Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 45: Frieden ------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 45: Frieden Die Gänge von Hogwarts lagen dunkel und verlassen da, während Lily, James und Dorcas sie durchstreiften auf der Suche nach Todessern und anderen Bedrohungen. Die junge Frau plauderte fröhlich mit ihnen beiden, versuchte, die Anspannung zwischen ihm und Lily zu brechen, aber mit wenig Erfolg. Sie waren zwar durchaus bereit, mit ihr zu reden, aber nicht miteinander, was, gemeinsam mit der hallenden Stille der dunklen Hogwarts-Gänge eine merkwürdige Atmosphäre zwischen ihnen erzeugte. James störte das nicht wirklich – er war ohnehin nicht zum Sprechen aufgelegt. Er hatte sich entschuldigt, nicht nur bei ihr, sondern auch bei ihrem kleinen Slytherin-Freund, und es hatte ihn so viel Überwindung gekostet... und zurückgekommen war nichts. Gut, von Snape hatte er auch keine Reaktion erwartet, denn eher würde die Hölle zufrieren, als dass ein Slytherin seinen Stolz vergaß, und wenn auch nur für einen Moment. Aber Lily war anders, und bei ihr hatte er doch gehofft, dass sie reagieren, ihn ansprechen, ihm vielleicht sogar verzeihen würde. Leider war nichts davon passiert... er hatte nicht am Gryffindor-Tisch gesessen, als die Post kam, und nach allem, was er wusste, konnte sie auch die Handschrift erkannt und seinen Brief sofort ins Feuer geworfen haben. Der Gedanke, dass all seine Überwindung und seine Demütigung umsonst gewesen sein konnten, ließ ihn die Zähne zusammenbeißen, aber er war nicht bereit, noch mehr hinzuzufügen und Lily sehen zu lassen, wie sehr ihre Ablehnung ihn traf. Ihre Patrouille führte sie in dieser Nacht in die höheren Stockwerke des Schlosses, und als sie die Spitze des Astronomieturms erreichten, hielten sie für einen Moment inne und stützten sich auf der Brüstung ab, um einen Blick hinauf in den wolkenverhangenen Nachthimmel zu werfen. Gelegentlich blitzten ein paar Sterne in den Lücken auf, und Dorcas seufzte. „Ihr wisst, dass gestern Abend die Fairweathers getötet wurden?“ James' Kopf schoss so schnell herum, dass sein Nacken schmerzte. „Was? Die wohnen doch...“, er schluckte, bevor er sich verbesserte, „nein, sie haben doch in der Nähe von Godric's Hollow gewohnt, oder?“ Dorcas nickte langsam. „Ja. Todesser haben ihr Haus überfallen, weil sie sich nicht von ihren Muggelfamilien distanziert haben – wenn man bei diesen Verrückten überhaupt rationales Verhalten und Begründungen voraussetzen kann.“ James bemühte sich, die Angst, die er spürte, mit eiserner Faust zu zerquetschen, aber es gelang ihm nicht. Seine Eltern wohnten so nahe... und auch wenn sie beide Reinblüter waren, sicher konnte man sich nie sein... irgendetwas konnte immer passieren, und wenn es nur eine so triviale Sache wie eine Verwechslung wäre. „James?“, fragte Dorcas leise und machte einen Schritt auf ihn zu. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Er warf einen kurzen Blick hinüber zu Lily und sah aus dem Augenwinkel noch, wie sie sich wegdrehte und über die Ländereien hinausblickte, und nickte dann. „Ich habe nur gerade an meine Eltern gedacht...“ Dorcas warf ihm einen Blick zu, bevor sie verstand und ihn anlächelte; er glaubte, Verständnis in ihren Augen zu erkennen. „Wir alle haben jemanden, den wir nicht verlieren wollen. Aber Angst zu haben macht unsere Liebsten nicht sicherer – und irgendwann gibt es einen Punkt, wo wir uns zwischen dem entscheiden müssen, was wir fühlen, und dem, was für die Zaubererwelt das Beste ist.“ Für einen Moment toste die Wut in James, er fragte sich, wie sie das Recht hatte, diese Entscheidung für ihn zu treffen, und seine Familie so abschreiben konnte... aber dann bemerkte er ihr bittersüßes Lächeln und den Schmerz, der dahintersteckte, und erinnerte sich daran, wie sie geklungen hatte. Nicht abwertend, nicht gemein, sondern wie jemand, der etwas, das er selbst als schmerzhafte Wahrheit erkannt und dafür einen viel zu hohen Preis gezahlt hatte, vorsichtig an jene weitergeben wollte, die noch nicht so sehr gelitten hatten. „Es tut mir leid.“ Es war Lily, die sprach, und für einen Moment spürte James grenzenlose Erleichterung darüber, dass wenigstens sie auf Hogwarts in Sicherheit war, wenn er schon nichts für seine Eltern tun konnte – und dann erinnerte er sich, wieso sie gemeinsam auf der Spitze des Astronomieturmes standen und auf die gefrorenen Ländereien hinausstarrten. „Meinst du, die Todesser werden Hogwarts angreifen?“ Nun hatte er auch Lilys ungeteilte Aufmerksamkeit, die ihn aus großen, erschrockenen Augen ansah und ihn dafür anzuklagen schien, dass er diesen ketzerischen Gedanken überhaupt ausgesprochen hatte. Dorcas zuckte mit den Schultern, aber dumpf hatte er das Gefühl, dass sie beeindruckt war, weil er überhaupt auf diese Idee gekommen war. „Ich weiß es nicht, und Professor Dumbledore auch nicht.“ Sie hielt inne und ließ ihren Blick zum Verbotenen Wald hin in die Ferne wandern. „Professor Dumbledore ist der einzige Zauberer, vor dem Du-weißt-schon-wer Angst hat, und das bedeutet, er wird direkt unter seiner Nase sehr, sehr vorsichtig sein. Aber ich denke nicht, dass er den Einfluss unterschätzt, den Hogwarts auf die magische Gesellschaft als Ganzes hast. So gut wie jede Hexe und jeder Zauberer in Großbritannien besuchte diese Schule, und sie unter seiner Kontrolle zu haben würde bedeuten, dass er ganze Generationen von jungen Magiern indoktrinieren könnte. Meiner Ansicht nach ist das eines seiner längerfristigen Ziele – aber während ihr noch in der Schule seid, wird das nicht passieren, da bin ich mir sicher.“ Sie seufzte. „Einen Angriff zu einem anderen Zweck kann jedoch niemand ausschließen, und wir dürfen nicht vergessen, dass auch unter den Schülern jene sind, die mit ihm sympathisieren.“ „Slytherins?“, fragte er, und Dorcas lachte. „Auch unter den Slytherins sind Muggelgeborene, und auch in den anderen Häusern gibt es jene, die mit den Ideen von Du-weißt-schon-wem liebäugeln. Mit deiner Einstellung und deinem Misstrauen treibst du vielleicht auch jene, die ihm ablehnend gegenüberstehen, in seine Arme.“ Eine kleine Geste von Dorcas, und sie setzten sich wieder in Bewegung, das Thema von ihrer Seite aus für den Moment abgeschlossen, während er Lilys brennenden Blick in seinem Rücken spürte. Sie dachte an Snape, ohne Zweifel – und er auch. Die Spannung zwischen ihm und Lily nahm nur noch zu, als sie ihre Patrouille beendeten und sich in der Großen Halle von Dorcas verabschiedeten, bevor sie sich auf den Weg hinauf in den Gryffindor-Turm machten. Die einzigen Geräusche waren ihre müden Schritte und ihr Atem, der in kleinen Wölkchen vor ihren Gesichtern kondensierte, bis Lily dem Portrait der Fetten Dame das Passwort nannte und sie in den warmen Gemeinschaftsraum schlüpften, der sich nach der schneidenden Kälte wie der Himmel anfühlte. Im Kamin glommen noch die letzten Reste des Feuers, das die Hauselfen entfacht hatten, und für einen Moment spürte James jene Art von Verbundenheit, die Menschen erfasste, wenn sie sich gemeinsam vor den Elementen in Sicherheit begaben. Auch Lily schien es zu bemerken, denn sie verschwand nicht, wie sonst immer, mit einem kaum hörbaren „Nacht“ in ihren Schlafsaal, sondern blieb unschlüssig neben ihm stehen, während sie intensiv den dichten, rauen Stoff ihres Winterumhangs betrachtete. Obwohl James spürte, wie die Müdigkeit unter seine Augenlider kroch, hoffte ein Teil von ihm – der, der nicht permanent gähnte – dass Lily ihn ansprechen würde, also harrte er hinter dem Portraitloch aus, rieb seine Hände aneinander und kämpfte gegen den Drang, im Stehen einzuschlafen. Er wurde belohnt. „Potter?“ Lily sah ihn nicht an, sondern den plüschigen Teppichboden zwanzig Zentimeter vor seinen Zehenspitzen, aber es war immerhin ein Anfang. „Ja?“ „Können wir... können wir reden? Natürlich nur, wenn du noch nicht zu müde bist.“ Jeder Schein von Erschöpfung war verflogen, als ein sich windender Knoten von Nervosität in seiner Magengegend zu liegen kam, nachdem er sein Gesicht und seinen Hals durcheinandergebracht hatte. „Ähm...“ Er räusperte sich, um Zeit zu gewinnen. „Klar.“ Nur das leise Knacken der Glut unterbrach die stille, während sie es sich auf den Stühlen am Feuer gemütlich machten, so gut das in der angespannten Atmosphäre möglich war. Für einen Moment starrte Lily in die sterbenden Flammen, dann fragte sie unvermittelt: „Stimmt es?“ Er starrte sie an. „Was?“ „Dass Black versucht hat, Severus umzubringen, dass Remus ein Werwolf ist, und dass du Severus gerettet hast.“ Die Überraschung trieb ihm fast die Luft aus den Lungen. Nach mehr als einem Jahr hatte er gedacht – gehofft – gebetet – dass Lily nie von diesem Vorfall erfahren würde, immerhin hatte sie damals, als es passiert war, nicht mit Snape gesprochen, und auch danach hatte Snivellus die Angelegenheit für sich behalten. Das hatte sich jetzt ganz offensichtlich geändert. „Es war ein Streich – Sirius wollte ihn nicht wirklich umbringen“, antwortete er ein wenig lahm, und Lily schnaubte ungläubig. „Nicht wirklich umbringen? Ehrlich, Potter, denkst du wirklich, dass ich das glaube?“ Da war er wieder, dieser wütende, fast angewiderte Blick, mit dem sie ihn bedachte und der ihm das Gefühl gab, dass seine Entschuldigung vollkommen umsonst gewesen war. Er wollte etwas entgegnen, aber Lily kam ihm zuvor. „Sirius hat all diese hassenswerten Eigenschaften, aber er ist nicht dumm. Wenn das ein Streich sein soll, was hat er sich dabei gedacht? Dass der Werwolf Severus einmal über den Kopf leckt und ihn dann gehen lässt?“ Das war ganz offensichtlich eine rhetorische Frage, denn Lily hatte sich in Rage geredet und war nur lange genug still, um erneut Luft zu holen. „Außerdem kennst du Remus, wahrscheinlich besser als ich. Er wäre nie darüber hinweggekommen, jemanden getötet zu haben, auch wenn er nichts dafür kann – nie! Du weißt, wie sehr er sich für alle um ihn herum verantwortlich fühlt, auch für euch Idioten. Was ist das für eine Art, es ihm zurückzuzahlen? Ein Streich ist ein Streich, Potter, aber es gibt Dinge, die zu weit gehen, und ihr überschreitet diese Grenze regelmäßig.“ James seufzte. „Lily, ich weiß, dass Sirius zu weit gegangen ist – was meinst du, wieso ich Snape da herausgeholt habe, sobald ich davon erfahren habe! Doch nicht, weil ich ihn so unglaublich gerne mag und ich gerne mein Leben für ihn riskiere!“ Sie reckte ihre Nase. „Das ist auch der einzige Grund, wieso ich überhaupt mit dir rede.“ Er seufzte innerlich – so sehr er Lily auch mochte, manchmal ging ihm ihre Selbstgerechtigkeit unglaublich auf die Nerven. „Alles, was du gesagt hast, stimmt, Ja, Sirius hat weder an Snape noch an Remus gedacht, aber ich glaube, dass er mittlerweile bereut, was er getan hat, und das nicht, weil er fast von der Schule geflogen wäre. Auch er ist erwachsener geworden, und keiner von uns möchte Snape tot sehen – es gibt einen Unterschied zwischen uns und seinen Todesserfreunden.“ Im Dämmerlicht sah er, wie Lily an ihrer Unterlippe kaute. „Severus sieht das anders.“ Er spürte, wie seine Wut in ihm hochkochte – dass sie diesem Schleimbeutel immer noch mehr glaubte, als ihm... er biss die Zähne zusammen. „Er sagt, du hast ihn nur gerettet, damit ihr nicht von der Schule geworfen werdet.“ Auch, dachte James, bevor er tief Luft holte und sich bemühte, seinen Zorn zu unterdrücken. „Wer möchte schon von der Schule geworfen werden? Du siehst doch, was aus Hagrid geworden ist. Aber in dem Moment hatte ich eigentlich nur Angst... wovor, weiß ich selbst nicht so genau.“ Lilys Blick hatte sich gewandelt, sie betrachtete ihn ernst und intensiv, so als ob sie sich unbedingt sicher sein wollte in ihrer Einschätzung, keine einige Regung seines Gesichts verpassen wollte. Aus seinem Blickwinkel stellte das einen Fortschritt dar – zuvor hatte sie gedacht, dass sie alles über ihn wusste, was es über ihn zu wissen gab. „Bist du froh, dass er noch lebt?“, fragte sie schließlich, und er schluckte. „Ich wünsche niemandem den Tod.“ Das war keine wirkliche Antwort auf ihre Frage, das wussten sie beide, aber Lily schien zu merken, dass das alles war, was sie bekommen würde, und nickte langsam. „Ich glaube, wäre die Situation umgekehrt, könnte ich auch nicht mehr aus ihm herauslocken.“ Ihm war klar, von wem sie sprach, doch obwohl die Eifersucht in ihm hochkochte, schenkte er ihr ein schmallippiges, gezwungenes Grinsen, das sie ebenso angespannt erwiderte. „Wenn du möchtest, kannst du ihm sagen, dass er vor mir sicher ist, wenn wir es auch sind.“ Sie wirkte überrascht von seinem Zugeständnis, fing sich aber schnell und nickte. „Das werde ich.“ Die Reste des Feuers prasselten zwischen ihnen, und James streckte abwesend seine Hände aus, um sie zu wärmen, während Lily sich zurücklehnte und in die Dunkelheit unter der hohen Decke des Gemeinschaftsraumes starrte. „Danke für deinen Brief“, sagte sie schließlich, nach langen Minuten der Stille, in denen die Müdigkeit in seine Glieder zurückgekrochen war, und sein Herz machte einen Hüpfer. Sie hatte ihn gelesen – und die Mühe, die er ins Verfassen gesteckt hatte, hatte sich ganz offensichtlich ausgezahlt, denn sie wirkte weicher, nicht mehr so wütend wie früher oder noch vor wenigen Minuten. Er antwortete nicht sofort, unsicher, was er dazu hätte sagen können, und sie wandte den Kopf, blickte aus großen, grünen Augen zu ihm hinüber. „James?“ „Ja?“ „Meinst du das ernst, was du geschrieben hast?“ „Hätte ich es sonst geschrieben?“, entgegnete er, bockiger, als er selbst erwartet hatte, aber nach allem, was er gesagt und getan hatte, bezweifelt zu werden... es tat weh, noch mehr, als Lily mit den Schultern zuckte. „Eine Lüge kostet nicht viel.“ „Und du denkst wirklich, dass ich gelogen habe?“ Ihr Blick durchbohrte die Dunkelheit, während er den Atem anhielt. „Nein“, entgegnete sie schließlich, nach langer Stille, und die Luft entwich mit einem Seufzen aus seinen Lungen. „Ich glaube...“, begann sie nach einigen Minuten erneut, zögerlich, „ich glaube, du hast wirklich versucht, dich zu ändern. Das bedeutet zwar nicht, dass ich dich mag... aber hassen kann ich dich auch nicht mehr, und wenn ich mich nicht so sehr an meine Vorurteile geklammert hätte, wäre mir das schon viel früher aufgefallen. So, wie du jetzt bist, bist du eigentlich ganz erträglich.“ Aus Lilys Mund war das ein hohes Lob, wenn er bedachte, wie sie noch am Anfang des Schuljahres mit ihm umgegangen war. „Danke“, entgegnete er, und sie lächelte ein wenig, bevor sie ihm die Hand hinstreckte. „Frieden?“ Er nickte und drückte sie fest. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)