Dreaming Society von Gepo (Fortsetzung von Dead Society) ================================================================================ Kapitel 113: Liebe ------------------ So! Meiner Hand geht es besser. Immer noch nicht gut, aber besser. Ich hoffe nur, meine Stimme wird bis zur mündlichen Prüfung am Donnerstag auch wieder... Meine schriftliche habe ich übrigens bestanden ^.- Zwar mit der schlechtesten Note, aber bestanden. Danke für eure Unterstützung! Und nun viel Spaß beim Lesen ^.- _________________________________________________________________________________ Liebe... er sagte, er liebte Seto. Aber was war das für eine Liebe? Sie war anders als Ryous Art der Liebe. Er wollte nicht nur das zahme Hausfräulein sein. Er brauchte mehr als liebe Worte und Sicherheit. Er brauchte Aufregung, Herausforderung, Nervenkitzel. Er brauchte Grenzen, um sie zu überschreiten und Regeln, um sie zu brechen. Im Endeffekt war er wohl die größte Schlampe von ihnen allen, obwohl er weder promiskuitiv noch prostituiert war. Er brauchte Sex in der Öffentlichkeit und einen Freund, mit dem er angeben konnte und um den er beneidet wurde. Gleichzeitig wollte er Romantik und konnte niemanden von seiner absolut nonkonformistischen Beziehung erzählen. Er brachte Seto andauernd ans Ende seiner Nerven und machte ohne Ende Probleme. Ihn bei Laune zu halten war im Endeffekt eine Vollzeitbeschäftigung. Und Seto ließ sich das gefallen. Hieß das, es war für ihn okay und es ging ihm genau so, dass er es genoss? Oder hieß das, dass er es akzeptierte und hoffte, Katsuya würde sich noch ändern? Konnte er seinen Freund so etwas fragen? Oder würde der das falsch auffassen? Sicher würde er Angst bekommen, dass mit der Beziehung irgendetwas nicht stimmte. Aber war es besser deshalb zu schweigen? Von allen Seiten hörte er immer, dass es nichts brachte darauf zu warten, dass sich ein Problem von selbst löste. Seto würde diese Fragen kaum einfach so ansprechen. Aber dass er selbst fragte? War das wirklich so ein Problem für ihn? War es überhaupt ein Problem? War das nicht eher ein Problem, dass er mit sich selbst und nichts mit Seto zu tun hatte? Wie konnte er behaupten Seto zu lieben, wenn er nicht einmal wusste, was Liebe war? Vielleicht brauchte er keine universelle Definition, aber doch eine eigene. Eine persönliche. Ganz für sich allein. Wenn er nicht wusste, was er wollte und brauchte, wie konnte er dann jemandem sein Vertrauen und seine Gefühle in die Hände legen und behaupten, dieser würde gut damit umgehen? In dem Sinne... wie konnte Seto ihn lieben? Er wusste vielleicht, was er wollte, aber konnte Katsuya ihm das geben? Wenn er seinen Freund enttäuschte, war es das Aus des Vertrauens, der Liebe oder beidem? Anscheinend waren die beiden ja doch nicht dasselbe. Man konnte mit verletztem Vertrauen dennoch lieben. Man konnte vertrauen ohne zu lieben. Was war also Liebe für ein Gefühl? War es ein Gefühl? Wodurch wurde es ausgelöst? Wodurch wurde es aufrecht erhalten? Was brauchte es, um Liebe zu empfinden? Welche Voraussetzungen stellte sein Kopf? Was war es, was ihn in Ekstase versetzte? War es wirklich Seto? Seto, der sich um ihn kümmerte und der für ihn da war? Oder Seto, der ihn beschimpfte, ignorierte und stets kurz vor einer erneuten Attacke zu stehen schien? Seto, der selbstherrlich, arrogant und ignorant durchs Leben schritt und alles meisterte, was man ihm vor die Füße warf? Oder Seto, der ihn brauchte und alles tat, um ihn bei sich zu behalten? Seto war das alles. Aber hieß das, dass er das alles haben wollte? Liebte er das alles? Jede einzelne Situation? Oder einen großen Teil, wobei er den Rest einfach akzeptierte? Oder hatte er einen Teil gesehen, sich den Rest dazu gedichtet und wurde jetzt langsam von der Realität eingeholt? Könnte er für einen anderen Menschen genau dasselbe empfinden, wenn er sich wie Seto verhielt? Würde er dasselbe für Seto empfinden, wenn dieser sich ändern würde? Oder war diese Empfindung vom Verhalten unabhängig? Er wagte es nicht zu denken, dass Liebe möglicherweise nur ein schäbiger Schein war, der Aussehen, Ansehen und andere solcher Faktoren verband, aber konnte er das ausschließen? Oder war sie vielleicht wirklich nur eine biologische Reaktion auf Geruchsstoffe wie bei den meisten Tieren? „Seto?“, der Blonde legte von hinten die Hände auf die Schultern des Sitzenden und begann diese zu massieren, „Hast du einen Moment?“ „Natürlich.“, der Angesprochene schaltete den Fernseher aus und warf einen Blick nach oben, „Möchtest du dich zu mir setzen?“ „Ehrlich gesagt... nein...“, er drückte sanft gegen Setos Hinterkopf, „Ich weiß nicht, wie ich darüber sprechen soll und ich glaube, es ist leichter, wenn ich dir nichts ins Gesicht sehe.“ „Hast du etwas ausgefressen?“, dieser sah brav wieder nach vorne. „Nein. Ich denke nur den ganzen Tag schon über etwas nach. Es lässt mir einfach keine Ruhe. Aber ich weiß nicht, wie ich es ansprechen soll. Ich habe Angst, dass du das falsch verstehst.“, Katsuya seufzte, „Bei allen Göttern, das muss sich einfach schrecklich anhören. Es ist eigentlich nur eine Frage, aber...“ „Ich habe dir versprochen, dass ich keine Blödheiten mache. Kein Selbstmord, kein Schneiden, kein Substanzmissbrauch. Also was es auch ist, du kannst danach immer noch um Vergebung flehen.“, der letzte Satz wurde mit einer guten Prise Sarkasmus gesprochen. „Das wird hoffentlich nicht nötig sein. Okay...“, er seufzte und stützte sich auf Setos Schultern, „Also, es geht um Folgendes... scheiße, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Also, ich habe heute über Liebe nachgedacht. Und warum ich so was wohl empfinde, was das auslöst und wie viel mich dieses Gefühl beeinflusst. Und irgendwie... ich weiß auch nicht, irgendwie bin ich ganz unsicher geworden. Ich sage zwar, ich liebe dich, aber habe ich überhaupt eine Ahnung davon, was das ist und warum es das ist? Das ist irgendwie schrecklich kompliziert.“ „Hm-hm.“, der Andere nickte nur. „Also... das versuche ich gerade rauszukriegen. Also wollte ich dich fragen, ob du mir das von deiner Seite aus sagen könntest. Was du fühlst und warum du das fühlst. Ich weiß, wir haben schonmal geklärt, was du für Erwartungen hast und was dir wichtig ist, aber ehrlich gesagt weiß ich damit nur, was ich nicht tun sollte. Nicht... was dich eigentlich dazu bringt was auch immer für mich zu empfinden.“, erklärte Katsuya mit zunehmend sicherer Stimme. „Eine gut überlegte und sehr sinnvolle Anfrage. Es freut mich, dass du mich in deine Überlegungen einbeziehst.“, Seto legte eine Hand auf seine, die noch immer dessen Schultern umfassten, „Nur die Praktikabilität möchte ich kurz in Frage stellen. Dir ist schon klar, dass ich meine Gefühle praktisch nicht empfinden kann? Es hat Wochen gebraucht, damit ich determinieren konnte, dass ich für dich etwas anderes empfinde als für alle anderen bisher. Und dass ich dich nicht verlieren will. Das habe ich als Liebe definiert, weil das wohl das Näheste ist, was ich je empfinden werde.“ Katsuyas Unterkiefer war leicht herunter gesackt. Er starrte mit einem Ausdruck zwischen Erstaunen und Entsetzen Setos Hinterkopf an, bis er schließlich fragte: „Äh... heißt das... du hast mich in irgendeiner Form – du weißt nicht einmal ob positiv – als besonders wahrgenommen und daher entschieden mich zu heiraten?“ „So ziemlich.“, seine Hand wurde gedrückt, „Im Alter denkt man weit weniger nach als als Jugendlicher. Für mich stellt sich nicht die Frage, ob das so richtig ist und so sein sollte, was besser sein könnte und ob es dort draußen nicht doch noch irgendwo den Mister Perfect gibt. Ich sehe, es funktioniert mit uns beiden und das war es für mich. Und ich hoffe, dass wir auch auf Langzeit so funktionieren.“ „Aber... aber... das ist doch keine Liebe!“, Katsuya zog seine Hände weg, „Das kannst du doch nicht als Liebe bezeichnen! Meine Uhr funktioniert mit Batterien und trotzdem nenne ich das nicht Liebe.“, er wich zurück, „Ich fasse es nicht, wie völlig verdreht du manchmal bist...“ „Katsuya.“, Seto erhob sich, drehte sich zu ihm und sah ihm in die Augen, „Ich bin krank. Ich versuche mit dem eher spärlichen Bezug zur Realität und zu menschlichen, sozialen Kontakten, den ich besitze, mein Sein aufrecht zu erhalten. Ich weiß, dass ich keine romantische oder idealistische Vorstellung der Liebe habe. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, was das ist. Ich kann auch nicht erfühlen, ob etwas richtig oder falsch ist. Ich kann analytisch feststellen, dass es mir besser geht, seit ich mit dir zusammen bin und dass es weh tut, wenn wir streiten. Ich bin verletzlich dir gegenüber. Das heißt, du bedeutest mir mehr als so praktisch jeder andere Mensch auf diesem Planeten. Noah, Yugi und Yami sind die einzigen anderen Menschen, die das überhaupt können und ich kann klar sagen, dass ich für sie etwas anderes empfinde als für dich.“ „Aber... das Liebe zu nennen...“, der Blonde schüttelte den Kopf. „Kats, meine Gefühle sind für mich in einem anderen Universum. Ich muss mein Verhalten beobachten, um zu merken, dass ich jemanden nicht mag oder dass ich wütend bin. Wenn ich nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gehe, muss das jeder, aber normale Menschen schaffen das in Millisekunden, während ich teilweise Wochen brauche. Und während sie – und wahrscheinlich auch du – das einfach völlig unterbewusst tun, muss ich lange darüber nachdenken und Situationen immer wieder im Kopf abspielen, bevor ich verstehe, dass ich wohl zu diesem und jenem Zeitpunkt eine schlechte Laune hatte.“ „Langsam verstehe ich, warum Yami es für ein Wunder hält, dass du es schaffst eine Beziehung zu führen.“, erwiderte er leise nach ein paar Sekunden der Stille, „Wahrscheinlich musst du auch die Gefühle jeder der Personen in deinem Kopf analysieren, bevor du dein Ergebnis hast, was?“, Seto nickte nur stumm, „Das gibt dem Satz „Kenne dich selbst“ eine ganz andere Bedeutung...“ „Es tut mir Leid, dass ich dir nicht helfen kann. Meine Definition von Liebe ist sehr speziell. Und ich muss sagen, ich hoffe sehr stark, dass deine anders ist.“, er lächelte schief, „Sonst liebst du mir noch zu viele andere. Im Gegensatz zu mir bist du ja glatt gesellschaftlich kompatibel.“ „Schon klar... aber ich glaube, es hat geholfen.“, Katsuya fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, „Die Frage, ob ich dich auch lieben würde, wenn du dich ganz anders verhalten würdest oder die, ob ich jemand anderen genau so lieben würde, wenn er sich wie du verhält, streiche ich mal als völlig egal. Ich glaube, dieses Mal habe glatt ich mir einfach viel zu viele Gedanken gemacht...“ „Klingt so.“, eine braune Augenbraue hob sich, „Die Chance, dass du jemandem wie mir noch einmal per Zufall begegnest, ist wirklich gering.“, er lehnte sich vor und stützte die Hände auf die Lehne der Couch, „Kriege ich jetzt noch einen Kuss?“ Wenn etwas zwischen ihnen fehlte, war es zumindest nicht das Feuer. Jede von Setos Berührungen brannte auf seiner Haut. Die Linien, die er mit seinen Küssen gezogen hatte, hatten sich in sein Fleisch geätzt und kribbelten noch am nächsten Morgen unter seiner Haut. Das einzig Schlimme war wohl, dass er wusste, dass Seto ihn verführt hatte, um ihn von den Gedanken über dessen Worte abzubringen. Um ihn vom Zweifeln und Hinterfragen abzulenken – und Katsuya hatte sich in seine Arme gestürzt, als sei er eine Erlösung. Als sei Vergessen und Verdrängen das einzig Richtige. Vergessen, dass Seto so krank war, dass ihre Gespräche – sei es nur harmloser Small Talk – für den Anderen eine Belastung waren. Erst recht alle Gespräche, die sie oder ihre Beziehung thematisierten. Seto musste das gestern Abend schrecklich viel abverlangt haben. Katsuya seufzte und drehte sich auf den Rücken. War es richtig gewesen sich verführen zu lassen? Hätten sie nicht besser weiter darüber sprechen sollen? Aber hätte das wirklich etwas gebracht, so aufgeregt wie er gestern gewesen war? Wie Seto gewesen war? Sollte er es jetzt noch einmal ansprechen? Andererseits... was genau ansprechen? Was wollte er denn von Seto hören? Warum hatte er all diese Zweifel und Gedanken? War er nicht schon einmal über sie hinweg gekommen? Warum türmten sie sich jetzt vor ihm auf, als wäre er jemand, der sie von sich schob, bis er sie nicht mehr ignorieren konnte? Oder hatte er ein Problem ignoriert? Hatte er diese Zweifel ignoriert? Diese Fragen, ob er wirklich liebte und ob das mit Seto so richtig war... hatte er sie nur unterbewusst aufgeschoben? Er dachte doch sie gelöst zu haben. Sicher zu sein, dass er Seto liebte. Dass das so richtig war. Dass Seto für ihn sein Freund war. Sein Partner. Nicht sein Vater, nicht sein Sohn, nicht sein Lehrer – sondern in erster Linie sein Freund. Sein Geliebter. Aber reichte es diese Entscheidung einmal zu treffen? Oder musste er sie immer wieder überdenken, je nach Stand der Dinge? Nur was sollte sich geändert haben? Zwischen ihnen war es wie immer. Sex, Lachen und eine Menge Zuneigung. Das gehörte zu einer Partnerschaft, richtig? Aber andererseits... was war das zwischen ihm und Yami? Freundschaft? Die Zuneigung war ebenso da, auch das Lachen, nur... aber ging das? Er hatte Yami nie so wahr genommen. Vielleicht, weil er nie vorher über die Möglichkeit nachgedacht hatte. Oder hatte er? Yami hatte sich ihm angeboten. Damals, in ihrer ersten Nacht. Doch er selbst hatte abgelehnt, weil er das nicht als moralisch richtig empfand. Der Dank jemanden vor einem Übergriff zu retten hatte kein selbst gewählter Übergriff desselben Kalibers zu sein. Aber danach? Sie waren Freunde gewesen. Den größten Teil der Zeit. Die anderen kurzen, flüchtigen Moment waren ein Meer aus Küssen und... weniger jugendfreien Aktivitäten. Sie hatten nie miteinander geschlafen. Aber sie waren oft verdammt nah dran gewesen. Wieso hatte er Yami trotzdem nie als so etwas wie einen möglichen Geliebten gesehen? Weil er sich selbst nie als möglicherweise schwul wahr genommen hatte? Oder hatte er es auch verdrängt? Die Gedanken darüber, die Möglichkeit... warum war es so leicht gewesen es bei Seto zu akzeptieren? Hieß das, dass Seto eine gute Wahl war? Oder waren andere Dinge dafür verantwortlich, dass er nie so über Yami nach gedacht hatte? Und was war jetzt? War es zu spät darüber nachzudenken? War es falsch? Oder war es sogar... richtig? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)