noch beschützen wollte. Weil er wusste, wie viel Schutz ein Kind brauchte. Weil er wusste, wie machtlos sie waren, sie beide. Ran brach fast zusammen. Die Erkenntnis schlug über ihr zusammen wie eine Welle. Bis jetzt war alles ein Spiel gewesen; ein seltsames Spiel, manchmal ein beängstigendes Spiel- aber nichtsdestotrotz ein Spiel. Aber jetzt- jetzt…! Jetzt war es die Wirklichkeit. Zu Gin gesellte sich ein weiterer Mann- er war etwas untersetzt, trug ebenfalls Schwarz, von Kopf bis Fuß. Vodka. Er musste es sein. Ein dreckiges Grinsen war auf seinem Gesicht zu sehen. Der Blonde fuhr ihn an, dann schaute er sich um, überprüfte, ob jemand von ihrer Aktion etwas ahnte. Warum half ihm denn niemand…? Wenn sie es schon nicht konnte… Hektisch sah sie sich um. „Hilfe…“, wimmerte sie. Keiner nahm von ihr Notiz. Ihre Stimme war zu leise, die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Und sie war zu klein, um richtig auf sich aufmerksam machen zu können. Und Kinder nahm man sowieso nicht so ernst. Hilfe, Hilfe, Hilfe…! Sie wandte sich ihm wieder zu, schaute ihn verzweifelt an, merkte fast, wie das Band zwischen ihnen immer straffer gezogen wurde. Es zog und zerrte an ihr, sie wollte diesem Drang nachgeben, zu ihm hinlaufen- aber etwas hielt sie ab. Hielt sie auf. Versprich mir, dass du verschwinden wirst… egal was mit mir passiert. Sie trat einen weiteren Schritt von ihm weg. Warum gehorchten ihr ihre Beine nicht? Sie wollte zu ihm…! Näher ran, nicht weiter weg…! Mittlerweile standen ein paar Menschen zwischen ihnen, verdeckten sie teilweise. Sie konnte man kaum mehr sehen- aber sie sah ihn. Sie sah sein bleiches Gesicht. Er stand wacklig auf den Beinen, hätte Gin ihn nicht immer noch an einem Arm festgehalten, wäre er wohl hingefallen. Sie hatte ihn noch nie so verängstigt gesehen. Er wusste, was kommen würde, sie sah es ihm an. Und dieses Wissen machte ihm Angst. Er drehte sich um, suchte ihr Gesicht in der Menge, fand es- warf ihr einen letzten Blick zu. Ich liebe dich. Dann drehte er den Kopf weg, ließ sich von Gin mitziehen. Sie blinzelte, als ihr Tränen in die Augen stiegen. Er war weg. Zuerst stand sie nur da, zur Salzsäule erstarrt, merkte nichts- hörte nichts, fühlte nichts, sah nichts- nur die Angst, diese Angst in seinen Augen. Zuerst fielen mit lautem Scheppern die Getränkedosen zu Boden, kullerten davon. Hilfe, Hilfe, Hilfe… Hilfe…! Und dann- dann holte die Realität sie ein. Ran brach zusammen, heulte auf, schrie ihren Schmerz hinaus… krallte ihre Hände in den Boden, merkte nicht, wie ihre Fingerkuppen zu bluten begannen. Sie bemerkte nur am Rande, wie jemand zu ihr hinging. Sah blonde, wellige Haare im Sonnenlicht glänzen wie flüssiges Gold… Sie bekam keine Luft mehr. Irgendetwas drückte auf ihre Brust, schnürte ihr die Kehle zu. Er war weg. Weg… Shinichi… Er würde ihn töten. Shinichi würde den heutigen Tag nicht überleben. Shinichi… Sie japste, rang nach Atem, verschluckte sich. In ihr war alles taub. Shinichi… Ran hörte nicht die Stimmen, die auf sie einredeten. Sie hörte nur ihren eigenen Atem, ihren eigenen Herzschlag- und seine Stimme in ihrem Kopf. Lauf. „Sie haben ihn.“, flüsterte sie dann. Nur diese drei Worte- dann wurde es schwarz um sie. Wie sie die blonde Frau auffing, bekam sie nicht mehr mit. Sharon starrte ihnen hinterher, hielt die kleine Ran in ihren Armen. Sie hatte sofort gewusst, wer sie war. Und jetzt hatten Gin und Vodka ihn - sie war zu langsam gewesen! Zu langsam, verdammt! Sie wusste, was jetzt kam. Sie würden ihn ins Hauptquartier bringen, um herauszufinden, was er wusste- wer noch etwas wissen könnte- und ihn dann töten. Sie schloss die Augen, atmete tief durch. Aber- Noch war nicht aller Tage Abend. Jodie hätte sich ohrfeigen können. Sie hatte sie verloren. Auf einmal war sie weg gewesen. Und nun stand orientierungslos zwischen der Achterbahn und der Geisterbahn, ging ein paar Schritte in eine dunkle Gasse, als sie zwei dunkle Schatten bemerkte - - und erstarrte mitten in der Bewegung, als sie bemerkte, dass die zwei Gestalten ein eng umschlungenes Pärchen waren. Als sie dann aber auch noch erkannte, um wen es sich handelte, wurde sie rot wie eine überreife Tomate. Und als sie sich wieder umdrehen wollte, trat sie, um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, auf eine Glasscherbe, die knirschend unter ihren Pumps zerbarst. Sie hielt in der Bewegung inne, drehte sich schuldbewusst um. Heiji seufzte. Kazuha neben ihm war so rot geworden wie Jodie. „Kann ich Ihnen helfen, Jodie?“, fragte der junge Mann aus Osaka höflich- und dennoch ließ sich ein gewisser genervter Unterton nicht leugnen. Und erst jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Warst du nicht mit cool kid unterwegs?“ Der Detektiv aus Osaka nickte. „Ja, er und Ran wuseln hier auch irgendwo herum…“ „Shit!“ Sie fuhr sich fahrig durchs blonde Haar. „That’s not good… oh no, oh no, not good at all…“ Kazuha schaute die blonde Frau konsterniert an. „Heiji, kennst du diese Frau…?“, fragte sie ungeduldig. Er nickte. „Ja, das ist Jodie Starling vom FBI. Aber sollten Sie nicht…?!“ Und plötzlich begriff auch er. „Sollten Sie nicht das Hotel beschatten? Sagen Sie bloß, Sie haben sie gefunden?!“ Jodie schluckte. „Ja. Und sie ist hier. Ich bin ihr vom Hotel hierher gefolgt, sie hatte es sehr eilig. Es schien fast, als ob sie jemanden jagte, oder vor jemandem hier sein wollte. Und Vodka wurde ebenfalls gesichtet, aber den hatten wir verloren, also…“ Heiji wurde bleich. „Er sollte mit Ran am Fontänenplatz auf uns warten…“ Die blonde FBI-Agentin schluckte. „Dann nichts wie hin. Und lasst uns hoffen, dass noch nichts passiert ist.“ Kazuha blickte von Heiji verständnislos zu Jodie- aber mehr als ein empörter Aufschrei kam ihr nicht mehr über die Lippen, als Heiji losrannte und sie am Arm einfach mit sich zog. Sharon hatte die kleine Ran immer noch in ihren Armen, schaute sich um. Gin und Vodka waren längst weg, wo sie die finden würde, wusste sie. Aber wohin mit der Kleinen? Dann hörte sie Schreie, drehte sich um und sah sie. Drei Personen, die auf sie zu rannten. Na Klasse. Sie seufzte auf, ging ihr entgegen. „Hello, Miss Starling.“ Die FBI-Agentin blieb stehen, hinter ihr hielten Heiji und Kazuha ebenfalls inne. Sharon drückte der blonden Frau das Mädchen in die Arme. „Was haben Sie mit ihr…?“, brauste Jodie auf. „Ihr geht’s gut, sie ist nur ohnmächtig. Um den Jungen solltet ihr euch mehr Sorgen machen.“ Sharon schaute sie kalkulierend an. Heiji wurde bleich. „Shinichi…?“ Sie nickte nur, dann trat sie an ihm vorbei, wandte sich zum Gehen. Jodie starrte ihr nach, als Sharon an ihr vorbeiging. Sie drückte Kazuha die kleine Ran in die Arme, zog ihren Revolver. „Was meinen Sie damit?! Hey! Sie sind…“ „Verhaftet?“ Sharon drehte sich um, lächelte ihr traurig zu, ein Hauch von Zynismus schwang in ihrer Stimme mit, als sie sprach. „Das würde ich an deiner Stelle lassen, Süße. Das heißt, wenn du willst, dass er auch nur den Hauch einer Chance hat, da lebend raus zu kommen. Du weißt doch ganz genau, wer ihn hat, Starling… und du weißt, was das heißt.“ Damit drehte sie sich um und verschwand in der Menge. Keiner wagte es, sie aufzuhalten. Ein kleines, leises Geräusch brauchte wieder Bewegung in die Gruppe. Ran jammerte leise. Ein Ton, der ihnen fast das Herz brach. Jodie scheuchte Heiji, der sich immer und immer wieder Vorwürfe machte, warum er ihn, seinen besten Freund, allein gelassen hatte, und Kazuha, die immer noch sehr verwirrt dreinschaute, vor sich her aus dem Park, wählte noch im rausgehen James Blacks Nummer. Als sie wieder zu sich kam, lag sie zuhause in ihrem Bett. Sie stöhnte leise, öffnete die Augen- und sofort schoben sich zwei besorgt aussehende Gesichter in ihr Blickfeld. Eins gehörte ihrem Vater. Das andere war das von Jodie. Blonde Haare… Sharon- Sharon war da gewesen- sie hat mich aufgefangen, ich weiß es, ich hab ihre blonden Locken gesehen… Warum hat sie ihm nicht geholfen, warum? Warum? Sie richtete sich abrupt auf, bemerkte, dass ihr ganzes Zimmer voller Menschen war- Die FBI-Agenten, der Professor und Ai, Heiji, Kazuha und ihre Mutter waren anwesend- und auf all ihren Gesichtern standen Angst und Sorge. Sie merkte, wie sie sich aufzuregen begann, ihr Atem schneller und flacher wurde, ihre Pulsfrequenz stieg… „Sie haben ihn!“ Sie schrie. „Sie haben ihn! SIE HABEN IHN! Hört ihr, was steht ihr hier noch rum, sie haben Shinichi…!“ Ihr kleiner Brustkorb hob und senkte sich heftig, ruckartig. „Shinichi…“ Tränen sammelten sich erneut in ihren Augen, begannen eine nach der anderen, über ihr kleines, junges Gesicht zu laufen. Die kleine Ran saß aufrecht im Bett, ihre kleinen Hände in die Decke gekrallt, weinend… fühlte sich so hilflos, so ohnmächtig… und zum ersten mal so unwohl in diesem Körper. Er hatte ihr verwehrt, ihrem Freund beizustehen. Dieser Kinderkörper machte aus ihr ein wehrloses kleines Wesen, hilflos und unfähig zu helfen. Immer mehr Tränen perlten ihr über die Wangen, ein endloser Strom kleiner salziger Tropfen. Der Heulkrampf wurde immer stärker, schüttelte sie. Sie japste nach Luft, schniefte, hustete, und weinte - riss Heiji das Taschentuch, das er ihr reichte, aus den Fingern. „Warum sind sie noch hier? Warum h-h- helfen sie ihm n-n-nicht?!“ Ihre Stimme wurde immer schriller. „Ran, beruhig dich…“ Ran schüttelte den Kopf, heulte weiter. „Und wo warst du, verdammt?! Hättet ihr euer Techtelmechtel nicht auf später verschieben können?!“ Sie schlug Heijis Hand, der sie beruhigend am Arm streicheln wollte, weg, schaute ihn voller Vorwurf an. Er erbleichte, zog die Hand zurück. Sie ahnte wohl, das Kudô ihm sehr viel mehr erzählt hatte, als ihr. Und sie hatte ja Recht, mit dem, was sie sagte - er hatte ihn allein gelassen. Er hatte gewusst, dass Gefahr im Verzug war, dass Shinichis Tarnung aufzufliegen gedroht hatte... und stattdessen hatte er sich mit Kazuha eine ruhiges Plätzchen gesucht, um... ihr seine Gefühle zu gestehen. Was er auch getan hatte, aber das tat nichts mehr zur Sache. Ja, okay, er hatte ihm Bescheid gesagt, vorher, hatte ihn gefragt, ob er einverstanden wäre- und Kudô hatte genickt. Aber er hatte auch den Ausdruck in seinen Augen gesehen- dass er sich hier nicht sicher fühlte. Dass er es lieber gehabt hätte, wenn alle beisammen geblieben wären. Aber Heiji hatte Conans Worten geglaubt, nicht Shinichis Augen. Er hatte Worten, die schon so oft getäuscht hatten, Augen, die noch nie gelogen hatten, vorgezogen, weil es für ihn bequemer war. Er schaute zu Kazuha, dann zu Ran, bekam kein Wort mehr über die Lippen. Ran bekam kaum mehr Luft, sah nichts mehr, außer diese Angst in seinen Augen- Shinichis Augen… Hörte nichts mehr, außer seiner Stimme in seinem Kopf- Du hast es versprochen… Sie begann herzzerreißend zu jammern. „Ich hätte das nie tun sollen…!“ Sie war kreidebleich im Gesicht, ihre Augen vom Weinen verquollen und gerötet. „Was denn…?“, murmelte Kazuha behutsam. „Nicht mit ihm wieder heimzugehen, als ich merkte, dass er sich nicht wohl fühlte im Park… ich hab mich von ihm überzeugen lassen, dass ihm das nichts ausmacht, dass er sich das einbildet… dabei hatte er Re- recht - und ich hätte nie- hä- hä… hhhätte nie versprechen-… ich hätte ihm nie, nieee versprechen sollen, dass ich… das… das ich weglaufe, wenn sie k-k-kkkommen…“ Sie starrte an die Decke, wimmerte leise, schnappte nach Luft, schluchzte… Kogorô schaute sie betroffen an. Sie hatte ihr Versprechen also tatsächlich halten müssen. Rans Gesicht war bereits tränennass, sie war fertig, fertig mit ihren Nerven - und doch schlug sie den Arm ihres Vaters beiseite, der sie eigentlich nur trösten wollte; sie wollte nur einen sehen jetzt, nur einen… Bevor sie diesen einen nicht gesehen hatte, sich überzeugen konnte, dass es ihm gut ging… Das… dass er lebte… Nicht tot war… Tot- Bestimmt würden sie ihn umbringen, ihn töten- Vielleicht lebte er schon nicht mehr… Der Gedanke raubte ihr das letzte Bisschen Verstand. Sie schrie gequält auf, krümmte sich nach vorne, klammerte sich in die Decke - und spürte plötzlich sanfte Schwerelosigkeit. Dann war alles schwarz. Ai stand da, sein Narkosechronometer in der Hand. Alle schauten sie an. „Ich denke, wenn sie aufwacht, und es ihr immer noch nicht besser geht, sollte jemand mit ihr ins Krankenhaus fahren. Sie könnte einen Nervenzusammenbruch haben.“ Ais Stimme klang leise. Kogorô schluckte, legte seine kleine Tochter wieder anständig ins Bett, deckte sie sorgsam zu und strich ihr mit einer Hand über die Haare. „Was wird sie machen, wenn er tatsächlich nicht mehr… wiederkommt?“ Eris Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Keiner im Raum sagte ein Wort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)