Spezialeinheit A von kikidergecko ================================================================================ Kapitel 7: Besuch ----------------- Der Turm war das am besten gesicherte Gefängnis des vereinigten Reiches. Das Bauwerk befand sich auf einer kleinen künstlichen Insel in der Mitte eines großen Sees, eingezäunt von einem kolossalen Bannkreis der höchsten Sicherheitsstufe. Magie war hier absolut tabu, und das musste auch so sein, denn im Inneren des Turms waren die mächtigsten, die gerissensten, die gefährlichsten Verbrecher des vereinigten Reiches auf einem Fleck versammelt. Im der obersten Zelle dieses Turms saß ein Mann, bis auf die Knochen abgemagert und an Händen, Füßen und Hals an die Wand hinter ihm aus blankem Stein gekettet. Seine schwarzen Haare hingen in fettigen Strähnen vor seinem eingefallenen Gesicht, auch sein Bart wurde vermutlich schon seit Jahren nicht mehr gestutzt. Über seinem Kopf schwebte eine bizarre Struktur aus bläulich-durchscheinenden Stäben, Streben, Ringen und Verästelungen, die in ihrer ätherischen Schönheit so gar nicht in diese triste Umgebung zu passen schien. Diese Struktur verhinderte dem Gefangenen jede Art von Maigewirkung und koppelte beim Versuch einer solchen statt dessen in Form von purem Schmerz zurück. Dornenkrone wurde dieser Bannspruch selbst von offizieller Seite genannt, in den Gefängnissen des vereinigten Reiches gehörte er zum Standardprozedere wie das Verriegeln der Zellentüren. Doch die Dornenkrone dieses Mannes war etwas besonderes: So riesig, so komplex und so eng verästelt ließ sie auf einen überaus mächtigen Magier schließen, der hier gefangen gehalten wurde. Der Gefangene öffnete einen Spalt breit die Augen. Sein Geruchssinn hatte ihn nicht getäuscht: Neben ihm stand ein metallener Essnapf mit einer dampfenden Ration auf dem Steinfußboden. Doch das Essen konnte vorerst warten, schließlich hatte der Gefangene im selben Augenblick etwas noch viel wichtigeres bemerkt: Einen Besucher an der Tür. Er richtete seinen wachen, durchdringenden Blick, der so gar nicht zum gebrochenen Äußeren des Mannes passte, auf die kleine, vergitterte Aussparung in der Tür. Dann formte sich sein Gesichtsausdruck zu einem breiten, furchteinflößenden Grinsen: Er hatte seinen Gegenüber erkannt. "Gérard...", flüsterte er und seine Stimme hörte sich heiser und kratzig an, als sei sie seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt worden. "Wie lange ist es jetzt schon her? Zweihundert, Dreihundert? Oder gar schon fünfhundert Jahre?" "Ich bin nicht zum Plaudern hier her gekommen.", antwortete eine kühle Frauenstimme abschätzig. "Außerdem kannst du mich nicht mit deinem heruntergekommenen Äußerem täuschen. Von wem hier erwartest du dir eigentlich Mitleid mit sowas?" Nach einer kurzen Pause sprach sie weiter. "Auf den Schlachtfeldern gibt es eine seltsame Anomalie, wie eine Quelle, die buchstäblich Mana ausspuckt. Natürlich hat das sofort alle möglichen Arten von Freaks angezogen, allen voran dieses widerliche Nekromantenpack der Jesuiten." Sie spuckte aus, um ihrer Abscheu Nachdruck zu verleihen. In den Augen des Gefangenen flackerte purer Zorn auf, und seine Miene verhärtete sich. Den Blick wandte er nicht einen einzigen Augenblick von seiner Gesprächspartnerin ab, auf deren Gesicht sich eine Mischung aus Schadenfreude und Belustigung abzeichnete. "Hah! An deiner Stelle würde ich mich eher von diesen Typen beleidigt fühlen. Ein Haufen Geisteskranker, die meinen sie würden dich mit irgendwelchen Opferritualen und dilettantischer Nekromantie aus dem Turm rausbeschwören können? Mal ganz abgesehen davon, dass Nekromantie strengstens verboten ist." Stille machte sich wieder breit. Beide schienen abzuwägen, wie sie das Gespräch nun zu ihren Gunsten weiterführen könnten. "Aber zurück zu der Quelle", fing die Frau schließlich wieder an. "Ich meine mich zu erinnern, in deinen Aufzeichnungen über ein ähnliches Phänomen gelesen zu haben. Wo war das nochmal? Athen?" "Delphi", korrigierte der Gefangene bestimmend. "Delphi. Aber nein, das war keine Quelle, nur eine Kanalisierung, ein Filter. Vielleicht auch ein Fokus. Eine richtige Quelle habe ich noch nie erlebt, vermutlich ist es auch gar keine. Und wenn Milpeza immer noch Chef des Geheimdienstes ist, würde ich das an deiner Stelle auch stark anzweifeln. Und sag mal, Gérard...", fast genüsslich sprach er den französischen Namen aus. "Was ist eigentlich mein Lohn für diese Informationen? Was hast du mir mitgebracht?" Seine Augen weiteten sich, ine bizarre Mischung aus Extase und Wahnsinn spiegelte sich im Gesicht des Gefangenen wider. "Ein Buch. Aber keine Angst, nichts was dich auf dumme Gedanken bringen könnte.", antwortete sie mit einem süffisanten Lächeln. "Buch. Buch. Buch.", echote er leise. "GIB ES MIR!" Mit einem Ruck richtete er sich plötzlich auf und riss an den Ketten, nur um kurz darauf durch den Rückstoß wieder auf den Boden gerissen zu werden. Die Augen weit geöffnet und zitterig schnaufend, blickte er flehend zur Tür. Ihr Lächeln wurde zu einem hämischen Grinsen. "Es wird dir morgen in die Zelle gebracht. Diese Paranoiden müssen sich erst noch vergewissern, dass ich auch keine Metallfeile drin versteckt habe." Noch ein letztes Mal blickte sie dem Gefangenen in die Augen: Verzweiflung, Schmerz, Zorn, Trauer, Wahnsinn, Begierde, Hass, Kälte. Aber sie war sich nicht sicher, ob einiges davon vielleicht nur aus ihren eigenem Blick reflektiert wurde. Dann wandte sie sich ab und machte sich an den Rückweg. Der Gefangene starrte noch einige Zeit auf die vergitterte Aussparung in der Tür. Bevor er wieder in seiner Meditation versank, murmelte er: "Auf dass eure Mission genauso schief laufen möge wie die letzte." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)