Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 68: Die Hände gebunden ------------------------------ Nebel über Hogwarts – Kapitel 68: Die Hände gebunden Lily Evans hastete mit James' Freunden – ihren Freunden – unter den überraschten Blicken der anderen Gryffindors aus dem Gemeinschaftsraum, um sich auf die Suche nach Professor McGonagall zu machen. Ihre Hauslehrerin würde wissen, was zu tun war – würde die Auroren und Peters Mutter informieren – würde ihnen helfen, Suzanne zu finden... und sie würden sie dabei unterstützen. Suzanne war Peters Schwester, und deswegen fühlten sie alle sich verantwortlich – und dass sie nicht wussten, wo sie war, nagte an allen von ihnen. Wenn es doch nur einen Weg gäbe... sie hielt so abrupt an, dass Sirius, der hinter ihr lief, gegen sie prallte und sie fast umwarf. „Was ist?“ „Ich hatte eine Idee. Wir treffen uns bei McGonagall.“ Sie wollte schon umdrehen und durch einen Geheimgang hinter dem Wandteppich von Iris der Irren verschwinden, als James' Hand sie am Handgelenk griff und zurückhielt. „Hier, nimm die Karte. Falls McGonagall nicht mehr in ihrem Büro ist, wenn du zurückkommst, findest du uns dann.“ Sie nickte, bevor sie davonhastete, so schnell ihre Füße sie tragen wollten und ohne überhaupt daran zu denken, dass sie von einem der Lehrer oder von Mr Filch, dem schrecklichen Hausmeister, erwischt werden konnte. Der Wasserspeier zu Dumbledores Büro tauchte vor ihr auf, gerade als sie dachte, dass sie ihren Schritt verlangsamen musste, weil ihre Seiten zu stechen begannen. Sie japste das Passwort („Zuckerfederkiele!“), das ihr als Schulsprecherin nach jeder Änderung mitgeteilt wurde und wartete nicht darauf, dass die Treppe sich in Bewegung setzte, sondern nahm zwei Stufen auf einmal, bis sie vor der Tür zu seinem eigentlichen Büro stand. Für einen Moment zögerte sie, um zu klopfen, doch sie war viel zu ungeduldig, um auf eine Antwort zu warten, und hastete nach drinnen – und erst, als sie den Stuhl hinter Dumbledores Schreibtisch verwaist vorfand, kam ihr der Gedanke, dass der Schulleiter vielleicht gar nicht anwesend war. Sie fluchte leise, was die Aufmerksamkeit der Portraits auf sie zog, die zuvor friedlich im Licht der Fackeln geschlummert hatten. „Was tun Sie hier, Miss?“, fragte eine ältere Hexe mit weißen Locken, und Lily straffte ihre Schultern. „Ich bin die Schulsprecherin und auf der Suche nach Professor Dumbledore.“ „Professor Dumbledore befindet sich gerade nicht im Haus, Miss. Er wurde ins Ministerium gerufen.“ „Professor McGonagall, dann.“ „Professor McGonagall ist ebenfalls abwesend. Ich schlage vor, Sie gehen zurück in ihren Gemeinschaftsraum – ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie um diese Uhrzeit nicht mehr auf den Gängen sein dürfen, Schulsprecherin hin oder her.“ Lily unterdrückte den dringenden Wunsch, der Hexe und all ihren Kollegen irgendetwas an den Kopf zu werfen, sondern sah sich stattdessen um. Dumbledore war vielleicht nicht hier... aber der Grund, weswegen sie gekommen war, war es sicherlich. Ihr Blick wanderte über die verschiedenen storchbeinigen Tische und die Regale und erreichte schließlich die Vitrine an der hinteren Wand des Raumes. Da! Die Schale des ungetrübten Blicks stand flach und grau wie zu Beginn ihres Schuljahres auf der Glasplatte und sie umkreiste den Schreibtisch, bis sie sie erreicht hatte. Bitte sei nicht verschlossen, bitte sei nicht verschlossen, bitte sei nicht verschlossen... wisperte sie in ihrem Kopf, während sie sich streckte, um das Fach zu öffnen, und als ein kleiner Riegel mit einem kaum hörbaren Klacken zurückschnappte, atmete sie tief aus vor Erleichterung. „Hey! Was machen Sie da!“ Die aufgebrachte Stimme eines der Schulleiter ließ sie zusammenzucken, aber sie ignorierte sie völlig und hob das flache Becken von seinem Platz über ihrem Kopf, um es auf Dumbledores Schreibtisch abzustellen. Für einen Moment schloss sie die Augen, um sich zu erinnern, um herauszufinden, wie der Schulleiter die verborgenen Mächte dieses Artefakts erweckt hatte, dann zog sie ihren Zauberstab. Drei Mal... im Uhrzeigersinn... und den Namen sagen. Sie hoffte, sie machte keinen Fehler, aber es war keine Zeit, um sich Hilfe zu holen oder auf Dumbledore zu warten, also tauchte sie ihren Zauberstab in das klare Wasser der Schale und rührte mit zitternder Hand. „Suzanne Pettigrew.“ Für einen Moment passierte nichts und Lily spürte, wie sich ihre Enttäuschung mit ihrer Angst um das Mädchen vereinte und Tränen in ihren Augen aufsteigen ließ, dann beruhigte sich das Wasser und sie konnte Suzanne sehen – auch wenn sie nach dem ersten Blick zusammenzuckte. Suzanne schrie, brüllte, weinte, wand sich auf mit Nadeln bedecktem Waldboden, während eine schattenhafte Gestalt in einem dunklen Umhang über ihr stand. Auch wenn Lily sie nicht hören konnte, ihre Qual war deswegen um nichts weniger herzzerreißend, und sie hoffte innig, dass der Zauber nicht funktioniert hatte... dass er nicht zeigte wo sich Suzanne im Moment befand und was mit ihr geschah. Aber bei Nathan Devers hatte damals auch gestimmt... Lily schluckte heftig und obwohl nun auch Tränen ihre Wangen hinunterliefen, beute sie sich nach vorne. Sie musste so viel sehen wie möglich, bevor sie mit ihren Freunden zurückkehrte – jeder kleine Hinweis konnte helfen... aber sie wusste nicht, wie lange sie es würde ertragen können, ihr zuzusehen, ohne ihr helfen zu können. „Da!“ Sie keuchte – Suzannes schattenhafter Peiniger hatte sich nach vorne gebeugt, und Lily konnte auf seinem bloßen Unterarm das Dunkle Mal sehen, genauso wie das maskierte Gesicht, das auf sie hinabsah und das Suzanne trotz seiner Reglosigkeit hämisch anzugrinsen schien. „Scheiße.“ Für einen Moment fühlte sie sich wie erstarrt, schaffte es nicht, ihre Beine dazu zu bewegen, ihren Befehlen zu gehorchen, während der Todesser sich zu Suzanne hinunterbeugte, die jetzt – hoffentlich – das Bewusstsein verloren hatte, doch dann riss sie sich los und taumelte einen Schritt zurück. Ein weiterer Todesser tauchte in ihrem Sichtfeld auf, dann noch einer, und sie drehte sich um – mehr konnte sie, mehr wollte sie nicht sehen... Sie rannte. Obwohl sie wusste, wie irrational es war, obwohl sie wusste, dass das Grauen, das Suzanne in seinem Griff hielt, ihr nichts anhaben konnte, flüchtete sie, verfolgt vom aufgebrachten Geschrei der Portraits, bis sie unten im Flur vor dem Wasserspeier stand und feststellte, dass sie nicht wusste, wohin sie gehen sollte. Professor McGonagall war nicht in ihrem Büro, aber waren ihre Freunde noch dort? Oder waren sie ins Lehrerzimmer gegangen? Sie zog die Karte aus ihrer Tasche, die James ihr gegeben hatte, und warf einen Blick darauf. Sie sah James und die anderen, denen sich auch Florence Silverspoon angeschlossen hatte, auf dem Weg zum Lehrerzimmer und lief weiter, noch immer ein wenig außer Atem von ihrem Sprint und ihrem Schock, bis sie sie erreicht hatte. Die Tür war verschlossen, und nach James' und Sirius' ratlosem Gesicht zu schließen hatten sie schon mehrmals geklopft, ohne eine Antwort zu erhalten – was kein Wunder war, denn der Raum war, der Karte nach zu schließen, leer. „Lily! Was ist los?“ „Ich...“ Sie keuchte auf. „Ich war in Dumbledores Büro, er und McGonagall sind heute nicht da – und das Lehrerzimmer ist auch leer!“ Ein weiterer, tiefer Atemzug, um das Stechen in ihrer Seite zu vermindern. Vielleicht hätte sie doch mehr Quidditch spielen sollen wie Emily! „Zu welchem Lehrer können wir noch gehen? Es ist dringend... ich... Dumbledore hat ein Artefakt, mit dem man sehen kann, wo Menschen sich aufhalten, und Suzanne ist...“ Sie schloss die Augen, diesmal nicht vor Atemlosigkeit, sondern weil ein Blick auf Peters banges, angstverzerrtes Gesicht ihr verraten hatte, dass er ihren nächsten Satz nicht gut aufnehmen würde. „Sie ist auf einer Lichtung – ich weiß nicht, wo – und da sind Todesser.“ „Nein!“ Peter schrie auf, mit einer Wut und Hilflosigkeit, die sie an ihm noch nie gehört hatte, und wo er vorhin ruhig zwischen ihnen gestanden hatte, trieb ihn seine Angst nun dazu, rastlos auf und ab zu gehen. „Was können wir tun? Wir müssen doch irgendetwas tun können!“ James machte seinen Schritt auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Arm, nur um sofort rau abgeschüttelt zu werden. „Beruhig dich, Peter. Wir gehen jetzt zu Lovejoy – sie ist Aurorin, sie wird wissen, was zu tun ist.“ „Und was, wenn ich mich nicht beruhigen will, verdammt? Sie ist meine Schwester! Ich muss ihr helfen!“ „Und wie willst du das machen? Sie ist nicht in Hogwarts. Wir wissen nicht einmal, wo wir nach ihr suchen sollen!“ James klang so ruhig, so vernünftig – und doch steigerten seine Worte Peters Angst und Zorn noch weiter. „Meinst du, das weiß ich nicht?“ Seine Hände trafen James' Brust, als der noch einen Schritt auf ihn zu machte, und Peter schob ihn mit einer überraschenden Stärke von sich weg, bevor er sich umdrehte und einfach rannte. James fluchte. „Sirius?“ Ein kurzer Blick zwischen den beiden Freunden reichte, Sirius griff nach der Karte, die Lily noch immer in der Hand hielt, und folgte Peter, rannte ihm hinterher, während die anderen mit dem Gefühl zurückblieben, dass gerade etwas fürchterlich schief gegangen war. „Professor Lovejoys Büro.“ Remus' Stimme klang belegt, und Florence griff nach seinem Arm, um ihn zu beruhigen. James nickte langsam, während er noch mit schmerzverzerrtem Gesicht Peter hinterherstarrte. „Ja.“ Er wandte sich um, und erst jetzt hatte Lily das Gefühl, dass er wirklich wahrnahm, was gerade geschah. „Ja.“ Ihr Weg trug sie hinüber zum Büro ihrer Verteidigung gegen die Dunklen Künste-Professorin, und James klopfte, während Lily innerlich die Finger kreuzte, dass wenigstens Lovejoy hier wäre. Die Minuten der Stille zogen sich, während sie alle unruhig von einem Fuß auf den anderen traten, warteten, hofften, und schließlich hob James die Hand, um erneut sein Glück zu versuchen. „Ja?“ Gerade als seine Knöchel gegen das Holz schlagen wollten, öffnete sich die Tür, und ihre Professorin stand vor ihnen, ein Handtuch um ihre Haare geschlungen und in offensichtlich hastig übergeworfenen Jeans und einem T-Shirt. Ihr Auftauchen, in einem Moment, in dem sie alle schon jede Hoffnung verloren hatten, hatte James für einen Moment die Sprache verschlagen, und so war es Remus, der nach vorne trat. „Wir brauchen Ihre Hilfe, Professor. Die Schwester unseres Freundes Peter, Suzanne Pettigrew aus der ersten Klasse, ist verschwunden, und wir vermuten, dass sie von Todessern entführt wurde.“ Lily schnaubte. „Vermuten? Ich habe gesehen, was ich gesehen habe, Remus!“ Lovejoy runzelte die Stirn und warf einen kurzen, besorgten Blick den verlassenen Flur entlang, dann trat sie ohne weitere Nachfragen zur Seite und bat sie herein, auch, um eine solche Diskussion nicht dort zu führen, wo jeder sie hören konnte. Nachdem sie die Tür hinter ihnen geschlossen und sie mit einer kurzen Handbewegung zum Sitzen aufgefordert hatte, fragte sie schließlich: „Was ist passiert? Und langsam bitte, ja?“ Sie erzählten ihr alles, vom Angriff auf Suzanne während des Schuljahres und von ihrer Angst, den Schuldigen zu verraten, bis zu Peters wütendem Abgang und Sirius, der auf der Suche nach ihm war. Lovejoy seufzte mehr als einmal während ihrer Erzählung, und als sie zum Ende gekommen waren, erhob sie sich. Zwei Wische mit ihrem Zauberstab, und zwei undeutliche Schemen huschten durch die Tür davon, ohne dem Holz überhaupt Beachtung zu schenken, dann trocknete sie ihre Haare mit einem weiteren Zauber und wandte sich ihrem Feuer zu, griff nach dem Teekessel, der daneben stand. „Was machen Sie da?“ James war aufgestanden, und Lily, die neben ihm auf dem Sofa saß, konnte fast die Empörung spüren, die er ausstrahlte. Lovejoy seufzte. „Sie haben die Hauselfen befragt, Mr Potter – wenn sie Miss Pettigrew nicht im Schloss gefunden haben, dann ist sie nicht hier. Und Ihnen muss klar sein, dass Großbritannien voll mit Wäldern ist, in denen man ein Mädchen verstecken und foltern könnte. Ich habe das Ministerium benachrichtigt, und bis sie uns Nachricht geben, können wir nicht mehr tun.“ James runzelte die Stirn. „Und was ist mit dem Orden des Phönix?“ Ein Hauch der Überraschung, aber auch der Anerkennung huschte über Lovejoys Gesicht. „Miss Meadowes hat also mit Ihnen gesprochen. Gut – früher oder später wäre Professor Dumbledore ohnehin auf Sie zugegangen.“ Der Teekessel pfiff, und mit einem Wink ihres Zauberstabs bereitete sie fünf Tassen zu, die in ihre wartenden Hände schwebten. „Und selbstverständlich habe ich auch den Orden benachrichtigt – wenn Sie so viel wissen, wie Sie wissen, glauben Sie doch hoffentlich nicht, dass ich kein Mitglied bin, oder?“ James nickte langsam, fast widerspenstig, und Lily konnte ihn verstehen – auch ihr fiel es nicht leicht, zu akzeptieren, dass sie nichts tun konnten außer warten, bis sie Nachricht über Suzannes Verbleib bekamen. Das Schweigen in Professor Lovejoys Büro zog sich in die Länge, während sie alle gelegentlich an ihren Tassen nippten, fast profane Gesten, denen es nicht gelang, die Spannung, die in jedem von ihnen herrschte, zu brechen. Als es an der Tür klopfte, zuckten sie alle zusammen, und ein hastiger Schwenk von Lovejoys Zauberstab öffnete – doch es war nur Sirius, der mit einem wütenden Gesichtsausdruck eintrat, der auch nicht von der Tasse, die in seine Hand schwebte, besänftigt werden konnte. „Ich hab ihn verloren.“ „Was?“ Sie alle starrten ihn an. „Ich hab ihn verloren. Ich bin ihm bis hinauf in den siebten Stock gefolgt, und im Korridor dort ist er einfach... verschwunden. Keine Ahnung, wie das passiert ist.“ Lovejoy murmelte etwas, von dem Lily sich sicher war, dass es absolut nicht für ihre Ohren gedacht war. „Ausgezeichnet – jetzt sind also zwei Schüler verschwunden.“ James warf einen Blick zu Sirius, der widerwillig auf einem der Stühle Platz genommen hatte. „Was ist mit...?“ Sirius runzelte für einen Moment die Stirn, doch dann begriff er offensichtlich, was sein Freund von ihm wollte. „Keine Spur. Ist nicht zu sehen.“ Lovejoy warf ihnen einen scharfen Blick zu. „Darf ich fragen, wovon Sie sprechen?“ Die Karte. Es musste die Karte sein, von der sie sprachen... natürlich hatten die Rumtreiber sie vor den Lehrern verborgen, und jetzt waren sie sich nicht sicher, ob sie... „Zeigt sie ihnen – bitte. Für die letzten paar Tage werdet ihr sie auch nicht mehr brachen.“ James nickte widerwillig, und auch wenn Sirius an der Schwelle des Widerspruchs zu stehen schien, zog er die Karte doch aus seiner Umhangtasche und breitete sie auf dem Tisch aus, wo die darauf eingezeichneten Punkte über das Pergament wuselten. „Hier... genau hier ist er verschwunden, beim Wandteppich von Barnabas dem Bekloppten, im siebten Stock.“ Lovejoy runzelte die Stirn. „Vielleicht ist dort ein Raum, der nicht verzeichnet ist?“ Sirius zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht – wahrscheinlich schon. Immerhin kann er ja nicht aus Hogwarts verschwunden sein, oder? Mitten im Schloss... das ist doch vollkommen unmöglich!“ Lovejoy nickte. „Die Schutzzauber machen es unmöglich. Ich denke, Mr Pettigrew hat sich einfach nur einen Ort gefunden, an dem er seiner Wut Luft machen kann – in dieser Situation kann er ohnehin nichts tun. Hoffentlich können wir ihm, wenn er wieder auftaucht, berichten, dass wir seine Schwester gefunden haben.“ Lily seufzte leise und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. Lovejoy versuchte zwar, zuversichtlich zu klingen, aber sie war sich ziemlich sicher, dass das nur Zweckoptimismus war, um die Schüler um sie herum nicht zu verunsichern. Sie hatte es selbst gesagt, Großbritannien war groß – und die Chance, Suzanne zu finden, bevor es zu spät war und die Todesser ihren Triumph mit ihrem Dunklen Mal in den Himmel schrien, verschwindend gering... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)