Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 41: Neugier ------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 41: Neugier James stand am Fenster des Gemeinschaftsraumes und starrte nach draußen, wo ab und zu eine vereinzelte Schneeflocke im Licht der Kerzen aufschimmerte, bevor sie in die Dunkelheit zurückfiel. Er hatte es nicht einmal versucht. Zwar rebellierte sein Gryffindormut gegen diese Tatsache, doch sein Stolz hielt mit ebensolcher Stärke dagegen. Sie würde ihn nicht anhören, wenn er vor ihr stand, egal, was er tat, und es hatte keinen Zweck, sich vor ihr und vielleicht dem Rest der Schule bis auf die Knochen zu blamieren. Der Brief in seiner Hand knisterte und er blickte ein wenig überrascht darauf hinab, das Stück Pergament war zu seinem fast ständigen Begleiter geworden und manchmal registrierte er gar nicht mehr, dass er es hielt und darüber nachdachte. Er hatte während des Weihnachtsballes, als der Gemeinschaftsraum der Gryffindors ruhig gewesen war ohne all die anderen Schüler, versucht, die richtigen Worte zu finden, zu erklären, was er gedacht und gefühlt hatte. Seitdem trug er das Stück Pergament mit sich herum. Es war ihm schwer gefallen, die wenigen Sätze zu schreiben, und nur die Vorstellung, Lily all diese Dinge ins Gesicht sagen zu müssen, hatte in manchen Momenten seine Feder in Bewegung gehalten. Und außerdem war da noch dieser andere Brief – eigentlich nur ein Wort – der ihn fast dazu gebracht hätte, sein Vorhaben aufzugeben. Doch alle Mühen waren umsonst gewesen – der Mut, den es brauchte, um sich schriftlich zu entschuldigen, verblasste im Angesicht des Mutes, der ihm fehlte, um die Entschuldigungen auch abzuschicken. Eine Präsenz neben ihm ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken und er wandte sich um, um zu Remus Lupin hinüberzublicken, der neben ihn getreten war. Ganz untypisch für ihn wirkte sein Freund seit dem Weihnachtsball glücklich und ausgeglichen, doch das hielt ihn nicht davon ab, die Sorgen der anderen Rumtreiber zu bemerken. James spürte, wie Remus' Blick auf die versiegelte Pergamentrolle in seiner Hand fiel, die Eingeweihten mittlerweile alles sagte, was sie wissen musste, bevor sein Freund seine Hand auf seine Schulter legte und einmal kurz drückte. „Noch immer nicht?“, sprach er das offensichtliche aus und James nickte nur, bevor sie weiter schweigend in die Dunkelheit nach draußen starrten. Hinter ihnen lärmten die zurückgekehrten Schüler mit neugewonnener Energie, nahmen den Gemeinschaftsraum nach den Ferien wieder in Besitz, doch sie beide schienen von dieser Fröhlichkeit abgeschnitten zu sein. James tat es leid – Remus war in seinem Leben selten glücklich gewesen, obwohl er immer steif und fest etwas anderes behauptete. Jetzt hatte er Florence – also sollte er gemeinsam mit ihr auch in irgendeiner dunklen Ecke des Schlosses verschwinden und hemmungslos rummachen, anstatt hier zu stehen und seinen Trübsinn mit ihm zu teilen, fand James. „Wieso?“, fragte Remus leise und James zuckte zusammen, als seine Stimme die Stille brach. „Ich weiß es nicht...“ Ein paar Schneeflocken huschten vor seinen Augen vorbei, denen er mit seinem Blick folgte, tief in Gedanken versunken. „Vielleicht weil ich Angst habe, dass sie sie nicht annimmt und mich dann noch mehr hasst?“ Remus verdrehte die Augen, was James mehr fühlte als sah. „Sie hasst dich ohnehin schon – ich glaube, dass es nicht noch viel schlimmer werden kann.“ Er schüttelte den Kopf. Egal, was seine Freunde und auch Emily, die er nach einer ihrer Unterrichtsstunden abgefangen hatten, sagten – sein Unterbewusstsein fürchtete sich noch immer davor, in Lilys Achtung noch mehr zu sinken. Auch wenn der Gedanke absurd war... ein Teil von ihm hoffte noch immer, dass er eine Chance bei ihr hatte, auch wenn er sich bemühte, diese Idee so tief wie möglich in den hintersten Ecken seines Kopfes zu vergraben. „Geh einfach heute Abend vor der Patrouille in die Eulerei und schick ihn weg. Je länger du dir mit deiner Entschuldigung Zeit lässt, desto mehr Zeit hat sie, sich daran zu gewöhnen, wütend auf dich zu sein. Und wenn sie sich erst einmal sicher ist, dass du der schrecklichste Mensch auf dieser Erde bist, wird es schwer werden, sie von dem Gedanken abzubringen.“ Eigentlich glaubte James ja, dass sie ohnehin dieser Auffassung war, mit der möglichen Ausnahme von Du-weißt-schon-wem, aber gegen Remus' Logik war nicht anzukommen. Und jetzt, wo Snape auch wieder hier war und ihr sein Gift ins Ohr spritzen konnte, nahm die Aufgabe nur noch an Dringlichkeit zu. „Du hast ja Recht“, antwortete er, obwohl sie beide das schon vor diesem Gespräch gewusst hatten, und unterdrückte ein Seufzen. „Und ich werde es versuchen, ja?“ Remus schien nicht mehr von ihm zu erwarten, denn er nickte nur langsam und nahm wieder an dem kleinen Tisch neben dem Kamin Platz, wo Peter und Sirius gerade eine Partie Schach austrugen, die mit Strategie nichts mehr zu tun hatte. Für einen Moment überlegte er, sich ihnen anzuschließen, doch dann schüttelte er leicht den Kopf und starrte wieder hinaus in die Kälte. Die letzten Flügelschläge der Eule verklangen in der Dunkelheit und James schüttelte den Kopf, während er sich schämte. Er hatte die Briefe abgeschickt, alle beide, und jetzt fühlte er sich um so viel besser, dass er sich fragte, wieso er es nicht gleich am Weihnachtsabend getan hatte. Zwar hatte er noch immer Angst, nein, war sich sogar fast sicher, dass Lily ihn hassen würde, aber nun hatte er alles getan, was er konnte, und allein diese Tatsache nahm ihm eine schwere Last von den Schultern. Viel beschwingter als noch vor wenigen Minuten ging er die Treppen hinunter in die Eingangshalle, wo bereits viele andere Gruppen von Patrouillenteams warteten, unter anderem auch Dorcas Meadowes und Lily. Wo er noch vor wenigen Monaten über die Chance, mit ihr unterwegs zu sein, entzückt gewesen wäre, hatte er heute das Gefühl, dass jede Nacht mit ihr eine ständige Qual war, wenn er sie zwar sah, aber nicht mit ihr sprechen konnte. Neugierig ließ er seinen Blick über die Lehrer, Vertrauensschüler und Freiwilligen schweifen, die auf letzte Anweisungen oder Änderungen warteten – bis ihm auffiel, dass er weder Dumbledore noch McGonagall unter ihnen entdecken konnte. Es war Lovejoy, die durch die Reihen der Schülerinnen und Schüler ging, letzte Fragen beantwortete und nach Vorkommnissen oder Problemen fragte. Obwohl James eine hohe Meinung von ihrer Kompetenz hatte, war es doch nicht dasselbe, wie wenn der Schulleiter Zuversicht ausstrahlte – und außerdem war der Gedanke beunruhigend, dass er ihnen bei einem Notfall heute Nacht nicht zu Hilfe eilen würde. Er warf einen letzten, suchenden Blick über die vielen Köpfe, dann trat er zu den beiden jungen Frauen, die ihn in dieser Nacht begleiten würden, und murmelte einen fast unhörbaren Gruß. Lilys Anblick erinnerte ihn daran, dass sie am Morgen seinen Brief erhalten würde mit allem, was er hineingeschrieben hatte, doch er nahm sich zusammen und schaffte es sogar, ein wenig zu lächeln. „Wird eine lange Nacht ohne Dumbledore“, bemerkte er beiläufig, doch während Lily nickte, wirkte Dorcas ein wenig... unbehaglich, so als ob sie mehr wüsste, als sie preisgeben wollte. In James' Kopf begann sein manchmal vernachlässigtes Gehirn zu arbeiten. Schon seit einigen Monaten sah er Dumbledore gelegentlich nicht mehr auf der Karte des Rumtreibers, wenn er die Patrouillen der Auroren und Schüler für ihre Vollmondnächte ausspionierte. Auch beim Frühstück glänzten er, McGonagall und manchmal auch Lovejoy mit Abwesenheit, und er konnte die Neugier nicht unterdrücken – er wollte einfach wissen, wohin sie so oft verschwanden. „Es wundert mich, dass Dumbledore Professor Lovejoy alleine hier lässt, wenn er nicht in der Schule ist“, bemerkte er, um das Thema im Gespräch zu halten, während sie sich auf den Weg in den obersten Stock machten, den sie zuerst überprüfen sollten. Dorcas lachte. „Glaub mir, sie kommt zurecht – sonst wäre sie nicht Lehrerin für Verteidigung gegen die Dunklen Künste geworden.“ „Woher weißt du das?“ Diesmal war es Lily gewesen, die gesprochen hatte, und James freute sich darüber – wenigstens etwas hatten sie gemeinsam, nämlich ihre Neugier, was diesen Punkt anging. „Ich meine, du bist doch keine Aurorin oderso?“ „Nein, natürlich nicht.“ Dorcas schüttelte den Kopf. „Ich bin nur eine Amateurin, aber eine recht gute – und Virginia ist um Welten besser als ich. Vor allem in Duellen ist sie unglaublich.“ James hatte eine recht gute Vorstellung davon, was Dorcas meinte, denn in der letzten Stunde vor den Ferien hatte Lovejoy ihnen in einem der Übungsduelle erlaubt, in kleine Gruppen auf sie loszugehen. Nicht einmal alle vier Rumtreiber zusammen hatten es geschafft, sie zu besiegen, was James' ohnehin schon lebhaften Respekt vor ihren Fähigkeiten noch einmal gesteigert hatte. Auch Lily nickte, als sie die Worte hörte, doch dann verdunkelte sich ihr Gesichtsausdruck. „Trotzdem fühle ich mich nicht ganz wohl dabei... ich meine, nach dem Angriff auf die McKenzies könnte es doch auch sein, dass die Todesser Hogwarts angreifen.“ „Welcher Angriff?“, fragte James, ohne daran zu denken, dass Lily nicht mit ihm sprach, doch sie wandte sich ihm mit einem erzwungen geduldigen Blick zu. „Liest du keine Zeitung, Potter? Es war heute die Schlagzeile im Tagespropheten.“ Er versuchte, sich zu erinnern, was beim Frühstück auf den Ausgaben der anderen Schüler gestanden hatte, scheiterte aber und schüttelte den Kopf. Lily betrachtete ihn missbilligend, doch das störte ihn nicht – dass sie ihn nur ansah, war schon ein bemerkenswerter Fortschritt, und dass sie vielleicht mit ihm sprechen würde, daran hatte er nicht einmal gedacht. „Ein Ministeriumsangestellter aus der Abteilung Missbrauch von Muggelartefakten und seine ganze Familie wurden letzte Nacht von Todessern getötet. Sogar die drei Kinder, das jüngste davon keine zwei Monate alt.“ Sie schauderte bei dem Gedanken daran und James unterdrückte den Wunsch, sie in den Arm zu nehmen – er war sich sicher, dass sie darauf nicht positiv reagiert hätte. „Verdammt.“ Ein scharfer Seitenblick aus grünen Augen, der, wenn er sich nicht täuschte, einiges an Überraschung enthielt, dann sah Lily wieder zu Dorcas hinüber, während sie die letzte Treppe hinaufstiegen. Auch James folgte ihrem Blick, er hoffte, dass die junge Frau vielleicht etwas zu der Diskussion beitragen würde, das ihnen half – irgendwie – zu verstehen, was in der Zauberwelt dort draußen außerhalb der Mauern des Schlosses vor sich ging. Dorcas schien ihre Blicke zu spüren, denn am Treppenabsatz hielt sie inne, während James und Lily die letzten Stufen überwanden, und seufzte. „Ihr seid hier sicher“, sagte sie, auch wenn sie ein wenig zweifelnd klang, doch während James nickte, machte Lily einen kleinen, wütenden Schritt nach vorne. „Darum geht es doch gar nicht!“, rief sie aus, was ihn zusammenzucken ließ – zu oft hatte sie ihn angeschrien und auch jetzt dachte er zuerst, dass er gemeint wäre. Doch dann merkte er, dass ihre funkelnden, grünen Augen diesmal auf Dorcas gerichtet waren, deren Blick unbestreitbar traurig wirkte. „Aber irgendjemand muss doch diesen Menschen dort draußen helfen! Das Ministerium versucht es doch gar nicht mehr, sondern lässt sie einfach sterben, wenn die Todesser kommen!“ „Lily...“ Dorcas seufzte. „Es gibt Menschen, die sich den Todessern in den Weg stellen – sie können nur nicht überall sein.“ „Davon merkt man aber nicht viel!“ Obwohl sie trotzig klingen wollte, merkte James, wie ihre Traurigkeit herausbrach und ihre Stimme eher so wirkte, als ob sie gleich anfangen würde zu weinen. „Weil die Hexen und Zauberer, die nicht gestorben sind, es eben nicht in die Schlagzeilen schaffen, Lily.“ Die junge Frau klang sanft und weich, beruhigend – und so, als ob sie mehr über das Thema wüsste. Für James sah es sogar so aus, als ob sie eine von denjenigen wäre, die gegen Du-weißt-schon-wen kämpften, und das machte sie augenblicklich zu einer Person von einigem Interesse für ihn. Denn auch wenn er Auror werden wollte, er hatte keine Lust, die nächsten Jahre Theorie zu pauken, während die Zauberwelt in Flammen stand. Lily schluckte. „Also denkst du, dass man etwas gegen ihn tun kann?“ Es war keine Frage, von wem sie sprach, und auch James warf einen atemlosen Blick zu Dorcas, die schließlich nickte. „Natürlich kann man das – und indem ihr hier auf Patrouille geht, leistet ihr auch euren Teil, um die anderen Schüler zu schützen. Aber nach der Schule...“ Sie sprach nicht weiter und trotzdem wusste James, sobald er seinen UTZ in der Tasche hatte, würde er eine Eule an Dorcas schreiben und sie fragen, ob sie vielleicht Hilfe brauchte. Lilys entschlossenem Blick nach zu urteilen ging es ihr genauso, und er war froh zu wissen, dass sie wenigstens das gemeinsam hatten, wenn auch sonst nichts. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)