Nebel über Hogwarts von Glasschmetterling ================================================================================ Kapitel 71: Es tut mir leid --------------------------- Nebel über Hogwarts – Kapitel 71: Es tut mir leid Der Tee war in den Tassen kalt und schal geworden, während sie gemeinsam in das Feuer in Professor Lovejoys Büro starrten. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte James die Aurorin mit Fragen überhäuft, jetzt, da er eine Gelegenheit hatte, in einem etwas privateren Rahmen mit ihr zu sprechen, doch heute verhinderte der schwere, dicke Knoten von Angst in seinem Hals, dass er zu viel sprach. Lilys kleine, schmale Hand in seiner war das einzige, das ihn davon abhielt, aufzuspringen und nach Peter zu suchen, so erfolglos dieses Unternehmen auch sein würde, weil er nicht auf der Karte des Rumtreibers zu sehen war. Mitternacht kam und ging, während sie auf Lovejoys Sofa in die Dunkelheit auf der anderen Seite des Fensters starrten, und Florence war gerade dabei, wegzunicken, als ein lauter Knall sie alle zusammenschrecken ließ. „Tinky hat etwas herausgefunden, Master Potter!“ Die Ohren der kleinen Hauselfe schlackerten aufgeregt hin und her, als sie auf ihn zulief. „An der Küste in Cornwall und in einem Wald in Schottland sind fast gleichzeitig die Zeichen des Dunklen Lords aufgetaucht!“ Lily antwortete, bevor er seine Frage auch nur stellen konnte. „Schottland!“ „Sind Sie sicher, Miss Evans? Leben hängen davon ab.“ Lovejoys scharfer Blick traf sie, und sie schluckte, bevor sie schließlich nickte. „Ja.“ Zwei silbrige Schatten flitzten durch die Tür davon, ausgesandt von Lovejoys Zauberstab, doch dann nahm sie wieder neben ihnen Platz. „Wollt ihr noch Tee?“ „Das ist nicht Ihr Ernst, Professor!“ Sirius starrte sie fassungslos an. „Suzanne könnte tot sein, und Sie wollen hier einfach sitzen bleiben?“ Lovejoy seufzte tief, und in James' Augen sah sie plötzlich um Jahre gealtert aus. „Wie sollen wir sie erreichen? Und was soll ich alleine tun gegen was – ein Dutzend Todesser und vielleicht auch noch Du-weißt-schon-wen?“ „Aber Sie sind nicht alleine.“ James sprang auf und starrte sie wütend an. „Wir sind auch noch hier, und wir wollen kämpfen.“ „Das habe ich nie bezweifelt – aber wir können sie nicht erreichen...“ Ein zartes Räuspern ließ James aufhorchen. „Ja, Tinky?“ Die Hauselfe errötete unter der geballten Aufmerksamkeit der Anwesenden. „Ich... ich hab mit den anderen Hauselfen gesprochen, Master Potter. Wir könnten Sie nach Schottland bringen.“ Für einen Moment sah Lovejoy aus, als ob sie das kleine Wesen erwürgen wollte, doch der Eindruck verging so schnell, wie er gekommen war. „Hol sie. Wir brechen auf, sobald ihr bereit seid.“ Tinky verschwand mit einem Knall, und Lovejoy wandte sich ihnen zu. „Ihr könntet sterben, oder, schlimmer, gefangengenommen werden.“ Ein kurzer Blick zu seinen Freunden verriet James, dass die Aussicht keinen von ihnen schreckte, und Lovejoy seufzte. „Miss Pettigrew könnte auch bereits tot sein.“ Remus festigte seinen Griff um Florence' Finger und sah sie an, doch sie blickte genauso entschlossen drein wie alle anderen auch. „Peter ist unser Freund.“ Lovejoy schien anzuzweifeln, dass das ein ausreichender Grund war, sich in einen Kampf auf Leben und Tod mit Zauberern zu stürzen, die älter, erfahrener und skrupelloser waren als sie, doch die Ankunft der Hauselfen verhinderte jegliche weitere Diskussion. Jeder von ihnen reichte seine Hände an zwei Zauberer, die ihre Zauberstäbe in der anderen hielten, und nach einem letzten Blick wurden sie in die Dunkelheit davongerissen. James hatte seinen Schildzauber hochgerissen, bevor er noch wusste, wo er sich befand, bevor sein Kopf überhaupt die Situation begriffen hatte, und es war gut so – ein Fluch prallte wirkungslos daran ab, während er herumwirbelte und den Kreis der Todesser aufnahm, in dessen Mitte sie gelandet waren. Auf der anderen Seite der Lichtung, wo Lovejoy gelandet war, schoss sie einen Fluch auf Du-weißt-schon-wen ab, der in Wirklichkeit noch viel hässlicher war als auf den Bildern in der Zeitung, doch sie traf nur Luft. Lord Voldemort war bereits disappariert. Feigling, dachte James kurz, doch für mehr als diesen zusammenhanglosen Gedanken hatte er inmitten der Schlacht, die nun entbrannte, keine Zeit. Noch nie hatte er so gekämpft wie in diesen, wenigen Minuten, noch nie so viele Flüche in so kurzer Zeit verschossen, sich noch nie so verteidigt, und doch war er sich in späteren Jahren sicher, dass nur das Überraschungsmoment sie gerettet hatte. Die Todesser rechneten schlicht und ergreifend nicht mit einem Frontalangriff in ihre Mitte, und nach der Flucht ihres Meisters folgten viele seinem Vorbild – doch die Übrigen waren immer noch genug, um ihre kleine Gruppe in Gefahr zu bringen. James duckte sich unter einem grünen Strahl hinweg, spürte, wie die Hitze des Fluches seine Haare versengte und über seine Kopfhaut strich, doch er hatte keine Zeit für Angst, keine Zeit für die Realität, dass er dem Tod nur um Millimeter entronnen war. Er musste kämpfen, hexen, selbst verfluchen und seinen Protego benutzen, wirbelte herum wie in Trance, aus der ihn erst sein Name in einer vertrauten Stimme riss. „James!“ Er erkannte Lily und für einen Moment griff eine eisige Hand nach seinem Herz, als er sich umdrehte und halb damit rechnete, sie blutend auf dem Boden zu finden, doch sie deutete nur auf irgendetwas auf der anderen Seite des Kampfgetümmels, einen Haufen schwarzer Umhänge auf dem Waldboden. Zuerst verstand er nicht, was es war, das sie von ihm wollte, doch ein genauerer Blick zwischen der Abwehr zweier Todesserattacken ließ ihn endlich die Form von zwei Menschen unter dem schwarzen Stoff erkennen und sein adrenalindurchflutetes Gehirn erinnerte sich daran, wieso sie hier waren. Er verbiss sich einen Fluch, schoss stattdessen einen Stupor auf einen herankommenden Gegner ab, der ihn bewusstlos zu Boden sinken ließ, und arbeitete sich dann in der Deckung von Lilys Verteidigung auf das zu, von dem er befürchtete, dass es sich um Suzanne handelte. Die wenigen Schritte kamen ihm vor als würde er durch das ganze Quidditchstadion laufen, immer und immer wieder, doch schließlich sank er auf die Knie hinunter und drehte den ersten, reglosen Körper um. Sein Schock, als er Peter erkannte, das Gesicht bleich und mit einer Wunde an der Seite seines Kopfes, ließ ihn zurückfahren, doch nach dem ersten Moment des Erkennens beugte er sich nach vorne, über seine Brust. Er atmet noch! Merlin, er atmet noch! Wie sein Freund hierher gekommen war oder was passiert war, wusste James nicht, und er hatte keine Zeit, dieses Rätsel sofort zu lösen – er streckte seine Hand aus und drehte den Kopf der zweiten, kleineren Gestalt auf sich zu. Suzanne Pettigrews kalte, leblose Augen, die ihn unverwandt anstarrten, erübrigten jede Überprüfung ihrer Atemfunktion – sie war so offensichtlich tot, dass selbst James, der seine Erfahrung nur aus Fernsehserien und Actionfilmen bezog, ihren Zustand sofort erkannte. Diesmal fluchte er tatsächlich, spürte, wie die Tränen in seine Augen schossen, aber er hatte keine Zeit – um ihn herum und über ihm tobte noch immer der Kampf, und nur seine geduckte Position und Lilys Schutzzauber hatten ihn vor Schaden bewahrt, während er nach Peter sah. Er blickte auf und schluckte, als er die Frage in ihren Augen sah, dann schüttelte er den Kopf. Der Schmerz auf ihrem Gesicht sagte ihm, dass sie verstanden hatte, und einen Moment später drang ihre Stimme an seine Ohren. „Wir haben Peter! Wir müssen apparieren!“ Erst, als er ihre Worte gehört hatte, sah er auch den Sinn dahinter, doch außer ihm und Sirius hatte niemand ihn gehört. Florence und Peter kämpften Rücken an Rücken auf der anderen Seite der Lichtung, während Lovejoy in ein wildes Duell mit einer Todesserin verwickelt war, die einen Fluch nach dem anderen auf sie abschoss. James schüttelte den Kopf. Sie konnten jetzt nicht gehen, konnten ihre Freunde nicht ihrer Rückendeckung berauben, auch wenn sie nun keinen Grund mehr hatten, hier zu sein. Er hastete die wenigen Schritte zurück zu Lily, die ihm nun merklich leichter fielen, da viele ihrer Widersacher bereits geflohen waren, und spürte einen ersten Schimmer Hoffnung. Sie hatten vielleicht Suzanne verloren, aber das Überraschungsmoment würde es ihnen erlauben, diesen Kampf zu gewinnen, oder zumindest die verbleibenden Todesser in die Flucht zu schlagen. Das wäre ein kleiner Sieg... wenn auch einer, der sie viel zu viel kosten würde. „Remus! Florence!“ Lily rief erneut, und diesmal hörten die beiden sie, wandten kurz den Kopf – im selben Moment, als Schreie über ihnen durch die Dunkelheit hallten und die ersten Zauberer von ihren Besen sprangen. James erkannte aus dem Augenwinkel den langen, silbrigen Bart Dumbledores – die letzte Sicherheit, dass sie diesen Kampf gewonnen hatten – und stürzte sich mit neuer Motivation ins Getümmel. Dorcas landete neben ihm und Lily und warf ihren Besen zu Boden, um ihren Zauberstab zu heben, das erste Mal, dass James sie in einem wirklichen Kampf sah und nicht dem Deckungsgefecht in den Korridoren des Schlosses. Für ihn und Lily blieb nicht viel zu tun, außer, sie vor gelegentlich eingehenden Flüchen zu schützen, so schnell bewegte sie sich, so gut war ihre Übersicht über das Schlachtfeld. Sobald einer ihrer Zauber getroffen hatte, wandte sie sich um und dem nächsten Gegner zu, und das alles mit einer Nahtlosigkeit, die es scheinen ließ, als könnte sie die nächste Bewegung ihrer Gegner voraussehen. Die Angst, die James zuvor im Nacken gesessen hatte, verschwand unter dem Schutz ihrer neuen Kampfgefährtin, und nur wenige Minuten später, als auch die letzten Todesser, die nicht kampfunfähig auf dem Boden lagen, den Rückzug antraten, tauchten auch die Auroren des Ministeriums über ihnen auf und stürzten auf die Lichtung herab. Ein erstickter Schrei, ausgestoßen von einer Stimme, die ihm fürchterlich bekannt vorkam, gerade als er glaubte, dass der Kampf vorbei wäre, ließ ihn herumwirbeln, und sein Blick wanderte über die Köpfe um ihn herum. Sirius stand auf der anderen Seite der Lichtung, sein schwarzer Haarschopf ragte über die der um ihn herumstehenden Auroren hinaus, aber Remus... wo war Remus? Er blickte sich um, versuchte, die wimmelnde Masse an Personen, die sich jetzt über die Lichtung ergoss, mit seinen Blicken zu durchdringen, und drängte sich an zwei Auroren vorbei... er stieß erleichtert den Atem aus, als er Remus auf dem Boden knien sah, offensichtlich unverletzt – und dann sah er, worauf der starre Blick seines Freundes gerichtet war. Florence lag wie hingegossen auf dem dunklen Waldboden, die Augen in derselben, schrecklichen Art starr nach oben gerichtet wie die von Suzanne, ein Hauch von Überraschung auf ihren Zügen festgefroren – und James wusste augenblicklich, was passiert war. Der Schmerz auf Remus' Gesichtszügen und das Wimmern, das er ausstieß und das James fast an einen verletzten Wolf erinnerte, verriet, dass auch er verstanden hatte, was geschehen war, und James erstarrte. Er wusste nicht, was er tun sollte, hatte nichts, das er tun konnte, um den Schmerz seines Freundes zu lindern, und die Hilflosigkeit, die er schon gespürt hatte, als Peter nach Suzanne suchte, ergriff ihn erneut. Lily trat hinter ihn und schlug die Hände vor den Mund, als sie sah, was geschehen war, doch im Gegensatz zu ihm reagierte sie nach einem kurzen Blick auf sein Gesicht und trat zu Remus nach vorne, schlang ihre Arme um ihn, eine Szene, die James die Kehle zusammenschnürte. Warum hatten sie das Kämpfen nicht denjenigen überlassen, die es konnten? Warum hatten sie nicht in Lovejoys Büro warten können wie die braven Schüler, die sie eigentlich sein sollten... warum? Und warum war sie es, die den Preis zahlen musste, Florence, die doch eigentlich gar nichts mit ihnen zu tun hatte, die die Rumtreiber mit der Ausnahme von Remus nicht einmal richtig gemocht hatte? Warum? Warum? Warum? Ihm war schmerzhaft bewusst, dass es auch Lily hätte sein können, die reglos auf den Tannennadeln lag, oder er, oder Remus, oder Sirius... und der Gedanke an jeden von ihnen, vielleicht mit der Ausnahme von ihm selbst, ließ die Übelkeit in ihm aufsteigen. Warum... Lovejoy hatte Recht gehabt. In jugendlicher Überheblichkeit hatte keiner von ihnen gedacht, dass sie wirklich sterben konnten, hatten sich selbst für unbesiegbar gehalten, geschützt vom Schild ihres rechtschaffenen Zornes... aber nichts davon entsprach der Wahrheit. Und Florence hatte den Preis dafür gezahlt, und mit ihrem Tod auch Remus. James kannte seinen Freund, und er wusste, er würde sich niemals verzeihen für das, was gerade geschehen war. Er schluckte und wandte sich ab von Lily, die Remus in ihren Armen wiegte, wie sie es vielleicht mit einem kleinen Kind machen würde. Noch ein anderer Freund wartete auf dieser Lichtung auf ihn, der seine Hilfe brauchte, und er drängte sich durch die umstehenden Auroren auf Peter zu. Heiler hatten ihn aus seiner Bewusstlosigkeit geholt und er saß auf dem Boden, starrte aus leeren Augen in die Ferne, während eine Hexe sich um den hässlichen Schnitt an der Seite seines Gesichts kümmerte. Suzanne war... fort, und im Grunde war James froh darüber – er wusste nicht, ob er sie noch einmal hätte ansehen können. „Peter?“ Sein Freund sah zu ihm hoch, und James ging vor ihm auf die Knie, legte seine Hände auf seine Schultern. „Es tut mir leid.“ Für einen Moment reagierte er nicht, schien durch ihn hindurchzustarren, doch schließlich nickte er, die Bewegungen langsam, wie unter Wasser. „Mir auch, James. Mir tut es auch leid.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)