Stunden der Gedanken (Teil 2) von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Also hier nun die Fortsetzung (eine der vielen) von meiner FF "Stunden der Gedanken". Ich hoffe, sie gefällt euch. P.S.: Danke Pan85! ,Da wären wir also wieder,' dachte sie, als sie endlose Minuten vor Yamakis Büro stand. Schließlich klopfte sie an. "Herein!", ertönte eine ihr wohlbekannte, gleichgültig klingende Männerstimme. Mit einem unwohlen Gefühl trat Reika ein. "Ach, Sie sind es!", bemerkte Yamaki, als er aufsah, mit wesentlich besserer Laune, als Reika angenommen hatte. "Ja, so sieht man sich wieder.", erwiderte Reika und steckte sich nervös eine Haarsträhne hinters Ohr. "Bitte." Damit bedeutete Yamaki ihr sich zu setzen. "Danke." Immer noch etwas verstört schloss sie die Tür hinter sich und nahm auf dem ihr zugewiesenen Stuhl Platz. ,Warum hat der so gute Laune?', wunderte sie sich. ,Er kann unseren Zusammenprall nicht vergessen haben, worauf wartet er noch? Will er den richtigen Moment abwarten, um mich für die Ohrfeige zusammen zu pfeifen?' "Also, was kann ich diesmal für Sie tun?" Reika war so in ihren Gedankengängen versunken, dass sie bei dieser Frage aufschreckte. "Oh, naja, also ich..." Sie musste sich erst einmal wieder sammeln. Yamaki bemerkte ihre Verwirrung natürlich auch. ,Was hat sie denn?', dachte er und musterte sie heimlich durch die Sonnenbrille. ,So nervös war sie beim letzten Mal nicht.' "Also, es geht um Folgendes," Reika setzte nun an, nachdem sie sich gesammelt hatte, "ich möchte, falls möglich, einen Antrag auf eine Wohngelegenheit im Westflügel dieses Gebäudes stellen." "Na, da haben Sie sich wohl sehr schnell mit Megumi angefreundet, wie?", entgegnete er, während er in seinem Schreibtisch irgendetwas suchte. "Zum einen.", antwortete Reika. "Zum anderen lebe ich momentan bei einer Familienangehörigen, der ich auch nicht länger als nötig zur Last fallen möchte." "Soso," bemerkte Yamaki nebenbei, während er auf irgendeinem Blatt aus seinem Schreibtisch herumkritzelte. "Dann werden wir hier ja jetzt kaum aneinander vorbeilaufen können." Damit schob er ihr das Blatt rüber und hielt ihr einen Kugelschreiber hin. Reika sah verwirrt aufs Papier und staunte nicht schlecht. Sie wurde hiermit aufgefordert, den Antrag für ihr neues Zimmer zu unterschreiben. "Ist das Ihr Ernst?", fragte sie ungläubig. "Ich kann wohl kaum zulassen, dass Sie Ihre Familie belästigen.", entgegnete Yamaki ironisch. "Vielen Dank!" Reika fiel ein Stein vom Herzen, als sie das Formular unterschrieb. "Danke!" Yamaki nahm das Blatt wieder an sich und heftete es weg. "Die Hausordnung für den Trakt hängt aus und für weiteres können Sie sich ja vertrauensvoll an Megumi wenden." "Ich danke Ihnen!" Glücklich sprang Reika auf. "Dafür haben Sie was gut bei mir!" Und damit war sie schon wieder weg. Erst draußen dachte sie über ihre Worte nach. ,Hoffentlich nimmt er das nicht allzu wörtlich.', dachte sie, doch dann machte sie sich schon keine Gedanken mehr darüber und fuhr nach Hause, um ihre Sachen zu holen. "So, das war dann alles." Völlig außer Atem ließ Reika sich aufs Bett fallen. Auch wenn sie nicht allzu viele Sachen transportieren musste und Megumi sie tatkräftig unterstützte, war ein Umzug doch sehr anstrengend. Sie hatte das Zimmer erst noch tapeziert, da es ihrem Farbverständnis zufolge sonst völlig geschmacklos ausgesehen hätte. Dann musste sie ihre Sachen herschaffen und sie hatte beim Packen geglaubt, das würde sie nie alles in ein Zimmer kriegen. Doch wie durch ein Wunder passte alles und sah richtig gemütlich aus. ,Hiermit hab ich echt Glück gehabt.', dachte Reika zufrieden, als es an der Tür klopfte. "Herein!" "Hey, das geht aber nicht!", bemerkte Megumi, als sie Reika auf dem Bett liegen sah. "Du kannst nicht schlapp machen, ohne dass wir deinen Einstand richtig gefeiert haben, wir alle!" "Na, das wird ich mir wohl kaum entgehen lassen.", grinste Reika und machte sich mit Megumi auf den Weg in ihren Gemeinschaftsraum. "Na, da seid ihr ja endlich!", rief ihnen Sachiko entgegen. "Dann können wir ja endlich anstoßen!" "Tut mir leid, alte Frau ist kein D-Zug!", erwiderte Megumi scherzhaft. Schnell setzten die beiden sich dazu. "Also, dann werde ich mal als einziger männlicher Vertreter die Ansprache übernehmen." Taro stand auf und räusperte sich. "Nun, eigentlich gibt es da nicht viel zu sagen. Wir dürfen ein neues Mitglied in unsere Gemeinschaft von Verstoßenen aufnehmen. Wir haben's ja alle nicht leicht. Also dann, auf dich, Reika, und darauf, dass wir doch alle irgendwann einen Mann abkriegen. Danke." Nach diesem letzten Wort wurde angestoßen, schließlich hatte Sachiko nicht umsonst wochenlang den Sekt gebunkert. "Und, wie gefällt's dir hier so, Reika?", fragte Sachiko. "Also, ich finde es total super hier!", antwortete Reika. "Ich habe super Mitbewohner und eigentlich auch tolle Kollegen." "Bis auf einen wohl.", ergänzte Megumi. Reika senkte den Kopf. Der Vorfall beim Vorstellungsgespräch war ihr immer noch irre peinlich. "Da brauchst du dich echt nicht zu schämen.", griff Naomi ein, die wie immer über alles Bescheid wusste. "Ein Typ wie Herr Yamaki hatte schon lange mal ne Abreibung verdient!" "Jaja," seufzte Taro, "und immer macht er die falschen an." "Gib's auf, Taro!", rief Naomi neckend. "Der steht auf Frauen! Keine Chance für dich! Okay, es sei denn er ist total betrunken, aber da wir das nicht erleben werden, keine Chance!" "Oh, du bist so gemein!" Taro spielte den Beleidigten und der Rest brach in Gelächter aus. Während sich dann Sachiko, Naomi und Taro angeregt über ihre Ex-Beziehungen unterhielten, sonderten sich Megumi und Reika in eine Ecke ab. "Und, wie steht's wirklich? Kommst du mit ihm aus?" "Ja, alles in allem schon.", meinte Reika. "Naja, es gibt zwar noch den ein oder anderen Macho-Spruch, aber eigentlich lässt er mich relativ in Frieden." "Na, dann ist ja gut.", gab Megumi beruhigt zurück. "Aber zu was anderem," schnitt Reika an, "kennst du hier in der Umgebung eine gute Jogging-Strecke?" "Wieso?", fragte Megumi verwirrt. "Nun," antwortete Reika, "ich muss doch irgendwie im Training bleiben. Und mein Zimmer ist entschieden zu klein, um darin meine Karate-Übungen zu machen. Also bleibt mir nur das Joggen." "Naja, ich selber lauf ja nicht," entgegntete Megumi grinsend, "aber die meisten Läufer nehmen eine Route durch den Stadtpark." "Okay, dann mach ich mich gleich auf!" Reika stellte ihr Glas ab und wollte schon zu ihrem Zimmer laufen, als Megumi ihr nachrief. "Reika!" Diese drehte sich um. "Keine Sorge, ich kann mich wehren, das weißt du doch." Sie zwinkerte. "Und beim nächsten Mal kommst du mit, okay!" Megumi lachte. "Sieh zu, dass du loskommst!" "Okay, bis später!" Die Zeit war super für eine kleine Jogging-Runde. Da es schon dunkel war, waren ohnehin nur wenig Leute unterwegs; die Luft war frisch, aber nicht kalt, es war optimal. Reika hatte schon ein gutes Stück hinter sich gebracht. Sie merkte, dass sie doch ein bißchen außer Atem war, aber dann sollte man ja erst recht weitermachen. Sie kam zum Zentrum des Parks und sah eine Bank. Dieser Versuchung, eine Pause zu machen, konnte sie nun wirklich nicht widerstehen. Doch als sie schon fast dort war, schoss plötzlich etwas aus dem nahen Gebüsch hervor. Reika erschrak so sehr, dass sie sofort eine Verteidigungshaltung einnahm. Aber das war völlig unnötig, denn es war lediglich ein Golden Retriever, der sie sofort schwanzwedelnd beschnupperte. "Na, du hast mich jetzt aber erschreckt!", sagte Reika lächelnd und streichelte das brave Tier. "Bist du ganz alleine?" Die Frage klärte sich sofort, denn bevor Reika noch das rote Halsband entdeckte, rief eine männliche Stimme: "Keiko, komm her!" Lächelnd drehte Reika sich um und wollte schon mit einem Satz wie ,Einen hübschen Hund haben sie da.' beginnen, doch da erkannte sie die Gestalt, die aus dem Schatten trat und von dem Hund sofort stürmisch angesprungen wurde: Yamaki! Sie war jetzt völlig perplex, er hingegen zeigte weniger Überraschung: "Guten Abend! So spät noch unterwegs?" "Äh, ja.", antwortete Reika. "Eine kleine Jogging-Runde, man muss ja was für seinen Körper tun." Daraufhin lächelte er milde. Das machte sie nervös. "Ihr Hund?", fragte sie. "Ja, ihr Name ist Keiko." "Keiko heißt du." Reika wandte sich wieder der Hündin zu, um ihre Nervosität abzubauen. "Das ist ja ein wirklich schöner Name." Dann wandte sie sich wieder ihm zu. "Haben Sie sie schon lange?" "Jetzt knapp 4 Jahre.", antwortete er, während sie nebeneinander hergingen. "Ich habe sie als Welpe aus einem Heim geholt." Schon kam Keiko angelaufen und rieb ihren Kopf an Yamakis Bein. Liebevoll kraulte er sie hinterm Ohr. Reika sah dem mit einem Lächeln zu und nutzte die Gelegenheit und das Licht einer Laterne um ihn genau zu mustern. Er sah jetzt so anders aus. Er trug eine dunkelblaue Jeans, wahrscheinlich ein T-Shirt, dessen Aufdruck Reika nicht richtig erkennen konnte, Sportschuhe und eine schwarze Lederjacke. Wenn sie nicht genau wüsste, dass er es ist, hätte sie ihn nicht erkannt. Er hatte nichts mehr von dem abgekarteten Macho-Typ, den sie kennen gelernt hatte, er machte auf sie jetzt mehr den Eindruck eines jungen, etwas zurückhaltenden Mannes, mit dem man sich locker unterhalten konnte und der, genau wie sie, sein Haustier über alles liebte. Und sie musste sich auch eingestehen, dass sie ihn so, wie er jetzt war, auch nicht unattraktiv fand. Dann ergriff er wieder das Wort. "Haben Sie Ihren Einzug gut überstanden?" "Ja," erwiderte sie lächelnd, "es war zwar eine Menge Arbeit, aber es hat sich gelohnt! Das Zimmer ist wirklich wunderschön! Sie sollten es sich mal ansehen." Plötzlich bekam sie einen Schreck. Sie hatte ganz vergessen, dass sie hier mit ihrem Chef sprach und ihn eben gerade zu sich eingeladen hatte. Doch er schien das, für sie völlig unerwartet, locker zu nehmen. "Vielleicht ergibt sich irgendwann die Gelegenheit.", bemerkte er nur. Reika schluckte. Das hätte schon ins Auge gehen können. "Sie haben auch Haustiere?", fragte er plötzlich. "Ja.", antwortete sie verwundert. "Aber woher wissen Sie das?" "Ach, das habe ich aus Ihrer Reaktion auf Keiko geschlossen.", erklärte er. "Sie hatten keinerlei Angst, obwohl sie auch ein bissiger Streuner hätte sein können." "Ich habe zwei Katzen.", bemerkte Reika. "Und die sind manchmal kratzbürstiger als jeder Streuner." "Oh, da haben Sie sie," Yamaki deutete auf Keiko, "noch nicht in ihren besten Zeiten erlebt." Die beiden fingen an zu lachen und, als hätte sie es verstanden, kam Keiko von hinten angelaufen und stieß ihnen mit dem Kopf in die Kniekehlen. Instinktiv griffen sie nacheinander, um Halt zu finden. Einen Moment lang schien die Zeit still zu stehen. Sie hatte ihre Hand an seiner Schulter, er hatte nach ihrem Ellenbogen gefasst. Nun standen sie relativ eng beieinander und sahen sich an. Schließlich bückte sich Yamaki nach der Sonnenbrille, die ihm runtergefallen war, und sie ließen sich los. "Nun, äh, ich muss dann auch wieder zurück.", murmelte Reika etwas unsicher. "Okay, man sieht sich. Schönen Abend wünsch ich Ihnen noch.", meinte er und nickte ihr zu. "Danke, ich Ihnen auch." Dann drehte sie sich um und machte sich, zugegebenermaßen etwas verwirrt, auf den Heimweg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)