Scatters von abgemeldet (Tief im Innern) ================================================================================ Kapitel 17: Steine ------------------ Steine Ein weiterer Abend ohne meinen Engel. Allein muss ich mit der nutzlosen Zeit fertig werden. Ich beschließe, mein Zimmer aufzuräumen. In längst verstaubten Schubladen entdecke ich Steine. Nicht irgendwelche Steine. Bunte Steine. Farbig bemalt von mir und meiner Mutter. Wie viele Jahre müssen die jetzt schon dort verweilen? Mindestens acht oder neun… Die lächelnden Gesichter wecken schöne Erinnerungen. Von den Steinen geht eine enorme Energie aus. So schwer es mir auch fällt: Platz habe ich keinen mehr, für die wunderschönen Objekte… Doch wohin damit? Ich will sie auf keinen Fall wegwerfen. Dann kommt mir die Idee. Ich grabe einen alten Plastiksack hervor und lege alle Steine säuberlich hinein. Das Gewicht ist enorm, es bricht mir fast den Rücken. Und doch trage ich den Sack tapfer nach draußen. Mühselig wälze ich mich durch die Nachbarschaft. Und immer nach ungefähr zehn Metern bleibe ich stehen, um einen Stein auf eine Mauer zu legen. So gehe ich weiter, mit immer weniger Last, bis schließlich alle Steine einen neuen Platz gefunden haben. Ich drehe mich um und schlendere zurück. Ich schaue jeden der Steine, die ich so sorgfältig positioniert habe, noch einmal an. Es ist, als wären sie immer da gewesen. Als gehörten sie dahin. Als wäre es ihr Platz. Es scheint fast so, wie wenn sie sich eingelebt hätten. Nach so kurzer Zeit. Eine faszinierende Eigenschaft. Bis wir Menschen uns an Neues gewöhnt haben, kann es ewig dauern. Falls wir uns überhaupt irgendwann richtig daran gewöhnen… Den Steinen ist es egal, wo sie sind. Sie können überall existieren. Menschen nicht. Wir brauchen unser gewohntes Umfeld, unsere sozialen Kontakte, sonst werden wir einsam und verzweifelt. Die Steine sind ruhig. Man kann mit ihnen machen, was man will, es stört sie nicht. Die Steine brauchen keine Aufgabe, außer ihrer puren Existenz. Die Steine brauchen keinen Sinn für ihr Dasein. Die Menschen hingegen schon. Ständig sind wir auf der Suche nach dem Sinn. Irgendetwas, an das wir uns klammern können. Eine höhere Macht. Wir können einfach nicht mit der Leere leben, die die Steine tagtäglich so graziös bewältigen. Aber weil eigentlich bloß Leere existiert, stopfen wir unser Leben mit fiktiven Sorgen und Freuden voll. Der Stress, den wir dabei verursachen, ist enorm. Wir kommen niemals zur Ruhe. Nicht, bis wir im Grab liegen. Die Steine sind ruhig. Sie brauchen keine Gräber. Sie müssen nicht sterben. Steine sind nicht vergänglich. Steine sind ewig. Von Steinen könnten wir noch viel lernen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)