Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 58: Aus dem Schatten ---------------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 58: Aus dem Schatten Die Angst verging nicht während der nächsten Wochen, sondern stieg mit jedem Tag, der auf dem Kalender vorrückte und der Remus bewusst machte, dass der April verging, ohne dass er etwas dagegen tun konnte... bis schließlich der Vollmond nicht nur ein dumpfes, weit entferntes Ereignis war, sondern er begann, die Tage zu zählen. Schneller und schneller flossen sie vorbei, so sehr er sich auch bemühte, sich abzulenken, und es fiel ihm schwerer und schwerer, sich auf seine Schularbeiten zu konzentrieren, selbst in dieser wichtigen Phase kurz vor den Abschlussprüfungen. Er fürchtete sich. Natürlich, er wusste, was passieren würde, Florence würde mit ihm Schluss machen, also war es nicht die Angst vor dem Unbekannten, aber was danach kommen würde... er schüttelte leicht den Kopf. In den Monaten, seit sie zusammen gekommen waren, war sie wichtiger und wichtiger für ihn geworden, bis er sich schließlich keinen Tag mehr vorstellen konnte, an dem er nicht beim Frühstück ein paar Worte mit ihr wechselte oder sich nachmittags in der Bibliothek traf, vorgeblich, um Hausaufgaben zu machen, und sie im Schutz der vielen Bücherregale küsste. Sie war... wichtig. Sie war ein Teil seines Lebens geworden, und die Zeit ohne sie war nur noch eine blasse Erinnerung, nicht annähernd so farbenfroh und glücklich war wie ihre Beziehung. „Remus?“ Er zuckte zusammen, als Suzanne ihn ansprach, und blickte hinunter auf das kleine Mädchen, das vor ihn getreten war. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Ja, natürlich.“ Sein Schulterzucken verriet ihn, und ihre Stirn legte sich in Falten. „Wenn es dir nicht gut geht, können wir gerne Schluss machen. Ich glaube, ich hab jetzt den Dreh raus.“ Remus nickte langsam. Er hatte den Verwirrungszauber mit ihr geübt, und er war ihr so gut gelungen, dass er sich noch immer ein wenig bedröppelt fühlte, auch wenn er sich nicht sicher war, ob das merkwürdige Gefühl nicht doch mehr mit der Situation mit Florence zu tun hatte. „Wenn das für dich in Ordnung ist, wäre mir das denke ich lieber.“ Sie nickte und begann, ihre Sachen zu packen. „Gut. Dann kann ich noch gemeinsam mit Mary meine Hausaufgaben für Professor McGonagall machen.“ Remus lächelte – sowohl er als auch seine Freunde hatten in den letzten Monaten zufrieden bemerkt, dass Suzanne, die zuvor von den anderen Gryffindors-Erstklässlern ein wenig ausgeschlossen worden war, nun mehr Zeit mit Mary Bannister verbrachte, einer Hauskollegin aus dem ersten Jahr. „Du weißt, wenn du sonst noch etwas brauchst, sind wir für dich da.“ Suzanne hielt für einen Moment in ihren hastigen Bewegungen inne, während sich ihre Miene verfinsterte. „Glaub mir, ich komme zurecht. Ich hab ein Auge auf sie, und ich bin mir sicher, dass sie mich nicht mehr überraschen werden.“ Remus nickte zufrieden. „Dann mach dich auf den Weg.“ Er sah ihr hinterher, als sie zur Tür hinaus flitzte, dann ließ er sich noch einmal auf einen Stuhl sinken. Sein Kopf schwamm noch immer – vielleicht der Zauber, vielleicht seine Sorgen, vielleicht die ersten Vorboten des Monds, der nachts schon nahezu voll über den Ländereien stand – und er stützte sich auf seinen Händen ab. Er hatte beschlossen, keinen letzten, besonderen Abend mit Florence zu verbringen, sich nicht von ihr zu verabschieden, sie noch ein letztes Mal zu sehen, bevor sie sich in Abscheu von ihm abwenden würde... alleine der Gedanke tat zu sehr weh. Er hatte ihr nur erklärt, dass er am Sonntag Abend und am Montag keine Zeit hatte, und ihre gerunzelte Stirn und ihr Unmut hatten all seine Befürchtungen bestätigt. Sie würde gehen... dessen war er sich sicher. So sehr er versuchte, sich einzureden, dass er wusste, was passieren würde, dass es unausweichlich war und deswegen kein Grund bestand, sich mit Gedanken daran zu foltern, es gelang ihm nicht, das Thema aus seinem Kopf zu verbannen. Nicht nur wegen Florence - seine Verwandlungen alleine waren unangenehm genug, um sich Sorgen darüber zu machen. Wenn er mit den anderen Rumtreibern durch den Verbotenen Wald jagen konnte, waren sie bereits schmerzhaft, und er verletzte sich regelmäßig... aber alleine, in einer Hütte eingesperrt, ohne die Möglichkeit, den Wind zu riechen und seine Pfoten zu bewegen... nicht einmal Madame Pomfrey würde alle seine Bisse, Kratzer und Schnitte heilen können. Und wie sollte er das Florence erklären? Sie war ohnehin schon misstrauisch genug und machte sich Sorgen, weil er so oft krank war – was würde sie dann zu Bisswunden und Kratzern sagen? Dass er sie in den Monaten davor angelogen hatte, machte seine Furcht nicht geringer – das herauszufinden würde ihre Wut nur steigern, sie weiter von ihm weg treiben als nur die Tatsache, dass er ein Werwolf war. Sie würde ihn hassen und nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen, und der Gedanke schmerzte um nichts weniger, weil er mittlerweile gewohnt war. Remus hatte das Gefühl, dass kaum ein Tag vergangen war seit dem letzten Vollmond, als er mit Madame Pomfrey zur Peitschenden Weide hinunterging. Er fühlte sich, als würde er zu seiner eigenen Hinrichtung geführt, und auch der mitleidige Blick, den die Medihexe ihm zuwarf, brachte ihn nicht dazu, sich besser zu fühlen. Fast begrüßte er das gnädige Vergessen, das einsetzte, als der Mond schließlich durch die Ritzen der Fenster schien, und seine Sinne kehrten erst wieder zurück, als er vor Schmerzen gekrümmt auf dem Boden der Heulenden Hütte lag, und spürte, wie sein Blut auf den staubigen Fußboden sickerte. Zum Glück fand ihn Madam Pomfrey, noch bevor er die Chance hatte, sich zu bewegen, und heilte die schlimmsten Wunden, dann nahm sie ihn mit hinauf in den Krankenflügel. „Sie gehen heute nirgendwo hin, Mr Lupin, und schon gar nicht in den Unterricht. So schwer verletzt habe ich Sie ja schon lange nicht mehr gesehen... was war denn heute anders?“ Er antwortete nicht, auch wenn er das Gefühl hatte, dass Madam Pomfrey ganz genau wusste, worauf sie anspielte, und folgte ihr schweigend. Florence würde sich Sorgen machen, sie würde vor dem Frühstück auf sie warten... hoffentlich sagten ihr James und die anderen Bescheid. Ihr Auftauchen nach dem Ende des Nachmittagsunterrichts verriet ihm, dass sie das getan haben musste, doch jegliche Freude über ihren Besuch wurde von ihrem düsteren Gesichtsausdruck verschluckt. Er zitterte, als sie neben ihm auf dem Bett Platz nahm, und obwohl ihre kalte Hand nach seiner griff und sie festhielt, hatte er nicht das Gefühl, dass sie ihn unterstützte... eher, dass sie wartete, bis Madam Pomfrey in ihr Büro verschwunden war. „Was ist los?“, fragte Florence, kaum, dass sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, und er zuckte zusammen. „Was meinst du?“, entgegnete er vorsichtig, und sie schnaubte. „Vielleicht, dass du jeden Monat krank bist? Vielleicht, dass du mir ausweichst? Vielleicht, dass ich dir jedes Mal ansehe, dass du mich anlügst, und mir nicht verraten willst, was jetzt los ist?“ Er zuckte zusammen, als sie ihn anfauchte. „Es tut mir leid.“ „Es tut dir leid?“, fragte sie ungläubig, und er spürte, wie sich der Schmerz immer tiefer in ihn bohrte. „Du liegst hier im Krankenflügel, bist die ganze Zeit blass, müde und erschöpft, und jetzt siehst du auch noch aus, als wärst du von einem Treiber verprügelt worden – ohne ein Wort der Erklärung? Und jetzt sagst du, dass es dir leid tut? Nach allem, was ich weiß, könntest du eine tödliche Krankheit haben, und du machst den Mund nicht auf!“ „Ich werde nicht sterben“, entgegnete er, hoffte, dass er ihren Fragen vielleicht ein kleines bisschen länger ausweichen konnte, auch wenn die Chancen dafür geringer waren als die einer Schneeflocke in der Hölle... ohne Erfolg. „Ja, aber was ist es dann, das du hast?“ Er seufzte – da war es. „Florence, ich möchte dir das wirklich nicht verraten...“ „DAS habe ich bemerkt, danke!“ Wütend starrte sie ihn an, sah eher aus wie eine Gryffindor als eine Hufflepuff, und jetzt, wo der Moment gekommen war, hoffte er doch gegen jegliche Vernunft, dass die vielgepriesene Loyalität ihres Hauses sich auch auf ihn erstrecken würde... oder dass sie ihm vielleicht doch genug vertraute. Ihr abwartender, fast abschätziger Blick, die Art, wie sie ihre Hand von seiner genommen hatte, verriet ihm, dass er keine Chance hatte, ihr die Wahrheit noch länger zu verschweigen. Sie würde nicht länger warten, sich nicht länger von ihm anlügen lassen, hatte wahrscheinlich schon Monate zuvor Verdacht geschöpft... immerhin hatte er seine Krankheit auch vor seinen Freunden nicht allzu lange verbergen können. „Ich bin ein Werwolf“, sagte er leise, und der Unglauben in ihrem Blick traf ihn hart – sie dachte wohl, er würde einen Scherz machen. „Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für dumme Witze!“, fuhr sie ihn an, und dann hielt sie inne, als er einen Teil seiner Angst und wie sehr sie ihn mit ihren Worten verletzt hatte, an die Oberfläche treten ließ. Er sah, wie der größte Teil der Farbe aus ihrem Gesicht wich und sie ihn anstarrte, und versuchte, sich darauf vorzubereiten, dass sie zurückweichen würde, verschwinden, dass sie durch die Tür des Krankenflügels stürmen würde und ihn nie wieder ansehen. Doch nichts geschah. Wahrscheinlich war sie einfach zu überrascht, zu geschockt, um zu reagieren, aber es würde passieren, unweigerlich, dessen war er sich sicher... „Ein Werwolf?“, fragte sie leise, blickte sich um, um sicherzugehen, dass der Krankenflügel wirklich leer war, und er nickte langsam, versuchte, den Teil seiner Gefühle, der dumpf und abgestumpft war, an die Oberfläche zu holen, damit der Schmerz nachließ. „Das... das würde alles erklären.“ Natürlich würde es das, dachte ein zynischer, distanzierter Teil seiner selbst, doch er hielt sich davon ab, die Worte wirklich auszusprechen. Sie würde ihn zwar verlassen, aber ihr davor noch einmal wehzutun, nur damit sie sich genauso schrecklich fühlte wie er, das wäre nicht fair und grausam von ihm... und das wollte er nicht sein. Dazu liebte er sie zu sehr. „Ja.“ „Und ich hab mich schon gewundert, ob es ein dummer Zufall ist, dass du immer an Vollmond krank bist...“ „Nein.“ Einzelne Silben schienen alles zu sein, zu dem er im Moment noch fähig war – er hatte Angst, dass jedes Wort zu viel den Knoten in seinem Hals lockern würde und die Tränen freilassen, die er so entschlossen zurückhielt. Dann schlang sie ihre Arme um ihn und drückte ihn, so fest, dass seine gerade erst verheilten Wunden weh taten, aber es störte ihn nicht. Der Schmerz an seinen Armen, an seinem Rücken war der Beweis dafür, dass sie hier war, dass er am Leben war, dass sie nicht weggelaufen war, und als solchen hieß er ihn willkommen. „Florence“, flüsterte er in ihre Haare, sog ihren Duft ein, und spürte, wie sich ein paar Tränen aus seinen Augenwinkeln lösten, die Angst wegspülten, die ihn seit einem Monat – nein, schon länger, schon fast, seit er mit ihr zusammen war – im Griff gehabt hatte. „Ich bin so froh, dass du da bist.“ Ihre Hände streichelten über seinen Rücken, und schließlich ließ sie ihn los, sah ihn aus ein wenig geröteten Augen an, bevor sie schließlich seufzte. „Jetzt verstehe ich, wieso du mir nichts sagen wolltest...“ „Ja. Ich hatte solche Angst...“ „Das musst du nicht... du kannst doch nichts dafür, und wieso sollte ich dich wegen etwas, das du nicht getan hast, im Stich lassen? Du bist der beste Freund, den man sich nur wünschen kann... und ich kenne dich, Remus. Ich weiß, dass ich keine Angst vor dir haben muss.“ Er nickte mit einem Knoten im Hals und griff nach ihren Händen, hielt sie fest, während er seufzte, und mit diesem einen Atemzug versuchte, die Reste seiner Furcht loszuwerden. „Ich hätte nicht an dir zweifeln sollen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du hast wahrscheinlich schon dein ganzes Leben lang Angst, dass dein Geheimnis entdeckt wird. Wieso sollte es bei mir anders sein?“ Trotzdem glaubte er, dass sie ein wenig verletzt war, und er drückte ihre Hände, hoffte, dass sie spüren würde, wie froh er war, dass er sich in ihr getäuscht hatte. „Es tut mir leid.“ „Das muss es nicht, Remus... das muss es nicht.“ Sie schlang ihre Arme wieder um ihn, vergrub ihren Kopf an seinem Hals, so als ob sie ihn nie wieder loslassen wollte, und mit diesem Gedanken war er sehr einverstanden. Er würde sie nicht hergeben – niemals. Und jetzt, da dieses letzte Hindernis zwischen ihnen beseitigt war, rückte dieser Gedanke sogar in greifbare Nähe... „Ich liebe dich“, flüsterte er in ihre blonden Locken, und sie drückte sich noch näher an ihn. „Ich dich auch, Remus... ich dich auch...“ Die Tage und Wochen danach waren die glücklichsten, die Remus jemals erlebt hatte, auch wenn er zuvor geglaubt hatte, dass eine Steigerung nicht mehr möglich war. Jetzt, da er Florence nicht mehr anlügen musste, keine Angst mehr haben musste, dass sie sein Geheimnis entdeckte... jetzt, da er wusste, dass sie zu ihm stand, fühlte er sich besser als je zuvor. Selbst der Gedanke an eine Verwandlung ohne seine Freunde war nicht mehr so beängstigend und schmerzhaft wie zuvor, da er wusste, dass Florence im Krankenflügel auf ihn warten würde, wenn er aus der Heulenden Hütte zurückkam. Sein Leben war einfach perfekt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)