Das Feuer Eos von abgemeldet (...Hamburg, 1890...) ================================================================================ Kapitel 16: (14) - Ende. ------------------------ 30. September 1890 Der Henker vergewisserte sich, dass Lord Crowley außer Hörweite war, dann stellte er sich unter die baumelnden Füße der Leiche, stützte ihren Körper mit seinen Schultern und pfiff eine leise Melodie. Aus dem Quartier der Wachmannschaft kam ein hochgewachsener Blonder geeilt, zog ein Messer aus seinem langen Mantel und begann, den Strick zu durchtrennen. Belas Körper fiel bewegungslos auf die lausige Pritsche seiner Zelle. „Nein,“ flüsterte Farin. Er öffnete das mit Seil umwickelte Drahtgeflecht, an dem Bela gehangen hatte, das aussah, wie ein Henkerstrick, aber hatte sicherstellen sollen, dass er an seinem Kiefer hängen, nicht ersticken und sein Genick nicht brechen konnte. „Nein... Bela... Please. Talk to me.“ Er streichelte zärtlich über die blauen Schwellungen an Hals und Kiefer des Dunkelhaarigen, tastete nach einem Herzschlag. Er war zu aufgeregt, seine Finger zitterten zu sehr, er konnte nichts finden. Dann hustete Bela, richtete sich röchelnd auf, um mehr Luft in seine Lungen zu bekommen. „Das hätte nicht viel länger dauern dürfen,“ keuchte er zwischen zwei Atemzügen. „Thank God,“ zwei langgliedrige Hände griffen sein Gesicht, ein ungläubiges, im Schummerlicht fast grau erscheinendes Augenpaar, studierte Belas Gesichtszüge. „I thought I lost you. God. Bela. I’m so, so sorry.“ Bela griff die Hände, löste sie von seinem Gesicht, nicht grob aber bestimmt, und bedeutete Farin, ihn nicht zu berühren. Er war sich nicht sicher, was er fühlen sollte, wie er Farin gegenübertreten sollte. „Was ist geschehen, wer hat mich verraten?“ fragte er tonlos, blickte vom südländischen Henker, der niemand anderes als Rodrigo selbst war, zu Lord Farin. Dann lachte er leise und überraschte sich selbst damit. „Wir sehen uns in der Hölle, herrje, Rod,“ sein morbider Sinn für Humor driftete zurück an die Oberfläche, er keuchte leise und holte rasselnd Luft. „Was glaubst du eigentlich, wie viel Mühe ich mir geben musste, nicht in Lachen auszubrechen?“ Rod zuckte gelassen mit den Schultern. „Es ging um dein Leben, außerdem hab ich mich auf deine Schauspielkunst verlassen.“ Bela schwieg einen Moment, dann schüttelte er amüsiert den Kopf und beschloss, das Thema zu wechseln. „Und was ist denn nun schief gelaufen? Wer von euch Mistkerlen hat mich verraten?“ Er fragte halb im Scherz, doch tat es noch immer weh, wenn er daran dachte, wie überzeugt er gewesen war, dass Jon schnurstracks zur Polizei gegangen war. Er konnte es sich nicht mehr vorstellen – nicht jetzt, wo er Jon ihn, Bela, so ruhig ansehend und fast unmerkbar lächelnd neben Rodrigo stehen sah, aber... es waren lange Wochen im Gefängnis gewesen. Er musste wissen, wem er die Schuld dafür geben konnte. Katharina war es... Ich fürchte, du hast sie dümmer eingeschätzt, als sie ist,“ erwiderte Rod trocken auf seine Frage. „Die kleine Schlampe,“ murmelte Bela und war von sich selbst überrascht, dass so wenig Überzeugung in seiner Stimme lag. Er hatte es verdient, schätzte er, ein bisschen wenigstens – und immerhin lebte er noch, steifer Nacken hin oder her. Obendrein wog die Erleichterung darüber, dass es nicht Farin gewesen war, leichter, als die Enttäuschung, die er dem Küchenmädchen entgegenbrachte. „Sie hat bemerkt, dass du weg warst und nach dem Diebstahl eins und eins zusammengezählt. Unterschätze niemals den verletzten Stolz einer Frau...,“ ergänzte Rodrigo. Bela lachte kurz, betastete seinen geschwollenen Hals. Mehr als flüstern würde er die kommenden Tage nicht können. Das geschah ihm Recht, konkludierte er, solange er nur wusste, dass Jon ihn gerettet hatte. Und dass Rod hier war, hieß wohl, dass er nach wie vor auf seiner Seite war – und ihm seinen Anteil am Diamanten auszahlen würde. Ja, all das war einen schiefen Hals allemal wert. Er sah Farin an, schluckte und zog eine Grimasse ob des Schmerzes, den er sich selbst damit zuzog. „Es tut mir Leid, Jon.“ sagte er schließlich leise. „Ich hätte dich nicht hier hineinziehen dürfen.“ Farin schüttelte den Kopf, lächelte leicht und machte einen Schritt auf ihn zu, aber sagte nichts. „Und... es tut mir noch viel mehr Leid, dass ich gedacht habe, du hättest mich verraten. Dabei hast du mir das Leben gerettet. Du und Rod.“ Er schaute vom einen zum anderen. „Danke. Ich verstehe immer noch nicht, woher ihr euch kennt, geschweige denn, wie ihr dieses Kunststück fertig gebracht habt... Aber ich danke euch aus tiefstem Herzen.“ Rod lächelte grimmig. „Danke uns später. Dann ist auch Zeit für Erklärungen. Zunächst müssen wir hier weg, dringend, bevor sich jemand fragt, warum ich so lange dafür brauche, dich, die Leiche, abzutransportieren.“ Er drehte sich zu Farin. „Wir treffen uns später.“ „In Ordnung.“ Farin lehnte sich vor, küsste Bela kurz auf die Lippen, flüsterte „es muss dir nicht Leid tun.“ Dann drückte er schweigend Rodrigos Hand, sie tauschen einen Blick. Lord Farin, letzter Spross der Barone von Inglewood, drehte sich um und verließ leise die Zelle, in der sich die Ursache der vermutlich ersten heimtückischen, obendrein illegalen, Handlung seines Lebens befand. Es tat Bela im Herzen weh, dass es soweit gekommen war, dass Farin für ihn gegen seine tiefsten Prinzipien hatte verstoßen müssen – und doch jubilierte es in ihm, dass sein Leben Jon offenbar so viel wichtiger war als dieser alberne Ehrenkodex. Rods Gesichtsausdruck war unverändert gelassen. „So,“ sagte er schließlich. „Ich dachte mir bereits, dass der gut aussehende Lord mehr wollte, als nur seinen Valet zu retten.“ Er schüttelte den Kopf. „Du hattest schon immer ein Händchen dafür, alles komplizierter zu machen als nötig.“ Bela lachte auf und bereute es sofort. Die Glücksgefühle darüber, am Leben zu sein, konnten den Schmerz nicht verdecken. Er hustete, lehnte sich schwer atmend auf seine Pritsche zurück. Rodrigo stand kopfschüttelnd daneben, sein Gesicht wirkte nicht sehr mitleidig und Bela, der ihn und seine meist absichtlich stoische Mine schon seit vielen Jahren kannte, hätte schwören können, dass er einen Mundwinkel leicht hochzog – die Andeutung eines Lächelns in González’scher Körpersprache. Viel Zeit, darüber nachzudenken, bekam er nicht. „Du musst jetzt wieder Leiche spielen,“ sagte Rod kurzerhand, auf seine gewohnt trockene Art und Weise. „Mach dich bitte so steif, aber so leicht wie möglich – ich muss dich hinaus, auf meinen Karren, schleifen, ohne dass jemand von der Wachmannschaft auf die Idee kommt, du könntest noch leben.“ Bela grummelte kurz, dann ließ er sich von Rod unter den Armen packen, schloss die Augen und spielte Toter Mann, im wahrsten Sinne des Wortes. Er wurde unsanft von seiner Pritsche auf den Boden gehievt, anschließend aus der Tür, durch den Gang und eine Treppe hinauf geschleift. Dann hielten sie an und er wurde wie eine Gliederpuppe auf den Boden geschmissen. „Ah, der Dieb,“ hörte er eine tiefe Männerstimme angewidert sagen, dann bekam er einen schmerzhaften Tritt in die Rippen und konnte nur hoffen, dass er nicht zu offensichtlich zusammenzuckte, während er verzweifelt versuchte, die Luft anzuhalten, um nicht zu keuchen. Glücklicherweise schien derjenige, dem die tiefe Stimme gehörte, nicht zu genau hinzusehen, er sprach ungehindert weiter. „Ich habe schon gehört, dass er sich erhängt hat. Schaff ihn nur fort von hier, bevor er anfängt zu stinken.“ „Das werde ich,“ erwiderte Rod. „Keine Sorge.“ Bela lauschte, wie González’ Schritte sich entfernten, dann wechselte er ein paar leise Worte mit jemand Neuem. Der ‚tote’ Meisterdieb gab sich Mühe, so flach wie möglich zu atmen und wurde, bevor er sich an seine Position auf dem unbequemen Straßenpflaster gewöhnen konnte, unsanft von zwei Paar Händen hochgehoben und auf einen harten Holzuntergrund, wohl die Ladefläche eines einfachen Pferdekarrens, gewuchtet. Man bedeckte ihn mit einem lakenähnlichem Stoff; wohl ein Leichentuch, kurz darauf hörte er das Klackern von Hufen und spürte unter sich, wie sie langsam von Dannen rollten. Hatte es geklappt? Waren sie entkommen? Er fühlte sich extatisch fröhlich, unsicher, unglaublich lebendig, ängstlich, doch noch erwischt zu werden, alles zugleich. Er wollte vor Freude schreien und durfte sich nicht bewegen, er wollte seinen schmerzenden Hals und Nacken vor den Stößen des Karrens schützen und durfte es nicht. Wo befanden sie sich? Wo rollten sie hin? Nach einer scheinbaren Ewigkeit hielt der Wagen, die Plane wurde von ihm gezogen und Rodrigo und Samuel sahen grinsend auf ihn herab. „Willkommen in der Freiheit, Prinzessin.“ Samuel drückte seine Hand und zog ihn unsanft vom Karren und auf die Füße. Bela war sich nicht sicher, ob er wirklich schon von sich aus stehen können würde, bis er tatsächlich stand. Ein bisschen wackelig zwar, aber frei. „Danke... Wo sind wir?“ fragte er, und blickte sich im nur von zwei Ölfunzeln beleuchteten schummrigen Halbdunkel, in dem er vage die Formen weiterer Kutschen und einiger angebundener Pferde ausmachen konnte, um. „Im Stall eines meiner Wirtshäuser,“ sagte Rod. „Kannst du schon laufen, meinst du?“ „Ich versuche es.“ Bela machte einen wankenden Schritt, dann noch einen, schon etwas weniger unsicher. Sein Hals schmerzte, ja, aber er war am Leben und so langsam begann die Euphorie darüber, dass die Welt ihm offen stand, endlich wieder, nachdem er es sich in seiner einsamen Zelle so lange gewünscht hatte, einzusetzen. Samuel grinste zu ihm hinüber, seine braunen Augen mit den goldenen Punkten darin blitzten, während er mit dem Arm Schlangenlinien in die Luft malte, wohl um Belas Bewegungen nachzuempfinden. „Du schwankst wie ein betrunkener Seemann, Bela.“ „Danke auch, Sam. Versuch du mal, ein paar Wochen in einem lausigen Kellerloch zuzubringen, mit nur den Flöhen als Gesellschaft. Dann lass dich obendrein noch hängen, und du weißt in etwa, wie ich mich fühle.“ Sie lachten, Samuel kam zu Bela herüber und haute ihm auf die Schulter. „Ich bin froh, dass du überlebt hast, du Halunke.“ Er wechselte einen Blick mit Rod. „All diese Gespräche machen mich durstig, ich denke, ich gehe da mal etwas gegen tun und die Nachricht in der Stadt verbreiten, dass der gefürchtete Dirk ‚Nestor’ – schicker Nachname übrigens, fiel euch nichts besseres ein?“ Er zuckte ironisch mit den Schultern. „Nun, jedenfalls, dass der gefürchtete Dirk Nestor sich in seiner Zelle erhängt hat und keinerlei Gefahr mehr für die hemmungslose Dekadenz der Reichen bedeutet.“ Bela schüttelte lachend den Kopf. „Sam, alter Gauner, du hast viel zu gute Laune. Wie viel hat Rod dir versprochen?“ Samuel zuckte ertappt mit den Schultern, hob die Handflächen zum Himmel und zog seine Augenbrauen hoch, so dass sie unter seinen dunkelbraunen Haaren verschwanden. „Gar nicht einmal so viel, dafür, dass wir deinen hübschen Hintern gerettet haben, unter Gefahr unserer eigenen Haut, wohlgemerkt. Zehntausend.“ „Zehntausend?“ Bela war heimlich erleichtert – im Vergleich zum Wert des Feuer Eos war das tatsächlich geradezu lächerlich. Der Dieb in ihm frohlockte. „Alter Halsabschneider,“ sagte er fröhlich zu Samuel und drückte ihm die Hand. „Danke, auch dir, für deine Hilfe.“ Samuel sah ihn prüfend an, seine Mundwinkel zuckten. „Ich wusste es doch, dass das noch viel zu wenig war. Nun, immerhin kann ich jetzt allen erzählen, ich hätte den berüchtigsten Dieb Hamburgs zu seinem Grab gefahren, das sollte den Kutschbetrieb florieren lassen. Die Kundschaft liebt morbiden Klatsch.“ „Sehr gut,“ schaltete Rod sich ein. „Das sollte die Gerüchte über deinen Tod festigen. Aber jetzt, Bela, brauchst du wirklich neue Kleidung und ein Halstuch, bevor irgendjemand hier hineinguckt und dich sieht, wie du mit blauem Nacken und im Totenhemd hier stehst... Also, Samuel.“ „Ja, ich verschwinde! Bela, Rod,“ der junge Kutscher nickte ihnen beiden zu, dann verschwand er eilig durch eine Tür, die er sorgfältig hinter sich schloss. „Komm,“ Rod führte Bela durch eine andere Tür in einen Korridor, eine Treppe hinauf und lotste ihn in ein kleines Zimmer, möbliert mit einem kleinen Sekretär, einer niedrigen Kommode, einem Stuhl und einem ausladenden Bett, auf dem frische Kleidung bereit lag. Für Bela, dessen karge Zelle noch frisch in seinem Gedächtnis herumspukte, wirkte es wie der Himmel. González öffnete eine Tür, die in ein erstaunlich gut ausgestattetes, kleines Badezimmer führte. „Falls du baden willst...“ Er deutete auf eine große, emaillierte Wanne, die bereits mit dampfendem Wasser gefüllt war, daneben standen einige Eimer mit kaltem Wasser, falls ihm die Temperatur nicht zusagen sollte. Bela schüttelte lächelnd den Kopf, nicht weil er nicht baden wollte, sondern weil er davon erstaunt war, wie González’ messerscharfer Verstand augenscheinlich mit Befreiungsplänen nicht ausgelastet gewesen war, sondern obendrein allen praktischen Komfort für ihn, den befreiten Dieb, bereits im Vorhinein arrangiert zu haben schien. „Du bist unglaublich, Rodrigo,“ sagte er denn auch. „Denkst du eigentlich an alles? Du hast keinen Augenblick daran gezweifelt, dass es dir gelingen würde, oder?“ Der Angesprochene schüttelte den Kopf, seine Mundwinkel zuckten. Falsche Bescheidenheit stand dem Sohn chilenischer Eltern nicht zu Gesicht – er wusste zu genau, dass er nicht umsonst der jüngste Verbrecherkönig in der Geschichte Hamburgs geworden war. Bela lächelte. „Das ist mein zweites Bad heute – aber...“ er atmete tief ein und erfreute sich am Geruch von teurer, frischer Seife, „was für ein Unterschied zum Zuchthaus.“ Er schritt zur Kommode, auf der eine Karaffe mit bernsteinfarbenem Brandy und zugehörigem, goldverziertem Schwenker bereitstand. Er öffnete kurz den Stöpsel und sog den scharfen Alkoholgeruch ein. „Vieille Réserve erneut... der Kreis schließt sich. Du kennst mich zu gut, Rodrigo – mich und meinen Hang zur leichten Dekadenz.“ „Alles für dich. Schließlich hast du den Diamanten für mich gestohlen, unter Gefahr Leib und Lebens. Im wahrsten Sinne des Wortes... Ich lasse dich nun eine Weile allein, damit du dich an den Gedanken gewöhnen kannst, dass Bela B., Meisterdieb, tot ist und, zumindest hier in Hamburg, das auch bleiben muss.“ Darüber hatte Bela noch nicht nachgedacht, er schloß die Brandyflasche, sackte auf das Bett und biss sich nachdenklich auf die Lippen. Rodrigo hatte natürlich Recht, er konnte sein Gesicht hier, in dieser Stadt, nicht mehr blicken lassen, dafür war es zu markant – und er bezweifelte nicht, dass viele seiner ehemaligen Freunde den Bericht seines Todes, wenn auch unter falschem Namen, registrieren würden. Hier würde es keine Arbeit, keine Ruhe mehr für ihn geben. Unter dieser Voraussicht verblassten all die Fragen nach dem „wie“ und „warum,“ selbst jene nach Jon, kurzzeitig. Rod, in einer seltenen Geste der Empathie, kniete sich vor ihn und umarmte ihn kurz. „Dein Anteil liegt unten, in meinem Büro, bereit. Damit kannst du ein neues Leben anfangen, fern von hier, Bela. Du hast Glück gehabt – du lebst noch, und hast die Mittel, dies weiterhin zu tun, unter sehr komfortablen Voraussetzungen. Du könntest mal über Südamerika nachdenken. Sie ist wunderschön, meine Heimat...“ Er legte seine Hände auf Belas Schultern und sah ihm ernst in die Augen. „Du wirst mir fehlen wenn du gehst, alter Freund, wohin auch immer. Wenn du mich brauchst, oder wenn du fertig bist, klingele einfach, ich komme dann hoch.“ Rod deutete mit seinem Kopf in Richtung des Klingelseils, das von der Decke baumelte, dann stand er auf, drückte Belas Schulter und schritt aus dem Zimmer. Allein. Wieder allein. Bela drängte mit aller Macht die Gedanken an seine Gefangenschaft, seinen – vermeintlichen – Tod, aus seinem Kopf und begann, sich auszuziehen. Rodrigo hatte Recht, ein Bad würde ihm gut tun und vielleicht würde die Voraussicht, seine Perle, Hamburg, verlassen zu müssen, im heißen Badewasser etwas von ihrem Schrecken verlieren. Nachdem er einen halben Eimer kaltes Wasser in das heiße Badewasser verrührt hatte, ließ er sich wohlig seufzend in die Wanne sinken. Er konnte sich nicht erinnern, jemals zwei Mal an einem Tag gebadet zu haben, das war unerhörter Luxus, und doch hatte er das Gefühl, es sich absolut verdient zu haben. Vorsichtig ließ er sich hinab in das Wasser rutschen, genoss die Wärme an seinem geschundenen Hals, betastete vorsichtig seine blauen Rippen, wo ihn der Wachmann des Gefängnisses vorhin getreten hatte. Derweil öffnete sich die Tür seines Zimmers, vorsichtige Schritte näherten sich, dann steckte Farin den Kopf zur Tür hinein. „In Ordnung, wenn ich hereinkomme?“ Bela lächelte. Es war schön, Jon zu sehen, alle Komplikationen hin oder her. „Natürlich...“ Jon streifte seinen langen Mantel ab, dann durchschritt er mit zwei langen Schritten den Raum und kniete sich vor die Wanne. Er strich mit den Fingern über Belas Wange, der schloss kurz die Augen, genoss die rauen Fingerspitzen auf seiner Haut. Dann nahm er die Arme aus dem Wasser und zog den Blondschopf zu sich herab, musste ihn küssen, auch wenn er dabei seinen gestärkten Kragen durchnässte. Kurz befürchtete er, dass er zuviel vorausgesetzt hatte, dass Jon ihn nicht küssen wollte. Dann trafen sich ihre Lippen, ihre Zungen, und es war so schön wie immer, schöner, da Bela nicht damit gerechnet hatte, dass sie sich jemals wieder küssen würden. Er legte seine beiden Hände auf Jons Wangen, sah ihn ernst an. „Jon, ich...“ „Shh. Don’t talk about it. Du bist ein Dieb. Aber du hast nie mich bestohlen. Oder belogen, wenn es um dich und mich ging. I was an idiot. So were you. It’s over. Du lebst noch. Das ist most important...“ Farin griff seine Finger, hielt sie kurz fest, dann richtete er sich auf und trat hinter die Wanne und Bela. Seine Hände fuhren über Belas geschwollenen Hals, unendlich vorsichtig küsste er um die Striemen herum. „Das muss weh getan haben,“ murmelte er gegen seine Haut. „Nicht so sehr, wie zu denken, du hättest mich verraten.“ „I never would’ve. Aber... ich verstehe, warum du das dachtest.“ Farins Hände fuhren über Belas Schultern, der Dieb hatte beinahe schon vergessen, wie gut sie sich anfühlten. Und doch. Wo war die Leichtigkeit hin, mit der sie immer miteinander umgegangen waren, fragte er sich. Selbst an ihrem ersten Tag hatte er sich entspannter in Jons Gegenwart gefühlt, dabei saß er nackt in einer Badewanne und wurde von ihm massiert, er sollte ganz und gar glücklich sein. Stattdessen fragte er sich konstant, wie es zwischen ihnen weitergehen würde, vor allem nun, wo er Hamburg würde verlassen müssen. Jons Finger fuhren an seinen Seiten entlang, Bela spürte, wie sie über seine Rippen fuhren. „Du bist far too thin...“ „Keine Sorge, das fress ich mir schon wieder an. Mit Tonnen von Fleisch.“ Farin verzog das Gesicht und küsste ihn auf die Wange. „Ughh... Tasty. Now, kommst du mal aus der Wanne heraus?“ „Natürlich nicht. Es ist viel zu schön warm.“ „Na schön.“ Farin stand auf und ging aus dem kleinen Raum, kurz darauf kam er mit dem Stuhl aus dem Schlafzimmer wieder und setzte sich darauf, vor die Badewanne, in der Bela lag und das Gefühl hatte, endlich, ganz langsam, die Gefängnisluft aus seinen Poren waschen zu können. „Wir müssen ein paar Dinge besprechen, Dirk.“ Der Blick des Botschafters war freundlich, aber entschlossen. „Aber zuerst... willst du wissen, wie deine Rettung zu Stande kam, perhaps?“ Bela hatte eigentlich nicht mehr darüber nachdenken wollen – sein „Tod“ fühlte sich schon jetzt unwirklich an. Allerdings wusste er schon jetzt, dass er nicht würde schlafen können, wenn er die Hintergründe seiner Befreiung nicht doch erführe, und so nickte er langsam, ließ sich tiefer in das warme Wasser sacken, auf einmal wurde ihm kalt. „Ja, erzähle es mir. Alles.“ „All right. So, ich schmiss dich hinaus, nachdem du mir dein Innerstes offen gelegt hattest. Danach... verbrachte ich eine schlaflose Nacht in meinem Bett, wälzte mich hin und her in dem Wissen, dass du nie der gewesen warst, who you said you were from the start. Und doch, belogen hattest du mich auch nicht, nicht wirklich – schließlich hattest du schon in unserer ersten Nacht angesetzt, mir zu erklären, woher die Tattoos kamen, und ich hatte dich abgewürgt, voller Angst davor what you might say. Irgendwann gab ich es auf, schlafen zu wollen, und zog mich in die Bibliothek zurück, wo ich darüber nachdachte what would be my next steps. Ich muss zugeben...“ der junge Lord schwieg einen Moment und schüttelte den Kopf. „Ich muss zugeben, I did think about turning you in. Not for long. But I did.“ Bela lächelte. „Aber du hast es nicht getan.“ „Nein. Ich stand vor den Fenstern der Bibliothek und beobachtete den Sonnenaufgang, als es an der Tür klopfte. Davor stand dieser schweigsame Kommissar... um, I forgot his name again...“ „Kirchner.“ Bela beließ es bei der Nennung des Namens – er war zu sehr davon gefesselt, zu beobachten, wie Farins Gesicht die Gefühle, die er an diesem Morgen gehabt hatte, widerspiegelte. Sorge, Angst, Geringschätzung, Unsicherheit... „Yes, Kirtschner, dankeschön. Einer dieser deutschen Namen, die ich wohl nie auszusprechen lernen werde. Nun, anyway, er sagte, er müsse dich verhaften, weil du der gesuchte Juwelendieb wärst. Es war nicht schwer für mich, Entsetzen zu spielen. Nicht, weil du der Täter warst, of course, but because irgendjemand die Wahrheit herausgefunden zu haben schien. Before I had decided for myself what to do about it, too.“ Er sah Bela an, seine Augen wieder ähnlich stumpf wie sie gewesen waren, als sie sich im Gefängnis zu Farins Zeugenaussage gesehen hatten. „I was devastated, hatte keine Ahnung, was ich machen könnte. Ich beschloss, abzuwarten, konnte mir nicht vorstellen, dass dir irgendjemand etwas nachweisen können würde, außerdem hatte ich selbst keine Ahnung, wie du den Diebstahl eigentlich angestellt hattest. Little did I know, dass Katharina es gewesen war, who turned you in. Ich erfuhr das auch erst viel später – an jenem Morgen wusste ich von nichts, zwang mich selbst, bei deiner Verhaftung anwesend zu sein. Your words carved through my very soul, Bela. ‚Ich hasse dich, Jon’ hast du gesagt. Ich fühlte mich, wie ein Verräter, als hätte ich die Worte verdient, because I allowed those damn police-bastards to take you away. Aber... ich hatte keine Wahl, verstehst du das, Bela?“ Bela nahm Jons Hände, seine Augen brannten, das musste am Kerzenlicht liegen, beschloss er. „Jon, verdammt, wage es nicht, dich bei mir zu entschuldigen. Das ist völlig falschrum. Ich muss mich bei dir entschuldigen, für alles, nicht anders herum!“ Er flüsterte, seine Stimme drohte ihn im Stich zu lassen, er schob es auf seinen geschundenen Hals. Farin drückte seine Hände, nahm seine Rechte in die Linke und fuhr die Linien auf seiner Handfläche mit den Fingern nach. „It doesn’t matter anymore. Du bist sicher. Bei mir. That’s all I ever wanted, Bela.“ „Jon...“ Bela richtete sich auf, beugte sich über den Wannenrand und hinterließ warme Wassertropfen auf Farins Hose; es war ihm egal. Er musste ihn küssen, nur kurz, um sicherzustellen, dass er Wirklichkeit war, dass der kühle Botschafter für ihn alles aufs Spiel gesetzt hatte. Er murmelte Jons Namen gegen seine Lippen, spürte mehr, als dass er es hörte, wie der Blonde ein Bela zurückmurmelte. Schließlich ließ er sich zurück in das langsam kühler werdende Wasser sinken, ihm war kalt und er war neugierig. „Erzähl weiter. Wie hast du erfahren, dass Katharina mich verpfiffen hat? Wie hast du Rod kennen gelernt? Wie habt ihr Verrückten diese irrwitzige Rettungsaktion geplant und durchgeführt?“ Jon lächelte, tauchte seine Hand in das Badewasser und tippte Bela gegen die Brust. „Geduld, mein Bela... I’m getting to it.“ ‚Mein Bela’ hatte er gesagt. Bela fühlte einen angenehmen Schauer seinen Rücken herunterwandern. „Gut. So, sie brachten dich in jail. Die folgenden Wochen waren... torture für mich. Ich wollte etwas tun, hatte aber keine Ahnung, was und beschloss, erst einmal abzuwarten. Ich konnte nur sicherstellen, dass du gut behandelt wurdest, indem ich sagte, dass es nicht anginge, dass mein Valet ohne eindeutige Beweise einsitzen müsste. Als ich hörte, dass du gestanden hattest, brachen alle meine vagen Pläne zusammen. Ich wollte alles tun, dich zu retten, doch wusste ich nicht, wie – ich würde mich nur selbst verdächtig machen, if I tried to give you an alibi. Das hätte keinem von uns beiden geholfen.“ Er lächelte kurz. „The next part of the story... wirst du kaum glauben. Am Tag nach der ersten Verhandlung saß ich in der Bibliothek, dachte an dich, an uns beide, wie so oft... in those lonely weeks. Dann klopfte es an der Tür. Katharina stand davor, in Tränen aufgelöst. Sie hatte so häufig geweint in letzter Zeit – ich dachte mir nichts dabei, fand es verständlich, fühlte mich ihr sogar ein bisschen verbunden – a kitchen-maid! My father would’ve had a seizure. Ich hatte allerdings kaum mit ihr gesprochen, seit du verhaftet worden warst. Das Haus war awfully quiet without you, selbst Mary machte kaum noch den Mund auf. Anyway, ich bat Katharina also herein. Ganz entgegen des Abstands, den sie eigentlich stets gegenüber mir bewahrte, flog sie geradezu um meinen Hals. Sie schluchzte mein Hemd voll – nicht sehr angenehm, muss ich sagen, aber - I had grown curious. Ich klopfte ihr also ein bisschen ratlos auf den Rücken und wartete darauf, dass sie etwas sagen würde. Das tat sie dann auch... and left me completely flabbergasted. ‚Ich weiß, dass du ihn liebst. Und er dich,’ sagte sie.“ Farin schüttelte langsam den Kopf, noch immer ungläubig. Bela biss sich auf die Zunge, um nicht zu fragen, ob Katharina Recht gehabt hatte, ob Farin ihn liebte. Das war eine Frage für später. „Oh,“ sagte er stattdessen, unschlüssig, was er dem folgen lassen sollte, doch es war unnötig, Jon sprach bereits von sich aus weiter, schien bestrebt, seine Geschichte endlich zu Ende zu bringen, alles herauszulassen, das ihn so lange beschäftigt hatte. „Sie sagte, sie habe am Abend vor deiner Verhaftung mit Harold gesprochen. Der hatte ihr vom Schlafpulver erzählt. Sie wurde suspicious, warum sie selbst an jenem Nachmittag einfach eingeschlafen war, wollte mit dir darüber sprechen und kam zu deinem Zimmer.“ Eine leichte Röte überzog Jons Gesicht, als er weitersprach. „She must have heard us... schließlich gaben wir uns nicht gerade große Mühe, leise zu sein. Sie verließ den Korridor, ohne uns zu überraschen und genau wie ich verbrachte sie eine schlaflose Nacht. Meanwhile, her suspicions against you became certanities. Am nächsten Morgen sandte sie den Stalljungen nach Kommissar, äh, Kirtschner und erzählte ihm von ihrem Verdacht, darauf wurdest du verhaftet...“ Farins Hände ballten sich zu Fäusten, während er weitersprach. Bela derweil suchte unauffällig eine bequemere Position in seinem ausgekühlten Badewasser – er wollte Farins Monolog nicht unterbrechen, hatte das Gefühl, dass er die Geschehnisse genauso sehr in ihrer Gesamtheit hören musste, wie Farin das Bedürfnis hatte, sie zu erzählen. „She was smart, I’ll give her that. And cruel. For two weeks, she let you suffer. Als ich das hörte, war ich wütend, hätte sie fast hinausgeschmissen, doch irgendwo verstand ich ihre Wut zu gut. Sie flehte mich an, sie anzuhören, so I did. Wir sprachen miteinander, stundenlang, glaube ich. Sie sagte, sie habe versucht, all ihren Hass, ihre verletzte Eitelkeit, auf dich zu fokussieren, all die Tage zuvor, und erst recht, als sie dir schließlich bei der Verhandlung selbst gegenüberstand. It worked, during the hearing at least. Danach allerdings habe der Kommissar ihr erzählt, dass du kein ordentliches Verfahren bekommen, sondern die Briten über dein Schicksal entscheiden würden. So she came to me.“ Jon zog eine Augenbraue in die Höhe. „Sie wollte dich retten, mit aller Macht, sie sagte, sie könne mit der Schuld nicht leben, wenn du wegen ihr sterben müsstest. Ich versuchte, sie zu beruhigen, dass ich mir nicht vorstellen könne that my fellow countrymen would decide to kill you in cold blood, without a trial.“ Seine Augen sprühten wütende Funken. „So much for their honour and upholding the law – they did intend to kill you, after all. Aber... I’m getting ahead of myself. Katharina erzählte mir, dass sie dich nicht nur ans Messer geliefert hatte, weil sie wütend war, sondern auch, weil es einen stattlichen reward geben sollte. 5000 Reichsmark. Sie brauchte das Geld, sagte sie – ihre Mutter ist schwer krank und kann nicht mehr arbeiten. Deshalb wollte sie dich unbedingt heiraten. Nicht, weil sie dich geliebt hätte.“ Belas Ego litt. Er hatte Katharina nie geliebt, natürlich nicht – aber dass auch sie ihm etwas vorgelogen hatte, verpasste seinem Selbstbewusstsein einen gehörigen Dämpfer. Farin derweil konnte nicht verbergen, dass ihn Belas Reaktion amüsierte. „Weißt du, ich glaube, es tut dir ganz gut, dass du da über eine kleine guttersnipe gestolpert bist, die ähnlich shrewd ist wie du...“ Er beugte sich kurz vor und küsste Bela auf die Nasenspitze. „What a marriage that would have been. Es tut mir fast schon Leid, dass es nie so weit gekommen ist.“ Nun lachte der Dieb ebenfalls. „Das hättest du wohl gern. Aber erzähl mir, wie kam es zur Befreiung?“ „Well... Katharina und ich schlossen einen Pakt – wir würden dich da rausholen, gleich wie. Es tat ihr immens Leid, dass sie dich im Gerichtssaal so angegriffen und damit konfrontiert hatte that she knew about us. Zu jenem Zeitpunkt hatte sie sich erfolgreich eingeredet, dass sie dich deshalb um so mehr hasste – dabei, sagte sie mir, hatte sie eigentlich nichts dagegen, except for all her plans, hopes and dreams falling apart within a single evening. Sie sagte...“ Farin lachte kurz. „Sie sagte, irgendwie wäre es kind of sweet, you and me... und sie wäre auch nicht im Traum darauf gekommen, deshalb zur Polizei zu gehen. Anyway, Katharina und ich entschieden uns, erst einmal abzuwarten, wie die Anhörungen weiter laufen würden. Ich versuchte, hart zu bleiben, doch als ich dich sah, so abgemagert und halb krank vor Einsamkeit, fühlte es sich an, als würde etwas in mir zerbrechen. Als hätte ich dich im Stich gelassen, schon viel zu lange. After the hearing, I went straight to Katharina. Sie hatte einen Plan, erinnerte sich an den Kutscher, der euch beide gefahren hatte an dem fatalen Nachmittag, vielleicht wusste der etwas. Wir machten ihn ausfindig, schließlich gibt es nicht allzu viele selbstständige Kutscher in Hamburg. It took us a while to convince him we were not spies, aber... nach ein paar Tagen führte er mich zu González. Der war erstaunt, mich zu sehen, auch bei ihm kostete es mich wertvolle Zeit, ihn zu überzeugen, dass ich die Wahrheit sprach, dich wirklich retten, nicht in seine Geschäfte pfuschen wollte. Schließlich, vor einigen Tagen, kam Lord Crowley zu mir, freudestrahlend darüber, dass unser beider Ehre wiederhergestellt werden könne. The House of Lords was good for something, after all, he said, und dass du zum vermeintlichen „Freitod“ verurteilt worden warst. Ich konnte es nicht glauben, verbarg mein Gesicht, um ihm nicht meine... compassion in the matter... zu zeigen. Nach einer Weile fand ich genügend zu mir selbst zurück, um ihn zu fragen, wie er sich das vorstellte. Well, sagte er, wir suchen einen Henker, someone who can keep his mouth shut und der keine Angst davor hätte, sich die Finger zu verbrennen. Ich sagte, ich hätte genau den richtigen Mann im Auge; tat, als wäre ich sehr angetan von dem Plan, dich für deine Verbrechen gegen die Krone – against the crown! They must be delirious! – hinzurichten. Der Rest ist Geschichte – Rodrigo wurde unter falschem Namen als Henker eingestellt – er dachte sich eine elaborierte Gastarbeitergeschichte aus, so viel Fantasie dabei – und beim Nachstellen deines Todes – hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“ Bela lächelte. „Unterschätze ihn nicht. Dieser Diamantendiebstahl ist bei weitem nicht der erste – oder der letzte – Plan, der von ihm kommt. Und jetzt... werde ich endlich aus dieser Wanne herauskommen, meine Haut ist schon ganz schrumpelig.“ Farin nahm seine Hand und küsste sie. „You do just that. Ich will doch keinen verschrumpelten Valet.“ Bela antwortete nicht sofort. Zunächst stieg er aus der Wanne, trocknete sich ab und ging in das anliegende Schlafzimmer. Dort kleidete er sich an; Rodrigo hatte ihm eine einfache Kordhose und ein abgenutztes Hemd bereitgelegt. Unauffällige Alltagskleidung. Schließlich ließ er sich rückwärts auf das Bett fallen, bedeutete Jon, ihm Gesellschaft zu leisten. Der Botschafter sah einen Moment zweifelnd drein, dann legte er sich neben ihn. Bela wusste nicht, wer zuerst näher an den Anderen heranrückte, doch schon bald lagen sie umschlungen nebeneinander, auf der Seite, damit sie sich anschauen konnten. Bela hob eine Hand, fuhr mit den Fingern Farins Gesichtszüge nach, wie in jener ersten Nacht. „Jon,“ flüsterte er schließlich, küsste ihn kurz, mit Schmerzen im Herzen. „Ich kann nicht mehr dein Valet sein, das weißt du... Ich muss Hamburg verlassen, für immer.“ Unglaublicherweise lächelte Farin, drehte leicht den Kopf und küsste seine Handfläche. „I know, of course. Weißt du, Bela... I have fallen out with my father. And with basically everyone who mattered to me before all of this happened. Ich kann kein Botschafter mehr sein, schon gar nicht hier – wie sollte das funktionieren, wenn ich nicht einmal mein eigenes Haus vor ‚feindlichen Einflüssen’ schützen kann?“ „Feindliche Einflüsse? Interessante Bezeichnung, gefällt mir. Vielleicht sollte das mein nächstes Tattoo werden. ‚Feindlicher Einfluss’.“ „Stop fooling around.“ „Entschuldige. Was willst du damit sagen, Jon?“ Belas Herz schlug ihm bis zum Hals. Wollte Jon Hamburg verlassen? Ihm folgen? Er traute sich nicht, zu viel weiter zu denken, aus Angst, dass er ihn falsch verstehen könne. „I need a change of air. Ich dachte an Südamerika, vielleicht...“ „Das klingt gut,“ murmelte Bela. „Ein Abenteuer... für Long Jonathan Farin.“ Jon lachte, strich durch Belas schwarze Haarmähne, die in seiner Gefängniszeit nahezu unanständig lang geworden war. „Ja. Ich dachte... I could become an explorer. Jede Menge Urwald zum Entdecken. Inka-Ruinen. Reichtümer, kulturell und weltlich. And it’s a respectable profession, even for an English Lord...“ Bela lächelte, küsste ihn kurz auf die Lippen. „Das klingt wunderbar... für dich. Ich... willst du...“ Farin lächelte zurück, sah ihm in die Augen, ihre Nasen berührten sich, so nahe lagen sie beieinander. „Ja. I could use a Valet there, you know. Or a companion.“ --- FIN --- Danke für's Lesen. Ich weiß nicht, inwieweit es realistisch ist, dass man von so Nahem eine Hängung (ist das wirklich das Nomen??) fälschen kann. Es ist allerdings eine historische Tatsache - ja, auch das habe ich mal wieder geklaut - dass es mit genau jener Methode einige Male gemacht wurde. Nur war das natürlich weiter weg von jeglichen Zuschauern... Naja, nennen wir es künstlerische Freiheit. ;) Ich ende übrigens absichtlich nicht mit einem "Und wenn sie nicht gestorben sind..." - offene Enden sind doch viel schöner. Und nein, natürlich konnte ich Bela nicht wirklich sterben lassen (obwohl einige Vorschläge durchaus Charme hatten *g*). Ich bin doch viel zu harmoniesüchtig dafür... So. Das "Feuer" ist damit abgeschlossen. Es wird mir fehlen. Gute Nacht! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)