Dreaming Society von Gepo (Fortsetzung von Dead Society) ================================================================================ Kapitel 10: Alltag ------------------ Ich hätte das Kapitel doch gestern morgen hochladen sollen. Eigentlich dachte ich ja früh genug zuhause zu sein, aber halb zwei war nicht mehr wirklich Sonntag *drop* Am Freitag ziehe ich um! Heißt, ich werde es vielleicht nicht schaffen nächsten Sonntag ein Kapitel hochzuladen (weil da wegen die Waldfee - nein, kein Internet ist das Problem). Kein Internet ab nächster Woche heißt ebenfalls, dass es mit dem Beantworten von ENS etc. ziemlich karg bei mir wird. Möglicherweise werdet ihr also noch länger warten müssen T.T Tut mir sehr Leid. Ich hoffe, es wird mir noch möglich sein Kommentare zu beantworten, aber leider kann ich das jetzt noch nicht garantieren. Vorerst aber erstmal viel Spaß mit diesem ^.^ _________________________________________________________________________________ „Soll ich denn von ihr wissen?“, erkundigte sich der Lehrer vorsichtig – und vorsichtig hieß mit noch sanfterer, langsamerer Stimme, als wenn er Katsuya tröstete und beruhigte. „Nun... hat ihnen Bakura irgendetwas erzählt?“, der Weißhaarige knetete seine Hände und biss auf seine Unterlippe. „Nein, das hat er nicht. Genau genommen habe ich mit ihm noch nie ein persönliches Wort geteilt.“ Wow... da hatte er ja sogar mit Katsuya mehr geredet. Dem hatte er wenigstens ein- oder zweimal eine Begebenheit aus seiner Arbeit erzählt – eher gesagt Ryou in seinem Beisein. „Ich weiß nicht so recht... sie strahlen auch irgendwie so eine Sicherheit aus. Ganz wie Katsuya. Irgendwie... so eine verständnisvolle Aura.“ Seto beugte sich etwas nach vorn, hielt die Hand vor den Mund und hustete einige Male, bevor er entsetzt erwiderte: „Bitte was? Entschuldige, Ryou, ich möchte dich nicht zu sehr enttäuschen, aber ich glaube, du unterliegst einer Wahrnehmungsstörung.“ „Tut er nicht.“, unterstützte Katsuya den Jüngeren, „Ich finde auch, dass du das ausstrahlst. Ohne dich hätte ich niemals den Mut gehabt meinem Vater den Rücken zu kehren und dich zu fragen, ob ich zu dir ziehen darf. Du kannst zwar ein echt herablassendes, sarkastisches Arschloch sein, wenn du es darauf anlegst und bist eigentlich nur chaotisch und psychisch echt durch den Wind, aber deine Anwesenheit macht einen irgendwie auch stark und sicher.“ Seto ließ seine blauen Augen von einem zum anderen wandern, während sich seine Augenbraue immer weiter in die Höhe zog. „Jungs... das macht mir ehrlich gesagt Sorgen... so eine Ausstrahlung haben nur Borderliner. Das sind zwar auch Komplextraumatisierte, aber... ich wollte mir nie vorstellen Borderline zu haben...“, er richtete sich wieder auf, „Auch wenn das möglicherweise dieselbe Störung ist wie die meine.“ „Wenn ich dich bei deinen Ausführungen richtig verstanden habe, liegt der entscheidende Unterschied allerdings darin, dass man sich auf dich stützen kann – auf Borderliner nicht.“, meinte Katsuya mit schief gelegtem Kopf. „Es kommt bei beiden Krankheiten auf die Therapie an.“, der Brünette nahm einen Zug, „Aber ja... ich bin belastbar. Ein wenig.“ „Du hältst mich aus, das setzt eine hohe Belastbarkeitstoleranz voraus.“, er murmelte die Worte nur, aber die beiden hatten sie sicher trotzdem gehört. „Darf ich mich bei ihnen melden, wenn ich Hilfe brauche?“, Ryous Stimme zitterte und war kaum mehr als ein Flüstern. „Sicher, jederzeit.“, Seto legte dem über vierzig Zentimeter Kleineren die Hand auf die Schulter – für sicher eine Sekunde, danach hatte er sie durch das Zusammenzucken des Jungen wieder entfernt – und redete weiter, als wäre nichts geschehen: „Vor einigen Jahren war es auch noch Standard, dass Lehrer nebst Lehrkörpern auch Vertrauenspersonen und Ansprechpartner waren. Meine Mutter erzählte mir mal, wie ihre Schwester eines nachts nicht nach Hause kam, während ihre Eltern nicht da waren. Sie war so verzweifelt, sie hat ihren Lehrer aus dem Bett geholt und der ist mit ihr durchs Dorf gezogen und hat alle Freunde des Mädchens besucht und nach ihr gefragt. Und als sie sie nach Stunden nicht gefunden hatten, sind sie auch noch zusammen zur Polizei gegangen.“, er trat die abgebrannte Zigarette aus, „Für mich gehört das auch heute noch zum Lehrerberuf.“ Wow. Das war echt mal so gewesen? Lehrer waren Vertrauenspersonen? Warum war das heute nicht mehr so? Lehrer heute waren irgendwie nur nervige Sklaventreiber... okay, Seto war anders, definitiv und manche Lehrer waren auch etwas anders, die zeigten wenigstens etwas Spaß an ihrem Beruf und scherzten manchmal mit ihren Schülern – so wie Yugi früher – aber der Großteil der Lehrerschaft bestand aus Leuten, die ihren Beruf nicht mochten, nicht wollten oder einfach nur frustriert waren. „Hast du denn akut ein Anliegen?“, fragte Seto den Jüngsten vorsichtig. „Ähm...“, er wurde rot, „Nun ja...“, seine Hände verschränkten sich hinter seinem Rücken, während er den Kopf senkte, „Schon... also... normalerweise sage ich das Bakura, aber als das schon mal vor kam, da... da... da war der Typ danach auf der Intensivstation... der psychiatrischen Abteilung...“, der Fünfzehnjährige schluckte. „Worum geht es denn?“, der Lehrer ging in die Hocke, um so zu dem Kleinen aufblicken zu können – ob er gemerkt hatte, dass Ryou extreme Angst vor großen Männern hatte? „Es... nun... die anderen wissen ja, dass ich schwul bin... und... in der Klasse über uns... da...“, der Weißhaarige versteckte sein Gesicht hinter den Händen, „Immer betatscht er mich! Und er bedrängt mich, wenn Katsuya nicht da ist! Andauernd finde ich irgendwo Briefe, die sich wie Liebesbriefe anhören, aber sie machen mir Angst! Ich habe ihm gesagt, ich sei vergeben und er solle mich in Ruhe lassen, aber er macht immer weiter! Und er lungert in der Nähe der Wohnung rum! Jeden Morgen fängt er mich irgendwo ab. Ich habe Angst!“, den letzten Satz schrie er nur noch. „Ryou...“, Katsuya hob leicht die Arme in seine Richtung, was den Weißhaarigen dazu veranlasste sich sofort an ihn zu klammern und seinen Kopf hinter der geöffneten Uniformjacke zu verstecken. „Da ist also jemand, der dich stalkt, ist das richtig?“, fasste Seto das Problem zusammen. „Ja...“ „Weißt du seinen Namen?“ Der Kleine nickte nur, was der Lehrer anscheinend trotzdem mitbekam. „Würdest du ihn mir sagen?“ „Was... was werden sie tun?“, die kleinen Finger krallten sich in Katsuyas Shirt, der beschützend seine Arme um das Nervenbündel legte. „Erst einmal werde ich mit ihm reden. Wenn er dann immer noch weiter macht, werde ich wohl Sanktionen verhängen müssen. Und hat das keine Wirkung, dann muss er angezeigt werden.“, Ryou wagte es sich in der Umarmung ein wenig zu drehen, um den Sprechenden anzusehen, „Das heißt, ich werde auf jeden Fall weiter deine Hilfe und Rückmeldung brauchen. So wie dein Vertrauen.“ Der Weißhaarige schluckte, krallte seine Nägel in Katsuyas Arm, den er nun umfasste und nickte kurz, aber entschlossen. „Warum muss der Kleine nur immer so viel Pech haben?“, fluchte Katsuya, während er sich anschnallte. „Natürliche Opfer-Aura. Menschen ohne Selbststabilität wehren sich nicht, wenn man sie ausnutzt oder missbraucht. Und genau das strahlen sie auch aus.“, der Fahrer ließ den Wagen an, „Wenn ich in meine Kinderpersönlichkeit wechsle, bin ich auch so ein Opfer. Deswegen unterdrücke ich es auch allen gegenüber.“ „Mir gegenüber nicht.“, Katsuya wandte sich zu ihm, doch natürlich konzentrierte er sich vollkommen auf die Fahrbahn. „Dir... vertraue ich auch... ein bisschen.“, quetschte Seto hervor. Pamm. Pamm. Pamm. Katsuya konnte sein Herz mal wieder in seinem Kopf schlagen hören. Er vertraute ihm? Seto vertraute ihm? Wirklich? Oh shit... er schniefte. Verdammt, er musste wirklich heulen... nur wegen dieser Worte... „Katsuya?“, die Stimme klang erschrocken, „Was ist mit dir? Was ist los?“, er hielt den Wagen praktisch mitten in der Ausfahrt an und wandte sich sofort zu ihm. Der Jugendliche spürte Tränen über seine Wangen rinnen und brachte stockend hervor: „Das... das ist einfach nur... das Schönste, was du mir je gesagt hast.“ Sein Blick traf auf ein vor Sorge verzogenes Gesicht mit tiefen Falten zwischen den Augenbrauen und auf der Stirn, die sich durch seine Aussage noch etwas vertieften. „Ehrlich?“, flüsterte der Brünette leise. „Ja.“, bestätigte Katsuya. „Wieso... ?“, und genau da war es, das Gesicht ohne Maske, das kleine, liebesuchende Kind mit den sehnsüchtigen, fragenden Augen und den unverkrampften Muskeln. „Weil ich weiß, dass es etwas ganz besonderes ist, wenn du jemandem dein Vertrauen schenkst, kleiner Drache.“, Katsuya fuhr mit seiner Hand in das seidige, braune Haar und schnappte sich eine der kurzen Strähnen, „Weil es mir viel bedeutet, dass ich für dich wichtig bin.“ „Wie viel denn?“, oh Himmel, dieser Blick war so unschlagbar... Das war doch wie in der Geschichte, die er seiner Schwester immer vorgelesen hatte. Ob Seto die wohl kannte? „Bis zum Mond und wieder zurück.“, er setzte seinem kleinen Drachen einen kurzen Schmatzer auf die Lippen, „So sehr hab ich dich lieb.“ Katsuya hatte keine Ahnung, wie sie es zum Arzt geschafft hatten. Er hatte auch keine Ahnung, welche Persönlichkeit Setos den Wagen gefahren hatte. Er hoffte einfach mal, dass es die erwachsene gewesen war. Peritraumatische Dissoziation – die Aufspaltung einer Persönlichkeit in drei genau festgelegte Personen. EP, die emotionale Persönlichkeit, Setos Kinderversion. ANP, die anscheinend normale Persönlichkeit, Setos erwachsenes Ich. Und TI, das Täterintrojekt, welches immer irgendwie dabei, aber ihm noch nicht in Reinform begegnet war – und er wollte ihm auch nicht begegnen. Er liebte den erwachsenen Seto und er liebte den kleinen Seto, das war ihm mittlerweile klar. Was er über das mögliche TI zu denken hatte, das wusste er noch nicht. TI enthielt die ganzen Minderwertigkeitsvorstellungen, den Selbstverletzungsdrang, Wut, Hass und Aggressionen auf die Welt und sich selbst und daher das Bedürfnis bis zum Umkippen zu arbeiten, um nicht über sich selbst oder die Gefühle nachdenken zu müssen. Von TI kam der Kontrolldrang und der Perfektionismus und die ständige Angst vor allem und jedem – und damit auch das Misstrauen. TI war immer da, steuerte immer seine Impulse ein und wurde deshalb von Seto abgelehnt – was definitiv nicht heilsam war, denn es war ein Stück seiner Persönlichkeit. Aber Katsuya konnte sich auch nicht erwehren sich zu wünschen niemals das unkontrollierte TI zu treffen. Das TI lehnte sicherlich auch Katsuya ab, denn der war definitiv eine Bedrohung für die Gesamtpsyche, da er Seto nahe stand. Und dennoch war es ihm erlaubt zuzusehen, wie die Verbände und Stripes entfernt, die Wunden noch einmal desinfiziert und gesalbt und erneut in Verbände gepackt wurden. Bitte bis übermorgen anbehalten, danach konnte Seto ohne rumrennen. Der Arzt war zufrieden über den Heilungsprozess und die gute Mitarbeit seines Patienten – der sich mit den Wunden schon einfach zu gut auskannte, wenn Katsuya das richtig deutete, anscheinend hatte er sich früher wirklich oft geschnitten – und wechselte über zu seinem anderen Sorgenkind, das sich wie immer nicht wirklich an den Ernährungsplan gehalten hatte, aber zumindest brav Tabletten schluckte. Eine Untersuchung der Vitalwerte, der Pupillen, der Reflexe, bestimmter Muskelpartien, ein EKG, heute sogar noch ein EEG – was ziemlich angenehm war, er war dabei eingeschlafen – Blutentnahme und fertig war er. „Ich schreibe dann gleich noch den Bericht und sende alles per Kurier morgen zum Gericht. Ist das so in ihren Sinne, Herr Kaiba?“, irgendwie wurde Katsuya das Gefühl nicht los, dass da gleich ein weiterer Batzen Geld unausgesprochen den Besitzer wechseln würde... bestechbare Ärzte halt. „Vollkommen. Unsere Krankenschwester hat die Berichte des letzten Jahres zusammengestellt, schreiben sie dazu bitte auch noch einen persönliche Note und senden sie die Unterlagen morgen zusammen hin. Der Richter weiß Bescheid.“ Oh Himmel... Seto hatte nicht auch den Richter bestochen, oder? Langsam machte ihm das Angst... zumindest im Ordner lag schon mal ein weißer Umschlag, der fraglos irgendeine horrende Summe enthielt. „Bitte an diese Adresse.“, der Lehrer reichte dem älteren Herrn einen gefalteten Zettel. „Ganz, wie sie wünschen, Herr Kaiba.“ Vollkommen der durchtriebene Geschäftsmann – konnte man das wirklich als anscheinend normale Persönlichkeit bezeichnen? „Endlich daheim.“, der Lehrer streckte sich genüßlich, ließ seine Tasche neben die Einganskommode sinken, zog die Schuhe aus und ging mit der Leinentasche mit ihren Klassenarbeiten ins Wohnzimmer, „Habt ihr in Kunst Hausaufgaben?“ „Nein, hab' alles in der Stunde geschafft.“, Katsuya trabte ihm brav hinterher, „Hätten sie sich in Englisch zurückgehalten, hätte ich heute keine Schulaufgaben mehr.“ „Ach komm, das ist eine Sache von fünf Minuten. Es ist nur eine Grammatikübung.“, Seto ließ sich aufs Sofa fallen und legte die Beine hoch, „Aber du kannst mich sicher dazu bringen sie mit dir zusammen zu machen, wenn du das Essen vorziehst.“ Oho – das war mal ein Angebot. „Was hätte der Herr denn gern?“ „Ein Fünfminutensteak mit den Beilagen von deinem Ernährungsplan.“, der Liegende schenkte ihm ein schier unwiderstehliches Lächeln, „Danke.“ „Kein Problem.“, schließlich machte Kochen ihm Spaß, „Wir müssen morgen einkaufen, ja?“ „Angemeldet und genehmigt.“, er seufzte und wandte sich der Arbeit zu, „Ruf mich, falls du irgendwo Hilfe brauchst.“ Was? Seto, die absolute Kochniete, wollte ihm in der Küche helfen? Dann wurde er mindestens zum Zwiebelschneiden verdonnert. Wenn er das schon anbot... Lächelnd machte sich Katsuya an die Arbeit. Wer weiß, vielleicht würde Seto ja doch noch kochen lernen? Wäre auch cool. Dann musste er nicht massenweise Essen vorkochen, sollte er mal nicht da sein. Na gut, Seto hatte sich die letzten fünf Jahre selbst versorgt, wahrscheinlich würde er ohne ihn auch problemlos überleben, aber ein Seto Kaiba hatte sich einfach nicht von Dosensuppen, Tiefkühlpizzen und Instantnudeln zu ernähren. Das passte nicht. Zugestanden, ein Seto Kaiba beim Kochen war auch ein wenig abstrakt, aber zumindest nicht so schrecklich abwegig. Schluss der Überlegungen: „Seto! Kommst du helfen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)