Nightdancer von Mihikoru (- Past Sequenzen -) ================================================================================ Prolog: Suzunas thoughts ------------------------ Ich war nicht die Intelligenteste. Ich war nicht die Sensibelste. Ich war nicht die Mutigste. Ich war noch nicht mal die Schönste. Trotzdem warst du schon immer an meiner Seite. Immer… Jeden Tag, seit unserer ersten Begegnung. Ich hatte tonnenweiße schlechter Eigenschaften und diese überwogen den Guten. Ich war aufbrausend, engstirnig, viel zu stolz und manches mal ungewöhnlich vergesslich. Doch immer warst du da. Um mich zu unterstützen, mir zu helfen, an meiner Seite und mir beizustehen. Um mich zu trösten, um mich zu schützen, um mich zurechtzuweisen. Du warst gleichsam großer Bruder und ein wertvoller Freund für mich. Doch vor allem, warst und bist du immer noch meine erste große Liebe. Auch, wenn ich vergesslich war und noch immer bin, diese wundervollen Erinnerungen mit dir könnte ich nie vergessen. Nein, manche Sachen kann man einfach nicht vergessen da sie sich wie eine fest verschlossene Kette um dein Herz gelegt haben. Wie ein markantes Zeichen, dass man nicht entfernen kann. Dein Charakter aus Geduld, Warmherzigkeit und einem großen Maß an Vertrauen hat sich seit jener Zeit tief in meine Seele eingebrannt. Denn du warst immer da. Und bestimmt wirst du auch immer da sein. Für immer… ********************************************************************************* So, das war erstmal der Prolog. Der erste Ausschnitt wird wohl in den nächsten zwei Tagen kommen, also freut euch schon mal darauf ^^ *euch wink* Mihikoru Kapitel 1: Spring of the age of 14 - love letter ------------------------------------------------ *reinspaziert komm* Herzlich Willkommen zu meiner ersten Story der Past Sequenzen! ^^ Die Idee dazu juckte mir schon lange in den Fingern und da mich diese nicht loslassen wollte und die letzten Wochen immer deutlicher angesprungen hat, habe ich mir gedacht, dass ich diese kleinen One-Shots als extra Story einfach hier anlege. Wobei, klein wahrscheinlich falsch ausgedrückt ist, denn die Idee meiner ersten Story hat mich gleich so überrannt, dass daraus sage und schreibe 12 ganze Word-Seiten geworden sind was in meiner derzeitigen Schreibflaute wirklich ein Meilenstein ist! Ich hoffe natürlich, auf fleißige Review meiner Stammleser von Nightdancer aber auch allen Anderen die sich hierher verirren wünsche ich viel Spaß und hoffe, dass euch dieser kleinen Einblick in Kyusukes und Suzunas Vergangenheit gefällt. Es wird der erste von vielen sein, dass verspreche ich euch! *eine runde kekse an alle verteil* Liebe Grüße, Mihikoru Story 1: Spring of the age of 14 - love letter Es war ein lauwarmer Frühlingstag und die Glocken, die von der Rathausuhr im Stadtzentrum zu uns hallten waren so laut, dass die Akustik durch das offene Fenster des Raumes drangen. Genervt strich ich mir eine Strähne hinters Ohr, die im fünf Sekunden Takt dauernd wieder vor meine Sicht fiel. Mit einem leisen Seufzen hämmerte ich weiter auf die Tastatur ein und brach dann in einen beinahe hysterischen Jubelschrei aus als ich den letzten Eintrag gesetzt hatte. „Hurra! Endlich fertig!“ Meiko - die am Schreibtisch gegenüber saß - nahm meine Euphorie nur nebensächlich hin. „Schön…“ Murmelte die Brünette während sie ihre Augen weiter auf den flimmernden Bildschirm vor sich hielt und die Maus zum scrollen benutzte. Ich warf meiner Schulkameradin einen empörten Blick zu, doch ehe ich etwas sagen konnte trat Sonoko durch die Tür. „Seit ihr endlich fertig, Mädels? Die Ausgabe muss morgen früh in den Druck.“ Das schwarzhaarige junge Mädchen - ebenfalls aus unserer Klasse - warf uns einen mahnenden Blick zu, den jedoch nur ich auffing. „Ich habe meinen Artikel gerade zu Ende gebracht.“ Unübersehbar stolz deutete ich auf meinen Bildschirm der das volle Textdokument noch anzeigte. Ich hasste Sportreportagen, umso erstaunlicher war es, dass ich immer wieder einen ganz brauchbaren Artikel hinbekam. „Sehr schön.“ Sonoko lächelte erleichtert ehe sie sich Meiko zuwandte. „Was ist mit dir?“ „Gleich.“ War das einzige Wort, was von unserer Freundin kam sodass ich mich in meinem Stuhl etwas zurücklehnte. Entspannt schloss ich einige Sekunden die Augen und ließ mir die angenehme Brise um die Nase wehen, die durch das geöffnete Fenster direkt auf mich zukam. Ach! Der Frühling im unseren Land war doch einfach herrlich! Da hatte man richtig Lust nach dem eigentlichen Unterricht noch seine ausgewählten AG’s zu besuchen. Ganz anders als im feuchtdunklen trüben Winter. Im Stillen beglückwünschte ich mich dazu mich, außer meiner Entscheidung Aikido zu belegen, auch in die hiesige Schülerzeitung eingetragen zu haben. Das schreiben machte mir enormen Spaß auch, wenn ich mir die Rubriken oftmals nicht aussuchen konnte. Ich war der Springer für Ausfälle oder auftretenden Krankheiten, denn normalerweise war ich für die Fotos zuständig die in keiner ansprechenden Schülerzeitung fehlen sollten. „Meiko! Wird das heute noch was?“ Durchbrach die leicht ungeduldige Stimme von Sonoko meine Gedanken sodass auch Meiko einen leicht wütenden Laut von sich gab. „Hetz mich nicht so! Gut Ding will Weil haben, okay?“ Ich schmunzelte erheitert. Normalerweise war Meiko immer ausgeglichen und die wahre Ruhe in Person. Sie war der ruhige Pol in unserer Klasse und Streitereien konnte sie schlichten wie keine Andere. Jedoch war sie nicht gut darauf zu sprechen, wenn man sie ihre Artikel nicht in Ruhe beenden ließ. Dann wurde sie zu einer wahren Furie, was ein ums andere mal wirklich mehr süß als bedrohlich aussah. „Was hast du denn für ein Problem?“ Erkundigte sich nun Sonoko und beugte sich über ihre Schulter um einen Blick auf den Bildschirm zu werfen. „Ich kann mich nicht entscheiden, welches Foto wir von Katsuya auf die Titelseite für unsere nächste Ausgabe morgen bringen.“ Auf ihre Antwort blinzelte ich etwas erstaunt auf und erhob mich nun ebenfalls von meinem Platz. „Aber wir hatten Hinagawa doch erst im letzten Monat aus Aufmacher, oder etwa nicht? Hast du das etwa vergessen?“ „Suzuna hat leider Recht, Meiko. Es ist sogar fast dasselbe Foto.“ Auch Sonoko warf kritisch die Stirn in Falten während sie auf den Schnappschuss unseres Fußballchamps sah. Katsuya Hinagawa, Kapitän der hiesigen Fußballmannschaft und der Schwarm von über 80% der Mädchen, war nicht nur für seine sportliche Fitness und Hingabe beliebt, sondern auch für seinen netten und fürsorglichen Charakter. „Ach, was soll‘s! Der Kerl ist aber auch zum fressen niedlich!“ Schwärmte nun die Schwarzhaarige mit einem male sodass auch Meiko mehrfach begeistert nickte. „Mehr als niedlich - er ist einfach megacool! Habt ihr denn mal seinen süßen knackigen Hintern so richtig unter die Lupe genommen?“ „Also, Meiko! Seit wann hast du denn so schmutzige Gedanken?“ Foppte Sonoko nun sie sodass beide kichernd aufprusteten. Etwas verärgert runzelte ich die Stirn. „Hey! Was interessiert euch denn sein Knackarsch…“ Auch, wenn ich zugeben musste, dass er ziemlich toll war. „… es geht doch im Prinzip nur darum ob wir ihn wieder auf dem Titelblatt bringen können. Also, ich finde nicht und was meint ihr?“ „Ich verstehe nicht, warum du so dagegen bist. Wir bringen die Zeitung doch schließlich raus also können wir den Aufmacher aussuchen und wenn wir wollen, können wir Katsuya hundertmal nehmen!“ Widersprach mir nun Meiko sodass ich erbost einige Fotos meiner letzten Entwicklung vom Schreibtisch nahm und damit herumwedelte. „Warum muss es denn immer ein Kerl sein?! Was ist mit der Spendengala vor zwei Wochen und den Schulbasar vor 5 Tagen? Warum können wir nicht das auf die Titelseite bringen??“ „Wenn ein schnuckeliger Kerl gleich auf der ersten Seite zu sehen ist, verkaufen wir mehr und unsere Ausgaben haben sich auch gelohnt.“ Erklärte nun Sonoko trocken sodass ich mich fragte, wo die Pressefreiheit unseres Landes geblieben war. „Wenn unsere Auflagen nur steigen, weil wir Katsuyas Babyface immer auf erste Seite bringen, können wir die AG auch gleich sperren!“ „Nun reg dich nicht so auf, Suzuna.“ Winkte nun Sonoko beschwichtigend ab und fischte mit präziser Genauigkeit ein Foto aus dem Stapel in meiner Hand. „Vielleicht geht es ja gar nicht um die Jungs, sondern um Katsuya da du willst, dass ein anderer Kerl unsere erste Seite schmücken soll…?“ Verdattert stutzte ich. „Was willst du damit sagen?“ „Na ja… jetzt wird mir allerdings klar, wie du das Titelblatt lieber gestalten würdest.“ Mit einem breiten Grinsen sah die Schwarzhaarige auf das Foto, das sie sich eben gerade von mir genommen hatte und zeigte es mit einem beinahe verruchten Grinsen auch Meiko. Mein Blick war vollkommen ahnungslos. Mein Name ist Hase und ich wusste von nichts! - Ich wusste ja noch nicht mal, welches geknipste Foto sie aus dem Stapel gezogen hatte. „Ich glaubs nicht!“ Meiko sprang wie von der Tarantel gestochen auf, als sie die Fotografie sah und rang beinahe entsetzt nach Luft. „D-Das ist Kyusuke!“ „W-WIE?“ Auch mir fuhr ein eisiger Schock durch alle Glieder und ich spürte zu meinem Verdruss wie ich leicht errötete. „Sieh mal einer an. Du stehst auf Fuma?“ Sonokos Grinsen war mehr als böse und in mir kam leichte Panik hoch. Abwährend hob ich die Hände. „So ein Quatsch! Das habt ihr in den falschen Hals gekriegt!!“ Mit einer hastigen Bewegung schnappte ich mir das Bild zurück und betrachtete es nun mit klopfenden Herzen. Es zeigte meinen Kumpel beim Endkampf des Turniers unserer Kendo-Mannschaft der letztes Wochenende statt gefunden hatte. Ach ja, jetzt erinnerte mich auch wieder. Matyiko hatte mich gegeben, ein paar Fotos für ihr Familienalbum zu machen. Es waren einige schöne Aufnahmen geworden, besonders wo Kyusukes Mannschaft den Siegerpokal in den Händen gehalten hatte. Beim aussortieren der Schnappschüsse, hatte ich wohl dieses eine vergessen. Uh! Wie peinlich!! „Den kennt doch sowieso keiner.“ Haspelte ich nun schnell und ließ die Fotografie wieder zwischen den anderen Bildern verschwinden. Meiko lächelte mich viel sagend an. „Das würde ich nicht sagen. Kyusuke ist seit seinem Eintritt in der Kendo-Mannschaft immer mehr ins Gespräch gekommen.“ Sonoko nickte zustimmend. „Ja, unser Klassenprimus hat sich ganz schön gemacht. Er ist innerhalb von einem Jahr zum Kapitän ernannt worden und bis jetzt haben wir jedes Turnier gegen jede Mittelstufe im Umkreis von 3 Bezirken gewonnen.“ „Außerdem, sieht er schon schnuckelig aus.“ Auf Meikos Kommentar konnte ich nichts anderes tun als abermals die Stirn zu runzeln. „Wir nehmen Kyusuke auf keinen Fall als Aufmacher!“ „Und warum nicht?“ Meiko sah mich scheinheilig an und auch Sonokos Grinsen wurde tiefer. „Willst deinen herzallerliebsten Kumpel wohl mit niemand teilen?“ „Darum geht es doch gar nicht!“ Wetterte ich nun los. „Außerdem - falls es euch interessiert - dieses Bild war für seine Mutter für das Fotoalbum.“ „Deine vehemente Abneigung kommt sehr unecht rüber.“ Bemerkte nun Sonoko trocken während auch Meiko mich weiter bearbeitete:„ Gib doch zu, dass du Kyusuke toll findest.“ „N-Nein!“ Regte ich mich nun mit noch mehr geröteten Wangen auf. „Ich habe ihn nur fotografiert, weil mich seine Mutter darum gebeten hat und das Bild habe ich dann versehendlich mit den anderen für die Zeitung einsortiert. - Es ist mir egal… seht ihr? Ab in den Müll damit!“ Mit diesen Worten fischte ich den Schnappschuss von Kyusuke aus dem Stapel und warf diesen in den Papierkorb. „Ich kann Kyusuke nicht leiden. Er geht mir auf die Nerven, er ist total ätzend.“ Versuchte ich meine beiden Klassenkameradinnen nun zu überzeugen doch diese sahen mich nur höchst zweifelnd an. Was ja auch kein Wunder war. Immerhin hangen ich und mein Kumpel jede freie Minute zusammen - und nicht nur in der Schule. Aber ich wollte nicht, dass Meiko und Sonoko oder irgendein anderer, dass in den falschen Hals bekamen. Kyusuke und ich… das war nichts. Wir waren doch nur Freunde! Ein Wink des Himmels schickte mir in diesem Moment eine unangemeldete Besucherin, die etwas verschüchtert in unsere Redaktion trat. „Hallo.“ Shizuka Miru - eine Schülerin aus unserer Parallelklasse - sah uns alle drei mehr als verängstigt an. „Oh… Hallo Shizuka.“ Begrüßte ich sie lächelnd.„ Was gibt’s denn?“ Das ruhige Mädchen, die mir ab und an vor schwierigen Tests in Mathe half, bat um eine Unterredung unter vier Augen. So standen wir wenige Zeit später alleine unten im Hof, direkt vor der Turnhalle die uns einen guten Sichtschutz bot. Shizuka streckte mir - wortlos und etwas zögerlich - einen Brief entgegen dessen Umschlag blassrosa war. Ratlos sah ich sie an. „Was ist das?“ „K-Könntest du diesen Brief vielleicht jemandem geben? Ich bin einfach zu schüchtern und da dachte ich, du könntest das für mich übernehmen.“ Murmelte das brünette Mädchen nun sodass ich einige Sekunden zwischen ihrem roten Gesicht und dem Umschlag hin und her sah, bevor ich die Augen aufriss. „Sag mal… Soll das etwa ein Liebesbrief sein?“ Ein scheuer Blick kam als Antwort gefolgt von einem mehr als kleinen Nicken. „Wow! Ich glaube ich spinne! Wer ist es denn?“ Begeistert sah ich Shizuka an. Ja, ich gab zu: Ich war neugierig aber das konnte man auch sein, wenn man davon absah, dass außer dem normalen Unterricht und den AG‘s auf dieser Schule nicht gerade viel los war. „Los! Spuck‘s aus! Sag mir wer es ist, Shizuka! Es wird doch wohl Jemand sein, den ich kenne, oder?“ Plapperte ich nun aufgeregt und gab ihr somit gar keine Gelegenheit zu antworten. „Es wird doch hoffentlich keiner, von den Gruftis aus der Oberstufe sein, hm? Lass mich nachdenken, es wird mir schon einfallen… sag‘s nicht, ich komm schon drauf. - Der vielleicht…? Nein… Der andere sieht auch zu blöde aus…“ Ging ich nun in Gedanken alle Kandidaten durch, die mir für das liebe und hilfsbereite Mädchen in den Sinn kamen. „Es ist Kyusuke.“ Auf Shizukas Wisperung riss ich abermals die Augen auf. „Bitte?!“ „Es ist Kyusuke Fuma.“ Wiederholte sie nun sodass mir wahrlich alle Gesichtskonturen entglitten. „Aha… es ist Kyusuke…“ Murmelte ich nun eher tonlos als schockiert doch Shizuka störte sich nicht daran. Abermals hielt sie mir den Brief entgegen. „Gibst du ihm den Brief, bitte? Ohne deine Hilfe weiß ich nicht weiter.“ „Aber ich…“ „Ihr seit doch schon so lange gute Freunde. Ich sehe euch immer zusammen. Natürlich weiß ich das da nichts läuft.“ „Ja schon…“ „Du kannst so locker mit ihm umgehen. Und wenn du ihm den Brief gibst, wird er vielleicht nicht sauer deswegen.“ Ein dumpfes Gefühl setzte sich in meinem Magen breit, doch ich konnte es nicht entschlüsseln. Eben gerade war ich noch so begeistert über dieses Liebesbrief gewesen doch jetzt war mir unwillkürlich schlecht geworden. Warum bloß? Und warum konnte ich mich nicht mehr für Shizuka freuen wie vor wenigen Sekunden?? „Na ja… okay.“ Stimmte ich nun zaghaft zu, sodass sie mich freudig umarmte. „Du gibst ihn wirklich weiter? Das finde ich super… Vielen Dank!“ „Oh nein. Ist schon gut, ist schon gut! Du hilfst mir ja auch immer kurz vor den Mathearbeiten, wenn ich dich brauche.“ Gab ich nun mit abwährenden Handbewegungen zurück sodass sie mich etwas wehmütig ansah. „Weißt du… Weißt du? Ich kann es ihm einfach nicht ins Gesicht sagen, denn er hat mich noch kein einigstes Mal angekuckt. Aber wenn er den Brief erstmal gelesen hat weiß er, dass es mich gibt und muss mich beachten. Vielleicht bin ich sogar sein Typ, dass kann man ja vorher nie wissen. Vielleicht steht er auf mich und wir gehen zusammen. Stell dir doch bloß mal vor wie unheimlich toll das wäre.“ Steigerte sie sich nun vollauf in ihre Träumereien bevor sie mich noch einmal überschwänglich umarmte. „Ich finde das total lieb von dir!“ Mit einem letzten Winken verabschiedete sie sich von mir und spurtete mit beschwingten Schritten zurück ins Hauptgebäude. „Machs gut, Shizuka…“ Etwas überfahren sah ich ihr nach bevor ich auf den blassrosa Umschlag in meinen Händen sah. Warum hatte ich auf einmal das Gefühl, dass der Brief unheimlich eklig kitschig aussah? „Das verstehe ich einfach nicht.“ Murmelte ich nun etwas verärgert und zu mir selbst. „Seit wann, ist Kyusuke denn der neu entdeckte Frauenschwarm, hm? Seit wann ist denn ein einziges Mädchen so dämlich und baggert diesen Blödmann an?!“ „Ob du das nicht bereuen wirst?“ „Das ist bestimmt keine gute Idee.“ Durchbrachen plötzlich die weiblichen Stimmen zweier bekannten Personen die Luft und ich sprang vor Schreck einen halben Meter zurück als Meiko und Sonoko direkt hinter mir auftauchten. „W-Wie lange lauscht ihr beiden denn schon?“ Wollte ich nun aufgebracht wissen, doch darauf gingen meine beiden Schulfreundinnen nicht ein. „Wir finden es falsch, dass du den Liebesboten spielst.“ Meiko sah mich ungewohnt ernst an und auch Sonoko nickte zustimmend. „Ausgerechnet du, Suzuna. Es ist nicht gut für dich und deine Verfassung, wenn du ihm den Brief gibst.“ „Wovon redet ihr eigentlich?“ „Na, schließlich geht es hier um einen Liebesbrief für Kyusuke.“ „Ja und?“ Schnappte ich nun auf Meikos Erklärung auf. „Das dürfte dir doch bestimmt nicht leicht fallen und schon gar nicht gleichgültig sein, Suzuna.“ Sonoko sah mich beinahe so sorgenvoll an, dass man denken könnte ich würde jede Sekunde ohnmächtig umkippen. „Was redet ihr denn für einen Blödsinn? Kyusuke geht mir total am Arsch vorbei! Der Typ nervt mich wirklich und ich kann ihn absolut nicht ausstehen, klar?! Er ärgert mich, sobald ich nur 10 Meter zu nah an ihn rangehe… außerdem nennt er mich immer noch „Suzu“.“ Das ärgerte mich am meisten an meinem Kumpel. In der Schule oder der Öffentlichkeit hatten unsere Spitznamen nichts verloren aber dieser Sturschädel hielt sich nicht daran. „Hast du nicht das Sprichwort vergessen ,Was sich liebt, dass neckt sich?‘. Das kennst du doch bestimmt euch.“ Stichelte nun auch Meiko sodass ich entnervt durch die Nase schnaubte. „Ach, das hat mit mir und Kyusuke aber nichts zu tun und das werde ich euch auch beweisen!“ „Ach ja? Und wie?“ Sonoko sah mich prüfend an sodass ich nun polterte: „Na wie schon! Ich werde Kyusuke diesen dämlichen Liebesbrief geben und es wird mir überhaupt nichts ausmachen und er und Shizuka können in Frieden glücklich werden, jawohl!!“ Mit diesen Worten drehte ich mich auf den Absatz um und stampfte zurück gen Hauptgebäude während meine beiden Freundinnen mir kritisch nachsahen. „Ich glaub ihr kein Wort.“ Murrte nun Sonoko und auch Meiko nickte mit besorgtem Blick. „Das gibt Ärger…“ Ich hatte keinen blassen Schimmer warum Meiko und Sonoko wegen diesem banalen Brief so ein riesiges Theater machten. Es war immerhin nur Kyusuke… und wenn schon! Dann bekam dieser Trottel eben den ersten Liebesbrief seines Lebens und dann war Shizuka eben in ihn verknallt! UND WENN SCHON! Das war mir doch egal. Ich hatte nur den Auftrag, den Brief zu übergeben und alles weitere ging mich gar nichts an… und es interessierte mich auch nicht! Fest entschlossen, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen wartete ich am späten Nachmittag am Tor unserer Schule auf die letzten Heimkehrer. Kyusukes Kendo-Training zog sich seit Anfang seiner Kapitän-Karriere in die Länge und so hatte ich es mir angewöhnt schon alleine den Heimweg zu bestreiten… bis heute. „Was treibt er denn solange?“ Etwas verdrießlich sah ich auf meine Uhr und dann wieder auf diesen unsäglichen Brief den ich noch immer nicht aus der Hand gelegt hatte. Warum stand Shizuka ausgerechnet auf Kyusuke? Was war an diesem Kerl schon besonderes?! „Hey, Suzu!“ Durchbrach in diesem Moment der Ruf meines Kumpels die Stille sodass ich abrupt aufsah. Kyusuke kam - in einer Hand seine Schulmappe und um seine rechte Schulter den Sportbeutel - auf mich zu. „Was ist los? Warum bist du noch nicht nach hause gegangen? Wartest du etwa auf mich?“ „Bild dir nichts ein!“ Schoss ich ihm gleich gereizt entgegen sodass er verwirrt blinzelte und mich aus seinen grünen Augen unverständlich ansah. „Und was machst du hier, wenn du nicht auf mich wartest?“ Ertappt zuckte ich zusammen und meine Wangen wurden abermals rot. Wie ich das hasste! „Du gehst mir heute voll auf den Keks!“ „Aber… wir hatten doch heute nur 4 Stunden zusammen…?“ Kyusuke legte verwundert den Kopf etwas seitlich. „Darum geht es doch gar nicht!“ Schnaubte ich nun wütend und versuchte mich wieder zu fangen. Hastig beruhigte ich mich wieder, da es ja hier im eigentlichen Sinne um den Brief von Shizuka ging. „Ich habe nur darum auf dich gewartet, weil ich dir das hier geben wollte, du Blödmann!“ „Sehr freundlich.“ Murrte er nun angesäuert zurück während er den Brief annahm und diesen einige Sekunden wortlos betrachtete. „Ist das ein Liebesbrief?“ „Ganz genau.“ Wortkarg sah ich ihn an. - Der sollte sich bloß nichts drauf einbilden! Ein verwundertes, wenn auch zugleich freudiges Lächeln bahnte sich auf seine Lippen. „Bist du deswegen so gereizt, da er von dir ist? Hast du ihn geschrieben?“ „Ächz!“ Entwich es mir ganz automatisch und alle Sicherungen brannten durch. WAS BILDETE ER SICH EIN?! „Jetzt drehst du wohl durch! Ich würde mich eher umbringen, als einem Blödmann wie dir einen Liebesbrief zu schreiben! - Der ist von Shizuka, aus der Parallelklasse. Du weißt schon, sie hilft mir ab und an in Mathe.“ „Von Shizuka…?“ Kyusukes leicht freudige Miene legte sich und wurde wieder ernst. Beinahe wie hypnotisiert sah er den Brief in seiner Hand an. Warum sagte er denn nichts?! Und warum machte mich das Ganze hier nur noch wütender? Warum hatte ich das unergründliche Jucken in meiner Kehle ihn anzuschreien?? „Shizuka ist eines der intelligentsten Mädchen in unserem Jahrgang und normalerweise vollkommen okay aber offenbar muss sie dringend zum Augenarzt!“ Kyusukes Stirn warf sich in Falten und er funkelte mich ebenfalls verärgert an. „Was soll denn dieser dumme Spruch jetzt?“ „Na, denk doch nur einmal nach falls dir das gelingt!“ „Nun halt aber mal die Klappe du zu kurz geratener Stöpsel!“ „Zu kurz geratener Stöpsel?“ Echote ich aufgebracht, bevor ich brüllend nachlegte:„ Du blöder Eierkopf!“ „Du zu kurz geratener Stöpsel…“ „Was fällt dir eigentlich ein…?“ „… du gehst mir gerade mal bis zur Brust…“ „Du kannst mich mal kreuzweise…!“ „… und führst dich hier auf, als wärst du 3 Meter groß!“ Aufgebracht griff ich meine Schultasche vom Boden auf und wandte mich ab. „Also, ich gehe jetzt… ich hab nämlich die Faxen dicke!“ Eher stampfend als gehend schritt ich durch das Tor und hinaus die die Straße. „Was ist eigentlich dein Problem?!“ Schrie mein Kumpel mir erbost nach sodass ich zurückpfefferte: „Du bist das Problem!!“ Ja, genau… Er! Ganz allein er war das Problem. - Warum auch immer… Ich hatte also meinem Ärger Luft gemacht, obwohl ich noch immer nicht verstand woher dieser gekommen war. Dafür jedoch setzte sich gleich darauf eine andere Emotion in meinem Bauch an: Schuldgefühl! Eine ziemliche heftige Art von Schuldgefühl und dieses wollte einfach nicht weichen. Ich hatte keinen Hunger - was untypisch für mich war - und keine Lust meine Schularbeiten zu machen - was nicht untypisch für mich war - so lag ich Nichts tuend und lustlos auf meinem Bett und starrte gen Decke. Es war schon Abend geworden und hinter dem verglasten Fenster meines Raumes war dämmrige Dunkelheit eingebrochen. Morgen würde wieder Schule sein… und ich würde Kyusuke wieder sehen. Verdammt! Warum hatte ich mich so gemein mit ihm zerstritten? Warum hatte ich diesen Eklat vom Zaun gebrochen? Selbstverständlicherweise, hatte er meine unbegründeten Beleidigungen nicht auf sich sitzen lassen und war ebenfalls wütend geworden. Dies konnte ich ihm schlecht verübeln. Aufseufzend drehte ich mich auf die Seite und zog die Arme und Beine an meinen Körper. Das tat ich immer, wenn ich mich unwohl fühlte und mich am liebsten in einem Mauseloch verkriechen wollte. Stumm und grübelnd hing ich meinen Gedanken nach und merkte eher am Rande, wie es zaghaft an meine Zimmertür pochte und Eri den Kopf hineinsteckte. „Willst du nichts essen?“ Auf ihre behutsame Frage schüttelte ich stumm den Kopf, sah sie dabei nicht an sondern in eine Ecke meines Zimmers. Ich hatte irgendwie geahnt, dass meine Adoptivmutter nach oben kommen würde. Sie wusste, dass es untypisch für mich war nicht zum Abendbrot zu erscheinen auch, wenn ich vorher angekündigt hatte keinen Hunger zu haben. „Ist dir schlecht?“ „Keinen Hunger.“ Auf ihre Nachhackung und die kurze Erklärung meinerseits herrschte einige Zeit Stille zwischen uns bevor es dann nun doch aus mir heraus brach: „Ich habe mir heute was total Dummes geleistet!“ „So?“ Eri trat nun in mein Zimmer, schloss die Tür hinter sich und ließ sich auf die Bettkante sinken. „Und was war das für eine Dummheit?“ Aufseufzend setzte ich mich mithilfe meiner Ellenbogen auf und begann stockend zu erzählen: „Heute kam Shizuka zu mir, sie hat mich gebeten einen Liebesbrief an Jemanden zu übergeben. Sie ist zu schüchtern dazu und brauchte meine Hilfe.“ „Das ist doch schön für Shizuka, dass sie Jemanden gerne hat.“ „Ja, schon…! Aber es Kyusuke!“ „Oh…“ „Ja und ich… Ich weiß nicht was in mich gefahren ist. So kenne ich mich nicht. Wir necken uns gegenseitig aber ich habe ihn noch nie grundlos angeschrieen. Dieser doofe Brief! Alles ist aus dem Ruder gelaufen und ich habe ihn beleidigt. Das hat er sich natürlich nicht gefallen lassen… jetzt hasst er mich!“ „Er hasst dich bestimmt nicht, Suzuna.“ Eri strich mir auf meine aufgebrachte Erklärung beruhigend durchs Haar. „Er ist bestimmt auch nur etwas durch den Wind und verwundert auf deine heftige Reaktion.“ „Aber nicht so verwundert wie ich es war. Was ist denn nur mit mir los?“ Aus flehendlichen Augen sah ich meine Adoptivmutter an. Ich wusste nicht, was das heute nach der Schule sollte? Warum war ich nur so ausgerastet? So kannte ich mich gar nicht, dass war ich doch nicht! „Du warst wahrscheinlich eifersüchtig.“ Bemerkte sie nun ruhig sodass ich verlegen stutzte. „Eifer… nein!“ „Kyusuke ist dein bester Freund seit Kindertagen und du hattest Angst ihn zu verlieren. Das ist ganz normal.“ „Meinst du?“ „Sicherlich. - Wenn der Brief von Shizuka nicht an Kyusuke gegangen wäre, sondern an einen anderen Jungen in deinem Jahrgang was hättest du dann gemacht?“ „Was ich gemacht hätte? Na was wohl: Ich hätte ihm den Brief gegeben.“ „Wärst du sauer gewesen?“ „Nein.“ „Unruhig?“ „Nein.“ „Nervös.“ „Nein! Wieso auch? Es wäre nur irgendein Schulkamerad gewesen.“ Eri nickte wissend. „Du sagst es aber Kyusuke ist eben nicht nur irgendein Schulkamerad sondern dein bester Kumpel. Du warst eifersüchtig, meine Kleine… und wenn man eifersüchtig ist, hat man Angst und ist grundlos wütend.“ Schwer schluckte ich und drückte mich instinktiv gegen ihre warme Hand die mich noch immer streichelte. Eri hatte Recht auch, wenn ich es nicht gerne zugab. Es war Eifersucht gewesen. Eifersucht. „Sieh mal einer an. Du stehst auf Fuma?“ „Kyusuke ist seit seinem Eintritt in der Kendo-Mannschaft immer mehr ins Gespräch gekommen.“ „Willst deinen herzallerliebsten Kumpel wohl mit niemanden teilen?“ „ Gib doch zu, dass du Kyusuke toll findest.“ „Deine vehemente Abneigung kommt sehr unecht rüber.“ „Du kannst so locker mit ihm umgehen. Und wenn du ihm den Brief gibst, wird er vielleicht nicht sauer deswegen.“ „Ich kann es ihm einfach nicht ins Gesicht sagen, denn er hat mich noch kein einigstes Mal angekuckt. Aber wenn er den Brief erstmal gelesen hat weiß er, dass es mich gibt und muss mich beachten. „Es ist Kyusuke Fuma.“ „Das dürfte dir doch bestimmt nicht leicht fallen und schon gar nicht gleichgültig sein, Suzuna.“ „Hast du nicht das Sprichwort vergessen ,Was sich liebt, dass neckt sich?‘.“ „Na, schließlich geht es hier um einen Liebesbrief für Kyusuke.“ Geisterten mir die Worte meiner drei Freundinnen im Kopf rum sodass ich mir stöhnend an die Stirn griff und mich zurück auf die Matratze fallen ließ. „Oh Gott! Was hab ich da bloß angerichtet!“ „Beruhige dich wieder. So schlimm ist das ganze nun auch nicht.“ Eri war wie immer die Liebenswürdigkeit in Person. Sie schenkte mir ein aufbauendes Lächeln und ihre Hand streichelte nun federleicht über meine Stirn. „Vorrangig musst du dich natürlich bei Kyusuke entschuldigen. Du kannst ihm ja irgendeine plausible Lüge auftischen weswegen du so außer dir warst. Danach solltest du erst einmal abwarten wie er auf den Liebesbrief von Shizuka reagiert, danach kannst du dich immer noch entscheiden.“ Ich blinzelte sie erstaunt an, da ich nicht so Recht wusste wovon sie sprach. „Entscheiden? Warum entscheiden?“ Eri sah mich einige Sekunden ebenso verblüfft an bevor sie kurz jedoch ausgelassen kicherte. „Schon gut.“ Abwinkend stand sie auf und bedachte mich mit einer Mimik so als ob sie etwas von mir wüsste, was ich nicht einmal wusste. Das gefiel mir nicht, ganz und gar nicht doch ehe ich dazu etwas sagen konnte übernahm sie wieder das Wort: „So, und jetzt isst du erstmal etwas. Mädchen in deinem Alter müssen noch wachsen und brauchen regelmäßige Mahlzeiten… Hopp!“ Obwohl ich keine Lust hatte mein Zimmer zu verlassen und noch weniger Hunger fügte ich mich still und stand vom Bett auf um sie hinunter in die Küche zu begleiten. Ihr zu liebe würde ich schon eine kleine Portion verdrücken können… Am nächsten Morgen trottete ich eher - als das ich lief - den Weg zur Schule und bemerkte mit schweren Herzens das mir kein Kyusuke entgegen kam oder nach mir rief um mich einzuholen. Bestimmt war er noch immer - berechtigterweise angefressen - und schon längst in der Schule angekommen. Das machte mich traurig aber ich hatte keinen Grund zu jammern, da ich diese Situation hervorgerufen hatte. Fest nahm ich mir, mich bei ihm zu entschuldigen - Irgendeinen anderen Grund wegen meiner schlechten Laune würde ich schon finden. Mit einem frohgemuten Lächeln da ich hoffte, es würde sich alles zum Guten wenden ging ich durch das Tor unserer Schule und über den Hof wo mir schon eine bekannte Gestalt vom Hauptgebäude aus entgegenspurtete. „Suzuna…! Guten Morgen Suzuna!“ Es war Shizuka die mit unübersehbar strahlender Miene auf mich zu rannte. Am liebsten wäre ich umgedreht und hätte die Beine in die Hand genommen, doch das war unfair gegenüber der netten Brünetten. Ich mochte sie im Prinzip jedoch konnte ich heute Morgen ihren Anblick nicht ertragen. Am liebsten hätte ich ihr die Augen ausgekratzt! „ Oh, vielen tausend Dank Suzuna!“ Sprach sie nun aufgekratzt und hielt etwas keuchend direkt vor mir an sodass ich hastig abwinkte. „Schon gut. Hab ich gerne gemacht.“ Erwiderte ich etwas lasch doch Shizuka überhörte wohl meine Tonlage oder wollte sie nicht hören. „Oh doch, ich bin dir sehr dankbar! Du hast mir nämlich sehr geholfen: Kyusuke hat mir gleich heute Morgen seinen Antwortbrief gegeben und das habe ich nur dir zu verdanken.“ „Was?!“ Mein Kumpel hatte also tatsächlich zurück geschrieben… Jetzt schon?! Aber es war doch kein ein halber Tag vergangen seit dem ich ihm den Brief übergeben hatte. So überstürzt handelte er doch normalerweise gar nicht. Geknickt ließ ich etwas den Kopf hängen. Ob Kyusuke so sauer gewesen war, dass er Shizukas Botschaft angenommen hatte? Bestimmt! Weswegen würde meine Freundin sonst wie eine zweite Sonne vor mir stehen und wie verrückt strahlen? „Vergiss es. Das habe ich wirklich gerne für dich gemacht. Hauptsache du bist glücklich.“ Sprach ich nun etwas dumpf, versuchte jedoch aufrichtig zu lächeln. Wenn Shizuka mit Kyusuke glücklich würde und auch anders herum, dann gönnte ich den beiden ihr Glück. Das hieß ja nicht, dass Kyusuke und ich keine Freude mehr sein würden, oder? „Möchtest du seinen Brief mal sehen?“ Erkundigte sich nun Shizuka mit unschuldiger Miene sodass ich Mühe hatte nicht aufzuschreien. Ich hätte kotzen können! Außerdem konnte ich mir denken, was er geschrieben hatte. So was wie: Du bist die große Liebe meines Lebens und ich bin so glücklich, dass du mir geschrieben hast. Ich hätte mich nie getraut dir meine Liebe zu gestehen! Mit sehr viel Mühe verkniff ich eine angeekelte Grimasse. „Ja, warum nicht?“ - Her mit dem Quatsch!, dachte ich brodelnd. Shizuka entfaltete, immer noch breit grinsend, das Antwortschreiben und hielt es mir gut lesbar vor die Nase. „A-Aber…“ Verwundert stutzte ich und war in den ersten Sekunden unfähig zu reagieren oder einen klaren Gedanken zu fassen. Ich konnte es einfach nicht fassen was in diesem Brief stand! Im Augenblick ist Kendo meine einzige Leidenschaft. Trotzdem danke für dein Vertrauen. Kyusuke „K-Kendo ist meine einzige Leidenschaft?!“ Echote ich dümmlich und glaubte, nicht richtig gelesen zu haben. Doch es stand da: Schwarz auf weiß. Shizuka lächelte mich glückselig an. „Weißt du… Ich finde ihn spitze. Er gefällt mir von Tag zu Tag besser.“ Herzlich drückte sie mich noch einmal. „Noch mal Danke Suzuna.“ Mit immer noch großen Augen sah ich ihr nach, als sie wieder im Hauptgebäude verschwand um wohl in ihre Klasse zu gehen. Noch immer stand ich wie versteinert da… ich konnte es nicht fassen! „Kendo ist meine einzige Leidenschaft…??“ Wiederholte ich noch einmal langsam und sehr bedächtig bevor ich anfing zu kichern und schließlich lauthals loslachen musste. „Was für ein Blödmann! Da kriegt er den ersten Liebesbrief seines Lebens und schreibt ,Im Augenblick ist Kendo meine einzige Leidenschaft.‘ - Das gibt‘s doch gar nicht! Hat man so was beklopptes schon mal gehört?“ Noch immer lachte ich, ich konnte nicht damit aufhören. Irgendwann hielt ich mir sogar die Seite, so weh tat es. „Ist es nicht zu früh, für einen weiteren hysterischen Anfall?“ Erklang es mit einem Male hinter mir sodass ich mich erstaunt umdrehte und Kyusuke erblickte. „Wo kommst du denn her?“ Perplex sah ich ihn an und hörte sofort auf zu lachen. Mein Kumpel runzelte die Stirn. „Na, von zu hause ich habe verschlafen und hab auch noch bei dir geklingelt aber Eri hat gesagt, dass du schon auf dem Weg wärst.“ Voller Erstaunen sah ich ihn an. „Du… Du hattest vor mich abzuholen?“ „Sicher.“ Leicht nickte er. „Das tue ich doch immer.“ „Ja, schon…“ Verwirrt brach ich ab. „Bist du denn nicht sauer?“ Ein schlichtes Kopfschütteln kam als Antwort. „Nein.“ „Nein?!“ Ich konnte es nicht fassen. „Na ja, ich kenne dich eben schon zu lange.“ Schulter zuckend ging er an mir vorbei während ich ihm nach einigen Sekunden Verwunderung nacheilte. „Was soll das denn heißen?“ „Ich weiß eben wie du bist und das du oft zu unbegründeten hysterischen Anfällen neigst.“ „Hysterische Anfälle? Ich hab keine hysterischen Anfälle!“ Brauste ich nun auf sodass er amüsiert aufgluckste und ich den Anstand hatte rot zu werden. „Warum hast du Shizukas Angebot nicht angenommen?“ Wollte ich nun zu gerne wissen und wunderte mich selbst, über die Offenheit meiner Frage. Schlagartig wurde ich noch eine Spur röter, doch nun war es zu spät etwas zurückzunehmen, denn Kyusuke hatte mich sehr wohl gehört und blickte mich nun über die Schultern ernst an. „Warum sollte ich…? Immerhin hab ich doch dich.“ „D-Du hast… m-mich?“ Stammelte ich und mir würde plötzlich bewusst wie laut mein Herz klopfte. Er hatte mich? Was wollte er damit sagen? „Ja klar. Du bist immerhin meine beste Freundin und wegen deinen hysterischen Anfällen und Launen bist du sehr anstrengend. Noch so eine wie dich, könnte ich gar nicht verkraften.“ Dieser… Dieser…! DIESER!!! „Du Blödmann! Was fällt dir eigentlich ein?!“ Explodierte ich nun sodass er sich lachend abwandte und gen Hauptgebäude schritt. Wütend stolperte ich ihm nach. „Bleib gefälligst stehen wenn ich dich anschreie!!“ Wir waren zu vertieft in unsere Streiterei so sahen wir nicht, wie Meiko und Sonoko uns aus dem Fenster unseres Klassenraumes beobachteten. „Da bestätigt es sich mal wieder: Was sich liebt, dass neckt sich.“ Kicherte nun Sonoko sodass Meiko amüsiert nickte. Kapitel 2: Autumn of the age of 7 - new life -------------------------------------------- Willkommen zu einer weiteren Past Sequenz! ^-^ Ich will gar nicht lange um den heißen Brei herum reden und nur noch sagen, dass ich mir mit diesem Ausschnitt sehr viel Mühe gegeben habe und hoffe, dass dieser kleine Erinnerungsfetzen genauso gut bei euch ankommt wie die Idee in meinem Kopf dazu. Viel Spaß beim lesen, eure Mihikoru PS: Die Länge des Kapitels ist mir wieder etwas entglitten ^^’ Story 2: Autumn of the age of 7 - new life „Suzu! Suzu!! Wo bist du?“ Schon von weitem hörte ich das laute Rufen meines Freundes doch ich machte mir keine Mühe dieses zu beantworten. Stumm und ohne Regung konzentrierte ich mich ganz auf den letzten Absatz meines Kapitels und ließ mich nicht mal davon irritieren, dass ein lautes Rumpeln unterhalb der Treppe ertönte. „Autsch! Blödes Ding…!“ Ein weiterer kurzer Schmerzenschrei ließ mich unterdrückt kichern als mein Kumpel wohl gegen einen weiteren Gegenstand gestoßen war. „Verdammt! Das ist nicht lustig, Suzu! Wenn du hier bist dann…“ Seinen Satz ließ er offen aber ich konnte unterdrückte Flüche hören gefolgt vom Knarren der alten Holzwendeltreppe die unter seinem Gewicht ächzte. Keine 5 Sekunden später erschien ein schwarzer, ziemlich verwuschelter Haarschopf an der Öffnung des Dachbodens und Augen aus klaren Smaragden sahen mich vorwurfsvoll an. „Warum meldest du dich nicht?“ Wortlos zuckte ich die Schultern und klappte mein Buch - mit der Aufschrift Sherlock Holmes - Das Zeichen der Vier - zu. Kyusuke robbte durch den kleinen Durchgang und lief dann in geduckter Haltung zu meinem Sitzplatz zwischen alten Einrichtungsgegenständen und Büchern am staubigen Fenster. „Du weißt genau, dass Kamigawa-sensei dir verboten hat auf den Dachboden zu gehen.“ Murmelte er nun und strich sich mit missmutigem Gesichtsausdruck über den Hinterkopf wo er sich wohl gerade eben gestoßen hatte. „Mir doch egal, diese olle Schreckschraube hat mir gar nichts zu sagen.“ Stieß ich nun spöttisch hervor und ärgerte mich darüber, dass er mich in letzter Zeit behandelte wie ein Kleinkind. - Dabei war er selbst gerade mal ein Jahr älter als ich! Kamigawa-sensei war einer der Erzieherinnen im Waisenhaus. Eine etwas ältere, rüstige Dame mit strengen Gesichtszügen, spitzem Kinn und langen schwarzen Haaren die sie immer zu einem strengen Knoten nach hinten gekämmt hatte. Sie war eine alte Furie und verstand keinen Spaß, jede Woche predigte sie mir neue Verbote vor und die Liste wurde immer länger, sodass ich mich wunderte, dass ich überhaupt noch atmen durfte! „Ich weiß, dass sie streng zu uns allen ist - besonders zu dir - aber sie meint es nur gut.“ Versuchte mich nun Kyusuke zu beschwichtigen der - wie so häufig - alle Erzieherinnen in Schutz nahm. Zu meinem eigenen Wohlbefinden erwiderte ich nichts darauf sondern beugte mich nur sorgenvoll zu ihm heran als er keine Anstalten machte, seine Hand am Kopf sinken zu lassen. „Hast du dir wehgetan?“ „Hm…“ Murrte er leise und kniff ein Auge zusammen. „Ich habe den Lichtschalter auf dem untersten Boden nicht gefunden und bin wohl unterhalb der Treppe gegen einen alten Lampenschirm gekommen… das ist alles deine Schuld!“ Kurz kniff ich mir die Lippen zusammen um das Argument herunterzuschlucken, dass keiner gebeten hatte, dass er mich suchen sollte. Aber er machte sich immer und überall zu viele Sorgen um mich. Erst letzte Woche hatte er mir eine saftige Standpauke darüber gehalten, dass ich nicht auf die große Eiche neben dem Mädchenschlafsaal klettern sollte. So gesehen, war Kyusuke auch ein Spielverderber. „Lass mich mal sehen…“ Bot ich nun an und stand auf um mich etwas auf die Zehenspitzen zu stellen - vor einigen Monaten hatte mein Spielkamerad angefangen mich um einige Zentimeter zu überragen - und vorsichtig mit den Fingern durch seine schwarzen Strähnen zu gleiten. Abrupt versteifte sich Kyusuke zu meinem Erstaunen und hielt ungewöhnlich still während ich die rote Stelle ausfindig gemacht hatte und als Wiedergutmachung mit sachten Lippenbewegungen einige Male über die Rötung pustete. „Besser?“ Erkundigte ich mich neutral sodass er mich - seltsamerweise - aus etwas geröteten Wangen nervös ansah und heftig nickte. „J-Ja… Geht schon, danke.“ „Bitte.“ Erwiderte ich mit einem leichten Lächeln und fragte mich im Stillen, warum er in letzter Zeit öfters gerötete Wangen in meiner Gegenwart bekam. Besonders, wenn ich ihm zu nahe kam. Hatte er mich nicht mehr gern? War ihm meine Nähe unangenehm? Ich traute mich nicht, ihn zu fragen aus Angst, dass er genau dies sagen und nicht mehr mein Freund sein wollte also, schwieg ich lieber. „Warum hast du mich gesucht?“ Lenkte ich nun ein anderes Thema ein, da ein seltsames Schweigen um uns herrschte. „Du wirst doch wohl nicht nur gekommen sein, um mich vom Dachboden zu holen?“ „Was? Nein…“ Er schüttelte kurz den Kopf, da er ja besser als jeder Andere wusste, dass ich Verbote absichtlich nicht beachtete und mir einen feuchten Kehricht darauf schwor, dass ich alle drei Tage böse Schimpfe bekam. „Ich wollte dich nach unten holen, weil gerade die ersten Eltern angekommen sind. Hast du das vergessen? - Heute ist doch Besuchstag.“ Meine Iriden trübten sich kurz jedoch nickte ich leicht. „Ja. Das weiß ich doch.“ Wie hätte ich die Besuchstage vergessen können? Es war immer dasselbe, jeden Montag-, Mittwoch-, und Freitagnachmittag wurden die Toren des Waisenhauses extra für mehrere Stunden geöffnet um interessierte Alleinerziehende oder Ehepaare - die sich in aller Ruhe umsehen und erkundigen konnten - hereinzulassen. Genau deswegen saß ich doch hier… Diese Nachmittage waren ätzender als jede Mathematikstunde, ich hasste sie. Wie man begafft wurde, wie ein Tier - ein seltenes Exemplar. Besonders ich… ich mit meinen blauen Augen und blonden Haaren, so untypisch japanisch und anstatt mich selber auf meine Herkunft anzusprechen hörte ich nur immer bruchstückweise, wie sich die Erwachsenen an eine der Erzieherinnen wandten und sie über mich ausfragten. Als ob ich zu dumm, zu jung wäre um darauf selbst eine Antwort zu geben. Ansehen taten sie mich alle, aber keiner sprach mich an. Keiner würde mich mitnehmen… Wer wollte schon so ein Kind wie mich haben? Das gab nur negatives Gerede. Sie taten weh diese Gedanken, sie hatten einen mehr als giftigen Stachel und ich schaffte es nicht - nach all diesen Jahren hier im Waisenhaus - sie mir alle selbst aus eigener Kraft zu entfernen. Nur eines hatte ich bisher geschafft: Mich mit dem Gedanken abzufinden wohl solange hier bleiben zu müssen, bis ich meine Volljährigkeit erreicht hätte. Was für ein armseliges Leben… „Sieh doch das Ganze nicht so negativ.“ Riss mich Kyusuke auf einmal aus meinen Gedanken und ich registrierte, das er mich mit gemischten Gefühlen ansah. Besorgnis, Angst und Aufmunterung lag in seinen Iriden. „Irgendwann, werden wir beide bestimmt Eltern finden. Ganz sicher!“ Ein kleines Lächeln erhellte meine finsteren Gesichtszüge und ich musste trotz all meinen Ängsten und Vorahnungen leicht schmunzeln. Wenn ich er wäre, hätte ich mir darüber auch keine Gedanken gemacht. Kyusuke war ein lieber Junge, für sein Alter schon weit voraus und unheimlich gewissenhaft, lernbegierig und hilfsbereit. Er würde sicherlich kein Problem damit haben, passende Adoptiveltern zu finden. Immerhin hatte er eine normale Haarfarbe und seine hellgrünen Augen gaben ihm ein mehr als liebes Aussehen. Ich wusste genau, dass er mich eines Tages alleine zurücklassen würde um ein neues Leben zu beginnen. Ich würde alleine zurückbleiben. Wie auch damals… wie mich meine Eltern auch allein gelassen hatten. Schon oft hatte ich darüber nachgedacht, ihn zu bitten, dann bei mir zu bleiben aber so egoistisch war selbst ich nicht. Ich mochte ihn. Ich mochte den schwarzhaarigen etwas älteren Jungen der sich seit dem ersten Tag für mich interessiert und stark gemacht hatte. Und ich wollte, dass er glücklich wurde. Das hatte er sich verdient. Immerhin wusste ich nur zu gut, dass auch er kein leichtes Schicksal gehabt hatte. Kyusukes Mutter war bei seiner Geburt und einige Monate später sein Vater bei einem Flugzeugunglück gestorben. Er war bis zu seinem fünften Lebensjahr von seinem Großvater aufgezogen worden, bis dieser auch gestorben war. In wenigen Jahren wurde ihm seine ganze Familie interessieren und er war so allein gewesen wie ich, als er damals ins Waisenhaus gekommen war. Seitdem - schon 3 Jahre - waren wir unzertrennlich gewesen und hatten uns gegenseitig gestützt. Ich konnte mir ehrlich gesagt, nur schlecht vorstellen ihn nicht mehr neben mir zu wissen. Ein schrecklich bedrückender Gedanke. „Woran denkst du?“ Wollte er nun zu gerne wissen und legte nachdenklich den Kopf schief sodass ich nur leicht den Kopf schüttelte. „Ach, an gar nichts.“ Natürlich glaubte er mir nicht, natürlich wollte er am liebsten nachfragen. Jedoch tat er es nicht… Und genau das mochte ich so sehr an ihm. „Lass uns doch nach unten gehen.“ Bat er nun inständig und sah mich mit einem so ernsten Gesichtsausdruck an, dass man es niemals für möglich hielt, dass ein Achtjähriger vor einem stand. „Setz dich wenigstens in den Hof zum lesen. Zeig dich wenigstens, wenn auch nur für eine Stunde, ja? Bitte, bitte.“ Wie sollte ich diesem lieben Blick bloß widerstehen können? Manchmal kam er mir wirklich vor wie ein kleines Hündchen. „Na gut.“ Stimmte ich seufzend zu obwohl ich gar keine Lust hatte und sich alles in mir dagegen sträubte. Schon jetzt konnte ich mir die gaffenden Blicke der Erwachsenen vorstellen. Ätzend! Stumm nahm ich mein Buch von der Fensterbank und verließ mit ihm den staubigen Dachboden. Der Spätherbst war in Japan eingebrochen und zu dieser Jahreszeit fegte eine kühle Brise durch die Straßen der riesigen Metropole. In unserem Viertel hatte sich das strahlende grün der Bäume in gelbe, rote und teilweise braune Herbstfarben verwandelt. Die abgestorbenen Blätter raschelten sanft mit jedem Schritt als ich quer über den Hof lief und mich demonstrativ unter meinem Lieblingsbaum niederließ. Der große Platz vor dem Haupteingang war heute besonders überfüllt mit allerlei Erwachsenen, jungen Pärchen und alten Ehepaaren. Kyusuke war schon in der ersten Etage von einer unserer Erzieherinnen aufgehalten worden die ihn zu einem interessierten Ehepaar mitgenommen hatte. Mein Freund hatte mich mitnehmen wollen, doch eher hatte reagieren konnte war ich umgedreht und gen Hof geflitzt. Ich wollte ihn nicht stören und ich wollte auf keinen Fall, dass das interessierte Paar einen falschen Eindruck von ihm bekam wenn sie sahen, dass er eine ausländische Freundin hatte. Ja, fast jeder hier hielt mich immer für eine Ausländerin. Dabei hatte ich größtenteils japanische Gene in mir. Ich kannte meine Eltern nicht, wusste nichts von ihnen bis auf die geringen Daten in meiner Akte. Normalerweise durfte ich diese nicht einsehen, doch schon im ersten Jahr hier hatte ich mich ins Rektorat geschlichen und sie kurz durchgeblättert. Meine Mutter war anscheinend eine geborene Engländerin gewesen, dass erklärte meine ungewöhnliche Haar und Augenfarbe. Deswegen war ich immer und überall eine Außenseiterin. Deswegen wollte mich keiner haben. Niemand wollte mich haben… Heftig schüttelte ich den Kopf um meine eigenen - sehr deprimierenden - Gedanken zu vertreiben und klappte mein Buch wieder auf um weiter darin zu schmökern. Ich hatte Kyusuke versprochen, dass ich mich zeigen würde aber mehr als eine Stunde würde ich mich nicht den verblüfften, teilweise angewiderten Blicken der fremden Leute aussetzen. Diese Prozedur ertrug ich sowieso nur, da ich mich in einen meiner Romane vertiefte und so meist gar nicht mitbekam was um mich herum geschah. So tauchte ich ein in die Welt des berühmten Sherlock Holmes und sah noch nicht mal auf, als unmittelbare Schritte neben mir zu hören waren. „Ach herrje, wo ist er denn nur hin?“ Hörte ich eine Frauenstimme leise murmeln sodass ich - entgegen meiner sonstigen Verhaltensmuster - aufsah. Keine fünf Meter neben meinem Sitzplatz entfernt stand eine schwarzhaarige Frau auf dem gepflasterten Weg und sah sich suchend nach allen Seiten um. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm mit heller Bluse und hatte ein Teil ihrer langen Haare mit einer Spange fixiert. Ihr seitliches Profil ließ weiche Gesichtskonturen erahnen und die tiefbraunen Augen strahlten schon von weitem eine nie gekannte Ruhe und Sanftheit auf mich aus. Mit etwas nervösen Bewegungen schritt sie mit ihren hochhackigen Schuhen einige Male den Pfad hoch und runter und ließ ihre Iriden über verschiedene Grüppchen von Besuchern wandern die mit einigen Kindern redeten. Komischerweise fiel mir sofort ein goldener Ehering auf, der an ihrem linken Ringfinger steckte dessen Hand sie um ihre schwarze Handtasche gelegt hatte. „Entschuldigung. Suchen Sie ihren Mann?“ Rief ich ihr nun interessiert zu, sodass sie sich etwas erschrocken zu mir umdrehte. Sicherlich hatte sie nicht damit gerechnet, beobachtet zu werden. Und ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich sie ansprechen würde. Warum hatte ich sie angesprochen? Ich hatte noch nie einen der Erwachsenen angesprochen… warum dann sie?! „Was? Oh ja… das tue ich.“ Aus ihrem kurzen Erstaunen wurde ein liebes Lächeln und sie trat einige Schritte näher an mich heran. „Ich habe ihn in dem Gedränge hier verloren. Woher hast du das gewusst?“ „Wegen ihrem Ehering.“ Neutral sah ich sie an, konnte jedoch nichts dafür, dass meine Tonlage eher unhöflich klang und auch mein Blick sehr wachsam war. Komischerweise hatte sie mich nicht solange angestarrt wie die anderen Erwachsenen es immer taten. Ihre Pupillen hatten sich nicht geweitet aufgrund meiner blauen Augen und blonden Haare, im Gegenteil: Ihr Gesichtszüge waren freundlich und friedvoll auf mich gerichtet. Auch sah ich keinerlei Neugierde wegen meines Aussehens… oder irrte ich mich? „Oh, nur deswegen… sehr clever!“ Ihr Lob klang ehrlich und obwohl ich es nicht wollte, erwiderte ich das Lächeln, dass sie mir schenkte. Was für eine nette Frau… Normalerweise hätte ich mich jetzt wieder meinem Buch zugewandt, sie höchstenfalls vorher zu einer der Erzieherinnen geschickt, doch stattdessen verschloss ich meinen Roman und fragte: „Sie sind zum ersten Mal hier, oder?“ „Oh ja.“ Sie nickte zustimmend. „Mein Mann hat sich heute extra freigekommen damit wir uns in Ruhe umsehen können. - Diese Einrichtung ist sehr hübsch.“ „Finden Sie?“ Ich konnte ihre Meinung nicht teilen aber wahrscheinlich hatte man einen anderen Standpunkt zu diesem Gebäude, wenn man frei durch das Tor gehen und auf die Straße konnte. Ich fühlte mich hier eher wie in einem Gefängnis auch, wenn die Räume noch so sauber und die Einrichtung noch so warm gehalten war. „Ich mag das Gebäude nicht. Es ist kalt und vollkommen leblos.“ Warum sagte ich so etwas? Warum war ich so gesprächig? Bestimmt hielt sie mich jetzt für ein kleines, naives Ding. Immerhin konnte von leblos keine Rede sein, wenn jedes Zimmer ausgefüllt mit herumspringen Kindern aller Altersgruppen waren. „Vielleicht hast du Recht. Von diesem Standpunkt habe ich das noch nie gesehen.“ Erwiderte sie nun zu meinem Erstaunen und noch mehr wunderte es mich, dass ich in ihrer klaren Stimme keinerlei Lügen oder Heuchelei heraushörte. Irgendwas an dieser Frau machte mich ruhig und langsam fiel die Nervosität und Wachsamkeit von mir ab. „Na ja, egal…“ Murmelnd erhob ich mich und sah auffordernd zu ihr nach oben. „Wir sollten Ihren Mann suchen gehen, der wird sich bestimmt Sorgen um Sie machen.“ „Wahrscheinlich.“ Stimmte sie mir zu und beugte sich etwas zu mir nach unten. „Mein Name ist Yakamura. Eri Yakamura.“ „Freut mich.“ Erwiderte ich höflich und ganz automatisch und tat absichtlich so, als würde ich ihre Aufforderung nicht verstehen ihr auch meinen Namen zu nennen. Was hätte das für einen Sinn gehabt? „Warten Sie einfach hier. - Ich werde ihn schon finden.“ Mit diesen Worten klemmte ich mir mein Buch unter den Arm und sauste in Windeseile über den Hof zurück ins Gebäude. Sicherlich hatte ihr Mann - wie die meisten hier - einer der Erzieherinnen aufgesucht um sich bei der Suche helfen zu lassen, das war meistens der Fall. Mit raschen Schritten bahnte ich mir einen Weg durch die halbwegs begehbaren Gänge und blickte suchend nach allen Seiten über die Dutzenden Erwachsenen die sich im ganzen Gebäude aufhielten. Wie unheimlich voll es heute war, schrecklich! Vielleicht hatte ich vor der Frau den Mund etwas zu voll genommen. Es war gar nicht so leicht hier herauszufinden, welcher Mann verheiratet und alleine unterwegs war. Schnell huschte ich um die nächste Ecke als ich Kamigawa-sensei entdeckte die mit verkniffener Miene einige Meter hinter mir stand und mit stechenden Augen noch irgendetwas suchte. Bestimmt mich… Danke, aber nein Danke! Hastig nahm ich die Beine in die Hand und verschwand aus ihrem Blickfeld doch ich sah fahrlässigerweise nicht nach vorne und prallte gegen einen weichen Widerstand. Ein kleiner überraschender Laut löste sich aus meiner Kehle als ich mit einem Fuß umknickte und das Gleichgewicht verlor. Innerlich stellte ich mich schon damit ein, unerwünschte Bekanntschaft mit dem harten Boden zu machen als mich zwei große Hände unter den Armen auffingen und mir halfen wieder in eine aufrechte Position zurück halfen. „Oh, Entschuldigung.“ Eine leicht raue, sonorere Männerstimme erklang an meinem rechten Ohr. „Ich habe dich gar nicht gesehen.“ „Schon gut.“ Ich hielt mich an einem starken Arm fest da der leichte Schock mir noch immer in den Gliedern steckte. Das nannte man wohl gemeinhin, Zusammenprall! Noch mal Glück gehabt. „Ich hoffe, ich habe dir nicht wehgetan.“ Der fremde Mann im Anzug kniete sich zu mir nach unten und ich blinzelte ihn einige Sekunden stumm an als ich in pechschwarze Augen sah. Wow! Solche ausdrucksstarken Iriden hatte ich noch nie gesehen. „Nein. Mir geht’s gut.“ Antwortete ich nun kopfschüttelnd mit einiger Verspätung. „Sie waren ja nicht Schuld, ich habe nicht genug aufgepasst.“ „Na ja, zu einem Unglück gehören immer zwei, oder?“ Erwiderte er nun und verzog amüsiert die Lippen sodass ich ebenso lächelnd zustimmte. „Ja, da haben Sie Recht.“ Einige Sekunden sahen wir uns stumm in die Augen bevor ich die Hand von seinem erhobenen Arm zurückzog und mich darunter hinweg duckte. „Dankeschön. Ich muss weiter.“ Er nickte schweigsam und erhob sich wieder um wohl auch seinen Weg fortsetzen als mein Blick - ganz automatisch - auf seine linke Hand fiel und ich einen goldenen Ehering ausmachte. Meine Augen weiteten sich. „Herr Yakamura?“ Rief ich ihm hastig nach sodass er sich mit überraschtem Gesicht zu mir umdrehte. „Sie sind doch Herr Yakamura, oder?“ Ein stummes Nicken, mehr als interessiert sah mich der Mann an. Das Herz rutschte mir in die Hose. Schon wieder… schon wieder diese Musterung meines Äußeren. Oh, ich hasste es! „Ihre Frau hat nach Ihnen gesucht… sie wartet draußen auf dem Hof vor der Eiche.“ Informierte ich nun mit dumpf klingender Stimme und wollte nur noch weg. Warum konnte mich kein Erwachsener direkt fragen und mich so nehmen wie ich war? „Meine Frau sagst du?“ Aufmerksam blickte er zu mir nach unten. „Woher hast du gewusst, dass sie meine Frau ist??“ „Na, wegen ihrem Ehering.“ Ohne Scheu deutete ich auf das Schmuckstück an seinem linken Ringfinger. „Normalerweise ist der japanische Ehering weitgehend Silber. Es gibt nicht viele Paare die ihr Bündnis in Gold anfertigen lassen. Zum einen, da Silber im Westen höher geschätzt wird als Gold und zum anderen, da die meisten sich diesen Standart nicht leisten können. - Außerdem denke ich, dass sie Geschäftsmann sind. Ihr Anzug ist sehr edel, der Stoff sehr weich und ihre Frau hat auch ein sehr teuer aussehendes Kostüm an.“ Herr Yakamura öffnete aufgrund meiner Erläuterung den Mund - er wollte wohl was sagen - doch sogleich klappte er ihn wieder zu. Unwohl sah ich ihn an. War er sprachlos? Ich war frech geworden, nicht wahr? Oh… ich und meine große Klappe. „Du hast ein ausgesprochen gutes Beobachtungsvermögen, junges Fräulein.“ Sprach er nun entgegen meiner Erwartungen freundlich und schenkte mir ein weiteres Lächeln. „Verrätst du mir deinen Namen?“ Unbewusst hielt ich den Atem an und meine Pupillen weiteten sich. Noch nie hatte sich Jemand nach meinem Namen erkundigt. „Suzuna…“ Wisperte ich nun und spürte zu meinem Verdruss wie ich rot wurde. „Mein Name ist Suzuna Mihikoru.“ „Es freut mich sehr, Suzuna.“ Das ehrlich gemeinte Lächeln von ihm erreichte mich nicht richtig, stattdessen stieg eine ungeahnte Panik in mir auf. War es Hoffnung? - Was für ein Blödsinn! „Sie… Sie sollten zu Ihrer Frau gehen.“ Erwiderte ich nun in einer ungewohnt pampigen Tonlage und drehte ihm den Rücken zu um mit etwas ungelenkten Schritten das Weite zu suchen. Ich sah nicht den Blick aus Besorgnis und Verwunderung der mir hinterher geworfen wurde… Ich verkroch mich in einem der alten Räume, die als Abstelllager dienten und setzte mich dort mit tiefen Grübeleien auf eine Kiste voller Putzmittel und verdrückte einige Tränen. Zu dämlich, dass ich mich kurz gefreut hatte als er mich nach meinem Namen gefragt hatte. Dabei waren die beiden bestimmt nicht gekommen um so etwas wie mich zu adoptieren. Das Ehepaar sah noch sehr jung aus und hatte sicherlich mehr Interesse an einem jüngeren Kind hier im Haus und nicht an einem siebenjährigen Mädchen das zwar Japanerin war aber wie eine Engländerin aussah. Stumm seufzend starrte ich an die gegenüberliegende Wand und ließ die verschiedenartigen Geräusche aus Kindergebrabbel, fröhlichem Lachen und Fragen der Erwachsenen von außen an mir vorbeiziehen. Erst als schon eine beträchtliche Zeit vergangen war und ich immer mehr Erwachsene durch das Tor auf die Straße gehen sah, rutschte ich von meinem Sitzplatz und verließ mit traurigem Gesichtsausdruck das dämmrige Zimmer. „Aha! Da bist du also!!“ Heftig fuhr ich zusammen als mir eine vertraute, hohe Stimme entgegenhallte, kaum das ich die Tür hinter mir geschlossen hatte. Innerlich laut seufzend sah ich entnervt auf, direkt in das Gesicht meines persönlichen Alptraums. Kamigawa-sensei hatte die Hände in die Hüften gestemmt und klackerte verdrießlich mit dem Absatz ihres rechten Schuhs auf dem Boden. „Das war das allerletzte Mal, dass du dich einfach so in Luft ausgelöst hast, kleines Fräulein!“ Wetterte sie nun gleich los und das in einer Tonlage als hätte ich Knallfrösche im Aufenthaltsraum losgelassen. „Ich renne schon stundenlang durch das ganze Gebäude und suche dich! Kyusuke und alle anderen Erzieherinnen machen sich auch Sorgen - wann wirst du nur endlich erwachsen?!“ Ich schickte ihr einen vernichtenden Blick aus kühlen Saphiren und dachte im Stillen, dass ich genug erwachsen war. Auf jeden Fall erwachsen genug um zu wissen, dass keiner mich wollte. „Sieh mich nicht so an!“ Rügte sie nun sodass ich schwer den Drang unterdrückte und nicht die Augen verdrehte. Dieser alte Besen… Ehe ich es mich versah hatte sie mich etwas unsanft am Oberarm gepackt und schleifte mich den Gang nach unten. „Zur Strafe gehst du ohne Abendessen ins Bett!“ Sie konnte sich ihre Strafe sonst wohin stecken, ich hatte sowieso keinen Hunger. So geschah es also, dass ich Dank Kamigawa-sensei die Essenszeit in unserem Schlafsaal absitzen und auch danach gleich ins Bett gehen musste. Es war mir gleich. Beim essen würde mich sowieso keiner vermissen, außer vielleicht Kyusuke der jedoch schon erahnen konnte warum ich fehlte und sich deswegen sicherlich keine Sorgen machte. Nachdem die Erzieherinnen ihren letzten Rundgang um halb zehn Abends beendet hatten schlich ich mich leise aus unserem Schlafsaal und in Kyusukes Zimmer hinüber. Praktischerweise hatte er sein zugeteiltes Bett direkt am offenen Fenster, sodass ich es mir schon oft zunutzte gemacht hatte, dass das Fenster in einem der Abstellkammern immer geöffnet war und ich ins Freie und an die Scheibe des Jungenschlafsaals ankam. Äußerst bedächtig pochte ich gegen die Scheibe, sodass mein Kumpel - der immer schon einen leichten Schlaf gehabt hatte - sofort die Augen aufschlug und mich entdeckte. Komischerweise kam kein gewohntes Grinsen zurück sondern eine mehr als verkniffene Miene aber da er mir trotzdem das Fenster öffnete, tat ich dieser keine Bedeutung bei. „Hey…“ Flüsterte ich leise und sprang bedächtig auf seine weiche Matratze während er sich aufsetzte und einen wachsamen Blick über die anderen Jungs in ihren Betten schweifen ließ. Entweder sie hatten alle einen tiefen Schlaf oder sie machten sich nichts aus meinen nächtlichen Besuchen, denn bis jetzt hatte uns noch keiner bei irgendeiner der Erzieherinnen verpetzt. „Was machst du hier?“ Erkundigte sich mein Freund nun ungewohnt kühl sodass ich kurz blinzelte. „Ich wollte nur nach dir sehen und noch ‚Gute Nacht‘ sagen. Diese alte Schreckschraube hat mich vorhin verdonnert da ich es mir in einer der alten Abstellräume bequem gemacht habe… die spinnt doch!“ Kyusuke brummte nur leise und sah mich undefinierbar an. Schweigsam begegnete ich seinem Blick der weder gewohnt freundlich noch sanft war. War das Traurigkeit in seinen Augen und wenn ja, warum? „Du solltest in dein Bett gehen.“ Riet er nun und ließ sich wieder in sein Kissen sinken. „Was ist denn los?“ Diese Frage konnte ich mir einfach nicht verkneifen, denn normalerweise wenn ich zu ihm kam, lüftete er immer einladend seine Decke sodass ich zu ihm ins Warme schlüpfen und wir uns noch eine Weile tuschelnd unterhalten konnten. Es war sogar schon einmal passiert, dass wir beide eingeschlafen waren und nur Kyusukes Frühaufsteherrhythmus hatte mich gerettet von einer der Erzieherinnen entdeckt zu werden. „Gar nichts und jetzt geh.“ Seine Tonlage war mehr als schroff ich spürte, dass ich verletzter darauf reagierte als notwendig; vor allem jedoch wütend. „Hey, was immer dir auch über die Leber gelaufen ist: Ich hab dir nichts getan!“ Zischte ich nun bitterböse sodass er sich - beinahe gelangweilt - auf die andere Seite drehte und mir den Rücken zuwandte. „Oh Mann… du gehst mir so was von auf die Nerven. Verschwinde endlich!“ So kannte ich ihn gar nicht. Das war nicht der Kyu den ich getroffen hatte. Dieser hier war verletzend und böse, keinesfalls fürsorglich und lieb. Obwohl ich niemals gedacht hätte, so zu reagieren wurden meine Augen leicht feucht und ich spürte, wie sich mein Herz zusammenkrampfte. Ich ging ihm auf die Nerven? Ich sollte verschwinden?? Warum taten diese Worte so schrecklich weh… Warum bloß?? „Ich… Entschuldige.“ Wisperte ich nun leise, entgegen meines sonst so aufbrausenden Wesens und zog leise die Nase nach oben. Nur nicht weinen… nur nicht weinen! Mochte er mich denn nicht mehr? Was hatte ich ihm denn getan? Gemeinheit! Stumm - ohne einen Abschiedsgruß - schwang ich mich wieder durch das Fenster und schritt mit geknickter Miene zurück zu der Öffnung meines Schlupflochs. Kein Wort kam mehr von ihm dafür jedoch vergrub mein Freund mit einer schmerzlichen Grimasse das Gesicht im Kissenbezug und biss sich auf die Unterlippe. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ So eine schreckliche Nacht wie diese hatte ich noch nie erlebt. Ich konnte beim besten Willen nicht einschlafen und versuchte zwanghaft - stundenlang - meine aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Als uns die Erzieherinnen am nächsten Morgen weckte zog ich mich zwar um und ging in den Waschsaal wie alle, jedoch ging ich danach nicht in den Speisesaal zum frühstücken sondern zurück ins Bett wo ich mich einfach hinlegte und rechts aus dem Fenster sah, dass drei Betten von mir entfernt lag. Woran ich dachte? - Wahrscheinlich an nichts. Das einzige was ich wahrnahm, war meine regelmäßigen Atemgeräusche und der Schmerz in meiner Brust. Wie konnten solch einfachen Worte so unglaublich wehtun? Regungslos lag ich auf meiner Matratze und blinzelte noch nicht mal als die Saaltür aufging und Jemand hineinkam. „Suzuna Mihikoru… nun reicht es aber wirklich!“ Kamigawa-sensei war mit drei großen Schritten an meiner Schlafstätte und ihre Blicke erdolchten mich regelrecht. „Warum bist du nicht beim Frühstück wie alle anderen? Immer dasselbe mit dir! Das Essensverbot galt nur für gestern!“ „Ich habe aber keinen Hunger…“ Flüsterte ich nun mehr als schüchtern und wollte einfach nur meine Ruhe haben. „Sicherlich hast du Hunger.“ Erwiderte die Frau nun vehement: „Kinder in deinem Alter müssen regelmäßig essen. Nun komm schon.“ „Ich will nicht.“ Sie sollte mich - verdammt noch mal - in Ruhe lassen! Ich wollte niemanden sehen, keinen um mich haben. Ein tiefes Seufzen von ihr erklang und überraschenderweise zeterte sie nicht sondern ließ sich langsam auf die Kante meines Bettes nieder. „Was ist denn los?“ Aus ihren sonst so abweisenden Augen sah sie mich beinahe besorgt an. „So kenne ich dich freche Range ja gar nicht. Du guckst wie sieben Tage Regenwetter.“ Stumm wandte ich den Blick von ihr ab und schluckte schwer. Ein ekelhafter, schleimiger Kloß bildete sich in meiner Kehle und ehe ich es mich versah, entwisch mir ein trockenes Schluchzen. „Kyusuke ist böse auf mich… keiner hat mich mehr lieb!“ Salzige Tränen liefen aus meinen Augen und quer über mein Gesicht. „E-Er hat mich gestern Abend weggeschickt… und gesagt, dass ich ihm auf die Nerven gehe… u-und dass ich verschwinden soll!“ Presste ich nun schluchzend heraus und legte mir schamvoll den Arm über mein verheultes Gesicht. Ich hasste es zu weinen! Noch mehr hasste ich es, vor Jemandem zu weinen! Ich sah es nicht doch Kamigawa-sensei schüttelte energisch den Kopf. „Rede doch keinen Unsinn, Suzuna! Kyusuke hat dich wahnsinnig gern… er ist kaum von dir wegzubekommen. Bestimmt hat er das nicht so gemeint.“ Heulend schüttelte ich den Kopf, drehte mich auf die Seite und zog meine Knie bis zur Brust. „Keiner will mich haben… keiner hat mich lieb! Ich werde niemals eine Familie finden, da ich so hässlich aussehe! Und jetzt hasst mich Kyu auch noch… Sie können mich ja auch überhaupt nicht leiden!!“ Presste ich nun heulend heraus und wollte am liebsten auf der Stelle sterben. Ich fühlte mich so erbärmlich, so klein und so dermaßen nutzlos. „Um Himmels Willen, was redest du denn da nur für einen Unsinn?!“ Erschallte die aufgebrachte Stimme der Erzieherin und ehe ich es mich versah, hatte sie meinen Arm gepackt und von meinen roten Augen entfernt. „Jetzt sieh mich einmal an, Suzuna und hör mir: Das ist vollkommen Unsinn was du das redest! Es gibt eine Menge Menschen die dich lieb haben und es würde sich jedes Ehepaar wünschen dich zu adoptieren… du bist ein sehr liebes, aufgewecktes Mädchen und du bist unheimlich süß! Wie kommst du nur auf die Idee hässlich zu sein? Was hast du dir da bloß eingeredet? Kyusuke mag dich, er hat dich furchtbar lieb und er hat schon mehrere Angebote ausgeschlagen… nur deinetwegen! - Und ich… ich habe dich auch gern. Vielleicht bin ich manches Mal etwas zu streng mit dir aber ich will doch nur, dass du vorsichtiger bist. Du hast die Eigenart so schrecklich unbedacht zu sein und dich dadurch zu verletzen.“ Heftig atmend sah ich sie auf diese Erklärung fassungslos an und konnte nicht glauben, was sie gerade eben gesagt hatte. „Sie haben mich tatsächlich gerne…?“ Kamigawa-sensei nickte schlicht und ein noch nie gesehenes Lächeln legte sich auf ihre schmalen Lippen. „Ich habe dich sogar so gerne, dass ich ungewöhnlich streng zu dir war, damit du nicht merkst, dass du mein Liebling bist.“ „Da haben Sie aber wirklich gut geschauspielert.“ Gab ich nun fassungslos zu sodass sie kurz schmunzelte. „Du hast noch eine Menge zu lernen, kleine Suzuna.“ Das glaubte ich allerdings auch und zum ersten Mal - seit unserer ersten Begegnung - widersprach ich ihr nicht. Langsam setzte ich mich auf und strich mir die Tränenspuren von den Wangen. „Was haben Sie damit gemeint, dass Kyu schon viele Angebote nur meinetwegen ausgeschlagen hat?“ Mehr als interessiert sah ich sie an und ihre Mimik ließ schließen, dass sie sich ungewollt verplappert hatte. Für einen Moment sah es so aus, als wollte sie meine Frage mit einer leichtfertigen Antwort abtun - sowie das Erwachsene immer gern taten, wenn sie keine Diskussion anfangen wollten. „Versuchen Sie bloß nicht, mich zu bescheißen. Ich bin nicht so blond wie ich aussehe.“ Stellte ich nun trocken klar sodass ihre Mundwinkel tatsächlich amüsiert zuckten. „Nein… Nein, dass bist du wirklich nicht.“ Gab sie mir nun Recht und neigte den Kopf. „Also, die Sache ist die. Kyusuke wurde in den letzten Monaten schon oft verschiedenen Familien vorgestellt und da er ein so lieber und netter Junge ist, hatten schon etliche Paare vor ihn in den nächsten Tagen mitzunehmen doch bis jetzt, hat er sich immer geweigert. Entgegen seinem sonst so sanften Charakter ist er richtig stur und bockig geworden und dauernd meinte er, er würde nicht gehen, wir müssten ihn schon zwingen… ohne dich würde er das Waisenhaus auf keinen Fall verlassen!“ Meine Augen wurden immer größer und ich konnte das Gesagte nicht Recht verarbeiten, schon gar nicht glauben. Das hatte Kyusuke tatsächlich getan? Das hatte er gesagt? Er hätte schon längst eine neue Familie haben können? Davon hatte er mir kein Sterbenswörtchen erzählt. Oh Gott. Jetzt fühlte ich mich noch schuldiger als ohnehin schon. „Aber warum… warum ist er dann so fies gestern geworden?“ Wisperte ich nun unverständlich sodass Kamigawa-sensei leise seufzte. „Weil er morgen das Waisenhaus verlassen muss, Suzuna… Ein Ehepaar hat sich gestern nach ihm erkundigt und nach einem Gespräch wollten die beiden ihn adoptieren. Kyusuke hat sich wieder geweigert doch unsere Leiterin hat sich dieses Mal gegen seinen Willen entschieden. Er wird weggehen, zu seiner neuen Familie und muss dich zurücklassen… so wütend habe ich ihn noch nie gesehen, er hat regelrecht getobt. Wahrscheinlich hat er das deswegen gestern zu dir gesagt. Vielleicht war er ja der Ansicht, wenn er dich verletzt und du ihn nicht mehr magst, würde es dir egal sein ob er geht.“ „So ein Idiot…“ Murmelte ich nun mit leicht feuchten Iriden zurück. „Ich könnte ihn niemals hassen und natürlich ist es mir nicht egal, dass er geht. Das macht mich furchtbar traurig aber ich freue mich auch für ihn. Er soll nicht meinetwegen leiden müssen.“ Zwei Gefühle stoben in mir auf. Einerseits, furchtbare Verzweiflung wegen seines Abschieds. Andererseits, wahnsinnige Freude. Er hatte - schon seit seiner ersten Woche hier - davon geredet, dass er wieder eine neue Familie wollte und jetzt wurde sein Traum war. Er würde mich zurücklassen müssen… ich würde wieder alleine sein. „Was ist das für ein Ehepaar?“ Erkundigte ich mich nun ehrlich interessiert sodass die Erzieherin mich besorgt musterte. „Ein sehr nettes Paar, um die Ende Dreißig. Das Ehepaar Fuma. Frau Fuma kann selbst keine Kinder bekommen und sie haben sich schon immer einen kleinen Sohn gewünscht. Sie wohnen in einem hübschen japanischen Haus inmitten des Viertels Akihabara. Kennst du das? Das liegt östlich am großen Bahnnetz. Er wird es dort gut haben, die beiden sind sehr liebe Menschen.“ „Das ist schön…“ Abermals liefen mir Tränen über die Wangen. Kyusuke, mein bester Freund würde mich verlassen und ich würde ihn wahrscheinlich nie wieder sehen. „Du glaubst mir bestimmt nicht, wie sehr mich das mitnimmt.“ Wisperte sie nun und strich mir mitfühlend übers Haar. Das hatte sie noch nie getan und ich schmiegte mich wie ein ausgehungerter Welpe an diesen kostbaren Streicheleinheiten. „Es ist grausam, dass das Schicksal euch beide trennt. Ihr seit mehr als putzig anzusehen.“ „Tz! Ich bin nicht putzig.“ Widersprach ich nun schnaubend sodass sie befreit kicherte und ich ebenfalls kurz glucksen musste. Kaum zu glauben, dass Kamigawa-sensei so freundlich sein konnte! „So und jetzt wischt du dir die Tränen ab und wir gehen zusammen in den Speisesaal. Du musst wenigstens etwas Kleines essen.“ Ich nickte leicht, obwohl ich keinen Hunger verspürte und erstrecht nicht unter die vielen anderen Kindern wollte. Aber die Erzieherin machte sich solche Sorgen um mich - ich hörte es aus ihrer Tonlage - dass ich ihr einen Gefallen tun wollte. Wenige Augenblicke später verließen wir beide den Mädchenschlafsaal und bogen den Gang nach rechts ein. „Wir werden Kyusuke natürlich nicht verbieten dich zu besuchen. Er kann sooft kommen wie er will solange die Fumas damit einverstanden sind.“ Sprach Kamigawa-sensei nun sodass ich ehrlich freudig nickte. Na ja, das war wenigstens ein positiver Aspekt. Die Frage war nur, ob Kyusuke mich auch nicht aus den Augen verlieren wollte und ab und zu kam um mich zu besuchen. Nach der gestrigen Nacht und seinen harten Worten war ich mir da nicht mehr so sicher. Ich wurde aus meinen Gedanken katapultiert als eine jüngere Erzieherin mit eiligen Schritten auf uns zukam. Da sie Kamigawa-sensei ansprach und ich nicht lauschen wollte, lief ich schon vor um wie versprochen in den Speisesaal zu gehen doch ich war kaum zehn Schritte gekommen da hielt mich die Stimme von ihr auf. „Suzuna, warte mal!“ Fragend sah ich sie über die Schulter an und sah wie sie mit überaus ernstem Gesichtsausdruck nacheilte. „Du sollst sofort ins Büro der Rektorin kommen.“ Meine Augen weiteten sich in Unglauben und leichter Angst. M-Momentchen mal! Hatte ich irgendetwas falsch gemacht? „Ich habe nichts angestellt!“ Schoss ich nun gleich wie aus der Pistole hervor und erst einige Sekunden später kam mir der Einfall, dass mich diese Bekennung erstrecht schuldig machte. Kamigawa-sensei zuckte mehr als ratlos mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was das soll. Man wollte mir nichts sagen, jedoch soll ich dich begleiten.“ Das klang nicht gut, gar nicht gut. Noch nie in meinem ganzen Leben war ich so nervös gewesen, dessen war ich mir sicher als ich mit Kamigawa-sensei im 3. Stockwerk ankam und sie kurz an der Tür mit der Aufschrift Rektorat klopfte und kurz darauf die Zustimmung zum eintreten kam. Am liebsten hätte ich mich auf den Absatz umgedreht und wäre weggerannt. Oh… was war ich doch feige! Äußerst widerwillig ging ich voran als Kamigawa-sensei mir ein eindeutiges Handzeichen gab und sah die Rektorin des Waisenhauses von ihrem Stehplatz neben ihrem Schreibpult mehr als scheu an. „Ich habe nichts getan.“ Nuschelte ich nun gleich darauf sodass sie die Züge der alten Leiterin amüsiert erhellten. „Da muss sich wohl Jemand gleich verteidigen, obwohl sie gar nicht weiß warum sie hier ist, nicht wahr?“ Erstaunt blinzelte ich auf, da sie weder wütend noch erbost wirkte. Beinahe freudig und zufrieden war ihr Gesichtsausdruck zu nennen. „Seien Sie doch so lieb und holen Sie mir den Jungen dazu, Kamigawa.“ Wandte sie sich nun an die Erzieherin die hinter mir stand sodass diese nickte und den Raum verließ. Am liebsten wäre ich ihr nachgerannt… jetzt stand ich hier ganz allein. Welchen Jungen sollte sie denn holen? Etwa Kyusuke?? „Warum bin ich denn hier?“ Anstrengend versuchte ich meiner Stimme einen ruhigen Klang zu geben doch es gelang mir nicht. Sie vibrierte nervös. „Ich möchte dir Jemanden vorstellen, Suzuna.“ Die alte Frau deutete verbindlich nach rechts und als ich ihrem Zeichen folgte registrierte ich jetzt erst, dass vier Personen auf der Besuchercouch in diesem Zimmer saßen. Meine Augen weiteten sich in Unglauben. „Darf ich dir vorstellen? Einmal das Ehepaar Fuma; Matiyko und Tatahiko…“ „Frau und Herr Yakamura?!“ Rief ich mehr als erstaunt und unterbrach dadurch unhöflicher weise die Leiterin sodass diese mir einen mahnenden Seitenblick schenkte und ich den Anstand hatte rot zu werden. „Entschuldigung…“ Murmelte ich neckisch und streckte ihr versöhnlich die Zunge heraus sodass ich ein unterdrücktes Kichern von den vier Besuchern hörte. „Nun ja, dass ist unsere Suzuna.“ Die Leiterin seufzte kurz bevor sie die beiden Ehepaare anlächelte. „Sie ist eines unserer ganz besonders Mädchen. - Frech, abenteuerlustig und hört nie auf das, was ihr gesagt wird. Sie hat uns schon oft in den Wahnsinn getrieben. „Stets zu Diensten.“ Rutschte es mir nun abermals ungewollt heraus sodass die beiden Frauen sich geziemt die Hand vor den Mund hielten während die Männern mit leicht zuckenden Mundwinkel kicherten. „Suzuna, bitte…!“ Die Leiterin schickte mir mehr als einen verzweifelten Blick sodass ich die Lippen zusammen presste und geziemt gen Boden sah. Ich und meine große Klappe…! „Es freut uns sehr, dich kennen zulernen, Suzuna.“ Sprach nun Frau Fuma - Matiyko - sie hatte ein überaus liebes Lächeln und halblange braune Haare. Ihre Iriden waren ebenso braun wie die von Eri Yakamura. „Gleichfalls, Frau Fuma.“ Gab ich nun höflich und wohlerzogen zurück sodass sie abwinkend grinste. „Nicht so förmlich, nenn mich bitte Matiyko. - Kyusuke hat uns gestern viel über dich erzählt.“ „Wirklich?“ Das konnte ich gar nicht so Recht glauben doch die junge Frau nickte. „Oh ja. Er meinte viele male, dass er uns gern habe und das er einen Versuch starten wollen damit wir eine Familie werden aber wollte dich unter keinen Umständen zurücklassen.“ „Ach das…“ Ein zaghaftes Lächeln huschte über meine Lippen. „Das ist schon in Ordnung, solange er glücklich ist, bin ich es auch.“ Ihr Mann - Tatahiko - lächelte gerührt. „Du bist ein sehr liebes Mädchen.“ „Nur wenn ich will.“ Gab ich frech wie eh und je zurück sodass er mich einige Sekunden baff ansah bevor er gluckste. „Und ungemein schlagfertig.“ Abermals lief ich purpurrot an während unsere Leiterin ebenso abermals seufzte. In diesem Moment rettete mich Kamigawa-sensei, die wieder ins Zimmer trat… wie schon erwartet Kyusuke direkt hinter ihr. Die Smaragde meines Freundes weiteten sich und er ließ einige Sekunden die kleine Versammlung auf sich wirken bevor er mich mehr als böse ansah. „Was hast du wieder angestellt?“ „Ich?!“ Fassungslos schnappte ich nach Luft: „Gar nichts! Daran bist wohl du ganz alleine Schuld… du Lügner!“ „Was war daran gelogen? Du gehst mir wirklich auf die Nerven!“ „Das war fies und gemein… du wolltest mich bloß vertreiben!“ „Ich kann auch nichts für das Ganze, das hätte dir nur wehgetan!“ Ein höhnischer Laut entwich mir. „Und so tut es mir nicht weh?“ Getroffen sah er mich an. „Ich dachte…“ „Ach, du kannst denken?“ „Werde bloß nicht frech!“ „Was? Was sonst?“ „Suzu…!!“ „Du bist so blöd…!“ „Selber!“ „AUFHÖREN!!!“ Der donnernde Schrei von Kamigawa-sensei ließ uns beide zusammenfahren und verstummen. Stumm sandten wir uns tödliche Blicke sodass uns die alte Leiterin und mehr als erbost ansah. „Herrgott noch mal! Ihr seid doch beide Kindsköpfe! Das hier ist ein äußerst wichtiges Ereignis und wenn ihr so weiter macht, wird keiner von euch adoptiert.“ „Pf! Sollen die Fumas doch sehen, was für ein Idiot er ist.“ Gab ich frech zurück und überhörte die Bedeutung in ihrem Satz. „Sicherlich und die Yakamuras sehen, was für ein ungezogenes Gör sie sich mit dir aufhalsen.“ „Ungezogen? Nur weil ich meinen Standpunkt vertrete? Immerhin hat Kyusuke mich angelogen, er…“ Abrupt hielt ich in meiner hoch lodernden Wut inne und stutzte. Langsam aber sicher sickerte die wahre Bedeutung der letzten Sätze in mein Hirn. „M-Mich? Adoptieren?!“ Stammelte ich mehr als überrollt sodass selbst Kyusuke die Augen aufriss. „Wie jetzt?!“ Vollkommen ratlos tauschten wir beide stumme Blicke sodass die Leiterin mehr als vergnügt schmunzelte. „Na endlich haben wir euch beide Mal ruhig bekommen.“ Unisono bekam sie einen mehr als identischen Blick aus zwei empörten Augenpaaren von uns. „Am besten, wir erklären euch das Ganze.“ Bot in diesem Moment Herr Yakamura mit schlichtender Stimme an, sodass Kyusuke und ich ihm unsere ungeteilte Aufmerksamkeit schenkten. „Meine Frau und ich sind - überraschenderweise - mit den Fumas befreundet. Wir sind alte Schulkameraden.“ „Ja, wir waren in derselben Tennis-AG.“ Stimmte nun Tatahiko mit amüsierter Miene zu sodass Herr Yakamura zustimmend nickte. „So ist es und ein ebensolcher Zufall ist es, dass wir alle keine Kinder haben.“ „Ich habe mir schon immer einen kleinen Sohn gewünscht…“ Sprach nun Matiyko und sah Kyusuke dabei mehr als liebevoll an. „… und Eri wollte immer eine Tochter.“ „Das ist zwar alles schön und gut aber es ändert trotzdem nichts an meinem Standpunkt.“ Drängte sich auf einmal mein Freund - ganz untypisch für ihn - mit entschlossener Stimme in das aufklärende Gespräch der Erwachsenen. „Ich habe dir schon gestern gesagt, dass ich mir immer eine Familie gewünscht habe. Ich mag euch beide sehr und wenn wir die ersten Probemonate halbwegs gut über die Bühne bekommen, dann würde ich mich glücklich schätzen euren Namen anzunehmen… aber ich werde mich nicht zwanghaft wegschleifen lassen! Nicht ohne Suzu!!“ „Hör auf damit, sei nicht blöd!“ Ermahnte ich ihn nun mehr als sauer darüber, dass er sich so eine Chance entgehen lassen wollte. Ich hatte ein mehr als gutes Menschengespür und solch warmherzige Menschen wie die Fumas würde er vielleicht nie wieder treffen. „Ich bin nicht blöde… aber ich lasse dich nicht zurück!“ Mehr als trotzig sah er mich an und seine hellen Iriden wurden merklich dunkler. „Ich habe dir damals ein Versprechen gegeben… ich lass dich nicht alleine!“ „Vergiss dieses blöde Versprechen, deine Zukunft ist viel wichtiger!“ „Nicht so wichtig wie du! Ich will mit dir zusammen bleiben!“ Sprachlos sah ich ihn an und spürte, wie mir leichte röte in die Wangen schoss. Auch Kyusuke wurde leicht verlegen und senkte scheu seinen Blick gen Boden. „Egal was du sagst oder tust, ich lasse dich nicht allein. Ich hab dich lieb.“ Wisperte er nun ganz leise - kaum verständlich - doch ich hatte es ganz genau gehört. „Oh… Oh, Kyu…“ Heiße Tränen schossen mir in die Augen und ich presste mich unterdrückt schluchzend in seine Arme. „Oh… du bist so niedlich!“ „Ist ja schon gut.“ Murrte er nun hochrot wie eine Tomate und versuchte sich von mir wegzudrücken während ich nur albern kicherte. Das laute Schnalzen von Kamigawa-sensei ließ uns beide aus unserer kleinen, eigenen Welt wieder zurückkehren und wir registrierten erst jetzt wieder, dass sechs andere Erwachsene mit uns im Raum waren. „Wir wissen alle, dass ihr beide unzertrennlich seid.“ Sprach nun die Leiterin und bedachte uns mit einem warmen Blick. „Genau dasselbe, haben wir den beiden Ehepaaren erzählt die hier vor euch sitzen und bevor ihr euch unnötig aufregt oder euch um den Hals fallt solltet ihr endlich richtig zuhören. - Bitte, Herr Yakamura, fahren Sie doch fort.“ Wandte sie sich nun an den jungen Mann sodass dieser nickend weiter sprach: „Wie gesagt, Matiyko wünschte sich immer einen Sohn und meine liebe Frau eine Tochter. - Der Zufall will es weiterhin, dass wir nur ein knappes Viertel weiter ein Haus bewohnen - in Ueno - und ihr könntet zusammen in die benachbarte Grund-, Mittel-, und Oberstufe gehen. Wäre das nicht was?“ Meine Augen weiteten sich in Unglauben und auch Kyusuke musste erst einmal das Gesagte verdauen. Zählte man eins und ein zusammen, dann hieße das… „Sie wollen mich wirklich adoptieren?“ Keuchte ich nun fassungslos, sodass Herr Yakamura lächelnd nickte und auch seine Frau mich warm ansah. „Warum so überrascht, Suzuna? Du hast uns gestern beide sehr beeindruckt.“ „I-Ich habe ihn doch nur einen kleinen Gefallen getan.“ Wandte ich nun ausweichend ein sodass Eri leicht den Kopf schüttelte. „Oh nein, viel mehr als das… Wir haben gestern dieses Waisenhaus aufgesucht, da wir Matiyko und Tatahiko helfen wollten einen geeigneten Sohn für sie zu finden doch stattdessen, haben wir ein wunderbares Mädchen für uns gefunden.“ Mehr als sprachlos sah ich die beiden an und wusste nicht ob ich mich freuen oder heulen sollte. Ich konnte es nicht glauben. Ein Hacken… da musst es doch einen Hacken geben! Kein vernünftiges Ehepaar würde so etwas wie mich adoptieren. „Ist das nicht toll, Suzu?!“ Rief Kyusuke begeistert und ich war mir sicher, dass ich seine Smaragde noch nie so strahlend gesehen hatte. „Jetzt können wir immer zusammen bleiben!“ „Ich will nicht.“ Wisperte ich nun biestig sodass er erschrocken stutzte. „Was…?“ „Ich will das nicht!“ Meine rechte Hand ballte sich zu einer zitternden Faust und aus blitzenden Saphiren da ich hoch zu den Yakamuras. „Ich will nicht, dass sie mich aus Mitleid adoptieren… nein! Sie tun das doch nur, um den Fumas einen Gefallen zu tun, da Kyusuke ohne mich niemals das Waisenhaus verlassen würde! In Wahrheit, wollen Sie mich doch gar nicht haben!“ „Suzuna… hüte einmal deine freche Zunge!“ Herrschte mich die Leiterin mehr als unhöflich an, doch ich dachte gar nicht daran. Zu sehr hatte ich mich schon in Rage geredet. „Sie wollen mich doch gar nicht als Tochter haben aber das kann ich schon verstehen. Wer will schon so etwas wie mich als Kind haben? - Das gibt böses Gerede in der Nachbarschaft und Sie würden sich nur für mich schämen. - Sie müssen mich nicht nehmen, wenn Sie mich nicht wollen…“ Meine aufgebrachte Stimme war zum Ende her immer leiser geworden, beinahe lautlos und ich konnte nicht verhindern, dass mir nun stumme Tränen die Wangen hinunterliefen. Schamvoll senkte ich den Blick gen Boden. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so wertlos gefüllt wie in diesem Moment. Aus den Augenwinkeln sah ich den mehr als erschütterten Gesichtsausdruck von Kyusuke während ich mich schon darauf einstellte von Herrn Yakamura für meine Frechheit ausgeschimpft zu werden. Stattdessen jedoch vernahm ich nur, wie der junge Mann sich von seinem Sitzplatz erhob und mit festen Schritten auf mich zukam. Scheu hob ich den Blick als er sich zu mir nach hinten kniete und sacht seine Hand unter mein Kinn drückte sodass ich ihn ansehen musste. Kein böses oder mitleidvolles Gesicht sah mir entgegen sondern eine Mimik voller Wärme und Verständnis. „Tränen passen gar nicht zu dir.“ Murmelte er nun lächelnd und zog aus seiner Hosentasche ein Stofftaschentuch mit dem er mir behutsam die salzigen Spuren von den Wangen wischte. Klar und wahrheitsgemäß blickte er mir ins Gesicht. „Woher hast du nur solch erstaunliche Augen?“ „M-Meine Mutter hat sie mir gegeben.“ Gab ich nun leise schniefend zurück sodass er amüsiert die Lippen verzog. „Wie großzügig von ihr. - Und was mag dir armes Ding nur alles Schreckliches zugestoßen sein, dass du wirklich der Annahme bist, dass Niemand dich haben will. Dabei bist du doch so ein süßes, liebenswertes Mädchen.“ Fassungslos sah ich ihn an und wusste nichts darauf zu sagen. Nur eines hörte ich aus seinen gesagten Worten: Die reine Wahrheit. „Suzuna… wir wollen dich natürlich zu nichts drängen.“ Sprach nun Eri die mittlerweile neben ihren Mann getreten war. „Aber wir würden dich wirklich gerne mit uns nehmen. Wir sind nämlich der festen Überzeugung, dass du die Tochter bist die wir uns immer gewünscht haben und das hat nichts mit Mitleid zu tun, sondern mit wahrer Zuneigung. - Schon als du mich das erste Mal ansprachst wusste ich, dass ich hier einen ganz besonderen Menschen vor mir habe.“ Schwer schluckte ich um aufkommende Tränen zu unterdrücken. Jedoch diesmal vor Freude. Ich war die Tochter die sich die beiden immer gewünscht hatten? Ich war etwas Besonderes? Das konnte ich kaum glauben, nur schwer verstehen aber die Worte fühlten sich gut an. Warm, geborgen, beschützt… Und genauso war die Umarmung in die Eri mich zog, als sie sich einfach zu mir nach unten kniete und in ihre Arme schloss. Reflexartig versteifte ich mich kurz, da ich an solch eine Nähe nicht gewohnt war, doch dann atmete ich ihren lieblichen Duft - es war irgendeine Blume - ein und krallte mich in den Stoff ihrer Arme. „Meine Kleine… komm mit uns nach hause.“ Flüsterte sie sodass ich stumm nickte und wieder anfing zu weinen. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich Freudentränen vergoss. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Am nächsten Morgen war es dann soweit und mein Freund und ich standen mit unserem wenigen gepackten Habseligkeiten vor dem geöffneten Tor des Waisenhauses während die Leiterin und Kamigawa-sensei sich von unseren neuen Eltern verabschiedeten. „Viel Glück Ihnen beiden.“ Kam es herzlich von der alten Rektorin sodass Matiyko positiv nickte und Eri ehrlich zurückgab: „Wir werden das schon hinbekommen.“ „Suzuna… gehe bitte nicht soweit auf die Straße!“ Rief mir Kamigawa-sensei nach als ich mich sichtbar vom offenen Tor entfernte und die Nebenstraße neugierig in Augenschein nahm. „Ich schnuppe nur Freiluft nach 4 endlosen Jahren der Gefangenschaft.“ Stichelte ich frech wie eh und je zurück, sodass die Erzieherin halb erbost, halb amüsiert die Augen verdrehte. „Ich hoffe Sie wissen, was Sie sich mit unserer Suzuna aufhalsen?“ Wandte sie sich nun eher scherzend als ernst an Shinji - Herrn Yakamura - sodass dieser ebenso gespielt ernst nickte. „Wir werden es schon überstehen.“ „Hey, das hab ich gehört!“ Empört blitzte ich die beiden Lästermäuler an sodass diese sich lachende Blicke zuwarfen und ich ebenso lächeln musste. Tat das gut! Ich war frei… ich hatte eine Familie und Kyusuke war bei mir! Fröhlich hopsend lief ich zurück zu meinem Freund der artig auf seinem verschlossenen Koffer saß und darauf wartete, dass die Erwachsenen fertig geplaudert hatten. „Jetzt wird alles viel, viel besser.“ Summte ich fröhlich und ließ mich einfach neben ihn fallen, sodass er etwas rückte um Platz zu machen. Zustimmend nickte er und warf mir einen sanften Seitenblick zu. „Freust du dich, dass wir zusammen bleiben?“ „Was? Natürlich!“ Ich musste lachen aufgrund seiner kleinen Angst in der Tonlage. Ich wüsste doch gar nicht, wie ich ohne ihn sein konnte aber das würde ich ihm nicht auf die Nase binden, sonst würde er noch eingebildet werden. „Ich hab dich auch lieb.“ Sprach ich nun ganz frei, da er diese Tatsache ja auch gestern erst zugegeben hatte und lehnte mich mit dem Kopf an seine Schulter sodass er wieder leicht rote Wangen bekam, jedoch diesmal nicht zurückwich. Stattdessen griff er mit leicht zitternder Hand nach meiner die auf seinem Knie lag. „Ich will immer bei dir bleiben, Suzu.“ „Ich auch bei dir, Kyu.“ Mehr als entspannt schloss ich die Augen und ließ mir die herbstliche Brise um die Nase wehen während ich zum ersten Mal seit über 4 Jahren daran glaubte, dass alles wieder gut werden würde… Kapitel 3: Winter of the age of 16 - influenza ---------------------------------------------- Hallo Leute! ^^ Nun präsentiere ich euch mal wieder ein neues (langes) Kapitel der Nightdancer-Pastsequenzen Fragt mich bitte nicht, warum mir die Länge ausgerechnet immer in diesen Kapiteln so dermaßen entgleitet, jedoch hoffe ich, dass ihr euch daran nicht zu sehr stört und einfach nur Spaß am lesen habt. Dies ist ein Kapitel ohne wenig Handlung und versucht auch bitte nicht den genauen Sinn zu verstehen da ich ihn selbst nicht so Recht verstehe XD Es soll einfach nur die tiefe Freundschaft und die versteckte, innige Liebe von Suzuna und Kyusuke näher bringen und euch helfen ihre enge Beziehung näher zu verstehen. Viel Spaß beim lesen! *mich verbeug* Eure Mihikoru Story 3: Winter of the age of 16 - influenza In diesem Jahr war die kälteste Zeit in Tokyo besonders früh da. Schon Anfang November wurde die Metropole, mitsamt ihrer hohen Stahlkolosse und Hochbauten unter einer dicken Schneeschicht begraben. Unsere Präfektur hatte es diesmal besonders schlimm getroffen und ein eisiger Wind pfiff durch die Straßen und um die Häuser. Viele Schule hatten wegen des hohen Niederschlags einige Tage geschlossen und selbst die vielen Supermärkte und Einkaufshäuser mussten die Verluste von etlichen Kundenzahlen hinnehmen. „Suzuna!“ Eine leicht gereizte Tonlage ließ mich langsam aus meinem Dämmerschlaf erwachen. „Suzuna! Suzuna…!“ Murrend drehte ich mich - noch halb im Schlaf - auf die andere Seite als ein unerbittlicher Griff mich an der Schulter durchschüttelte. „SUZUNA!! Herrgott noch mal… jetzt wach endlich auf!“ Die Stimme wurde langsam aber sicher wirklich wütend, doch ich scherte mich nicht darum sondern zog mir nur die mollige Decke weiter, bis über die Nase. Konnte man nicht einmal in Ruhe an einem Samstag ausschlafen? „Die schläft wirklich wie ein Stein… Warte eine Sekunde, in Ordnung?“ Undeutlich nahm ich wahr, wie ein kleines Geräusch erklang, so als ob etwas auf meinen Nachttisch gelegt wurde bevor sich ein weiteres Gewicht auf die Kante meiner Matratze niederließ. „Suzuna…!“ Abermals wurde ich an der Schulter gerüttelt, diesmal viel heftiger und bestimmter sodass ein unwilliges Brummen meine Kehle verließ. „Mein Gott… Halleluja, wenigstens eine kleine Reaktion. - Mach die Augen auf, junges Fräulein! Es ist schon nach halb zwölf und außerdem will dich jemand sprechen.“ “Mir egal!” Ebenso gereizt wie mein Adoptivvater umklammerte ich reaktionsschnell meine Decke, die er mir wegziehen wollte. “Wer immer mit mir reden will, soll gefälligst warten bis ich wach bin… ich will noch schlafen!” „Suzuna…!“ Entnervt kniff ich die Augen zusammen. Halb zwölf. Wenn er doch nur eine Ahnung davon hätte, dass ich erst gegen halb sieben Uhr morgens durch das offen gelassene Fenster meines Balkons zurückgekehrt war. Wenn er doch nur dunkle wüsste, dass ich das Haus schon gegen elf Uhr nachts verlassen und etliche Stunden in der eisigen Kälte hatte ausharren müssen. Wenn er doch nur darüber informiert gewesen wäre, dass ich mir die Beine in den Bauch gestanden hatte, während meine Zähne vom eisigen Wind klapperten und meine Beine sich schon ganz taub anfühlten. Wenn er doch nur wüsste… Wenn er doch nur wüsste, dass ich vor wenigen Stunden abermals einen Menschen umgebracht hätte. Doch er hatte von diesen ganzen Dingen ja keinen blassen Schimmer, sowie alle anderen auch nicht. Ich stieß einen mehr als protestierenden Laut aus als Shinji es schaffte mir meine Wärmequelle mit einem Ruck wegzuziehen und diese gen Zimmerboden zu schleudern. „Du… Sadist!“ Beschwerte ich mich empört und setzte mich mit müden Augen auf während er sich mit unbarmherziger Miene erhob und seine Krawatte richtete. „Tatahiko ist am Telefon… sei gefälligst nett zu ihm. - Das Essen steht unten im Kühlschrank, mach es dir einfach in der Mikrowelle warm. Ich bin dann weg.“ Er streichelte mir noch einmal flüchtig über die Wange - die einzige Liebkosung die ich in letzter Zeit von ihm bekam - bevor er mein Zimmer verließ. Mit kleinen Pupillen sah ich ihm verschlafen nach und brauchte einige Zeit um seine wenigen Informationen zu verarbeiten. Schwerfällig griff ich nach dem schnurlosen Apparat der auf meinem Nachttisch lag und ließ mich langsam wieder in mein Kissen zurücksinken. „Ja?“ Sprach ich gedehnt in den Hörer sodass Herr Fuma ein entschuldigendes Schmunzeln von sich gab. „Tut mir Leid, Suzuna. Ich weiß das heute Samstag ist und du eine Langschläferin bist aber ich rufe wegen etwas wichtigem an.“ „Wegen etwas wichtigem? Was ist denn passiert??“ „Es geht um Kyusuke.“ „Was soll mit ihm sein?“ Meinen Kumpel hatte ich doch erst gestern Mittag in unserem Stammcafé getroffen. Dank des vielen Schneefalls war die Schule für uns an diesem Donnerstag und Freitag ausgefallen sodass wir uns zu einer gemütlichen Tasse Kaffee verabredet hatten. Okay, ich hatte Kaffee getrunken und er seinen Tee jedoch lief das irgendwie auf das gleiche hinaus. „Er geht nichts ans Telefon. Im Prinzip sollte ich dieser Sache keine weitere Bedeutung beimessen, denn wahrscheinlich werden die Leitungen Dank des Frost in der Stadt etwas überlastet sein. Jedoch versuche ich ihn schon seit gestern Abend zu erreichen, mehrmals und das vergeblich… Matyiko macht sich Sorgen und ich so langsam auch. Das passt nicht zu ihm.“ „Ja, da hast du Recht.“ Langsam setzte ich mich wieder auf - nun viel wacher als vorher - und begann mir auch etwas Gedanken zu machen. „Ich habe mich gestern noch mit ihm getroffen und gegen späten Nachmittag hat er mich nach Hause gebracht. Er war so wie immer, mir ist nichts besonderes aufgefallen.” „Sicherlich handelt es sich nur um ein Missverständnis. Wenn du so lieb wärst und versuchst ihn zu erreichen?” „Das kann ich schon probieren… ich kann jedoch auch nachher bei ihm vorbeigehen und dir dann bescheid sagen.“ „Das wäre sehr freundlich von dir. Nachdem das Gespräch mit Tatahiko beendet war machte ich mich auf ins Bad um mich kurz zu duschen und mir dann eine dunkle Jeans und einen dunkelblauen Rollkragenpulli überzuziehen. Als ich nach unten in die Küche ging erwartete mich eine verschlossene Kanne Kaffee und eine Tasse auf dem Tisch, unter dem Porzellangefäß befand sich ein Zettel. Guten morgen, Suzuna. Ich bin in einem Meeting unserer Firma. Essen ist im Kühlschrank, du brauchst es dir nur in der Mirkowelle warm zu machen. Deine Mutter hat heute morgen angerufen und gesagt, dass sie wegen des Schneefalls wohl erst am Montag zurückkommen kann. Ihr geht es gut, sie hat sich in einer Pension eingemietet. Bis heute Abend, Shinji Hm… Ach ja, beinahe hatte ich vergessen, dass Eri gestern Mittag mit dem Zug nach Osaka gefahren war wo ein Klassentreffen ihrer alten Kommilitonen statt gefunden hatte. Das Wetter hatte also auch sie erwischt und der arme Shinji musste sich bei diesem Schauer auch noch durch die überfüllten U-Bahnen der Rushhour kämpfen. Mit einem etwas bedauernden Blick legte ich den Zettel beiseite. Er hatte mir schon vorher diese Nachricht geschrieben, was ein netter Zug von ihm war. Jedoch hatten diese Zeilen einen bitteren Beigeschmack. Er nannte mich in letzter Zeit nur noch Suzuna… schon seit einigen Monaten. Früher hatte er mich immer mit meine Kleine angesprochen doch seit meinem ersten nächtlichen Ausflug war unsere Beziehung mehr als steif, beinahe zu sagen, kühl geworden. Und das schlimmste war, dass ich nichts daran ändern konnte. Heftig schüttelte ich den Kopf um diese düsteren Gedanken verfliegen zu lassen. Es nützte ja doch nichts mich deswegen schlecht zu fühlen. In aller Eile stürzte ich zwei Tassen Kaffee hinunter während ich nebenbei kurz den Wetterbericht laufen ließ wo der Kommentator noch mehr Schnee und absinkende Temperaturen für die nächsten Tage ankündigte. Suuu~uuuper… wirklich!! Ich wäre eher darauf erpicht zum Zahnarzt zu gehen als mich bei diesem Wetter ins Nachbar-Viertel von meinem Kumpel durchzuschlagen, jedoch hatte ich Tatahiko ein Versprechen gegeben und er wartete sicherlich gespannt auf einen Rückruf. Matyiko und er machten sich berechtigterweise Sorgen, denn Kyusuke war Niemand der sich aus Unzuverlässigkeit nicht meldete. Sicherlich musste etwas so unberechenbares passiert sein, dass er vollkommen konfus war. Vielleicht war durch den hereinbrechenden Schneefall und durch den gelegentlichen Eishagel eine Scheibe zerstört worden? Vielleicht waren die alten Wasserleitungen gefroren und drohten nun zu platzen? Es gab tausend denkbare Fälle… So stapfte ich einige Zeit später mit kniehohen Stiefeln, dicker Jacke und umgelegten Schal durch die breiten Schneemassen und kämpfte gegen den beißenden Wind an. Das knirschende Geräusch von frischem Schnee kam bei jedem Schritt und ich fühlte mich wie nach einem 100km Marathon als ich endlich vor dem geeisten Gartentor der Fumas ankam. Schrill hallte das Geräusch der betätigten Türklingel bis zu mir nach draußen jedoch regte sich auch nach langen Sekunden des Wartens nichts. Oh warte… wenn der Kerl einen Winterschlaf tätigen wollte würde ich ihm aber einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen! Unbarmherzig ließ ich die Klingel minutenlang penetrant erschallen und stieß einen Fluch durch zusammengebissene Zähne aus als nicht mal ein Knacken im Flur zu hören war. „Kyusuke… du Blödmann!“ Fauchte ich gegen das dunkle Holz und hämmerte mit meiner Faust dagegen. Mir war schweinekalt und dieser Kerl ließ sich noch nicht mal dazu herab mir die Tür aufzumachen. Einige Sekunden grummelte ich verdrießlich in die weiche Wolle meines Schals bevor mir in den Sinn kam den versteckten Ersatzschlüssel aus dem Windspiel zu nehmen. Mit mir selbst ärgerlich über diese späte Idee knallte ich die Tür hinter mir zu nachdem ich im windgeschützten Flur stand und schnappte erschrocken nach Luft. Gott… war das heiß hier!! Dagegen war ja die Kälte richtig erträglich gewesen. Was für eine Hitze! Da bekam man als Frau ja vorzeitige Hitzewallungen!! „Was treibt er nur? - Will er testen wie bombastisch er die Heizkosten in die Höhe treiben kann?!“ Vor mich hinmeckernd schmiss ich meine nassen Stiefel in die nächste Ecke, meine Jacke und den Schal warf ich geschickt über einen der Garderobenhacken während ich in meine persönlichen Hauspantoffeln schlüpfte und den Weg gen Küche einschlug. „Hey, Kyusuke…“ Suchend linste ich durch den Türrahmen, sah im Wohnzimmer nach und klopfte sogar prüfend an die Badezimmertür jedoch hörte und sah ich nichts von meinem Freund. Mit leicht beunruhigtem Gefühl stieg ich die Treppe nach oben in den ersten Stock und fragte mich nun ernsthaft ob mein Kumpel überhaupt zuhause war. Und wenn nein, wo war er dann? Reichlich zögerlich klopfte ich an seine Zimmertür bevor ich die Schiebewand aufdrückte. „Kyusuke…?“ Ein kaum hörbares rascheln erklang und ich seufzte überaus erleichtert, als ich die Abzeichnung seines Körpers unter der Bettdecke erkennen konnte. „Du bist ja doch da. Mann oh Mann! Wieso hast du nicht aufgemacht?“ Beschwerte ich mich nun während ich an seine Schlafstätte trat. „Dein Vater hat mich vorhin angerufen, er war besorgt weil du nicht ans Telefon gegangen bist. Jetzt musste ich mich wegen dir Schnarchnase durch den Schnee kämpfen. Weißt du eigentlich wie kalt es draußen ist? Davon bekommst du natürlich nichts mit, du lebst in einem Dampfdrucktopf… so heiß ist es hier drin. - Hörst du mir überhaupt zu? Seit wann pennst du eigentlich solange? Hast du gestern Abend bis spät in die Nacht deine komischen Reportagen geguckt?“ Mein Redefluss versiegte als ein dumpfes Stöhnen unter der Decke hervorkam. Kritisch zog ich eine Braue hoch. Was zum Teufel…? „Kyu?“ Vorsichtig, etwas ängstlich kniete ich mich hin und streckte zögerlich die Hand nach seinem abgewandten Rücken aus. „Kyu… Alles in Ordnung mit dir?“ Dasselbe Geräusch wie gerade eben erklang und so langsam bekam ich wirklich Angst. Diese Geräusche… die kannte ich doch. Behände fuhr ich mit einer Hand unter die Decke um vorsichtig seine bedeckte Schulter zu umfassen. Meine Augen weiteten sich… seine Haut glühte unter dem Pyjamaoberteil, ich konnte es spüren. „Kyusuke… Hey…!“ Sacht umfasste ich seine Schulter fester um ihn auf die Seite zu drehen. Sofort stach mir ein glühend rotes Gesicht ins Auge das in einem sichtbaren Dämmerschlaf schmerzvoll keuchte. Einige Sekunden kniete ich wie eingefroren da bevor sich meine Pupillen in stummer Erkenntnis weiteten. „Scheiße!“ Wie vom Teufel persönlich gejagt hechtete ich aus dem Zimmer und polterte die Treppe nach unten wo ich hastig in meine Sachen schlüpfte und mit einem lauten Knall der Tür das Haus verließ. Die weiße Pracht stob neben meinen rennenden Bewegungen heftig auf als ich mir keuchend und verschwitzt den schnellsten Weg zu einer nahe gelegenen Apotheke suchte. Kyusuke hatte es anscheinend schwer erwischt; er hatte hohes Fieber, Schüttelfrost, vielleicht sogar Hals- und Gliederschmerzen… er brauchte Hilfe! Eine Computerklingel die auf Bewegungen reagierte sprang an, als ich die wegschwenkenden Schiebetüren des Ladens betrat und mir hechtend einen Weg zu einen der drei Schaltern bahnte. „Ich brauch Schmerzmittel!“ Presste ich durch meine brennenden Lungen hervor sodass mich der weiß gekleideter Verkäufer in seinem langen Arbeitskittel aus erhobenen Brauen ansah. „Wie meinen?“ „Schmerzmittel… kein läppisches Aspirin sondern richtig harte Sachen! Mein Freund liegt mit einer schweren Erkältung bei sich daheim, er hat hohes Fieber und braucht dringend Antibiotikum!!“ „Zuerst einmal - junges Fräulein, ist eine Begrüßung angemessen, wenn man in einen Laden tritt und zum anderen, kann ich dir nicht einfach rezeptfrei stärkere Pillen verschreiben. Da muss dein Freund eine Praxis aufsuchen.“ „Hören Sie nicht zu oder haben sie Schnee in den Ohren? - Er liegt mit hohem Fieber allein zu hause und kann sich nicht rühren… er ist im Fieberwahn und kann wohl kaum eine Praxis aufsuchen. Abgesehen davon, werden die Wartenlisten für einen Ärztecheck wohl mehr als überfüllt sein!“ „Dann kann ich dir leider nur schwächere Pillen oder ein Aspirin verschreiben.“ „Er braucht was richtiges! Antibiotika… sind Sie taub oder einfach nur dämlich?!“ „Ich muss doch sehr bitten!“ „Ja, ich muss auch sehr bitten! Was sind sie eigentlich für eine Apotheke, wenn Sie den Kranken nicht helfen?“ Auf meinen sichtlich erhöhten Wutausbruch schürzte der ältere Mann missbilligend die Lippen. „Ohne ärztliches Schreiben kann ich dir keine stärkeren Medikamente mitgeben. Noch nicht mal dann… du bist Minderjährig und ein Erziehungsberechtigter müsste diese dann holen.“ Uhhhaaa!! Kotzte mich das alles an! Da lag Kyusuke halb bewusstlos und mit gefährlich hohem Fieber im Bett und die Gesetze schrieben vor, dass man diesen erst zum Arzt schleppen musste um ein qualifiziertes Attest zu erhalten… kein Wunder das die Rate der kranken Verstorbenen jährlich immer höher stieg!! „Dann helfen Sie mir eben nicht aber wenn er wegen Ihren dummen Vorschriften draufgeht, schicke ich Ihnen die Bestattungskosten!!“ Mit diesen fauchenden Worten stapfte ich wütend aus der Apotheke während mir der Verkäufer mit sichtlich irritierter Miene nachsah. Mit eintretendem Seitenstechen spurtete ich zurück zum Haus der Fumas wo ich eine heillose Unordnung aus gefrorenem Schneematsch und Dreck im Flur verteilte während ich meine Jacke, meinen Schal und meine Stiefel in irgendeine Ecke warf und zum Telefon hechtete. Mit rasselndem Atem wählte ich mit flinken Fingern die Handynummern meiner Adoptivmutter und wartete mit ungeduldigen Bewegungen auf das Freizeichen. „Eri Yakamura?“ „Kyusuke hat hohes Fieber! Ich war gerade in der Apotheke aber der blöde Angestellte dort, wollte mir keine gescheite Medizin geben…“ „Suzuna…?“ „… er hat irgendetwas gesagt von, dass ich noch Minderjährig sei und er mir keine stärkeren Mittel verschreiben dürfte. Ich solle Kyusuke zu einem Arzt bringen - spinnt der?! Er liegt oben in seinem Zimmer und glüht stärker als eine beleuchtete Christbaumkugel…“ „Moment mal…“ „… Ich weiß nicht, was ich tun soll! Ich habe doch von so etwas keine Ahnung! Shinji ist in seiner Sitzung und Tatahiko ist mit Matyiko auf dieser Reise. Er hat vorhin bei mir angerufen und mich gebeten nach Kyusuke zu schauen. Was soll ich denn jetzt bloß machen? Sag es mir!“ „Du solltest dich zuerst einmal beruhigen und tief durchatmen. Wenn du einfach so drauf los plapperst verstehe ich gar nichts. Also, noch einmal von vorne: Kyusuke liegt mit Fieber zu hause, seine Eltern sind auf dieser Reise und Tatahiko hat dich vorhin angerufen damit du nach ihm siehst?“ „Ja, denn er ist seit gestern Abend nicht mehr ans Telefon gegangen.“ „Verstehe… Shinji ist in seiner Firma und du hast versucht Medikamente aufzutreiben.“ „Ja, aber der Verkäufer wollte mir kein Antibiotika verschreiben.“ „Da hat der gute Mann ja auch Recht.“ „Auf welcher Seite bist du eigentlich?!“ „Beruhige dich, Suzuna.“ „Wie denn? Wie soll ich das denn? Ich habe noch nie im Leben einen Kranken gepflegt und ich bin selber zu weggetreten gewesen, wenn ich einmal krank war und du mich gepflegt hast.“ „Versuch trotzdem ruhig zu bleiben. Ich werde dir jetzt gleich sagen was du zu tun hast und ich werde deinen Vater anrufen - Meeting hin oder her - nicht, dass du dich bei Kyusuke noch ansteckst.“ Einige Viertelstunde später sauste ich - schwerer bepackt als jeder Bergsteiger und schneller als jeder Langstreckenläufer - abermals die Treppe nach oben und in Kyusukes Zimmer. Mein Kumpel lag noch immer mit glühendem Gesicht und schwerem Atem auf seiner Schlafstätte und wälzte sich abwesend hin und her. In stiller Hektik platzierte ich die Plastikschüssel, die ich in der Küche mit kaltem Wasser gefüllt hatte, neben seinem Bett und legte den mitgebrachten Lappen und das Tablett mit dem zubereiteten Tee - zum Glück waren Fertigbeutel im Haus gewesen - daneben. „Okay, das haben wir gleich.“ Murmelte ich mit raschen Atem vor mich hin und hechtete zum Zimmerfenster um es ganz aufzuschieben. „Lass frische Luft ins Zimmer, auch wenn es dir eiskalt erscheinen mag. Kyusuke braucht frischen Sauerstoff…“ Erinnerte ich mich an die Tipps von Eri während ich die dünne Sichtwand nach unten zog, damit kein Schnee ins Zimmer fallen konnte. „Halte ihn nur schön warm. Das hört sich abstrus an, aber Kyusuke muss schwitzen. Er muss das Fieber rausschwitzen, wenn er keine Medikamente hat die ihm dabei helfen muss das sein Körper allein schaffen…“ Gewissenhaft zog ich die dicke Daunendecke von Kyusuke zurecht und legte ihm vorsichtshalber noch eine Zudecke aus seinem Kleiderschrank dazu, damit er auch ja warm gehalten war und schwitzte, genau wie es mir meine Adoptivmutter aufgetragen hatte. „Flüssigkeit ist das A und O. Er muss sehr viel trinken, versuch ihn wenigstens kurz wach zu bekommen damit er einige Schlucke herunterbekommt…“ Sacht rüttelte ich an seiner Schulter und hoffte, dass er wenigstens die Augen aufschlagen würde. Ein Mitleid erregendes Stöhnen war zu hören bevor sich zögernd die Lider nach oben öffneten und mir Sicht auf fiebrig glänzende Smaragde gab. „Hey…“ Wisperte ich mit klopfenden Herzen während ich mit zittrigen Händen einige Schlucke Tee in die vorbereitete Tasse schüttete. Kyusuke hustete markerschütternd bevor er leicht den Kopf zur Seite neigte. „Suzu…?“ Seine Stimme war mehr als schwach und kratzig und ich hörte die unheimliche Anstrengung daraus nur einen Ton zu Stande zu bringen. „Ja. Ja, ich bin‘s. Mach dir keine Sorgen. Ich werde mich jetzt um dich kümmern.“ Tapfer nickte ich während ich ihn wohlweißlich im Nacken stützte damit er einige kleine Schlucke von dem Teegetränk zu sich nehmen konnte. „M-Meine Eltern…?“ Stammelte er nun von Fieber geschüttelt sodass ich das mitgebrachten Tuch in die gefüllte Schüssel tauchte und es auswrang. „Sie haben sich Sorgen um dich gemacht, weil du nicht ans Telefon gegangen bist. Deswegen bin ich jetzt hier, ich werde sie gleich benachrichtigen. - Mach dir keine Sorgen, versuch lieber etwas zu schlafen.“ Vorsichtig wischte ich mit dem kalten Tuch über sein schweißnasses Gesicht sodass er wohltuend die Augen schloss und ein kurzes Lächeln seine Lippen umspielte. „D-Danke…“ „Keine Uhrsache.“ Das sagte ich in diesem Moment so leicht. Dabei war ich selbst total konfus und fühlte mich restlos überfordert. Ich konnte doch gar keinen Menschen gesund pflegen… so etwas hatte ich noch nie gemacht! Wenn ich nun irgendetwas falsch machte? Nicht auszudenken. Einen Blick in das Gesicht meines kranken Kumpels zeigte mir, dass er schon wieder fest eingeschlafen war. Er war wirklich vollkommen weggetreten. Seufzend erhob ich mich, um das Fenster wieder zu schließen da Eri mich beordert hatte nur alle Stunde für ein paar Minuten frische Luft hineinzulassen. Wie geschlagen zuckte ich zusammen als das Telefon im Erdgeschoss klingelte. Das wird Eri sein! - Schoss es mir durch den Kopf und ich hechtete die Treppe nach unten um abzunehmen. „Suzuna Yakamura? Äh, ich meine… Fuma… Suzuna Yakamura bei Fuma am Apparat.“ Stotterte ich total durch den Wind. „Suzuna… ich bin‘s doch nur.“ Erklang sogleich die beruhigende Stimme meiner Adoptivmutter sodass ich erleichtert seufzte. „Gott sei Dank… Eri, ich kann das wirklich nicht.“ „Bleib doch bitte endlich ruhig, Suzuna. Dir wird nichts anderes übrig bleiben. Tatahiko und Matyiko werden erst morgen Abend zurückkommen.“ „Was? Hast du mit den beiden telefoniert?“ „Ja, bis gerade eben. Wegen dem Niederschlag können die beiden nicht früher zurückkommen, die Zugverbindungen sind vollkommen eingesunken und auch Shinji steckt inmitten seiner Linie fest.“ Entnervt fasste ich mir an die Stirn. „Er also auch? Dieser dumme, dumme Schnee!“ „Suzuna, beruhige dich…“ „Ich will mich aber nicht beruhigen!“ Fauchte ich nun überdeutlich in den Hörer und stieß einige wirklich unflätige Flüche aus. „Dieser blöde Schnee… oah! Ich hasse ihn!!“ „Den Schnee zu verfluchen wird dir nicht weiterhelfen. Halte dich einfach an meine Anweisungen: Frischer Sauerstoff, Wärme, Flüssigkeit und das Fieber wird bis heute Abend schon beträchtlich gesunken sein.“ „Und was wenn nicht?“ „Es wird sinken… bis morgen wird es ihm besser gehen. - Hat er was gesagt?“ „Es war vielmehr ein Krächzen.“ Informierte ich nun tonlos während ich nervös an den Enden meines Pullovers zupfte. „Er hat nach mir und seinen Eltern gefragt, darauf habe ich ihm kurz alles erzählt und gesagt, dass ich mich um ihn kümmere und er schlafen soll.“ „Gut… sehr gut. Das wird schon. Du schaffst das, Suzuna, ganz sicher.“ „Da bin ich mir nicht so sicher.“ Ganz und gar nicht sicher… „Doch, du wirst schon sehen und falls etwas sein sollte, kannst du mich jederzeit anrufen. - Überprüf seine Temperatur sobald er das nächste Mal wach wird, in Ordnung?“ Aufmerksam nickte ich. „Okay.“ Die Zeit verstrich für meine Verhältnisse elend langsam und zog sich noch zäher als ausgelutschter Kaugummi. Stumm und nichts tuend kniete ich vor Kyusukes Schlafstätte und hing meinen Gedanken nach während die tickenden Zeiger der Uhr über der Tür nur langsam vorankamen. Ich hatte meinem Kumpel versprochen für ihn da zu sein, mich um ihn zu kümmern deswegen wagte ich nicht es mir unten im Wohnzimmer gemütlich zu machen aus Angst, er könnte bei seinem nächsten Aufwachen annehmen, ich wäre gegangen. Abgesehen davon, hätte ich mich sowieso auf kein Fernsehprogramm konzentrieren können. Auf lesen hatte ich gar keine Lust und ansonsten fiel mir nichts wirklich sinnvolles ein so tat ich gar nichts und starrte einfach nur ins Leere. Irgendwann - War es später Mittag? - regte sich der Körper von Kyusuke ungewöhnlich häufig und die grün schimmernden Iriden öffneten sich ein weiteres Mal. „Hey, ich bin immer noch da.“ Trieb ich leise sprechend meine Scherze während ich das Tuch auf seiner Stirn nun schon zum dutzenden Mal erneuerte und ihm kurz über die Wange strich. Ich konnte nicht sagen ob es eine Einbildung war oder von seinem Fieber herrührte, jedoch nahm die ungesunde Röte auf Kyusuke Stirn um einige Nuancen zu. „Mach dich nicht über mich lustig.“ Nuschelte er nun mit rauer Stimme und hustete kurz. „Du siehst wirklich beschissen aus.“ Sprach ich nun neckend um die Situation zwischen uns zu lockern sodass er mir einen überaus beleidigten Blick zuwarf. „Ja, so fühle ich mich auch… Scherzkeks.“ Verlegen lächelte ich und hielt ihm wieder die Tasse mit Tee - wieder frisch zubereitet - vor die Nase. „Hier… Eri hat gesagt, dass du viel trinken musst.“ „Da hat sie wohl Recht.“ Kommentierte Kyusuke und stützte sich zu meiner grenzenlosen Verblüffung auf einen Ellenbogen auf um nun selbst die Schale zu ergreifen und diese leer zu trinken. „Du solltest dich nicht überanstrengen.“ Riet ich ihm nun ehrlich besorgt doch er winkte nur ab. „Ach, das ist eine stinknormale Erkältung, nichts weiter. Schon gestern bin ich früh ins Bett, weil ich mich so angematscht gefühlt habe und heute morgen ging es mir wirklich mies. - Jetzt fühle ich mich schon besser.“ „Aber dein Fieber ist noch nicht mal um ein Grad gesunken, also leg dich wieder hin.“ Befahl ich trocken damit er ja nicht auf die Idee kam aufzustehen. Offenbar hatte dies mein Kumpel auch gar nicht vor, denn er ließ sich mit verschränkten Armen wieder auf seine Liegestätte sinken. „Du solltest nach hause gehen.“ Gab er nun mit angeschlagener Stimme jedoch mit festem Blick zurück sodass ich ihn einige Augenblicke wie überrannt ansah. War das sein Ernst? „Nichts da! Ich habe versprochen, dass ich mich um dich kümmern werde!“ Widerstritt ich nun vehement. „Oder willst du mich etwa loswerden?“ „Dummchen… das ist es nicht.“ Aus starren Iriden bedachte er mich kurz und hustete einige Male angeschlagen. „Du siehst auch nicht gerade aus wie ein erblühter Strauß Rosen.“ „W-Was soll denn das wieder heißen?!“ Uhh! Dieser Kerl…!! Kyusuke schaffte es sogar mit Fieber und sichtlicher Erkältung mich gen Zimmerdecke zu treiben. „Du siehst müde aus… sogar richtig angeschlagen. Du steckst dich nur bei mir an.“ „Das lass mal meine Sorge sein!“ Gab ich nun hitzig und nahm das Tablett mit dem Tee zur Hand. „Schließ lieber wieder die Augen und ruhe dich aus. Ich werde nämlich nirgendwo hingehen!“ Mein Kumpel runzelte die Stirn. „Ich werde dich nicht vom Boden aufheben, wenn du zusammen brechen solltest.“ „Fass dir an die eigene Nase!“ Mit diesen Worten schlug ich die Schiebetür nachdrücklich ins Schloss und stapfte hinunter in die Küche um neuen Tee aufzusetzen. Dieser Kerl! Da kümmerte man sich aufopferungsvoll um ihn und er tat nichts anderes als sich zu beschweren. Typisch für ihn!! Wenige Zeit später pfiff der Teekessel mit solch einer ohrenbetäubenden Lautstärke wie sich auch meine Nerven anfühlten. Ich war mehr aus unausgeschlafen und demnach gereizt und Kyusuke hatte nichts besseres zu tun als meine dünne Geduld noch mehr in die Länge zu ziehen. So ein blöder, blöder Baka![1] - Schoss es mir dauernd durch den Kopf während ich das Heißgetränk umfüllte und wieder auf das Tablett stellte. Ein durchdringendes Piepsen ließ meine Gedanken verpuffen und ich brauchte einige Zeitlang um zu begreifen, dass mein Handy eine Kurzmitteilung empfangen hatte. Mein Herz setzte kurz aus als ich beim öffnen den vertrauten Satz zu lesen bekam. 100/Tora „Hackt heute eigentlich jeder auf mir rum?!“ Wehklagte ich in die Stille der Küchenzeile während ich schon mit riesigen schritten zum Telefon stürzte und hektisch eine vertraute Nummer eingab. Es tutete mindestens 8 mal bis meine Freundin abnahm. „Rey Honami?“ „Ich kann nicht verstanden? Sag Tora, dass er das mit dir alleine machen muss oder eben ganz alleine. Ich kann mich nicht klonen und zweiteilen schon gar nicht also soll er alleine umlegen… wenn auch immer!!“ Fauchte ich mehr als gereizt in die Hörer sodass am anderen Ende der Leitung eine kurze Pause entstand. „Suzuna…?“ „Wer denn sonst?“ Obwohl sie es nicht sehen konnte stemmte ich missgestimmt eine Hand in die Hüfte. „Oder hältst du mich für deinen Versicherungsvertreter der mit dir den regelmäßigen Nachtmord bespricht?“ „Entschuldige, dass ich etwas verwirrt wird.“ Erwiderte sie nun höchst pikiert und schnaubte abfällig. „Ich weiß ja noch nicht mal wovon du eigentlich redest. Verzeih meine Blödheit.“ „Ich rede von der Mail die mir tora gerade eben geschrieben hat. - Kyusuke liegt mit einer riesigen Erkältung bei sich daheim, ich bin bei ihm und muss ihn gesund pflegen da seine Eltern nicht da sind. Er muss den Auftrag alleine unter Dach und Fach bringen.“ „Unser Herr und Meister wird sich nicht gerade überschlagen wenn er das hört. Kannst du deine Krankenschwesternummer nicht auf morgen verschieben?“ „Nein, kann ich nicht!“ Giftete ich zurück, wurde noch wütender da sie mich mal wieder nicht ernst nahm. „Ich war gestern Abend schon dran und jetzt kannst du dir mal wieder die Nacht um die Ohren schlagen. Wo warst du gestern eigentlich?“ „Verzeih bitte vielmals… ich hatte heute früh eine wichtige Präsentation in unserer Firma! Es gibt Menschen die arbeiten müssen.“ „Du sagst es, also erledigt das unter euch oder wie auch immer aber lasst mich diesmal raus und tora soll es ja nicht wagen mir vor nächster Woche wieder eine Mail zu schicken!!“ Ehe Rey dazu noch etwas sagen konnte drückte ich den Knopf zum Abbruch des Gesprächs und verschwand heftig schnaubend in der Küche. Seit meinem Eintritt in die Organisation hatte ich nie gewagt auch nur einen Auftrag abzulehnen, egal wie müde ich war oder ob ich unter enormen Zeitpunkt gestanden hatte aber diesmal musste ich mal einen Strich setzen. Sollte Tora doch darüber denken wie er wollte, wenn er mir blöd kam, würde ich ihn mit einem meiner Strangulierseile kalt machen!! „Hier, ich habe dir frischen Tee gemacht obwohl du es eigentlich nicht verdient hast.“ Sprach ich tonlos als ich wieder in Kyusukes Zimmer trat und stutzte als ich meinen Freund wieder tief schlafend vorfand. „Er ist eingeschlafen…“ Ratlos sah ich auf das dampfende Heißgetränk auf dem Tablett in meiner Hand und zuckte schließlich lächelnd mit den Schultern. Na ja, sollte er ruhig schlafen. Die Hauptsache war, dass es ihm bis morgen wieder besser hing. Hoffentlich… Am nächsten Morgen weckten mich die hereinbrechenden Strahlen der Sonne und das anhaltende Gezwitscher der Vögel. Mit müden Augen erkannte ich erschrocken, dass ich in einer vorgebeugten knienden Position tatsächlich eingeschlafen war. Zwar konnte ich mich noch daran erinnern, dass ich gegen späten Abend noch neben meinem schlafenden Kumpel verweilt hatte jedoch war es meine Absicht gewesen auf der Couch zu nächtigen. Ich konnte mich ehrlich gesagt nicht mehr richtig daran erinnern, wann mir die Augen zugefallen waren. So etwas blödes! Brummelnd streckte ich meine müden Glieder und drückte meinen schmerzenden Rücken durch während ich an das Fenster trat um dieses zu öffnen. Der Schnellfall hatte inzwischen nachgelassen und der morgendliche Tau sorgte dafür, dass die liegen gebliebene weiße Pracht wie tausend weiße Kristalle im Licht funkelten. Wenn ich mich nicht so schlapp und ausgelaugt gefühlt hätte, hätte ich darüber sicherlich verzückt gelächelt. Ein bekanntes rascheln ließ mich wieder nach hinten sehen und ich erkannte, das Kyusuke ebenso erwacht war und seine Augen rieb. „Suzuna…? Du bist ja immer noch da. Hast du etwa die ganze Nacht hier geschlafen??“ „I-Ich wollte gerade nach dir sehen. Ich habe auf der Couch übernachtet.“ Wandte ich nun hastig und mit rotem Kopf ein da es mir mehr als peinlich war, dass ich neben ihm eingenickt zu sein schien. Ein langer Blick aus grünen Iriden traf mich. „Und warum sind deine Klamotten dann so zerknittert?“ Oh Mist! „Ist doch klar… ich habe darin geschlafen. Ich konnte mich doch nicht einfach im Kleiderschrank deiner Mutter bedienen.“ Rettete ich nun geistesgegenwärtig eine peinliche Misere sodass er nur stumm nickte. „Geht es dir denn inzwischen besser?“ Erkundigte ich mich fürsorglich obwohl ich an seinem wesentlich ausgeruhten Gesicht und an seiner normalen Tonlage hörte, dass es wohl so sein musste. Wie erwartet kam ein Nicken zurück. „Ja. Ich denke, ich kann aufstehen.“ „Zuerst isst du erst einmal was. Shinji hat mir gestern Abend Gemüsesuppe und Reis vorbeigebracht, das werde ich dir machen. Du brauchst also keine Angst zu haben, das ich koche.“ Erklärte ich nun mit einem beschwingten Lächeln und wollte mich damit anschicken das Zimmer zu verlassen als mir plötzlich und ganz unerwartet schwarz vor Augen wurde. Ich strauchelte und hielt mich mit letzter Reaktion an seinem Kleiderschrank fest. „Suzu…? Alles in Ordnung??“ „Ja. Ja, klar…“ Schwach nickte ich und versuchte meine fünf Sinne wieder zusammen zubekommen. Einige Sekunden sah ich wie durch eine trübe Wand bevor meine Sicht langsam wieder klar wurde. Was war denn das gewesen?“ „Du solltest dich hinlegen.“ Riet mir nun Kyusuke, der sich auf seine Schlafstätte aufgesetzt hatte doch ich winkte ab. „Ach was. Meine Beine waren nur eingeschlafen, dass ist alles.“ Mit langsamen Schritten verließ ich das Zimmer, damit mir so etwas wie eben ja nicht noch einmal passierte bevor ich mich vor der Treppe einige Sekunden heftig atmend gegen die Wand lehnte. Mir war auf einmal so schwindelig? Ich würde doch nicht auch noch krank werden, oder? Das konnte ich mir nicht leisten! Vorsichtig stieg ich Stufe um Stufe nach unten als mich ein weitere Schub überrollte und sich alles zu drehen begann. Dumpf kam ich mit den Knie voraus auf dem Boden auf und keuchte. Von oben hörte ich das öffnen der Schiebetür und Schritte die sich ankündigten. „Suzuna…?“ „Alles okay!“ Stieß ich mit rasselndem Atem hervor während ich Mühe hatte meine Augen offen zu halten. Meine Arme verloren an Kraft und ich spürte wie ich nach vorne wegkippte und nichts dagegen machen konnte. „Mein Gott… SUZU!!“ Abermals verlor ich mich in Schwärze und verschwand darin… Als ich das nächste Mal erwachte herrschte ein wahres Trommelkonzert in meinem armen Kopf und ich kniff leise stöhnend die Augen zusammen. „Oh Mann…“ Beschwerte ich mich und hielt mir meine pochende Stirn als sich plötzlich ein kühles Tuch auf diese legte. „Beweg dich lieber nicht zuviel und das aufstehen kannst du gleich vergessen.“ Erschrocken riss ich die Augen auf und fand das Gesicht von Kyusuke unmittelbar vor meinem. „Kja! Was machst du da?!“ „Ich wechsele das Tuch auf deiner Stirn.“ Teilte er mir tonlos mit während er mir einige verrutschte Strähnen nach hinten strich. „Du glühst nämlich wie ein Holzscheit und du bist vorhin zusammen gebrochen, falls du dich nicht mehr erinnern solltest.“ Hektisch ließ ich meine Pupillen durch den Raum wandern; ich war in Kyusukes Zimmer aber was noch viel wichtiger war: Ich lag mit ihm in seinem Bett, unter seiner Decke!! Äh… Hilfe…?? „Sagtest du nicht, dass du mich nicht vom Boden aufheben würdest?“ „Das sagte ich wohl aber dann habe ich es mir anders überlegt. Das gibt nur Flecken, wenn du zulange rum liegst.“ Empört verengte ich meine Iriden. Dieser…!! „Es wäre passender, wenn du dich bei mir bedankst anstatt mich zu beschimpfen. Immerhin habe ich dich ins Bett getragen und dir andere Klamotten angezogen.“ „D-Du hast mich ausgezogen…?“ Vollkommen überfordert sah ich an mir herunter und erkannte, dass ich einen roten Damen Pyjama anhatte. „Ich habe dich umgezogen und keine Sorge, ich habe nicht zu sehr hingeschaut aber deine Klamotten waren ganz durchnässt von deinem Schweiß, ich musst dich umziehen.“ Informierte er nun mit leicht geröteten Wangen während ich ihm einen giftigen Blick zukommen ließ. „Trag mich sofort nach unten auf die Couch.“ „Den Teufel werde ich tun! Weißt du eigentlich, wie anstrengend es für mich war dich hier her zu tragen? Wenn du unbedingt nach unten willst, dann lauf doch selbst!“ Er wusste genau so gut wie ich, dass ich dies nicht tun würde. Eher nicht tun konnte da ich mich viel zu schwach fühlte. Meine Glieder fühlten sich an wie Wackelpudding und ich zitterte trotz des warmes Stoffs an meinem Körper wie Espenlaub. „Ich habe dir doch schon gestern gesagt, dass du nach hause gehen sollst. Du warst vollkommen angeschlagen und hast dich deswegen sofort bei mir angesteckt. Jetzt musst du wohl oder übel hier bleiben.“ „Du könntest dich wenigstens bei mir bedanken, du Holzkopf! Immerhin habe ich mich um dich gekümmert!“ Fauchte ich mit hochrotem Kopf zurück sodass er die Lippen zusammen kniff. „Das weiß ich selbst! - Danke…“ Fügte er dann grummelnd nach einigen Sekunden hinzu sodass ich geschlagen seufzte. Mann, war mir schwindelig. „Ich hab durst.“ Mir war nicht Recht klar, dass ich diese Aussage laut ausgesprochen hatte bis sich Kyusuke aufsetzte und über mich griff um nach einer dampfenden Teeschale zu greifen. Sowie ich es bei ihm gestern getan hatte, half er mich aufzusetzen und stützte mich während ich mit bebenden Händen trank. „Danke.“ Kraftlos ließ ich mich auf das weiche Lager zurückfallen während er gewissenhaft die Decke über uns ausbreitete und sich wieder neben mich legte. Mit klopfenden Herzen schloss ich die Augen und versuchte mich wieder in den Schlaf treiben zu lassen obwohl ich nur daran denken konnte, wie nah er mir mit einem mal war. Ich vernahm das regelmäßige heben und senken seines Brustkorbs und atmete seinen vertrauten Duft ein. Er war mir zu nah, gefährlich nahe… Seit ich vor knapp 2 Jahren in die Organisation eingetreten war hatte ich immer wieder Versuche gestartet ihn so weit wie möglich von mir zu stoßen… doch irgendwie hatte es nie geklappt. Ich wusste schon lange, dass die steigende Nervosität und das laute Klopfen in meiner Brust daher rührte, dass ich mehr als Zuneigung zu ihm empfand und es mich endlich dürstete ihm zu sagen, was ich für ihn empfand. Jedoch wusste ich ebenso gut, dass er meine Gefühle wohl nie erwidern würde selbst, wenn die Tatsache das ich eine Killerin war nicht zwischen uns gestanden hätte. Kyusuke hatte nie Andeutungen in diese Richtung gemacht. Er behandelte mich weder netter noch zuvorkommender als jeden Anderen auch. Manches mal kam es mir so vor als betrachtete er mich nur als kleine Schwester auf die er aufpasste und die er liebte. Aber das machte nichts. Solange ich in seiner Nähe bleiben durfte war mir dieser nagende Schmerz recht, der sich mehr und mehr in meinen Empfindungen ausbreitete. Solange er bei mir war, war noch alles gut… vorerst… „Suzuna? Wenn dir kalt ist, kannst du ruhig näher an mich ranrutschen.“ Wisperte er mit einem Male sodass ich meinen ganzen Mut zusammen nahm und dieser Aufforderung Folge leistete. Mein Herz hüpfte mir bis in die Kehle und ich hatte Angst, er müsste es hören als er die Arme um mich schlang und mich an seine warme Brust zog. „Bis heute Abend wird es dir bestimmt besser gehen, dass verspreche ich dir.“ Flüsterte er nun abermals leise und strich mir durch die Haare. „Jetzt pflege ich dich gesund, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“ Schamvoll vergrub ich meinen Kopf in seinem Oberteil als er mir einen behutsamen Kuss auf die Stirn hauchte. „Du hast mir vorhin einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Pass das nächste mal besser auf dich auf, okay?“ Stumm nickte ich und schloss selig lächelnd die Augen. Ich liebte ihn so. Er war einfach das Beste, was mir je passiert war. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Gegen Nachmittag weckte uns beide ein Knacken vom Erdgeschoß her und als Kyusuke aufstand um nachzusehen erkannten wir mit Freuden das seine Eltern frühzeitig zurückgekommen waren. Matyiko hatte sich solch ernstliche Sorgen gemacht das sie selbst ihr Mann nicht aufhalten konnte bei ihrem festen Plan einen früheren Shinkansen[2] zu nehmen und nachdem sich die Wetterverhältnisse seit heute früh gebessert hatten, war den beiden das Glück hold gewesen und sie konnten abreisen. Die beiden bedankten sich überschwänglich bei mir für die Pflege ihres Sohnes während Matyiko sofort alle Koffer stehen ließ um in der Küche ein energiegeladenes Essen für uns zu machen. Kyusuke und ich waren noch viel zu erschöpft um an ausreichende Mahlzeiten zu denken jedoch taten wir ihr den Gefallen und aßen einige Bissen bevor wir wieder tief und fest einschliefen. Am nächsten Morgen - gegen 9 Uhr - ging es uns beiden wieder viel besser. Da mein Kumpel einen Tag mehr zum ausruhen gehabt hatte, spazierte er schon wieder fröhlich pfeifend durch die Wohnung während ich auf der Couch saß, in einer Decke eingewickelt und noch immer Matyikos Pyjama an während ich mir meinen ersten Kaffee seit zwei Tagen gönnte. Tat das gut! „Suzuna? Ich denke, ihr könnt sie gegen Abend abholen, Eri. Der Kleinen geht es wieder prächtig.“ Sprach Kyusukes Mutter in den Hörer während mein Kumpel den Frühstückstisch deckte und Tatahiko seine Zeitung studierte. „Ich bringe sie schon nach hause.“ Informierte nun mein Kumpel einwerfend sodass Matyiko hastig umschwenkte. „Hast du gehört? - Kyusuke bringt sie nach hause aber erst nach dem Abendessen. Ich habe extra ein würziges Rindfleischgericht gemacht, damit die beiden wieder zu Kräften kommen. Dieser Schneefall war wirklich schrecklich. Gott sei Dank, konntest du gestern auch endlich heimkehren…“ Während sie mit meiner Adoptivmutter nach weiter die Ereignisse des letzten Tages austauschte vibrierte in meiner Hose ein weiteres mal das Handy. So unauffällig wie es ging fischte ich es hervor und öffnete die eingegangene Mitteilung. Gute Erholung, neko! Vielleicht solltest du dich nach einem anderen Beruf als Krankenschwester umsehen. Normalerweise steckt man sich nicht bei seinem Patienten an. Tora. Mit zuckenden Augenbrauen kniff ich die Lippen zusammen. Gemeiner Schuft! „Wer hat dir denn geschrieben?“ Hastig verschloss ich die Nachricht als Kyusuke sich mit einem Male über mich beugte. „Ach, das war nur Rey. Du kennst doch Rey?“ Lächelnd sah ich ihm entgegen. „Ich habe sie gestern angerufen um unsere geplante Shoppingtour abzusagen, weil ich dich ja gesund pflegen musste. Sie hat eben gefragt wie es dir geht.“ „Ihr wolltet bei diesem Schnee einkaufen gehen?“ Kyusuke sah mich kopfschüttelnd an. „Ihr spinnt doch!“ Wortlos streckte ich ihm nur die Zunge heraus, sodass er mir einen bösen Blick zuwarf. „Habt ihr das schon gehört?“ Wandte sich mit einem Male Tatahiko an uns während er auf einen Artikel in der Zeitung deutete. „Gestern Nacht wurden drei große Firmenbosse tot in ihrem Hotelzimmer aufgefunden. Sie waren auf einer Geschäftsreise hier in Tokyo tätig. Gegen Mitternacht hallten Schüsse durch das Stockwerk jedoch kam jede Hilfe zu spät. Die Polizei hat noch keine Spuren.“ Sofort spitzte ich die Ohren und mir wurde klar, dass das mein Auftrag gestern Nacht gewesen sein musste. „Ist eine Artefakt am Tatort gefunden worden?“ Fragte nun mein Kumpel wie aus der Pistole geschossen. Sein Vater schüttelte den Kopf. „Nein, gar keine Spuren.“ Kyusuke schlug die Stirn in Falten. „Hmm… dann war es wohl nicht die Killerin.“ „Du solltest dich nicht mit so etwas befassen.“ Rügte nun seine Mutter während ich vor mich hinlächelnd mit den Schultern zuckte. Nein, die Killerin war zu sehr damit beschäftigt dich gesund zu pflegen. - Dachte ich im Stillen während ich ein weiteres Mal an meinem Kaffee nippte. „Es ist wirklich schrecklich…“ Setzt Tatahiko an doch seine Frau zog ihm entschlossen die Zeitung weg. „Schluss jetzt! Jetzt wird in Ruhe gegessen und nicht über so schreckliche Sachen diskutiert.“ „Ja, ja…“ Ihr Mann verdrehte grinsend hinter ihrem Rücken die Augen sodass Kyusuke und ich uns ein Kichern verkneifen mussten. Prüfend fasste ich mir mit dem Handrücken an die Stirn. Ja, ich fühlte mich schon viel besser. Wenn ich heute Abend früh ins Bett ging und wieder so gut durchschlafen konnte wie gestern war ich bald wieder auf der Höhe. „Oje, Suzuna! Das sieht ja so aus, als ob du noch Fieber hättest.“ Erklang nun Kyusukes besorgte Stimme, der mich prüfend die ganze Zeit beobachtet hatte. Lächelnd ließ ich meine Hand sinken. „Nein, alles gut.“ „Das glaube ich dir nicht, lass mich bitte mal fühlen.“ So schnell konnte ich gar nicht reagieren da hatte er seine Hand auf meiner Stirn und schon mir einige störende Strähnen nach oben um seine Stirn an meine zu pressen. „Hey, ich sagte, es geht mir gut!!“ Er war immer viel zu besorgt um mich, dass konnte meist ganz schön nervig sein. Aber ehrlich gesagt, hätte ich es auch nie anders gewollt. ********************************************************************************* [1] Baka= Idiot, Dummkopf [2] Shinkansen= schnellster Zug ganz Japan Kapitel 4: Summer of the age of 17 - Together Part 1 ---------------------------------------------------- Huhu! Ja, ich lebe noch! *ein Wunder* oO Hat relativ lange gedauert bis ich mal wieder was halbwegs befriedigendes zustande gebracht habe, jedenfalls nach meiner Meinung. Schon während des Schreibens habe ich jedoch erkannt, dass diese Story als One-Shot zu lang werden würde und habe sie deswegen in zwei Teile gespalten. Da ich jedoch den zweiten Teil noch nicht zu Ende geschrieben habe, müsst ihr euch nach dem ersten Teil wohl noch eine Weile gedulden aber das seit ihr ja gewohnt, nicht? *hehe* Viel Spaß beim lesen und Kommentare sind wie immer gerne gesehen Eure Mihikoru Story 4: Summer of the age of 17 - Together Part 1 Es gibt Sätze, die man einfach nicht hören will in seinem Leben. Und damit meine ich immer und überall! Bestimmt kennt das jeder, dessen war ich mir ganz sicher. Diese unheilvollen Sätze aus eigentlich harmlosen Wörtern zusammen gebaut die einem den ganzen Tag oder gar die ganze Woche vermiesen können. So Sätze wie: “Dein Vater und ich lassen uns scheiden.” oder: “Frau Yakamura, ihr Versetzung ist massiv gefährdet.” Okay, zugegeben… Was dies anbelangte war ich wahrscheinlich ein Glückskind, denn weder den einen, noch den anderen Satz hatte ich jemals zu hören bekommen. Jedoch gab es auch noch einen anderen, schrecklichen Satz. Dieser Satz, der mit seinem aussprechen schon eine halbe Apokalypse einläutete. Der Satz, der eigentlich nur Frauen bestimmt war und der noch tausend mal schlimmer war, wenn Männer ihn aussprachen. Mit diesem unheilvollen Satz fing damals eine Katastrophe der besonderen Art an… „Suzuna… Wir müssen reden.“ Vollkommen perplex sah ich von meinen Englischaufgaben auf als sich mit einem Male Kyusukes Schatten wie eine unheilvolle Wolke über meinem Pult ausbreitete. Ahnungslos sah ich hoch in sein merkwürdig angespanntes Gesicht und wusste nicht Recht was ich davon zu halten hatte. Es war mitten in der Woche und ich war gerade dabei in einer Freistunde meine morgigen Aufgaben zu erledigen. Mein Kumpel hatte seit Anfang dieser Zeit mit einigen seiner Kendo-Kameraden unseren Klassenraum verlassen um in der Halle zu trainieren, doch jetzt stand er mit einem male wieder vor mir und machte den Eindruck als wäre er hochgradig geladen. „Kyusuke… Über was denn?“ Gab ich neckend im gleichen ernsten Tonfall wie er zurück und verzog spaßig die Lippen während er nur sichtlich seine Brauen verzog. Ähm, okay… Vielleicht sollte ich doch lieber ernst bleiben. „Was hast du denn?“ Erkundigte ich mich nun gleichsam besorgt wie interessiert da so ein Verhalten gar nicht zu seiner Art passte. „Die Frage ist wohl eher ob du sie noch alle hast!“ Presste er nun zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor sodass ich eher verwirrt als böse die Stirn in Falten legte. Hatte ich irgendetwas getan? Hatte ich seinen Geburtstag vergessen? - Nein, der war doch schon gute 6. Wochen her und ich hatte ihm auch etwas geschenkt. War ich nicht zu einer Verabredung gekommen? - Nein, das konnte es auch nicht sein. Moment mal! Hatte ich etwa vergessen ihm meine Mitschriften für die gestrige Geschichtsarbeit zu geben? - Oh… nein, das hatte ich auch getan. Ich konnte mich noch gut erinnern, wie er sich über meine hektische Schrift beklagt hatte. Aber, was war denn dann? „Ich weiß nicht, wovon du redest.“ Vollkommen ahnungslos sah ich ihm in seine Smaragde die sich - aufgrund meiner Worte - verdunkelten. „So, weißt du also nicht?“ Knurrend zog er sich einen Stuhl heran und ließ sich gegenüber an meinem Pult nieder. „Suzuna… das geht so nicht! Das kannst du nicht machen!“ Zustimmend nickte ich. „Genau, du hast Recht. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe.“ Kritisch zog er die Stirn in Falten. „Hast du nicht gerade eben behauptet, dass du nicht weißt wovon ich rede?“ „Weiß ich auch nicht. Ich dachte nur, es wäre klüger dir zuzustimmen.“ Erwiderte ich nun fröhlich sodass er seufzend auf dem Tisch zusammen sank. „Verdammt! Nimm mich mal ernst!“ Oje.. Da war aber einer ganz böse, was? Wenn Kyusuke schon Worte wie Verdammt oder Verflucht in den Mund nahm, war er wirklich wütend. „Okay.“ Mit reglosem Gesicht nickte ich, wollte ihn nicht noch mehr anstacheln da es ihm wirklich ernst zu sein schien. „Also…” Mein Kumpel holte tief Luft um mich dann ein weiteres mal mit einem empörten Blick in Grund und Boden zu starren. „Du kannst das doch nicht machen! Das geht so nicht! Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen!” Fauchte er dann wieder zusammenhanglos sodass ich genervt mit dem Stift zu klackern anfing. Machten wir hier Rateshow? Von was - zum Geier - sprach er?! „Du weißt genau, dass das verboten ist.” „Aha…” „Du weißt hoffentlich, dass du tierischen Ärger bekommen wirst, wenn das herauskommt.“ „Achso…?“ „Natürlich, das weiß doch jeder! Also, hör auf damit.“ „Sicherlich.“ Aus starren Iriden sah ich zurück während er mich einige Sekunden ebenso reglos ansah bevor eine Ader auf seiner Stirn verdächtig zu pochen anfing. „Weißt du jetzt, wovon ich rede?“ „Nein.“ Überaus gelangweilt blinzelte ich ihn teilnahmslos an. „Aber ich weiß, dass du mich seit knappen 3 Minuten von meinen Aufgaben abhältst. - Hast du die Nummer drei? Dieser Text ist wirklich schwer zu übersetzen…“ „Ich warne dich, mach mich nicht wütend!” Zischte er nun dazwischen sodass ich ebenso die Brauen verengte. „Ich habe dich - wie es aussieht - schon wütend gemacht, obwohl ich gar nicht weiß warum. Rede endlich Klartext und quatsch nicht so ein wirres Zeug!“ “Du kannst aufhören Theater zu spielen, Suzuna. Ich weiß es von Masaru und zwar alles.” “Du weißt was von Masaru?” So langsam hatte ich keine Lust mehr auf dieses höchst verquere Gespräch. Kyusuke wohl ebenso wenig, denn endlich rückte er ohne Umschweife mit der Sprache heraus: “Masaru hat dich gestern Abend gesehen…” War das etwa verboten? “… in einem Ramen [1] Lokal das quer der Hauptstraße von Akasaka liegt. Du hast darin gearbeitet.” Einen Moment blieb mir sämtliche Spucke weg bevor ich versuchte ein gleichmütiges Gesicht aufzusetzen, indem ich einfach amüsiert lächelte. “Das hat Masaru gesagt? Dieser Spinner, bestimmt wollte er dich nur in Panik versetzen.” Kyusuke Brauen vertieften sich misstrauisch. “Nein, das denke ich nicht. Er war während des ganzen Tages schon ungewohnt wortkarg zu mir und beim Training war er so abwesend, dass ich ihn zur Rede stellte und er hat es mir mehr als stockend erzählt. Es hat ihn beschäftigt und auch die Frage, ob ich in deine illegalen Tätigkeiten eingeweiht war. - Suzuna, du weißt genau, dass wir als Schüler keine Erlaubnis haben Jobs anzunehmen. Das verstößt gegen die Schulordnung!” “Sicherlich weiß ich das und ich tue es ja auch nicht.” Gab ich nun mit unbeschwerter Miene zurück und hoffte, dass mein Lächeln nicht zu verdächtig wirkte. “Masaru muss sich geirrt haben. Er muss eine fremde Person mit mir verwechselt haben.” “Tut mir ja Leid, dass ich dir das sagen muss aber… du stichst aus der Masse heraus und das weißt du ganz genau.” Grummelte nun mein Kumpel noch immer auf der Hut. “Deine blonden Haare und deine saphirblauen Augen kann man unmöglich verwechseln.” “So, so… saphirblau also? Woher weißt du das denn so genau? Schaust du mir so tief in die Augen, Kyu?” Neckte ich ihn nun mit einem provozierenden Augenaufschlag sodass er ein paar rote Flecken auf seinem Gesicht bekam und fassungslos die Augen aufriss. “Hör auf mit deinen Scherzen, Suzu! Ich meine das verdammt ernst und ich mache mir Sorgen um dich! Du hast nicht zu arbeiten, wenn das Shinji herausbekommt versohlt er dir deinen Hintern.” “Dafür bin ich etwas zu alt geworden, findest du nicht auch?” “Du weißt genau, wie ich das meine.” Ein leichtes Seufzen entfuhr meiner Kehle. “Kyusuke… was willst du denn jetzt von mir hören?” “Die Wahrheit vielleicht…?” Hellgrüne Smaragde schienen mich zu durchbohren. “Deswegen lässt du dein Kendo-Team im Stich…? Ihr habt in 2. Wochen ein wichtiges Turnier.” “Vergiss das blöde Turnier, ich mache mir Sorgen um dich!” “Dann hör doch richtig zu: Ich arbeite nicht. Ich habe viel zu viel andere Dinge im Kopf und Shinji würde mich wohl kaum ohne eine Erklärung jeden Abend für mehrere Stunden aus dem Haus lassen, oder?” “Das ist wahr, aber…” “Nein, kein aber.” Leicht schüttelte ich den Kopf während ich meine Schulsachen zusammenpackte. “Ich weiß nicht wen Masaru gesehen hat, mich auf jeden Fall nicht und mir kann keiner irgendetwas anderes nachsagen. - Wenn du mich entschuldigst, ich muss kurz in die Bibliothek.” Mit diesen Worten nahm ich meine Schulmappe und wandte mich zur Tür. “Suzu…?” Kurz blieb ich stehen und sah Kyusuke über die Schultern fragend an. Es versetzte mir einen kurzen Stich wie besorgt er mich musterte. “Und… Und dir geht es wirklich gut?” Hackte er nun stockend nach sodass ich kurz glucksen musste. “Hey, Unkraut vergeht nicht.” Schelmisch streckte ich ihm die Zunge raus. “Du brauchst dich wirklich nicht um mich zu sorgen… Mir geht es ausgezeichnet.” “Du brauchst dich wirklich nicht um mich zu sorgen… Mir geht es ausgezeichnet.” Meine fadenscheinige Lüge hallte mir noch immer in den Ohren nach, als ich die Gänge unserer Schule durchquerte um zu meinem Schließfach zu gelangen. Ich hatte ein mehr als schlechtes Gewissen und schämte mich in Grund und Boden, dass ich Kyusuke nach all den Jahren über und über mit Lügen bombardieren musste. Aber was blieb mir denn für eine andere Wahl? Wenn ich ihm die Wahrheit gesagt und ihm erzählt hätte, dass ich wirklich in diesem Lokal als Haushilfsmädchen fungierte hätte er mir eine Standpauke gehalten die an Länge nicht mehr zu überbieten gewesen wäre. Er hätte Shinji informiert, aus der Gewissheit damit das richtige zu tun, denn eine Petze war er wahrlich nicht. Doch er würde meine Beweggründe für diesen eindeutigen Regelverstoß nie verstehen. Genauso, wie er nie verstehen würde, warum ich seit über einem Jahr mehr als unausgeschlafen und unkonzentriert war. Mein Doppelleben zerrte ganz schön an meinen Reserven und ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal mehr als 5 Stunden schlafen konnte. Ich fühlte mich müde, ausgelaugt und erschöpft… bei weitem älter als eine 17 jährige Oberschülerin die nächstes Jahr schon ihre Abschlussklausuren zu bewältigen hatte. Mir wurde schlecht wenn ich an die baldigen Examina dachte. Doch nicht nur diese Dinge raubten mir meine letzte Kraft, sondern auch das die Kluft zwischen mir und Kyusuke immer größer wurde. Unser Verhältnis war seit meinem Eintritt in die Organisation mehr als angespannt, da ich ihm viel vorenthalten und meinen Kummer verbergen musste. Doch seit einigen Monaten gingen wir mehr als nur vorsichtig miteinander um, wir trafen uns sogar kaum noch privat und dabei brauchte ich seine Nähe so dringend. Wie gerne wäre ich eine normale Oberschülerin und hätte ihm offenbart, wie sehr ich ihn liebte und an ihn gebunden war. Nichts hätte ich schöner gefunden als die freie Zeit in diesen sonnigen Tagen im Park oder im Freibad mit ihm zu verbringen. Stattdessen musste ich mir immer neue Alibis unter Eris besorgter Mimik und Shinji wachsamen Auge ausdenken und auch noch meine nächtlichen Streifzüge unter einen Hut bringen. Ich sagte es nicht gerne, aber langsam wuchs mir diese ganze Verantwortung über den Kopf. “Suzuna…?” Eine bekannte Stimme ließ mich von meinem Schließfach aufsehen, was ich gerade eben geöffnet hatte. Vor mir stand Masaru Toyama. Er ging in die benachbarte Parallelklasse und war Mitglied in der Kendo-Mannschaft von Kyusuke. “Hallo Masaru.” Obwohl ich dem Freund meines Kindergartenkumpels diese ganzen düsteren Gedanken zu verantworten hatte versuchte ich ihm ein normales Lächeln zu schenken. “Ich hoffe, zwischen Kyusuke und dir ist alles in Ordnung…?” Seine Aussage klang eher wie eine Frage und er fasste sich kurz ins Haar um seine sichtbare Nervosität zu überspielen. “Diese Sache von gestern Abend hat mir irgendwie keine Ruhe gelassen und du weißt ja, wie Fuma ist. Als er mein seltsames Verhalten bemerkte, hat er sofort nachgefragt und nicht mehr locker gelassen.” Ja, so kannte ich Kyusuke. Gegen ihn war jeder Lügendetektor billiger Schnickschnack. “Mach dir keine Vorwürfe, zwischen uns ist alles bestens. Das war alles nur ein Irrtum.” Winkte ich nun gelassen ab - gab es zumindest vor - und verstaute die Bücher, die ich für heute nicht mehr brauchen würde, in meinen Spind. “Ich weiß zwar nicht, welches blondhaarige Mädchen du in diesem Suppennudellokal gesehen hast, Masaru aber ich war es definitiv nicht.” “Nicht?” Mein Mitschüler schien höchst verdattert. “Aber Suzuna, ich habe dich doch erkannt. Du trugst ein blaues Kleid mit einer Schürze und einem farblich passenden Häubchen, du hattest deine blonden Haare zu zwei geflochtenen Zöpfen geknotet.” “Sehe ich so aus, als ob ich mich freiwillig der Demütigung eines Häubchens und geflochtenen Zöpfen unterziehen würde?” Kicherte ich ihn nun gespielt und grinste ihn breit an. “Ehrlich Masaru, dafür bin ich nicht der Typ und das weißt du doch auch. Ich leite die Aikido-Gruppe… das ist lächerlich!” “Ja… vielleicht hast du Recht.” Masaru runzelte die Brauen und seine Mundwinkel zuckten kurz hoch. “Ich muss mich da wohl gründlich verschaut haben.” “Sag ich doch.” Hoffentlich würde damit diese leidliche Diskussion endlich erledigt sein. “Tut mir Leid, wenn ich dir damit Ärger gemacht haben sollte, Suzuna.” “Vergiss es, schon gut…” Allem Anschein nach hatte ich sowohl Kyusukes Vorbehalte wie auch Masarus festen Standpunkt, ausgerechnet meine Person gesehen zu haben erfolgreich zerstreut. So machte ich mir über diesen leidlichen Zwischenfall in der Schule keine Gedanken mehr sondern ging nach den Unterricht meinem geregelten Alltag nach. Wie immer gegen 18 Uhr verabschiedete ich mich von meinen Eltern um in aller Stille die nächste Bahnlinie nach Akasaka zu nehmen. Bis jetzt war mein gelogenes Alibi vor Shinji nicht aufgeflogen und ich hoffte inständig, dass es weiterhin dabei blieb. “Suzuna…! Die Spezialsuppe mit Ei und Currybeilage!” Rief mir einer der drei Angestellten von der Küche her zu und die gefüllte Schüssel rutschte elegant bis zur Mitte des Tresens. “Bin schon unterwegs.” Versicherte ich hastig und rückte kurz meine gerüschte Kopfbedeckung zurecht bevor ich die dampfende Suppe auf mein Tablett stellte und zielsicher zu einem Tisch in der Ecke ansteuerte. “Bitte sehr… Einmal ihre Spezialsuppe. Guten Appetit wünsche ich Ihnen.” Leierte ich meinen Standartsatz mit einem freundlichen Lächeln herunter und stellte das Gericht vor dem wartenden Gast ab. Schon nach wenigen Tagen hatte ich meine eigene Routine gefunden, die mich in der abendlichen Hektik bisher nie im Stich gelassen hatte. Das Suppennudellokal, war ab 19 Uhr immer gut besucht und außer mir gab es nur noch zwei weitere Bedienungen die sich ebenfalls ins Zeug legen mussten. Mit den drei Männern die eifrig in der Küche herumwerkelten wollte ich bei diesen sommerlichen Temperaturen zwischen den dampfenden Kochtöpfen und den aufsteigenden Dunst wirklich nicht tauschen. Selbst hier vorne - im klimatisierten Speiseraum der Gäste - klebte jede Faser meines Dienstoutfits mehr als unerwünscht an meinem Körper. Ich hatte mehrere Wochen versucht eine Aushilfsstelle zu finden, in der man keine gestellte Uniform tragen musste, jedoch war das in Japan so gut wie unmöglich. Schließlich hatte ich mich für diesen Laden hier entschieden, wobei das blaue Kleid und die weiße Schürze mit den gesäumten Spitzen und das dazu passende Häubchen an Demütigung nicht mehr zu überbieten war. Der Eigentümer dieses Lokals jedoch war ein sehr netter Mann, der auch manches mal ein Auge zudrückte wenn ich zu spät kam oder früher gehen musste. Er bezahlte bar auf die Hand und immer pünktlich während auch die beiden anderen Damen mehr als freundlich zu mir waren. “Hey, Suzuna! Der brünette junge Herr da drüben ist schon den dritten Tag in Folge hier und er schaut dich dauernd an.” Neckte mich nun Minako kaum war ich hinter den Tresen getreten. “Ach, hör schon auf damit.” Abwinkend schob ich einige schmutzige Geschirrteile durch den kleinen Durchgang zu unseren Spülleuten. “Aber, wenn ich’s dir doch sage.” Sie konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen während auch Amy zustimmend nickte. “Sie hat doch Recht. Wir haben im allgemeinen mehr männliche Kundschaft seitdem du hier angefangen hast.” “Frischfleisch und dann auch noch so jung und blond!” Gluckste nun Minako erheitert und strich sich ihr kurzes schwarzes Haar zurück. “Jetzt hört auf damit!” Ich wusste nicht genau, ob sie Recht hatten jedoch war mir diese Äußerung mehr als peinlich. Ich behandelte jeden Gast gleich und ich flirtete nicht, abgesehen vielleicht von einigen kleinen Gesprächen. Wenn mich Gäste jedoch ansprachen musste ich wohl auch antworten, alles andere wäre unhöflich gewesen. “Hört auf zu quatschen und bringt lieber die fertigen Suppen an den Tisch!” Rief uns in diesem Moment Kintaro - der Küchenchef - zu, sodass wir alle drei zusammen zuckten. “Schlecht geschlafen, mein Lieber?” Minako die schon mitte Dreißig war und seit einigen Jahren hier arbeitete, konnte sich diese Frage wohl erlauben. “Selbst wenn… was geht’s dich an?” Kintaro beäugte sie kritisch und versuchte anscheinend mit aller Macht eine mürrische Miene aufzulegen. Wie ein schlecht gelaunter Bär musste er Fremden vorkommen, dabei war er ein ganz lieber, gutmütiger Kerl. Leider zeigte er dies umso selten. “Oh, sei doch nicht immer so verspannt. Was hältst du von einer hübschen kleinen Massage, direkt nach unserer Schicht? Na, wie wär’s?” Der Augenaufschlag der schwarzhaarigen Bedienung verfehlte nicht seine Wirkung, der Küchenchef wurde so rot wie eine Tomate. “Bring lieber die Suppen an die Tische!!” Peinlich berührt stapfte er zurück in die Küche sodass Minako uns eine neckische Grimasse zuwarf, worauf Amy und ich verhalten kicherten. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Am nächsten morgen legte ich einen schnelleren Laufschritt auf den Weg zur Schule hin als normalerweise. Durch meine hohe Müdigkeit hatte ich meinen Wecker überhört, Shinji war wegen einem frühen Meeting schon auf der Arbeit und Eri hatte gerade zu dieser Zeit im Garten die Wäsche aufgehängt wo sie keinen Überblick über die Uhrzeit gehabt hatte. “Mist… Mist… Mist!” Murmelte ich leise vor mich und in mir stieg schon die erste Panik auf, als ich den gänzlich leeren Schulhof durchquerte. Die Standpauke meines Englischlehrers klingelte mir jetzt schon in den Ohren und ich wusste mit Gewissheit, dass ich die erste halbe Stunde im Gang zu stehen hatte. Zwei Stufen auf einmal nehmend hechtete ich die Treppe in den zweiten Stock nach oben wo die Oberschulklassen untergebracht waren und war dabei so in meinen Gedanken vertieft das ich zu spät wahrnahm, wie sich eine Schiebetür öffnete an der ich gerade vorbeihechtete. Beinahe wäre mir meine Schultasche aus der Hand gefallen als mich ein brutaler Griff an meinem anderen Arm zurückzog. Ehe ich auch nur zweimal blinzeln konnte stolperte ich unter der Hand des Unbekannten in den geöffneten Raum und befand mich keine weitere Sekunde unsanft mit dem Rücken an die Wand genagelt. “Aua… Hey!” Beschwerte ich mich lautstark jedoch verschlug es mir vor Schreck die Sprache als ich Kyusukes Gesicht direkt vor meinem sah. Seine große und etwas breitere Statur stand dicht vor meiner und er stützte sich mit beiden Handflächen an der Wand neben meinem Kopf ab. “Was hast du dir dabei gedacht?!” “K-Kyu…? Was soll das werden?” “Was… hast… du… dir… dabei… gedacht?!” Spuckte er nun jedes Wort äußerst bedrohlich heraus während ich jetzt erst bemerkte wie dunkel seine sonst so grünen Augen waren. Es war ohne jeden Zweifel das er wütend war und mir wurde übel bei dem Gedanken warum es wohl so war. “Schöner Tag heute, oder?” Versuchte ich mit piepsiger Stimme diese mehr als gedrückte Stimmung zu retten jedoch ließ er sich nicht darauf ein. Ein knallen ertönte als er seine flache Hand nochmalig gegen die Wand haute, ich zuckte leicht zusammen. “Du hast mich angelogen!!” Oh… Hilfe… “Angelogen? Das ist so ein hartes Wort. Sagen wir doch einfach, ich habe die Wahrheit etwas vertuscht.” “Von wegen du richtest dich nach unserer Schulordnung und arbeitest nicht… du scherst dich einen Kehricht um irgendwelche Regeln und offenbar auch um unser Vertrauen! Grinsend hast du mir gestern ins Gesicht gelogen… ich kann gar nicht beschreiben wie sauer ich auf dich bin, Suzuna!!” “Benimm dich doch bitte nicht so übermäßig dramatisch, ja?” Abwährend hob ich eine Hand. “Es ist ja nicht so, als ob ich meine Schulpflichten deswegen vernachlässigen würde…” “Ich hab dich gesehen!” Unterbrach er mich nun mit noch immer erhobener Stimme. “Genau wie Masaru es mir beschrieben hat. In Akasaka, gegenüber der Hauptstraße. - Du hattest ein blaues Kleid mit passender Schürze und ein Häubchen auf.” “Das ist unsere Uniform, dafür kann ich nichts.” Widerstritt ich nun peinlich berührt allein bei dem Gedanken, dass er mich in diesem albernen Fummel gesehen hat. “Bist du eigentlich noch zu retten? Was denkst du dir dabei? Denkst du dir überhaupt was dabei?!” “Ich denke schon, dass ich denken kann…” “SUZUNA…!!” “Hör auf mich so anzufahren!” Giftete ich nun zurück. Es war alles andere als angenehm am frühen Morgen schon so angeschrieen zu werden. “Du hast mich überhaupt nicht zu verurteilen und mit Vertrauen brauchst du mir auch nicht kommen! - Du hast mir schließlich nachspioniert!!” “Was blieb mir denn anderes übrig?” Ereiferte er sich nun. “Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du bist dabei dir dein eigenes Grab zu schaufeln, wenn die Schule das herausbekommt, bist du so gut wie erledigt!” “Die Schule wird gar nichts herausbekommen, ich bin doch nicht blöd! Wieso glaubst du, warum ich mir ausgerechnet dieses Lokal in Akasaka ausgesucht habe? Dort gibt es weder Kinos, noch Schwimmbäder oder Spielhallen. - Niemand der mich kennt wird mich dort sehen.” “Ja… Alle, außer Masaru!” “Der war ne’ Ausnahme und außerdem habe ich ihn gestern vom Gegenteil überzeugt.” “Ach ja? Wie schön für dich! Ich werde es auf jeden Fall nicht zulassen, dass du noch mehr unserer Mitschüler vom Gegenteil überzeugen musst, wenn sie dich dort zufällig sehen.” “Was soll das heißen?” “Das soll heißen, dass wir heute nach dem Unterricht zusammen hinfahren und du kündigst.” Ich glaubte nicht was ich da hörte. “Hast du eine totale Meise?” Mehr als schockiert sah ich ihn an. “Ich habe Wochen gebraucht um einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden.” “Das ist mir so was von egal! Wenn du nicht kündigst, tu ich’s!” “Das kannst du nicht machen!” “Ich nicht, Shinji schon.” “Das wagst du nicht!” “Glaubst du…?” Mehr als giftig sahen wir uns entgegen und mir juckte es in den Fingern ihm mit einem gezielten Tritt eins in seine affektierte Miene zu geben. Was erlaubte er sich? Ich würde doch nicht einfach so kündigen! Ich versuchte meiner unglaublichen Wut Herr zu werden und atmete einige male tief ein und aus. “Ich finde nicht, dass das hier die richtige Gelegenheit ist um das auszudiskutieren. - Müssten wir nicht beide im Unterricht sein?” Auf meine tonlose Frage schnaubte mein Kumpel auf. “Herr Setzuya ist krank, die ersten beiden Stunden fallen aus.” “Was? Wieso hast du mir nichts gesagt?” “Meiko hat es dir gestern gleich vor der ersten Stunde gesagt, Suzuna. Aber wenn man in der Schule schon auf der Arbeit ist, merkt man sich so etwas natürlich nicht.” Meine Hand die noch immer die Schultasche umklammert hielt bebte. “Wieso bist du so gemein zu mir?!” Rutschte es mir nun ehrlich getroffen heraus sodass sich kurz seine Augen weiteten. “Und du? Was ist mit dir los, Suzuna?” Gab er nun die Frage in aller Ehrlichkeit zurück während sich sein Mund verzog. “Seit wann lügst du mich an… nein, lass es mich so formulieren: Wann hast du mir das letzte mal die Wahrheit gesagt?” Irgendetwas setzte bei dieser Frage in mir aus. Ich konnte sein bekümmertes Gesicht nicht mehr ertragen und wie auf eine innere Reaktion hin schoss mein Arm mit der Schultasche in der Hand nach oben. Ein komisches Geräusch ertönte als das Leder gegen sein Gesicht schlug und er - total unvorbereitet - harte Bekanntschaft mit dem Boden machte. Einige Herzschläge lang war es vollkommen ruhig, nur mein beschleunigter Atemzug und ein Husten von ihm durchbrach die Stille. Wie er da so am Boden lag und sich mühsam aufrappelte fühlte ich Selbsthass in mir aufsteigen. Ich hatte ihn noch nie geschlagen… “I-Ich… Entschuldige.” Wisperte ich und war wohl mehr geschockt wie er. “Was ist los mit dir?!” Kyusuke blickte mehr als verletzt zu mir nach oben während er sich über seine lädierte Gesichtshälfte rieb. “Du bist seit über einem Jahr gereizter als sonst und du sprichst kaum noch ehrlich mit mir. Es sind nur lapidare Sätze und dein echtes Lächeln hat sich wohl auch für immer verabschiedet. Du bist dauernd müde und angespannt… du wirkst so zerschlagen.” Da hatte er Recht. Er hatte mit jeder Behauptung Recht die er aussprach. Ja, ich war gereizter, dauernd müde und angespannt. Ich war meist unehrlich zu ihm und nervös in seiner Gegenwart. Doch warum… Warum würde ich ihm nie sagen können. Niemals… “Sogar deine Eltern lügst du an! - Gestern Abend rief Shinji bei uns zu hause an und fragte mich, ob du in der Schule wirklich so zurückhinkst, dass ich dir seit 4. Wochen jeden Abend Nachhilfe geben muss. - Du hast mich als Alibi missbraucht!” “Wieso hast du mich gedeckt?” “Wieso?” Echote er giftig und hieb mit der Faust auf den Boden. “Verdammt! Ich bin dein Freund, Suzuna… Ich würde dich nie einfach so auflaufen lassen! Aber… diese Sache macht dich total kaputt.” “Nein, das stimmt nicht.” Langsam schüttelte ich den Kopf und blickte ihn ernst an. “Das ist nicht der Job.” “Was denn sonst? Du spielst ein gefährliches Spiel, ist dir das klar? Wenn sie dich erwischen… du wirst von der Schule fliegen!” “Ich pass schon auf. Bitte…” “Nein! Nichts da Bitte… Schluss mit dem netten Kyu - Hast du gehört?!” Schwer schluckte ich. Noch nie hatte ich ihn so außer sich erlebt. “Entweder du kündigst noch heute oder ich statte deinen Eltern heute Abend einen hübschen Besuch ab. Von mir aus, nenn mich dann Verräter aber in Wahrheit, bin ich der Einzige der sich um dich sorgt!” “Wenn du das machst… sind wir fertig miteinander!” Ich hatte die Worte ausgesprochen ehe ich sie überdenken konnte jedoch spürte ich an seinem fassungslosen Blick das er nicht mit so einer Aussage gerechnet hatte. “Ich werde nicht kündigen und wenn du mich verraten willst, werde ich nie wieder ein Wort mit dir sprechen.” Mit diesen Worten drehte ich mich um und verließ das leere Klassenzimmer, in das er mich vorhin gezogen hatte. Kyusuke blieb auf dem Boden zurück… ***************************************************************************** [1] Ramen = Die asiatischen Nudelsuppen wie das japanische Ramen, Udon oder Soba enthalten neben dicken, langen Nudeln dagegen auch immer eine Vielzahl von weiteren Suppeneinlagen und werden meist als Hauptgericht serviert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)