Blütentanz von Alma (Die Stille nach dem Sturm) ================================================================================ Kapitel 5: Unsicherheit ----------------------- Kälte mischte sich auf seine schwitzige Haut und ließ ihn frösteln. Seine Augenlider flirrten einen Moment lang aber die Dunkelheit vermischte sich nur langsam mit einer stechenden Helligkeit. Wieder ein kühler Windhauch, der ihn kitzelte und ein seltsames Stechen in der Magengegend. Was war passiert? Wo war er? Er konnte sich nur Bruchstückhaft erinnern. Als sich Kakashis Augen allmählich an die Morgensonne gewöhnt hatten, wagte er einen Blick. Sein Zimmer, sein Bett, Sakura. Sofort blieb ihm der Atem stehen und ein übergroßer Schatten verhinderte jeglichen Gedanken. Sakura. Sie war noch immer nackt, soviel konnte er unter der dünnen Decke erkennen, die sie nur spärlich bedeckte. Sie lag ganz ruhig da, mit regelmäßigem Atem und leicht zerzausten Haaren. Sie schlief – zum Glück. Er hätte nicht gewusst, was er tun sollte, wäre sie wirklich wach gewesen. Bereits jetzt konnte er sich kaum bewegen, nicht atmen, nicht denken. Die letzte Nacht kam schlagartig zurück. Wie sie ihn gefragt hatte, wie sie sich ausgezogen hatte und dann? Konnte das wirklich echt gewesen sein?! Hatte er wirklich mit ihr geschlafen? Ängstlich schaute er an sich hinab. Er trug noch seine Sachen und auch sonst deutete nichts darauf hin. Dennoch, er konnte nicht aufhören daran zu denken. Wie konnte das nicht echt gewesen sein? Er hatte sie gespürt, sie gerochen, er hatte sogar diese unerträgliche Hitze in sich gespürt, die Erregung. Also? Konnte er es sich wirklich eingebildet haben? Ein heißkalter Schauer jagte ihm durch die Glieder. Und was wenn es wirklich wahr war? Er zögerte einen Moment bis er weiter dachte. Wenn sie es wirklich getan hatten, dann wäre er ein Schwein. Sie war seine Schülerin, fast noch ein Kind, um so viele Jahre jünger als er. Er konnte alles für sie sein, aber ganz sicher nicht ihr Liebhaber. Es fühlte sich an, als wäre es gestern gewesen als sie noch nicht einmal kämpfen konnte, schutzlos war und ständig beschützt werden musste. Es war unrecht sie zu begehren. Plötzlich bewegte sie sich und Kakashi zuckte unweigerlich zusammen, spannte sich ängstlich an und fühlte sich eingeengt durch ihre sanften Bewegungen. Sie wälzte sich kurz zur Seite, dann suchte sie sich wieder eine bequemere Position und schmatze genüsslich. Noch einige Sekunden harrte er atemlos aus, aber dann war er sicher, dass sie noch schlief. Und er wusste, dass er von hier weg musste. Er wollte nicht, konnte nicht, bei ihr sein, wenn sie aufwachte. Wollte sich nicht diesem Moment stellen, in dem die Ungewissheit sich vielleicht aufklärte. Wollte nicht, dass sie sah was sie in ihm auslöste. Oh bitte, alles nur nicht das! Nicht solange er sich nicht selbst über seine Gefühle einig war. So vorsichtig und leise er konnte stahl er sich von ihrer Seite, bewegte sich langsam und erreichte schließlich die Tür. Erst als er hinter ihr verschwunden war und sie in ihre Angeln gedrückt hatte, konnte er wieder normal atmen. Erschöpft lehnte er sich gegen das weiße Holz und atme aus. Seine Beine fühlten sich steif an, genau wie sein Nacken und seine Finger. Wie gerädert fühlte er sich, völlig kraftlos und geschunden. Kakashi konnte nicht genau sagen, warum eigentlich, aber er war sich sicher, dass es nicht allein körperlich war. Zweifel fraßen ihn innerlich auf, Zweifel aber auch Reue und Scham. Seine kalten Finger strichen ihm über die erhitze Stirn, vermochten sie aber nur oberflächlich zu kühlen. Er seufzte schwer und ließ seinen Atem für einen Moment ruhen. Wahrscheinlich war es das Beste, erst einmal von hier zu verschwinden, an die frische Luft. Ja, das war genau das, was er brauchte. Bevor er ihr noch einmal entgegen treten konnte, musste er einfach erst einmal den Kopf klar bekommen. ~ ~ ~ Als Sakura aufwachte, bemerkte sie zwei Dinge zugleich. Erstens: ihr war kalt. Sie blinzelte unsicher umher und sah dabei aus dem Augenwinkel, dass durch das geöffnete Fenster die kalte Morgenluft hineindrang. Zweitens: sie war allein. Die dünne Bettdecke, die sich nur teilweise auf ihre Haut gelegt hatte, wärmte sie kein bisschen. Und sie hatte sehr viel Platz. Resigniert kuschelte sie sich noch mehr unter die Decke und versuchte sich zu wärmen. Seltsamerweise konnte sie sich genau an den gestrigen Abend erinnern, wo sie war und warum. Kakashi lag nicht neben ihr, obwohl sie neben ihm eingeschlafen war. Fast beiläufig tastete sie an sich hinab, sie war noch immer nackt. Unsicher verzog sich ihr Magen bei dieser Erkenntnis und ihr Kopf begann zu arbeiten. Sie erinnere sich genau an den Abend. Sakura hatte versucht Kakashi zu verführen. Hatte sich vor ihm ausgezogen, hatte versucht sexy zu sein, verführerisch. Hatte geschrien und geweint, war in seinen Armen eingeschlafen. Stumm verharrte sie bei diesem Gedanken eine Weile, drehte ihn, wendete ihn, so wie ihr beliebte – aber er blieb immer gleich. Sie hatte geweint. Sie hatte geweint. In ihrem Magen brodelte plötzlich ein seltsames Empfinden, das sie zunächst nicht zu deuten wusste. Ihr war unwohl, vielleicht sogar ein bisschen schlecht – und vor allem sehr sehr kalt. Fröstelnd rief sie sich noch einmal den Abend in Erinnerung. Sie hatte es nicht geschafft ihn zu verführen. Er hatte sie einfach stehen lassen, war nicht auf sie eingegangen, hatte nicht einmal den Deut einer Erregung blicken lassen. Hatte sie wirklich nichts in ihm bewirkt? Hatte sie ihn wirklich kalt gelassen? War sie wirklich nicht im geringsten hübsch? Wut mischte sich unter das unbekannte Gefühl in ihrem Magen und brachte ihre innere See zum Tosen. Sie hatte es also nicht geschafft, sie konnte noch nicht einmal einen Mann verführen. Das war erbärmlich und vor allem... Sofort stockte Sakura und blieb eine ganze Weile lang unbewegt. Ihr Körper lag steif und kalt unter der dünnen Decke und ihr Atem setzte für eine lange Zeit lang aus. Ihr war klar geworden, was dieses Gefühl war, dass sie so aufkratzte und innerlich aufwühlte. Es war seltsam, es nach so langer Zeit wieder zu spüren. Und es machte ihr Angst. Sie schämte sich. Sakura schämte sich. Wieder frischte ihre Wut auf und ließ sie erbeben. Das war absurd! Warum sollte sie sich schämen?! Warum? Sie hatte seit Monaten keine anderen Gefühle als Wut und Apathie gekannt, warum also gerade jetzt ein so unnützes und deplatziertes Gefühl? Es machte sie rasend und sie war drauf und dann das ganze Zimmer zu verwüsten. Aber dann mischte sich noch ein anderes Gefühl unter ihre Haut und ließ sie abermals fast ersticken. Im Gegensatz zu der Scham, kannte Sakura diese Empfindung noch ganz genau. Allerdings hätte sie nicht mehr gedacht es jemals wieder zu fühlen, weil es schon Teil ihres Alltags geworden war. Es war Trauer und erneut schnürte es ihr die Kehle zu. Scham. Trauer. Was war nur mit ihr los? Sakura atmete einige Male hastig ein und aus und versuchte sachlich an die Sache heranzugehen. Warum zum Teufel schämte sie sich? Weil Kakashi sie nackt gesehen hatte? Nein, ganz sicher nicht. Sie hatte nichts, auf das sie Stolz war und nichts, dass sie hasste an ihrem Körper – er war ihr einfach schlichtweg egal. Was also dann? Die Tatsache, dass er sie abgewiesen hatte? Vielleicht. Sie wusste es nicht, ihr wurde schwindlig bei diesem Gedanken, deswegen ließ sie ihn sofort wieder fallen. Oder vielleicht weil sie versagt hatte? Weil sie nicht imstande gewesen war, ihn zu betören, zu verführen? Ja,... das war es. Ganz sicher. Sakura biss die Zähne aufeinander und versuchte mit aller Macht dieses Gefühl zu bekämpfen. Scham... gab es eine sinnlosere Empfindung im menschlichen Dasein?! Und selbst wenn es sinnvoll gewesen wäre, Sakura hatte ganz sicher nichts mit so einem Gefühl zu tun. Sie war stark und ausdauernd und ließ sich von niemanden einschüchtern, schon gar nicht von ihr selbst. Ein Vogel kreischte draußen in den kalten Morgen und ließ sie erschaudern. Was sollte sie jetzt tun? Was dachte Kakashi jetzt von ihr? Gestern hatte sie das alles nicht beachtet, hatte einfach einen Impuls gefolgt, ohne die Folgen zu bedenken. Aber jetzt? Was, wenn er sie für ein Flittchen hielt (obwohl sie sich nicht einmal sicher war, ob sie nicht sogar eines war)? Was wenn er sie jetzt mied, sie ignorierte, aus seiner Wohnung schmiss? Sakura versuchte in ihr altes Muster hineinzufallen, es einfach als unwichtig abzutun, aber es fiel ihr schwer. Es war schwer gegen die Angst anzukommen, er würde sie einfach nicht mehr mögen. Wieder erfasste Wut sie und Sakura richtete sich auf. Sie wollte sich nicht mehr über solche unwichtigen Dinge den Kopf zermartern. Sie würde sich jetzt einfach anziehen und nach Kakashi suchen, ihn zur Rede stellen und alles auf eine Karte legen. Selbst wenn es riskant war, sie würde es wagen. Ihr doch egal, wenn er sie nicht mehr mochte. Auf einen solchen Kerl konnte sie auch genausogut verzichten! Hastig stand sie auf und streifte sich ein Stücken Stoff über den Kopf, ohne richtig hinzusehen, was es war. Dann stampfte sie die Treppen hinunter und setzte ihr wütendstes Gesicht auf. Sie würde wüten wie ein Orkan und nichts mehr von ihm übrig lassen. Denn wenn sie schon ging, dann sollte es ein einschlagender Abgang werden! Erst als sie Kakashi dann unten in Wirklichkeit sah, verlangsamte sich ihr Schritt. Plötzlich schien die Kraft aus ihren Gliedern zu weichen, der Mut aus ihrer Zunge und die Wut aus ihrem Kopf. Er saß einfach nur da, unten am Küchentisch und sah sie an. Sein gesundes, blaues Auge ruhte auf ihrer Gestalt und sie konnte nichts anderes tun, als seinen Blick zu erwidern. Auf einmal ertrug sie den Gedanken nicht, ihn nie mehr wiederzusehen. Ihre Kehle fühlte sich trocken an, ihre Knie schwach und ihr Kopf seltsam schwer und bedrückend. Obwohl sie es noch immer wollte, konnte sie einfach nicht zornig sein. »Hey... Sakura.« erklang es unsicher vom Esstisch. Sie schluckte zwang sich dazu die letzten Stufen hinabzugehen »Guten... Morgen...« »Ich... ich habe Frühstück geholt. Zwei fertige Menues mit Reis und Fisch. Ich hoffe, du hast Hunger.« Sakura wich seinem Blick aus und nickte leicht »Danke.« sie wusste nicht so Recht, was sie tun sollte, deshalb schlich sie zu einem der Schränke und kniff sich unsicher in den Arm »Hast du... auf mich gewartet?« »Ja...« »...« Kakashi konnte es kaum ertragen sie anzusehen. Vor allem nicht in ihrem derzeitigen Outfit. Sie hatte sich eines seiner Hemden übergestreift, viel zu groß und trotzdem zu knapp für ein ganzes Kleidungsstück. Es endete ganz kurz unter ihrer Hüfte und jedes Mal wenn sie sich bewegte, rutschte der Stoff ein wenig zur Seite und zog seinen Blick magisch an. Es verunsicherte ihn, warum sie so provokant vor ihm auftrat, aber vielleicht war es auch nur ein weiterer diese absurden Versuche ihn zu verführen. Er schluckte heftig und zwang seinen Blick wieder nach oben. Ihn verführen, pah! Als ob dafür noch viel nötig war... Sakura sah verstohlen zu ihm herüber, wusste aber noch immer nicht so richtig wie sie sich verhalten sollte. Ihre Gefühle überschlugen sich in ihrem Magen und schienen ihr Gehirn zu betäuben. Sie konnte nicht klar denken, rationale Entscheidungen treffen. Es war zum verrückt werden. Endlich entschloss sie sich etwas zu tun. So beiläufig wie nur möglich wandte sie sich von ihm ab und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Geschirr aus den Schränken zu holen. »Was möchtest du trinken?« Wäre dies ein Manga, würden Kakashi jetzt wohl sprudelnde Blutfontäinen aus der Nase schießen und ihn K.O. hauen. Aber dies war kein Manga und so musste er seine ganze Konzentration aufwenden um bei Verstand zu bleiben und seine nicht mehr übersehbare Erregung zu verstecken. Es war schwer bei diesem Anblick. Sakura schien es wirklich darauf anlegen zu wollen. Sie hatte ja noch nicht einmal Unterwäsche angezogen und so hatte er nun einen ganz vorzüglichen Blick auf ihre... »Kakashi-sensei?« Sein Blick raste nach oben und klammerte sich hilflos an ihre grünen Augen, die ihn nun unsicher ansahen. Das Herz schlug in seiner Brust so laut, dass er glaubte niemand im Umkreis von einer Meile könnte es überhören. Sein Kopf war ganz rot und seine Finger verkrampften sich schmerzhaft. »Was... was hast du gesagt?« Ihre linke Augenbraue schob sich langsam nach oben »Was du trinken möchtest.« »Wa-Wasser bitte.« Damit drehte sie sich wieder um und füllte eines der Gläser mit Leitungswasser. Der wunderbare Blick von eben war verschwunden. Es war wirklich die Hölle. Kakashi fühlte sich, als wäre er auf einen Pfahl gesteckt worden und würde nun genüsslich über den Höllenfeuer gebraten werden wie ein Schwein. Diese ganze Situation war einfach zu unreal! In seinem Herz zog es heftig, er wandte sich gequält ab und schloss die Augen. Er war sich immer noch uneins ob die letzte Nacht nur seinem Gehirn oder doch der Wirklichkeit entsprang. Und auch diese skurrile Situation machte die Entscheidung nicht unbedingt leichter. Was sollte er nun glauben? Sollte er sie einfach darauf ansprechen? „Hey, Sakura Liebes, haben wirs letzte Nacht mit einander getrieben?“ Wohl kaum. Aber wie sollte er es sonst herausfinden? Er würde sich am liebsten die Haare raufen, aber das würde wahrscheinlich nur noch mehr Aufmerksamkeit auf ihn lenken und das wollte er im Moment am wenigsten. Sakura setzte sich stumm ihm gegenüber und stellte das Geschirr und die Gläser ruhig auf dem Tisch ab. Sie wusste nicht, warum sich Kakashi so seltsam verhielt. Warum sah er sie nicht an, warum war er so abweisend? War das etwa schon das erste Anzeichen darauf, dass er sie hinaus schmeißen wollte? Wieder zwickte Wut in ihrem Bauch, aber auch Angst und diese nichtsnutzige Scham. Er hatte sie nackt gesehen und nicht darauf reagiert. Und jetzt saß er vor ihr und schwieg sie an. Sie fühlte sich deplatziert und die Stille legte sich peinlich über sie. Sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte. Sollte sie ihn ansprechen, ihn einfach fragen was los war? Sakura wollte es gerne, aber etwas Unbekanntes hielt sie davon ab. Sie konnte einfach nicht. Es stand zu viel auf dem Spiel. Und wenn es schon zu spät war, würde sie damit auch nichts mehr ändern. Der Gedanke, dass er sie nicht mehr in seiner Nähe haben wollte, machte sie einen Augenblick lang wütend und sie hatte Mühe es zu verstecken. Wahrscheinlich war es auch bereits so weit, wie sonst sollte sie die Situation deuten? Er saß noch immer vor ihr, sah sie nicht, war angespannt, unausgeglichen. Ein hässliches Kratzen rieb sich in ihre Augen und sie biss sich so hart auf die Lippen, dass es blutete. Also, wenn es eh schon vorbei war, konnte sie ja noch einmal richtig einen drauf legen! Sie würde herausfinden, was er wirklich von ihr hielt. Und selbst wenn es mit rabiaten Mitteln geschehen würde. Nun hatte sie A gesagt, jetzt musste sie auch B sagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)