Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 42: Streit und Versöhnung --------------------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 42: Streit und Versöhnung Die Eule erreichte Lily am Frühstückstisch, während sie sich verschlafen an ihrer Kaffeetasse festhielt und angestrengt versuchte, die Augen offen zu halten. Die Tage nach ihren Patrouillen waren immer anstrengend, doch nun, nach den Ferien, fiel es ihr gleich doppelt schwer, aufzustehen und sich für den Unterricht fertig zu machen – vor allem, da gleich in der ersten Stunde ein so anspruchsvolles Fach wie Verwandlung auf dem Stundenplan stand. „Was ist?“, fragte Emily neben ihr und warf einen kurzen Blick auf die Pergamentrolle, beschloss dann aber, dass ihr eigener Kaffee interessanter wäre. „Keine Ahnung“, zuckte Lily mit den Schultern und öffnete den Brief, bevor sie zu lesen begann. Lily, es tut mir leid. Ich habe mich wie ein Idiot angestellt und nicht nachgedacht, als ich bemerkt habe, dass ihr euch trefft – und den Rest hast du ja selbst gesehen. Es tut mir leid. Ich war wütend und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, und aus Hilflosigkeit entstehen die schrecklichsten Worte. Du hast natürlich jedes Recht, zu entscheiden, mit wem du deine Zeit verbringst und mit wem du befreundet sein möchtest – und wenn derjenige Severus Snape sein soll, dann ist das deine Entscheidung und nicht meine. Meine einzige Entschuldigung dafür, dass ich mich in deine Angelegenheiten eingemischt habe, war meine Sorge um dich. Das klingt jetzt wahrscheinlich dumm und du wirst es mir nicht glauben, aber ich mag dich und es ist mir nicht egal, was mit dir passiert. Und Severus Snape kam mir bis jetzt nicht wie jemand vor, der besonders vertrauenswürdig ist. Aber wenn du das nicht so siehst, ist es natürlich deine Entscheidung. Und vielleicht hast ja auch du Recht und ich Unrecht. Du könntest jetzt meinen, dass alles, was ich geschrieben habe, einfach nur dummes Geschwätz ist, damit du mich nicht mehr hasst, aber ich hoffe und glaube, dass es das nicht ist. Auch wenn du es vielleicht nicht denkst, ich habe mich wirklich verändert oder zumindest würde ich das gerne glauben. Aber manchmal gehen meine Gefühle einfach mit mir durch. Wenn das der Fall ist und ich wieder einmal so tue, als ob du nicht selbst über dein eigenes Leben entscheiden könntest, tu uns beiden bitte einen Gefallen und verhex mich einfach. Ich werde dir danach wahrscheinlich dankbar sein dafür. Es tut mir leid (noch einmal) James Potter Lily konnte spüren, wie ihre Überraschung mit jeder Zeile, jedem Wort, das sie las, größer wurde. James Potter – sich entschuldigen? Und zugeben, dass vielleicht nicht er, sondern sie recht hatte? Sie konnte es kaum glauben, und das, obwohl sie den schriftlichen Beweis in ihren Händen hielt. Auch Emily war ihre Reaktion nicht entgangen und ihre Freundin beugte sich zu ihr hinüber, eine gefüllte Kaffeetasse in der Hand. „James?“, fragte sie nach einem kurzen Blick auf die Handschrift und Lily nickte. „Was schreibt er?“ Für einen kurzen Moment spürte sie die Versuchung, seine Entschuldigung für sich zu behalten, um all die wütenden Tiraden über ihn, die Emily schon hatte ertragen müssen, zu rechtfertigen. Doch der Gedanke verschwand rasch – es hatte James ganz offensichtlich Überwindung gekostet, diesen Brief zu schreiben und ihn abzuschicken, das konnte sie an den vielen Knicken des abgegriffenen Pergamentes und den unregelmäßigen Abständen zwischen den Wörtern sehen. Also würde sie auch ein wenig Peinlichkeit vertragen. „Er hat sich entschuldigt.“ Emily schnaubte. „Geht doch – er hat sich reichlich Zeit dafür gelassen, findest du nicht?“ Lily zuckte mit den Schultern und reichte Emily den Brief hinüber, damit ihre Freundin selbst lesen konnte, was Potter geschrieben hatte. Mit einem leisen Flattern in der Magengegend beobachtete sie, wie ihre Augen über die Zeilen huschten, bis Emily schließlich aufblickte. „Eigentlich ein ziemlich süßer Brief“, entgegnete sie und Lily ließ vor Überraschung fast ihre Kaffeetasse fallen. „Süß? Es ist immer noch Potter, von dem wir hier sprechen!“ Emily verdrehte die Augen. „Ich spreche ja auch von seinem Brief und nicht von ihm. Aber er scheint sich wirklich Gedanken gemacht zu haben und wirklich zu wollen, dass du nicht mehr böse auf ihn bist. Und falls es dir aufgefallen ist, er schickt dir keine dummen, peinlichen Liebeserklärungen auf rosa parfümiertem Papier – das Kapitel scheint er jetzt wohl hinter sich zu haben.“ Lily runzelte die Stirn, tatsächlich war ihr an seinen Worten nicht aufgefallen, was fehlte, sondern nur das, was auch dort stand. Er hatte geschrieben, dass er sie mochte – und wenn Lily zurückdachte, dann hatte sie eigentlich ziemlich wenig getan, um diese Sympathie zu rechtfertigen, sondern sich im Gegenteil immer Mühe gegeben, so biestig und abweisend wie möglich zu sein. Und er hatte nicht mehr geschrieben – nur, dass er sie mochte, nicht, dass sie die Liebe seines Lebens war, dass er mit ihr in einer dunklen Ecke des Schlosses rummachen wollte, oder dass er sich schon auf ihre zukünftigen, gemeinsamen Kinder freute. Und in den letzten Tagen... sie schüttelte leicht den Kopf. Konnte es wirklich sein, dass ihr Streit ihn aufgerüttelt hatte, ihn dazu gebracht hatte, über sich selbst und seine Handlungen nachzudenken und sie vielleicht sogar zu ändern? Wenn sie mit Dorcas unterwegs waren, wirkte er... ernst und verantwortungsbewusst, und zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass sie sich... sicher fühlte, wenn sie ihn in ihrem Rücken wusste. Nicht nur, dass er, genauso wie sie, ein guter Duellant war – sie wusste auch, dass er alles tun würde, um ihr zu helfen, ein Gedanke, der sie sich fast ein wenig schämen ließ. Konnte sie auch dasselbe über sich selbst sagen? Sie seufzte leise auf. In der Vergangenheit hatte es Momente gegeben, in denen sie sich nichts mehr gewünscht hatte, als dass irgendein bösartiger, gemeiner Fluch, vorzugsweise aus ihrem eigenen Zauberstab, Potter treffen würde, und das war nicht die beste Ausgangssituation, um mit ihm gemeinsam auf Patrouille zu gehen. Aber jetzt? Sie schüttelte sanft den Kopf. Auch wenn es ihr schwer fiel, sich das einzugestehen, aber in den letzten Wochen, und besonders mit seiner Entschuldigung, war sie zu der Schlussfolgerung gekommen, dass Potter eigentlich ein ganz anständiger junger Mann war. Natürlich, sie würde ihn niemals wirklich mögen, aber er hatte seine guten Seiten, und er hasste die Dunklen Künste genauso sehr, wie sie es tat, darüber gab es keinen Zweifel. Etwas, das sie von Severus nicht gerade behaupten konnte... Erneut seufzte sie, bevor sie einen Blick zum Slytherintisch hinüberwarf. Ihr Freund – wenn er das denn noch war – hatte ebenfalls einen Brief erhalten, und musterte das Blatt mit dunkler Intensität, bevor er aufsah und ihre Augen sich trafen. Der Kontakt hielt nur für einen Moment, dann sahen sie beide hastig weg, und Lily spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. Die Verlegenheit und die Anspannung, die zwischen ihnen herrschte, war nicht verschwunden, als sie in Alte Runen an ihrem gewohnten Tisch Platz nahmen, nebeneinander, während Professor O'Leary die Aufgaben des Tages für sie austeilte, anspruchsvolle, schwierige Texte, die bereits das Niveau der UTZ's erreicht hatten. Sie mussten zusammenarbeiten, um sie zu übersetzen, und Lily wusste nicht, ob sie diese Pflicht hassen sollte, weil sie herausstrich, dass sie gestritten hatten, sich nicht miteinander verstanden, oder darüber froh sein sollte, weil sie wenigstens zu einem kleinen Bisschen an Kommunikation zwischen ihnen führte, auch wenn es nur Severus' Bitte war, ihm Zaubermanns Silbentabelle zu reichen. Darüber hinaus arbeiteten sie schweigend, bis Lily, schon fast am Ende der Stunde, während O'Leary am anderen Ende des Klassenraums beschäftigt war, genervt aufseufzte. „Das ist doch albern!“ Severus wandte sich ihr zu, langsam, vorsichtig, so als ob er erwarten würde, dass sie ihn wieder anfauchen würde. „Was?“ „Dass wir hier sitzen und uns anschweigen.“ Sie fuhr nicht fort, wartete auf seine Reaktion, während seine Augen sich ein wenig weiteten. Er räusperte sich leise. „Und was willst du damit sagen?“ Sie seufzte auf – in letzter Zeit hatten sie sich so oft versöhnt, dass sie darin eigentlich Übung haben sollten, und trotzdem wurde es kein bisschen einfacher. „Willst du dich heute Abend mit mir treffen? Wir können über alles reden, und... vielleicht wieder Freunde sein?“ Er hatte gerade noch Zeit, langsam, vorsichtig zu nicken, bevor die Klingel ihre Stunde beendete. „Das Verwandlungsklassenzimmer aus dem ersten Jahr?“ Neutrales Gebiet, weder nahe am Gryffindorturm, noch an den Kerkern. „Um acht Uhr.“ Er packte seine Tasche, und sein Nicken ging fast unter in den Bewegungen, die damit einher gingen, bevor er verschwand, ohne zu ihr zurückzublicken. Der Zeitpunkt ihres Treffens ließ ihr zu viel Zeit, sich nervös zu machen, die sie zu ihrem eigenen Bedauern auch nutzte, und als sie vor der Tür des Klassenraums stand, klopfte ihr Herz bis zum Hals. Vorsichtig drückte sie die Klinke nach unten, nur, um nach einem vorsichtigen Blick nach drinnen festzustellen, dass Severus noch gar nicht da war. Erleichtert, obwohl sie sich dafür ein wenig schämte, stieß sie die Tür ganz auf und trat ein, blickte sich kurz suchend um. Professor McGonagall unterrichtete hier schon lange nicht mehr, die Tische waren gemeinsam mit den Stühlen gestapelt, an die Wand geschoben und mit Tüchern bedeckt worden und verbreiteten trübe, staubige Stimmung. Lily seufzte leise und nahm auf dem umgedrehten Papierkorb neben der Tür Platz, nur um einen Moment später wieder aufzuspringen, als Severus eintrat. Er wirkte nervös und fahrig, ließ seine Hände immer wieder über die Seiten seines Umgangs gleiten, während er sich im Klassenraum umsah. Als er sie entdeckte, erstarrte er, bevor er sich schließlich zu einem schmallippigen Lächeln durchrang. „Lily.“ „Sev.“ Sie starrten sich an, während die alte Uhr über ihnen vor sich hintickte, ohne dass der Sekundenzeiger sich nach vorne bewegte, bis Lily mit drei Schritten, die sie selbst kaum bemerkte, bei ihm stand und ihre Arme um ihn schloss, ihre Nase in den Falten seines Schulumhangs vergrub. Für einen Moment wirkte er wie erstarrt, fühlte sich an wie Eis in ihren Armen, doch dann spürte sie, wie er sie näher an ihn zog, seine Hände sich an ihren Rücken legten. „Lily“, wisperte er, ein Laut, der sie zittern ließ, bevor sie sich schließlich vorsichtig von ihm löste, als sie spürte, dass die Tränen in ihren Augenwinkeln fallen würden, wenn sie ihn noch länger umarmte. „Es tut mir leid“, flüsterte er rau, seine Worte waren nur noch Formalität, denn verziehen hatte sie ihm schon längst – er hatte sich nur um sie gesorgt, das wusste sie. „Ist schon okay.“ Sie schaffte es sogar, ihm ein schwaches Lächeln zu schenken, doch wo sie geglaubt hatte, dass jetzt wirklich alles wieder in Ordnung sein würde, schien da noch etwas zu sein, das zwischen ihnen hing und das ihn belastete. Sein dunkler Blick wanderte rastlos über sie hinweg, bis er schließlich aufseufzte und seine Finger durch seine Haare trieb. „Severus?“, fragte sie leise, und das war es wohl, das ihn zu einer Entscheidung trieb, denn er wandte sich ihr zu. „Du weißt, dass du dich in der Sache auch nicht astrein benommen hast, Lily.“ Seine Augen schienen nach etwas in ihrem Gesicht zu suchen, und als seine Worte einsanken, fanden sie das auch, denn sie spürte, wie Wut über ihre Züge huschte, wenn auch nur für einen Moment. „Weiß ich das?“ Sie hatte schnippischer geklungen als sie gehofft hatte, und sah, wie Severus zusammenzuckte – eine gut verborgene Regung, die sie nur bemerkte, weil sie ihn seit Jahren kannte – doch er wich nicht zurück. „Wenn du dir die Mühe machen würdest, ein wenig über dein eigenes Verhalten nachzudenken, dann schon.“ Sie hob die Augenbrauen – was hatte sie schon falsch gemacht, an diesem Abend? „Da ich das offensichtlich nicht tue, erhelle mich doch.“ Sie machte sich nicht einmal mehr die Mühe, ihre Wut zu verbergen, doch ihr offener Angriff schien etwas in ihm ausgelöst zu haben, denn er wich nicht zurück, sondern sah ihr in die Augen. „Komm schon – wenn du mir tagein, tagaus erklärst, dass meine Freunde aus Slytherin nichts für mich sind, ist das okay, aber wenn ich einmal andeute, dass Potter schlecht für dich ist, gehst du in die Luft und brüllst uns beide an. Fällt dir da nichts auf? Das kling doch ein wenig ähnlich.“ „Das ist überhaupt nicht dasselbe!“, entgegnete sie hitzig, was Severus nur ein trockenes Schnauben entlockte. „Diese Slytherins sind böse, das weißt du genauso gut wie ich. Sie quälen andere, und das nur zum Spaß, und ich bin mir sicher, sie haben damit auch nicht aufgehört, als sie von der Schule abgegangen sind! James ist vielleicht ein Arschloch, aber er würde nie andere foltern, einfach... weil er es kann.“ Severus machte einen kleinen, wütenden Schritt auf sie zu, bevor er sich selbst dabei ertappte und innehielt. „Das denkst du also? Dann verzeih mir, wenn ich dir nicht zustimme, aber sieben Jahre als James Potters bevorzugtes Opfer haben zumindest bei mir zu der Schlussfolgerung geführt, dass es ihm sehr wohl Spaß macht, andere zu quälen.“ „Ja, aber er ist kein Todesser!“ „Und was macht das für einen Unterschied? Wenn er ein Sadist ist, ist er ein Sadist, ob er jetzt eine Tätowierung auf dem Arm hat oder nicht!“ „Das denkst du doch nicht wirklich, oder?“ „Natürlich denke ich das. James Potter ist ein mieser, kleiner Tyrann – und wenn du nicht siehst, wie er mir das Leben zur Hölle gemacht hast, und nicht verstehst, wieso ich nicht möchte, dass du dich mit ihm abgibst, dann frage ich mich, was du in den letzten sieben Jahren überhaupt über mich gelernt hast.“ „Aber er würde niemals jemanden umbringen!“ „Er nicht – Black schon! Und wenn dein Held Potter nicht im letzten Moment Panik bekommen hätte, wäre ich tot. Geht das nicht in deinen Kopf, Lily?“ Sie starrte ihn aus großen, grünen Augen an, geschockt von seinem Ausbruch. So hatte er noch nie mit ihr gesprochen, in all der Zeit nicht, die sie ihn schon kannte, und sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte – also schlüpfte sie durch die Tür hinaus, bevor er ihr folgen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)